KingKalli Dezember 2021 / Januar 2022

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KingKalli 109 Dezember 21 | Januar 22

Von Tränen, mobilen Heizlüftern und der Kita in der Kirche Weisweiler vier Monate nach dem Hochwasser

Text & Fotos: Birgit Franchy

In der Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 hat die Hochwasserkatastrophe auch unsere StädteRegion hart getroffen. In den Schlagzeilen stand dabei das besonders in Mitleidenschaft gezogene Stolberg. Doch auch in kleinen Ortschaften längs der Inde wurde viel Schaden angerichtet. Auf Wunsch einer Leserin hat KingKalli in Weisweiler vorbeigeschaut. Die Inde plätschert an diesem Wochenende ruhig vor sich hin, sie knietief zu nennen wäre übertrieben. In den Straßen direkt am Flüsschen stehen noch Container an den Häusern, die Straßen sind aufgerissen, Versorgungsleitungen werden verlegt, eine kleine Mauer ist umgekippt. Ansonsten sieht es ordentlich aus, dem uneingeweihten Besucher würde sich der Gedanke an die Hochwasserkatastrophe, die vor vier Monaten den Ort überrollt hat, nicht aufdrängen. Die Evangelische Kirchengemeinde liegt am Rande des Ortsteils, Blick auf Felder, Friedhof und Kraftwerk, Autobahnrauschen im Hintergrund. Im Schaukasten vor dem Tor hängt ein Foto, zeigt das Ausmaß der Wassermassen, die sich bis zur Auferstehungskirche ergossen haben. Auf einem Infoblatt liest man von der Zerstörung der Heizungsanlage der Kirche und von diversen Hilfsaktionen. Wenn Pfarrer Wolfgang Theiler von der Nacht des 14. auf den 15. Juli erzählt, fällt ihm als erstes der Weg des Wassers ein, das auf einer Breite von 200 Metern eine Schneise der Verwüstung hinterlassen hat. Von zwei Seiten sei es durch den Ort geschossen, habe sich auch von hinten durch die Straßen seinen Weg gebahnt. Immer höher stieg es, bis es plötzlich von einer Sekunde auf die andere wieder fiel, als habe man einen Stöpsel aus der Badewanne gezogen. Da sei es in den alten Tagebau bei Inden eingebrochen, ein Mensch kam dabei ums Leben. Wäre das jedoch nicht passiert, wer weiß, wie hoch es noch gestiegen wäre, fragen sich die Menschen im Ort.

Die Evangelische Kirchengemeinde nahm sofort Kontakt zu ihren Mitgliedern auf, rund 100 Haushalte waren alleine von dieser kleinen Minderheit in Weisweiler betroffen. Aus Mitteln der Diakonie wurden sofort 17.000 Euro für Spenden locker gemacht. 50 Familien konnten davon profitieren. Der zerstörten Kita auf dem Driesch bot man für zwei der drei Gruppen unbürokratisch Räumlichkeiten an, schnell wurde gestrichen, um- und eingeräumt und ein provisorischer Spielplatz im Garten eingerichtet. Wolfgang Theiler weiß, dass die Lage zwar von außen ruhig und aufgeräumt wirkt, das täuscht jedoch. Viele Familien konnten noch nicht in ihre Häuser zurückkehren, Sanierungs- und Trocknungsarbeiten laufen weiter. Sicher bis ins Frühjahr hinein werden einige Betroffene warten müssen, ehe sie in ihre Häuser zurückkönnen. Gerade hat die Kirchengemeinde 110 mobile Heizgeräte gekauft und an Familien verteilt, die zwar schon Strom, aber noch keine Heizungen haben. Bei der Übergabe der Geräte wurde abermals klar: Viele Menschen sind traumatisiert, es flossen viele Tränen. Andrea Heinig, Anwohnerin aus einer wenig betroffenen Straße, hat uns auf Weisweiler aufmerksam gemacht. Auch sie berichtet von dramatischen Szenen aus der Flutnacht. So sei eine befreundete Familie von den Wassermassen in ihrem Haus eingeschlossen worden, die Feuerwehr fühlte sich nicht in der Lage zu helfen. Schließlich bahnte sich ein Landwirt aus der Nachbarschaft mit dem

Trecker einen Weg durch die Fluten und evakuierte die Familie sowie weitere Anwohner. Traurig findet Andrea Heinig, dass es wenig Hilfe von offizieller Stelle gegeben habe, um die traumatisierten Kinder im Ort aufzufangen. Lobend äußert sie sich über private Initiativen, so habe eine Musiklehrerin eine Kinderbetreuung in der Festhalle in Weisweiler organisiert. Sie würde sich auch jetzt noch wünschen, dass es mehr Angebote für betroffene Familien gibt und auch, dass das Lehrpersonal der Grundschule unterstützt wird, das sich im Umgang mit den traumatisierten Kindern manchmal überfordert fühle. Ein bisschen Glück im Unglück hatte Ilona Weidenhaupt, die die Postfiliale im Ort betreibt. Schon länger hatten sie und ihr Mann geplant, einmal zu renovieren, und nun packten sie die Gelegenheit beim Schopfe. Sechseinhalb Wochen brauchten sie, um das verschlammte Inventar herauszureißen. Im September konnten sie wieder eröffnen. Von der Post und der Lottozentrale erhielten sie Unterstützung, mussten aber auch viel selber investieren. Für die Familien im Ort möchte Ilona Weidenhaupt jetzt auch KingKalli auslegen. Pfarrer Wolfgang Theiler blickt auf ein positives Erlebnis aus dem November zurück. Mit allen Familien habe man St. Martin gefeiert. Das sei toll angekommen und er freue sich über so viel junges Leben im Burghof. Noch mindestens bis zum Sommer werden die Kindergruppen bleiben.

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