Zitronenfalter 1.2010

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1.2010

www.kirchefuermorgen.de

Ehre dem Amt Gemeinsam stark Burghard Krause 端ber Pfarrer und Ehrenamtliche

Pfarrer als Trainer Wie sich k端nftige Pfarrer und Pfarrerinnen sehen

Liturgie-Seminar Ehrenamtliche werden zu Liturgen


Editorial & Inhaltsverzeichnis

Liebe Leserinnen und Leser,

Heftthema: Ehre dem Amt

das Ehrenamt ist ‚in’! „Die Kirchengemeinde beruft zur Erfüllung ihrer Aufgaben … ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ihr Dienst wird von der Kirchengemeinde, dem Kirchenbezirk und der Landeskirche gefördert und geschützt.“ So steht es in unserer Kirchengemeindeordnung (§ 38a). Und weiter: „Ehrenamtlicher und beruflicher Dienst ... sind aufeinander bezogen.“ Wohl wahr! Was aber heißt „aufeinander bezogen“? Wie ist das Verhältnis zwischen Pfarrern und Ehrenamtlichen?

Editorial

Seite 2

Erwartungen …

Seite 3

Nur gemeinsam sind wir stark

Seite 4

Welche Ehre – das Amt

Seite 6

Klaus Eickhoff – selbst Pfarrer – spricht davon, dass Hauptamtliche wie alle Christen Sünder – und als solche Egoisten sind. Bei Pfarrerinnen und Pfarrern entdeckt er dabei eine „von Minderwertigkeitsgefühlen übertriebene Ehrsucht und Eitelkeit … Man kann nichts loslassen, möchte alles selber beherrschen, befürchtet Macht- und Prestigeverlust.“ Bei manchen äußere sich der Egoismus darin, dass man sich rühmt, „die Kunst des Delegierens zu beherrschen“ – und dabei verstehe man es nur, Dinge abzuwimmeln. Manchmal äußere sich die Ehrsucht auch dergestalt, dass Ehrenamtliche scheinbar geschult und eingesetzt werden und das nur, „um eines Tages selber gut dazustehen. Da ist man mehr Räuber als Diener, mehr Mietling als Hirte“.

Zur Neubestimmung des Verhältnisses von Pfarrer/Pfarrerin und Gemeinde Seite 10

Alles nur Fantastereien eines Nestbeschmutzers? Oder ist es gar mit dem „aufeinander bezogen sein“ doch nicht so weit her? Sind es am Ende vielleicht sogar die Ehrenamtlichen, die mit überzogenen Erwartungen solche Pfarrer „produzieren“? Bekommen die Ehrenamtlichen eben genau den Pfarrer, den sie verdienen?

Dann halt auch ohne Pfarrer …

Wir wollen versuchen, mit dieser Ausgabe des Zitronenfalters Antworten auf diese Fragen zu finden. Pfarrer und Ehrenamtliche sollen dabei zu Wort kommen. Dabei geht es nicht um Schuldzuweisung – es geht auch nicht um das Pfarrertum aller Glaubenden! Es geht um Freiheit! Um die Freiheit, die wir als Kinder Gottes erleben, wenn wir von uns selbst wegschauen können. Es geht um Selbstlosigkeit – als Haupt- und Ehrenamtliche. Darum, dass uns das „soli deo gloria vor falschen Beweggründen bewahren“ kann (Eickhoff ). In diesem Sinne: Viel Freude beim Lesen wünscht Ihnen Ihr

Markus Haag, Pfarrer in Gronau und Prevorst

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Ehrenamtliche zur Eigenverantwortlichkeit freisetzen Seite 8 Wie sich künftige Pfarrer und Pfarrerinnen sehen

„Wir wünschen uns eine/n Pfarrer/in, der/die …“

Seite 9

Seite 12

Bausteine Liturgieseminar – ein Lebenszeichen der Gemeinde Seite 13 Gemeindeleitung neu definiert

Seite 14

Gemeindeportät Seite 16

Kfm intern Aus der Landessynode Impressum

Seite 19

Zu guter Letzt

Seite 18

Seite 20

Die Zitronen spritzen weiter! Mehr zitronengetränkte Infos und Kommentare finden sich auf unserer Homepage: Neben aktuellen Reportagen, einem Zitat der Woche und Berichten von den zurückliegenden Synoden gibt es regelmäßig neue Zitronenspritzer zu aktuellen Auffälligkeiten aus Kirche und Gesellschaft. Auch das Archiv der Zitronenspritzer lohnt sich durchzuklicken und sich zu Gemüte zu führen. Ergänzungen zu einzelnen Heft­artikeln findet man unter www. kirchefuer­morgen.de/zitronenfalter, wo der aktuelle Zitronenfalter und die bisher erschienenen Ausgaben online zur Verfügung stehen.


Ehre dem Amt

Erwartungen … Beim Thema Ehrenamt ist man ganz schnell bei den Erwartungen. Nicht erfüllte Erwartungen erzeugen Frust auf beiden Seiten. Ein ehrenamtlicher Mitarbeiter und ein Pfarrer waren bereit, dazu Stellung zu nehmen. Der Ehrenamtliche Ich habe mich damals sehr gerne in der Jugendarbeit engagiert. Ich wollte meinen Teil dazu beitragen, dass sich Kinder und Jugendliche in unserer Gemeinschaft wohl fühlen. Oftmals bekam ich aber den Eindruck, dass Hauptamtliche gleich die ganze Hand nahmen, sobald man ihnen einen kleinen Finger entgegen gestreckt hatte.

Der Pfarrer

Ich erwarte Verlässlichkeit und Verbindlichkeit

Engagement muss nicht ständig belohnt werden. Zur Wertschätzung gehört für mich Kritik und Dankbarkeit, schließlich sollte ehrenamtliches Engagement auch die Entwicklung der Persönlichkeit fördern. Deshalb finde ich es schade, wenn Ehrenamtliche in unserer Kirche nicht den nötigen Respekt und die Anerkennung bekommen, die ihnen für ihre Arbeit zustehen sollten.

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Außerdem fehlte mir von Seiten einiger Hauptamtlicher öfters die nötige Anerkennung und Wertschätzung für mein ehrenamtliches Engagement. Ich empfand zum Beispiel, dass die Aufmerksamkeit für junge Leute rasant abnahm, sobald sie endlich nach langem Werben im Kreis der Ehrenamtlichen dabei waren.

Zur Wertschätzung gehört für mich Kritik und

Welche Erwartungen und Wünsche habe ich als Pfarrer an ehrenamtliche Mitarbeiter? Ich wünsche mir zuallererst, dass sie nicht nur ihren Job tun. Positiv formuliert: Ich wünsche mir begeisterte Mitarbeiter, die mit ganzem Herzen dabei sind. Sie sollen eine Heimat in der Gemeinde haben und anderen Heimat geben. Dafür sollen sie sich nicht aufopfern, aber mit Freude und Engagement ihre Aufgaben anpacken, seien es nun zehn Stunden in der Woche oder zwei Stunden im Monat. Ich erwarte Verlässlichkeit und Verbindlichkeit. Denn zur Gemeindearbeit gehören auch Krisen und Zweifel, und ich wünsche mir gerade dann Mitarbeiter, die durchhalten und gemeinsam mit mir neue Wege suchen. Wie geht es mir nun umgekehrt mit den Erwartungen und Wünschen der Ehrenamtlichen an mich? Ich glaube, dass die meisten Ehrenamtlichen keinen Chef wollen, der ihnen sagt, wo’s langgeht. Sie suchen vielmehr eine feste Ansprechperson, die sie persönlich, fachlich und geistlich fördert – im weitesten Sinne eine Art Mentor. Mit einer solchen Erwartungshaltung geht’s mir gut, weil das meinem eigenen Selbstverständnis entspricht.

Dankbarkeit Philipp Funke hat in verschiedenen Gemeinden Erfahrungen als Ehrenamtlicher gesammelt und studiert an der CVJM-Hochschule in Kassel.

Dr. Hans Joachim Stein arbeitet als Pfarrer gerne mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Kirchengemeinde Beilstein-Billensbach zusammen.

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Ehre dem Amt

Nur gemeinsam sind wir stark In den letzten Jahren wird der Ruf nach einem „Mentalitätswandel“ der Gemeinden in Richtung Beteiligungskirche immer lauter. Dr. Burghard Krause erläutert, was das für das Verhältnis zwischen Pfarrerschaft und Ehrenamtlichen bedeutet.

Gemeinden sollen lernen, eigenverantwortlich zu handeln und sich nicht von Hauptamtlichen versorgen zu lassen

Ehrenamtliche dürfen nicht Aufgabenempfänger von

Die Stichworte Betreuungs- und Beteiligungskirche stehen für zwei unterschiedliche Verständnisformen gestalteter Kirche. Wollen wir weiter Kirche für das Volk bleiben und uns nicht in die Nische der Kerngemeinde zurückziehen, müssen vor allem die Pfarrerinnen und Pfarrer auch künftig dem Verlangen nach einer Betreuungskirche entgegenkommen. Gleichzeitig ist es aber wichtig, dass sie sich die Frage stellen: Wie kann es geschehen, dass die kasual betreuten Gemeindeglieder „Lust auf mehr“ bekommen? Primär aber ist es wichtig, das neue Paradigma der Beteiligungskirche zu fördern: Gemeinden sollen lernen, eigenverantwortlich zu handeln und sich nicht von Hauptamtlichen versorgen zu lassen. Unsere Alltagswirklichkeit jedoch ist noch weithin von einer verhängnisvollen „Delegationsspirale“ 1 geprägt: Vieles von dem, wozu die ganze Gemeinde berufen ist, wird ans Pfarramt delegiert und als Dienstleistung erwartet. Das traditionelle Pfarrerbild ist darauf zugeschnitten. Die Konsequenz dieses eingespielten Musters ist, dass der vom Neuen Testament geforderte Leib Christi in seiner Vielfalt Existenz gefährdend beschnitten wird. Die Pfarrerinnen und Pfarrer leiden zunehmend unter Funktionshäufung, Stress verursachender Arbeitsverdichtung und Motivationsverlust. Aber auch den Gemeinden tut die Delegationsspirale nicht gut: Sie bleiben unmündig, viel zu stark vom pastoralen Vormund abhängig. Ihre Gaben verkümmern, die Christen strahlen nichts mehr aus, werden sendungsfaul.

überlasteten Sensibilitäten und Widerstände Hauptamtlichen In vielen Gemeinden gleicht die Beziewerden

hung von Haupt- und Ehrenamtlichen einem weithin verminten Gelände.

Pfarrerinnen und Pfarrer fühlen sich durch die Aufwertung des Ehrenamts in ihrer pastoralen Identität verunsichert. Unter ihnen wächst das Bedürfnis, das Spezifische ihres eigenen Berufes vor den

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Begehrlichkeiten anderer zu schützen. Aber auch die Ehrenamtlichen reagieren häufig mit Abwehr und Überforderungssignalen. Ihre Reizthemen: Werden wir zu Lückenbüßern und „Sparschweinen“ einer Kirche in Finanznot? Und überhaupt: Wollen die Hauptamtlichen wirklich geteilte Macht und Verantwortung? Lassen sie sich ein auf partnerschaftliches Miteinander auf Augenhöhe? Was, wenn Ehrenamtliche in Aufgaben hineinwachsen, die bisher den Pfarrern vorbehalten waren? Halten es beide Seiten aus, hier und da zueinander in Konkurrenz zu treten?

Sich zu neuem Glanz verhelfen Das künftige Miteinander von Hauptund Ehrenamtlichen kann nur gelingen, wenn sich beide Seiten wechselseitig zu neuem Glanz verhelfen. Dazu müssen die Aufgabenbereiche beider Seiten klar definiert werden. Unabdingbar ist eine Atmosphäre von wechselseitiger Wertschätzung und Achtung vor den Kompetenzen der jeweils anderen Seite. Worin besteht der „Glanz des Ehrenamts“? Ehrenamtliche dürfen nicht Aufgabenempfänger von überlasteten Hauptamtlichen werden. Vielmehr sollen die Mitarbeitenden in ihrem Engagement entdecken: „Gott kann und will in seinem Handeln nicht auf mich verzichten. Ich bin ein einmaliges Original Gottes, ein unersetzbarer, dringend gebrauchter Teil des Leibes Christi.“ Diese Berufung Gemeindegliedern zuzusprechen und lieb zu machen, wird künftig eine zentrale Aufgabe der Hauptamtlichen werden müssen. Wir brauchen „Amateure“ – ganz wörtlich verstanden: Liebhaber – des Reiches Gottes! Und worin besteht der „Glanz des Pfarramts“? Das Pfarramt muss ganz sicher von Verwaltungs- und Organisationsaufgaben entlastet werden. Es muss sich frei kämpfen von Allmachtsfantasien, vom eigenen Anspruch, für alles verantwortlich zu sein. Künftig wird das


hober, pixelio.de

Hauptamtliche helfen den Ehrenamtlichen zur Mündigkeit eines weithin selbst verantworteten Gemeindelebens. Pfarramt – neben den klassischen Seelsorge-, Amtshandlungs- und Verkündigungsaufgaben – vor allem die Aufgabe haben, Menschen zu befähigen und sie zu ermächtigen, ihre Gaben zu entfalten und auszuleben. Eine seiner Schlüsselfunktionen wird sein, Gemeindeglieder zur aktiven Mitarbeit zu befähigen. Es geht um die Wiederentdeckung des allgemeinen Priestertums. Der neue Glanz des Pfarramts liegt in seiner Multiplikatoren-Funktion.

Trainer der Ehrenamtlichen Im Bild gesprochen: Die Hauptamtlichen dürfen nicht ständig die Funktion des „Feldspielers“ in wechselnden Rollen übernehmen, während die Gemeinde auf der Zuschauertribüne sitzt und je nach Leistung Beifall klatscht oder pfeift. Vielmehr wird Aufgabe der Pfarrerinnen und Pfarrer, der Diakoninnen und Diakone sein, die Charismen im Leib Christi zu entdecken, die Mitarbeitenden wie ein guter Trainer zu fördern und herauszufordern. Das EKD-Impulspapier „Kirche der Freiheit“ betont, dass die Stärkung des Ehrenamts „keineswegs zu einer Relativierung des hauptamtlichen Dienstes, sehr wohl aber zu dessen Veränderung“2

führt. Der Pfarrer oder die Pfarrerin sammelt „einen Kreis von ehrenamtlich Beauftragten um sich“ und wird so selbst zum oder zur „leitenden Geistlichen eines Netzwerkes von Ehrenamtlichen“ 3. Es geht hier nicht um eine neue Pfarrerzentrierung – nicht Ehrenamtliche helfen Hauptamtlichen bei der Bewältigung ihrer Aufgaben. Vielmehr helfen die Hauptamtlichen den Ehrenamtlichen zur Mündigkeit eines weithin selbst verantworteten Gemeindelebens. Das ist ein Paradigmenwechsel, der Zeit braucht und Widerstände hervorrufen wird, weil er überkommene Identitäten in Frage stellt und über Jahrzehnte eingeübte Rollenmuster durchbricht. Der diesem Artikel zugrunde liegende Aufsatz ist in dem Heft „Brennpunkt Gemeinde“ 4-2008, S.123ff erschienen (erhältlich über die AMDHomepage).

Der neue Glanz des Pfarramts liegt in seiner MultiplikatorenFunktion

vgl. dazu: Wolfgang Bittner, Kirche – wo bist du?, Zürich 1995, S.61ff. 2 Kirche der Freiheit, S.69 3 ebd., S.68 1

Dr. Burghard Krause ist Landessuperintendent in der Hannoverschen Landeskirche und Vorsitzender des Theologischen Ausschusses der Arbeitsgemeinschaft missionarischer Dienste (www.a-m-d.de).

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Ehre dem Amt

Welche Ehre – das Amt! Am 5. Dezember 2009 wurde offiziell der Tag des Ehrenamtes begangen. Ohne den unbezahlten Einsatz beherzter Menschen würde es in unserem Staatswesen schlecht aussehen. In der Kirche wohl ebenso? Karlfriedrich Schaller ist diesem Phänomen auf den Grund gegangen.

Allzu lange und allzu selbstverständlich waren alle Gaben im Pfarramt

© ArTo, fotolia.com

eingesargt

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„Evangelisch – Ehrenamt – Engagiert“ – so lautete das Motto der 11. Synode der EKD in Ulm (25.-29 Okt. 2009) Als sei das Ehrenamt ein Kennzeichen protestantischer Kirchen. Was wird denn da gefeiert und warum? Ich fürchte, es war „der (finanziellen) Not gehorchend, nicht dem eignen Triebe“ (Schiller, Anfangsvers aus ‚Braut von Messina’). Solange das Geld floss, machten die Hauptamtlichen die Arbeit. Nun versiegen die Quellen, die Arbeit jedoch bleibt – also braucht man Hilfsarbeiter und nennt sie Ehrenamtliche. Dabei sollte doch gerade die „Gemeinschaft der Heiligen“ ein Vorbild für die Beteiligung aller sein. Von Anfang an war das Christentum eine Laienbewegung. Aber schon wenige Jahrzehnte später waren die ersten Ansätze zu einem Klerikertum erkennbar. Manche beanspruchten ein besonderes göttliches „Los“ (griech.: kleros) für sich und seither gibt es die Spannung zwischen den sogenannten „Laien“ und den hauptamtlich Bestellten. Auch die Reformation hat an der Stelle keine

grundlegende Neuerung gebracht, trotz dem „Priestertum aller Glaubenden“. Die Kirchendefinition setzt eine spezielle Führungsschicht voraus: „Dort, wo das Evangelium rein gepredigt und die heiligen Sakramente laut des Evangelii gereicht werden“ (C.A. VII). Die lutherische Kirche ist von Anfang an hierarchisch strukturiert. Bei den reformierten Kirchen hört sich das dagegen so an: „Welches ist Christi Kylch? Die sin Wort hört!“ sagt Zwingli. Hier gibt es keine Unterschiede. Kein Wunder, dass gerade von den reformierten Kirchen aus Schottland und den Niederlanden in Europa die kräftigsten Anstöße zur Aufklärung kamen. Seit den 90er Jahren wird nun plötzlich das Ehrenamt wieder interessant. Zunehmend wird entdeckt, dass die Beziehung zwischen haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern ein „vermintes Gelände“ ist (K. Eberl, EKD-Synode). Hier geht es um Kompetenzen, um Anerkennung und Macht. Wenn es jedoch stimmt, dass alle Gaben (und damit auch alle Aufgaben) in der Kirche dem einen Amt der Verbreitung der frohen Botschaft dienen sollen, dann könnten sich doch mit einem solchen Amtsverständnis beide Seiten einigen. Allzu lange und allzu selbstverständlich waren alle Gaben im Pfarramt eingesargt. „Herr Pfarrer, Sie machet des scho!“ Ein Blick ins Pfarrerdienstgesetz lehrt das Grausen, was dem Multitalent da alles zugemutet wird.


Ehre dem Amt

Nun pfeifen es die Spatzen aber von den Dächern, dass z.B. nicht alle ordinierten hauptamtlichen Theologen die herrliche Gabe der Wortverkündigung haben. Das ist auch nicht schlimm, das gibt es in anderen Berufen ebenso. Sie können dafür hervorragend organisieren oder Gespräche führen. Das Tragische am Pfarr-Beruf ist, dass ein Pfarrer (via Gesetz und landläufiger Erwartung) die Gabe des mitreißenden Predigens haben muss. Andernfalls leiden viele Menschen darunter – am meisten wohl der/die AmtsinhaberIn selber. Wenn jedoch das Hauptamt und das Ehrenamt von ihrem Wesen her gleichgestellt und gleich gefüllt sind, könnte es doch unserer Landessynode ein Leichtes sein, den Hauptamtlichen aufzuerlegen, dass sie dafür Verantwortung tragen, dass in jeder Gemeinde (ob mit oder ohne PfarrerIn) „das Evangelium recht gepredigt und die Sakramente lauter verwaltet werden“. Sie haben dafür zu sorgen. Ob sie dafür begabt sind, wird der Heilige Geist weisen! Sie sollen Menschen finden, die mit ihren Gaben den Dienst der Verkündigung auch Sonntagvormittags feiern können. Die meisten Gemeinden dieser Welt leben ohne PfarrerIn und auch in unseren Breiten können sich nicht mehr alle Gemeinden eine/n PfarrerIn leisten.

Sollen wir – nach katholischem Hierarchievorbild – Seelsorgeeinheiten bilden und „ReisepfarrerInnnen“ bezahlen? Deren Erfahrung zeigt, wie Gemeinden und Priester darunter leiden (s. Zölibatsdiskussion in der Schweiz)! Dr. Beate Hofmann sagte auf der EKDSynode: „Damit Ehrenamt in der Kirche zukunftsfähig bleibt, braucht es eine Metamorphose der Rollenbilder von Hauptund Ehrenamtlichen … Es ist ein Prozess, der prägende Bilder von Betreuungsund Versorgungskirche verabschiedet … Dieser Wandel kommt nicht von allein, er geht nicht schnell, er ist schmerzhaft und er braucht eine gute Gestaltung und Begleitung.“

Literatur: Grabner-Haider, Anton, 2007, Das Laienchristentum, WBG. Den Bericht der EKD-Synode zum Schwerpunktthema finden Sie unter www.kirchefuermorgen.de.

Das „Kanzelrecht“ aufgeben, wo sie der Herr so schön in meine Hand gegeben hat? Unmöglich! Aber um wen oder was geht es denn überhaupt? Um „unsere Macht und Herrlichkeit“ oder um die befreiende Botschaft der leidgeprüften Liebe Gottes? Die „gute Gestaltung und Begleitung“ auf diesem Weg ist noch lange nicht in Sicht. Wie lange noch müssen wir uns auf „vermintem Gelände“ der Machtverteilung streiten und dabei das eine Amt der Welt vorenthalten: Gott loben, das ist unser Amt?

Karlfriedrich Schaller ist Pfarrer im Ruhestand. Er lebt in Tübingen und stellt seine Erfahrungen gerne anderen Gemeinden zur Verfügung.

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Ehre dem Amt

Ehrenamtliche zur Eigenverantwortlichkeit freisetzen Ohne Ehrenamtliche geht in der Gemeinde fast nichts mehr. Die wichtige Rolle, die Pfarrerinnen und Pfarrer im großen Konzert mit den Ehrenamtlichen spielen können, beschreibt Siegfried Häußler. positive Wechselbeziehung untereinander, eine gemeinsame Identität und ein gemeinsamer Auftrag. Die Gemeindeglieder dienen einander mit ihren Gaben, an ihrem Platz, zum Aufbau der Gemeinde, damit sich Gottes Reich Bahn bricht in dieser Welt.

C. Nadale, pixelio.de

Freiräume eröffnen

Begleitung von Ehrenamtlichen als Kernaufgabe des Pfarramtes

Vorbei sind vielerorts die Zeiten, in denen Pfarrerinnen und Pfarrer als Alleinunterhaltende das Gemeindeleben gestalten. Gott sei Dank! Die „eierlegende Wollmilchsau“ hat ausgedient, weil diese Rolle sowohl die Amtsinhaber überforderte als auch der Gemeinde nicht gerecht wurde. Immer selbstverständlicher werden heute viele Aufgaben an Ehrenamtliche delegiert. Das Gemeindeleben wird bunter und reicher durch den Chor der vielen Stimmen. Pfarrer werden entlastet. Doch hier ist Vorsicht geboten. Es kann hier nicht darum gehen, einfach Aufgaben zu delegieren. Zu oft sind Ehrenamtliche schon dadurch verschlissen worden, dass sie an der falschen Stelle eingesetzt und allein gelassen wurden. Ebenso wenig können in einer Gemeinde alle nach Belieben ihre (geistlichen) Hobbys pflegen. Das führt zu einem beziehungslosen Neben- oder gar konkurrierenden Gegeneinander.

Ein komplizierter Prozess, der sich nicht einfach so ergibt. Es braucht dazu das Wirken des Heiligen Geistes, der begabt, beruft und verbindet. Und es braucht Verantwortliche, die sich genau dafür von ihm gebrauchen lassen. Verantwor tliche, die einen Blick dafür haben, was in anderen steckt, und ihnen helfen, das zu entdecken. Die den Mut und das Vertrauen haben, anderen Freiräume zu eröffnen, in denen sie entsprechend ihrer Begabung und Berufung wachsen und sich einbringen können. Dabei müssen die Verantwortlichen das Ganze der Gemeinde im Blick haben und das Engagement der Einzelnen und der Gruppen immer wieder darauf beziehen können. Es braucht Menschen mit Vision und Leitungsgaben, die helfen können, eine gemeinsame Richtung zu finden und Ziele zu beschreiben. Pfarrerinnen und Pfarrern ist eine solche Leitungsaufgabe in zentraler Position übertragen. Sie brauchen dafür eine gute Ausbildung und die nötigen zeitlichen Freiräume. Mir fehlte ersteres in Studium und Vikariat fast vollständig, und um das zweite muss ich in der Fülle der Aufgaben täglich kämpfen. Ich plädiere dafür, die Begleitung von Ehrenamtlichen als Kernaufgabe des Pfarramtes zu sehen. Dies in dem Bewusstsein, dass wir auch hier Ergänzung durch andere – Ehrenamtliche – benötigen.

Ein Leib, viele Glieder Im Neuen Testament wird Gemeinde als Leib mit vielen Gliedern (1. Korinther 12,12ff ), als ein vernetzter Organismus beschrieben. Kennzeichnend sind eine

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Siegfried Häußler ist Pfarrer in der Mauritiusgemeinde in Reichenbach/ Fils und leidenschaftlicher Förderer von Ehrenamtlichen.


Ehre dem Amt

Wie sich künftige Pfarrer und Pfarrerinnen sehen Die Theologiestudenten und -studentinnen von heute sind die Pfarrerinnen und Pfarrer von morgen. Sie geben Auskunft darüber, wie sie sich selbst im Beruf einschätzen, wie sie die Arbeit von und mit Ehrenamtlichen bewerten und wie ihr Traum von Gemeinde aussieht. Golde Wissner, selbst Theologiestudentin, befragte 23 Mitstudenten zu diesen Themen und bekam überraschende Antworten. „Kirche ist Priestertum aller Gläubigen, getragen durch die Kraft, die Gott selbst sendet.“ Klara, 22 Jahre, 6. Semester1

„Welche Bereiche sind für die Zukunft der Kirche besonders wichtig?“ 4 theologisch gut ausgebildete Pfarrer/innen

3,5

Die Befragung zeigte, dass die Studierenden die Bedeutung von „engagierten Ehrenamtlichen“ für die Zukunft der Kirche sogar noch höher einschätzen als ihre eigene theologische Ausbildung. Und der „lebendige Glaube in der Gemeinde“ bekommt in der Einschätzung mit Abstand die größte Bedeutung. Man sieht also bei den Pfarramtsstudenten eine hohe Wertschätzung der Gemeinde und deren Fähigkeiten und Möglichkeiten im Sinne eines „Priestertums aller Gläubigen“.

Pfarrer als Trainer und Koordinator Die zukünftige Rolle des Pfarrers wird weniger traditionell im Sinne eines geistlich überlegenen „Hirten“ gesehen, sondern eher als Trainer und Supervisor seiner aktiven Gemeindemitglieder.

„Hast du eine Vision davon, wie Kirche aussehen sollte?“ In den Antworten der Studierenden auf diese Frage wird die Sehnsucht nach einer Kirche spürbar, die offen ist und für jeden einen Platz hat. Eine Kirche, die sich sozial engagiert und nach außen Stellung bezieht und eine Kirche, die glaubhafter wird und in der der christliche Glaube sichtbar gemeinsam gelebt wird. „ … dass die Kirche für jeden einen Platz hat. Einen Platz, wo er für und mit anderen seine Gaben entfalten kann und Gemeinschaft leben darf, ohne dass er Angst haben muss, von dieser nicht anerkannt zu werden.“ Simone, 31 Jahre, 11. Semester 1 Die Namen wurden anonymisiert, Semesterzahl, Alter und Geschlecht stimmen mit den Angaben der Befragten überein.

3

Engagierte Ehrenamtliche

2,5 2 1,5

Schriftgemäße Verkündigung

1 0,5

Lebendiger Glaube in der Gemeinde

0 Frage 3

Abb.: Ergebnisse der Mittelwerte zu der Frage „Welche Bereiche sind für die Zukunft der Kirche besonders wichtig?“ Die Befragten konnten zwischen 0 und 4 ankreuzen. (0 = gar keine große Bedeutung, 4 = große Bedeutung).

Einer für alle? Alle für einen? Ich denke, es ist wichtig, dass nicht nur die Pfarrer das Ehrenamt mehr schätzen und fördern, sondern auch, dass die erfahrenen und mündigen Gemeindemitglieder die motivierten Pfarrer/innen unterstützen! Regelmäßige gemeinsame Supervisionssitzungen mit Haupt- und Ehrenamtlichen könnten in der Gemeinde für mehr Kommunikation und für weniger Missverständnisse sorgen. Kurse zur Teamfähigkeit und Motivationsübungen für Ehrenamtliche sollten im Vikariat für die angehenden Pfarrer angeboten werden, damit sie praktisch lernen, wie man auf Ehrenamtliche zugeht und deren Talente fördert. Wenn gemeinsam Visionen entwickelt und umgesetzt werden, dann kann der Traum von christlicher Gemeinschaf t Wirklichkeit werden!

Der Pfarrer als Trainer und Supervisor seiner aktiven Gemeindemitglieder

Für eine glaubwürdige Kirche braucht es die ganze Gemeinde. Golde Wissner möchte auch Pfarrerin werden. Sie war erfreut über die begeisterten und engagierten Antworten ihrer Kommiliton/innen. Wer sich für eine ausführlichere Auswertung der Befragung interessiert, kann ihr an studiumfrage@web.de eine Email schreiben.

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Ehre dem Amt

Zur Neubestimmung des Verhältnisses von Pfarrerinnen und Pfarrern und Gemeinde

Positionslicht des Kfm-Vorsitzenden Friedemann Stöffler Ganz oft begegnet mir in Gesprächen die Position: Kirche für morgen hat etwas gegen die PfarrerInnen. Überrascht sind viele, wenn sie erfahren, dass mehr als 20% der Mitglieder von Kirche für morgen Pfarrerinnen und Pfarrer sind. Aus unseren Veröffentlichungen lässt sich dazu – meinem Eindruck nach – nichts finden, was dies wirklich untermauern könnte. Allerdings: Wir sind der Meinung, dass die heutige Struktur des Pfarramts einer gründlichen Reform bedarf.

Das sind die Rahmenbedingungen unter denen in Württemberg eine Pfarrerin/ein Pfarrer arbeitet (Württembergischen Pfarrgesetz §13 Absatz 2):

„Der Auftrag umfasst insbesondere Predigt und Leitung des Gottesdienstes, Taufe und Abendmahl, Amtshandlungen, seelsorgerliche und diakonische Dienste, Dienst an jungen Menschen in Schule, kirchlichem Unterricht und Jugendarbeit, Bibelarbeit und andere kirchliche Bildungsarbeit mit Erwachsenen, Gewinnung und Anleitung von Mitarbeitern und weitere Leitungs-, sowie Organisations- und Verwaltungsaufgaben.“ So ist also unser Pfarramt strukturiert: Jede Pfarrerin und jeder Pfarrer sollte ein „eierlegendes Wollmilchschwein“ sein. Ich kenne wenige Pfarrerinnen und Pfarrern, die mit der Struktur des Pfarramts zufrieden sind. Jede/r empfindet, dass die Erwartungshaltungen, die auch in den unterschiedlichen Ausschreibungen vor-

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kommen, überfordern. Halten wir fest: Die an das Pfarramt gebundenen Erwartungen sind in der Regel nicht leistbar und damit wird man weder dem Pfarrer bzw. der Pfarrerin noch den ehrenamtlichen Mitarbeitenden in ihren Kompetenzen und Fähigkeiten gerecht.

Was ist die theologische Begründung für das Pfarramt? Ich bitte um Verständnis, dass ich nur wenige Gedanken anreiße – im Wesentlichen nur auf die Bekenntnisschriften eingehe – und nicht, was eine lohnende Aufgabe wäre, auf die „norma normans“, die Bibel selbst. Für alle protestantischen Kirchen ist zunächst einmal das „Priestertum aller Gläubigen“ die Basis. Es steht prinzipiell nicht im Widerspruch zu einem besonderen Amt der „öffentlichen Wortverkündigung“. Dass zu diesem Amt eine „ordnungsgemäße Berufung“ gehört, wie es ›


Ehre dem Amt in der Confessio Augustana formuliert wird (CA XIV „rite vocatus“) sei hier unbestritten. Die Rolle der Gemeinde in Bezug auf das Pfarramt formuliert Luther klar in seiner Schrift: „Dass eine christliche Versammlung oder Gemeinde Recht und Macht habe, alle Lehre zu beurteilen und Lehrer zu berufen, ein- und abzusetzen…“

Und was ist die Aufgabe der Gemeinde? Nach reformatorischem Bekenntnis darf es ein Amt der öffentlichen Wortverkündigung geben, das von der Gemeinde (!) durch ordnungsgemäße Berufung verliehen wird. Dieses Amt ist bei uns das Pfarramt. Dieses Amt entbindet aber die Gemeinde nicht davon, „alle Lehre zu beurteilen“ sondern setzt sie dazu instand. Eine wesentliche Aufgabe des Pfarrers bzw. der Pfarrerin ist die Befähigung der Gemeinde zur theologischen Urteilsfähigkeit. Der Pfarrer/die Pfarrerin ist dafür verantwortlich, dass rechte Lehre geschieht, dass die Sakramente recht verwaltet werden.

Folgerungen für das Verhältnis von Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen, insbesondere Pfarrerinnen und Pfarrern 1. D as Pfarramt ist das Amt innerhalb der Kirche, das der Gemeinde hilft und sie dazu befähigt, die notwendigen Dienste wie Verkündigung, Sakramentsverwaltung, Diakonie, Lehre, Prophetie usw. zu praktizieren und ordentlich auszuüben. 2. P farrerinnen und Pfarrer sind zeitlich freigestellt, um in der Gemeinde den Raum für diese Dienste zu schaffen. So kann zwar der Pfarrer bzw. die Pfarrerin auch predigen, Sakramente austeilen, Seelsorger sein usw., aber es sollte nicht die Regel oder gar die absolute Forderung sein. Im Ordinationsversprechen für württembergische PfarrerInnen sind die entscheidenden Verben „mithelfen“, „Sorge tragen“, „Acht haben“. 3. D as Amt für die öffentliche Wortverkündigung meint die theologische Verantwor tung für alle Verkündigungsdienste in der Gemeinde. Der Pfarrer bzw. die Pfarrerin muss diese

Verantwortung reformatorisch „sine vi sed verbo“ – allein durch das Wort und nicht durch Macht – wahrnehmen. Strukturell müsste damit vollkommen klar sein, dass der Pfarrer, die Pfarrerin nicht gleichzeitig erste/r oder zweite/r Vorsitzende/r des Kirchengemeinderats sein kann. 4. E r/sie ist „Trainer“ der Gemeinde, der den Gemeindegliedern hilft, immer mehr Dienste selbst zu übernehmen.

Eine Aufgabe

5. E s würde unserer Kirche gut tun, sich an der Praxis des Apostels Paulus zu orientieren, der die Gemeinden ermahnt, sie theologisch unterweist, seelsorgerlich begleitet, aber alles dafür tut, dass die Gemeinde selbst mündig wird und nicht von ihm abhängig ist. Er selbst übt keinerlei strukturelle Macht aus.

der Pfarrerin ist

des Pfarrers bzw. die Befähigung der Gemeinde zur theologischen Urteilsfähigkeit

6. S o kann auch in unserer Kirche Gestalt gewinnen, was Basis für jede christliche Gemeinde ist: „Einer ist euer Meister, ihr aber seid untereinander Brüder“ und Schwestern (Mt. 23,8). 7. P farrerinnen und Pfarrer, wie alle anderen Hauptamtlichen in der Kirche, haben die Aufgabe „Ermöglicher“ zu sein, Rahmenbedingungen zu schaffen, dass „Laien“ Dienste übernehmen können, zu denen sie ohne die Unterstützung durch Hauptamtliche nicht in der Lage wären. Sie schaffen Rahmenbedingungen, dass jede und jeder sich mit der Gabe, die er empfangen hat, einbringen kann. 8. E ine Veränderung in diese Richtung braucht Zeit, aber es ist höchste Zeit, die Gemeinde zu dieser Mündigkeit zu befähigen, ihr diese Mündigkeit zuzutrauen und zuzumuten. Zielperspektive allen kirchlichen Handelns muss es sein, die gemeindliche Praxis, die kirchliche Ordnung und die Ausbildung für kirchliche Ämter in diese Richtung zu verändern.

Die an das Pfarramt gebundenen Erwartungen sind in der Regel nicht leistbar

So gewinnt der Leib mit vielen Gliedern Gestalt, dessen einziges Haupt Christus ist. So wird aus einer Pfarrerskirche eine Beteiligungskirche. Friedemann Stöffler ist Vorsitzender von „Kirche für morgen“ und setzt sich auch als „Jakobiner“ für eine Neubestimmung des Pfarramtes ein (siehe Rückseite).

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Ehre dem Amt

„Wir wünschen uns eine/n Pfarrer/in, der/die …“ Johannes Stahl, seit vier Jahren geschäftsführender Pfarrer in Eschenbach, hat die Pfarrstellenausschreibungen des vergangenen Jahres durchgesehen und kommt zu dem ernüchternden Schluss:

Alle Pfarrstellenausschreibungen sind den a+b-Heften (Für Arbeit und Besinnung), Jahrgang 2009, entnommen.

„Es gibt noch immer Kirchengemeinden, die suchen statt einer Pfarrerin/ eines Pfarrers die ‚eierlegende Wollmilchsau’. Verräterisch sind Formulierungen wie ‚sowohl … als auch’. In manchen Gemeinden wurde möglicherweise der zukünftige Schwerpunkt der Gemeindearbeit nicht ausdiskutiert. Man hat deshalb ganz salomonisch einfach alle Schwerpunkte auf die PfarrerWunschliste gepackt –

wer weiß, vielleicht gibt es ja irgendwo da draußen eine Pfarrerin/ einen Pfarrer, die/ der alles kann und alles macht und das jeweils auch noch als Schwerpunkt. Fragt sich nur, ob der Pfarrer/ die Pfarrerin bei so vielen Schwerpunkten physikalisch gesehen überhaupt noch laufen kann? Und ob bei den Ehrenamtlichen, die bei solchen Alleskönnern zwangsläufig zum Zuschauen verurteilt sind, dann alles rund läuft?“

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A m tl ic hes

beit – Intewicklung: Jugendar Erwünschte Neuent ssla nddeut sc he n, von Neuilgrat ion von Ru hausen ge lischen de r Te ge ne n, von Evan : Pfarrstelle Traum zo nd ge he zu ste ! lle An . te en -S ner 75 % en Fa m ili iHe d or te und von ju ng Aussch reibung ei un n Ki rc he nd ac h ch s Re no vier un g vo ragemeinde m it se spo ias „D e: ind me Gotte zu ng. Kirchenge stauf trag (75 % ): Teilorten (!) , Dien sualien, Konfirmandeniten und VorerfahKa , rtungen an Fähigke er jemanden, die/ dienst, Seelsorge Deputat, wa Er ch re na se ht Un ric er nt su n uns üb unterricht, Religion -got tesr Jurungen: Wir freue reitu ng, Fa milien gabt ist , die/der de ende be h isc al sik Kinderki rc hvorbe i ökumenischen Schulmu r de eit rb ita M , bt gi be pu lse dienste, Mita rbeit Ki nderbibeltagen, Leigendarbeit neue Im leitet und begleitet und d it an be ar de nd in ge gottesd iensten un me Ju ite t. r Ge de d deabende un ch lic h gu t an le tu ng der Gemein eit beim ökumenischen Ki nd er ki rc he fa en e rch di Ki im n ge in rb re Mits nachmittage, Mita Wünschenswert wä s Oh r fü r Be la nge de r ausflug, Öf fe ntde in me Ge is, ne re fe Gesprächsk e Mitteichor und ein of n.“ r das wöchentlich Pfarrund M itarbeitende lic hkeitsa rbeit fü r de it Gemeindeglieder m eit rb na me m sa Zu in t lungsblat und Ge Vorsitz im KGR Amtliches amtssek retä rin , schäftsfü hr ung. Amtliches

Amtlich

es

„Wir w ün der /die o schen uns eine/n P ff F rö m m ig en ist für unters farrer/in, c sch lossen k e it s s ti le (… ) u h ied liche n städtisch für sowohl ländli d a u fge ch als au geprägte ch Mensche n.“

„Zum Dienstau ftrag gehört de sorgeauf tr ag r Seelin an st alt m it ca der Ju st iz vollzugs. Dien stau ft rags 15 % de s ge sa mte n (= 1/ 2 bis 1 Ta Woche)…“ g pro

Amtliches

„Erwünschte neue Entwicklungen und Projekte: Neue Impulse in der Jugendarbeit, Unterstützung der ambitionierten kirchenmusikalischen Aktivitäten (Durchführung von Bach-, Reger- und Franck-Zyklen, welche von thematischen Gottesdiensten begleitet werden), 100-Jahr-Feier in 2013, Verstärkte Bemühungen in der Altenarbeit …“

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„Der Stelleninhaber soll Freude an der Konfirmanden-, Kinder-, Jugend- und Familienarbeit, sowie einer seelsorgerlichen Begleitung in besonderen Situationen sowie an Kranken- und Altenbesuchen haben.“ es

Amtlich

g zu wendun rliche Zu er n, d ie A re rg o ls e „Die se emeindeglied ) und die G älteren ngen Familien (… er punkte ju w beit mit eit werden Sch rb Jugenda Amtliches sein.“ „S chwerpunk te de r G emei n M it ar be iter dear be it: ge tu ng, Koord w in nu ng u nd -b eg le iinat ion de r be it , Konta kt zu de n veGemei ndea rrs Gruppen un ch ie de nen dK Zielgruppe ju reisen, Engagement für nge

Familien. W Schwerpunkte eitere Förder ung de : Erwachsenenbildung, r K irchenmu sik.“


Bausteine

Liturgie-Seminar – ein Lebenszeichen der Gemeinde Aus den Reihen der Jakobusgemeinde in Tübingen kam im Blick auf den bevorstehenden Ruhestand ihres Pfarrers der Vorschlag, ein Liturgieseminar anzubieten. Gemeindeglieder, die sich zutrauten, die Liturgie im Gottesdienst selber zu gestalten, sollten dafür geschult werden. Vor fünf und vor zwei Jahren entwickelten die Pfarrerin Silke Harms und der Pfarrer Karlfriedrich Schaller dazu ein Liturgieseminar.

Insgesamt 18 TeilnehmerInnen lernten an 6 Abenden, wie menschenfreundliche Liturgie festlich und anrührend gestaltet werden kann. Mit Videokameras und Übungen, sowie dem „Ernstfall“ eines Gottesdienstes entdeckten die TeilnehmerInnen ihre Gaben. Inhalte der Abende waren: 1. Was macht Gottesdienste lebendig? (Gottesdienstraum/ Theorie des Gottesdienstes/ Rolle und Gewand eines Liturgen) 2. Richtig anfangen und weitermachen (Liturgische Begrüßung/ Überleitung zum Psalm, Eingangsgebet und Stille) 3. Singet dem Herrn ein neues Lied! (Musik und Lieder: aussuchen, finden, gestalten) 4. Lesen, dass der Funke überspringt (Schriftlesung: Auswahl und Einleitung) 5. Beten im Pulsschlag des Lebens (Stellvertretendes Beten; Dank- und Bittgebete formulieren, Halleluja und Kyrie) 6. Komm, Herr, segne uns (Abkündigungen und Segen) Das Ziel dieser Schulung war, Gemeindeglieder zu befähigen – außer der Predigt – einen Gottesdienst zu planen und zu gestalten. Die erste Auswirkung war die Erkenntnis, dass alle Beteiligten den Gottesdienst viel intensiver genießen konnten als vorher. Gleichzeitig wuchs die bange Erkenntnis, dass sich das alles ganz locker anhört, aber dahinter doch viel Überlegung und Übung steckt. Da die Jakobusgemeinde jedoch schon intensivere „Gemeindebeteiligung“ im Gottesdienst lebte (Schriftlesung/ Dank- und Fürbittegebete, Abkündigungen etc.) war es kein so großes Abenteuer, einmal wirklich einen Gottesdienst in Laienregie durchzuführen. Das „Gesicht“ der Gottesdienste blieb und bleibt erhalten.

Es ist erstaunlich zu beobachten, wie schnell die anfängliche Unsicherheit einer Souveränität gewichen ist und mit welch großen Gaben diese ehrenamtlichen Liturgen den Gottesdienst gestalten. Für den/die PfarrerIn bedeutet dies auf der einen Seite eine große Entlastung, denn es ist „nur“ die Predigt für den Gottesdienst zu erstellen, was bisher die Hälfte der Vorbereitungszeit ausmachte. Auf der anderen Seite zeigt sich die Herausforderung, diese Predigt schon am Montagabend ausformuliert zu haben (was sich übrigens als große Entlastung für den Rest der Woche herausstellte) und die Toleranz, dass da in dem Gottesdienst andere Lieder, andere Gedanken, andere Gebete auftauchen, als „man“ das sich selber gewünscht hätte.

Mit Hilfe von Videokameras und Übungen entdeckten die TeilnehmerInnen ihre Gaben

Karlfriedrich Schaller kam als Pfarrer an der Jakobuskirche Tübingen bis Februar 2009 in den Genuss der ehrenamtlichen Liturgen.

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Bausteine

Gemeindeleitung neu definiert

© Joachim Wendler, fotolia.com

Pfarrer lernen von Managern. Gleichzeitig lenken sie den Fokus auf ihr eigenes geistliches Leben. Wie beides in einer Fortbildung zusammengeht und sogar zusammengehört, schildert Johannes Eißler.

Die Bedeutung der bestehenden „Gemeindekultur“ ist nicht zu unterschätzen

Passt das zusammen: Pfarrberuf und Management? Tatsache ist, dass heutige Pfarrerinnen und Pfarrer neben ihren „Kernaufgaben“ in Predigt, Seelsorge und Unterricht oft vielfältige Leitungsverantwortung übernehmen müssen: Verwaltung, Personalführung, Gebäude- und Finanzmanagement, Konfliktbearbeitung und Öffentlichkeitsarbeit sind einige dieser Bereiche, die im Theologiestudium und Vikariat kaum gestreift werden. Nicht zuletzt krankt es oftmals an der Fähigkeit zur Selbstorganisation und an der richtigen Zeiteinteilung. Ganz zu schweigen von fehlenden Absprachen mit den Ehrenamtlichen in der Gemeindeleitung.

Kompetenzgewinn für Pfarrer „Spirituelles Gemeindemanagement“ nennt sich eine Langzeitfortbildung für Pfarrerinnen und Pfarrer, die hier Abhilfe

schaffen möchte. Sie wird bereits zum zweiten Mal in Zusammenarbeit mit dem Greifswalder „Institut zur Erforschung von Evangelisation und Gemeindeentwicklung“ zusammen mit der badischen Landeskirche angeboten. „Man kann Dinge besser machen, und das Evangelium hat es verdient”, so Prof. Dr. Michael Herbst aus Greifswald, der höchstpersönlich als Referent bei den Kurswochen im Stift Urach und im badischen Nonnenweier mitwirkt. Fünf Leitungskompetenzen möchte die Fortbildung vermitteln: Zeitgemäße Visionen für Gemeinde und Kirche aus der Lektüre der Bibel entwickeln Beten und Planen verknüpfen – Spiritualität als Offenheit für den Geist Gottes Leitbilder entwickeln, u.a. mit Hilfe von Moderations- und Präsentationstechniken Kommunikativen und partizipatorischen Leitungsstil einüben Marketing- und Managementtechniken kennen lernen

Weg von der Behördenkirche Der pommersche Bischof H.J. Abromeit plädiert in der Einleitung seines Buches zum „Spirituellen Gemeindemanagement“ für „ein am Endverbaucher orientiertes Denken“. „Eine Einübung in marketingorientiertes Denken kann darum einer Kirche, die in der Gefahr steht, um sich selbst zu kreisen, helfen, auf die Menschen, für die sie eigentlich da ist, zuzugehen. Kirchliches Leben wird heute von vielen als eine Veranstaltung von Kirchenleuten für Kirchenleute empfunden. Diese staatsanaloge, behördenförmige Organisationsform der Kirche ist überholt.“ Die theologische Ausbildung

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müsse sich „ausrichten an den Erfordernissen des Berufsalltags späterer Pfarrerinnen und Pfarrer“.

Vision, Konzept, Organisation „Spirituelles Gemeindemanagement“ versteht sich daher auch als Crash-Kurs in Sachen Organisation und Planung. Klaus-Martin Strunk, Diplom-Kaufmann und selbständiger Unternehmensberater aus Münster versteht es, Managementfähigkeiten auf lockere Art zu vermitteln. Von der Vision geht es über die Analyse und der Definition der Zielgruppe („relevanter Markt“) zur Konzept-Entwicklung. Beim Konzept sei neben der Strategie (Plan) und der Struktur (Organisation) die Bedeutung der bestehenden „Gemeindekultur“ nicht zu unterschätzen, sagt Strunk. Folgende Fragen können leitend sein: „Wofür stehen wir?“, „Was sind unsere Prinzipien?“, „Wie steht es mit unserem Glauben?“, „Welchen Stil prägen wir?“. Ja, es gibt so etwas wie eine Körpersprache der Gemeinde! Nicht zuletzt gilt es aber, eine gute Idee auf den Boden zu kriegen: Wie sieht das Angebot genau aus? Was müssen wir an Zeit und Geld investieren? Welche Räume stehen dafür zur Verfügung? Welches „Personal“ wird benötigt? Welche Form von Öffentlichkeitsarbeit ist geplant? Egal, ob es um ein Gemeindefest, ein Osterfrühstück oder einen Glaubenskurs geht, letztlich müssen alle diese Punkte bedacht werden.

Geistlich leben und leiten Aber „Spirituelles Gemeindemanagement“ will mehr sein als ein Managementkurs für Ordinierte. Es geht darum, auch im operativen Geschäft damit zu rechnen, dass Gottes Geist lenkt und leitet. Es war für mich eine neue Erfahrung, mit Kollegen im Zweiergespräch bei einem Gebetsspaziergang pfarramtliche Probleme auszutauschen und ganz konkret dafür zu beten. Andachten oder gesungene Tagzeitengebete und das tägliche „Bibel teilen“ strukturieren den Tagesablauf der Kurswochen. Eine besondere Herausforderung ist es, mit dem Halbmarathonläufer Michael Herbst frühmorgens zum Frühsport aufzubrechen. Jede Kurswoche wird mit einem Abendmahlsgottesdienst und der Möglichkeit zur persönlichen Segnung abgeschlossen. Michael Herbst ist überzeugt, dass sich Management gut verträgt mit „Spiritualität als gestaltetem Leben in der

Nachfolge Jesu Christi.“ „Wir wollen geistlich führen und leiten und zielgerichtet, strukturiert und professionell Prozesse der Gemeindeentwicklung mitgestalten“, so Herbst. Die Betriebswirtschaftslehre nennt er eine „Kooperationsdisziplin“. Von ihr lässt sich „die prinzipielle Orientierung an den Menschen“ lernen.

Die Kurse sind ausgebucht Bischof Abromeit, Prof. Herbst, K.-M. Strunk sowie Dr. Peter Böhlemann vom „Institut für Aus-, Fort- und Weiterbildung“ der westfälischen Landeskirche haben das „Spirituelle Gemeindemanagement“ in den 90er-Jahren entwickelt. Von 1999 an wurde die zweijährige Fortbildung zunächst in Westfalen, dann auch in Pommern, im Rheinland und im Kloster Volkenroda (Evang. Kirche in Mitteldeutschland) angeboten. Seit 2007 läuft das „Spirituelle Gemeindemanagement“ mit Hilfe der Ämter für missionarische Dienste auch im Südwesten. Vier Kurswochen – je Halbjahr eine – sowie begleitende Supervisionsgruppen sorgen für den nötigen Theorie-Praxis-Mix. Ein Teilnehmer des hiesigen Kurses 2007/08 sagte: „Das war die beste Fortbildung meiner gesamten Berufslaufbahn.“ Nach dem zweiten soll ein dritter Durchgang im Februar 2011 starten. Vielleicht könnte künftig noch ein stärkeres Augenmerk auf das Verhältnis von Hauptund Ehrenamtlichen gelegt werden.

Auch im operativen Geschäft damit rechnen, dass Gottes Geist lenkt und leitet

Buchtipp: Hans-Jürgen Abromeit u.a. (Hg.), Spirituelles Gemeindemanagement. Chancen – Strategien – Beispiele, Göttingen 2001 Johannes Eißler ist Pfarrer beim Amt für missionarische Dienste und gehört zum Leitungsteam des „Spirituellen Gemeindemanagements“ in Baden-Württemberg.

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Gemeindeporträt

Dann halt auch ohne Pfarrer … Martin Allmendinger beschreibt das Gemeindeleben einer Landgemeinde, deren Mitarbeiterschaft ihr breit gefächertes Gemeindeangebot auch während einer längeren pfarrerlosen Zeit am Leben erhält. Hohengehren ist eine Schurwaldgemeinde im Kirchenbezirk Esslingen. Im Zentrum des Gemeindelebens stehen die Sonntagsgottesdienste in der Cyriakuskirche.

Weißwurstfrühstück nach dem Gottesdienst

Gut vernetzt zu sein ist die halbe Miete

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Im Gemeindeleitbild soll zum Ausdruck gebracht werden, was diese kleine Gemeinde ausmacht: „Wir wollen eine warmherzige, einladende und in Jesus Christus verwurzelte Gemeinde sein. Deshalb setzen wir uns dafür ein, dass viele Menschen die Liebe Gottes erfahren und im Glauben wachsen, dass Menschen in liebevoller Gemeinschaft eine Heimat finden, die sich im Alltag bewährt, dass Menschen ihre Berufung von Gott entdecken, mit ihren Gaben den Menschen dienen und dadurch die Welt verantwortlich mitgestalten.“ In einem außerordentlich guten Zusammenspiel von Pfarramt (S. Häußler war von 1997 – 2009 Pfarrer in Hohengehren, s. Artikel S. 8), Kirchengemeinderat und Gemeindebüro wird mit einer sehr großen Zahl ehrenamtlich Mitarbeitender ein erstaunliches Programm bewältigt. Näheres unter www.hohengehren-evangelisch.de.

Im Jahresverlauf gibt es vielfältige Gelegenheiten zur Begegnung der Gemeindeglieder. Auch Menschen, die nicht zu den Insidern zählen, lassen sich gerne einladen oder beteiligen sich bei besonderen Aktionen und Veranstaltungen. Besonders ist, dass etliche Gelegenheiten zur Tischgemeinschaft angeboten werden. Etwa das Überraschungsmittagessen, zu dem Viele etwas mitbringen und so zu einem bunten, überraschenden Buffet beitragen. Auch das Weißwurstfrühstück nach dem Gottesdienst und das Schlachtfest seien hier genannt.

Ehrenamtliche mit viel Potenzial Zu einer großen Selbstverständlichkeit ist es in Hohengehren geworden, ehrenamtlich Mitarbeitende zu gewinnen, zu begleiten und zu fördern. Dabei bleibt immer im Blick, was jemand gut kann und gerne tut: Sei es Rasen mähen um die Kirche, den Grünschnitt abfahren, die Kirche täglich auf- und zuschließen, die Homepage gestalten oder Gottesdienste im Team selbstverantwortlich gestalten. Auch die Leitung der „Kinderarche“, einer besonderen Kindergottesdienstform parallel zum Zweitgottesdienst, gehört dazu. Menschen bringen sich ein beim Singen im Kirchenchor, beim Musizieren im Posaunenchor, beim Besuchsdienst, der Gestaltung der Schaukästen im Ort und den vielen Angeboten für Kinder, Jugendliche, Erwachsene und Senioren. Sehr erfreulich ist die Zusammenarbeit im Distrikt und in der Region. Mein Eindruck ist, dass dies weitgehend unter dem unausgesprochenen Motto läuf t: miteinander unterwegs und gut vernetzt zu sein ist die halbe Miete.


Zweitgottesdienst wöchentlich Im letzten Jahr wurde ich immer mal wieder als Prediger für den Zweitgottesdienst „Rückenwind“ angefragt: Ein sehr aktives Team, das aus mehreren Untergruppen besteht, gestaltet diesen Gottesdienst eigenverantwortlich – bis zum Sommer in enger Zusammenarbeit mit dem Pfarrer. Mit Ausnahme der Ferien gibt es jeden Sonntag zwei unterschiedliche Gottesdienste am Vormittag. Von Zeit zu Zeit wird auch ein „Gottesdienst miteinander“ gefeiert.

Tayomi – Tansania Eine sehr aktive Partnerschaft zu einer afrikanischen Jugendorganisation ist nicht selbstverständlich. Der „Verein zur Förderung der christlichen Jugendarbeit in Tansania im Rahmen von Casfeta/ Tayomi“ wurde 1995 gegründet. Der bisherige Pfarrer Siegfried Häußler koordiniert die Zusammenarbeit und ist Vorsitzender des Vereins. Über ihn kam die Kirchengemeinde zu dieser besonderen Partnerschaft. Wertvolle technische Geräte, eine ganze Reihe hochqualifizierter Computer und eine umfangreiche Solaranlage waren Inhalt des kurz vor Weihnachten verschickten Containers. Im Frühjahr wird eine Gruppe von Spezialisten zum Aufbau und zur Installation der Solaranlage nach Tansania reisen.

Förderverein Senfkorn Im März 2008 wurde der Förderverein Senfkorn gegründet (www.senfkorn.eu). Ziel des Vereins ist es, die „innovative und fruchtbare Gemeindearbeit in der Evangelischen Kirchengemeinde Hohengehren (zu) unterstützen“. Als Gründe werden genannt: zusätzliches, verlässliches finanzielles Standbein angesichts rückläufiger Kirchensteuermittel Zukunft der Gemeinde sichern über das absolut Notwendige hinaus Spielräume erhalten für eine zeitgemäße Gemeindeentwicklung und kreative Gestaltung zusätzliche Anstellungen in kleinem Umfang. Als erstes Projekt wurde Anfang 2009 die Anstellung eines Kirchenmusikers vor allem für das Musikteam im Zweitgottesdienst teilfinanziert. Als zweites Projekt sollte die Stelle eines Mitarbeiterreferenten geschaffen werden. Da ich durch meine Mitarbeit in der Kirchenge-

meinde bereits bekannt war, wurde ich dafür angefragt. Im Oktober 2009 wurde ich als Mitarbeiterreferent auf der Basis einer geringfügigen Beschäftigung angestellt.

Mitarbeiterbegleitung Die Begleitung Ehrenamtlicher hat sich gerade seit dem Wechsel von Pfarrer Häußler nach Reichenbach als absolut notwendig erwiesen. Die persönliche, seelsorgerliche und fachliche Begleitung der mehr als 180 Mitarbeitenden ist nun besonders wichtig geworden. Im Januar gab es einen Mitarbeitertag als Schulungs- und Auftankangebot, der gut angenommen wurde. Von Mai bis Juli veranstalten wir Exerzitien im Alltag und im Herbst ein Einkehrwochenende, weil die geistliche Begleitung durch nichts zu ersetzen ist.

Jeden Sonntag finden zwei unterschiedliche Gottesdienste statt

Pfarrerlose Zeit Zur Zeit befindet sich die Gemeinde „im Wartestand“. Die Ausschreibung der Pfarrstelle hat bisher keinen Erfolg gehabt. Vielleicht hat ja dieser Artikel bei der einen oder anderen Pfarrerin/Pfarrer Interesse geweckt, zukünftig auf dem Schurwald im Team mit vielen Mitarbeitenden am Reich Gottes mitzubauen.

Die geistliche Begleitung ist durch nichts zu ersetzen

Martin Allmendinger, Denkendorf, Diakon und Supervisor ist Mitarbeiterreferent in der Evang. Kirchengemeinde Hohengehren. Kontakt: martin.allmendinger@senfkorn.eu

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kfm intern

Halbzeit in der Synode – ein Interview mit dem Synodalen Matthias Böhler Matthias Böhler ist seit 2007 Synodaler von Kirche für morgen des Wahlbezirks Besigheim/Brackenheim. Tabea Hieber sprach mit ihm über seine Erfahrungen, Wünsche und Visionen.

Im Bereich der Jugendarbeit ist Vernetzung mit der Schule und die Schulseelsorge ein Thema

Eines der Ergebnisse ist, dass Kirche in der Gesellschaft immer weniger präsent ist

Das dritte Jahr in der Synode – Zeit, um eine Zwischenbilanz zu ziehen. Welche Erfahrungen prägten dich in den ersten beiden Jahren?

ist, dass Kirche in der Gesellschaft immer weniger präsent ist. Sie ist nur noch in maximal drei von zehn lebensweltlichen Milieus in Deutschland beheimatet.

Die erste Zeit war auf jeden Fall eine Zeit des Einarbeitens und geprägt vom Zuhören und Kennenlernen. In die verschiedenen Abläufe und Arbeitsprozesse der Synode musste ich mich erst einmal hineinfinden und mich orientieren. Viele Themen, mit denen wir uns in der Landessynode beschäftigen, waren für mich neu. Das macht die Arbeit aber auch sehr spannend und vielseitig.

Ich wünsche mir, dass wir diese Entwicklung Ernst nehmen und in den nächsten Jahren mit aller Kraft daran arbeiten, für die unterschiedlichsten Menschen in unserer Kirche Räume zu öffnen, in denen sie ihren Platz finden und Hilfe und Unterstützung für ihr Leben erfahren. Ich hoffe, unsere Beratungen und Diskussionen gerade im Zusammenhang mit dem Schwerpunkttag „Musik in der Kirche“ oder auch dem „Jahr des Gottesdienstes 2012“ können hier die richtige Stoßrichtung vorgeben – hin zu mehr Vielfalt und Beteiligung in unserer Landeskirche, damit wir dem Anspruch „Volkskirche“ zu sein, weiter gerecht werden können.

Neben den drei jährlichen Tagungen der Landessynode gibt es eine ganze Reihe weiterer Aufgaben. Wo liegt dein Schwerpunkt? Ich bin Mitglied im Ausschuss für Bildung und Jugend. Hier haben wir uns zum Beispiel mit dem Papier zur Bildungspolitik der Ev. Landeskirchen von Baden und Württemberg beschäftigt und eine ausführliche Beratung in der Plenarsitzung der Synode vorbereitet. Außerdem gehört zu unserem Aufgabengebiet der Religionsunterricht und die Arbeit der ev. Kindertageseinrichtungen. Im letzten Jahr haben uns die Ergebnisse der Studie zur Konfirmandenarbeit beschäftigt und wir sind dabei, daraus Folgerungen und Konsequenzen abzuleiten. Im Bereich der Jugendarbeit ist Vernetzung mit der Schule und die Schulseelsorge ein Thema. Außerdem bin ich Mitglied im Sonderausschuss „Musik“, der zur Vorbereitung einer Schwerpunkttagung der Landessynode zum Thema „Musik in der Kirche“ im nächsten Jahr eingesetzt wurde.

Welche Wünsche und Visionen hast du im Blick auf die nächsten Jahre? Nicht nur in innerkirchlichen Kreisen ist die ‚Sinus Milieu Studie’ zurzeit in aller Munde. Eines der Ergebnisse daraus

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Bleibt für dich Zeit, neben deinem Beruf und deinem Engagement in der Synode, dich ehrenamtlich in der Gemeinde einzubringen? Natürlich bin ich durch das Amt in der Landessynode schon gut beschäftigt. Aber es macht mir Spaß, mich auf ganz unterschiedliche Weise musikalisch in der Gemeinde einzubringen. Ich leite einen Posaunenchor, übernehme Orgeldienste und spiele ab und zu Klavier in einer Lobpreisband. Im Sommer leite ich zusammen mit meiner Frau Bernike eine Familienfreizeit in unserem Bezirksjugendwerk.

Herzlichen Dank für das Gespräch. Ich danke dir für dein Engagement und wünsche dir Gottes Segen.

Matthias Böhler ist Synodaler von Kirche für morgen im Wahlbezirk Besigheim/Brackenheim und lebt mit seiner Familie in Bönnigheim-Hofen.


Aktuelle Bücher von Johannes Stockmayer: Wann, wenn nicht wir Warum es an der Zeit ist mit dem Bau der Arche Noah zu beginnen. Verschlafene Gemeinden oder aufgewecktes Christsein Eine kritische Analyse Concepcion Seidel EUR 16,95

Leinen los! Wie das Schiff Gemeinde wieder in Fahrt kommt. Gemeindearbeit beginnt mit dem eigenen Herzen und endet an der Tür zu Gottes Ewigkeit Francke Verlag EUR12,95 Zu erhalten in jeder Buchhandlung oder bei Johannes Stockmayer Gemeinderberatung Leberbachstr. 7, 72555 Metzingen Tel.: 07123-61129, E-Mail: onesimus@t-online.de www.onesimus-dienste.de

Impressum Der Zitronenfalter wird herausgegeben von Kirche für morgen e.V., Am Auchtberg 1, 72202 Nagold Fon: 0700-36693669 Fax: 0721-151398429 info@kirchefuermorgen.de www.kirchefuermorgen.de Erscheinungsweise 3 x jährlich. Bestellung (auch weitere Exemplare) bei der Geschäftsstelle. Die Zusendung ist kostenlos. Bankverbindung EKK Stuttgart, BLZ 520 604 10, Konto 419 435 Wir danken allen, die durch ihre Spende die kostenlose Weitergabe des Zitronenfalters ermöglichen. Redaktionsteam Marc Stippich, Grunbach (sti) (ViSdP), Claudia Bieneck, Malmsheim (cb), Pina Gräber-Haag, Gronau (pg), Markus Haag, Gronau (mh), Tabea Hieber, Markgröningen (th), Thomas Hofmann-Dieterich, Haigerloch (thd), Cornelia Kohler, Ostfildern (ck) Werner Lindner, Winnenden (wl), Johannes Stahl, Eschenbach (js), Karlfriedrich Schaller, Tübingen (kfs). Layout: AlberDESIGN, Filderstadt Druck: Druck + Medien Zipperlen GmbH, Dornstadt Versand: Tobias und Magdalene Zipperlen, Weissach Redaktionsadresse: redaktion@kirchefuermorgen.de und über die Geschäftsstelle Anzeigenpreisliste: lindner-service@gmx.de FAX: 07195-979759 Bildnachweis Titel: © A.Fischer, fotolia.com

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Einzelne, Paare, Jugendliche, Familien die in Lebenskrisen geraten sind die unter Stress, Angst, Depressionen oder anderen Belastungen leiden die Neuorientierung suchen, vielleicht auch in ihrer Gottes-Beziehung

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Zu guter Letzt

Buchtipp: Klaus Eickhoff, Harmlos-KraftlosZiellos: Die Krise der Predigt und wie wir sie überwinden, SCM R. Brockhaus, 2009.

kabarett

Ein Brief, der (noch) nie geschrieben wurde

Das Tübinger Kirchenkabarett „Die Jakobiner“ nimmt regelmäßig kirchliche Eigenheiten auf’s Korn. So auch die Pfarrerzentriertheit, die in vielen Köpfen herrscht, wie nebenstehendes Lied zeigt. Ein Fernsehspot zu den „Jakobinern“ findet sich unter http://tiny.cc/ jakobiner.

Der Pfarrer wird‘s schon richten Das hier ist die Geschichte von einem braven Mann, auf den gar stets Verlass ist und der auch alles kann. Wenn einmal im Gemeindehaus die Wasserleitung leckt, wenn unsre Kirche bis zum Hals in Schwierigkeiten steckt: Dann heißt es Pfarrer vor, da rufen sie im Chor: Refrain: Der Pfarrer wird‘s schon richten, der Pfarrer hat‘s im Blut, der Pfarrer der kann alles, nur der Pfarrer macht es gut. der Pfarrer wird‘s schon richten, wir haben ja zum Glück den guten alten Pfarrer - unser bestes Stück. Ist d’Kirche neu zu bauen, so muss der Pfarrer ran. Er ist der Bauexperte, der alles richten kann. Und wenn ein Jubilar will Gratulanten zu dem Feste, so ist dabei nur einer hier der Allerbeste. Nur er kann es allein, es muss der Pfarrer sein! Refrain Es gibt in unsrer Kirche gar viel zu tun auch viele Ehrenamtliche, die sollen nicht ruh’n. Man braucht sie bei den Festen und Kreisen hier und dort. Doch einer kann im Gottesdienst nur lehren uns das Wort, denn das ist seine Pflicht.

Liebes Gemeindeglied! Unsere Kirchengemeinde steht vor einer tiefgreifenden Reform. Es hat sich gezeigt, dass bei 2150 Seelen eine seelsorgerliche Betreuung durch nur einen Pfarrer nicht gewährleistet werden kann. Deshalb hat der Kirchengemeinderat folgende Maßnahmen eingeleitet: Je ein Kleinbezirk unserer Kirchengemeinde ist einer offiziellen Hausgemeinde zugeordnet. Diese Hausgemeinden werden von öffentlich berufenen Ältesten geleitet. Sie sind berechtigt, Gottes Wort zu predigen, Hausgottesdienste incl. Abendmahl zu leiten und Amtshandlungen vorzunehmen. Sie werden im engen Kontakt mit dem Pfarramt unterrichten, taufen, konfirmieren, trauen und beerdigen. Wenn Sie also eine Amtshandlung wünschen, wenden Sie sich bitte an die für Sie zuständige Hausgemeinde. Diese wird dem Pfarramt die vollzogene Amtshandlung melden, damit sie ordnungsgemäß ins Kirchenbuch eingetragen wird. Sie können auch eine andere Hausgemeinde wählen, die Ihnen aus anderen als örtlichen Gründen näher liegt. Sie werden sich fragen: „Was tut denn unser Pfarrer nun noch den ganzen Tag?“ Die Predigt im Sonntags-Gottesdienst obliegt mir weiterhin. Endlich finde ich genügend Zeit und Stille zur Vorbereitung. Daneben werde ich mich vor allem um die Schulung und Begleitung der Ältesten kümmern. Wir sind gewiss, dass Sie bald erfahren, wie viel wirksamer wir nun einzelnen Familien und Personen zur Verfügung stehen können. Herzlich grüßt Sie – auch im Namen aller Ältesten Ihr Pfarrer ........ (nach einer Idee von Klaus Eickhoff)

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