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Reform der Grundsteuer in Österreich: Aus deutschen Fehlern lernen

Reform der Grundsteuer in Österreich

Aus deutschen Fehlern lernen.

von Gunnar Schwarting

Foto: privat D ie Grundsteuer auch in Österreich weist erhebliche Mängel auf, die eine Reform notwendig erscheinen lassen 1 . Wie in Deutschland basieren die für die Besteuerung maßgeblichen Einheitswerte auf einer Hauptfeststellung, die aber seit 1972 nicht aktualisiert worden ist. Es gab pauschale Erhöhungen der Einheitswerte, die aber die Wertrelationen zwischen den Grundvermögen nicht verändert haben. Genau da aber liegt das Problem: Wenn die Grundstückswerte sich nicht gleichmäßig verändern sondern in einigen Regionen enorm ge stiegen, in anderen möglicherweise sogar gefallen sind, dann kann eine wertbasierte Grundsteuer das nicht ignorieren.

Das ist in Deutschland eigentlich seit langem, spätestens aber seit dem 10. April 2018 klar. Denn das Bundesverfassungsgericht hat an diesem Tag die Grundsteuer in ihrer bis

AD PERSONAM

Prof. Dr. Gunnar Schwarting wurde 1949 in Hamburg geboren. Er ist Autor mehrerer Fachbücher und zahlreicher Beiträge in Zeitschriften und Sammelbänden. Er war über 15 Jahre als Kommunalpolitiker und in leitender Stellung in der Kommunalverwaltung tätig, bevor er 1992 als Geschäftsführer (bis Mai 2014) zum Städtetag Rheinland-Pfalz wechselte. 2001 wurde er zum Honorarprofessor an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer ernannt. herigen Form gekippt. Bis zum 31.12.2019 muss eine Neuregelung der Steuer erfolgen und bis spätestens zum 31.12.2024 umgesetzt sein.

Wie ist es zu dem Ergebnis gekommen – und was wurde falsch gemacht?

Fehler 1 Der Bund hat seine Gesetzgebungskompetenz erst ganz zum Schluss wahrgenommen.

Die Grundsteuer beruht auf einem Bundesgesetz; insofern hätte der Bund die Reforminitiative schon weit vor dem Verfassungsgerichtsurteil ergreifen müssen. Stattdessen aber hatte er – mit dem Hinweis, dass Gemeindefinanzen ja Ländersache seien – die Neuregelung in die Hand der Länder gegeben.

Im November 2016 beschloss der Bundesrat mehrheitlich ein wertorientiertes Reformmodell, das allerdings von Bayern und Hamburg nicht mitgetragen wurde. Wegen der fehlenden Einheit der Ländervoten, beschloss der Bundestag die Gesetzesvorlage des Bundesrates nicht zu behandeln. Weitere Initiativen wurden danach nicht mehr ergriffen, da ja in absehbarer Zeit ein Votum des Bundesverfassungsgerichts zu erwarten sei – mit bekanntem Ausgang.

1 Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung/KDZ- Zentrum für Verwaltungsforschung/Institut für österreichisches und internationales Steuerrecht an der Wirtschaftsuniversität Wien, Reform der Grundsteuer nach dem „Grazer Modell“, Wien 2008, S. 1

Erst zu Jahresbeginn 2019 legte – endlich –das Bundesfinanzministerium einen eigenen Referentenentwurf vor, 2 der aber schon innerhalb der Koalition umstritten war, so dass dem Parlament erst im Juni 2019 ein innerhalb der Bundesregierung abgestimmter beratungsfähiger Gesetzesentwurf vorgelegt werden konnte.

Fehler 2 Es gibt bis heute keine Einigung darüber, welchen Steuertypus die Grundsteuer künftig darstellen soll.

Die konkurrierenden Modelle für die Reform der Grundsteuer kreisen um zwei Pole. Für die einen, verkörpert durch Bayern, soll sie eine Realsteuer, d.h. eine an die Sache anknüpfende Abgabe sein. Daher sollen auch nur physische Größen Bemessungsgrund lage werden. Für die anderen, verkörpert durch die Ländermehrheit und das Bundesfinanzministerium, soll die Grundsteuer an Werten anknüpfen, also eine Grundvermögensteuer sein.

Wenn man sich im föderalen Staat nicht einigen kann, kommen Optionsmodelle ins Spiel. So wurde bald daran gedacht, das Modell des Bundesfinanzministeriums zu beschließen, den Ländern aber eine Öf fnungsklausel zu gewähren, wonach es ihnen gestattet sein sollte, die Gewichtung der Bemessungsgrundlagen für die Steuer selbst zu bestimmen. Ob ein solches Vorgehen rechtlich überhaupt möglich ist, wurde – nach einer Expertenanhörung am 10. April 2019 – sehr unterschiedlich eingeschätzt. Wünschenswert war ein derartiges Auseinanderdriften sicherlich nicht. Doch tat sächlich wurde im W ege einer Änderung des Grundgesetzes am 18. Oktober 2019 genau diese Optionslösung beschlossen. 3

Fehler 3 Die konkreten Auswirkungen der Modelle wurden kaum untersucht

Obwohl die Grundsteuer die gesamte Bevölkerung und alle mehr als 11.000 Gemeinden in Deutschland betrifft, gibt es allenfalls vage Schätzungen, welche Folgen die jeweiligen Reformmodelle haben könnten. Umfang reichere Probeberechnungen fehlen bis heute. Daher werden sowohl die Bevölkerung als auch die Gemeinden erst 2024 wissen, wie ihre Steuerlast bzw. ihr Steueraufkommen aussehen werden.

„Eine kompensierende Erhöhung des heutigen Anteils an der Einkommenssteuer wäre kein adäquater Ersatz.“

Der Referentenentwurf des Bundesfinanzministeriums kam für eine Folgenabschätzung viel zu spät. Dieser Mangel ist nicht zuletzt darin begründet, dass das Ministerium mehrere Kriterien für die Bemessungsgrundlage nennt, die nicht ohne weiteres aus vorhandenen Daten ermittelt werden können, so • die Nettokaltmiete und • das Baujahr .

Hinzu kommt, dass es für diese Indikatoren jeweils noch Unterkategorien und Sonderregelungen gibt; selbst für Experten ist der Entwurf in seiner Komplexität nur schwer zu verstehen. Außerdem war die Möglichkeit vorgesehen, auf Grundvermögen, für das sich die o.g. Größen nicht ermitteln lassen, das bereits heute bekannte Sachwertverfahren anzuwenden. >

https://www.wts.com/wts.de/publications/wts-tax-weekly/anhange/2019/2019_14_1_entwurfe-eines-gesetzes-zur-reform-des-grundsteuer- -und-bewertungsrechts-grstrg-.pdf (letzter Abruf 21.10.2019) In der Gesetzesbegründung wird nicht spezifiziert, für welche Parameter eine abweichende Landesregelung möglich ist.

Fehler 4 Die Interdependenzen wurden ausgeklammert

Die Grundsteuer kann nicht isoliert betrachtet werden. Sie ist eingebettet in das gesamte Finanzsystem in Deutschland. Im kommu nalen Sektor ist sie Grundlage für die Bemes sung von Umlagen der Gemeindeverbände, namentlich der Kreisumlage. Darüber hinaus findet sie Eingang in die Berechnung der Steuerkraft im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs. Schließlich wird der Einheitswert der Grundsteuer mit 1,2 Prozent bei der Ermittlung des Gewerbesteuermessbetrags in Abzug gebracht. Dementsprechend hat das Bundesfinanzministerium auch eine Änderung des Gewerbesteuergesetzes vorgesehen. 4

Eine wichtige Rolle spielt die Grundsteuer auch im Länderfinanzausgleich. 5 Dort werden die Gemeindesteuern mit 64 Prozent der Steuerkraft der Länder zugerechnet. Ein Ergebnis einer Untersuchung des ifo-Institutes besagt, 6 dass bei einer wertabhängigen Ausgestaltung der Grundsteuer Bayern über 600 Millionen Euro mehr in den Länderfinanzausgleich einzahlen müsste. Das mag den Widerstand Bayerns gegen eine wertabhängige Lösung in gewissem Umfang erklären. Auch künftig soll die Grundsteuer – wie bisher – normiert, d.h. mit einem nach

„Obwohl die Grundsteuer die gesamte Bevölkerung und alle mehr als 11.000 Gemeinden in Deutschland betrifft, gibt es allenfalls vage Schätzungen, welche Folgen die jeweiligen Reformmodelle haben könnten.“

gleichen Kriterien ermittelten Ergebnis in den Finanzausgleich Eingang finden. 7 Allerdings erscheint es widersinnig, wenn die Finanzverwaltung in den Ländern, die eine abweichende Bewertung des Grundvermögens wählen, noch einmal für den Länderfinanzausgleich eine gesonderte Bewertung vornehmen müsste.

Fehler 5 Die Ankündigung der Aufkommensneutralität

Wie ein Mantra wurde stets die Aufkommensneutralität einer Grundsteuerreform betont. 8

Dabei war jedem Experten klar, dass dies nicht für das einzelne Grundstück gelten könne, sondern lediglich für das Gesamtaufkommen von gut 14 Mrd. Euro. Zentrales Steuerungsinstrument hierfür – so zuletzt die Aussagen des Bundesfinanzministeriums – sollte der gemeindliche Hebesatz sein. Wenn die Gemeinden ihre Hebesätze nach der Reform so festsetzten, dass sie genau das bisherige Grundsteueraufkommen erzielen, wäre bundesweit tatsächlich die Aufkommensneutralität gewährleistet.

Allerdings gehört das Hebesatzrecht zum festen Bestandteil der kommunalen Finanzautonomie, der Bund könnte also nur im Sinne einer „moral suasion“ darauf hoffen, dass die Gemeinden ihre Hebesätze mehr oder weniger „aufkommensneutral“ festsetzen. Ein direkter Eingriff der Länder in die Hebesatzgestaltung wäre eine schwere Verletzung der gemeindlichen Selbstverwaltungsgarantie und würde mit Sicherheit rechtlich angefochten. Doch es kommt noch ein weiteres hinzu: In den letzten Jahren haben Aufsichtsbehörden vermehrt Gemeinden mit unausgeglichenen Haushalten

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5 6 7 8 Artikel 9 des Referentenentwurfs einer Reform des Grundsteuer- und Bewertungsrechts, https://www.wts.com/wts.de/publications/wts-taxweekly/anhange/2019/2019_14_1_entwurfe-eines-gesetzes-zur-reform-des-grundsteuer--und-bewertungsrechts-grstrg-.pdf Vgl. Art. 17 des o.a. Referentenentwurfs Ifo-Institut, Die Grundsteuer in Deutschland: Finanzwissenschaftliche Analyse und Reformoptionen, München 2018, S. 27 So die vorgesehene Änderung des § 8 Abs. 2 des Finanzausgleichsgesetzes. Das gilt aber of fensichtlich nicht für die vorgesehene Möglichkeit in Gemeinden mit angespanntem Wohnungsmarkt für baureife Grundstücke eine erhöhte Grundsteuer („Grundsteuer C“) zu erheben.

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Die Grundsteuer in Österreich weist erhebliche Mängel auf, die eine Reform notwendig erscheinen lassen.

an gehalten, ihre Grundsteuerhebesätze zu erhöhen. Auf dieses Mittel werden die Aufsichtsbehörden bestenfalls kurzfristig verzichten. Bei mehr als 11.000 Steuergläubigern ist es vor diesem Hintergrund nahezu unmöglich, den Steuerzahlern Aufkommensneutralität zu garantieren.

Gar nicht in das Postulat der Aufkommensneutralität passt die neu eingeführte Grundsteuer C, die auf baureife Grundstücke er hoben werden kann. Formal handelt es sich um die Festsetzung eines höheren Hebesatzes für bestimmte in einer Karte definierte Grundstücke. Diese erhöhte Grundsteuer wirft noch erhebliche Fragen auf, die aber erst in der Folgezeit zu beantworten sein werden.

Fazit

Wenn Lehren aus der deutschen Reformdebatte gezogen werden sollen, dann die Erkenntnis, wie man es nicht machen sollte. Von Anfang an hätte der Bund die Initiative ergreifen und Herr des Verfahrens bleiben müssen. Dann hätte es auch gelingen können mit verlässlicheren Probeberechnun gen die Auswirkungen der vorgesehenen Regelungen zu überblicken. Danach wäre es dann möglich gewesen, alle Stellschrauben zu überprüfen, um zu einem annähernd aufkommensneutralen Ergebnis zu gelangen.

Das für die Städte und Gemeinden wichtigste Ergebnis ist aber die Verabschiedung eines neuen Gesetzes. Die Grundsteuer ist damit in ihrem Bestand für die nächste Zeit gesichert. Allerdings müssen die Verwaltungen darauf warten, ob – und wenn ja, in welcher Form – ihr jeweiliges ihr jeweiliges Land die Öffnungsklausel nutzen will. <

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Die Langfassung dieses Beitrages ist unter https://www.kdz.eu/de/content/reform-dergrundsteuer-oesterreich-aus-deutschenfehlern-lernen abrufbar.

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