Zitronenfalter 1.2008

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1.2008

Was Kirche f체r morgen heute bewegt

Zitronenfalter

Wachsen lassen

Professoren im Interview Fulbert Steffensky und Michael Herbst 체ber Wachsende Kirche

April, April! Neue Erfahrungen stellen bisherige Gemeindeentwicklungskonzepte auf den Kopf

Kfm in der Synode Sieben Zitronen gehen mit Schwung und zitronenfrischen Antr채gen an die Arbeit


Rubrikg Editorial und Inhaltsverzeichnis

Liebe Leserinnen und Leser, wachsen lassen Da sprießt es in einem Acker nur so es wächst und wächst, dass es eine wahre Freude ist. Doch halt: Da meinen die Experten in Sachen Wildwuchs zu erkennen, da wächst ja auch Unkraut! Also muss man alle Kräfte mobilisieren, um dem Unkraut zu Leibe zu rücken. Doch was fordert Jesus? Lasst beides miteinander wachsen, damit ihr nicht zugleich den Weizen mitausrauft, wenn ihr das Unkraut ausjätet. (Mt.13) Jesus fordert uns auf, nicht aus Angst vor Unkraut dem wachsenden Weizen des aufkeimenden Reiches Gottes keine Chance zu lassen. Das ist eine ungeheure Zumutung Jesu an alle Experten in Sachen Unkraut in unserer Kirche: Lasst beides miteinander wachsen . Keiner will Unkraut, aber Jesus meint: Uns allen fällt die Entscheidung, was wirklich Unkraut und was gute Frucht ist, so schwer, dass wir lieber beides wachsen lassen sollen. Dazu gehört eine gute Portion Gottvertrauen und die Gelassenheit, dass Gott selbst für seine Kirche sorgen wird. Und manchmal gehört auch die Bereitschaft dazu, Altes sterben zu lassen. Oft tragen in unserer Kirche die Strukturen dazu bei, dass Altes nicht sterben darf und so auch Neues nicht wachsen kann. Aber genau das fordert Jesus und wir tun gut daran, uns in den Kirchengemeinden und Synoden darauf einzulassen. Wie viele gute Ideen und Initiativen werden in den Gemeinden vor Ort im Keim erstickt, weil man das Unkraut verhindern will? Wie viele Hochmotivierte werden so in unserer Kirche demotiviert? Wie vieles ist in unseren Gemeinden unnatürlich geworden und dadurch wachstumshemmend? Kirche für morgen will bewirken, dass sich Strukturen und Personen dafür gewinnen lassen, das Risiko von Unkraut bewusst in Kauf zu nehmen, um dem neuen jungen Weizen auch eine Chance zu geben. Das schlägt sich auch in den Initiativen unserer sieben Synodalen in der württembergischen Landessynode nieder: Ein Beirat für Gemeindegründungen, eine Akademie zur Weiterbildung für Ehrenamtliche, Jugendsynodale und ein geändertes Pfarrerwahlrecht sind Ideen und Initiativen, die Wachstum in die Tiefe und in die Weite ermöglichen wollen. Ich hoffe, dass dieser Zitronenfalter auch einen Beitrag zum Wachstum leistet auch bei Ihnen vor Ort und in unserer Kirche. Ihr Friedemann Stöffler

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Heftthema: Wachsen lassen Wachstum geschieht anders Cluster Schlüssel zur Gemeindeentwicklung? Intensiver leben, deutlicher reden Fulbert Steffensky im Gespräch

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kfm in der Landessynode Zitronen in Aktion Gelb färbt die Synode frischer!

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Bausteine Mein Traum von Kirche

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Emmaus Langer Weg mit langem Atem

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April, April! Gemeinde(wachstum) steht Kopf

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Gemeindeporträt Überfüllte Kirche motivierte Ehrenamtliche

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Zitronenspritzer Zu guter Letzt

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Impressum

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Das Thema des Heftes entstand im Vorfeld des Kongresses Wachsende Kirche , der am 11. / 12. April 2008 in Stuttgart stattfindet. Zahlreiche Infos finden sich unter www.wachsendekirche.de. Wesentliche Ergebnisse der Veranstaltung erscheinen in einer Buchreihe im Hänssler-Verlag, außerdem ist die Veröffentlichung von CDs und DVDs geplant.

Die Homepage im neuen Gewand Pünktlich zur heißen Wahlkampfphase ist die Homepage in ein neues Gewand gekleidet ins Netz gekommen. Hier findet man viele Infos zu den Anliegen von Kirche für morgen e. V., Stellungnahmen zu verschiedenen Themenbereichen, Downloadangebote, aktuelle und ältere Zitronenspritzer, den Zitronenfalter online und die älteren Zitronenfalter -Ausgaben im pdf-Format. Klick dich mal rein J!


WachsenRubrgik lassen

Wachstum geschieht anders Weder radikale Therapie noch Gemeindekosmetik In den letzten 10 Jahren haben 55.000 Gemeinden aus über 70 Ländern ein Gemeindeprofil beim Institut für natürliche Gemeindeentwicklung (NGE) erhoben. Zeit für eine systematische Auswertung: Was bringt NGE? Wie geschieht Wachstum wirklich? Christoph Schalk schildert einige Erkenntnisse. Als die natürliche Gemeindeentwicklung vor zehn Jahren in den USA startete, war ich an der Ausbildung der ersten NGE-Berater beteiligt. Ich erinnere mich an einen Abend mit Dave Wetzler, unserem nationalen NGE-Partner. Bei einem gemeinsamen Abendessen fragte ich ihn, ob er schon irgendein Feedback bekommen hätte von den ersten Gemeinden, die NGE eingesetzt hatten. Er antwortete: Nicht viel, aber es gab eine negative Rückmeldung. Worum ging es? fragte ich. Dave antwortete: Eine Gemeinde beschwerte sich über das 20-seitige Minimumfaktor-Manual. Sie hatten eine schnelle Problemlösung erwartet nicht aber ein ganzes Buch , das gelesen werden musste . Während des internationalen NGEGipfels im Oktober 2004 in Südafrika hatte ich die Möglichkeit, mit vielen unserer nationalen NGE-Partner zu sprechen. Von einigen hörte ich ähnliche Aussagen, beispielsweise: Es gibt Gemeinden, die meinen, NGE funktioniere nicht, weil sie nach 4 Monaten noch keine Ergebnisse sehen .

Kraft der inneren Motivation verloren haben.

Wo sehen wir kosmetische Ansätze in der Gemeinde? Überall. An dieser Stelle wollen wir nicht über andere Bewegungen oder Modelle stöhnen kosmetische Gemeindeansätze finden wir auch in Verbindung mit der NGE. Diese liegen nicht im Ansatz der NGE begründet, sondern in der falschen Anwendung. Das begegnet mir sehr häufig. Lassen Sie mich einige Beispiele anführen: • Aktionismus: Dinge ohne tiefere Analyse tun (z. B. keine Fokusgruppen, die nach dem Einsatz des Fragebogens die Ursachen für den Minimumfaktor erforschen, stattdessen sofortige Aktionsplanung ). Handeln, ohne das Prinzip der Vernetzung zu berücksichtigen,

Wir haben ein Problem mit der Mc Donaldisierung unserer Kultur

Menschen mögen kosmetische Ansätze warum? Es gibt in der Tat ein Problem mit der Ich will es jetzt sofort -Mentalität in unserer Gesellschaft. Manche nennen diese Einstellung die McDonaldisierung unserer Kultur, die wir oft auch in unseren Gemeinden vorfinden. Menschen bevorzugen Fernsehprogramme und Zeitschriften mit z. B.: Einsatz der 3 Farben Deiner den neuesten und schnellsten Tipps Gaben ohne Nachgespräche und und Trends statt Bücher und ausGabenberatung. Es entsteht Motiführliche Analysen. Einer der Grünvation, die aber bald in Frustratide ist Verzweiflung; die Menschen on umschlägt, weil die Menschen brauchen Hilfe, Unterstützung und keinen Platz finden, um ihre GaLösungen aber sofort! Sie brauchen ben einzusetzen. sie jetzt! Der Alltag ist so hektisch; Keine zeitliche Planung für die Arda bleibt keine Zeit, langfristig zu beit am NGE-Kreislauf. denken. Kein Coaching oder den Einsatz Ein zweiter Grund: Menschen sufremder Hilfe, wenn man auf ein chen nach äußerer Motivation (KonHindernis stößt. gresse, Modelle etc.), weil sie die Keine Verpflichtung zur Wiederho-

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lung von Gemeindeprofilen, um Fortschritte zu überprüfen.

Menschen suchen nach äußerer Motivation, weil sie die Kraft der inneren Motivation verloren haben

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ma des Landwirts, oder sogar noch mehr: ein Förster-Paradigma anstatt schnelle Rezepte. Was bedeutet radikal ? Die Kirche ist ein lebender OrgaIst es radikal, wenn Sie NGE nismus und alles darin ist langfristig, in Ihrer Gemeinde mit 10 Vollzeitkontinuierlich und biotisch. kräften umsetzen und immer noch 1. Langfristig: Sie werden Früchte denken, es gehe zu langsam voran? nach 1-3 Jahren sehen, nicht nach 1Ist Schnelligkeit ein Indikator für 3 Wochen. Unsere Forschung zeigt, Radikalität? Nein! Radikale Therapie dass es im Durchschnitt eine 51% beginnt mit einer radikalen Veränhöhere Wachstumsrate nach 31 Moderung unserer Paradigmen und naten NGE-Umsetzung gibt (in andeunseres Denkens über das Wesen der ren Worten: Wuchs Ihre Gemeinde Gemeinde. in der Vergangenheit jedes Jahr um NGE ist nicht immer ein schnel10, wächst sie nun um 15 Menschen ler Prozess, manchmal ist er sogar pro Jahr). In einzelnen Denominatisehr langsam aber er ist auf jeden onen, mit denen wir LangzeitstudiFall langfristig. NGE ist kein schnelen durchführten, nahm das durchles Rezept, kein Krisenmanagement, schnittliche jährliche Wachstum sondern Gemeindeentwicklung. sogar um 365% innerhalb von 4 Radikal heißt nicht: alles sofort Jahren zu! verändern, die Kirche auf den Kopf 2. Kontinuierlich: Sehen Sie NGE stellen. Es heißt: Ihr Denken über nicht als einmaliges Ereignis, sondas Wesen der Gemeinde auf den dern durchlaufen Sie einen Kreislauf Kopf zu stellen. nach dem anderen, indem Sie jedes Mal das Gemeindeprofil durchführen. Ein Kreislauf ist nicht abgeschlossen, Wir brauchen ein Förster-Parabevor das nächste Gemeindeprofil digma erhoben wurde. Jesus benutzte eine Menge Bilder 3. Biotisches Denken ist notwenund Geschichten aus der Natur, um dig: Die Anwendung der biotischen das Reich Gottes zu beschreiben. Prinzipien (oder Wachstumskräfte , Ich glaube, wir brauchen die gleiche wie wir sie jetzt nennen) ist die eiDenkweise: Eine Pflanze braucht Zeit gentliche Herausforderung, wenn Sie zum Wachsen, bevor man die Frucht NGE umsetzen. sieht. Wir brauchen das ParadigWas sind die Konsequenzen?


1. Biotisches Denken: Beginnen Sie mit Vernetzung Obwohl die biotischen Prinzipien den Kern der NGE bilden, finden es viele Gemeinden und Leiter schwierig, sich mit diesen abstrakten Prinzipien anzufreunden. Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass es hilfreich ist, mit dem Prinzip der Vernetzung anzufangen, um die anderen Prinzipien mehr und mehr zu verstehen. Die anderen fünf biotischen Prinzipien enthalten ebenfalls Aspekte der Vernetzung. NGE ist kein Programm, sondern ein Weg, Gemeinde zu leiten und Gemeinde zu leben. Darum sind diese Fragen Schlüsselfragen egal, um wie viele NGE-bezogene Aktivitäten es sich auch handelt.

2. Bleiben Sie im NGE-Kreislauf NGE ist keine schnelle Lösung, kein Krisenmanagement, kein einmaliges Ereignis, kein (zeitlich begrenztes) Projekt. NGE ist, wie schon gesagt, ein Weg, Gemeinde zu gestalten. Es ist nicht sehr sinnvoll, einmal durch den NGE-Kreislauf zu gehen, zu sagen wir haben NGE durchgeführt und dann aufzuhören. NGE ist ein nie endender Prozess des Leitens und Entwickelns Ihrer Gemeinde auf einer gesunden Grundlage.

3. Nehmen Sie Coaching in Anspruch Wussten Sie, dass das Wort Coach ursprünglich nicht aus dem Englischen kommt? Es stammt vom ungarischen Wort kocsi und bedeutet Kutsche oder Bus. Im Jahr 1556 wurde es zum ersten Mal in England gebraucht. Was ist denn nun ein Coach? Ein Fahrzeug, das Sie zum Ziel bringt. Es bringt Sie von A nach B. Ein Coach und jetzt meine ich nicht den Bus, sondern den Berater ist eine Person, die Ihnen hilft, von A nach B zu kommen. Er oder sie hilft Ihnen, Ihr Ziel zu erreichen. NGE-Berater helfen Gemeinden, ihre Ziele zu erreichen. Sie tragen zur Verbesserung der Qualität bei, indem sie immer wieder durch den NGE-Kreislauf führen. Weltweit sehen wir einen beträchtlichen Unterschied zwischen Gemeinden, die einen Berater haben (oder

ein Netzwerk, das sie in ähnlicher Weise unterstützt) und Gemeinden ohne Berater. Während die erste Gruppe in 90% der Fälle Erfolg hat, verbessert die zweite Gruppe ihre Qualität nur in 40-50% aller Fälle. Christoph Schalk ist DiplomPsychologe und leitet zusammen mit Christian A. Schwarz das Institut für natürliche Gemeindeentwicklung International. SDort ist er für die Bereiche Training & Coaching sowie Forschung und für die Ausbildung der nationalen Partner der NGE und ihrer Beraternetzwerke in 70 Ländern zuständig. Näheres unter www.nge-deutschland.de.

Warum wir NGE praktizieren Seit einem Jahr bin ich als Pfarrer zur Anstellung für zwei Gemeinden zuständig. Nach einer Zeit des Kennenlernens und Wahrnehmens stellte sich die Frage: Wo fangen wir jetzt gemeinsam an, unsere Gemeinden zu entwickeln? Wo setzen wir Schwerpunkte? Folgen wir dem Pauschalrat des neuen Plans für die kirchliche Arbeit unserer Landeskirche? Dann sollten wir wie alle anderen den Gottesdienst als Baustein bearbeiten. Was aber, wenn der Gottesdienst gar nicht der Bereich ist, der zum jetzigen Zeitpunkt ein Bearbeiten nötig hat? Vielleicht liegt der strategische Punkt, an dem wir ansetzen sollten, ganz woanders? Bei den Mitarbeitern? Oder bei den Strukturen? Um das herauszufinden, haben wir uns ein Gemeindeprofil erstellen lassen. 30 Mitarbeitende unserer Gemeinde füllten einen Fragebogen des Instituts für natürliche Gemeindeentwicklung aus. Nach kurzer Zeit hatten wir es schwarz auf weiß vor Augen: die Stärken und die Schwächen unserer Gemeinde. Das Gemeindeprofil zeigt uns glasklar unseren Minimumfaktor also das Qualitätsmerkmal, das bei uns am wenigsten stark entwickelt ist. Hier setzen wir an und formulieren konkrete, qualitative Ziele für das nächste Jahr. So wird Gemeindeentwicklung konkret.

Die Kirche ist ein lebender Organismus. Alles darin ist biotisch

Markus Haag, Gemeindepfarrer in Gronau und Prevorst, war früher Berater für natürliche Gemeindeentwicklung.

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wachsen lassen

Cluster – Schlüssel zur Gemeindeentwicklung? Welche Impulse von geistlichen Großgruppen ausgehen und wie sie für organisches Wachstum einer Gemeinde sorgen, beschreibt Reinhold Krebs.

Vorstellungen von Gemeinde verflüssigen und neue Sozialformen von Gemeinde praktizieren

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Hauskreise als Kleingruppen und Gottesdienst-Veranstaltungen sind uns vertraut. Aber geistliche Großgruppen von 20-60 Personen als ein zentrales Element für eine dynamische, missionarische Gemeinde-Entwicklung solche Gedanken lösen bei deutschen Christen noch Stirnrunzeln aus. In England und Skandinavien aber werden solche Großgruppen (auch Cluster oder Midsize missional communities ) zu Schlüsselfaktoren dynamischer Gemeindeentwicklung. Im Kern ist dies eine Wiederentdeckung urchristlicher Gemeindepraxis. Die Gemeinden, an die Paulus schreibt, waren weder Hauskreise noch Ortsgemeinden. Sie versammelten sich in größeren Häusern und einer Gruppengröße von 20-40 Personen (Peter Stuhlmacher Der Brief an Philemon , Zürich 1975, S. 70ff.). So bestand zum Beispiel die Gemeinde in Rom , die wir uns entsprechend heutiger Ortsgemeinden vorstellen, vermutlich aus mindestens sieben Hausgemeinden, wie die Grußliste in Römer 16 nahelegt (P. Lampe Die stadtrömischen Christen , Tübingen 1987, S. 302).

kopieren. Aber sie auszublenden ist ebenso fatal. Vielleicht helfen geistliche Großgruppen heute dabei, etwas von der sozialen und geistlichen Dynamik der ersten Gemeinden wieder zu gewinnen.

Wie könnte das aussehen?

Sie treffen sich unter der Woche einmal monatlich, können aber auch drei Mal monatlich am Sonntag zusammenkommen. Der GemeindeGottesdienst wird dann zum großen Dach über diesen vitalen Gemeinschaften. Sie treffen sich in großen Wohnungen, der Schulaula oder einer Sportgaststätte, im Freien oder im Jugendcafé zu Beginn vielleicht auch im Gemeindehaus. Essen, Austausch, geistlicher Input, Gebet und Musik sind Teil dieser Großgruppen. Vor allem aber verkörpern sie geistliche Gastfreundschaft. Im Miteinander finden die Gaben Einzelner den idealen Raum zur Entfaltung. Neue, denen ein Hauskreis zu intim, denen eine Von-vorne-Veranstaltung zu unpersönlich ist, finden in den Clustern ein Treffen, das mehr einem Fest oder einer Party gleicht. Gemeinsames Essen, ungezwungeGemeindeverständnis biblisch nes Dazustoßen, viel Reden für verflüssigen Neue ist es eine hervorragende MögWir müssen also unsere Vorstellichkeit reinzufinden . lungen von Gemeinde biblisch Entscheidend ist die Vision und verflüssigen und neue SozialforMission des Clusters. Leitfrage ist: men von Gemeinde praktizieren. In welchem Segment, bei welcher Ähnliches gilt für den Gottesdienst. Zielgruppe wollen wir Reich Gottes Was wir hier praktizieren hat viel mit sehen? Das Missionsgebiet kann alttestamentlichen Wallfahrts-Gottes- eine Schule sein oder Alleinerziehendiensten im Tempel gemeinsam: ein de, ein Stadtteil oder die FußballAltar, Von-vorne-Programm, verantfans oder joggende Mitbürgerinnen. wortet von Profis. Die Treffen der Cluster-Gruppen helfen dann Taten ersten Christen, wie sie sich z.B. in der Liebe für diese Zielgruppen zu 1.Korinther 11-14 spiegeln, hatten initiieren und Gemeinde Jesu Christi einen anderen Charakter. Hier gab es in diese Lebenswelt hinein zu buchEssen, viel Interaktion und Kommustabieren. Sie entwickeln sich also nikation und eine ehrenamtliche Lei- in unterschiedlichen Kulturen ganz tung. Das Herrenmahl wurde gefeiert, verschieden, sind aber immer von Christus verkündigt, Charismen aus- drei Dimensionen geprägt: intensive gelebt. Jeder hat was beizutragen Gemeinschaft (IN), lebendige Gottesschreibt Paulus in 1.Kor 14,26. begegnung (UP) und relevante MissiNatürlich können wir nicht uron nach außen (OUT). christliche Gemeindepraxis in einem historischen Kurzschluss einfach


Sieben gute Gründe für Cluster 1. Gemeinde neu denken Cluster helfen, urchristliche Gemeindedynamik wieder neu zu entdecken und unser von der Parochie geprägtes Gemeindedenken zu erweitern.

2. Das Missing Link

allen Richtungen entwickelt und ehrenamtlich Verantwortung für diese überschaubare, aber sehr lebendige Form von Gemeinde übernommen.

7. Netzwerk statt Top-Down

Geistliche Großgruppen dezent zwischen Kleingruppe (cell) und ralisieren Gemeinde und eine hochVon-Vorne-Gottesdienst (celebration). moderne Netzwerk-Struktur kann sich entwickeln, die weit besser zur post3. Missionarische Dynamik modernen Gesellschaft passt als eine Cluster haben eine Art Vereinszentrale Top-Down-Organisation. Dynamik sie sind klein genug, damit alle eine Vision teilen und groß Quellen: Mike Breen, Bob genug, diese dann auch umzusetzen. Hopkins Clusters . Als

4. Integration von Außenstehenden Bei einem Geburtstagsfest lernt man neue Leute kennen die soziale Dynamik von Großgruppen macht sie leicht zugänglich für bisher Distanzierte.

5. Gemeinde lebensweltbezogen Gleichzeitig sind Cluster Gemeinde-Satelliten in einer Lebenswelt, einem Segment unserer vielschichtigen Gesellschaft. Sie verkörpern so etwas wie fresh expressions of church gerade für Entkirchlichte.

6. Ehrenamtliche Gemeindeentwicklung Neue Gestaltungsräume für geistliche Unternehmer-Typen entstehen hier. In Clustern werden Gaben in

Download erhältlich unter www.3dministries.com. Reinhold Krebs, Landesreferent im ejw, hat über seine Kontakte zu St. ThomasCrookes in Sheffield die Arbeit mit Clustern in Theorie und Praxis kennen gelernt.

Einführung in Cluster mit Bob & Mary Hopkins (ACPI / GB)

Großgruppen verkörpern geistliche Gastfreundschaft

Do, 10.4.08, 19 bis 21.30 Uhr, Gemeindehaus der Martinsgemeinde Nordbahnhofstr. 58, StuttgartNord. Referat, Gesprächsgruppen, Plenumsdiskussion, Materialien Weitere Cluster-Seminare sind geplant. Bei Interesse eine Mail an reinhold.krebs@ejwue.de senden.

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wachsen lassen

Intensiver leben, deutlicher reden Marc Stippich befragte Fulbert Steffensky, emeritierter Professor für Religionspädagogik aus Hamburg und Redner beim Kongress Wachsende Kirche zum Thema Wachstumsfaktoren für die Kirche .

Kirche ist Zelt, nicht Burg dazu gehört Abbruch und Neuaufbau

Herr Prof. Steffensky, die Kirche soll wachsen gegen den Trend obwohl Mitglieder und Finanzen kontinuierlich abnehmen? Nein, die Kirche wird quantitativ gesehen nicht wachsen. Sie wird weniger Mitglieder, weniger Geld und weniger Gebäude haben. Es gibt Expansionsvorstellungen, die uns auf Dauer nur enttäuschen werden. Und ich weiß auch nicht, ob sie besonders christlich sind. Wir werden nur gesund, wenn wir uns der Trauer des Abschieds stellen: des Abschieds von einer Großkirche, die alle birgt und in die alle gehören. Wenn die Zukunft wesentlichen Strukturen der Kirche ein Ende bereitet, muss man dies dann nicht mit aller Energie aufhalten? Oder können wir einer dezimierten Kirche auch Positives abgewinnen? Es ist eine Vergeudung von Kraft, die Dezimierung der Kirche zu verhindern und mit Gewalt alte Strukturen behalten zu wollen. Das Evangelium ist heilig, nicht die Strukturen einer Kirche. Die Kirche ist Zelt, nicht Burg. Zur Zeltexistenz gehört Abbruch und Neuaufbau. Kleiner werden kann auch bedeuten, intensiver und bewusster werden. Manche Entwicklungen in der Kirche der Nachkriegszeit sieht man zuneh-

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mend kritisch. Was müssen wir aufgeben für eine zukunftsfähige Kirche? Es ist leichter zu sagen, was die Kirche nicht aufgeben soll. Sie soll nicht aufhören, Gott zu loben. Damit betone ich die Wichtigkeit der Gottesdienste und des geistlichen Lebens der Gläubigen. Sie soll nicht aufhören, kritisches Korrektiv einer Gesellschaft zu sein. Damit betone ich die gesellschaftliche Wachheit der Kirche. Sie soll nicht aufgeben, sich vorrangig um die zu kümmern, die die Gesellschaft aufgegeben hat. Damit betone ich die diakonische Aufmerksamkeit der Kirche. Wenn sie diese wesentlichen Aufgaben gefunden hat, dann kann die Kirche das Tanzen auf allen Hochzeiten lassen. Dann braucht sie z. B. keine Weinseminare mehr und auch den Dialog mit dem Stein können andere pflegen. Das Gesicht kann man auch verlieren, indem man kein Thema auslässt, was gerade gängig ist. Wie hemmen wir das Wachstum der Kirche, und wie fördern wir es? Wir hemmen das Wachstum der Kirche, wenn wir sie behalten wollen, wie sie immer war wenn man ihre Gottesdienste haben will, wie sie immer waren, ihre Theologie, ihre Frömmigkeitsformen und ihre Rechtsstruktur. Wer genau leben, glauben und denken will, wie seine Väter und Mütter geglaubt und gedacht haben, lebt nicht im Geist seiner Väter und Mütter. Übrigens lebt auch der nicht im Geist seiner Väter und Mütter, der unter Neuheitszwängen steht und alles anders haben will, als die Alten es hatten. Wachstum heißt nicht mehr und größer werden , es heißt intensiver und deutlicher werden. Das Evangelium lieben lernen und diese Liebe nicht verbergen das ist die einzige Mission, die ich mir vorstellen kann. Fulbert Steffensky, ehemaliger Benediktinermönch und bis zu ihrem Tod verheiratet mit Dorothee Sölle, macht mit vielen Vorträgen und Buchveröffentlichungen zu spirituellen und kirchenpolitischen Themen auf sich aufmerksam. Weiterführendes zum obigen Artikel findet sich in einem Vortrag, veröffentlicht auf der Homepage der badischen Landeskirche (www.ekiba.de/glaubeakt_5254).


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03.03.2008 11:00:50 Uh

Impressum Der Zitronenfalter wird herausgegeben von Kirche für morgen e. V. Am Auchtberg 1, 72202 Nagold Fon 0700-36693669 Fax: 0721-151398429 info@kirchefuermorgen.de / www.kirchefuermorgen.de Erscheinungsweise 3 x jährlich. Bestellung (auch mehrerer Exemplare) bei der Geschäftsstelle. Die Zusendung ist kostenlos. Bankverbindung EKK Stuttgart, BLZ 600 606 06, Konto 419 435 Wir danken allen, die durch ihre Spende die kostenlose Weitergabe des Zitronenfalters ermöglichen. Redaktionsteam Marc Stippich, Grunbach (ms) (ViSdP), Martin Allmendinger, Denkendorf (ma), Claudia Bieneck, Renningen (cb), Pina Gräber-Haag, Gronau (pg), Markus Haag, Gronau (mh), Reinhold Krebs, Herrenberg (rk), Werner Lindner, Winnenden (wl), Katrin Müller, Leonberg (km), Johannes Stahl, Eschenbach (js) Layout: Lutz Eisele, Markgröningen Druck: Druck + Medien Zipperlen GmbH Versand: Tobias Zipperlen, Weissach Redaktionsadresse: redaktion@kirchefuermorgen.de und über die Geschäftsstelle Anzeigenpreisliste: lindner-service@gmx.de FAX: 07195-979759

Fotonachweis Titelbild (time2share), S. 7, 8, 17: www.photocase.de

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Kfm intern

Zitronen in Aktion – Gelb färbt die Synode frischer! 7 die biblische Zahl der Vollkommenheit! Sieben Synodale verspritzen nun ihren Zitronenduft in der Landessynode. Die Arbeit kann beginnen meint Kerstin Leuz, neu gewählte Synodale.

Die Wahl konnte kaum spannender sein

Es konnte kaum spannender sein am 11. November 2007: Bei der Wahlparty im Oberkirchenrat fanden sich neben unseren Vorsitzenden Friedemann Stöffler und Tabea Hieber nach und nach die Kandidaten und Kandidatinnen ein und verfolgten die Auszählung auf der Großleinwand. Markus Munzinger schaffte nach nochmaliger Überprüfung der Wählerstimmen und nach der Korrektur eines Zahlendrehers erneut den Sprung in die Synode. Kerstin Leuz konnte nach stundenlanger Rechenarbeit im Wahlvertrauensausschuss ihren Vorsprung von vier auf zehn Stimmen erhöhen. Wir lernten uns als Gesprächskreisteam kennen und

sind froh, mit Markus einen erfahrenen Synodalen an unserer Seite zu haben.

Sieben Zitronen gehen an die Arbeit Im Januar hat bereits eine erste vorbereitende Tagung in Bad Boll stattgefunden. Dort wurden Ausschussbesetzungen besprochen und Ämter verteilt. Der Nominierungsausschuss wird die benannten Personen als Wahlvorschläge einbringen. Neben der Arbeit fanden erste sympathische Begegnungen mit Synoda-

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len aus anderen Gesprächskreisen statt. Für alle neu Gewählten waren es viele Eindrücke.

Zitronenfrische Anträge Beim Klausurwochenende in Bad Urach besprachen wir in großer kfmRunde unsere Anliegen. Wir formulieren nun erste Anträge und stimmen sie mit der Geschäftsstelle und dem OKR ab. Im April 2008 findet in Stuttgart der Gemeindekongress Wachsende Kirche statt. Wir reichen eine förmliche Anfrage ein, wie es nach dem Kongress mit den gewonnenen Erkenntnissen weitergehen kann. Welche Impulse wurden aus dem Projekt Wachsende Kirche für die Weiterentwicklung von Qualifizierungsangeboten für ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewonnen? Wir denken dabei in Richtung einer Gemeindeakademie . Einen Antrag zur Einberufung eines Beirats zu Gemeindegründungen schließen wir an, ebenso die Forderung, Jugenddelegierte in die Landessynode zuzuwählen. Viele Beschlüsse der Synode betreffen die Interessen der nachfolgenden Generation, deshalb ist es unser Anliegen, dass sich junge Menschen im Alter von 18-26 Jahren zumindest beratend in die synodalen Entscheidungen einbringen können. Ein Antrag zur Gemeindegründung beschäftigt sich vor allem mit den Fragen: • Wie kann Kirche andere Milieus erreichen als die, welche sie bereits anspricht? • Welche Gemeindeformen können konkret gestärkt werden, um die Räume der Begegnung über die vorherrschenden gemeindlichen Milieus hinaus zu öffnen? • Wie sieht die finanzielle Förderung solcher neuer Gemeinden (Netzwerkgemeinden, Profilgemeinden) aus? • Welche rechtlichen Rahmenbedingungen können dafür geschaffen werden?


Kfm-intern Klassische Angebote müssen im Zuge dessen neu überdacht werden.

Erfrischender Sommerwind Zur Sommersynode oder später möchten wir uns zur musikalischen Ausbildung Ehrenamtlicher im Bereich Popularmusik und zur übereinstimmenden Vergütung von Posaunenchören, Bands und Organisten in Gottesdiensten äußern. Das Pfarrerwahlgesetz bedarf unserer Meinung nach einer Änderung hin zu mehr Mitspracherecht der Kirchengemeinden vor Ort. Unser Anliegen ist es, das bisherige Wahlverfahren durch ein neues echtes Wahlverfahren zu ersetzen. Die Überarbeitung des kfmFinanzkonzeptes, nach dem jeder gespendete Euro durch Kirchensteuermittel verdoppelt werden soll, ist in Arbeit. Der Antrag für die Erlaubnis zur Abendmahls-Ermächtigung auf Freizeiten und in Hauskreisen steht ebenfalls auf unserem Plan für die kommenden sechs Jahre. Bei all unseren Anträgen nehmen wir immer wieder Bezug auf das Impulspapier des Rates der EKD Kirche der Freiheit Perspektiven für die evangelische Kirche im 21. Jahrhundert . Die EKD-Schrift geht davon aus, dass die Gründung von Profil- und netzwerkorientierten Gemeinden anzustreben ist. Dort sind Ziele und

Fragestellungen formuliert, die unsere Landeskirche herausfordern. Diese sind für uns Argumentationsgrundlage und der Motor unserer Überlegungen.

Profil zeigen und Freunde finden Bei allen inhaltlichen Überlegungen sind taktische Entscheidungen und politisches Kalkül für die Synodenarbeit unerlässlich. Die Profile der einzelnen Synodalen, aber auch der Gesprächskreise bereichern das Geschäft. Die geistliche Vielfalt auch der Synode ist Schatz unserer Kirche. Ich freue mich auf die Arbeit mit den Zitronen und auf die neuen Bekanntschaften in der Synode. Meine persönliche Hoffnung ist, dass Synode trotz aller notwendigen Auseinandersetzungen immer noch als Gemeinschaft von Glaubenden erkennbar ist. Wir sind gemeinsam auf dem Weg, um die Liebe Jesu Christi in Tat und Wort Menschen nahe zu bringen. Um diese Arbeit gut zu meistern, können wir jede Art von Unterstützung gebrauchen: Im Gebet, durch Nachfragen, durch Informationsweiterleitung, durch Herstellung von Netzwerken und Kontakten zu Fachleuten. Dafür bedanken wir uns jetzt schon ganz herzlich! Kerstin Leuz, Oedheim, Diakonin / Bezirksjugendreferentin und Religionslehrerin, neu gewählte Synodale

Die Synodalen von Kirche für morgen: Markus Brenner, Reiner Klotz, Kerstin Leuz, Matthias Böhler, Angie Schwarz, Markus Munzinger, Martin Allmendinger

Die geistliche Vielfalt ist Schatz unserer Kirche


Bausteine

Ein Traum von Kirche Darüber sind sich fast alle einig: In unserer Kirche soll es wachsen und blühen! Was aber ist es , das da wachsen soll? Dazu gibt es unterschiedliche Träume. Vier Personen waren bereit, uns einen Einblick in ihre Träume zu geben. Claudia Bieneck hat mit ihnen gesprochen. Martina, hast du einen konkreten Traum von Kirche? Da gibt es durchaus ein paar Träume, wahrscheinlich mehr, als du ahnst! Ich finde z. B., dass in der Gemeinde jede und jeder akzeptiert werden sollte. Gerade die Menschen, die Glauben lernen möchten und nicht schon alles wissen, fühlen sich oft in

Du hast ja jahrelang einen Mutter-Kind-Kreis in der Gemeinde geleitet. Hast du dort dieses Miteinander erlebt? Die Kontakte zwischen den Müttern bestehen heute noch, obwohl unsere Kinder mindestens im Grundschulalter sind. Damals ist ein dichtes Netzwerk entstanden, ein Geben und Nehmen und oft blitzschnelles Handeln in familiären Notsituationen. Du kennst ja auch die SuperGAUs mit spuckenden Kindern, abwesenden Ehemännern und dringenden Terminen Klar, ich weiß nur zu gut, wovon du redest! Siehst du, und so stelle ich mir meine Kirche vor: Gelebtes Christsein im Alltag. Das ist einer meiner Träume. Matthias, in ein paar Wochen feierst du deine Konfirmation. Du hast sicher in der Vorbereitung auf diesen Tag deine Kirchengemeinde gut kennen gelernt. Gibt es dort

Martina Wößner, 46 Jahre, Ökotrophologin, Malmsheim

unseren Kreisen außen vor. Es darf nicht das Gefühl entstehen: Ich bin kein vollwertiger Christ. Du meinst, Gemeinde als Ort des Miteinanders Des Miteinanderlebens! Ja, mir ist es wichtig, dass die Menschen in ihrer jeweiligen Lebenssituation verstanden und akzeptiert werden. Dazu ist manchmal auch Nachfragen nötig, um den anderen zu verstehen, um zu begreifen, warum er das so macht und nicht anders. Ich möchte auch nicht gleich alles werten, so nach dem Motto: Das ist das Richtige und du liegst mit deiner Sicht gewaltig daneben!

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Matthias Mauz, 14 Jahre, Schüler, Plattenhardt

Dinge, die deiner Meinung nach wachsen müssten? Wovon träumst du?


Ich finde einen guten Jugendkreis wichtig, wo es nicht langweilig ist. Und ich mache gerne bei Aktionen mit. Vor allem, wenn uns Jüngeren etwas zugetraut wird und es nicht immer heißt: Das klappt ja doch nicht!

Es dürfen nicht einige Wenige vorschreiben, welche Formen in dieser Gemeinde die einzig richtigen sind. Glauben drückt sich doch sehr unterschiedlich aus.

Wie ist es mit Jugendgottesdiensten? Ja, die sollte es öfters geben. Von der Predigt am Sonntagmorgen verstehe ich oft vieles nicht. Da wünsche ich mir kurze, knackige Predigten im Jugendgottesdienst, die ich mir dann auch merken kann.

Du bist Mitarbeiterin beim Treffpunkt Familie und mit vielen Familien in Kontakt. Was träumst du noch? Ich wünsche mir einen Gottesdienst, in dem ich mich in meiner Lebenssituation abgeholt fühle. Die Predigt und die Liturgie müssen praktisch und verständlich sein und mit mir etwas zu tun haben. Das empfinde ich oft anders, und das ist dann sehr mühsam für mich, mich da einzuklinken. Hast du auch Träume für eure Kinder? Das sind im Grunde die gleichen. Ich wünsche mir für sie eine Gruppe, in der sie gerne sind, weil sie sich dort angenommen füh-

Magnus Bieneck, 15 Jahre, Schüler, Malmsheim

Magnus, du hattest vor einem Jahr Konfirmation und bist ungefähr seit dieser Zeit aktiv bei euch im Schülerbibelkreis. Verrate mir doch mal, wie deine Traumgemeinde aussehen müsste! Na ja, ich fände es gut, wenn auch unser Schülerbibelkreis als Gruppe akzeptiert würde. Das empfinde ich manchmal nicht so. Weil ihr euch nicht im Gemeindehaus trefft? Vielleicht oder weil wir ökumenisch sind. Egal in meiner Traumgemeinde gäbe es Predigten, die mit mir und meinem Leben etwas zu tun haben, so ganz praktisch. Ich würde mich auch über eine so richtig coole Kirchenband freuen, zum Mitmachen. Möglichst noch mit einem Proberaum im Gemeindehaus aber das wird wohl immer ein Traum bleiben! Birgit, was würde in deinem Traum von Kirche vorkommen? Gemeinde ist für mich zunächst ein Ort, an dem ich mich wohl fühle. Dorthin möchte ich kommen können, zunächst mal ohne Vorleistung. Ganz wichtig ist mir, dass ich meinen Glauben mir gemäß leben kann auch wenn andere das anders machen. Diese Akzeptanz und Freiheit muss wachsen, weil nur so die Menschen innerlich weiter kommen.

Birgit Eberhardt, 44 Jahre, Fachlehrerin, Malmsheim

len. Sie sollen Kirche und Glauben fröhlich erleben, nicht so eingeengt: Das darf man nicht, das tut man nicht ! Vielen Dank für das Gespräch. Claudia Bieneck, 46 Jahre, Religionslehrerin und Familienfrau, Malmsheim, träumt von einer Kirche, in der die Selbständigkeit der Glaubenden wachsen darf, gerade auch in der Unterschiedlichkeit der Glaubensformen.

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Emmaus – langer Weg mit langem Atem Glaubenskurse boomen. Das jüngste unter den bekanntesten Modellen beinhaltet mehr als nur einen Kurs. Marc Stippich hat Michael Herbst interviewt, Theologieprofessor in Greifswald, der das in England entwickelte Emmaus-Modell in Deutschland eingeführt hat. Prof. Herbst, zu den bisher bekannten Glaubenskursen gesellt sich seit einiger Zeit ein neues Konzept aus England, das Sie in Deutschland eingeführt haben. Das EmmausModell ist weniger ein Kurs als eine Gemeindestrategie. Worin besteht in dieser Hinsicht der Mehrwert zu den vorhandenen Modellen? Das Bild, das hinter dem Emmaus-Modell steht, ist ein langer Weg nicht nur ein langer Weg, den Menschen gehen, die nach dem Glauben fragen, sondern auch ein langer Weg, den wir mit unseren Gemeinden gehen. Der Emmausweg einer Gemeinde beginnt schon mit dem Nachdenken über Fragen wie • Mit welchen Menschen haben wir als Gemeinde Kontakt? • Für wen beten wir? • Wem dienen wir? • Wen wollen wir einladen? Dies ist die erste Phase des Gesamtkonzeptes, und sie braucht unter Umständen viel Zeit. Erst dann folgt ein Glaubenskurs, bei dem es weniger auf das Hören von Vorträgen ankommt als auf ein Entdecken im gemeinsamen Gespräch. Die Idee ist: Menschen treten eine geistliche Reise miteinander an. Und wenn der Glaubenskurs zu Ende ist, hört diese Reise weder für den Einzelnen noch für die Gemeinde auf. In der nun folgenden dritten Phase geht es um Wachstum im Glauben und die Themen des Basiskurses können noch über eine lange Zeit in Gruppen vertieft werden.

diesen gesellschaftlichen Trend kurzfristig umzukehren. Sollte eine missionarische Kirche nicht mehr denn je auf Großevangelisationen setzen? Große Veranstaltungen wie ProChrist oder JesusHouse bleiben sicher von Bedeutung. Das Evangelium wird dabei laut und öffentlich bezeugt, und man kann nicht darüber hinwegsehen, wie viele Menschen auch auf diese Weise für den Glauben an Jesus Christus gewonnen wurden. Was wir brauchen ist aber eine Vervielfältigung unserer Bemühungen, die zu gewinnen, die noch nicht glauben. Das beginnt mit persönlichen Kontakten, ganz konkret also mit der Sprachfähigkeit von Christen im Alltag. Es setzt sich fort in neuen missionarischen Arbeitsformen wie Glaubenskursen und neuen Gottesdiensten. Dabei ist sicher von entscheidender Bedeutung, dass Menschen ob in der Diakonie, in Bildungseinrichtungen, in seelsorgerlichen Zusammenhängen oder dort, wo Kirchenmusik gepflegt wird dass Christen Mut und Phantasie bekommen, einladend von Christus zu reden und andere so zu einem Anfang im Glauben ermutigt werden. Es braucht eine große Koalition der kleinen alltäglichen Kontakte mit den großen gemeindlichen und kirchlichen Evangelisationen.

Das Emmaus-Konzept wünscht sich eine gastfreundliche Gemeinde, die offen für alle ist. Man will sich viel Zeit lassen. Besteht In Zeiten, in denen die Kirche zahlenmäßig nicht die Gefahr, dass man so nie am Ziel zurückgeht, wünscht man sich Möglichkeiten, ankommt?

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Das ist in der Tat einer der Punkte, auf die John Finney (Bischof i.R. und Mitautor des englischen Emmaus-Kurses) immer wieder hinweist: Don´t miss the challenge! Verpasse nicht die Herausforderung , d.h. den Ruf über die Grenze des Unglaubens. Trotzdem glaube ich, dass die Wege zu Gott, die Menschen heute gehen, länger sind dass mehr Hindernisse zu überwinden sind, weniger Kenntnisse und Erfahrungen vorausgesetzt werden können und mehr Vertrauen aufgebaut werden muss. Wir sprechen von Prozessen, in denen Glaube Gestalt gewinnt, ohne andererseits zu missachten, dass es dabei Meilensteine geben kann, und dass irgendwann auf diesem Weg der Seitenwechsel von hüben nach drüben erfolgt. Es braucht aber seelsorgerliche Behutsamkeit, gemeinsam mit dem anderen Menschen zu fragen, wann es soweit ist, dem neu entstandenen Vertrauen zu Gott auch äußerlich Ausdruck zu verleihen. Die Emmaus-Gesprächsgruppen sollen sich in einen offenen Prozess hineingeben, in dem Menschen gemeinsam voneinander lernen. Auch hier ist die Frage, ob man bei zu großer Offenheit noch dort ankommen kann, wo man eigentlich hin möchte. Im Kern von Emmaus stehen die biblischen Geschichten. Ihnen Raum zu schaffen und sie zum Klingen zu bringen, ist das Hauptinteresse jeder einzelnen Einheit des Emmaus-Kurses. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass das nicht nur ein Leersatz ist, sondern dass sich dies auch wirklich ereignet: Die Selbstwirksamkeit der Schrift ereignet sich, wo wir gemeinsam auf das Wort der Schrift hören und es selbst zu uns sprechen lassen. Dies geschieht bei Emmaus. Und damit laden wir die Gäste nicht in einen Raum der Beliebigkeit ein, sondern sozusagen in das Haus der biblischen Texte. Gemeinde wachsen lassen oder Gemeinde aktiv bauen geht das eine ohne das andere?

Dass beides zusammengehört, legt die Frage ja schon nahe. Allerdings glaube ich, dass wir an unterschiedlichen Stellen unserer Biographie oder in unterschiedlichen gemeindlichen Situationen mal mehr das eine und mal mehr das andere neu lernen müssen. Manchmal ist es für uns wichtig, endlich die Kontrolle abzugeben und wie der Bauer, der ausgesät hat, auf das Wachsen der Saat zu warten. Und manchmal ist es für uns wichtig zu sehen, dass der Heilige Geist wie der Weinbergbesitzer in Matth. 20 über den Arbeitsmarkt geht, um aktive Mitstreiter zu suchen. Anders gesagt: Gemeindewachstum ist immer ein Geschenk, es ist nicht in unserer Verfügung. Aber es kann erbeten und herbeigesehnt werden. Und sehr häufig beteiligt uns Gott auf seine Weise am Wachstum der Gemeinde, indem wir durchaus etwas Neues wagen, seinen Verheißungen trauen und unsere Arbeit fleißig tun. Marc Stippich, Pfarrer in Grunbach, war Anfang de 90er Jahre bei verschiedenen Christ-werden-Glaubenskursen mit Michael Herbst dabei und arbeitet inzwischen begeistert mit dem Emmaus-Konzept.

EMMAUS Das Material Das Kursbuch 1 soll noch im Sommer 2008 in überarbeiteter Auflage im AussaatVerlag erscheinen. Daneben gibt es weiterhin die Kursbücher 2-5. Besonders empfehlenswert zur Orientierung: Das Handbuch mit der Konzeption des Emmaus-Kurses, das 2006 in 2. überarbeiteter Auflage erschienen ist (Emmaus, Auf dem Weg zum Glauben, Handbuch mit CD-ROM. Konzeption, Durchführung, Erfahrungen). Informationen unter www.emmauskurs.net. Einen Powerpoint-Vortrag von Prof. Herbst über die Grundlagen des Emmaus-Programms finden Sie unter www.kirchefuermorgen.de/zitronenfalter.

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April, April: Gemeinde(wachstum) steht Kopf Gemeinden, die missionarisch arbeiten und wachsen wollen, kommen nicht umhin, auch die Hauskreise zum Wachstum und zur Öffnung für Neue zu ermutigen. Doch wie macht man das? Der folgende Erfahrungsbericht von Anke Wiedekind aus der Evangelischen Andreasgemeinde in Niederhöchstadt stellt bisheriges Gemeindeaufbaudenken zur Multiplikation von Kleingruppen auf den Kopf.

Hilfe, nicht schon wieder wachsen...! , stöhnt die Gemeinde

Wie ermutigt man Hauskreise, sich für Neue zu öffnen? Indem man Zellteilung der Hauskreise propagiert, permanent Co-Leiter ausbildet, den Hauskreisen erklärt, dass eine wachsende Gemeinde nicht nur Hauskreise hat, sondern aus solchen besteht, und eine Lanze für all diejenigen bricht, die noch nicht in Hauskreisen untergebracht sind, aber es eigentlich sein sollten. So lautet zumindest der Rat der einschlägigen Gemeindeaufbaubücher. In der Praxis jedoch bedeutet dies, besonders dann, wenn man einander lieb gewonnen hat, einen tränenreichen Abschied voneinander. Hilfe, nicht schon wieder

wachsen...! , stöhnt die Gemeinde. Und selbst die missionarischsten Seelen unter den Hauskreisleitern versuchen, dem galant zu entgehen, indem sie lieber zwei Hauskreise leiten oder in ihrem Wohnzimmer anbauen, um alle 20 Hauskreismitglieder unterzubringen. Eigentlich ist das ein schönes Signal, oder? Was kann einer Gemeinde Besseres passieren als Hauskreise, in denen eine innige liebevolle Gemeinschaft herrscht? Das möchte man kaum auseinander reißen. Nur in Bezug auf das Wachstum ist man da als Gemeindeleitung in einem echten Dilemma.

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April, April! Wir haben bei uns in der Gemeinde jahrelang ein sehr dynamisches, aber offenes System zur Hauskreisvermehrung eingesetzt. Wir nennen es scherzhaft: April, April! Es besagt, dass unsere Hauskreise immer genau ein Jahr laufen: vom April bis zum April. Nach einem Jahr wird munter gewechselt: der Hauskreis, der Leiter, das Thema. Das Entscheidende dabei ist: Es besteht die Freiheit zum Wechseln, was Schwung und Energie in die Hauskreise bringt, jede Menge neuer Kontakte und ein Beziehungsnetz quer durch die Generationen wachsen lässt. Aber es besteht kein Zwang dazu. Wenn ein Kreis das möchte, darf er beieinander bleiben. Wer aber wechseln möchte, kann auch dies ohne Gesichtsverlust und lange Erklärungen tun. Um den Wechsel zu ermöglichen, stellen die Hauskreisleiter ähnlich wie bei einer Volkshochschule einmal jährlich ihren Hauskreis samt Thema, Zeitpunkt und Zielgruppe (Einsteiger, Fortgeschrittene) der Gemeinde vor und diese kann sich den neuen Kreisen zuordnen. Auf diese Weise wuchsen die ersten 25 unserer Hauskreise. Dann stagnierte das Wachstum der Kreise. Und wir fragten uns selbstkritisch: Waren wir zu lax geworden?

40 Tage Leben mit Vision In diese Zeit fiel die Idee, die 40 Tage - Kampagne Leben mit Vision durchzuführen. Von Anfang an überzeugte das Konzept der drei Säulen, sich sowohl im Gottesdienst als auch im Hauskreis und in der persönlichen Stillen Zeit mit ein und demselben Thema zu befassen und zwar als gesamte Gemeinde. Viele Menschen fanden in dieser Zeit den Weg in unsere Gemeinde, den Weg in Hauskreise, wurden


Freunde fürs Leben und Anhänger Jesu. Was ihnen dabei enorm half, war die Struktur der Aktion: Für sechs Wochen bzw. 40 Tage lässt man sich gern mal auf ein Experiment ein. Sowohl als Teilnehmer als auch als Leiter, denen die Arbeit zudem durch gut strukturiertes Material erleichtert wurde. Den Teilnehmern wurde die Teilnahme durch die Aussicht, dass sie nach sechs Wochen den Kreis wieder verlassen können, lieb gemacht. Eine Option, die die meisten nach Ablauf der Aktion gar nicht nutzen wollten. Denn: Es war ja sooooo schön!

bar als Gemeindeleitung aufgriffen und förderten.

Ein neues Paradigma

So hat uns die Erfahrung dieser zwei Kampagnen die Tür zu einem neuen Paradigma in der Hauskreisarbeit aufgeschlossen. Nicht Zellteilung heißt die Devise, vielleicht auch nicht mehr April-April, wobei wir diesem System sehr viel zu verdanken haben, sondern 40 Tage - Kampagnen. Sie multiplizieren die Kreise, sie heben den Wert der Hauskreisarbeit in einer Gemeinde enorm. Aus Saddleback, dem Geburtsort dieser Methode, wird berichtet, dass Expedition zum ICH die Beteiligung an Kleingruppen durch Der Erfolg der ersten 40-Tagediese Kampagnen von 30 % auf 110% Kampagne ermutigte uns als Gemein- gestiegen ist. Wissen Sie, was diese de nach zwei Jahren eine weitere Zahl bedeutet? Dass Kleingruppen zu anzuschließen: die Expedition zum einem running system werden. Dass ICH auf der Grundlage des gleichna- sie selbst Feuer fangen, missionarisch migen Buchs von Klaus Douglass und zu werden, Menschen einladen in die Fabian Vogt. Gemeinschaft der Kleingruppen hinein. Auch diese zweite Aktion belebDas ist Beziehungsevangelisation pur. te die Hauskreise wie keine andeUnd eine urgesunde Art, als Gemeinde re Maßnahme zuvor. Wir wuchsen miteinander zu wachsen. Hilfe, nicht kurzfristig an auf 49 Kreise, von schon wieder wachsen...! hören Sie denen 40 Kreise dauerhaft entschie- nicht mehr. Eher: Hilfe, die 40 Tage den zusammenzubleiben. Vor allen sind schon vorbei! Dingen aber brachte die Aktion Tiefe Anke Wiedekind ist hauptamtund geistliches Wachstum. Denn liche pastorale Mitarbeiterin 70% aller Kreise entschieden, die in der Evangelischen Andreasintensive und kurze Zeit in ihren Kreigemeinde in Niederhöchstadt sen nachzubearbeiten und aus der (www.andreasgemeinde.de) 40-Tage- eine 40-Wochen-Aktion zu und zuständig für Geschäftsführung, machen. Eine echte bottom-up -Ent- Coaching, Mentoring, Hauskreise und scheidung, die wir gerne und dankgeistliches Wachstum.

Beziehungsevangelisation pur

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Gemeindeporträt Endingen

Überfüllte Kirche – motivierte Ehrenamtliche Seit zwei Jahren gestaltet ein großes Team in Balingen-Endingen eine neue Form des Gottesdienstes. Hardy Burkhardt und Martin Mielke berichten von den Erfahrungen. Seit einiger Zeit hat die Evangelische Kirchengemeinde Balingen-Endingen ein Gemeindeleitbild: Wir wollen, dass Menschen Gott kennen lernen, von ganzem Herzen Jesus Christus nachfolgen, als Gemeinschaft im Glauben wachsen und für andere da sind. Bei der Frage nach der konkreten Umsetzung setzte sich im Kirchengemeinderat die Erkenntnis durch: Der Gottesdienst ist die Tür in die Gemeinde hinein. Es ist unsere Berufung, ein Ort für Suchende unserer Zeit zu sein, wo die beste Nachricht aller Zeiten in der heutigen Sprache weitergegeben wird. Inspiriert von zwei Willow Creek-Kongressen in Stuttgart und Gießen machten sich Anfang 2005 Pfarrer Karl-Hermann Gruhler und 30 Ehrenamtliche auf den Weg. Zuerst wurden Strukturen überlegt und Teams gebildet. Nach zehn Monaten Vorbereitung fiel im Februar 2006 der Startschuss für die neuen Gottesdienste. Die Uhrzeit, sonntags um halb zehn, ist traditionell. Der Rest weniger.

Überraschend kreativ und lebendig Eine Band sorgt für den richtigen Sound. Frischen Wind in den Gottesdienst bringt eine Theatergruppe mit witzigen, manchmal auch nachdenklichen Szenen. Kreativ und lebendig führen sie auf überraschende Art hin zu biblischen Aussagen. Im Mittelpunkt steht eindeutig die Predigt, die einen biblischen Text in Verbindung bringt mit einem Alltagsthema und so Antworten auf Lebensfragen gibt.

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Alle zwei Wochen finden diese neuen Gottesdienste statt, also rund 20 mal im Jahr, und zwar als Hauptgottesdienste, nicht als zweites Programm. Die Kirche ist meist überfüllt mit Menschen aller Altersgruppen. Parallel wird für Kinder das Abenteuerland angeboten, ein Kindergottesdienst-Konzept, das von Willow Creek inspiriert ist. Auch hier engagieren sich viele Ehrenamtliche. Sie begrüßen die Kinder, erklären ihnen die Spielstraße, bei der sie im ganzen Gemeindehaus spielen und sich austoben können. Dann wird im Plenum eine biblische Geschichte erzählt, die auch oft mit Anspielen verknüpft ist. Zum Schluss treffen sich die Kinder ihrem Alter entsprechend in Kleingruppen und vertiefen dort das Thema des Tages.

Wachstum finanzieren Das Abenteuerland wird wie die Jugend- und die Konfirmandenarbeit insgesamt von Gemeindereferent Michael Grieger geleitet. Seine Stelle wird vom Förderverein IMPULS finanziert, der bereits 1999 gegründet wurde. Der Verein unterstützt, so heißt es in der Satzung, den missionarischen Gemeindeaufbau . Dafür wurde ein Spenderkreis aufgebaut. Neben der Stelle des Gemeindereferenten werden aus diesem Topf auch einige Stunden des Pfarramtssekretariats bezahlt. Um für ein gutes Miteinander von Kirchengemeinde und Verein zu sorgen ist festgelegt, dass ein Vorstandsmitglied auch Mitglied im Kirchengemeinderat sein muss. Nach den bis-


herigen Erfahrungen funktioniert die Zusammenarbeit problemlos.

Glaubenskurs und motivierte Teams Die Gottesdienste werden gut angenommen. Menschen lassen sich einladen und sind ganz erstaunt, dass man auch so Gottesdienst feiern kann. Oft laden sie dann selber wieder Freunde und Bekannte ein. Für manche sind diese Gottesdienste zur Heimat geworden. Immer wieder lassen sich Menschen zum Glaubensgrundkurs einladen, der einmal im Jahr angeboten wird und die Kernpunkte des christlichen Glaubens vermittelt. Aus den Glaubensgrundkursen der letzten Jahre sind regelmäßig neue Hauskreise entstanden. Beim Blick nach innen zeigt sich, dass sich die Teams inzwischen gefestigt haben und hervorragend zusammenarbeiten. Es herrscht eine tolle Team-Atmosphäre. Auch wenn die Arbeit manchmal viel ist, wird jeder durch die Gemeinschaft gestärkt. Viele Verantwortliche aber wünschen sich bei allen vorzeigbaren Erfolgen noch mehr Wachstum und beten auch darum. Wir können pflanzen und gießen, das Wachstum muss unser Herr dann schenken. So bleiben wir ganz von ihm abhängig und beten, dass noch viele den Weg zu Gott finden , meint Kirchengemeinderat Hardy Burkhardt. Insgesamt sind aber alle sehr dankbar für das, was Gott in den letzten Jahren geschenkt hat. Hardy Burkhardt, Martin Mielke Zu den Fotos von links nach rechts: der Pfarrer beim Predigen, Theaterszene am Heiligabend: Carribean Dreams , Aktion: Schuldsteine werden auf dem Altar abgelegt.

sonntags halbzehn Themenauswahl Am Anfang war der Knall: Glaube und Naturwissenschaft Der Mann, der in kein Schema passte: Was er tat / Was er sagte / Was er brachte Warum gerade ich? Wenn man aus der Bahn geworfen wird Vom Winde verweht: Auf der Suche nach dem Heiligen Geist Segen, aber flott: Was ist dran an der himmlischen Dividende? Im Halbmondschein: Christentum und Islam Jetzt mal ehrlich! Vom Umgang mit Schwächen und Schuld Heilig Abend, nix wie weg! Südseegottesdienstparty Wenn Gott so ist (1. Gebot): Die Kunst, starre Gottesbilder abzuschütteln Himmel nochmal (2. Gebot): Die Kunst, richtig mit und von Gott zu reden Endlich ich (3. Gebot): Die Kunst, freie Tage zu haben und zu feiern Von Falten und anderen Lebenslinien (4. Gebot): Die Kunst, Vater und Mutter zu ehren Überlebt haben wir´s alle (5. Gebot): Die Kunst, zu leben und einander leben zu lassen Liebe auf Abwegen (6. Gebot): Die Kunst, ein treuer Mensch zu sein Brennen, Aufrunden, Mitnehmen (7. Gebot): Die Kunst, ein ehrlicher Mensch zu sein. Ich weiß nicht, wie ich´s sagen soll (8. Gebot): Die Kunst, offen und ehrlich zu reden Das gönne ich dir (9. und 10. Gebot): Die Kunst, zufrieden und frei von Neid zu sein

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Zu guter Letzt Wachsen lassen oder: Was lernen wir von der chinesischen Kirche? In Ostdeutschland und in China wurde die christliche Kirche von kommunistischen Regimes vier Jahrzehnte unterdrückt. Die Situation heute könnte nicht unterschiedlicher sein. In Ostdeutschland erlebte die Kirche in der Wendezeit eine kurze Blüte. Heute kämpft sie ums Überleben. Von den Zahlen vor dem zweiten Weltkrieg kann sie nur träumen. In China gab es bei der Machtübernahme von Mao Tse-tung rund zwei Millionen Christen. Kirchliches Eigentum wurde eingezogen, die Verantwortlichen wurden umgebracht oder ins Gefängnis geworfen, öffentliche Versammlungen waren verboten, ausgebildete Theologen gab es kaum. Als sich der Bambusvorhang Anfang der 80er Jahre lüftete, hatte sich die Zahl der Christen in den chinesischen Hauskirchen um 3000% auf 60 Millionen gesteigert und ist seither um weitere 20 Millionen gewachsen. Haben wir vor Augen, dass die Christen der ersten Jahrhunderte keine eigenen Gebäude, keinen gesetzlichen Sonntag, keine Institution hatten? Was lernen wir daraus über die künftige Struktur christlicher Kirche? (rk)

Anonyme Gottesdienst-Tester Auf der Homepage www.ship-of-fool.com können anonyme Gottesdienst-Tester ihren Eindruck von Gottesdiensten anhand von Leitfragen niederschreiben. Mittlerweile scheinen auch in Deutschland die mystery worshipper unterwegs zu sein. Auch ein Bericht über einen Esslinger Gottesdienst ist dort zu finden. (rk)

Stein-reiche Kirche Auf die 25,4 Millionen Evangelischen kommen in Deutschland rund 75.000 kirchliche Gebäude. Die Evangelische Kirche ist damit stein-reich. Rein rechnerisch kommt auf 340 Kirchenmitglieder eine evangelische Immobilie. Davon ist jede dritte denkmalgeschützt. 12,3 % des EKD-Gesamtbudgets fließt in die GebäudeErhaltung. In Ostdeutschland ist dieser Prozentsatz weit höher. (rk)

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Lieber Unkraut statt Betonieren! Ein Zitronenspritzer von Friedemann Stöffler Kennen Sie den? Treffen sich ein Stotterer und ein Gärtner. Sagt der Gärtner zum Stotterer: Du, ich weiß ein gutes Mittel gegen das Stottern. Sag mir s , antwortet der Stotterer. Kostet aber 20 Euro. Der Stotterer gibt ihm das Geld. Mundhalten antwortet der Gärtner. Der Stotterer geht gedemütigt weg. Als sie sich das nächste Mal treffen, sagt der Stotterer: Du, ich weiß ein gutes Mittel gegen Unkraut. Sag s schon antwortet der Gärtner. Kostet dreißig Euro erwidert der Stotterer. Der Gärtner gibt ihm dreißig Euro. Betonieren antwortet der Stotterer. Nun, ich weiß nicht, ob Sie über diesen Witz lachen können nicht nur wegen der diskriminierend erscheinenden Etikettierung der Menschen mit Sprachbehinderungen. In unserer Kirche ist an manchen Stellen die Angst vor Unkraut so groß geworden, dass man sich oft über das Wachsen, das Blühen gar nicht mehr freuen kann. Ich wünsche mir für unsere Kirche viele gute haupt- und ehrenamtliche Gärtner, die das Betonieren verhindern und alles tun, dass Neues wachsen kann und wenn etwas wächst, ein Jugendgottesdienst, ein Abendmahl in Hauskreisen, gar eine neue Gemeinde, sich über das Wachsen freuen und dann das, was man so nicht haben will, vorsichtig zurückschneiden, aber so, dass das Leben siegt und nicht der Beton! Weitere Zitronenspritzer auf www.kirchefuermorgen/111


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