/Jahresbericht2010

Page 1

Jahresbericht „Kirche für morgen“ 10 Jahre Kirche für morgen, das ist für mich ein Anlass meinen Rechenschaftsbericht über das letzte Jahr zu einem kurzen Streifzug zu 10 Jahren „Kirche für morgen“ zu nutzen. Warum eigentlich „Kirche für morgen“? Der damalige Vorsitzende des evangelischen Jugendwerks und ehemalige Staatssekretär Rolf Lehmann war einer der geladenen Gäste zur Initiativsitzung für die Gründung von „Kirche für morgen“ Er sagte damals, er sei nur deshalb gekommen, um zu sehen, was das für Verrückte seien, die einen neuen Synodalgesprächskreis gründen wollen. Wie verrückt muss man sein, um einen neuen Gesprächskreis gründen zu wollen? Wie viel Frustration, wie viel Liebe zu dieser Kirche, wie viel Engagement für diese Kirche und letztlich wie viel Hoffnung steckt hinter solchen Verrückten, die das nicht nur als Idee haben, sondern sogar in die Tat umsetzen. Die drei Hauptmotive möchte ich heute darlegen. 1. Motiv: Leiden an der Kirche Zitat aus dem ersten Wahlprogramm: „Wir fallen den Schönrednern ins Wort, die uns weismachen wollen, dass alles so bleiben kann, wie es ist“

‐ ‐ ‐ ‐ ‐

Die Jugend wird nicht mehr erreicht

‐ ‐

Die Kirche ist hierarchisch von oben nach unten strukturiert

Die Synode und die Gesprächskreise sind mit sich selbst beschäftigt und in Frontstellungen aus den 70er-Jahren - Beispiel Bischofswahlen

Die Sehnsucht nach Spiritualität vieler geht an der Kirche vorbei Motivierte und Hochengagierte treten aus oder gehen in die innere Emigration Gottesdienste erreichen nur noch bestimmte Milieus Die Kirche ist in vieler Hinsicht eine Kirche von Hauptamtlichen, vieles wird im Pfarramt vereinigt und dort konzentriert.

Kirchengemeinden sind alle „gleichförmig“: Gleiche Gottesdienstzeit, gleiche Musik, ohne Profil, ohne bestimmte Zielgruppen in den Blick zu nehmen und ohne Wahlmöglichkeit

2. Motiv: Liebe zur Kirche (Wer nicht liebt, leidet auch nicht!) …ihrem Reichtum an Personen, Traditionen und Formen Chance der Kirche mit alten Traditionen: Wir waren nicht bereit, wegen unserem Leiden, wegen unserer Kritik aus der Kirche auszusteigen, weil wir unsere Kirche schätzen und in ihr viele Schätze verborgen sehen. Mit hervorragenden Köpfen in der Geschichte: von Franz von Assisi, Thomas von Aquin, Augustinus, Theresa von Avila, Martin Luther, Dietrich Bonhoeffer, Karl Barth – als Theologen: aber auch Liederdichter wie Paul Gerhardt, und Komponisten wie Johann Sebastian Bach Reichtum an Formen des gestalteten Glaubens: Schweigende Meditation und Christusgebet ‐ Gebetsgemeinschaft und Lobpreis ‐ Taizegebete und pietistische Stunden ‐ Hauskreise und Politisches Nachtgebet ‐ Friedensgruppen und Salbungsliturgien ‐ Kirchentagen und Exerzitien Ermöglicht biografische Veränderungen -> Anknüpfungspunkte

‐1‐


Volkskirche als Chance und Herausforderung Taufe, Konfirmation, Hochzeit, Beerdigung Weihnachtsgottesdienste Religionsunterricht Präsenz in Ethikkommissionen und Medienräten… Flächendeckende Präsenz in den Ortschaften „Lassen wir die Kirche im Dorf“ … ist nicht nur eine Redewendung sondern eine Erfahrung, die viele prägt, Heimat wird auch noch heute von ganz vielen Menschen mit der Kirche – mit Weihnachten – mit Kirchenglocken verbunden. Flächendeckende Präsenz durch die Parochie und Kirchensteuer -> Durch Kirchengebäude und Gemeindehäuser Durch Klöster wie Taize, Christusbruderschaft und Tagungsstätten wie hier Durch Schulen und Jugendarbeit Durch Diakonie ist die Kirche eine, wenn nicht die wichtigste Einrichtung in unserem Staat, die sich um Schwache und Ausgegrenzte kümmert.

3. Motiv: Hoffnung und Wille zur Umgestaltung Den Umbruch gestalten oder den Wandel erleiden „Wir wenden uns gegen das Jammern, das keinen Willen zur Veränderung erkennen lässt“ Unsere Frage war damals und ist heute: Was darf uns das kosten – zeitlich und finanziell?  dass unsere Landeskirche für künftige Generationen und die heutige Gesellschaft von Bedeutung bleibt oder wieder neu wird  dass für viele Menschen das erlebbar und konkret wird: Gott kommt in Jesus Christus uns und allen Menschen nahe Und wir haben uns entschieden: Damals: es darf uns 2 Stunden pro Woche und mindestens 1% unseres Einkommens kosten. So waren die Bedingungen für die ersten Mitglieder. Und es war überraschend, wie viele bereit waren, sich – nach etwas zögerlichem Anfang – hier einzubringen. Und ich kann nur staunen, was daraus geworden ist: Wir stehen finanziell jetzt wirklich schuldenfrei da! – vielen Dank!!! -> Engpass und die Folgen -> Jahrestagung war teurer als geplant – bitte alle zahlen Wir besetzen alle Ausschüsse in der Synode Wir besetzen Zukunftsthemen Wir haben einen sehr erfolgreichen und gern gelesenen Zitronenfalter mit einer Auflage von über 4000

‐2‐


Homepage, Jahrestagung, Forum Mitgliederentwicklung

Und jetzt komm ich zu den Themen aus dem Jahr 2010: … und wir müssen und wollen, das was wir in diesem Jahr getan und gestaltet haben, daran messen lassen: Wie kommt Gott darin den Menschen in der heutigen Gesellschaft nahe? Es haben sich Kirchengesetze – sogar mit der notwendigen 2/3-Mehrheit verändert: 1) Beispiel Strukturveränderung: Die Veränderung des Pfarrerwahlgesetzes – das jetzt beschlossen wurde 2) Beispiel inhaltliche Diskussion: Tauferneuerung und Tauferinnerung – auch aber nicht nur im Zitronenfalter Auch alle Vorhaben für dieses Jahr 2011 müssen sich daran messen lassen: Kirche für morgen ist kein Verein mit dem Ziel des Selbsterhalts. Wir werden und müssen uns daran messen lassen, wie und wo wir Impulse setzen zum Umbau unserer Landeskirche, damit in unserer Welt was vom Reich Gottes deutlich wird: Teach them and they will forget Lehre sie und sie werden vergessen Show them and they will understand Zeig es ihnen und sie werden verstehen Involve them and they will learn Beziehe sie mit ein und sie werden lernen Show them: Schauen, wo gibt es gelungene Modelle in und außerhalb unserer Landeskirche (Blick nach England usw.) Involve them: Wie wird die Kirche von einer Betreuungskirche zur Beteiligungskirche? Da geht es nicht um kosmetische Korrekturen, sondern es geht eigentlich um einen radikalen Umbau – und dafür machen wir uns stark! ‐ ‐ ‐ ‐ ‐

das betrifft die Struktur des Pfarramts und das Theologiestudium die Ausbildung von Diakonen, Kantoren die Verteilung der Gelder und die Form der Konstituierung von Gemeinde vor Ort die Rolle und Organisation des Oberkirchenrats Stellenbesetzung und Finanzierung der Kirche

Wir müssen uns klar sein: Letztlich wollen wir einen Beitrag leisten zu einem Paradigmenwechsel in der Kirche zu einem Umbau einer Kirche von oben zu einer Kirche von unten. Es geht uns nicht um kosmetische Korrekturen sondern um eine radikale Wende – zum Wohle und zum Heil der Menschen – dass Gott ankommt in unserer Welt

‐3‐


Und das sind Dinge, was wir konkret 2011 angehen wollen: a) Inhaltlich arbeiten: Diskussionsprozess über Amtsverständnis von Kirche für morgen – und da auch dann ein Impulspapier zu erstellen - > Pfarrerbild b) Öffentlichkeitsarbeit intensivieren: Die besten Ideen nützen nichts, wenn wir sie nicht unters Volk bringen: ‐ Zitronenfalter unter die Leute bringen (Reinhold Krebs) ‐ Homepage neu aufbauen und organisieren ‐ Auch finanziell mehr in die Öffentlichkeitsarbeit investieren, dass unsere Themen auch bei den Medien ankommen c) Wahl 2013: In die Fläche kommen (Tabea) Wichtig wäre uns, in jedem Wahlbezirk ein Team zu finden, das arbeitsfähig ist: Das inhaltlich an den Themen von „Kirche für morgen“ dran ist und diese Dinge multipliziert, aber auch Personen finden, die von Sympathisanten zu Engagierten werden d) Geistlich Hören Wir haben den Eindruck, dass in Württemberg Neues aufbrechen will und soll. Uns ist klar, wir als „Kirche für morgen“ können nicht den Aufbruch schaffen, aber wir können in unserer Kirche die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass wenn Neues aufbricht, dies auch in und mit und nicht nur neben unserer Kirche geschehen kann, und hier wollen wir wach sein und gehen deshalb mit einander in Klausur mit Wolfgang Bittner, um hier gemeinsam „Geistliches Hören“ einzuüben. Weder blinder Aktivismus noch lähmende Ohnmachtsstimmung sind an der Zeit, sondern der gelassene Aufbruch in der Gemeinschaft der Glaubenden. Schließen will ich mit einem Zitat von Peer Steinbrück „Wir wollen nicht immer so genau wissen, was wir eigentlich wissen. Wir würden dann nämlich zu der Erkenntnis gelangen, dass wir Selbsttäuschungen unterliegen und Irrtümern folgen. Wir wären zu Korrekturen gezwungen, die darauf hinaus laufen, dass wir uns selbst ändern und viele Änderungen vornehmen müssen. … Der Abschied von falschen Gewissheiten ist schmerzlich, Korrekturen sind anstrengend. „Denn sie wissen nicht, was sie tun“ hieß ein berühmter Film von James Dean. Der Film über uns müsste heißen: „Denn sie tun nicht, was sie wissen.“ Abgesehen davon, dass Peer Steinbrück vielleicht nicht wusste, dass das Zitat „Denn sie wissen nicht, was sie tun“ von Jesus selbst stammt, hat er – so denke ich, auch für unsere Kirche recht: „Wir tun nicht, was wir wissen“: Wir wissen, dass so wie Kirche jetzt ist, die Jugend und viele spirituell suchende in der Mitte der Gesellschaft aber auch bedürftige Menschen am Rande der Gesellschaft sich von Kirche nichts mehr erwarten, dass die Kirche zu einer Gemeinschaft derer, die in wenigen Milieus beheimatet sind, geworden ist. Was aber tun wir, wenn wir das wissen? Wir wissen, dass die Kirche eigentlich beste Voraussetzungen hat für das Leben der Menschen von Bedeutung zu sein. Was aber tun wir, dass sie dies wieder wird? Wir wissen, dass der Herr der Kirche, Jesus Christus unsere Hoffnung ist und ihm die Zukunft gehört. „Kirche – das Beste kommt noch“ Wie tragfähig ist aber dieses Wissen, dieser Glaube, diese Hoffnung, dass wir nun auch mutig handeln und vorwärts gehen. Wir wollen und müssen Schritte tun, dass etwas sich in unserer Gesellschaft und in unserer Kirche ändert zum Wohle und zum Heil der Menschen.

‐4‐


Weder blinder Aktivismus noch lähmende Ohnmachtsstimmung sind an der Zeit, sondern der gelassene Aufbruch in der Gemeinschaft der Glaubenden. Wahlprogramm 2001 …Dennoch bin ich mehr denn je davon überzeugt, dass wir selbst es nicht schaffen die Kirche oder die Gemeinde zu verändern. Jeder von uns weiß wie schwierig es ist, sich selbst zu verändern. … Jedoch hat jeder von uns auch bahnbrechende Veränderungen erlebt. Dies immer dann, wenn Gott selbst eingegriffen hat, Gnade und Gunst gegeben hat. (Alexander Dappen) Friedemann Stöffler, 1. Vorsitzender

‐5‐


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.