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Digitalisierung: Ein Wissensportal für Forschungen zur Numismatik und ihrer Geschichte

Ein Wissensportal für Forschungen zur Numismatik und ihrer Geschichte

Die Digitalisierung macht den Zugriff auf bisher unbekanntes Material möglich.

von Bernhard Krabina (KDZ) und Bernhard Woytek (ÖAW)

Bernhard Krabina

AD PERSONAM

Doz. Mag. Dr. Bernhard Woytek forscht und publiziert an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) am Institut für Kulturgeschichte der Antike. Das Projekt „FINA Wiki“ zeigt das Potential einer Wissensdatenbank zur Erforschung von meist unpublizierten, weltweit in Archiven und Bibliotheken verstreut aufbewahrten Dokumenten zur Numismatik.

Numismatik ist die Wissenschaft von Münzen, Medaillen und Geldzeichen. Sie ist eine historische Quellwissenschaft mit einer illustren Geschichte, die bis an den Beginn der Neuzeit zurückreicht. Die numismatische Wissenschaftsgeschichte erschließt sich der Forschung freilich nur zu einem Teil aus gedruckten Publikationen: oft von noch größerer Bedeutung ist das handschriftlich erhaltene Material, Buchmanuskripte, Entwürfe zu wissenschaftlichen Arbeiten, Notizen und Kataloge sowie vor allem wissenschaftliche Korrespondenzen, die uns einen besonders lebendigen Eindruck von Rivalitäten, Freundschaften, Triumphen und Niederlagen in der internationalen numismatischen Gelehrtenrepublik vergangener Zeiten vermitteln. Dieses Material ist auf der ganzen Welt verstreut in Archiven und öffentlichen sowie privaten Bibliotheken aufbewahrt und bisher weithin unbekannt; deshalb findet es in wissenschaftsgeschichtlichen Untersuchungen vielfach keine Berücksichtigung.

Im Zuge der digitalen Revolution der Gegenwart, die eine virtuelle Zusammenführung der weit zerstreuten Gelehrtenkorrespondenzen in online-Datenbanken ermöglicht, erlebt vor allem dieser Wissenschaftszweig zur Zeit eine Hochblüte. Dementsprechend wurde vor wenigen Jahren in der Numismatik die Initiative „Fontes Inediti Numismaticae Antiquae“ (FINA) 1 ins Leben gerufen, die sich vor allem der Publikation und Erforschung von Gelehrtenkorrespondenz und anderen handschriftlich erhaltenen Materialien zu antiken Münzen aus der Zeit von 1500 bis 1800 widmet.

FINA Wiki als Innovation für wissenschaftsgeschichtliche Untersuchungen

Der belgische Historiker François de Callataÿ begann 2011 mit der Zusammenstellung von Informationen über annotierte numismatische Bücher, Abschriften oder Übersetzungen von Büchern, Kataloge numismatischer Sammlungen, unveröffentlichten Manuskripten und Gelehrtenkorrespondenz in einem WordDokument. Diese von ihm als „Grand document“ bezeichnete Datei ist im Laufe der Jahre auf 3.500.000 Zeichen auf über 900 A4-Seiten angewachsen und hat somit längst die Grenze eines handhabbaren Word-Dokuments überschritten, insbesondere auch deswegen, weil neue Erkenntnisse anderer Forscherinnen und Forscher sowie neu aufgetauchte Materialien nur mühsam in das Dokument integriert werden konnten.

Im Projekt „FINA Wiki“ wurde daher eine Wissensdatenbank im Internet eingerichtet, in die nun die Inhalte aus dem Word-Dokument übertragen werden.

Neben den erwähnten numismatischen Ressourcen enthält das unter der Adresse https://fina.oeaw.ac.at/wiki/ erreichbare Portal Einträge zu den in den Dokumenten erwähnten Personen und Institutionen sowie vor allem auch reichhaltiges Bildmaterial wie etwa Portraits der Gelehrten. Abbildung 1 zeigt den Eintrag zum italienischen Gelehrten Raimondo Cocchi, der unter anderem drei Briefe an den bedeutendsten österreichischen Numismatiker der frühen Neu -zeit Joseph Eckhel geschrieben hat, dem sich ein aktuelles Forschungsprojekt an der Österreichischen Akademie der Wissen schaften 2

widmet. Visualisierungen der eingetragenen Informationen stellen einen wichtigen Teil der Wissensdatenbank dar: Karten, W ortwolken, Zeitleisten und Diagramme geben einen Überblick über die umfangreichen Inhalte. Insbesondere eine visuelle Darstellung der Korrespondenzen dient dazu, die Gelehrtennetzwerke darzustellen.

Die Inhalte können aus der Datenbank auch in verschiedenen Export-Formaten ausgespielt werden, wobei zeigemäße Formate wie RDF 3 zur Verfügung stehen, die es ermöglichen, die Informationen im Internet optimal zu verknüpfen.

Abb. 1: Eintrag zur Person Raimondo Cocchi im FINA Wiki.

Quelle: https://fina.oeaw.ac.at/wiki/ index.php/Raimondo_Cocchi [Download: 7. 11. 2019]

https://www.oeaw.ac.at/antike/forschung/documenta-antiqua/numismatik/joseph-eckhel-1737-1798/ [Download: 10. 11. 2019] https://de.wikipedia.org/wiki/Resource_Description_Framework [Download: 7. 11. 2019]

Zur Erstellung des Wissensportals kommt die Open-Source-Software Semantic MediaWiki 4 zum Einsatz, die vom KDZ für die Österreichische Akademie der Wissenschaften konfiguriert wurde. Sie garantiert, dass zukünftige Erweiterungen in der Struktur der Datenbank einfach umsetzbar sind. Das zugrundeliegende System basiert auf MediaWiki, der Software, mit der Wikipedia betrieben wird. Somit ist gewährleistet, dass die Lösung noch viele Jahre lang weiterentwickelt wird. Die vollständige Erfassung der Inhalte wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen, doch schon jetzt zeigt das FINA Wiki die Leistungsfähigkeit einer aktuellen Wissensdatenbank. <

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„Die digitale Revolution macht es möglich Wissen transparent darzustellen.“

4 https://www.semantic-mediawiki.org [Download: 7. 11. 2019]

Abb. 2: Eine interaktive Zeitleiste visualisiert die Abfolge von Briefwechseln.

Quelle: https://fina.oeaw.ac.at/wiki/index.php/Timeline_of_Correspondence_in_the_18th_Century [Download 7. 11. 2019]

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