Elemente des FAG 2008 zur Abgeltung zentralörtlicher Funktionen

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Elemente des FAG 2008 zur Abgeltung zentralörtlicher Funktionen Einschätzung zum abgestuften Bevölkerungsschlüssel und weiteren Elementen mit zentralörtlichem Bezug i.w.S. Diskussionspapier

verfasst von Dr. Karoline Mitterer

KDZ Zentrum für Verwaltungsforschung Guglgasse 13 · A-1110 Wien T: +43 1 892 34 92-0 · F: -20 institut@kdz.or.at · www.kdz.or.at



INHALT

Inhaltsverzeichnis I

Einleitung .............................................................................................................................. 5

II

Abgestufter Bevölkerungsschlüssel und weitere Elemente zum Ausgleich

zentralörtlicher Funktionen ........................................................................................................... 6

III

1

Abgestufter Bevölkerungsschlüssel ............................................................................. 7

2

Weitere Regelungen zum Ausgleich zentralörtlicher Funktionen ................................ 9

3

Finanzzuweisungen und Zuschüsse .......................................................................... 13

4

Rolle des abgestuften Bevölkerungsschlüssels im FAG............................................ 15

Resümee .............................................................................................................................. 17 1

Kritische Anmerkungen zur aktuellen Ausgestaltung des ABS.................................. 17

2

Weiterentwicklung des ABS ....................................................................................... 22

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EINLEITUNG

I

Einleitung

In § 4 Finanzverfassungsgesetz 1948 wird festgehalten, dass die Grenzen der finanziellen Leistungsfähigkeit der Gemeinden nicht überschritten werden dürfen und eine entsprechende Finanzausstattung der Gemeinden gegeben sein muss. Dabei wird ausgeführt, dass die Regelungen in Übereinstimmung mit der Verteilung der Lasten der öffentlichen Verwaltung zu erfolgen haben. Das Finanzausgleichsgesetz hat seit seiner Entstehung sehr vielfältige Entwicklungsschritte durchlebt, wodurch sich auch die Verteilungswirkungen auf die einzelnen Gemeinden deutlich verändert haben. Insbesondere Städte erbringen neben Basisaufgaben (z.B. Kinderbetreuungsbereich, Schulen) auch zentralörtliche Aufgaben (z.B. Infrastruktureinrichtungen im Sport- und Freizeitbereich). Hier stellt sich die Frage, inwieweit die Abgeltung zentralörtlicher Aufgaben auch im Finanzausgleich abgebildet werden und ob diese Regelungen im Laufe der Jahre verändert wurden. Eine direkte Verknüpfung zwischen den Regelungen des Finanzausgleichs und der Zielsetzung der Stärkung bzw. Sicherung der zentralörtlichen Funktion der Städte ist dabei jedoch nicht möglich, da die vielfältigen Regelungen eher auf historische Gründe als auf tatsächliche Wirkungsziele zurückgeführt werden können. Es ergibt sich jedoch aus den Verteilungswirkungen der einzelnen Verteilungsschlüssel, ob diese verstärkt Gemeinden mit zentralörtlicher Funktion zugute kommen. Meist entscheidet hier jedoch die Einwohnergröße, ob diese zusätzliche Mittel bekommen. Das eigentliche Ausmaß an zentralörtlichen Aufgaben ist hingegen nicht relevant. Insofern kann der hier verwendete Begriff der zentralörtlichen Funktion nur sehr eingeschränkt verwendet werden und richtet sich mehr nach der Einwohnergröße als an der Funktion. Eines der wichtigsten Elemente ist hierbei der abgestufte Bevölkerungsschlüssel (ABS), welcher in den letzten Jahrzehnten immer weiter ausgehöhlt wurde. Zur Aufrechterhaltung der kommunalen Leistungserbringung bedarf es jedoch der Beibehaltung des abgestuften Bevölkerungsschlüssels, sofern es keine treffsichere Alternative (z.B. Aufgabenorientierter Gemeinde-Finanzausgleich) gibt. Neben dem abgestuften Bevölkerungsschlüssel bestehen weitere Ausgleiche, welche der Abgeltung zentralörtlicher Aufgaben dienen. Hier soll ein Überblick über die verschiedenen Elemente gegeben werden. Dabei sollen die folgenden Inhalte behandelt werden: Der abgestufte Bevölkerungsschlüssel soll hinsichtlich seiner historischen Entwicklung und aktuellen Ausgestaltung erläutert werden. Es soll ein Überblick über jene Elemente des FAG 2008 gegeben werden, welche dem Ausgleich zentralörtlicher Aufgaben dienen. Schließlich erfolgt eine kritische Betrachtung des abgestuften Bevölkerungsschlüssels und dessen Bedeutung im Finanzausgleich. Eine weiterführende Auseinandersetzung mit Reformoptionen und Weiterentwicklungsmöglichkeiten zum abgestuften Bevölkerungsschlüssel erfolgt in einem gesonderten Bericht.

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ABGESTUFTER BEVÖLKERUNGSSCHLÜSSEL UND WEITERE ELEMENTE ZUM AUSGLEICH ZENTRALÖRTLICHER FUNKTIONEN

II

Abgestufter Bevölkerungsschlüssel und weitere Elemente zum Ausgleich zentralörtlicher Funktionen

77 Prozent der Gemeinde-Ertragsanteile1 werden im Rahmen des abgestuften Bevölkerungsschlüssels verteilt. Daneben dienen auch die Ausgleichs-Vorausanteile einem teilweisen Ausgleich von zentralörtlichen Funktionen. Neben diesen eigentlichen Verteilungsschritten im Zuge der Ertragsanteils-Verteilung, bestehen noch ergänzende Finanzzuweisungen und Zuschüsse durch den Bund, welche beispielsweise den ÖPNV-Bereich abdecken. Die nachfolgende Tabelle gibt diesbezüglich eine Übersicht. Tabelle 1: Abgestufter Bevölkerungsschlüssel und Ausgleiche sowie Finanzzuweisungen mit zentralörtlichem Bezug Bezeichnung

Gesetzliche Kurzbeschreibung Finanzielle Grundlage Bedeutung 2012 ABS und auf Zentralörtlichkeit ausgerichtete Ausgleiche im Rahmen der Ertragsanteils-Verteilung Abgestufter § 11 Abs. 2 Einheitlicher Verteilungsschlüssel 6.562 Mio. Euro Bevölkerungs(7) nach EW-Klasse (76,8% der schlüssel GemeindeErtragsanteile) Ausgleichs§ 11 Abs. 5 nach EW-Klasse gestaffelte 138 Mio. Euro Vorausanteil Fixbeträge je EW, gesonderte (1,6% der GemeindeFixbeträge Berücksichtigung von Statutarstädten Ertragsanteile) Ausgleichs§ 11 Abs. 6 Zur Abdeckung von Verlusten durch 73 Mio. Euro Vorausanteil Änderungen des ABS 2011 (0,9% der GemeindeABS-Änderung Ertragsanteile) – exkl. Wien Ausgleichs§ 11 Abs. 8 Ausgleich zur kostenneutralen 32 Mio. Euro Vorausanteil Abschaffung der Selbstträgerschaft (0,4% der GemeindeSelbstträgerschaft Ertragsanteile) Werbesteuer§ 11 Abs. 2 Ausgleich für den Entfall der 96 Mio. Euro ausgleich Z3 Ankündigungs- und Anzeigenabgabe (1,1% der GemeindeErtragsanteile) Ergänzende Finanzzuweisungen und Zuschüsse durch den Bund ÖPNV lfd. Betrieb § 20 (1) 15,6 Mio. Euro + 0,034 % des 38 Mio. Euro Nettoaufkommens an Abgaben mit einheitlichem Schlüssel; 55% Wien, 45 % Gemeinden mit Autobus-, Obus- und Straßenbahnlinien (inkl. Wien); Verteilung nach Verhältnis der Streckenlänge und der Anzahl der beförderten Personen; auf Antrag 1

Inkl. Bedarfszuweisungsmittel

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ABGESTUFTER BEVÖLKERUNGSSCHLÜSSEL UND WEITERE ELEMENTE ZUM AUSGLEICH ZENTRALÖRTLICHER FUNKTIONEN

ÖPNV für Investitionen

§ 20 (2)

Finanzzuweisung Statutarstädte Krems und Waidhofen Finanzzuweisung für Städte über 10.000 EW

§ 20 (3)

Theater-Zuschuss

§ 23 (1)

§ 21 (11)

16,5 Mio. Euro + 0,034 % des Nettoaufkommens an Abgaben mit einheitlichem Schlüssel (§ 9 Abs. 1); Verteilung: 1) 500 Tsd. Euro + 3% Anteil einheitlicher Schlüssel - bis 40% der Investitionssumme, auf Antrag 2) Rest: für Landeshauptstädte über 100.000 EW nach festen Hundertsätzen Abgeltung für Mehraufwand, weil Landespolizeidirektion nicht zugleich Sicherheitsbehörde erster Instanz ist; Abgeltung mittels Pauschalbetrag für Gemeinden ohne Wien mit mehr als 10.000 EW zur Abdeckung der zentralörtlichen und ballungsraumspezifischen Aufgaben; Verteilung großteils über Volkszahl 21,3 Mio. Euro für Länder und Gemeinden gemeinsam; davon: 1) 18,713 Mio. Euro für L und G, die dem Theatererhalterverband angehören – nach vereinbartem Verteilungsschlüssel 2) 2,587 Mio. Euro für alle anderen L und G – auf Antrag

39 Mio. Euro

2,3 Mio. Euro

16 Mio. Euro

10,5 Mio. Euro

Anmerkung: EW = Einwohnerinnen und Einwohner Quelle: Finanzausgleichsgesetz 2008; BMF: Sonderauswertung 2013; KDZ: eigene Berechnungen und Darstellung, 2014.

1

Abgestufter Bevölkerungsschlüssel

Der abgestufte Bevölkerungsschlüssel (ABS) ist der wichtigste Verteilungsschlüssel bei der Gemeinde-Ertragsanteilsverteilung. Er wurde bereits in der Originalfassung des Finanzausgleichsgesetzes im Jahr 1948 verankert. Seit damals hat der ABS mehrere Änderungen erfahren, wie in der nachfolgenden Übersicht erkennbar ist. Dabei erfolgte eine kontinuierliche Abflachung des ABS, wobei insbesondere die Vervielfacher der untersten Stufen auf ein höheres Niveau angehoben wurden.

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ABGESTUFTER BEVÖLKERUNGSSCHLÜSSEL UND WEITERE ELEMENTE ZUM AUSGLEICH ZENTRALÖRTLICHER FUNKTIONEN

Tabelle 2: Stufen des abgestuften Bevölkerungsschlüssels im Zeitverlauf Gesetzliche Grundlage

Änderung

Schlüssel und Vervielfacher

Verhältnis

FAG 1948 - § 4 Abs. 5 FAG 1948

Neueinführung

Bis 2.500 EW – 3 (entspricht nach einer späteren generellen Division im Jahr 1952 durch 3 einem heutigen Vervielfacher von 1) 2.501-10.000 EW – 4 10.001-20.000 EW – 5 20.001-50.000 EW – 6 über 50.000 EW – 7

1 : 2,33 (unter

1952

generelle Division durch 3

Bis 2.500 EW – 1 2.501-10.000 EW – 1 1/3 10.001-20.000 EW – 1 2/3 20.001-50.000 EW – 2 über 50.000 EW – 2 1/3

1 : 2,33 (unter

Änderung der untersten Stufe

Bis 1.000 EW – 1 1/6 1.001-10.000 EW – 1 1/3 10.001-20.000 EW – 1 2/3 20.001-50.000 EW – 2 über 50.000 EW – 2 1/3

1 : 2 (bis 1.000 EW :

Entfall der untersten Stufe

Bis 10.000 EW – 1 1/3 10.001-20.000 EW – 1 2/3 20.001-50.000 EW – 2 über 50.000 EW – 2 1/3

1 : 1,75 (bis 10.000

1955

1985

2.500 EW : über 50.000 EW)

2.500 EW : über 50.000 EW)

über 50.000 EW)

EW : über 50.000 EW)

1993

Einführung eines Sockelbetrages

7,43 Euro pro Kopf (umgerechnet)

2001 bis 2004

Steigerung des Sockelbetrages

Von 43,77 Euro pro Kopf im Jahr 2001 auf 72,66 Euro pro Kopf im Jahr 2004

2005

Entfall Sockelbeträge + Anhebung der untersten Stufe

Bis 10.000 – 1 1/2 10.001-20.000 EW – 1 2/3 20.001-50.000 EW – 2 über 50.000 EW – 2 1/3

1 : 1,56 (bis 10.000

Anhebung der untersten Stufe

Bis 10.000 EW - 1 41/67 10.001-20.000 EW – 1 2/3 20.001-50.000 EW – 2 über 50.000 EW – 2 1/3

1 : 1,45 (bis 10.000

2011 (FAG 2008)

EW : über 50.000 EW)

EW : über 50.000 EW)

Anmerkung: EW = Einwohnerinnen und Einwohner Quelle: Diverse Novellen zum Finanzausgleichsgesetz seit 1948; KDZ: eigene Berechnungen und Darstellung, 2014.

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ABGESTUFTER BEVÖLKERUNGSSCHLÜSSEL UND WEITERE ELEMENTE ZUM AUSGLEICH ZENTRALÖRTLICHER FUNKTIONEN

Durch die bestehenden Regelungen im Abgestuften Bevölkerungsschlüssel ergibt sich, dass die Gemeinden bis 10.000 EW mit rund 650 Euro die selben Pro-Kopf-Beträge erhalten. Die Gemeinden von 10.001 bis 20.000 EW liegen mit 690 Euro pro Kopf leicht darüber. Ein deutlicher Anstieg mit 816 Euro pro Kopf findet sich dann in der Stufe von 20.001 bis 50.000 EW. Schließlich liegt der Pro-Kopf-Betrag der Gemeinden über 50.000 EW bei 944 Euro pro Kopf. Abbildung 1: Ertragsanteile bezüglich Abgestufter Bevölkerungsschlüssel nach EWKlassen pro Kopf, 2012 1.000 900 800 Euro pro Kopf

700 600 500 400 300 200 100 0 unter 500 EW 501 bis 1.000 1.001 bis 2.500 2.501 bis 5.000 5.001 bis EW EW EW 10.000 EW

10.001 bis 20.000 EW

20.001 bis 50.000 EW

über 50.000 EW

Quelle: BMF: Sonderauswertung 2013. KDZ: eigene Berechnungen 2014.

2

Weitere Regelungen zum Ausgleich zentralörtlicher Funktionen

Ausgleichs-Vorausanteil – Fixbeträge Der Ausgleichs-Vorausanteil gemäß § 11 Abs. 5 FAG besteht seit dem Jahr 2008 und gilt als Ersatz für die bis dahin vom Bund gewährten Bedarfszuweisungen gemäß § 23 FAG 2005. Die damalige Regelung betraf in erster Linie eine Ausgleichszahlung zur Finanzierung der Auswirkungen der Reform des abgestuften Bevölkerungsschlüssels. Ursprünglich handelte es sich hier um Bedarfszuweisungen als Ausgleich für die Anhebung des Sockelbetrages durch das FAG 2001 (16,56 Mio. Euro). Im Jahr 2005 wurden die Bedarfszuweisungen um 100 Mio. Euro erweitert. 61 Mio. Euro waren zum Ausgleich der Verluste derjenigen Gemeinden zu verwenden, die aus der Reform des ABS (Anhebung des niedrigsten Vervielfachers) Mindereinnahmen zu erwarten haben. Dies betraf alle Gemeinden ab 10.000 EW sowie die Statutarstadt Rust und Gemeinden in der Einschleifregelung zwischen 9.300 und 10.000 EW. Die verbleibenden 39 Mio. Euro kamen je zur Hälfte den Gemeinden bis 9.300 EW und den übrigen Gemeinden (inkl. Wien) zugute. Hinzu kamen gesonderte Regelungen für Statutarstädte sowie Städte in der Einschleifzone. Mit der Umwandlung in den Ausgleichs-Vorausanteil im Jahr 2008 wurde die bisherige Regelung der Bedarfszuweisung weitgehend übernommen. Wesentlich ist hierbei, dass die Schlüssel zwar

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ABGESTUFTER BEVÖLKERUNGSSCHLÜSSEL UND WEITERE ELEMENTE ZUM AUSGLEICH ZENTRALÖRTLICHER FUNKTIONEN

jeweils mit der aktuellen EW-Zahl vervielfacht werden, die Einordnung in die relevanten Größenklassen jedoch an das Ergebnis der Volkszählung 2001 geknüpft ist. Die Jahresbeträge selbst werden jährlich entsprechend der Entwicklung der Nettoaufkommen an den Abgaben mit einheitlichem Schlüssel im Vorjahr gegenüber dem zweitvorangegangenen Jahr valorisiert und vom BMF veröffentlicht.2 Bei einer Betrachtung der Pro-Kopf-Werte dieses Ausgleichs-Vorausanteils wird deutlich, dass diese Regelung den Städten über 10.000 EW zugute kommt. Abbildung 2: Ertragsanteile betreffend Ausgleichs-Vorausanteile – Fixbeträge nach EWKlassen pro Kopf, 2012 70 60 50 40 30 20 10 0 unter 500 EW 501 bis 1.000 1.001 bis 2.500 2.501 bis 5.000 EW EW EW

5.001 bis 10.000 EW

10.001 bis 20.000 EW

20.001 bis 50.000 EW

über 50.000 EW

Quelle: BMF: Sonderauswertung 2013. KDZ: eigene Berechnungen 2014.

Ausgleichs-Vorausanteil – Ausgleich ABS-Änderung Der Ausgleichs-Vorausanteil gemäß § 11 Abs. 6 FAG soll die Änderungen im ABS ab dem Jahr 2011 ausgleichen. Davon betroffen sind in erster Linie die Gemeinden ab 10.000 EW. Diese erhalten Vorausanteile, die sich aus den länderweisen und je Größenklasse ermittelten durchschnittlichen Verlusten (Basis 2010) errechnen. Auch hier erfolgt eine jährliche Valorisierung und Veröffentlichung durch das BMF. Das Gesamtausmaß ergibt sich, da das Gesamtausmaß der Änderung des ABS maximale Verluste von 100 Mio. Euro verursachen darf. Finanziert wird diese Regelung durch den Wegfall des Konsolidierungsbeitrages.3

2 3

Vgl. Hüttner et.al.: Das Finanzausgleichsgesetz, 2008, S. 153 f. Vgl. Hüttner et.al.: Das Finanzausgleichsgesetz, 2008, S. 155.

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ABGESTUFTER BEVÖLKERUNGSSCHLÜSSEL UND WEITERE ELEMENTE ZUM AUSGLEICH ZENTRALÖRTLICHER FUNKTIONEN

Abbildung 3: Ertragsanteile betreffend Ausgleich ABS-Änderung nach EW-Klassen pro Kopf, 2012 45 40 35 30 25 20 15 10 5 0 unter 500 EW

501 bis 1.000 1.001 bis 2.500 2.501 bis 5.000 EW EW EW

5.001 bis 10.000 EW

10.001 bis 20.000 EW

20.001 bis 50.000 EW

über 50.000 EW

Quelle: BMF: Sonderauswertung 2013. KDZ: eigene Berechnungen 2014.

Ausgleichs-Vorausanteil – Selbstträgerschaft In § 11 Abs 8 wird der Ausgleichs-Vorausanteil für die Selbstträgerschaft geregelt. Um eine kostenneutrale Abschaffung der Selbstträgerschaft zu erreichen, erhalten Gemeinden mit mehr als 2.000 EW als Ausgleich für den damit verbundenen Mehraufwand einen Vorausanteil. Die näheren Regelungen werden in § 24 Abs 6 beschrieben. Im BGBl. 421/2008 stehen die Verteilungsschlüssel bzw. Richtwerte für die Berechnung. Wichtig ist zu erwähnen, dass bei der Berechnung der Vorausanteile die Bevölkerung gemäß Volkszählung 2001 heranzuziehen ist. Dies hat einen Vorteil für jene Gemeinden, welche aufgrund von Bevölkerungsrückgängen unter die Grenze von 2.000 EW fallen, dass diese auch in Zukunft diesen Vorausanteil erhalten. Gemeinden über 2.000 EW mit starkem Bevölkerungswachstum hingegen verlieren verhältnismäßig Mittel, da sich die Berechnung des Vorausanteils nicht an der tatsächlichen Bemessungsgrundlage, sondern an historischen Werten orientiert.4 Eine Betrachtung der Pro-Kopf-Beträge zeigt, dass diese – beginnend bei 2.000 EW – mit steigender EW-Klasse kontinuierlich ansteigen.

4

Vgl. Hüttner et.al.: Das Finanzausgleichsgesetz, 2008, S. 156.

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ABGESTUFTER BEVÖLKERUNGSSCHLÜSSEL UND WEITERE ELEMENTE ZUM AUSGLEICH ZENTRALÖRTLICHER FUNKTIONEN

Abbildung 4: Ertragsanteile betreffend Selbstträgerschaft nach EW-Klassen pro Kopf, 2012 12 10 8 6 4 2 0 unter 500 EW

501 bis 1.000 1.001 bis 2.500 2.501 bis 5.000 EW EW EW

5.001 bis 10.000 EW

10.001 bis 20.000 EW

20.001 bis 50.000 EW

über 50.000 EW

Quelle: BMF: Sonderauswertung 2013. KDZ: eigene Berechnungen 2014.

Werbesteuerausgleich Der Werbesteuerausgleich gemäß § 11 Abs 2 Z 3 FAG beruht auf dem Entfall der Ankündigungsund Anzeigenabgabe, an deren Stelle die Werbeabgabe als gemeinschaftliche Bundesabgabe getreten ist. Abbildung 5: Ertragsanteile betreffend Werbesteuerausgleich nach EW-Klassen pro Kopf, 2012 14 12 10 8 6 4 2 0 unter 500 EW

501 bis 1.000 1.001 bis 2.500 2.501 bis 5.000 EW EW EW

5.001 bis 10.000 EW

Quelle: BMF: Sonderauswertung 2013. KDZ: eigene Berechnungen 2014.

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10.001 bis 20.000 EW

20.001 bis 50.000 EW

über 50.000 EW


ABGESTUFTER BEVÖLKERUNGSSCHLÜSSEL UND WEITERE ELEMENTE ZUM AUSGLEICH ZENTRALÖRTLICHER FUNKTIONEN

Der Werbesteuerausgleich kommt seit dem Jahr 2000 jedoch nicht mehr ausschließlich den Gemeinden mit Einnahmenentgängen zugute, sondern wird zu 40 Prozent im Verhältnis der Volkszahl verteilt. Die verbleibenden 60 Prozent werden im Verhältnis der Erträge der Gemeinden an Anzeigenabgabe und Ankündigungsabgabe in den Jahren 1996 bis 1998 verteilt.5 Diese kommen den Städten über 10.000 EW in ähnlichem Ausmaß zugute.

3

Finanzzuweisungen und Zuschüsse

ÖPNV Gemäß § 20 FAG 2008 gewährt der Bund den Gemeinden in Zusammenhang mit dem ÖPNV zwei Finanzzuweisungen. Im Jahr 2012 wurden 77,2 Mio. Euro6 zugewiesen. Die Dotierung der Finanzzuweisung basiert dabei einerseits auf nicht-valorisierten Fixbeträgen in der Höhe von 15,6 (Absatz 1) bzw. 16,5 Mio. Euro (Absatz 2), andererseits besteht ein Anteil am Nettoaufkommen der Abgaben mit einheitlichem Schlüssel (je 0,034 Prozent des Nettoaufkommens; derzeit rund 20 Mio. Euro). Gemäß § 20 Abs. 1 FAG 2008 steht etwa die Hälfte der Finanzzuweisungen auf Antrag (beim BMF) zur Finanzierung von Autobus-, Obus- oder Straßenbahnlinien zur Verfügung. Es geht dabei um eine generelle Förderung von öffentlichen Personennahverkehrsunternehmen, wobei auch Betriebskostenzuschüsse inkludiert sind. Davon gehen 55 Prozent an die Gemeinde Wien. Die verbleibenden 45 Prozent können von allen anderen Gemeinden, wenn sie Bus- oder Straßenbahnlinien betreiben, und von Wien – auf Grund seiner Beteiligung an der Wiener Lokalbahnen AG – beim BMF beantragt werden. Die Mittel werden dabei abhängig vom Verhältnis der Streckenlänge und der Anzahl der beförderten Personen auf die antragstellenden Gemeinden aufgeteilt. Die Finanzzuweisung gemäß Absatz 1 ist auf Erhebungen aus dem Jahr 1999 zurückzuführen. Seitdem kam es zu keiner Valorisierung oder Veränderung. In § 20 Abs. 2 FAG 2008 wird die andere Hälfte der Finanzzuweisungen verteilt, welche auf Personennahverkehrs-Investitionen beschränkt ist. Diese Finanzzuweisung ist zweigeteilt. Einerseits werden damit Autobusbahnhöfe finanziert, andererseits sind Mittel für die Landeshauptstädte mit mehr als 100.000 EW reserviert, welche auf die Förderung von Investitionen für Straßenbahn- und Obuslinien (daher nicht Autobuslinien) beschränkt sind. Insbesondere die zweite Finanzzuweisung hat eine sehr lange Geschichte, so wird diese bereits im Jahr 1976 begründet. Damals erfolgte eine Zweckbindung der Bundeskraftfahrzeugsteuer zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Ballungsräumen, wodurch die „NahverkehrsMilliarde“ gespeist wurde. Davon entfielen 60 Prozent auf die Personen-Nahverkehrsvorhaben der Österreichischen Bundesbahnen, 25 Prozent auf den Wiener U-Bahn-Bau und 15 Prozent auf die Straßenbahn- und Autobuslinien. Nach mehreren weiteren gesetzlichen Änderungen erfolgte im Jahr 1989 schließlich die Festlegung eines Fixbetrages von 16,5 Mio. Euro, der seitdem nicht valorisiert wurde. Hinzu kam der Anteil am Aufkommen an den Abgaben mit einheitlichen Schlüsseln in der Höhe von 0,034 Prozent. In Ziffer 1 wird festgelegt, dass 500 Tsd. Euro zuzüglich 3 Prozent des verfügbaren 5 6

Vgl. Hüttner et.al.: Das Finanzausgleichsgesetz, 2008, S. 150. Vgl. BMF: Länderweise Anteile an den Ertragsanteilen und den wichtigsten Zweckzuschüssen und Finanzzuweisungen im Jahr 2012 – Gemeindeebene; Auskunft vom BMF 2013.

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ABGESTUFTER BEVÖLKERUNGSSCHLÜSSEL UND WEITERE ELEMENTE ZUM AUSGLEICH ZENTRALÖRTLICHER FUNKTIONEN

Betrages für Autobusbahnhöfe reserviert sind. Da diese Teilbeträge in der Regel nicht oder nur in geringem Ausmaß in Anspruch genommen werden, erfolgt in Ziffer 2 eine fixe Verteilung an die Städte Wien, Graz, Innsbruck, Linz und Salzburg. Die in der Ziffer 2 fixen Verteilungsschlüssel auf die Städte entsprechen der seinerzeitigen Beteiligung an der Nahverkehrs-Milliarde. Tabelle 3: Finanzzuweisungen im Bereich Personennahverkehr 2012 Regelung im FAG 2008

Beschreibung

Prozess auf Antrag - abhängig Finanzierung von Autobus-, von Streckenlänge Obus- oder und beförderten § 20 Abs. 1 Straßenbahnlinien Personen auf Antrag - bis 40 % Förderung von der § 20 Abs. 2 Z 1 Autobusbahnhöfen Investitionssumme Förderung von Investitionen Fixschlüssel für für Straßenbahn- und Städte über 100.000 § 20 Abs. 2 Z 1 Obuslinien EW Gesamt § 20 Abs. 1 und 2

Betrag 2012 in Tsd. Euro gesamt davon Wien

38.125

21.265

765

596

38.260 77.150

24.754 46.615

Quelle: BMF: Zweckzuschüsse und Finanzzuweisungen 2012, 2013. KDZ: eigene Berechnung 2014.

Finanzzuweisung Statutarstädte Krems und Waidhofen/Ybbs Diese Finanzzuweisung basiert auf einer im Jahr 1983 eingebrachten Klage vor dem Verfassungsgerichtshof. Die Stadtgemeinde Krems an der Donau besorgt als Stadt mit eigenem Statut auch die Aufgaben der Bezirksverwaltung, wobei jedoch keine (damals) Bundespolizeibehörde errichtet ist. Diesen Mehraufwand wollte die Stadt ausgeglichen wissen. Der Verfassungsgerichtshof hat daraufhin festgestellt, dass der Mehraufwand, der durch die Betrauung mit besonderen Aufgaben verbunden ist, abzugelten ist. Der Finanzausgleichsgesetzgeber reagierte auf dieses Urteil mit einer Finanzzuweisung für die beiden Statutarstädte Krems an der Donau und Waidhofen an der Ybbs. Seit dem Jahr 2005 wird die Finanzzuweisung mit Verordnung in Form eines Pauschalbetrages festgelegt. Im Jahr 2012 erhielt die Stadt Krems an der Donau 1.645 Tsd. Euro sowie die Stadt Waidhofen an der Ybbs 656 Tsd. Euro.7 Finanzzuweisung für Städte über 10.000 EW Diese ab dem Jahr 2011 geltende Finanzzuweisung in der Höhe von 16 Mio. Euro soll die finanzielle Situation der Städte über 10.000 EW aufgrund der Erbringung der zentralörtlichen bzw. ballungsraumspezifischen Aufgaben entschärfen. Finanziert wird dieser Betrag durch einen Vorwegabzug bei den Finanzzuweisungen gemäß § 21 Abs. 1 in der Höhe von 12 Mio. Euro, eine Kürzung des Wiener Anteils von 2 Mio. Euro sowie eine Kürzung der GemeindeBedarfszuweisungsmittel in der Höhe von 2 Mio. Euro. Die Mittel werden dabei folgendermaßen verteilt: 55 Prozent an die Städte mit eigenem Statut über 10.000 EW im Verhältnis der Volkszahl; 30 Prozent an die Landeshauptstädte im Verhältnis der Volkszahl; 15 Prozent an Städte über 10.000 EW mit einer Finanzkraft unter 95 Prozent des jeweiligen Einwohner-Klassendurchschnitts. 7

Vgl. BMF: Zweckzuschüsse und Finanzzuweisungen 2012, 2013.

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ABGESTUFTER BEVÖLKERUNGSSCHLÜSSEL UND WEITERE ELEMENTE ZUM AUSGLEICH ZENTRALÖRTLICHER FUNKTIONEN

Tabelle 4: Finanzzuweisung für Städte über 10.000 EW EW-Klassen Betrag in Euro 2012 10.001-20.000 EW 1.378.087 20.001-50.000 EW 1.316.175 50.001-100.000 EW 3.065.275 100.001-500.000 EW 10.240.463 Gesamt 16.000.000 Quelle: KDZ: eigene Berechnung 2014.

Betrag pro Kopf 5 6 12 14 11

Einwohnerzahl 2008 298.694 226.659 262.308 708.265 1.495.926

Theater-Zuschuss Ebenfalls für die Gemeinden relevant ist der Theater-Zuschuss gemäß § 23 Abs. 1 FAG 2008, welcher bereits seit 1973 besteht. Die jetzige Höhe des Zuschusses von 21,3 Mio. Euro besteht seit 1994 und wurde seither nicht valorisiert. Der Zuschuss selbst ist zweigeteilt. 18,713 Mio. Euro werden für die ordentlichen Mitglieder (Baden, Graz, Innsbruck, Klagenfurt, Linz, Salzburg, St. Pölten) des Theatererhalterverbandes an die Länder und Städte ausbezahlt. Für die Nichtmitglieder – derzeit nur Wien und Land Vorarlberg – ist der Rest bestimmt. Der Verhältnisschlüssel zwischen den einzelnen Mitgliedern des Theatererhalterverbandes ist dabei fix. Seit dem FAG 1979 wird das Verhältnis dabei fortgeschrieben. Rund die Hälfte der Mittel kommt dabei den Städten, die andere Hälfte der Mittel den Ländern zugute.

4

Rolle des abgestuften Bevölkerungsschlüssels im FAG

Bei einer Interpretation der Entwicklungen zum abgestuften Bevölkerungsschlüssel im Zeitverlauf muss berücksichtigt werden, dass es eine Reihe an weiteren gesetzlichen Regelungen gibt, welche die Bedeutung des ABS reduzierten. Zu nennen sind hier die folgenden Regelungen. Tabelle 5: Ergänzende Verteilungsvorgänge, welche den ABS reduzieren bzw. ergänzen Jahr

Regelung

Kurzbeschreibung

Finanzielle Bedeutung 2012

1959

FinanzbedarfFinanzkraft-Ausgleich (§ 11 Abs. 2 (1) FAG)

Ausgleich in Höhe von 30 Prozent des Unterschiedsbetrags zwischen Finanzbedarf und Finanzkraft

261 Mio. Euro (3,1% der GemeindeErtragsanteile)

1993 bis 2004

Sockelbetrag (wurde 2005 abgeschafft, stattdessen Erhöhung des untersten Vervielfachers im ABS)

Pauschaler Betrag pro Kopf

(1993: 7,43 Euro pro Kopf, 2004: 72,66 Euro pro Kopf)

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ABGESTUFTER BEVÖLKERUNGSSCHLÜSSEL UND WEITERE ELEMENTE ZUM AUSGLEICH ZENTRALÖRTLICHER FUNKTIONEN

2000

Getränkesteuerausgleich

Ersatz für den Wegfall der Getränkesteuer, Basis sind fixe Verhältnisschlüssel auf Basis von Werten aus den 1990er-Jahren. Seit 2012 teils auch Verteilung nach ABS, Volkszahl und Nächtigungszahlen.

425 Mio. Euro (5,0% der GemeindeErtragsanteile)

2000

Werbeabgabe-Ausgleich

Ersatz für den Wegfall der Ankündigungsabgabe und der Anzeigenabgabe, Basis sind teils fixe Verhältnisschlüssel auf Basis von Werten aus den 1990erJahren, teils die Volkszahl

96 Mio. Euro (1,1% der GemeindeErtragsanteile)

2008

Ausgleichs-Vorausanteil Fixbeträge

nach EW-Klasse gestaffelte Fixbeträge je EW, gesonderte Berücksichtigung von Statutarstädten (Ersatz von Bedarfszuweisungen gemäß § 23 FAG 2005

138 Mio. Euro (1,6% der GemeindeErtragsanteile)

2008

Ausgleichs-Vorausanteil Selbstträgerschaft

Zur kostenneutralen Abschaffung der Selbstträgerschaft bei Gemeinden mit über 2.000 EW

32 Mio. Euro (0,4% der GemeindeErtragsanteile)

2011

Ausgleichs-Vorausanteil ABS-Änderung

Zur Abdeckung von Verlusten durch Änderungen des ABS 2011

73 Mio. Euro (0,9% der GemeindeErtragsanteile) – exkl. Wien

2012

Landespflegegeld

Abzug bei den Gemeindeertragsanteilen; basierend auf Werten von 2010

127 Mio. Euro (1,5% der GemeindeErtragsanteile) Achtung: Wird nicht verteilt, sondern ist ein Abzug!

Quelle: Finanzausgleichsgesetz 2008; BMF: Sonderauswertung 2013; KDZ: eigene Berechnungen und Darstellung, 2014.

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RESÜMEE

III Resümee 1

Kritische Anmerkungen zur aktuellen Ausgestaltung des ABS

Kontinuierliche Aushöhlung des ABS durch Abflachung Betrachtet man die Entwicklungen rund um den ABS im Zeitverlauf, zeigt sich eine eindeutige Verschiebung zu Ungunsten der größeren Städte. Wie in Tabelle 2 ersichtlich, kam es nicht nur zu einer Reduktion der Stufen und einer damit verbundenen Anhebung der untersten Stufe auf die nachfolgende Stufe. Vielmehr wurde auch der Vervielfacher in den unteren Stufen im Zeitverlauf kontinuierlich angehoben. Besonders deutlich wird dies bei einer Betrachtung des Verhältnisses zwischen den Stufen (Abbildung 6). So betrug das ursprüngliche Verhältnis zwischen der untersten Stufe (bis 2.500 EW) und der obersten Stufe (über 50.000 EW) 0,43:1. Eine Gemeinde bis 2.500 EW erhielt daher pro EW nur 43 Prozent der Mittel einer Stadt über 50.000 EW. Dieses Verhältnis wurde laufend reduziert, sodass seit 2011 ein Verhältnis von 0,69:1 (zwischen Gemeinden unter 10.000 EW und über 50.000 EW) besteht. Eine Gemeinde unter 10.000 EW erhält nun pro EW 69 Prozent einer Stadt über 50.000 EW. Dies verdeutlicht die Abflachung des ABS in beträchtlichem Ausmaß.

Verhältnis zur ABS-Stufe über 50.000 EW

Abbildung 6: Verhältnis zum obersten Vervielfacher des ABS im Zeitverlauf 100% 90% 80% 70% 60%

bis 1.000 EW

50%

1.001-2.500 EW

40%

2.501-10.000 EW

30%

10.001-20.000 EW

20%

20.001-50.000 EW

10% 0% 1948

1955

1985

2005

2011

Jahre mit ABS-Änderungen im FAG

Quelle: Diverse Novellen zum Finanzausgleichsgesetz seit 1948; KDZ: eigene Darstellung 2014.

Die Abflachung des ABS wirkte sich jedoch nicht nur auf das Verhältnis zwischen der kleinsten und größten EW-Stufe aus. Bemerkenswert ist insbesondere, dass sich das Verhältnis zwischen den kleineren Gemeinden und den Gemeinden zwischen 10.001 bis 20.000 EW im Zeitverlauf dramatisch veränderte. So näherten sich die Pro-Kopf-Beträge bis zum Jahr 2011 beinahe vollständig an. So lag der Anteil an der obersten Stufe im Jahr 1948 bei den Kleinstgemeinden bei 43 Prozent, bei den Gemeinden von 10.001 bis 20.000 EW bei 71 Prozent. Im Jahr 2011 liegt der Anteil bei den Gemeinden von 10.001 bis 20.000 EW noch immer bei 71 Prozent, der Anteil der anderen EW-Stufen hat sich jedoch mit einem Anteil von 69 Prozent beinahe vollständig angenähert.

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RESÜMEE

Damit erhalten sämtliche Gemeinden unter 20.000 EW beinahe die selben Mittel aus dem Finanzausgleich, obwohl diese sehr unterschiedliche Funktionen wahrnehmen und auch teilweise zentralörtliche Leistungen erbringen. Änderungen am ABS orientieren sich in keinster Weise an tatsächlichen Leistungsänderungen Durch die Abflachung des ABS kommt es zu einer Aushöhlung desselben. Die vorgenommenen Änderungen orientieren sich dabei in keinster Weise an den tatsächlichen Gegebenheiten. So ist nicht davon auszugehen, dass sich der Aufwand einer größeren Stadt im Verhältnis zu einer kleinen Gemeinde im Zeitverlauf (so wie der Verhältnisschlüssel beim ABS) beinahe halbiert hat. Es ist auch nicht argumentierbar, dass sämtliche Gemeinden unter 20.000 EW die selben ProKopf-Beträge aus dem ABS erhalten, da diese unterschiedliche Aufgabenniveaus haben. So bestehen unterschiedliche sozio-demografische und geo-topografische Rahmenbedingungen sowie ein unterschiedliches Ausmaß an Zentrumsaufgaben. Geringere Bedeutung des ABS bei gleichzeitig höherer Komplexität im FAG Ein weiterer wesentlicher Aspekt im Zusammenhang mit dem ABS ist das Verhältnis zu weiteren Verteilungsvorgängen im Rahmen der Gemeinde-Ertragsanteilsverteilung. So wurde der ABS bereits im Jahr 1959 teilweise durch einen Finanzbedarf-Finanzkraft-Ausgleich ersetzt, um auch einen Ressourcenausgleich zwischen den Gemeinden zu erreichen. Hinzu kamen im Jahr 2000 der Getränkesteuerausgleich und der Werbeabgabe-Ausgleich sowie ab dem Jahr 2008 mehrere Vorausanteile, welche nun neben dem ABS bestehen. Letztere wurden auch wegen der kontinuierlichen Abflachung des ABS – und der damit verbundenen Begünstigung kleinerer Gemeinden und Städte – notwendig. Schließlich reduzierten auch die Abzüge für das Landespflegegeld die ABS-Mittel. Tabelle 6: Bedeutung des ABS im Zeitverlauf Anteile einzelner Verteilungsschritte am gesamten Aufkommen, exkl. Wien BVA Verteilungsschritte 2001 2005 2008 Ist 2012* Finanzbedarf-Finanzkraft-Ausgleich 3,5% 4,6% 4,1% 4,6% Sockelbetrag 6,9% Getränkesteuerausgleich 6,6% 6,8% 6,3% 6,2% Werbesteuerausgleich 0,5% 0,4% 0,4% 0,3% Werbeabgabe nach Volkszahl 0,1% 0,7% 0,7% 0,5% Vorausanteil § 11 Abs 5 2,5% 2,5% Vorausanteil § 11 Abs 6 1,3% Vorausanteil Selbstträgerschaft § 11 Abs 8 0,6% ABS (Rest) 82,5% 87,5% 86,0% 83,9% Summe 100,0% 100,0% 100,0% 100,0% * Das Landespflegegeld wurde anteilsmäßig bei sämtlichen Verteilungsschritten abgezogen. Exkl. Gemeinde-Bedarfszuweisungsmittel Quelle: Österreichischer Gemeindebund und Österreichischer Städtebund: Finanzausgleich 2001: Ein Handbuch, 2001; KDZ: Finanzausgleich 2005: Ein Handbuch, 2005; KDZ: Finanzausgleich 2008: Ein Handbuch, 2008; BMF: Sonderauswertung zum Finanzausgleich 2012; KDZ: eigene Berechnungen zum Finanzausgleich 2014.

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RESÜMEE

Insgesamt zeigt sich eine vor allem in den letzten 15 Jahren entstandene deutlich komplexere Verteilung der Gemeinde-Ertragsanteile, wobei eine steigende Zahl an Regelungen neben dem ABS besteht und damit die Bedeutung des ABS zusätzlich verringert wird. So lag der Anteil des ABS (inkl. Sockelbetrag) im Jahr 2001 noch bei 89,4 Prozent. Seitdem reduzierte sich der Anteil kontinuierlich und liegt im Jahr 2012 nur mehr bei 83,9 Prozent. Netto-Belastung der Gemeinden spiegelt sich nicht im ABS wider Die tatsächliche Netto-Belastung8 der Gemeinden ist von der Ausgestaltung des ABS völlig unabhängig. Liegt die durchschnittliche Netto-Belastung der Gemeinden im Jahr 2012 bei den Gemeinden bis 500 EW bei rund 1.200 Euro, sinkt diese bei den Gemeinden von 1.001 bis 2.500 EW auf knapp 1.000 Euro ab und steigt danach wieder an und liegt bei den Gemeinden zwischen 10.001 und 20.000 EW bei knapp 1.300 Euro pro Kopf. Die Städte zwischen 20.001 und 50.000 EW bewegen sich bei 1.400 Euro, der höchste Wert wird bei den Städten über 50.000 EW mit knapp 1.800 Euro erreicht.9 Diese unterschiedlichen Belastungen zeigen einen kontinuierlichen Verlauf zwischen den Gemeinden nach verschiedenen Größenklassen und keinen abrupten Sprung bei 20.000 EW. Die höheren Mittel aus dem ABS können auch nicht verhindern, dass die Netto-Belastung bei den Städten über 20.000 EW gegenüber den Gemeinden unter 20.000 EW deutlich höher ist. Tabelle 7: Netto-Belastung der Gemeinden nach Gruppen 2003 bis 2012

0 bis 500 EW

Gruppe 0

501 bis 1.000 EW

Gruppe 1 Gruppe 2

1.001 bis 2.500 EW

Gruppe 3 2.501 bis 5.000 EW Gruppe 4 5.001 bis 10.000 EW

Gruppe 5

10.001 bis 20.000 EW

Gruppe 6 Gruppe 7

20.001 bis 50.000 EW

Gruppe 8 50.001 bis 500.000 EW 0

200

400

600

800

1.000

1.200

1.400

1.600

1.800

Euro pro Kopf

Anmerkung: Gruppen gemäß Voranschlags- und Rechnungsabschlussverordnung. Quelle: Mitterer et.al.: Gemeindefinanzen 2003-2012, S. 14.

Aktueller ABS bildet derzeitige Funktionen und Aufgabennotwendigkeiten nicht ab – Hohe Heterogenität der Gemeinden würde differenzierte Mittelvergabe benötigen Diese ungleiche Belastung nach EW-Klassen ist auch aus verfassungsrechtlicher Sicht bedenklich. So besagt § 4 des Finanzverfassungsgesetzes 1948, dass die Verteilung der Mittel unter der Prämisse der Übereinstimmung mit den Lasten der öffentlichen Verwaltung zu erfolgen hat und die Grenzen der Leistungsfähigkeit der Gebietskörperschaften nicht überschritten werden 8 9

Netto-Belastung ist die Saldierung aus ordentlichen Einnahmen und Ausgaben. Vgl. Mitterer et.al.: Gemeindefinanzen 2003 bis 2012, S. 14.

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RESÜMEE

dürfen.10 Dieser Grundsatz gilt für sämtliche Gemeinden im selben Ausmaß und darf daher nicht zulasten einzelner Gemeindentypen gehen. Vielmehr scheint es, dass der aktuelle ABS die derzeitigen Aufgabennotwendigkeiten nicht berücksichtigt. Einerseits stehen die Gemeinden aufgrund der kleinteiligen Gemeindestruktur vor sehr unterschiedlichen sozio-demografischen sowie geografisch-topografischen Rahmenbedingungen, andererseits wird die Funktion im Raum – daher die Übernahme von zentralörtlichen und ballungsraumspezifischen Aufgaben – nicht berücksichtigt. Hinsichtlich zentralörtlicher Leistungen gilt, dass zwar einige Ausgleiche der Lasten der Zentralörtlichkeit bestehen, dass diese jedoch keinen Bezug zu den tatsächlich erbrachten Leistungen aufweisen, sondern es sich vielmehr um historisch gewachsene Verhandlungsergebnisse handelt. Im Sinne eines aufgabenorientierten Finanzausgleichs bedarf es daher einer stärkeren Verknüpfung zwischen tatsächlichem Finanzbedarf und den im Finanzausgleich bereitgestellten Mitteln. So zeigt eine Betrachtung der Netto-Belastung der Gemeinden nach Aufgabentypen11, dass es zu keinen sprunghaften Veränderungen bei einer Gemeindegröße von 20.000 EW kommt, sondern dass der Anstieg der Netto-Belastung gleichmäßig verlaufend ist. Auch ist ersichtlich, dass zentralörtliche Aufgaben nicht nur von den Städten über 20.000 EW erbracht werden, sondern auch von den anderen Gemeinden (wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß).

Euro pro Kopf

Abbildung 7: Netto-Belastung der Gemeinden nach Aufgabentypen (ohne Finanzwirtschaft), 2012 2.000 1.800 1.600 1.400 1.200 1.000 800 600 400 200 0 bis 500 EW 501 bis 1.000 EW Basisaufgaben

1.001 bis 2.500 EW

Zentralörtliche Aufg.

2.501 bis 5.000 EW

5.001 bis 10.000 EW

10.001 bis 20.000 EW

Ballungsraumspez. Aufg.

20.001 bis 50.000 EW

50.001 bis 500.000 EW

Naturbezogene Aufg.

Quelle: Statistik Austria: Gemeindefinanzdaten 2012. KDZ: eigene Berechnung 2014.

Hinzu kommt, dass nicht nur die Gemeindegröße für das Ausgabenniveau verantwortlich ist, sondern dass vielfältige Faktoren zusammenspielen. Die heterogene Ausgangssituation der Gemeinden steht einer einheitlichen Mittelverteilung pro Kopf deutlich gegenüber, weshalb der Ruf nach einer verstärkt aufgabenorientierten Mittelverteilung lauter wird und auch sachlich erforderlich ist. 10 11

Vgl. Hüttner et.al.: Verfassungsrechtliche Grundlagen, 2008, S. 45. Zuordnung der Aufgaben zu den Aufgabentypen gemäß Bröthaler et.al.: Aufgabenorientierte Gemeindefinanzierung, 2002. Netto-Belastung ist die Differenz der ordentlichen + außerordentlichen Einnahmen und Ausgaben.

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RESÜMEE

Finanzbedarf als schwer objektiv erfassbarer Begriff Die mit unterschiedlichen Rahmenbedingungen einhergehenden Aufgabenerfordernisse ziehen die Frage des tatsächlichen Finanzbedarfs nach sich. Fakt ist, dass der ABS auf den Finanzbedarf nur sehr unbefriedigend Bezug nimmt, indem er unterstellt, dass (quasi) sämtliche Gemeinden unter 20.000 EW denselben Finanzbedarf haben und deshalb gleich viele Mittel aus dem ABS erhalten müssen. Auf unterschiedliche Funktionen und Aufgabenerfordernisse aufgrund heterogener Rahmenbedingungen wird jedoch nicht eingegangen. Eine weitere Auseinandersetzung mit dem Begriff des Finanzbedarfs erscheint daher notwendig. Dabei muss jedenfalls darauf verwiesen werden, dass der aktuell verwendete FinanzbedarfBegriff im Rahmen des Finanzbedarf-Finanzkraft-Ausgleiches des Finanzausgleichsgesetzes keine geeignete Definition des Finanzbedarfs darstellt. Vielmehr wird hier der Finanzbedarf anhand der Finanzkraft des Vorjahres festgestellt. So entspricht der Finanzbedarf der Abweichung von der Landesdurchschnittsquote der Finanzkraft des Vorjahres. Es erfolgt daher keine Abstellung am tatsächlich notwendigen Bedarf, sondern an den verfügbaren Mitteln. Gleichgewicht zwischen Ressourcen- und Lastenausgleich besteht derzeit nicht Ein moderner Finanzausgleich sollte einerseits einen Ressourcenausgleich vornehmen und dazu beitragen, dass Gemeinden mit einer sehr geringen Ausstattung an eigenen Steuern und Abgaben die notwendigen Finanzmittel zur Finanzierung ihrer Aufgaben zur Verfügung haben. Andererseits gilt es auch, einen Lastenausgleich zu erreichen, indem zwar grundsätzlich sämtliche Gemeinden auf eine Grundfinanzierung zurückgreifen können, dass jedoch auch unterschiedliche Aufgabenniveaus berücksichtigt werden. Es gilt daher, besondere Aufgabenerfordernisse (z.B. aufgrund zentralörtlicher Funktionen oder starker demografischer Veränderungen) auch bei der Mittelverteilung der Ertragsanteile zu berücksichtigen. Transfers konterkarieren die Verteilungswirkungen des ABS Ergänzend muss darauf verwiesen werden, dass die Verteilungswirkungen im primären Finanzausgleich (Ertragsanteilsverteilung gemäß Finanzausgleichsgesetz) durch die Maßnahmen im sekundären und tertiären Finanzausgleich (das sind v.a. die Umlagen von den Gemeinden an die Länder sowie die eigentlichen Gemeinde-Bedarfszuweisungen) konterkariert werden. So liegt zwar die Finanzkraft der Gemeinden des finanzkräftigsten Quintils12 rund 80 Prozent über der Finanzkraft (welche auch die Ertragsanteile umfasst) der finanzschwächsten Gemeinden. Nach Berücksichtigung sämtlicher Transfers liegen die verfügbaren Mittel der finanzkräftigsten Gemeinden jedoch nur mehr 40 Prozent über den Werten der finanzschwächsten Gemeinden. Dies verdeutlicht die extrem ressourcenausgleichende Wirkung.13 Um ein tatsächliches Gleichgewicht zwischen Ressourcen- und Lastenausgleich herzustellen, wird es daher nicht ausreichen, einen verstärkten Lastenausgleich bei der Ertragsanteilsverteilung zu gewährleisten. Ergänzend ist es notwendig, die besonders stark ressourcenausgleichenden Wirkungen im sekundären und tertiären Finanzausgleich deutlich zu reduzieren und beispielsweise auch hier einen Lastenausgleich stärker zu berücksichtigen. Eine Reform der Ertragsanteilsverteilung sollte daher immer Hand in Hand mit einer Reform des sekundären und tertiären Finanzausgleichs gehen. 12

13

Oberstes Finanzkraft-Quintil bedeutet, dass hier jene 20 Prozent der Gemeinden umfasst sind, welche die höchste Finanzkraft (Ertragsanteile + eigene Steuern) pro Kopf aufweisen. Vgl. Biwald et.al.: Gemeinde-Transferbericht, 2013, S. 11 f.

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RESÜMEE

2

Weiterentwicklung des ABS

Aufgabenorientierte Elemente als Ersatz bzw. Ergänzung zum ABS Die derzeit bestehende Ausgestaltung des ABS nimmt keinen Bezug auf die tatsächlichen Ausgabenerfordernisse und behandelt insbesondere sämtliche Gemeinden unter 10.000 bzw. 20.000 EW gleich – unabhängig von spezifischen Rahmenbedingungen. Ein entsprechender (zumindest teilweiser) Ersatz zum ABS im Sinne einer verstärkt aufgabenorientierten Mittelverteilung wäre daher notwendig, um auf differenzierte sozio-demografische und geografisch-topografische Rahmenbedingungen einzugehen. Keine weitere Abflachung des ABS ohne adäquaten Ersatz! Der Grundgedanke des ABS ist, dass Gemeinden unterschiedliche Aufgabenerfordernisse haben, welche von strukturellen Faktoren (in diesem Falle von der Gemeindegröße) abhängen. Dieser Grundsatz wurde im Laufe der Geschichte des ABS kontinuierlich ausgehöhlt und verstärkt der Grundsatz verfolgt, dass sämtliche Gemeinden dieselbe Mittelausstattung erhalten sollen – unabhängig vom konkreten Leistungsangebot. Eine weitere Abflachung des ABS hätte jedoch zur Folge, dass die Finanzierbarkeit jener kommunalen Leistungen gefährdet wäre, welche nicht von sämtlichen Gemeinden im selben Ausmaß erbracht werden. Dies betrifft in hohem Ausmaße zentralörtliche und ballungsraumspezifische Aufgaben, welche für die regionale Entwicklung insgesamt von großer Bedeutung sind. Eine weitere Abflachung des ABS hätte daher nicht nur gravierende finanzielle Auswirkungen für die Städte selbst, sondern würde sich auch auf die umliegenden Gemeinden und das regionale Zusammenwirken (inkl. regionaler Wirtschaft) auswirken. Eine weitere Abflachung oder sogar eine Abschaffung des ABS wäre daher nur sinnvoll, wenn im Gegenzug die Finanzierbarkeit der unterschiedlichen Aufgabennotwendigkeiten der Gemeinden gewährleistet ist. Es bedarf daher eines adäquaten Ersatzes, welcher einerseits auf soziodemografische und geografisch-topografische Rahmenbedingungen Rücksicht nimmt, andererseits auch die Finanzierbarkeit zentralörtlicher Aufgaben sicherstellt. Gesamtgefüge des Finanzausgleichs sollte neu strukturiert werden Die derzeitigen Gemeinde-Ertragsanteile werden auf vielfältige Weise verteilt: 77 Prozent der Gemeinde-Ertragsanteile werden nach dem ABS verteilt. Daneben bestehen noch zahlreiche weitere Regelungen, welche Einfluss auf die Verteilungswirkungen der Gemeinde-Ertragsanteile haben. 13 Prozent der Mittel betreffen die Gemeinde-Bedarfszuweisungen, welche durch die Länder nach teils intransparenten und bundeslandweise sehr unterschiedlichen Vergabekriterien an die Gemeinden weitergegeben werden. Sechs Prozent der Gemeinde-Ertragsanteile sind Ausgleiche für Entgänge im Bereich der eigenen Steuern (Getränkesteuerausgleich, Werbeabgabeausgleich). Damit tragen sie zur Finanzierbarkeit jener Gemeinden bei, welche vor Abschaffung dieser eigenen Steuern von diesen profitiert haben. Es besteht jedoch keinerlei Bezug zu den tatsächlichen Aufgabenerfordernissen bzw. Rahmenbedingungen. Vielmehr wird ein in der Vergangenheit bestandener Zustand der Finanzmittelausstattung fortgeschrieben. Drei Prozent der Mittel sollen einem Ressourcenausgleich dienen. Mit dem FinanzbedarfFinanzkraft-Ausgleich sollen besonders finanzschwache Gemeinden gestützt werden.

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RESÜMEE

Tatsächlich gibt es jedoch nur 113 Gemeinden, welche nicht von dieser Regelung profitieren. Ein Prozent der Mittel wird für Ausgleiche verwendet, welche durch strukturelle Änderungen im Finanzausgleich notwendig wurden. Dies betrifft die Vorausanteile sowie das Landespflegegeld. Abbildung 8: Ertragsanteile nach groben Verteilungsschlüsseln, 2012

3%

1% 13%

6%

BZ-Mittel ABS Ersatz für Steuerentgänge Ressourcenausgleich

77%

Ausgleiche für strukturelle Änderungen im FAG

Quelle: Statistik Austria: Gemeindefinanzdaten 2012. KDZ: eigene Berechnung 2014.

Insgesamt ist festzustellen, dass die derzeitigen Elemente nicht dazu geeignet sind, adäquat auf die Bedürfnisse und unterschiedlichen Rahmenbedingungen der Gemeinden einzugehen. Vielmehr werden veraltete Verteilungswirkungen konserviert, wie dies beispielsweise auf den Bereich der Ausgleiche für den Entgang im Bereich der eigenen Steuern oder für Ausgleiche aufgrund struktureller Änderungen im Finanzausgleich zutrifft. Es erfolgt jedoch keine grundsätzliche Diskussion darüber, was mit der Verteilung der Gemeinde-Ertragsanteile bewirkt werden soll. Wesentliche Kritikpunkte am aktuellen Finanzausgleichsgesetz sind daher: Das FAG ist nicht dazu geeignet, differenziert auf unterschiedliche Rahmenbedingungen und Herausforderungen der Gemeinden zu reagieren. Ein entsprechender Lastenausgleich im Sinne eines aufgabenorientierten Finanzausgleichs fehlt. Es kann kein Ausgleich zwischen Ressourcen- und Lastenausgleich geschaffen werden. Die Verteilungswirkungen der einzelnen Elemente des FAG sind intransparent. Die einzelnen Elemente sind nicht aufeinander abgestimmt. Es ist keine Zielsetzung hinsichtlich der gewünschten Verteilungswirkungen erkennbar. Vielmehr ist das FAG eine Sammlung an unterschiedlichen Elementen, welche versuchen, vergangene Zustände zu prolongieren. Regionale Wirkungen von zentralörtlichen Aufgaben werden nicht ausreichend berücksichtigt und abgegolten. Die zusätzlichen Verteilungswirkungen durch den sekundären und tertiären Finanzausgleich werden im FAG selbst nicht berücksichtigt. So findet dort ein

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RESÜMEE

Ressourcenausgleich (je nach Bundesland in sehr unterschiedlichem Ausmaß) statt, wodurch die Verteilungswirkungen des primären Finanzausgleichs ausgeglichen oder sogar überkompensiert werden. In Summe würde es daher einer ganzheitlichen Diskussion bedürfen. Eine alleinige Reform des ABS würde hingegen nicht ausreichen, einen modernen Finanzausgleich zu gestalten. Vielmehr bedarf es einer ganzheitlichen Betrachtung der einzelnen Elemente des Finanzausgleichsgesetzes. In diesem Zusammenhang muss insbesondere auch darauf verwiesen werden, dass neben der Reform der Gemeinde-Ertragsanteile auch die Bereiche der Finanzzuweisungen sowie des sekundären und tertiären Finanzausgleichs (v.a. Bedarfszuweisungen, Umlagen) miteinbezogen werden sollten. Insbesondere im Bereich des sekundären und tertiären Finanzausgleichs besteht vielfältiger Reformbedarf. Durch eine verbesserte Abstimmung von primärem, sekundärem und tertiärem Finanzausgleich könnten die gewünschten Verteilungswirkungen und die verfolgten steuerungspolitischen Zielsetzungen deutlich besser umgesetzt werden. Möglich wäre hier beispielsweise die Implementierung eines Ressourcenausgleichs auf Gemeindeebene (ein Ausgleich zwischen den Gemeinden anstatt Umlagen und Gemeinde-Bedarfszuweisungen) oder eine Entflechtung der Transferbeziehungen.

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RESÜMEE

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Ertragsanteile bezüglich Abgestufter Bevölkerungsschlüssel nach EW-Klassen pro Kopf, 2012 ................................................................................................................................. 9 Abbildung 2: Ertragsanteile betreffend Ausgleichs-Vorausanteile – Fixbeträge nach EW-Klassen pro Kopf, 2012 ......................................................................................................................... 10 Abbildung 3: Ertragsanteile betreffend Ausgleich ABS-Änderung nach EW-Klassen pro Kopf, 2012 ........................................................................................................................................ 11 Abbildung 4: Ertragsanteile betreffend Selbstträgerschaft nach EW-Klassen pro Kopf, 2012 ..... 12 Abbildung 5: Ertragsanteile betreffend Werbesteuerausgleich nach EW-Klassen pro Kopf, 2012 ................................................................................................................................................. 12 Abbildung 6: Verhältnis zum obersten Vervielfacher des ABS im Zeitverlauf ............................... 17 Abbildung 7: Netto-Belastung der Gemeinden nach Aufgabentypen (ohne Finanzwirtschaft), 2012 ................................................................................................................................................. 20 Abbildung 8: Ertragsanteile nach groben Verteilungsschlüsseln, 2012 ........................................ 23

Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Abgestufter Bevölkerungsschlüssel und Ausgleiche sowie Finanzzuweisungen mit zentralörtlichem Bezug.............................................................................................................. 6 Tabelle 2: Stufen des abgestuften Bevölkerungsschlüssels im Zeitverlauf..................................... 8 Tabelle 3: Finanzzuweisungen im Bereich Personennahverkehr 2012 ........................................ 14 Tabelle 4: Finanzzuweisung für Städte über 10.000 EW............................................................... 15 Tabelle 5: Ergänzende Verteilungsvorgänge, welche den ABS reduzieren bzw. ergänzen ......... 15 Tabelle 6: Bedeutung des ABS im Zeitverlauf ............................................................................... 18 Tabelle 7: Netto-Belastung der Gemeinden nach Gruppen 2003 bis 2012................................... 19

25 11.03.14


RESÜMEE

Literaturverzeichnis Biwald, Peter; Haindl, Anita; Hödl, Clemens: Gemeinde-Transferbericht. Analyse 2002 – 2011 und Handlungserfordernisse. KDZ-Studie 2013. BMF: Länderweise Anteile an den Ertragsanteilen und den wichtigsten Zweckzuschüssen und Finanzzuweisungen im Jahr 2012 – Gemeindeebene; Auskunft vom BMF 2013. BMF: Sonderauswertung zum Finanzausgleich 2012, 2013. Bröthaler, Johann; Sieber, Lena; Schönbäck, Wilfried; Maimer, Alexander; Bauer, Helfried: Aufgabenorientierte Gemeindefinanzierung in Österreich. Befunde und Optionen. Springer Verlag 2002. Hüttner, Bertram; Griebler, Dietmar; Huemer, Ulrike: Das Finanzausgleichsgesetz 2008 – Gesetzestext mit Kommentar; in: Bauer, Helfried (Hrsg.): Finanzausgleich 2008. Ein Handbuch – mit Kommentar zum FAG 2008. NWV Verlag 2008, S. 89-212. Hüttner, Bertram; Griebler, Dietmar; Huemer, Ulrike: Verfassungsrechtliche Grundlagen des Finanzausgleichs; in: Bauer, Helfried (Hrsg.): Finanzausgleich 2008. Ein Handbuch – mit Kommentar zum FAG 2008. NWV Verlag 2008, S. 43-51. KDZ: Finanzausgleich 2005: Ein Handbuch; NWV Verlag 2005. KDZ: Finanzausgleich 2008: Ein Handbuch; NWV Verlag 2008. Mitterer, Karoline; Biwald, Peter; Haindl, Anita; Hochholdinger, Nikola: Entwicklung der österreichischen Gemeindefinanzen 2003 bis 2012. Stadtdialog Jänner 2014. Österreichischer Gemeindebund und Österreichischer Städtebund: Finanzausgleich 2001: Ein Handbuch; Eigenverlag KDZ, 2001. Statistik Austria: Gemeindefinanzstatistik 2003 bis 2012. Sonderauswertung.

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