Kinki Magazine - #9

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kinki

nr. 9 2008 chf 6. – € 4.–


OAKLEY.COM/SHAUNGOGGLE

Oakley Icon Ltd.: (+41) 448296100, www.oakley.com


‹ editorial› Take it if you want it. Liebe Leser. Das soll jetzt also schon bald das bedeutungsschwangere Jahr 2008 gewesen sein? Das Jahr, in dem ein Nacktfoto von Carla Bruni zum Höchstpreis versteigert wurde, die längste Meeresbrücke der Welt in China eröffnet wurde, die internationalen Finanzmärkte total abgekackt haben, die Universal Filmstudios bei einem Grossbrand in Flammen aufgingen, die Republikaner bei den Präsidentschaftswahlen in den USA ordentlich den Hintern versohlt bekamen, die Russen in Georgien und Südossetien Stress gemacht haben, und: das unvermeidliche kinki magazine das Licht der Welt erblickte. Hach ja, schön war’s. Damit auch 2009 zum Brüller wird, müssen wir uns auf einige klima-, kultur-, sozial-, und finanzpolitische Veränderungen gefasst machen. Und falls der Weihnachtsmann keine Handfeuerwaffe unter den Weihnachtsbaum gelegt hat, sollten wir uns den Herausforderungen des kommenden Jahres stellen und ihnen positiv, lebensbejahend, selbst- und verantwortungsbewusst entgegentreten, sagt das kinki magazine. Oder war das doch eher von der Scientology Kirche? Wie dem auch sei, gehabt euch wohl, feiert nicht so doll! Euer unverkrampftes kinki Team. kinki

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WE ARE ANIMALS


Amy Gunther, Jason Lee & Giovanni Ribisi in “A Superlative Day“. See the whole photo series in the palm / pocket sized WeSC winter catalogue 2008.

photo: Vincent Skoglund

www.wesc.com



MINI clubman. The other mini. MINIclubman.ch

A street perfor


mance.


‹ content › Standard 03 Editorial 10 Content 12 Gossip 12 Agenda 16 Klagemauer 20 Was läuft… 110 Media 112 Abo / Impressum 114 Versammelt Report 22 Slayer: kein Blutregen in Winterthur 30 Querschläger: J.P. Love 32 Bohlitik: der Chic des Unpolitischen 36 10 Minuten mit Francesca Lavazza 38 Shove it to Shanghai 44 Second Life Revisited, Part II 50 Custom Klötze 52 Stundenhunde 108 Travel

50 Custom Klötze Unser Autor Christoph Dubler war ein ganz normaler Junge. Neben seiner Lieblingsbeschäftigung (den Mädchen eine Spinne in den Schulranzen legen) spielte er für sein Leben gerne mit Lego-Bausteinen. Natürlich haben andere Must-Haves die Klötze irgendwann abgelöst, umso verwunderter war Christoph, als er (jetzt schon gestandener Mann) wieder mit diesem Thema in Berührung kam. Dieses Mal begegnete Christoph Menschen, die seit der Kindheit bei den Legos geblieben sind und mittlerweile obskure bis erschreckende Dinge mit den Plastiksteckquadern anstellen…

64 Ilsebil

Sound 54 Soundcheck 56 Album des Monats: Buraka Som Sistema 58 Interview: Gang Gang Dance 60 Playlist: DJ Le Frère 54 Interview: The Decemberists Fashion 64 ‹Ilsebil› von Raphaela Pichler 70 Vertreter: Mafia-Schuhe 72 D.I.E. – To die for 74 ‹The New Nouvelle Cuisine› von Dixi Romano 80 Vive la Fragrance 82 Sessun – Say oh là là 84 ‹Argentum et Aurum› von Matthias Straub Art & Co 92 Porträt: Russel Maurice 94 Jungkunst: Forever Young! 96 ‹Just Passengers› von Fabian Unternährer 106 Mehr Raum! 113 Top Notch Gallery: Artrepco

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Die ‹Pichler-Sisters› sind in Zürich bekannt wie bunte Hunde. Während Schwester Marisa den angesagten Fashion-Blog ‹hopehope› inkl. des gleichnamigen PDF-Magazins betreibt und als international gefragte Style-Beraterin Menschen und Räume schöner macht, ist Raphaela Pichler als Modefotografin im Auftrag der Ästhetik unterwegs. Gemeinsam haben sie schon so manch reizende Idee realisiert und sind nicht selten auf Zürcher It-Partys im Duo anzutreffen. Für kinki hat Raphaela die Kindergeschichte vom Fischer und seiner Frau in eine winterliche Fashion-Strecke übersetzt.

52 Stundenhunde

92 Russel Maurice

‹Wenn du ein Haustier willst, dann musst du dich auch selber darum kümmern›, erklärten uns unsere Eltern beinahe schadenfroh, wenn sie uns den Robbidog-Sack und die Leine in die Hand drückten. So entpuppte sich der süsse kleine Welpe bald als fauler, anstrengender Sturkopf, der uns schon im kindlichen Alter auf die Pflichten und Verantwortungen des Lebens aufmerksam machte. Tierfanatische Kinder in Tokio dürften es da etwas leichter haben, denn dort kann man sich seinen Lieblingswauwau für einige Stunden mieten und ihn dann rechtzeitig zum Gassi wieder zurückbringen. Oder sich den nächsten abholen. Miriam Künzli portraitierte die ‹Tierfreunde auf Zeit› in Tokio mit ihrer Kamera.

Der englische Künstler mit dem Flair für Glasflaschen, Glühbirnen und Spacecakes bewegt sich seit einigen Jahren gekonnt auf dem schmalen Grat zwischen Fashiondesign, GraphicArt und Installation. Seine Werke bilden einen surrealen, aber stets fröhlichen Mikrokosmos. In diesen schlüpfte die kinki-Reporterin Romy Uebel während der diesjährigen ‹Bread & Butter›Messe, um dem entspannten Herrn aus Newcastle ein paar Löcher in den Bauch zu fragen. Russel klärt euch in dieser Ausgabe über seine persönlichen Abgründe, Vorlieben und Probleme auf und gewährt uns einen kleinen Einblick in sein Werk.


‹ contributors ›

und Boris Guschlbauer David Späth und Boris Guschlbauer tranken Blut anstatt Muttermilch und sind deshalb schon von klein auf Kinder des Death-, Trashund Black-Metal. Sie sehen Slayer als ihre Götter an, denen sie einmal im Monat ihre Nutellabrote opfern. Trotzdem erlangten David Späth als Fotograf und Boris Guschlbauer als Schriftsteller handfeste Berufe. Ständig sind die beiden auf der Suche nach der brutalen Wahrheit hinter der Realität und scheuen dabei keine psychischen Wirrungen. Das Slayer Fotoshooting und Interview war für sie wie Ostern für den Papst.

38 Florian

Renner Den grössten Teil seiner Jugend verbrachte Florian Renner auf dem Skateboard. Als er allerdings mit 18 Jahren eine schwere Knieverletzung erlitt, galt sein Interesse immer mehr auch der SkateboardFotografie: ‹Begonnen habe ich damit, meine Kumpels beim Skaten zu fotografieren. Schon bald hatte ich meine ersten Veröffentlichungen in Skate-

96 Fabian

Unternährer Fabian Unternährer liebt Kameras. Weniger gross hingegen ist seine Zuneigung zu Scannern. Da seine Maschine langsam aber sicher den Geist aufzugeben scheint, sucht der Berner Fotograf verzweifelt nach einem Scanner, um sein immenses Fototagebuch endlich in langlebige Dateien zu verwandeln. Einen Teil davon präsentieren wir euch in dieser Ausgabe. Das Scannen kostete ihn alleine dafür schon einen ganzen Tag. Wir danken Fabian also für die Sisyphus-Arbeit und die wunderschöne Strecke ‹Just Passengers›!

Drink responsibly.

22 David Späth

boardmagazinen. So kam es dann, dass ich in Wien eine Fotoschule besuchte und seither immer mehr für Skateboardmagazine arbeitete›. Die Fotografie brachte Florian an die verschiedensten Orte dieser Welt: Costa Rica, Rumänien, Portugal und eben auch China: Dort war er für uns mit dem US Adidas Team unterwegs und portraitierte vor Ort die lächelnde Skater-Szene Shanghais.

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‹gossip›

dünne luft und dicke jumps

Head over heels over Davos.

Endlich ist es so weit: Die ersten Winter-Events stehen an! Schnee, Speed und ganz viel Euphorie. Und

das alles ohne chemische Zusätze! Da sind Jungs und Mädels gefragt, die Riesensprünge wagen und furchtlos die Schneewelt erobern wollen. Nach diesem Motto kämpfen vom 05. bis zum 10. Januar 2009 Weltklasse-Freestyle-Snowboarder beim O'Neill Evolution-Event um Ruhm und jede Menge Preisgeld. Für den exklusiven Event laufen die Vorbereitungen in Davos am Bolgen Jakobshorn auf Hochtouren. Eingeladen werden die Top 10 Rider der Swatch TTR World Snowboard Tour 07/08. Zusätzlich werden sechs Wildcards vergeben. Die 16 Top Rider treffen auf die 16 besten der Qualifikation, um uns mit ihren kreativen und inspirierenden Choreo­ graphien zu überzeugen. Nicht nur dieses akrobatische Spektakel erwartet uns, sondern auch Enter­ tainment in Form von pompösen Eisskulpturen, einem neuen Slopestyle Contest und Live-Musik! 720 Grad Unterhaltung, also. www.oneilleurope.com/evolution

edelmappen aus lederlappen Die in Hamburg gegründete Firma Anticase zeigt, wie hochwertig eine Ledertasche aussehen kann. Sie kreieren Taschen für den Alltags­ gebrauch und legen dabei Wert auf höchste Qualität. Zwar sind die hübschen Ledersäckchen nicht gerade billig, doch die Investition lohnt sich allemal, zumal es sich bei jedem Stück um ein Unikat handelt! Nebst der Taschen findet sich im Sortiment von Anticase übrigens auch der restliche Teil der Lederfamilie: Gürtel, Taschen und Geldbeutel aus hochwertigstem Material. Nicht verlieren, also! www.anticase.de

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‹agenda›

12 19.12. Fr

kummerruben Grabenhalle St. Gallen

the bosshoss (d), the shell Volkshaus, Zürich 20.12. Sa

dj kitsune (usa) Kugl St.Gallen

areyouveda night da sign, the opposite, dj reverent m&m Luzern Südpol Luzern 23.12. Di

shantel (d), conrad sohm dornbirn (a)

nachtbar Palace St. Gallen 26.12. Fr

tiefschwarz (d)

Kugl St.Gallen, 23.00 Uhr

photo 08 vernissage

Maag Event Halle Zürich, 18.30 Uhr 27.–30.12.

photo 08 ausstellung Maag Event Halle Zürich 30.12.

wo isch züri?

Das grosse Jahresquiz, Palace St.Gallen, 19.00 31.12. Mi

01 les babacools (d)

Grabenhalle St.Gallen, 22.00 Uhr

03.01. Sa

denyo aka dj rap-a-lot Gare de Lion Wil 09.01. Fr

heidi happy

Salzhaus Winterthur 10.01. Sa Achtung vor Taschendieben!

ja panik (a), junes usl Ruum Amriswil 11.01. So

mia (d)

X-Tra Zürich 17.01./18.01.

galerienwochenende Bern 19.01. Mo

imm cologne Messe Köln


Neu erhältlich! SingStar Vol. 3: · Amy McDonald – This Is The Life · Fergie – Big Girls Don’t Cry · Fettes Brot – Emanuela · Lionel Ritchie – All Night Long · Take That – Could It Be Magic?

Welcher SingStar steckt in dir? Ob Schnulzensänger oder Rockröhre, Souldiva oder Teenystar: SingStar hat für jeden und für jeden Geschmack das passende Game. Also, schnapp dir das Mikrofon, mach deine Bude zur ultimativen Bühne und zeig deinen Freunden, wer der grösste SingStar ist.

Quelle SingStar sommeille en toi?

SingStar is a registered trademark of Sony Computer Entertainment Europe. «

» and «PLAYSTATION» are registered trademarks of Sony Computer Entertainment Inc. All rights reserved.

und viele mehr!


kunst im kasten Heavy Metal für Laptop-Miezen mit kulturellem Inhalt.

strumpf im glück Es gibt nichts Schlimmeres als kalte Füsse, weisse Socken und Löcher am großen Zeh. Oder doch? Rechts einen blauen und links einen schwarzen Strumpf, dazu noch ein beissender Geruch… Abhilfe schafft das schwedische Modelabel Happy Socks. Die Fusswärmer gibt es von einfarbig bis vier­farbig, gepunktet oder gestreift, kurz oder kniehoch. Die Pärchen unter uns dürften sich darüber doppelt freuen, denn alle Exemplare sind Unisex. So kann der Partnerlook auch untendrunter ausgelebt werden. Und wer hätte es gedacht, die Idee für die Sockenfirma entstand an einem grauen Sonntagnach­ mittag. Happy Socks haben, wie ihr seht, einiges zu bieten. Jetzt fehlen auf dem Markt nur noch Strümpfe, die egal wie lange man sie getragen hat, immer noch nach Rosen riechen. Und zwar ebenfalls unisex! www.happysocks.com

Wenn man im Tram sitzt oder mit dem Velo durch die Langstrasse in Zürich fährt, entdeckt man gelegentlich durch Zufall die schönsten visuellen Eindrücke der Stadt. Vom Sticker am Kübel, alten Tags an Häuser­ wänden bis zu kleinen Installationen im städtischen Raum. Und dann gibt es noch diesen Schaukasten, auf der Strecke vom belebten Ende der Langstrasse durch die Unterführung in Rich­tung Limmatplatz. Es fällt auf, dass es hier kaum Berührungspunkte für Kunst gibt, im Vergleich zur Ecke, wo die Perla Moda und das Kultur­ büro sind. Genau diesen Schaukasten vor der Johannesgasse 22 hatte man lange Zeit vergessen. Das wird sich jetzt ändern! Beim Projekt imkasten soll man auch um 1 Uhr morgens zu Infor­ mationen über laufende Events gelangen, ohne dass man im Internet stöbern muss. Und zwar aktuell jeweils 30 Tage lang. Monatlich ändert sich ab Januar 09 die Installation im 1,20m x 90cm 14

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grossen Metallkasten. Zeitgleich kann man ein Bild davon auf imkasten.org besichtigen. Dort erfährt man noch mehr über den jeweiligen Aussteller und aktuelle Events & Performances. Der Kasten ist ein Infoboard, ein Berührungspunkt für Kunst, Kulturschaffende und Passanten. Stelle deine Kunst den ganzen Monat Februar 2009 imkasten aus. Reiche deine Konzeptarbeit bis zum 31. Dezember 2008 ein. Bitte keine Originale, es werden keine Rücksendungen gemacht! Arbeit per E-Mail mit Foto für Websteckbrief an organisation@imkasten.org

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(nicht) nur für ladys Kicks on girls? Der BOOji kann locker mit Männermodellen mithalten!

Es ist eine aufregende Zeit für die weib­ liche Sneaker-Welt. So begann alles: Jason Bassim gründete 2001 in San Francisco die Marke ‹JB Classics›. Mit den Designs begann er 2004, schliesslich holte er Mdots ins Boot, um die Marke auf eine größere Plattform zu heben. Aus JB Classics wurde JB Classics Lab®. Das Ziel der beiden ist es, die verschiedensten Lifestyle-Elemente miteinander zu verbinden.

Mit ihrem Design und jeder neuen Kollektion überschreiten sie sämtliche Grenzen. Das jüngste Prachtstück ist ausschließlich für die Frauenwelt designed und nennt sich BOOji. Das erste Modell kommt Ende dieses Jahres auf den Markt und heißt Regal-One. Endlich haben die Jungs kapiert, dass wir Mädels auch bei diesem Spiel mitspielen. www.suite2206.com


from amsterdam with love Die Herrschaften vom Mikosa Magazine wollen hoch hinaus.

‹MIKOSA is a foundation for artists. MIKOSA is born to support ideas. MIKOSA lives to spread free expression.› Mikosa wurde in Amsterdam 2005 von einer internationalen Gruppe um Morcky Galmacci, Rocco The

Boghe und Claudius GLG Gebele gegründet. Auf der Basis ihres Manifests soll die Stiftung den Künstlern als Fundament für zeitgenössische Kunst dienen. Die Spannweite der Künstler reicht von GraffitiSchreibern bis hin zu Internet-Desi-

sex, drugs & pant’n’roll Nach fünfjähriger Achterbahnfahrt hatten Sandy Wanaree, Christian Hoegl und Robert Butler ihr Konzept unter Dach und Fach und demselben einen klangvollen Namen gegeben: Panti-Christ. Das Label kreiert Unterwäsche und Bikinis in der Schweiz und lässt sie in Portugal produzieren. Die Höschen sind so sexy und durchtrieben wie die Models, die vor der Kamera gerne für diese aussergewöhnliche Kollektion auch mit wenig Textil posieren. Die Prints auf den Höschen bestehen aus Pistolen, Gitarren, Sternen oder auch Totenköpfen – nur

für ganz harte Mädchen. Wöchentlich wird die ‹Panty of the Week› vor­ gestellt. Also gleich online bestellen und mitgrölen: ‹I am a pantichrist, and I am an anarchist…› www.pantichrist.com

gnern und Künstlern aus dem Streetart- und Video-Bereich, die

mit ihren verschiedenen Stilen arbeiten. Alle Künstler haben eine grundlegende Sache gemeinsam: Ihr Black-Book, das in der Regel gefüllt mit handgefertigten ersten Ideen und Entwürfen, groben Skizzen, unvollendeten Werken der Künstler gefüllt ist. Zwei Mal jährlich erscheint das Magazine, ver­steht sich somit als eine Art kollaboratives Skizzenbuch. Es gibt darin reichlich Illustrationen, zum Teil handgemacht und ohne viel Vektorzeug, Graffiti/Tag-Artiges dominiert, aber von ‹rein grafisch› über ‹abstrakte Zeichnungen› bis zu ‹Was-Ist-Das-Denn-Bloss?› ist reichlich Abwechslung vorhanden. Zum Heft tragen international renommierte Künstler wie David Choe, Will Barras, Sit, Mediumphobic, Jeremy Fish und noch viele andere bei. Das Magazin gibt es in einer limitierten Auflage von 250 Stück pro Ausgabe und jedes einzelne Magazin wird wiederum von einem Künstler customized und enthält ein Spezial-Gadget, designed von den Künstlern. Alle Ausgaben sind im Internet sowie ausgewählten Shops in ganz Europa erhältlich.

gay is ok

www.mikosa.net Romeo oder Julian und sonst gar nichts! Dieser Mann hält sich dran.

‹Romeo&Julian› was soll man sich da­ runter vorstellen? Eine Neuinsze­ nierung des Shakespeare-Klassikers? Leider müssen wir die TheaterFans unter euch enttäuschen, dafür dürfte dieser Name in den Herzen der Fashionbegeisterten wohl schon so was ähnliches wie Lampen­­ fieber bewirken. Das Label Romeo&Julian feiert seine vierte Saison, diesmal in gedeckteren Tönen. Für Julians gibt es das schlank geschnittene Shirt in Schwarz mit weissem ‹Juli&n›-Auf­druck, für Romeos das Gegen­stück mit schwarzem ‹R&meo›-Print. Die Shirts sind als limitiertes Set mit Smiley-Buttons zu haben, damit euch auch an düsteren Wintertagen das Lachen nicht vergeht. www.romeo-und-julian.com/blahblah

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klagemauer Dein Meerschweinchen hat dich heute gebissen? Deine Freundin steht auf DJ Bobo? Die Welt ist böse? Zürich geht dir auf den Sack? Dein Lover hat deinen Geburtstag vergessen? Egal was dich gerade stresst oder nervt: auf kinkimag.com unter ‹Klagemauer› kannst du Dampf ablassen. Die besten Einträge werden hier veröffentlicht.

Ich hasse es, dass die meisten motzer nicht mal checken, dass sie ihren Namen ins Namenfeld schreiben könnten! cerco | Das schlimmste ist doch etwas geheim zu halten, obwohl man es so gerne jemand anderem erzählen will. sisi | Freundinnen sind eh nur ein klotz am bein! ;-P cerco | Ich will meine Freundin zurück, ich habe sie am Wochenende mit einem anderen gesehen, ich halte das nicht aus, helft mir bitte… paul | Mich nervt, dass ich heute früh im stress zur schule gerannt bin und als ich dann atemlos angekommen bin, herausgefunden hab, dass ich noch 2 Stunden hätte schlafen können – Lehrer ist krank. Fuck. knurf | Ich hasse es, wenn man sich extra den tag frei nimmt und dann das wetter echt beschissen ist in den bergen. Anonymous | Wieso hab ich am morgen immer kalte füsse?! samuel | Ich krieg von diesem dämlichen Bildschirmreiniger Kopfschmerzen! Ivanhoe | Ich hasse das hier schon 18 Jährige nur am rumjammern sind… wo soll das hinführen? Anonymous | musst dich ja nicht überall rasieren! jones | Jetzt schaut doch bitte weniger fern! samuel | michnervt, dass man immer was drunter hat und nicht die regeln der vielen anderen zeichen zurückerobert. wann hat die zündende idee jemals einen baum an den anschlag gebracht? ich kann mich ehrlich gesagt nicht mehr daran erinnern. flöten sowieso, oder? mättu | ich hasse gottfried keller. stadtgefluester | meine mutter hat schon vor einem monat mit der planung für die familiäre weihnachtsfeier begonnen! cerco | Leute, die mit ihren Schuhen schlurfen um cool zu sein, sind nicht cool. Samuel | Scheiss Wetter! tony montana | es NERVT und BELASTET mich, dass gewisse menschen so altersfixiert sind, dass sie mir mein ganzes leben versauen! in einer gesellschaft, die auf der suche nach der ewigen jugend ist, ist anagraphische jugend anscheinend immer noch eine zu belächelnde sünde! die junge | Mich nerven Leute die zu lange im Bad brauchen. chrisschross | Verfluechti Langewilie! Blubb | Mich nerven Kopfschmerzen. Und das in einem job, wo man den ganzen Tag vorm PC hocken muss. la mome piaf | Mich nervt das Schnee kalt ist! crazy_tiger | De Samichlaus isch scheisse peter | ich finde es scheisse, dass ich keine freunde habe. hanswurstsalat | mich nervt meine familie. passt ja jetzt zur vor-weihnachtszeit. agib 16

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merkker mekka

Wer noch nicht da war, sollte dringend seine Freunde anrufen: auf ein gemütliches Bier oder äusserst leckere Drinks, in entspannter Atmosphäre: hier geht’s zum Merkker. Man sieht schon von aussen den künstlerischen Touch des jungen Clubs. Hier haben Young Artists nämlich nicht nur die Möglichkeit, sich in alle künstlerischen Richtungen auszuleben, sondern regelrecht

auszutoben, und diese Zügellosigkeit obendrein mit coolen Gigs in Verbindung zu bringen. Zu den Street Art Aktivistern gehören zum Beispiel Maphia, Working Class Hero, Note und viele mehr. Für die Konzerte stellen sich Ohrbooten, Basement Bros. feat. The Kitchenettes, Blondelle, DJ Storm, Dendemann und andere ans Mikrofon und die Instrumente. In Zukunft bekommt man zudem The Clapotis & Smooth Groove DJs, Telaphones & Delilahs, Jackpot Melodies-Tour und viel andere Plattenteller-Akrobaten zu hören – da muss man sich dann auch nicht wundern, wenn das ‹Merkker› zum neuen Mekka des Nightlifes wird!?

toob? feiern. jetzt!

www.merkker.ch

uberding Aus dem kühlen Britannien kommen mal wieder extra-hotte Tanztöne.

Samstag 22.27 Uhr: Auf dem Küchen­ tisch steht das erste und noch lange nicht letzte Feierabend-Bier. ‹Los legt mal’ne Platte auf, ich will in Stimmung kommen!›, schreie ich in die Runde. Kurz darauf kämpfen sich mächtige elektronische Töne aus den kleinen Boxen meines CD Players. ‹Toob› nennen sich die Stimmungs­New chicks macher, und bringen meinen Hintern on the blog. innerhalb kürzester Zeit zum Was den Blog ‹Uberding› so speziell schiedenen Blickwinkeln durchdacht, Vibrieren: Organische und gefühlvoll klingende Musik, die zubeschrieben und publik gemacht. macht, ist die Mischung aus gleich auch tief trüb und temperawestlicher Präzision, afrikanischem Die lustigen Damen von der BlogRhythmus und orientalischem mentvoll klingt. Rich Thair, der Zankstelle haben mit ihrem Zu­ Temperament. Drei Ladys, drei Stysammentreffen nicht nur eine Freund- schon mit Red Snapper von sich höles. Drei auseinander gehende ren liess, sitzt hinterm Schlag­schaft gefunden, sondern auch Meinungen, sechs tippende Hände, das Denken, Recherchieren und zeug und Jakeone dreht dabei an Schreiben als gemeinsame Leiden- den Knöpfen. Drei Jahre nach sechs aufmerksame Augen uberall. schaft entdeckt. Gedanken uber dich, uber mich, ihrem Debüt ‹How To Spell Toob› uber Mode, uber Kunst, uber Leben, www.uberding.de gehen Toob auch auf ihrem einfach UBER. Fotos: Alexandre Kurek / randbezirk.com neuen Album ‹Push Me Pull You› Und eine Leidenschaft, die verwieder in die Vollen. Dabei grei­bindet: Teatime and Kebab. fen sie tief in ihre Kindheitserinne Beim Namen genannt: Mia, rungen. Das Album trägt den Deniz und Dori lassen sich von den Namen eines Wesens mit zwei Köpkleinen Dingen des Lebens ins­ fen: der eine sturer als der andere. pirieren. Alle drei repräsentieren Grundsätzlich möchte jeder in seine verschiedene Persönlichkeiten. So Richtung davon jagen – Doctor werden die Dinge aus drei ver­ Doolittle lässt grüssen. Und so ver-

hält es sich auch mit ihrer Musik: Auf der einen Seite mitreissend melodisch und auf der anderen aufwühlend und zupackend. Selbst bei der Entstehung des Albums verbrachten die zwei Künstler mehr Zeit ge­trennt als zusammen. Das hat aber nur dazu beigetragen, ein wahr­haft spannungsvolles Album zu produzieren. Auf Tracks wie ‹Skin­box› zeigen sie Verschmelzungen und lassen es dabei faszinierend cool klingen. Und mit der Stimme von Wendy Stubbs bekommen Titel wie ‹Dervish Angels› einen psychedelischen Soul. Nach fast einer Stunde stapeln sich die leeren Bierflaschen auf dem Tisch. Die CD endet abrupt und abgehackt. Haben die zwei Jungs beim Ent­ stehungsprozess nicht mehr weiter gewusst? Egal, das heisst für uns, Zeit loszugehen. Mit der Jacke unterm Arm auf in den ersten Club. Eventuell treffen wir das Londoner Duo dort sowieso an. Ein erfrischender Live-Auftritt ist garantiert. myspace.com/spelltoob

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this month on the web Liebe Leute, es weihnachtet sehr und ‹Santa Kinki› hat nicht nicht nur im Magazin sein prall gefülltes Säckchen dabei, auch auf kinkimag.com hat er das ein oder andere Präsent für euch und beschenkt ganz bestimmt nicht nur die ganz braven: Auch dieses Mal dürfen die unartigen unter euch, ihre lustigsten und auch frustriertesten Kommentare an unsere Klagemauer schmieren. Eine exklusive Bildstrecke gibt es nicht nur von dem Modefotografen ‹Sbastien› und dem Künstler ‹Russel Maurice›, sondern auch zum Thema ‹Sex bei Second Life›. Aber auch musi­kalisch hat der Graubart etwas in petto: Es gibt Portraits, Songs und Videos zu ‹Slayer›, ‹DJ Le Frère›, ‹Ilsebil› und ‹Buraka Som Sistema›, sowie ein exklusives Filmchen zu den ‹Decemberists›. Und wenn ihr alle ganz lieb wart, gibt es einen exklusiven Online-Artikel zu ‹Die modernen Piraten der Südsee› noch obendrein.

wild on wheels

f-reunde a laaf Köln – Freitagshop eröffnet

Es war einmal eine kleine SMS, die für unglaubliche Furore sorgte. Sie wollte eigentlich nur sagen: ‹Wir fahren am Freitag nach Köln›, doch verstanden wurde ‹Wir gehen mit Freitag nach Köln›. Wie schnell sich die Worte doch ins Positive verdrehen lassen. Mit Vorteil für die F-Crew, denn als sie am Montag nach besagtem Weekend wieder zum Meeting erschienen, stand schon das Modell des Architekten auf dem Tisch. Die Eröffnung des vierten Shops in Köln wurde dann auch gleich mit der Jubiläumsfeier zum 15-jährigen Bestehen der Firma gekoppelt. Die Party ist zwar leider schon vorbei (als Häppchen gab es Burger und auf der Bühne liess Freitag den Dead Elvis tanzen), doch der Store zwingt schon allein durch seine auffallend gestalteten Schaufenster zum Eintritt. Durch einen Holztunnel wird der Kunde direkt in die wundervolle Welt der Erfolgsdesigner geführt. Was so eine SMS nicht alles bewirken kann! www.freitag.ch

www.kinkimag.com

was auf die ohren?

:-) Was ist gelb, immer gut gelaunt und hängte in den Achtzigern an jeder Brust? Richtig, das Smiley-Zeichen! Passend zur Jahreszeit gibt es neue Was viele jedoch nicht wissen, ist, Ohrwärmer mit integriertem Sound. Seit sechs Jahren sorgt das Zürcher ragenden Soundtrack, und natür­dass sich hinter dem lustigen Kreisge­ Nach langem Hin- und Herüberlegen, Clothinglabel Safari schweiz­­lich zeigen uns die Jungs von Safari sicht seit den Siebzigern ein recht­weit für Furore. Nebst der ausgefal- wieder einmal, wo skateboard­ Rudelversammlungen und Papier­ lich gesicherter Brand verbirgt, und mässig in der Schweiz der Hammer der hat spätestens seit der Nubemalungen sind sie endlich in durch- lenen Kleiderkollektionen machte der Brand ‹im Zeichen des Löwen› hängt! ‹L’Animal› wird also in dachter Verpackung zu haben. Die Rave-Bewegung wieder gut lachen. edlen Kopfhörer von Nixon. Jede Hand auch durch seine grossartige nächster Zeit für jede Menge offene Vom quietschbunten Turnschuh Skatefilm-Produktion namens ‹Malaria› Mäuler sorgen, und das nicht nur ist verrückt nach Nixon Uhren, doch bis hin zum lachenden Kissen oder dem fidelen Toaster kriegen haltet die Ohren fest, denn die drehen von sich reden. Pünktlich zum bei Raubtieren und Giftschlangen. gut gelaunte Menschen und solche, Nikolaustag feierte dieses Jahr der sicher durch, wenn sie den neuen Dafür waren die Herren der Expe­ Ohrenschmuck zu Gesicht bekomdie’s gerne werden möchten, auf Zweitling ‹L’Animal› in Zürich ditionstruppe die letzten drei Jahre men. Der Master Blaster, die Nomadic seine Premiere. Darin kämpfen sich auch fleissig auf der Jagd nach www.smileycollections.net die volle Footage und kamen von ihren Trips Auswahl an Positive Vibrations und das Wire sind bunt, lässig oder die ‹Safaris› um Guy und Luc geboten. Wer also die Nase voll hat auch edel erhältlich. Von so über­ Kämpfen, Sven Kilchenmann, Sebo wohl teilweise schlimmer lädiert nach Hause als von der wildesten Ti- von Spongebobs Schwamm­gesicht dachten Kopfhörern kann man die Fin­ Hepp und Christian Zemp samt gerjagd. Für Freunde des Rollund sich schon lange das gelbe ger nicht lassen. The Master ihren wagemutigen Teamkollegen sports und Actionkinos sowie für Original zurücksehnt, der findet dort Blaster sieht einfach ‹classic› aus, mit trickreich durch den Grossstadt­ seinem dunklen Couchleder und alles, was das Herz begehrt. Natürdschungel. Das temporeiche Video alle Feinde der Schwerkraft ist überzeugt durch viele witzige ‹L’Animal› ein absolutes Must-Have! lich auch den Button! dazu das Leichtmetall. Reinhören. www.nixonnow.com www.smileycollection.net Zwischensequenzen, einen heraus- www.safariclothing.ch Esacpe the Jungle! Die Safaris kämpfen sich durchs urbane Dickicht.

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‹figaro ›

der topfschnitt Herkunft Existiert, seit es Töpfe gibt Mindset Kinder und Designer Geschlecht männlich und weiblich Passt gut zu schlichter und traditioneller Kleidung, aber auch zu einfarbigen Hemden oder Blusen und Röhrenjeans.

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uf den Laufstegen der Modewelt feiert seit einiger Zeit eine Frisur ihr Comeback, die wir alle noch von unseren Kindheitsfotos kennen. Der wohl seit Jahrhunderten bekannteste und immer wieder in der Kinderstube auftauchende ‹Topf-auf-denKopf-und-zack-zack-Haareab›-Schnitt ist eine der effektivsten und schnellsten Methoden, sich der lästigen Haarpracht zu entledigen. Was Kinder und einige Kind-Gebliebene sehr glücklich macht. Der Topfschnitt hat schon was. Der Reiz dieser streng geometrischen Frisur ist zwar schwer zu definieren, aber ein absoluter Hingucker ist sie allemal. Dieser Schnitt sorgt nicht nur für den altbekannten ‹Oh-wie-süss›Effekt, sondern wider­ spiegelt oftmals auch die alternative Aussagekraft des Trägers. Ausgefallene Designer haben das schon längst entdeckt. Einer dieser Wagemutigen ist Henrik Vibskov, der mit seinen Catwalk-Shows und dem Styling seiner Kollektionen zu den angesagtes­ten Designern dieser Tage gehören dürfte. Er lässt

seine Models gerne mit kreisrunder Kopfbehaarung über den Laufsteg schweben und gehört zu den strengen Verfechtern dieser Kugelfrisur. Wer den Topfschnitt nicht ausstehen kann, sollte sich wohl langsam an diese Erscheinung gewöhnen, denn immer mehr Trendsetter tun es ihren interna­ tionalen Vorbildern gleich und legen selbst ‹Topf› an. Grundlegend leitet sich der Schnitt vom Pagenschnitt ab, den kennen wir bereits von Robin Hood und vom Haupte anderer Helden seiner Zeit. Im letzten Jahrhundert sprang der Trend dann auch auf die Frauenwelt über. Der Pagenschnitt ist ein gerader Kurzhaarschnitt mit einem geraden Pony. Unter dem Topfschnitt versteht man wiederum ei-

nen glatten Schnitt in gleichbleibender Länge, ohne Pony. Bei einem Undercut bzw. Unterschnitt wird zusätzlich die untere Kopfhälfte abrasiert. Diese Variation bringt die Haare in eine glättere Lage. Der Topfschnitt ist einfach der Klassiker. Und egal ob geliebt oder gehasst – er ist von den Köpfen nicht mehr wegzudenken. Text: Christina Fix Illustration: Lina Müller

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‹was läuft›

basel

luzern

Ich bin ja schliesslich auch nicht einfach ein Innendekorateur, sondern Master of internal Design and Arts whatever… Mit mir zusammen war also bis anhin die halbe Stadt skep­ tisch, insbesondere die ‹Ich-heulder-Boa-hinterher-Fraktion›. Stichtag war die Eröffnungsfeier am 8. Nov­ ember und es sollte die halbe Stadt Ich mag ja Fussball! Auch wenn ich Luzern anwesend sein. Die Veran­ nicht weiss, was ein ‹Barnetta› staltungshallen waren bis zum Bersist, kann ich mich für diesen Sport be- ten gefüllt, musikalisch gab es den Die Kuppel feiert derzeit ihr 15-jährigeistern. Am liebsten guck ich je­einen oder anderen Leckerbissen und ges Jubiläum. Vor 20 Jahren pro­ weils die dritte Halbzeit, schade nur, jede Menge Cervelat-Prominenz zu visorisch errichtet, ist sie bislang fast dass diese von keinem Sender beäugen. Ich will noch keine Prognowww.roxyrecords.ch unverändert geblieben. Bevor der übertragen wird. Um meiner Geilheit se wagen, wünsche mir aber, dass www.setandsekt.com multifunktionale Kulturbetrieb heiter für Schlägereien und wüsten Worte es dieser Kulturbetrieb schafft, wenitrotzdem nachkommen zu können, habe ger ein BOA-Ersatz, sondern mehr weitergeht, sind im Gebiet Heu­ ich mich deshalb entschlossen, in waage einige Umbauarbeiten geplant. eine Veranstaltungsplattform für innodie eigens für FCL-Fans eröffnete Das Gebiet Zoo-Eingang und vative Künstler und Musikbegeisterte Kneipe ‹Zone 5› zu pilgern, um da mal zu werden. Man darf gespannt sein. Heuwaage soll bis 2012 aufgewertet www.suedpol-luzern.ch den ‹Homo Hooliganus› in Aktion werden. Zum einen weicht die zu erleben. Es scheint, als hätten die alte Holzkuppel einem modernen umWährend der Euro08 war die ‹BaSozialarbeiter der Stadt Luzern für gekehrten ‹Brotkörbchen›, ver­ balabar› temporär geöffnet. Manuel dieses Projekt allerhand in Bewegung gleichbar mit dem ‹Vogelnest› der Alvarez arbeitete danach intensiv gesetzt! Als ich in diese Beiz kam, Olympiade in Peking. In zwei bis !! Warnung an alle Hipster !! Ihr müsst drei Jahren kann der 4,5 Mio. Franken daran, das traditionelle ‹Bagi› wieder herrschte da eine Stimmung wie bei dauerhaft zu betreiben – vorerst einer Geburtstagsfeier der Amischen. euch jetzt nicht die Pulsadern aufteure Bau stehen, welcher von schneiden, um nachzusehen, ob ihr Ich wollte schon umkehren, um der Kuppel Foundation finanziert wird. vergebens. Dagegen haben sechs auch neonfarben blutet. Und ruft Parteien Einsprache erhoben. dem Barchef Blumen mitzubringen. Da die Heuwaage von Verkehr, mich auch nicht an, um nachzufragen, Nur der rosa Regenbogen fehlte Beton und einem Gassenzimmer be- ‹Sie glauben, der Lärm werde sie stören›, so Alvarez zu Blick am zur absoluten Vollkommenheit irdischer ob das bei mir geklappt hat. Ich herrscht wird, sind auch Pläne will euch hier auf eine vollkommen neue Abend. Typisch für Basel, LärmklaGlückseligkeit. Keine betrunkenen vorhanden, das Gassenzimmer zu Partyserie aufmerksam machen, gen an fast jeder Cityecke! MehrVermummten, keine Aggression, nur verlegen und von Heu­waage welche am 20.12.08 in der Jazzkantine zum Nachtigallenwäldeli eine attraktive mals traf er sich mit Anwohnern und die Begeisterung fürs runde Leder ihre Premiere feiert. Da wird nicht liess ein unabhängiges Lärmgut­ und jede Menge Shots teilten sich Fussgängeranlage zu errichten. nur getanzt, da wird epileptisch rumachten erstellen – die Einsprachen den Raum. Negativ am Abend war Bevor jedoch gebaut werden kann, gefuchtelt, da wird nicht einfach blieben aber. Alvarez wollte die dann eigentlich nur die Auswechsmuss noch die Zonenplan­änderung lung meinerseits noch vor der ersten Party gemacht, da wird eine Orgie Ende des Jahres vom Parlament ab- ‹Babalabar› eigentlich im Oktober steigen und bis zur Bewusst­losigkeit eröffnen, die Behörden lehnten Halbzeit und der Alkohol, welcher gesegnet werden. www.kuppel.ch gefeiert. Es ist wieder Knicklichterdies jedoch ab. Der Ball liegt nun sich um den Thon-Maissalat vom Saison und Hipster run off. beim Bauinspektorat. Die Hoff­Nachmittag auf meinem Duvet dribnung ist noch da, eine Bewilligung Die Jungs dürfen sich wieder die Radbelte… zu erhalten. Geplant, wäre einem ge­ www.zone5.ch ler umbinden und mit Hakle füllen, hobenen Publikum ab 23 Jahren ein die Mädels dürfen von mir aus auch im internationales Musikkonzept zu Eva-Kostüm kommen. Scheisst ab bieten. Wünschenswert, wenn das jetzt alle auf Bildungsfernsehen, bringt ‹Zwangsehe mit Chancen›, titelte Vorhaben siegt und den Stadtkern einfach eure Eltern mit, Monster X Dass die BOA tot ist, wissen inzwidie Basler Zeitung, als bekannt wur- belebt. Wer beim Barfüsserplatz aus Grenoble, Schnauz und die Hood de, dass die Designerboutique wohnt, muss mit Lärm rechnen, Tag schen auch die hinterletzten Knastin- Regulators werden dann schon mitsassen, allerdings scheinen gewisse tels Street Bass, Powerrave, Country‹Set and Sekt› (bisher in der Markt- und Nacht. Disco-Bar ‹Babalabar› Luzerner damit noch immer rumzuhalle, Viaduktstrasse) ab Mitte core, Baltimore und Bailefunk er­ harzen. Dessen unbeirrt hat die Stadt klären, warum ihr in der Schule so November in das Parterre von Roxy Gerbergasse 76 binnen kürzester Zeit ein neues Records einzieht und sich die schlecht seid. Ihr dürft an diesem Kulturzentrum die Wände hochgezo- Abend machen, was ihr wollt, nur bitVermieter ins Obergeschoss zurückgen, welches – laut eigener Aus­ ziehen. Die beiden Läden blei­te, bitte, bitte lasst diese Shutter Shasagen – bislang einzigartige Synergi- des und den gottverdammten Tektoben durchlässig, aber operativ geen verschiedener Institutionen trennt. Fakt ist: Roxy Records, nik-Scheiss. Das ist furchtbar!! Ab und Kunstsparten unter einem Dach 22.00 Uhr gehts los. Eintritt CHF 15.– das legendäre kleine Plattenfach­ www.myspace.com/korsett vereinen soll. Natürlich soll es das. geschäft in Basel, verringert Korrespondent: Philipp Bibbo Brogli Alter: Alter, frag nicht immer… Beruf/Berufung: Entertainer Lieblingsbar: www.artstuebli.ch Lieblingsclub: Hirscheneck Hotspot des ­M onats: Glühweinstand am Weihnachtsmarkt, baslerweihnacht.ch

kultkuppel

das Angebot. Die Krise der Musikindustrie und die Downloadkultur sorgen dafür, dass unabhängige Läden stärker leiden. Nur wer sich auf Nischen konzentriert wie Klassik, Jazz oder die lokale Szene hat noch Chancen. Nun wird in Kombina­tion mit ‹Set and Sekt› ein Modell übernommen, welches zum Ziel hat, das Sortiment zu erweitern und damit neue Käuferschichten zu locken. Der Trend scheint nicht aufhaltbar. Soeben hat Orange die Citydisc Läden übernommen und entwirft dafür neue Shopkonzepte.

Korrespondent: KackmusikK Alter: 26 Beruf/Berufung: arroganter Tankwart Lieblingsbar: Bar Mitzvah Lieblingsclub: Club Seventeen­ Hotspot des Monats: Texana Reinigungsservice

zone 5

babalaaaabaaaar!

i bleed neon

set & records

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südpol


bern

st.gallen

Korrespondent: Xymna Engel Alter: Blutjung Beruf/Berufung: Schnüfflerin Lieblingsbar: Café Kairo Lieblingsclub: Wasserwerk Club Hotspot des M ­ onats: Die rote Bahn im Bremgartenwald

nämlich Billardtische aufgestellt, auf denen man die weis­se Kugel im Griff hat und nicht umgekehrt.

Während der Guezliteig zu Hause aufgeht, tut dies auch die Galerie Madonna# Fust, die von der Rathausgasse an den Federweg 22 gezogen ist und der dort nun ganze 500qm für Ausstellungen zur Verfügung stehen. 2in1 ist in diesem Fall mal nicht Garantie für die Ausbreitung von Schuppen, sondern von Kunst, denn man hat mit der Neuen Galerie zusammengespannt. Zur ersten Ausstellung ‹Shaping Landscapes› in den neuen Räumlichkeiten werden die Künstler Lena Huber, Filip Haag, Rolf Siegenthaler und Jacqueline Baum eingeladen, das Thema Landschaft, das in einer langen kunstgeschichtlichen Tradition steht, mit einer frischen Brise zu durchwehen.

Damit da mal was Unvorhersehbares drunter liegt, gibt es diesen Winter wieder die Aktion X-Mas Tape. Einfach ein 60minütiges Tape aufnehmen, sich zweifach Mühe geben, ein gutes Cover zu gestalten, verpacken und einsenden (die Adresse gibts auf www.sunshinetime.ch). Vor Heiligabend werden alle Tapes durcheinandergewirbelt und so landet ein Fremdes in deinem Kassettenplayer, der sich freuen wird, mal wieder beachtet zu werden. Ganz im Gegensatz zu all den ordinären Geschenken, die dann wohl einpacken müssen.

Korrespondent: Die Gebrüder Gallus Alter: 30/31 Beruf/Berufung: Barkeeper/ Journalist Lieblingsbar: Sawadee Bar Lieblingsclub: Prestige Hotspot des monats: Abbruchhaus

glow

Es glüht draussen in der AFG-Arena. Der dritthöchste Zuschauerschnitt der ganzen Fussballliga, und das bei einem Nati-B-Club! 12’000 Leute gehen durchschnittlich den heiss ge­ liebten FCSG schauen, auch bei Grottenkicks gegen Grottenteams (ja, ich gebe es doch noch zu: sie Vom Africana erzählen uns noch unsere ist nicht schlecht geworden, die AreEltern. Deep Purple und solche na). Bei Clubs sind die St.Galler Sachen hätten dort gespielt, damals scheinbar wählerischer als beim Fuss­ als man die Haare noch vorne ball. Der Glow Club hat da draus­und hinten lang trug. Aus der einen sen aufgemacht, mit Platz für 1’500 St.Galler Clublegende wurde Leute. Nun geben die Macher eine nächste: Das Ozon, so schien bekannt, dass sie ab sofort das Proes, würde es immer geben, doch gramm umstellen. Keine Konzerte vor etwa sechs Jahren gab Johnny mehr, nur noch DJs. Nein, es sei nicht Lopez auf. Seither sind viele wegen der Leute, es habe um die Clubs an der Goliathgasse ein- und 600 Besucher jedes mal. Der Buschausgezogen, doch so was heim­ funk meldet uns allerdings viel eliges wie das Ozon war nicht dabei. weniger. Ausserdem meldet er: Es Am 5. Dezember öffnet nun der habe dort offene Kühlschränke, ‹Quantum Club› in den Räumlichkei- die aussehen wie in der Badi. Es sehe ten seine Türen. Die Macher aus wie eine Disco in den 90ern. beziehen sich aufs Ozon: Das alte Kleiner Tip: Stellt mal den Marc Ozon werde zwar nicht mehr wie­ Zellweger als DJ an, im Glow. Wenn derkommen, aber jetzt gebe es wie- nur ein Zehntel der FCSG-Fans der etwas für die alten Hasen, wegen unserem höchsteigenen Fussschreiben sie in ihrer Facebook-Grup- ballgott ins Stadion gehen, werden pe. 70er, 80er, 90er sollen ge­sie auch wegen ihm ins Glow marspielt werden, und sogar eine ‹Reschieren. Nicht wegen Luna. www.glowclub.ch member Ozon Night› mit dem echten Johnny Lopez an den Plattentellern soll es einmal geben. Doch mit dem Ozon hat das irgendwie nicht mehr viel zu tun. Das Ozon war nicht cool wegen der Exklusivität, eher das Gegenteil. Der Quantum Club aber ist ein Mem- Aber es gibt auch Lichtblicke im Dezember: Ratatat spielen am berclub, und was für einer. Mem­ berkarten kriegt man von Goldmem- 1. Dezember im Palace und Tiefschwarz am 26. im KUGL. Und, bers, und Goldmember wird man mit dem dicken Portemonnaie. 1000 ach ja: abbruchhaus bietet am 24. im Badhaus endlich mal eine AlFranken legt man hin für die Karte. Man kommt dann gratis rein und kriegt ternative zur Weihnachtsparty in der Legobar. Muss man an WeihnachGetränkegutscheine im Wert von 800 Franken. Wer Goldmember wird, ten nicht dauernd fürchten, be­ trunken diese abgetretene Treppe setzt also auf das Prinzip Hoff­nung: Die Hoffnung, dass das Quan- ohne Geländer runterzufallen. Merry Christmas! tum offen bleibt, bis er zumindest www.abbruchhaus.net die 800 Stutz versoffen hat.

über von frischer weihnachts- quantum brise bäume club

frisch gebackenem

bis zur weihnachtsgans

Wer will nach den Festtagen schon aussehen wie eine Weihnachtsgans? Gegen die Fettschicht hilft nur eines: vor Familienfesten Hier gibts nichts Verbranntes im flüchten, raus gehen und spielen. Ofen, sondern nur Brandneues aus Dafür ist es zu kalt und wir zu den Ateliers. Bis zum 24. Dezemalt? Nanein, beim Playground zählen ber werden im PROGR nicht nur Ar- diese Argumente nicht. Vom 25. beiten von PROGR-Künstlern Dezember bis zum 03. Januar finden gezeigt, sondern auch auf das natio- im Kornhaus DJ Battles, Pokernale Netzwerk zurückgegriffen. ‹In turniere, eine Modeschau, die obliProgress› ist nicht nur der Titel diegate Silvesterparty mit The Mask ser Ausstellung, sondern für die Ber- und das Big Bubi Bingo statt. Die nerInnen hoffentlich auch ein Aufruf, Gänse werden’s uns danken. weiter für den Fortbestand dieses Kulturzentrums einzustehen.

schneebällen

abbruchhaus

www.quantumclub.ch

Wer kein Hochgefühl verspürt, wenn ihn eine kalte, weisse Kugel im Nacken trifft, flüchtet lieber ins 3Eidgenossen. Im 1. Stock hat der Verein 8er Ball seit diesem Sommer kinki

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Kein Blutregen in Winterthur: Slayer in der Schweiz

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ls ich im Jahre 1986 als Jugendlicher zum ersten Mal die Schallplatte Reign in Blood von Slayer auf den Plattenteller legte und mir die brutalen Riffs des Trash Metal-Klassikers Angel of Death um die Ohren schlugen, spürte ich augenblicklich, dass diese Platte an Intensität für immer unschlagbar war und sie den goldenen Thron im Olymp meiner Lieblingsalben einnehmen würde. Die Lieder der ‹härtesten Platte aller Zeiten›, wie die Musik-Zeitschrift Kerrang damals berichtete, waren mit Plutonium betriebene Dampfwalzen, die in meinem jugendlichen Gehör alles bedingungslos niederwalzten. Slayer wurden zu meinen unumstrittenen musikalischen Helden. Nach dem Aufenthalt im South of Heaven, einer Season in the Abyss und weiteren vier Studioalben später, machten Slayer im Zuge der Unholy Alliance Tour Halt in der Eishalle Deutwang in Winterthur und ich hatte die Ehre, Kerry King, den Gitarristen und Kopf von Slayer zu treffen, um ihm ein paar Fragen zu stellen. Slayer ganz persönlich, ein lang gehegter Jugendtraum wurde Wirklichkeit. Dementsprechend gross ist die Aufregung, als ich ungeduldig vor dem Eingang zum Backstage an der Wand lehne und darauf warte, dass mich der dicke Manager der Band ins Innere winkt. Was für ein Mensch ist dieser Kerry King wohl, den ich nur von Videos und Fotos kenne und der jahrelang als RockHard-Poster über dem Kopfende meines Bettes gehangen hatte. Dieser angsteinflössende, vor Muskeln strotzende, glatzköpfige Kraftklotz mit langem Ziegenbart, dessen Körper über und über mit Tribal-Tätowierungen bedeckt ist. Wird er mich bei der kleinsten falschen Frage zerfleischen, bis ich den letzten Atemzug getan habe, so wie es Slayer im Song Piece by Piece singen, oder mir mit seinem Nagelarmband, welches er früher auf vielen Konzerten trug, die Milz durchlöchern? Welche Persönlichkeit steckt hinter diesem über Jahre aufgebauten Bild? Natürlich war alle Aufregung überflüssig, denn ein freundlich lächelnder Mister King öffnet mir die Türe, nimmt seine Sonnenbrille ab, gibt mir einen festen Händedruck und bittet mich höflich auf der Couch Platz zu nehmen. Jetzt weiss ich, Kerry King ist auch nur ein ‹normaler Mensch›, wie er von sich selbst behauptet, ‹wenn er nicht gerade auf der Bühne steht.› Das beruhigt ungemein. Ich stelle das von Kerry King bewunderte Diktiergerät an und nutze die Gelegenheit, Slayer meine Huldigungen auszusprechen, was er mit einem netten ‹Cool!› quittiert. Von nun an steht er mir aufmerksam Rede und Antwort. ‹Mr. King, vor einigen Tagen gab es eine historische Präsidentschaftswahl in den USA. Was erwarten sie von ihrem neuen Präsidenten?› Ohne Pause: ‹Tiefer als jetzt kann man den Karren nicht in den Dreck fahren. Also viel Glück!› meint er. ‹Ich bin kein besonders politischer Mensch, aber ich finde das wirklich spannend. Denn Kinder mit schwarzer Hautfarbe erkennen, dass sie die Chance haben, Präsident werden zu können, wenn sie nur wollen. Diese Wahl ist deshalb ein grosser Durchbruch und das liebe ich daran.› Beim Fotoshooting treffe ich Kerry King wieder und sehe auch die restlichen drei Mitglieder der Band. Die Zeit hat unverkennbar Spuren in ihren Gesichtern hinterlassen. Etwas verwirrt darüber, dass auch Helden altern können, begebe ich mich im Anschluss in die vorderste Reihe der ‹Slayer... kinki 25


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‹ …Pumped with fluid, inside your brain Pressure in your skull begins pushing through your eyes…› — Angel of Death (1986)

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Slayer!› skandierenden Menge. Eine erwartungsvolle Stimmung liegt in der Luft, die sich wie ein Sommergewitter entlädt, als Slayer die Bühne betreten und dem tosendem Publikum die ersten Töne um die Ohren blasen. Jawohl, denke ich augenblicklich, sie können es noch immer, als ein Nackenbrecher auf den anderen folgt. Slayer mögen älter geworden sein, Lieder wie South of Heaven, Dead Skin Mask und Live Undead jedoch sind zeitlose Klassiker, die jeden Metalhead die Freudentränen in die Augen treiben. Meine Enttäuschung ist allerdings gross, als der von mir so sehnlich erwartete Blutregen auf der Bühne beim Song Raining Blood ausbleibt. ‹Das mit dem Blutregen war Jeffs Idee gewesen. Doch früher hatten wir nicht genug Geld, um ihn uns leisten können›, hatte Kerry King im Interview erzählt und umso erstaunter bin ich, dass es kein Blut regnet. Haben Slayer Geldprobleme? Doch dann muss ich doch lächeln, als ich mich daran erinnere, wie Kerry King und ich uns gefragt haben, wie wohl Zöllner reagieren würden, wenn man mit einem LKW voll mit Blut an die Grenze kommt und man auf die Frage, ob man etwas zu verzollen hat und was sich da im Anhänger des LKWs befindet, nur mit ‹Blut!› antwortet. Die Nackenmuskeln beginnen vom Headbangen zu schmerzen, die Stimme versagt vom Mitsingen der Lieder, trotzdem endet das Konzert viel zu früh. Der Grund ist wahrscheinlich der, dass für Slayer jetzt erst die richtige Arbeit beginnt, denn laut Kerry King ist das Reisen von Punkt A nach Punkt B für Slayer die wirkliche Arbeit. ‹Jeder von uns hasst das Reisen im Bus.› Also verlasse auch ich die Eishalle, steige ins Auto und begebe mich auf die Heimreise. Natürlich schiebe ich die alte Kassette mit Reign in Blood in das Kassettenfach des Autoradios und stelle die Lautstärke auf Maximum. Als ich dröhnend durch die menschenleere und sternenklare Nacht fahre, weiss ich genau, dass es für Slayer wie für viele Normalsterbliche niemals heissen wird Hell awaits, denn mit Reign in Blood, dieser härtesten Platte aller Zeiten, haben sie sich längst unsterblich gemacht. Text: Boris Guschlbauer Fotos: David Spaeth

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Dead, deader, Slayer! Die vier zwielichtigen Gestalten haben sich in der Geschichte des Metals schon l채ngst unsterblich gemacht.

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‹querschläger› Alles, ausser angepasst. J.P. Love: ‹Wie im richtigen Film…›

Tage, da ist sie im­mer ein wenig niedergeschlagen›, meint J.P., als er die kleine Hündin mit den grossen Augen auf seinen Arm hebt.

den. Vor allem ist es schwierig, eine Beziehung aufzubauen, da die Leute sich immer gleich sehr distanziert verhalten, wenn ich ihnen meinen Beruf verrate. Meine letzte ernste Wie wird man vom Banker zum Beziehung habe ich beendet, bevor Erotik-Star, J.P.? das Ganze richtig angefangen hat. Ich machte ein Praktikum bei einer Privat gesehen ist der Beruf durchSchweizer Grossbank, danach aus mit Problemen verbunden, doch arbeitete ich viele Jahre als Devisen- das nehme ich in Kauf. broker. In die Erotikbranche gelangte ich eigentlich eher zufällig. Ich Wie kam es zu deiner Gesangskarriere? hatte bereits einige kleine Rollen am Stadttheater Bern und in anderen Das Singen war schon immer eine grosse Leidenschaft von mir. Ich nahm Theaterhäusern gespielt. Ausserdem war ich auch immer wieder mal immer wieder an Karaoke-Wettbe­ als Travestiekünstler tätig. Bei einem werben teil, sang auch in meiner Travestieshow. Als ich später beim dieser Auftritte in Grenchen lernte ich den Produzenten Ivo Ganz kennen, Fernsehen arbeitete, lernte ich einen Produzenten kennen, der mit mir der drehte damals gerade seine Heidi-Filme. Wir kamen miteinander einen Song aufnahm. Ich bin schon in Mallorca aufgetreten und habe in ins Gespräch und er bot mir eine der Schweiz schon über vierzig KonRolle in seinem Film an. zerte gegeben. Ich liebe die Bühne Hattest du nie Probleme, die einfach, irgendwie ist das halt meine Anforderungen zu erfüllen, die an Welt! einen Pornodarsteller gestellt werden?

Meine Filme haben ja meistens einen komödiantischen Touch. Natürlich muss ich ‹ou a d Seck›, aber eigentlich war das nie ein Problem. Beim ersten Dreh lief das schon wie geschmiert. Was hältst du von der Erotikbranche im Allgemeinen? Viele Leute suchen sich diesen Beruf ja nicht einfach aus persönlicher Vorliebe aus, sondern aus Geldnot.

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ie Welt J.P.’s drehte sich um Börsen- und Devisenkurse, bis er eines Tages sein Leben umkremp­elte und Erotik-Star wurde. Es folgten eine eigene Fernsehsendung, zahlreiche Moderationen und eine Karriere als Schlagersänger. In den letzten drei Jahren drehte J.P. Love über 50 Filme und ist gerade aus Mallorca zurückgekehrt, wo er die letzten Sze­nen für seinen neuen Streifen ‹J.P. in Mallorca› abdrehte. Der quirlige Mann empfängt uns in seiner Wohnung in Bern, wo sich die Koffer und Kisten stapeln. ‹Sorry, bi grad am Zügle›, entschuldigt sich J.P., der wie immer seine Halsketten, die ge30

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tönte Brille und die schwarze Lederhose trägt. Sein gelbes Sakko liegt fein säuberlich zusammengelegt auf dem Bett. Im Flur hängt ein Stillleben, daran ein Latexhöschen. Nach einigen Umwegen führt uns J.P. ins Wohnzimmer, wo kunstvoll be­maltes Porzellange­schirr in einer Vitrine auf den grossen Umzug wartet, darüber die zahlreichen Auszeichnungen der Erotikbranche und unzäh­ligen Karaoke-Urkunden, welche die Wände schmücken. Misstrauisch beäugen uns seine beiden kleinen Hunde während des Interviews von ihrem Körbchen aus. ‹Queeny ist läufig. Das sind die letzten

Natürlich empfehle ich diesen Beruf niemandem, aber wenn man einmal dabei ist, muss man auch hinter diesem Entscheid stehen. Aus meiner Sicht ist dieser Beruf nichts Schlimmes. Man tut ja niemandem weh damit. Ausserdem konsumieren fast achtzig Prozent der Bevölkerung Pornographie. Ich denke, fast jeder wäre gerne mal ein Pornostar, aber die meisten fürchten sich vor einem Imageschaden, und machen es deshalb versteckt oder gar nicht.

Was macht J.P. Love denn eigentlich, wenn er nicht gerade auf der Bühne oder vor der Kamera steht?

Ich kümmere mich sehr viel um meine Hunde Balu und Queeny, sie sind wahrscheinlich mitunter das Wertvollste in meinem Leben. Ausserdem schaue ich oft bei meiner Mutter vorbei, die wohnt gleich hier in der Nähe. Des weiteren versuche ich natürlich immer ein bisschen fit zu bleiben, gehe ein paar mal die Woche ins Training, treffe Freunde und schreibe fürs Cherry-Magazin eine regelmässige Kolumne. Wann ist etwas erotisch und wann wird es schmuddelig?

Hm, das ist schwierig. Die Grenze verläuft für jeden woanders, denke ich. Erotik beinhaltet eine gewisse Ästhetik, ganz egal, was man zeigt. Auch eine ‹Dirty›-Szene lässt sich erotisch darstellen, wenn man das will. Allerdings ist schmuddelig ja nicht immer etwas Schlechtes, manchmal hat auch eine schmuddeWas war das Seltsamste, was du je lige Szene ihren Reiz. am Pornoset erlebt hast?

Hm, das war damals in einer Szene der Heidi-Filme. Plötzlich wurde es nass um meine Lenden, das Mädchen machte mir weis, ich hätte sie zum Orgasmus gebracht, doch in Wahrheit hatte sie mich einfach ‹angeschifft›. Im ersten Moment war ich damals natürlich stolz, aber als man mich dann aufklärte, fand ich es peinlich und eklig. Welche Auswirkungen hat dein Job auf dein Privatleben?

Vor der Kamera gibt man viel von sich selbst preis, natürlich ist das auch mit privaten Problemen verbun-

J.P., in bestem Alter, lebt mit seinen Hunden Queeny und Balu in Bern, liebt Winnethou-Filme, Schlagermusik und House. Er sammelt grosse Uhren und ausgefallene Sonnenbrillen. 2010 wird ein Dokumentarfilm über das Leben von Jean Paul, alias J.P. Love veröffentlicht werden. Der Film ‹J.P. in Mallorca› erscheint Mitte Dezember, gerade rechtzeitig zu Weihnachten Weitere Info und Projekte unter www.jplove.de Text und Interview: Rainer Brenner Foto: Daniel Tischler



Phänomenologie der Bohlitik, Teil I

Der Chic des Unpoli­tischen Obama ist Präsident. Während seines Wahlkampfs wurde eins klar: Die Amis feiern Politikbegeisterung, während wir Europäer uns in Politikverdrossenheit suhlen. Chronische Phantomkrankheit oder eine behan­delbare Immunschwäche? Politologen hirnen gegenwärtig über das Phänomen des Unpolitischen und Starkomiker Massimo Rocchi reflektiert ernsthaft und laut über den Stellenwert der Politik in seinem Leben.

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in ganz normaler TV Donnerstagabend im November. Obama siegt und mit ihm die Welt, die nun alles kann. ‹Yes, we can› ist der erfolgreichste Slogan aller Zeiten. Er drückt schlichtweg das Versprechen aus, dass Chancengleichheit möglich ist. Tausende von Fans schreien und tanzen im NY-Stadtkreis Harlem einen LED-Bildschirm an. Dabei illustriert er lediglich die aktuellsten Wahlstatistiken. Für den weinenden Vater ist es nun klar: auch sein Sohn könnte Präsident des mächtigsten Staates werden. Gib dem Volk Perspektiven und schon frisst es dir aus der Hand. ‹That’s fantastic!› denke ich, und merke, dass mir George Bushs Lieblingssatz gerade über meine mentalen Lippen gekrochen ist. Ich bin genug beeindruckt und zappe weiter. Jö, welcher Wonneproppen lacht mich denn da an? Es ist der Zürcher Politiker Mauro Tuena in seinem viel zu grossen, viel zu altbackenen Anzug. Seine süsse, kleine Stupsnase lässt mich erahnen, dass es beim nächsten Politikbeitrag um etwas Versautes geht. Der Lokalfernsehsender gönnt Tuena gerade eine Testfahrt mit dem neuen Maserati. Meine für moralische Warnmeldungen zuständige Hirnzone stellt auf Stufe 1, als sich Tuenas Beweggrund für sein Tun unnötig präzisiert. Es sei schon immer sein Traum gewesen, diesen coolen italienischen Sportswagen zu fahren. Da versucht Obama die Welt zu retten, während Tuena seine Träume erfüllt. Ich erlebe meine erste TVKatharsis. Gegenwärtig interessieren mich lokalpolitisch nur noch Tuenas peinliche Indiskretionen. Bin ich deshalb schon bei der Bohlitik angelangt? Mein Taktgefühlt findet, ich sollte wegzappen. Der Begriff der Bohlitik beschreibt sehr schön, in welche Ungnade die Politik gefallen ist. In einem Müller-Milch Werbespot mit Dieter Bohlen wirbt der TV-Zampano für die Mitgliedschaft in der MüllerPartei und fordert: ‹Unser Land soll becher werden.› Bohlens Desavouieren der Classe Politique findet seinen Höhepunkt in seiner letzten, sehr pointierten Aussage: ‹Jetzt brauch ich endlich mal

Was kann man gegen PolitikVerdrossenheit tun? Charismatische Politiker wählen!

Die Schweiz hat Nachholbedarf in punkto ‹politische Sexyness›.

was Ehrliches.› Der deutsche Bundestag reagierte vehement auf diese Unverschämtheit. Die Politikerklasse als intrigantes Pack? Ja, meine ich. Denn Politiker müssen um Macht kämpfen, müssen intrigant und windig sein, müssen Mätzchen schlagen. Alles andere als Ehrlichkeit erwarte ich von ihnen. TV darf ruhig diesen Umstand nutzen, um unsere kathartischen Bedürfnisse zufrieden zu stellen.

Ein Zwischenfazit meiner politischen TV-Tour: Politiker biedern sich im TV an. Ihr medialer Opportunismus ist zu durchschaubar.

Der Weg von der Politik zur Bohlitik ist nur ein Sendeplatz entfernt. Hier massregelt Deutschlands blondester, bestgebräunter und so was von selbsternanntester Demagog unbescholtene Talente! Ein kleiner süsser Bube interpretiert ‹It’s a Wonderful World› von Louis Armstrong. Er wird doch nicht… ahne ich. Viel lieber hätte ich, wenn Bohlen unseren Mauro an die Kandare nehmen würde. Indes mutiert der Bube zum Adoptivwunschkind Deutschlands und, wie hinreissend: zu Bohlens Dompteur. Der sonst rigorose Talentverweigerer gibt sich wohlwollend pädagogisch. Bohlen vertröstet Louis Armstrong Junior auf die nächste Staffel. Telegenes Wohlwollen, nicht Wohlergehen gehört zu einer wichtigen Rampensautugend. Deshalb ziehe ich mir die Talentshow bis zum

Schluss rein und finde, dass Bohlitik mehr Chic als Politik hat. Kaum gedacht, meldet sich Obama wieder in der genannten Hirnhälfte, die fürs Wegzappen zuständig ist: A zap has come to meine 3 Zimmerwohnung an der Birmensdorferstrasse. Und schon geht’s zappendüster weiter! Der Aloevera-Politiker Sebastien Girod an einer Passantenlage. Ich ahne Böses: Mauro Tuena zerrt den Offroad-Hasser zu einer Testfahrt mit dem neuen Porsche Cayenne SUV. Mein Wunsch geht nicht in Erfüllung: Der telegene Bursche sammelt irgendwelche Unterschriften und will uns sein Durchsetzungsvermögen beweisen. Sebastien Girod ist ein gutes Gegenbeispiel dafür, dass Eifer und Einsatz keine Sympathielieferanten sind. Denn wer sieht schon gern verkrampfte Leute? Und weil er meine Erwartungen nicht erfüllen kann, zappe ich weg. Yes, I can! Ihre Sache, für die sie kämpfen, hat von vornherein Gültigkeit, ja Legitimität. Dabei merke ich, sie arbeiten an der Wählerfront, ohne dies offenzulegen. Man könnte mir als Secondo das Stimmund Wahlrecht nachwerfen, ich würde es nicht nützen wollen. Und dies, weil weder unmittelbarer Nutzen noch Prestige für mich herausspringen. Als Politologe (ja, ich habe studiert, und ich bin stolz drauf) weiss ich, dass Charisma Politikverdrossenheit bezwingen kann. Meine Berufsgenossen haben herausgefunden, wie die schweigende Mehrheit geeicht ist: Im Rahmen einer Nachuntersuchung zu den Parlamentswahlen 1999 stellten sie fest, dass die schweigende Mehrheit ausgesprochen vielfältig ist: Zu den eigentlich Politikverdrossenen – sie haben kein Vertrauen mehr in die Politik – wurden in der Erhebung nur gerade sieben Prozent der Nichtwähler gezählt. Rund ein Viertel der Abstinenten hat zwar grundsätzlich Vertrauen in die Politik, ist aber entweder schlecht kinki 33


Was haben Italien und die USA gemeinsam? Sie haben beide eine Persönlichkeit an der Spitze – so oder so.

informiert und fühlt sich nicht kompetent oder aber ist sozial isoliert und hat niemanden, um sich über politische Fragen auszutauschen. Ein weiteres Drittel der Nichtwähler fühlt sich zwar kompetent und integriert, ist aber ganz einfach desinteressiert: Diese Abstinenten kümmern sich nicht um das politische Tagesgeschäft und bleiben somit auch am Wahltag den Urnen fern. Schliesslich nehmen gemäss Studie 36 Prozent der schweigenden Mehrheit als politisch Interessierte nicht bei nationalen Wahlen, wohl aber bei Sachabstimmungen teil – wenn sie sich von einer Vorlage persönlich betroffen fühlen, sei dies emotional oder materiell. Schon klar: Repräsentanten in ein politisches Gremium zu wählen ist aus der Sicht des Wählenden bei weitem nicht so effizient, wie bei Sachabstimmungen tatsächlich politische Entscheide mitzubestimmen. Denn Sachabstimmungen haben einen viel unmittelbareren Betroffenheitsgrad. Als italienischer Staatsbürger (mit Geburtsort Baden) würde ich nicht mal an solchen teilnehmen. Die Chance, dass ich das Zünglein an der Waage wäre, ist im Grunde gleich null. Zudem: Die Schweiz verfügt über eine unglaubliche Dichte politisch aktiver Nichtregierungsorganisationen. Ob Mauro Tuena dem Schweizer Schweinezucht- und Schweineproduzentenverband vorsteht, ist mir unbekannt. Für eine Vielzahl von gesellschaftlichen Anliegen gibt es einen entsprechenden Verband. Dies ist auch dem politischen 34

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System der Schweiz zu verdanken: Im Entscheidungsfindungsprozess beziehen die Regierenden die Regierten in Form von Interessengruppen als Experten und Betroffene ein. Politik ist zwar für Regierte dadurch erleb- und beeinflussbar. Die Regierenden haben es in dieser Fülle von Partizipationsmöglichkeiten jedoch schwer, sich selber zu präsentieren. Obama, der einmal im Leben bei der Wählerschaft so richtig punkten muss, hat’s leichter. Das Phänomen der Politikverdrossenheit ist in Italien stärker ausgeprägt als in der Schweiz. Da ändern auch die Ausschweifungen von Berlusconi nichts, der kürzlich zu Obamas Wahl sagte: ‹Ein dynamischer, junger und gleich gut gebräunter Mann wie ich.› Italiener reden lieber über politisches Geplänkel als über Politik. Mein Vater, ein eingewanderter Italiener, gab mir bei zahlreichen politischen Diskussionen beim sonntäglichen Essen zu verstehen, dass sich der Italiener als (schlecht) regierte Manövriermasse von Obliegenheiten beziehungsweise als ohnmächtiger Beobachter versteht. Jeden Abend prasseln endlose Diskussionen in Polittalkshows über die Mattscheibe auf die müden, unterhaltungshungrigen Augen des italienischen TV-Bürgers. Opposition und Regierung führen sich dabei erbarmungslos auf: Intrigen, Machtspielchen, Doppelzüngigkeiten nehmen dem Italiener die Lust und das Selbstverständnis, Politik als interessanten Bestandteil seines Lebens zu sehen. Um so geringer ist sein Vertrauen in die politischen Institutionen. Jedes

Kind weiss, dass man im politischen Zusammenhang mit ‹Mortadella›, der Bezeichnung für eine fetthaltige Wurst, den aus Bologna stammenden ehemaligen Ministerpräsidenten Romano Prodi meint. Und wer redet schon gerne über Dinge, welche Kinder ebenso verstehen. Text: Valerio Bonadei Illustration: Raffinerie Valerio Bonadei war als Mitarbeiter eines Filmverleihs bisher (und weiterhin) für die Filmrezensionen im kinki zuständig. Dank dieser Schreibarbeit hat Valerio seine Begeisterung für die Bohlitik wiederentdeckt. Den Weg vom Film zur Bohlitik- also einer traschigen Spielart der seriöseren Politik- bahnte ihm ein Gespräch mit dem Komiker Massimo Rocchi. Das Interview inspirierte ihn dazu, die Bohlitik zu durchschauen und schätzen zu lernen.


Gute Menschen wählen gute Politiker, die gute Gesetze machen – so einfach könnte das sein. Meint der wirblige Sprachjongleur und mit dem ‹Salzburger Stier› sowie dem ‹Prix Walo› ausgezeichnete Komiker Massimo Rocchi. Valerio Bonadei: Massimo, bist du mit deinem Leben zufrieden?

Massimo Rocchi: Ja. Ich lege viel Wert darauf, Erfahrungen zu machen. Mein Leben ist ein Work in progress. Ich bin ein sehr sensibler Mensch, der seine Umwelt stark wahrnimmt. Ich bin dankbar für all jene Erfahrungen, die ich bis jetzt gemacht habe, und ich freue mich auf all jene Erfahrungen und Erlebnisse, die mir noch bevorstehen. Ich bin von wunderbaren Mitmenschen umgeben, meinem Publikum kann ich Freude bereiten. Viele Seiten von mir habe ich entdeckt und ausgelebt, und ich weiss, dass in meiner Seele noch weitere unbekannte Seiten schlummern. Diese würde ich gerne noch entdecken. Woher rührt aus deiner Sicht die Tatsache, dass für viele Leute Politik schlicht uninteressant ist?

Unsere Vätergenerationen haben den Krieg miterlebt. Sie haben das Versagen von Politik hautnah erfahren. Heute ist es schwer, politische Taten zu erkennen, weshalb Politik nicht erfahrbar ist. In der Schweiz fehlt es an nichts. Uns geht es gut. In der Schweiz trennt selbst Christoph Blocher den Abfall, es ist total normal. – Die Schweizer Politik ist zu unbemerkbar, weil sie zu lokal ist. Es fehlt ihr im Vergleich zu Deutschland oder Spanien der grössere internationale Wirkungskreis. Ein Beispiel: Joschka Fischer wollte während seiner Amtszeit nichts mit den Amerikanern zu tun haben, heute lehrt er an amerikanischen Universitäten Politik. Al Gore geht mit dem Thema Umweltpolitik auf Tournee. Deutschland oder sogar Zapateros Spanien sind auf globaler Ebene viel wichtiger und präsenter als die Schweiz. In der Politik geht es um Macht, um Taten. Für junge, impulsive Menschen ist Politik im kleinen Rahmen zu wenig anziehend. Bei der alltäglich spürbaren Politik, wie sie uns in Auseinandersetzungen im Fernsehen gezeigt wird, sind Ergebnisse und Taten kaum ersichtlich. Kann Politik das Leben verändern?

Nur wenn sie ein Gesetz schreibt und verabschiedet. Sonst ist Politik umsonst. Muss ein Politiker ein guter Mensch sein?

Ein guter Politiker ist der, der gute Gesetze macht. Gut sind diejenigen Gesetze, die Toleranz und Entwicklung bei allen fördern. Braucht das gute Leben die Politik?

Nicht das Leben, sondern das Zusammenleben braucht die Politik. Kannst du dich an deinen ersten politischen Gedanken erinnern? Wann war das?

Als ich 13 Jahre alt war, beschloss die Schulleitung eines Tages, dass ein Teil der Schüler aus Platzmangel am Morgen und ein anderer Teil am Nachmittag zur Schule kommen müsse. Einer

meiner Freunde warf aus Protest einen Stein in ein Fenster. Wir wurden zunächst alle zum Schulleiter zitiert. Er fragte zuerst, wer es gewesen sei, und meinte im selben Atemzug: ‹Du, Massimo, kannst es nicht gewesen sein.› Ich war empört darüber, dass der Schulleiter mich nicht als Täter in Betracht zog, nur weil ich Sohn von Professore Rocchi war. Ich kämpfte darum, dass ich es sehr wohl hätte sein können. Diese erfahrene Ungleichbehandlung ist wohl der Ursprung für meine Politikleidenschaft. Die Politik soll Gerechtigkeit herstellen – darum geht es. Talente und Fähigkeiten sind bei der Geburt nicht gerecht verteilt. Kann die Politik einen Ausgleich schaffen?

Nein, kann sie nicht. Es könnte aber sein, dass ich morgen durch eine Erfahrung das Gegenteil behaupte. Ich bin wie ein Heft mit vielen unbeschriebenen Seiten. Natürlich ist jemand, der in den Banlieues aufwächst, weniger begünstigt als jemand, der wohlbehütet ist. Ich habe in den 50 Jahren meines Lebens gelernt, dass man den Menschen mit Erziehung und Bildung vor viel Leid und Unglück schützen kann. Ich rede auch als Vater von zwei Kindern. Bildung ist wohl die beste Investition in die Zukunft unserer Jugend. Ich kann zum Beispiel nicht verstehen, weshalb Psychologie nicht als Fach in der Schule angeboten wird. Ich bin ein sehr sensibler Mensch mit Ängsten, wie jeder andere auch. Wichtig ist, dass man diese Ängste akzeptiert. Der psychologisch geschulte Umgang mit Affekten wie Wut oder Angst liesse die Gesellschaft anders aussehen und damit wohl auch die Bedeutung von Politik steigen. In deiner neuen Show spielst du auf die anrüchige Verbandelung zwischen wirtschaftlichen und politischen Interessen von Silvio Berlusconi an. Kann man Berlusconi mit Blocher vergleichen?

Nein. Heutzutage gibt es diese Tendenz, dass Industrielle vermehrt im politischen Betrieb mitmachen – ‹es isch eso›. Es gibt aber einen wesentlichen Unterschied zwischen diesen beiden Charakteren. Christoph Blocher hat sich gesagt: Okay, ich war ein erfolgreicher Wirtschaftsboss, ich bin reich, jetzt gehe ich in die Politik. Natürlich ist er noch Aktionär seiner ehemaligen Betriebe, und bestimmt gibt er seine Empfehlungen ab. Aber Silvio Berlusconi ist dank der Politik zu einem erfolgreichen Geschäftsmann geworden. Das ist ein wesentlicher Unterschied. Dieser Mann besitzt Medien, er hat kurz vor den Wahlen das Wahlgesetz zu seinen Gunsten geändert. In der Schweiz wäre das kaum vorstellbar. Stellst du einen unterschiedlichen Stellenwert der Politik bei Schweizern und Italienern fest?

Ganz sicher. In der Schweiz geniesst die Politik einen viel höheren Stellenwert als in Italien. Der Italiener ist ein Egoist, er führt ständig einen Überlebenskampf, er ist ein ‹Furbo›, ein Schlaumeier. Ich bewundere den englischen Schauspieler Rowan Atkinson in seiner Paraderolle des Mr. Bean. Einfach wunderbar. Mr. Bean ist ein gieriger Opportunist, er verschaukelt Menschen, ohne sich um die Folgen zu

kümmern. Das trifft auch auf den Durchschnittsitaliener zu. Gäbe es morgen um 8 Uhr einen Ausverkauf im Media-Markt, stünde Mr. Bean um 7 Uhr 45 in der ersten Reihe. Wehe, jemand würde sich vordrängeln. Beim Italiener kommt noch etwas hinzu: Er ist auch ein sehr sensibler Mensch mit der wohl besten Wahrnehmung. Aber er ist unfähig, seine Emotionen zu artikulieren und zu verarbeiten. Der Schweizer hingegen ist sozial eingestellt. Mein Nachbar geht mich etwas an. Der oder das andere ist nicht so fremd, wie es in Italien ist. In der Schweiz ist das Bewusstsein, dass Strassen, Lampen und Häuser erbaut und unterhalten werden müssen, präsenter. In Italien sind diese Dinge eine Selbstverständlichkeit. Zuweilen ist der Spürsinn für soziale Gerechtigkeit in der Schweiz vergleichsweise fast zu stark ausgebildet. Ein Beispiel: Ich kenne einen Kontrolleur bei der SBB. Am Morgen treffe ich ihn im Zug, und obwohl er mich kennt, fragt er nach meinem Generalabonnement. Er weiss, dass ich eins habe, denn er ist mein Freund. Aber ‹es isch eso›. Und wenn ich am Abend mit dem Zug nach Hause fahre und er mich wieder im Zug antrifft, dann muss ich ihm wieder das Generalabonnement zeigen. So etwas ist kaum vorstellbar in Italien. Findest du es gut, wie es in der Schweiz läuft?

Schwierig zu sagen. Ein anderes Beispiel: Es gilt, einen Job zu vergeben, und ich kenne jemanden, von dem ich sagen kann, dass er die Kompetenzen für die Stelle hat. In Italien ist klar: Ich gebe diesen Job diesem Bekannten – weshalb sollte ich mir die unnötige Mühe nehmen weiterzusuchen? Hier in der Schweiz teile ich meinem Team mit: Ich kenne da jemanden, ich finde, er passt hervorragend zur Stelle, er kann das. Dennoch schaltet man ein Stelleninserat, und es werden alle Kandidatenprofile gecheckt. Ich finde, dies zeichnet die Schweiz aus. Das ist gelebte Fairness. Kennst du die Redewendung ‹Soi Häfeli, Soi Deckeli›?

Nein. Er bedeutet: Hilfst du mir bei diesem Problem, helfe ich dir beim anderen. Die Schweizer Politik ist für ihre Durchlässigkeit verschiedenster Interessen bekannt. Über 3000 gut organisierte Verbände nehmen Einfluss auf die Gesetzgebung und helfen bei der Durchsetzung der Gesetze. In Italien gibt es lediglich Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Staat. Die Schweizer Demokratie ist wohl die perfektere?

Ich gebe dir Recht, aber die Schweiz gibt es schon seit über 700 Jahren, während die italienische Demokratie etwa 150 Jahre alt ist. Insofern kann ich diesen Unterschied gut nachvollziehen. Interview: Valerio Bonadei

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‹ zehn minuten mit› Zeitgenossen und Weltbürgern. Francesca Lavazza: Kunst und Koffein

Francesca: Eigentlich ist der Kaffee nur eine Ausrede für mich gewesen, mich der Fotografie zu widmen. Kunst ist in unserer Familie omni­präsent, sie ist in die DNA der Lavazzas integriert. Wie ein Espresso ist die Fotografie eben sehr direkt und kommt schnell zum Punkt, eine sehr zugängliche Form der Kunst. Sie wirkt sofort. Und wie hat die Tradition der Lavazza-Kalender begonnen? Haben Sie sich gedacht ‹Was die Pirellis können, können die Lavazzas schon längst›?

Mein Bruder hat 1993 durch Zufall Helmut Newton kennen gelernt und war fasziniert von der Idee, einen Kalender mit ihm zu machen. Wir sind bei der Idee geblieben und haben seitdem jedes Jahr einen Kalender gemacht. Mit bekannten Fotografen wie Ellen von Unwerth, David LaChapelle oder wie dieses Jahr mit Annie Leibovitz. Ist es nicht ein bisschen zu einfach, nur mit etablierten Foto­ grafen zusammenzuarbeiten?

Das tun wir ja nicht, wir bieten auch Nachwuchsfotografen eine Plattform. Zuerst ist die Idee für das inhaltliche Konzept da, dann suchen wir den geeigneten Fotografen für das Projekt. Im vergangenen Jahr haben wir mit einem jungen schot­ tischen Fotografen zusammengearbeitet, den fast noch niemand kannte. Und was macht mehr Spass, mit den Newcomern oder den alten Hasen einen Kalender zu machen?

Giuseppe Lavazza, Annie Leibowitz, Francesca Lavazza und Fabrizio Esposito: Die Lavazzas verkaufen den meisten Kaffee und kennen die interessantesten Künstler der Welt.

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n einer der zahlreichen Lounges im römischen 5-Sterne-Hotel Exedra sitzt mir eine müde, aber freundlich lächelnde Frau gegenüber, die mir sichtlich gezeichnet von den zahlreichen Interviews und einer anstrengenden Nacht ihr charmantestes ‹Gudd morrrning!› entgegen wirft. Francesca Lavazza ist etwa Mitte Dreissig und sieht aus wie eine Angestellte bei der Postfinance. Tatsächlich leitet sie aber mit ihrem Bruder Giuseppe Lavazza den Weltmarktführer der Kaffeeröster – und nebenbei ist sie auch als so genannter Corporate Image Director für den Konzern tätig. In dieser Funktion hatten die Beiden in 36

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der vergangenen Nacht den neuen Lavazza-Kalender 2009 in der Villa Miano in Rom präsentiert, der dem berühmten Pirelli-Kalender mit seinen verführerischen Darstellungen der Weiblichkeit bald den Rang ablaufen könnte. Denn wie ihre italienischen Kollegen, die in ihrem Fall möglichst viele Autoreifen verkaufen wollen, scheuen auch die Lavazzas keine Kosten und Mühen, um ihre gerösteten Bohnen mit dem Image weltbekannter Fotografen aufzuladen. Aber was genau hat Kaffee mit Fotografie zu tun?

Das hat beides seine Reize. So jemand wie Annie Leibovitz ist ein­fach eine Person, die genau weiss, was sie will und wie sie dahin kommt. Wir hatten beispielsweise die Idee, auf einem Motiv ein Model mit einem rotem Kleid zu zeigen. Da sagte Annie nur: ‹Ich fotografiere keine roten Kleider.› – und das Thema war gegessen. Wir haben stattdessen jetzt ein ganz wundervolles Motiv mit einem weissen Kleid. Das stimmt. Aber Sie haben meine Frage nicht genau beantwortet.

Ja, also ehrlich gesagt ist es na­ türlich schon auch anstrengend, mit den Stars zusammenzuarbeiten – sie haben eben ihrem eigenen Kopf. Insofern ist ‹Spass› vielleicht nicht immer das richtige Wort, eher eine Arbeitssituation. Aber das ist ja auch das Konzept unseres Kalenders: Express yourself! Die Interessen des Kunden sind in manchen Fällen zweitrangig, Hauptsache ist, dass

das Bild stark ist. Und mit diesem Rezept haben wir bisher schon einige schöne Kalender herausgegeben. Dann war es nicht Ihre Idee, also die des Hauses Lavazza, auf jedem Bild im 2009er Kalender eine Kaffee-Tasse auftauchen zu lassen?

Nein, im Gegenteil. Ich dachte mir, das wird dem Betrachter bestimmt zuviel. Aber Annie (Leibovitz) sagte: ‹Doch. Das müssen wir so machen.› Sie hat die Bildidee damit auf die Spitze getrieben und ihren ironischen Humor zum Ausdruck gebracht. Das ist Annie…

Eigentlich ist der Kaffee nur eine Ausrede für mich gewesen, mich der Fotografie zu widmen. Kunst ist in unserer Familie omnipräsent, sie ist in die DNA der Lavazzas integriert.

Kommen Sie bei Ihrem vollen Terminkalender überhaupt selbst noch zum Fotografieren?

(Lacht) Kaum mehr. Aber ich habe mich sowieso immer mehr als Betrachter verstanden und nicht als Künstler. Wenn ich Urlaubsfotos schiesse, hat das nichts mit Kunst zu tun. Text und Interview: Matthias Straub Foto: Promo


St端ssy/Fuct/MHI/Undefeated/Wemoto/ Levi`s速 Vintage/Nike/adidas Originals/ Carhartt/Volcom/Zoo York/WESC/Forvert/ Denim Is Everything/RVCA/Lakai/Nixon/ Vans/KR3W/Supra/Lee/Edwin frontlineshop.com


Shove-it to Shanghai Unser Travelling Man Florian Renner begab sich auf eine Reise ins ferne ‹Land der ­Plagiate›. In Shanghai nahm der Fotograf aus Leidenschaft die Skateboardszene unter die Lupe und traf dabei auf alles andere als billige Kopien westlicher Vorbilder!

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ie passende Gelegenheit für einen Fototrip in die aufstrebende Volksrepublik bot die ‹Adidas Three Stripes Skate Hype Tour›, die im Herzen der chinesischen Hafenstadt eine Station fand. In einer Kunsthalle wurde erstmals die Vereinigung von Grafik, Kunst und Skateboarding zelebriert. Obwohl in Europa und den USA Kunst und Skateboarding schon seit einigen Jahren gemeinsame Wege gehen, ist diese Entwicklung in China noch ziemlich neu. Vertreten waren vorwiegend amerikanische Künstler, Grafiker und Illustratoren, und auch das Flair des Events war alles andere als asiatisch. Neben der kunstvollen Ausstellung stand auch ein Skateboard-Contest auf dem Rahmenprogramm. Doch auf den etlichen Ramps und Ledges verwirklichten sich nicht nur die Skateboarder selbst, sondern auch die Künstler, die den Parcours zuvor designt und bemalt hatten. Kunst und Skateboarding, verschmolzen zu einer Einheit. Die anfänglichen Bedenken, dass man sich wohl mit Händen und Füssen verständigen werden müsse, bestätigten sich glücklicherweise nicht. Viele der Skateboarder sprachen Englisch, dem kommunikativen Austausch zwischen Ost und West stand also weniger im Wege, als gedacht. Auch bei den Skatern ohne englische Sprachkenntnisse blieb der Erfolg nicht aus: Es fanden sich etliche motivierte Übersetzer, die den Fotografen in seinem Vorhaben unterstützten,

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die besten und wagemutigsten Skater Shanghais vor die Linse zu bekommen. Die Einheimischen stellten sich als freundliche, zugängliche und stets lächelnde Menschen heraus, und genau so gaben sich die Herren auch beim Portraitieren.

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Witzig, cool und unbedarft präsentierten sie sich auch vor der Linse. Florian brauchte ihnen keinerlei Vorgaben zu machen, kein ‹Cheeese!›, kein ‹Bitte Lächeln!›. Anscheinend gehört es zur Kultur der Chinesen, das ernste Gesicht niemals zu zeigen. Und so kam es zu einer wunderbaren Zusammenarbeit mit den chinesischen Skatern, die ihren europäischen Freunden in keiner Weise nachstehen. Sie tragen dieselben Labels, fahren auf Boards, die in China produziert werden, es existieren Skateparks, aber auch auf den Strassen lässt es sich problemlos cruisen. Passanten erfreuen sich an den kleinen ‹Vorführungen›, man nimmt den Sport als Kunstform wahr, nicht als öffentliches Ärgernis, wie es hierzulande leider immer noch oft der Fall ist. Für die meisten Menschen im fernen China ist dieser Sport noch neu und die Tricks und Beweggründe, warum man diesen ausübt rätselhaft und spannend. Vielleicht dürfte sich das in den nächsten Jahren aber ein wenig ändern, denn Skateboarding boomt in China! Dadurch, dass an allen Enden und Ecken gebaut wird, verwandelt sich

Shanghai nach und nach mehr in einen architektonischen Skatertraum. Manche bekannten Skate Pros drehen ihre Videoparts derzeit in der fernöstlichen Metropole, wo die Wachmänner verwundert zuschauen, anstatt Strafzettel zu verteilen, und Marmor so üppig vertreten ist wie in der Schweiz die Pflastersteine! Doch in einem Aspekt unterschieden sich die chinesischen Skater massgeblich von ihren westlichen Kollegen, nämlich bezüglich ihres Styles. So fielen merkwürdige Stilbrüche auf, wie das Tragen von Ledermützen, das westlich der chinesischen Grenze nicht gerade typisch, geschweige denn kennzeichnend für einen Skateboarder ist. Wie die chinesische Mode im Allgemeinen, so erscheint auch die Garderobe der Brettsportler etwas bunter und schriller als in unseren Breitengraden. Trotzdem dürfte sich ein perfekt über den Schrauben gelandeter Trick wohl in jedem Skater-Herz dieser Welt gleich anfühlen, egal ob in China, in Afrika oder am Nordpol, unter bunten T-Shirts, Lederhüten oder Baseballkappen. Und dieses Gefühl ist es schliesslich, was alle verbindet. Text: Evi Mavrogiannidou Fotos: Florian Renner


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S E CO N D LI F E R E V I S ITE D : M E I N E R S TE R CY B E R-S E X 2TE R TE I L Ich möchte noch mehr Cyber-Sex austesten, habe aber keine Lust, in Second Life zu daten, um virtuelle Girls herumzukriegen – es ist mir zeitlich schlicht ein zu grosser Aufwand. Deshalb entscheide ich mich zu einem Schritt, der das Ganze naturgemäss um einiges vereinfacht: Ich mache einen Sex-Change – und werde selbst zu einem Girl.

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n Second Life genügt ein einziger Klick, um aus einem männlichen Avatar einen weiblichen zu machen. Lediglich ein paar Feinanpassungen sind nötig, um die Körperproportionen und Gesichtszüge noch etwas femininer zu gestalten. Mein weiblicher Avatar ist klein, zierlich und hat eine eher geringe Oberweite – anders als die meisten anderen Frauen in Second Life, die meist vom Typ Supermodel sind. Als Girl brauche ich natürlich eine neue Garderobe. Ich besorge mir ein Outfit ganz in Schwarz: schwarze Leggins, ein schwarzes Top, schwarze Ballerinas sowie eine Pony-Frisur in Schwarz. Dazu trage ich die Lederjacke meines männlichen Avatars. Als Accessoire besorge ich mir eine Woody Allen Nerd-Brille. Ich sehe aus wie ein intellektuelles Goth-Girl: eine Mischung aus Emily the Strange und dem Charakter Willow aus der TV-Serie Buffy the Vampire Slayer. Ich persönlich halte meinen Avatar für sehr attraktiv – wäre ich ein echtes Girl, ich würde auf mich stehen. Ich gehe zurück an den Sexy! Beach, um mich in vertrauter Umgebung nochmals auf den virtuellen Swinger-Markt zu werfen. Wie anzunehmen war, gestaltet sich die Kontaktaufnahme als Frau um einiges einfacher: schon nach kurzer Zeit werde ich von Typen per Textnachricht angesprochen. Es ist eine angenehme Abwechslung, mal nicht selber die Initiative ergreifen zu müssen. ‹Hallo süsse Lady›, begrüsst mich ein grossgewachsener und muskulöser Avatar namens Kailan Miles*. Kailan trägt ein hellblaues Hemd, schwarze Bellbottom-Hosen mit Hosenträgern sowie eine kleine Hippie-Sonnenbrille mit roten Gläsern. Kai-

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lan will wissen, was ich in Second Life so treibe. ‹Ich checke die virtuelle Swinger-Szene aus›, antworte ich geradeheraus. ‹Und du?› – ‹Mal sehen, was so passiert›, hält er sich bedeckt, schickt dann aber noch ein ‹:)› hinterher. Im Gespräch lasse ich durchblicken, dass ich durchaus an virtuellem Sex interessiert wäre. Ich trete allerdings etwas zu offensiv auf, da ich mich noch nicht richtig an meine neue weibliche Rolle gewöhnt habe. Kailan scheint von meiner direkten Art eingeschüchtert zu sein, denn er agiert sehr zögerlich. Dabei ist es offensichtlich, dass er etwas von mir will. ‹Es gibt sicher viele Leute hier, die es sehr gerne mit dir tun würden›, stellt er orakelnd fest. ‹Woher willst du das wissen?›, versuche ich ihn aus der Reserve zu locken. ‹Naja, ich denke nur so›, weicht er aus. Dann, nach einer kurzen Pause, erscheint schliesslich ein ‹Also, ich würde es schon tun› im Chat-Fenster – ein bisschen lahm für meinen Geschmack. Er könnte ruhig etwas mehr Enthusiasmus zeigen. Ich führe Kailan rüber zum Pool, wo einige Badetücher mit integrierter Sex-Funktion liegen. Wir stellen uns auf eins der Tücher. ‹Bist du bereit?›, frage ich ihn. Kailan aktiviert seinen Penis. Dann gehe ich vor ihm auf die Knie – und beginne seinen Schwanz zu lutschen. Nur damit wir uns hier nicht falsch verstehen: Ich bin weder schwul noch bisexuell. Ich bin nicht in Second Life, um irgendwelche unbefriedigten Bedürfnisse auszuleben. Ich sehe Cyber-Sex einfach als das, was er objektiv ist: zwei Avatare, die computeranimierte Bewegungen ausführen – nichts weiter.


‹Wenn bei Second Life alles möglich ist…›, denkt sich unser Autor, ‹…dann kann ich mir auch einen Frauenkörper verpassen.›

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‹Ah, es ist sehr geil›, stöhnt Kailan, während ich ihm den Blowjob gebe. ‹Du machst es wie ein Pro›, schwärmt er. Ich überlege mir, ob sich Kailan wohl einen runterholt. Aber ich glaube es nicht, denn im Chat-Fenster erscheinen fortlaufend Stöhngeräusche und Anfeuerungsrufe – ich schätze, dafür braucht er beide Hände. Nach einer Weile wird mir das Blasen langweilig und ich frage Kailan, ob sein Avatar auch kommen kann: Es gibt bestimmte Penis-Modelle, die über eine Cumshot-Funktion verfügen. ‹So etwas Ähnliches›, antwortet Kailan. Kurz darauf entlädt sich eine blau funkelnde Orgasmus-Wolke aus Kailans Schwanz. Es sieht aus wie eine Explosion oder Supernova, deren blauer Lichtkegel sich in alle Richtungen ausbreitet. ‹Hier›, kommentiert Kailan trocken. ‹Schöner Cumshot›, quittiere ich. Jetzt wechseln wir die Position: Ich ziehe mich aus und lege mich auf den Rücken. Kailan lobt meinen Body, dann kniet er sich vor mir nieder und beginnt meine Pussy zu lecken. Der Vorteil eines weiblichen Avatars ist, dass man sich nicht zwingend ein extra Geschlechtsteil besorgen muss. Eine Oberflächentextur, die über Schamhaare verfügt, genügt – allfällige darunter liegende Details kann die Second Life-Grafik ohnehin kaum darstellen. Wenn man allerdings unten rum rasiert sein möchte und es realistisch wirken soll, braucht man auch als virtuelle Frau ein extra Geschlechtsteil. ‹Du schmeckst so gut›, schwärmt Kailan, während er zwischen meinen Beinen zugange ist. ‹Deine Pussy ist so geil und feucht›, steigert er sich immer mehr hinein. Ich schreibe aufmunternde Stöhnlaute ins Chat-Fenster. Allerdings habe ich nicht viel Zeit, um Sex-Geräusche von mir zu geben, da ich gleichzeitig noch Screenshots machen muss – schliesslich will ich meine Second Life Cyber-Sex-Mission fotografisch dokumentieren. Als ich genug Screenshots gesammelt habe, tippe ich ein ‹Uhhhmmmm› ins Chat-Fenster. Dies soll meinen Höhepunkt markieren. ‹Bist du gekommen?›, erkundigt sich Kailan. ‹Yeah›, bestätige ich. Nach dem Sex beeilt sich Kailan, unser Treffen zu einem Ende zu bringen: ‹Vielleicht laufen wir uns ja wieder mal über den Weg›, bemerkt er, um Coolness bemüht. ‹Ja, wer weiss›, füge ich dem hinzu – dann ist Kailan weg. Damit endet mein erstes richtiges Cyber-Sex-Erlebnis.

Nachdem wir eine Weile herumgemacht haben, legen wir uns auf den schmutzigen Lagerhallen-Boden.

Ich habe noch nicht genug und gehe zurück in die Sexy! Beach Sex-Arena. Schon nach kurzer Zeit komme ich mit einem Girl namens Mako3* ins Gespräch. Mir fällt auf, dass sie ungewöhnlich bieder gekleidet ist: Während im Sexy! Beach Latex und Strapse angesagt sind, trägt Mako3 einfache Jeans und ein hellblaues Strickjäckchen mit KaroMuster – ein Outfit, das man so auch im H&M kaufen könnte. Mako3 hat feuerrote Haare und einen dunklen Teint, was sehr unnatürlich wirkt, da Rot46 kinki

haarige normalerweise eher helle Haut haben. Ausserdem trägt sie sehr viel Makeup, was ihrem Äusseren eine zusätzliche Künstlichkeit verleiht. Irgendwie passt alles nicht zusammen: Der ganze Avatar wirkt auf undefinierbare Weise zusammengeschustert. Es fällt mir auf, wie ich die Second Life-Avatare mit der Zeit immer genauer abchecke – immer mehr Details stechen mir ins Auge, immer kritischer beurteile ich ihr Äusseres. Jolie vom Bang Brothers Club hatte schon recht, als sie sagte, dass die Ansprüche an die Avatare steigen, je länger man in Second Life ist. ‹Ich will Liebe machen›, offenbart mir Mako3, kurz nachdem wir uns kennengelernt haben. ‹Es tut mir leid›, entschuldigt sie sich für ihr hölzernes Englisch, ‹aber ich bin aus Japan.› – ‹Ist schon ok›, beruhige ich sie. Mako3 bietet mir an, mir ihren Lieblingsort in Second Life zu zeigen – ich bin dabei. Sie gibt mir einen geographischen Link und wir beamen uns weg. Mako3s Lieblings-Location stellt sich als eine Art leerstehende Lagerhalle heraus. Es ist ein riesiger Raum ohne Fenster, der bis auf eine Steinbank vollkommen leer ist. Der Boden und die Wände bestehen aus modrigen roten Ziegelsteinen, dazwischen ragen Pfeiler aus rohem Beton in die Höhe. Vereinzelte Fackeln tauchen die Halle in ein düsteres Licht. Die Szenerie wirkt ausgesprochen trostlos. Man kann richtiggehend die feuchte Kälte spüren, welche die Mauern durchdringt. Mako3 nimmt auf der Steinbank Platz und ich setze mich auf ihren Schoss. Dann beginnen wir zu knutschen. Die ganze Situation ist relativ schräg: zwei Girls, die vom Stil her überhaupt nicht zusammenpassen, knutschen in einer riesigen, abgefuckten Lagerhalle. Merkwürdigerweise macht sogar mein Avatar ein Gesicht, als ob er die Situation äusserst bizarr findet. Nachdem wir eine Weile herumgemacht haben, legen wir uns auf den schmutzigen LagerhallenBoden. Mako3 schickt sich an, mich im DoggyStyle zu vögeln. ‹Wie soll denn das funktionieren?› werfe ich verwundert ein. ‹Hast du einen StrapOn?› – Da verwandelt sich Mako3 ohne jegliche Vorwarnung in einen Typ: Mako3 ist jetzt ein grossgewachsener Bodybuilder mit langem schwarzem Haar, Hip-Hop-Jeans, weissen Nike-Sneakers und einer massiven Silberkette. Dachte ich’s mir doch, dass Mako3 kein Girl ist! Ihr Style war einfach zu wenig durchdacht. Frauen haben normalerweise einen besseren Sinn fürs Styling. Mako3 packt seinen grossen Schwanz aus und wir beginnen zu ficken. ‹Aaaaahaaaa› und ‹Qwuuuuuu›, stöhnt Mako3. Er fragt mich, wie alt ich bin. ‹18›, sage ich. ‹Ooooh, sehr schön!›, ruft Mako3 aus. Er teilt mir mit, dass er 35 ist. Dann ändern wir die Position: Wir vögeln jetzt in der Reiterstellung. ‹Yawwwww› , ‹Owowowo› und ‹Haw haw haw› keucht Mako3. Wir wechseln die Stellung abermals: Ich lege mich auf den Rücken, ziehe die Beine an und lasse mich von Mako3 lecken. ‹Du geile Füchsin›, stösst er zwischen meinen Schenkeln hervor. Dann, nach einem letzten Stellungswechsel, ist der Akt zu Ende: ‹Ich bin jetzt fertig›, informiert mich Mako3. ‹Vielen Dank.› Mako3 überschüttet mich mit Komplimenten und brennt darauf, mich wieder zu sehen. ‹Ich liebe dich›, gesteht er mir. Ich speise ihn mit der Bemerkung ab, dass wir uns ja vielleicht im Sexy! Beach mal wieder sehen. Dies scheint ihm zu genügen:

‹Ich küsse dich gut’ Nacht, meine Lady›, ruft er mir zu, bevor ich mich auslogge. Als virtuelles Girl ist mir der Reiz von CyberSex schon etwas klar geworden: Es ist spannend, mit den Leuten zu interagieren und zu sehen, wie sie sich beim Sex und bei den Gesprächen davor und danach verhalten. Es hat etwas von einer soziologischen Studie. Vor allem ist es interessant, als Typ mal die weibliche Perspektive zu erleben. Die Sprüche, mit denen man angesprochen wird und die Gespräche sind meist sehr transparent: Normalerweise weiss man schon nach dem zweiten Satz, worauf es hinausläuft. Man merkt auch, wie nervig es sein kann, wenn man immer dieselben Sprüche zu hören kriegt.

Böcke, Holzkreuze und Pranger laden dazu ein, fixiert und sexuell dominiert zu werden.

Ich kann mir vorstellen, dass Cyber-Sex durchaus erregend sein kann, wenn man sich ernsthaft darauf einlässt. Da es beim Cyber-Sex nicht wirklich um den Sex an sich geht, sondern mehr um das Drumherum, eignet er sich vor allem für Spielarten der Sexualität, die sich um einen Fetisch drehen. Denn dort tritt der eigentlich Sex ebenfalls in den Hintergrund zu Gunsten des fetischisierten Objekts oder der fetischisierten Praxis. Dies könnte auch eine Erklärung dafür sein, dass sich in Second Life so viele Gruppierungen mit abweichenden sexuellen Vorlieben angesiedelt haben. Zum Abschluss meines Second Life-Trips möchte ich deshalb noch eine Community kennenlernen, die sich einem sexuellen Fetisch verschrieben hat: Ich beschliesse, der BDSM-Szene einen Besuch abzustatten. Ich weiss auch bereits, wohin ich mich hierfür wenden muss: Am Sexy! Beach habe ich von einem Latex-Girl mit rasiertem Kopf die Adresse von einem Bondage Club namens Dark Pleasures* bekommen. Es soll sich dabei um den besten Ort für BDSM in ganz Second Life handeln – nur eingefleischte BDSM-Freaks hängen dort ab. Der Dark Pleasures Club befindet sich in einem grossen fensterlosen Backsteingebäude, das inmitten einer Wiesenlandschaft steht. Das Gebäude ist schmucklos und wirkt von aussen unscheinbar – drinnen jedoch offenbart sich ein aufwändig eingerichteter Raum, der an ein Schlossgewölbe erinnert: Den Eingang säumen schwere rote Vorhänge und der Fussboden ist mit massiven Steinplatten ausgelegt. Antike Möbel mit rotem Samtüberzug bilden im hinteren Teil des Raums eine Art Salon-Nische. An den rohen Ziegelwänden hängen grossformatige Bilder, die erotische Szenen und BDSM-Motive darstellen. Manche der Motive kippen bisweilen ins Kitschige – beispielsweise, wenn sie nackte Frauen in Sklaven-Ketten abbilden, die sich demütig weissen Tigern unterwerfen, oder gefesselte weisshäutige Nymphen, die auf Friedhöfen melancholisch zum Vollmond blicken. In der Mitte des Clubs steht eine hufeisenförmige Bühne, auf welcher mehrere Strip-Stangen angebracht sind. Neben der Bühne stehen zwei


runde Kerker. An den Stangen und in den Kerkern tanzen halbnackte Frauen in Latex-Anzügen. Um die Bühne herum sind Sessel angeordnet, in welchen sich ein gutes Dutzend BDSM-Fans niedergelassen hat. Eine BDSM-Arena schliesst sich links an die Bühne an. Eine Vielzahl von SadoMaso-Gerätschaften steht darin bereit: Böcke, Holzkreuze und Pranger laden dazu ein, fixiert und sexuell dominiert zu werden. Eine Menschentraube hat sich um eine junge Frau gebildet, die, geknebelt mit einem roten Gag-Ball, vornüber auf einen Bock geschnallt ist und darauf wartet, von hinten penetriert zu werden. Die Szene im Dark Pleasures Club ist um einiges mehr sophisticated und gestylt als diejenige im trashigen Sexy! Beach: Die Avatare sind sehr aufwändig gestaltet und es ist auffallend, dass fast jeder im Club einen sehr guten und individuellen Stil hat: Es gibt Cyber-Goth Techno-Jünger, schick gekleidete Herren im Anzug, BondageSklavinnen in Ganzkörper-Latex-Outfits, Oben-OhneDeath-Metal-Ritter und sogar ein weibliches Hasenwesen hoppelt mit ausgestreckter Zunge durch den Club. Die meisten Avatare haben eine fotorealistische Oberflächenstruktur, so dass die virtuellen Figuren sehr lebensecht wirken.

Wie sich herausstellt, ist der Teufel ein 35-jähriger Marketingspezialist aus London.

Ein weiblicher Avatar wird von allen möglichen Triebgesteuerten als Lustobjekt wahrgenommen. Denkt man sich…

Als ich den Club betrete, sticht mir als erstes ein grossgewachsener Dominator mit stachelbewehrtem Overall ins Auge, der zwei halbnackte Girls an Hundeketten führt. Die Sklavinnen knien vor ihm auf dem Boden und warten auf seine Befehle. Ich erfahre von ihm, dass die Anhänger der Sex-Sklaverei eine der grössten Fetisch-Gruppierungen in Second Life sind. Es gibt eine ganze Parallel-Welt in Second Life, die sich nur dem Thema Sklaverei widmet. Ich merke sofort, dass im Dark Pleasures Club ein ganz anderer Vibe herrscht als in den üblichen Second Life-Swinger Clubs: Es geht hier nicht um ein primitives Massen-Geficke – sondern um einen LIFESTYLE. Die Leute hier nehmen die Sache sehr ernst und ich werde viel mehr abgecheckt als anderswo. Meine Gesprächspartner wollen sich vergewissern, dass ich wirklich diejenige bin, die ich vorgebe zu sein. Man bittet mich beispielsweise, einige Sätze auf Deutsch zu schreiben, damit sie sehen können, ob ich wirklich aus Deutschland komme. Oder ich soll ihnen die Uhrzeit nennen – damit sie abchecken können, ob ich in der korrekten Zeitzone bin. Manche wollen mit mir auch ein paar Worte über den Voice-Chat wechseln, um sicherzugehen, dass ich wirklich eine Frau bin. Natürlich lehne ich dies ab – sonst würde ja meine falsche Identität sofort auffliegen. Manche beenden daraufhin sofort das Gespräch mit mir. Ich muss mir im Dark Pleasures Club grosse Mühe geben, dass ich wie eine Frau rüberkomme. Als ich einen Typ mit dem Standard-Spruch ‹Und, kommst du oft hierher?› anspreche, werde ich ausgelacht: ‹lol, das ist ein Spruch, den ich normakinki

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lerweise selbst benutze!› Dann schenkt mir der Typ eine Herrenunterhose – um mir zu zeigen, dass er meine falsche Identität durchschaut hat. An anderen Orten in Second Life hat bisher nie jemand an meiner weiblichen Identität gezweifelt. Obwohl im Dark Pleasures Club viele SexSpielzeuge herumstehen, geht im Vergleich zu anderen Swinger Clubs relativ wenig Sex-Action ab. Die meisten Leute die ich treffe, sind vor allem daran interessiert, mehr über mich zu erfahren. Es scheint die Leute mehr anzumachen, über BDSM zu sprechen, als es wirklich zu tun: ‹Erzähl mir von deinen Vorlieben›, ‹Was fühlst du, wenn du gefesselt bist?› oder ‹Macht es dich heiss, dich zu unterwerfen?› sind oft gestellte Fragen. Plötzlich betritt ein schwarzer Teufel den Dark Pleasures Club. Es ist ein riesiges muskulöses Tierwesen mit Pferdehufen, geschwungenen Bockshörnern, einer grimmigen Hundeschnauze und durchdringenden roten Augen. Der Avatar sieht aus wie Luzifer persönlich, direkt aus der Hölle kommend. Das Teufelwesen sticht mit seiner imposanten Erscheinung deutlich aus der Masse der Club-Besucher heraus. Es muss sich um eine geltungssüchtige und exzentrische Persönlichkeit handeln, die hinter dem Avatar steckt. Ich beschliesse, den Teufel kennenzulernen Wie sich herausstellt, ist der Teufel ein 35jähriger Marketingspezialist aus London. Wir sprechen eine Weile über Musik und Clubs in Berlin. Dann fragt er mich, was das Perverseste war, das ich bisher in Second Life gemacht habe. Ich erwähne den Blowjob – mein Sex-Erlebnis in der heruntergekommenen Lagerhalle verschweige ich diskret. ‹War der Blowjob an einem öffentlichen oder privaten Ort?›, will der Teufel von mir wissen. ‹Öffentlich›, informiere ich ihn. ‹Oh ja, das ist durchaus pervers›, bemerkt er lobend. Er fragt mich, wie ich mich dabei gefühlt habe. ‹Erniedrigt, aber gleichzeitig auch erregt?›, schlägt er vor. ‹Ja, genau so›, gebe ich ihm Recht. Meine Antworten scheinen dem Teufel zu gefallen – denn schon nach kurzer Zeit lädt er mich zu sich nach Hause ein: ins Herz der Finsternis von Second Life. Dies will ich mir auf keinen Fall entgehen lassen. Der Leibhaftige gibt mir seine Adresse – und wir beamen uns vom Dark Pleasures Club weg. Das Zuhause des Teufels ist eine moderne Villa im Stil der 1990er Jahre, die auf Pfeilern mitten im Meer steht. Das Gebäude ist rund und besteht aus drei Stockwerken, deren Wände vollständig mit grossen Panorama-Fenstern verglast sind. Eine ausladende Veranda zieht sich um die gesamte Villa. Wegen der runden Form und der schnörkellosen, geometrischen Bauweise erinnert das Gebäude an ein dreistöckiges UFO. Gleich neben der Villa liegt eine kleine Insel, auf der einzelne Palmen wachsen und Quellwasser aus einem Felsen sprudelt. Mein Avatar erscheint auf der Veranda, wo der Teufel bereits auf mich wartet. Er führt mich ins Haus. Der erste Stock besteht aus einem einzigen Raum, der sehr spartanisch eingerichtet ist. Der Raum wird dominiert von einem grossen Kerker mit feinmaschigen Gittern, der in etwa die Abmessung einer Gefängniszelle hat. An der gegenüberliegenden Wand steht ein weiterer Kerker. Dieser hat eine längliche Form und ist um ein Vielfaches kleiner: er ist gerade gross genug, dass ein Er48

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Sex entsteht vor allem im Kopf. Mit oder ohne Second Life.


wachsener auf allen Vieren hineinkriechen und sich ausgestreckt hinlegen kann. Als Sitzgelegenheit gibt es eine lange Sofabank in Rot – ansonsten ist der Raum leer. ‹Die Kerker sind für meine Sklavinnen›, unterrichtet mich das Teufelwesen. Ich erfahre, dass der Leibhaftige sich eine Reihe von Sex-Sklavinnen in Second Life hält. ‹Ich trainiere sie›, erklärt er mir. ‹Die Sklavinnen müssen mir stets zu Diensten sein. Ihre Aufgabe ist es, mir Vergnügen zu bereiten. Sind sie nicht gehorsam, bestrafe ich sie.› Dann fragt er mich: ‹Fantasierst du manchmal davon, auch eine Sex-Sklavin zu sein?› Ich zögere kurz, da ich nicht genau weiss, was ich darauf antworten soll. Dann sage ich: ‹Ich weiss nicht viel darüber – ich möchte noch mehr über BDSM erfahren.› Ich versuche als ein Girl rüberzukommen, das etwas unsicher und unerfahren ist, sich aber eventuell darauf einlassen würde. Der Teufel aktiviert eine Art Diashow, die an der Wand gegenüber dem Eingang erscheint. Zuerst zeigt er mir ein paar klassische Bondage-Motive, ähnlich wie die Bilder im Dark Pleasures Club. Er erklärt mir, was es bedeutet, eine Sklavin zu sein. Grundsätzlich geht es darum, sich vollständig für einen Meister aufzugeben und sich allen seinen Befehlen bedingungslos zu unterwerfen. Die Aufgabe des Meisters ist es, für die Sklavin zu sorgen, sie zu beschützen und ihr alle Entscheidungen abzunehmen – und sie zu züchtigen, wenn sie nicht gehorsam ist. Dieses Rollenspiel verschafft dem Meister ein Gefühl von Allmacht und väterlicher Fürsorge und die Sklavin gewinnt Lust daraus, alle Selbstverantwortung aufzugeben und die Gewissheit zu haben, dass von starker Hand für sie gesorgt wird.

‹Du darfst jetzt gehen – SKLAVIN›, beschliesst er daraufhin unser Gespräch.

Nachdem mich der Teufel in die BDSM-Philosophie eingeführt hat, zeigt er mir ein Foto einer seiner Sklavinnen. Es ist ein bizarrer Anblick: Auf dem Foto ist eine ECHTE junge Frau zu sehen, die nackt auf allen Vieren kauert. Vor ihr kniet ein nackter weiblicher Avatar in genau derselben Stellung. Das Mädchen und der Avatar haben eine bemerkenswerte Ähnlichkeit: es ist offensichtlich, dass der Avatar ihr Ebenbild darstellt. ‹Dies ist eine meiner Sex-Sklavinnen›, bemerkt der Teufel. ‹In Second Life – wie auch im richtigen Leben.› Er erklärt mir: ‹Ich befehle meinen Sklavinnen, mir Fotos von sich zu schicken. Die Fotos hänge ich bei mir in der Villa auf. Dann lasse ich die Sklavinnen als Avatare davor posieren – und mache davon Screenshots.› Der Teufel informiert mich, dass seine Sklavinnen auch im richtigen Leben seine Befehle ausführen. So schreibt er ihnen beispielsweise vor, welche Kleidung sie zu tragen haben oder wann sie das Haus verlassen dürfen. Ich will wissen, weshalb sich die jungen Frauen auf ein so weitgehendes Abhängigkeitsverhältnis einlassen. ‹Sie tun es, weil sie tief in ihrer Seele den Wunsch haben, Sklavinnen zu sein – Nutten, die benutzt und dominiert werden›, erklärt mir der

Teufel. ‹Sie haben das tiefe Verlangen, sich einem Fremden vollkommen zu unterwerfen. Es ist sehr erotisch und unglaublich erregend.› Während der Teufel spricht, sehe ich mich heimlich in der Villa um. Ich mache mir hierfür eine spezielle Funktion von Second Life zu Nutze, mit welcher man seinen Blick wie ein fliegendes Auge umherschweifen lassen kann. So kann ich das Gebäude erkunden, ohne dass sich mein Avatar vom Fleck bewegt. Im Dachgeschoss der Villa stehen zwei weitere Kerker sowie ein Kreuz mit Lederschnallen. Ansonsten gibt es dort nichts Besonderes zu entdecken. Ich beschliesse deshalb, mich im Keller umzusehen. Langsam manövriere ich meinen Blick in den Keller hinab. Ich gelange in einen Raum mit einem Fussboden aus Glas, der den Blick auf die Meeresoberfläche freigibt. Der gläserne Fussboden ist beinahe bündig mit dem Meer, so dass es so aussieht, als bewege man sich direkt übers Wasser. Was ich im Keller entdecke, verschlägt mir die Sprache: Im Kellergewölbe ist eine riesige Galerie mit Fotos von Sex-Sklavinnen. Dicht an dicht hängen die Bilder auf sternförmig angeordneten Stellenwänden – es muss sich mindestens um zwei Dutzend Sklavinnen handeln. Auf den Bildern ist immer jeweils ein echtes Foto neben dem entsprechenden Second Life-Avatar zu sehen. Wie auf dem Bild, das mir der Teufel zuvor gezeigt hat, nehmen die jungen Frauen und ihre Avatare meist dieselbe Körperhaltung ein. Sie sehen sich erstaunlich ähnlich, so dass echter Mensch und digitales Ebenbild bisweilen kaum voneinander zu unterscheiden sind. Die Sklavinnen sind überraschend hübsch. Ich hätte nicht gedacht, dass sich so viele gutaussehende Frauen in Second Life aufhalten – geschweige denn, dass sie sich hier der Sklaverei hingeben. Die Frauen auf den Bildern sind teils bekleidet und teils splitternackt. Tragen sie Kleider, wurde penibel darauf geachtet, dass die Kleidung in der richtigen Welt mit derjenigen des Avatars übereinstimmt. Sind die Frauen nackt, sind ihre Körper oft mit erniedrigenden Sprüchen beschriftet: ‹Nutte› , ‹Fick mich› oder ‹Sex Sklavin› sind auf die nackten Körper geschmiert – immer übereinstimmend auf die echte Person und ihr vituelles Ebenbild. Die Galerie im Keller ist grotesk. Sie ist ein Sinnbild für die Verschmelzung von Virtualität und Realität. Die real-virtuellen Doppelwesen stehen für eine sich am Horizont abzeichnende neue Lebenswirklichkeit, in welcher die Trennlinie zwischen Mensch und digitaler Existenz verschwimmt. Hier, im Keller des Teufels, wird augenscheinlich, dass Second Life nicht eine abgetrennte Welt ist, die isoliert im Cyberspace existiert. Im Gegenteil: Second Life strahlt in die richtige Welt aus und interagiert mit ihr – und übernimmt bisweilen sogar Kontrolle über sie. ‹Viele kommen nach Second Life, um ihre geheimen Wünsche auszuleben, bevor sie es auch in der richtigen Welt probieren›, erzählt mir das Teufelwesen. ‹Es ist eine sichere Art, seine Neigungen kennenzulernen.› Der Teufel versucht mich zu verführen: ‹Ich spüre, dass auch du tief in deiner Seele geheime, unerfüllte Wünsche hegst. Du willst mehr über BDSM lernen, habe ich recht?›, fragt er suggestiv – ich bejahe. ‹Gut›, spricht der Teufel. ‹Ich werde dich als Sklavin trainieren.› Er befiehlt mir, das BDSM-Buch ‹The Story of O› zu

kaufen und mich wieder bei ihm zu melden, wenn ich es gelesen habe. Dann werde das SklavenTraining beginnen. ‹Du darfst jetzt gehen – SKLAVIN›, beschliesst er daraufhin das Gespräch. Nach knapp einer Woche in Second Life wurde ich bereits als Sex-Sklavin rekrutiert. Dies ist für mich der Zeitpunkt, meine Second Life CyberSex-Mission zu einem Ende zu bringen: Ich habe virtuellen Sex kennengelernt und in die dunkelsten Abgründe des Cyber-Fetischismus geblickt. Dabei habe ich am eigenen Körper erfahren, wie leicht es ist, in den Sog der virtuellen Welt gezogen zu werden. Ich erinnere mich daran, was mir Tori in den Jungles of Schendi erzählt hat: ‹Second Life ist eine Fantasie. Denn die Erfahrungen entstehen in deinem KOPF – nicht in den digitalen Oberflächen. Darin liegt auch die Kraft von Second Life begründet: die virtuelle Welt erweitert deinen Geist – und macht dich zu einem anderen Mensch.› Text: Max Celko Illustration: Raffinerie Für alle, die den ersten Teil verpasst haben: Auf www.kinkimag.ch findet ihr den Artikel noch mal in voller Länge, sowie zahlreiche Bilder von Max’ virtueller Exkursion. *Namen sind geändert

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Custom Klötze

2008 jährt sich die Erfindung des Legosteins zum 50. Mal. Während zu Beginn einfachste Landschaften, Häuser und klobige Männchen die Lego-Welt besiedelten, fand ich mich als Brut der 80er Jahre vor die Herausforderung von Krankenhäusern, Polizeistationen, Raumstationen, Burgen und Schlössern gestellt.

I

n diese Zeit fällt auch – gemeinsam mit meiner sinkenden Faszination für den Stein, der die Welt bedeutet – der Aufstieg einer Community, welche weit über den herkömmlichen Umgang mit Lego hinausging und verschiedene Anhänger der Mecha-Lego-Roboter in sich vereinigte. Die Bewegung, vorerst von ein paar begeisterten Exoten vorangetrieben, entwickelte sich mit der Anwendung des Internets zu einer organisierten Gesellschaft, in welcher über die einzelnen Kreaturen – vornehmlich Roboter – diskutiert, philosophiert und im ständigen Wettkampf um die Entwicklung der aussergewöhnlichsten Fabrikate mit harten Bandagen gekämpft wird. Eine der häufig erwähnten Seiten ist lugnet.com, die Mutter der Lego-Community. Extrem cool ist foundrydx.com, die Seite für custom brick design and development, wo sich allerhand Kreaturen in farbenprächtigen Rüstungen tummeln. Auf brickarms.com wiederum kann man sich die dazugehörige Waffe besorgen. Jedoch nur für die kleinen, herkömmlichen LegoFiguren. Ein Mecha würde sich nie mit einer vorgefertigten Waffe aufs Schlachtfeld wagen. Alles an einem Mecha ist in künstlerischer Virtuosität zusammengesteckt.

Mücke oder Bolide?

Die Erschaffer dieser Kampfroboter legen grossen Wert auf Unikate. Jedes Exemplar ist anders beschaffen. Sie unterscheiden sich merklich durch ihre Grösse, ihre Masse und durch die Waffen, welche sie tragen, in ihrer Statur und ihren Fähigkeiten und das existenziellste aller Unterscheidungsmerkmale: Sind sie Pflanzen- oder Fleischfresser. Da wären einerseits diejenigen Kreationen, welche sich eher an Insekten orientieren, mit langen schlanken Gliedern, Libellenflügeln und kleinen spitzigen Köpfen. Auf der anderen Seite ziehen die Stiernacken – eine Truppe aus gepumpten Plastikboliden – muskulös, gross, mit schwerer Artillerie in ihren Händen in den virtuellen Zweikampf. Eine ungemein männliche Angelegenheit also. Farbiges Plastik zusammenstecken, Klotz für Klotz, in Gedanken an eine Zeit, wo Kraft und Waffen das schönste Frauenherz der Sippe erzwangen, dabei leicht murmelnd, technische Probleme beklagend, getrieben von der Sehnsucht, den perfekten Kämpfer, der man selbst gerne wäre, zu erschaffen. Ich muss gestehen, von der Faszination Modellbau seit jeher angesteckt gewesen und darum in dieser Sache höchst subjektiv zu sein. Auf brickcommander.com bekommt man ziemlich 50

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deftige Kost vorgesetzt. Die Mechas werden in Gruppen aufgeteilt: die Ice-Mechs, die Light-Mechs, die Medium-Mechs, die Heavy-Mechs und die AssaultMechs. ‹Ares› aus der 135 Tonnen Colossal Class scheint das Mass aller Dinge zu sein. Drei Beine, versehen mit Stabilisations-Klappen (Zehen), stemmen einen riesigen flachen aber bulligen Oberkörper in die Höhe.

Kampf der Klötze

Wer sich mit Ares anlegt, muss für das folgende Waffenarsenal gewappnet sein: Maschinengewehre, Protonenwerfer, Flammenwerfer, Raketengeschütze und was man sonst noch alles dem Gegner entgegen werfen kann. Auch wenn schnell der Anschein aufkommen mag, dass die Mechas vor allem die jugendlichen Gelüste nach Kriegsspiel befriedigen, tut man der Fangemeinde damit doch sehr unrecht. Die Street Credibility der Figuren ergibt sich aus anderen Parametern als der Fähigkeit, möglichst viel Zerstörung in möglichst kurzer Zeit anzurichten. Wer sich durch die zahlreichen Homepages dieser sehr eigenen Mecha-Welt klickt, gerät ins Staunen über die Fülle unterschiedlichster Kreaturen. Die Entwicklung neuer Legoteile, das Tektonische Prinzip – also wie die einzelnen Teile zueinander gefügt werden –, die Farbgebung, die Auswahl der Waffen, die Ästhetik der Gesamterscheinung werden in den Foren tüchtig diskutiert. So finden sich Kommentare wie: ‹Wunderschöner Mecha, den Kopf würde ich jedoch in seiner Geometrie flacher behandeln.› Der Kampf der Mechas untereinander findet ohnehin höchstens auf einer gedanklichen Ebene statt. So ähnlich wie früher, als mich meine Mutter mit ein paar Lego-Klötzen, den Indianern, Polizisten, Feuerwehrmännern, Burgfräuleins, Rittern, Astronauten und so weiter, alleine liess. Dann bedurfte es nur eines liegengelassenen Sockens und die Höhlenexpedition dieser illustren Truppe konnte losgehen. Wären da nicht der Indianer und der Ritter schnell hinter meinem Bein verschwunden, um die fröhliche Gesellschaft zu überfallen. Indianer und Ritter greifen an, Feuerwehrmann und Burgfräulein erwidern das Feuer. Ritter stirbt im Kugelhagel, Burgfräulein fällt in die Höhle, Astronaut fliegt im Raumschiff davon, der Polizist wird gefoltert und der Feuerwehrmann begeht schliesslich Selbstmord. Anschliessend gab es Znacht. Text: Christoph Dubler Illustration: Raffinerie Weitere Info unter: mocpages.com, brickfrenzy.com, brickmania.com

Männerfantasien im 21. Jahrhundert: schöne Frauenhände, die unschuldige Legosteine in tödliche Waffen verwandeln können.


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Wer wünscht sich nicht manchmal ein kleines Hündchen zum Knuddeln und Liebhaben? In Japan kann man sich die putzigen Vierbeiner stundenweise ausleihen. Gegen ein entsprechendes Entgelt, versteht sich. Stundenhunde

Grösse: Medium Dauer: 30 Minuten Kosten: 1500 ¥ 52

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Grösse: Small Dauer: 1 Stunde Kosten: 1575 ¥

Grösse: Small Dauer: über Nacht Kosten: 10'500 ¥

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okio erlebt zur Zeit einen Pet-Boom, insbesondere kleine süsse Hündchen sind der Renner als Kuscheltiere oder modisches Accessoires. Darauf sind vor allem Teenager und natürlich auch kleine Kinder ganz wild. Doch die Wohnungen sind extrem klein, in vielen Familien ist mindestens eine Person auf Tierhaare allergisch und die Vermieter dulden keine Haustiere. ‹Rent a Dog› ist daher eine florierende Geschäftsidee. Die Läden sind in grossen Shoppingzentren untergebracht und erstrecken sich über eine ganze Etage. Man mietet sich einen Minipudel oder einen Zwergpinscher für 30 Minuten oder auch drei Stunden, geht im Warenhaus damit spazieren oder begibt sich zum hauseigenen Dog Run. Das künstliche Areal berechtigt den Vierbeiner, sich innerhalb weniger umzäunter Quadratmeter frei zu bewegen und mit etwas Glück auch andere Artgenossen kennen zu lernen, denn auch feste Hundebesitzer mieten sich hier für ihre Lieblinge für kurze Zeit etwas Auslauf. Ein seltenes Privileg, denn diese Hunde verbringen sonst die meiste Zeit im Hundewagen oder in der Versorgungsstation zu Hause, einem Käfig mit Spielzeug und Fütterungsmaschine. Im Dog Run dürfen sie endlich laufen, schnuppern und ihren sonstigen Interessen nachgehen. Stellvertretend für viele Plätze dieser Art in Tokio portraitierte Miriam Künzli Hunde und ihre Besitzer im LaLaport Pet Shop Park auf dem Dach des Shopping Centers in Funabashi, Tokio.

Grösse: 2 x Small Dauer: 30 Minuten Kosten: 1575 ¥

Fotos und Text: Miriam Künzli

Grösse: Medium Dauer: 1 Stunde Kosten: 3000 ¥

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‹soundcheck› Nach diesem Sound wirst du süchtig. Ihr kleinen Neuerscheinungen: weil ihr dieses Jahr so unartig wart, kommt der kinki-Reviewnator F.H. aka The Flo aka Henne direkt auf den Punkt und straft alle schlechten CDs mit Nichtbeachtung. Die Guten aber kommen ins Töpfchen, beziehungsweise auf die Henne-Skala. Here we go: Knatternder Punk im Sägezahnformat

Valentine dem sonst so ausgeleiher­ ten Emogedudel aufspielen und schafft so endlich mal wieder ein Stil­ potpouri, das aus der Schweizer Mu­ siklandschaft ausbrechen und ihr den längst fälligen neuen Anstrich verpas­ sen könnte. Party Break Hearts klingen da­bei aber niemals zu stie­bitzend oder unselbstständig. Auch der Sound der Produktion muss sich vor seinen internationalen Vorbil­ dern keineswegs verstecken. Zuletzt bleibt eigentlich nur noch die Hoffnung, dass Party Break Hearts sich nicht von der allzu steinigen Parties Break Hearts: Musiklandschaft abschrecken lassen – life is too short denn für den grossen Durchbruch to dance with ugly dürfte es diesmal noch nicht reichen – people aber wenn die Buben genau da Jawohl Herrschaften, weitermachen, wo sie mit ‹life is too die Schweiz hat de­ short to dance with ugly people› finitiv noch etwas mehr zu bieten als angesetzt haben, könnte vielleicht schon bald der Rest der Welt auf den lediglich Schokolade, schöne Frauen und Finanzdomizile für gross­ melodiösen ‹Core› aus dem Land der Berge und Seen die Köpfe nicken. verdienende Schönheitschirurgen. Einen ordentlichen ‹Core› zum Bei­ spiel. Ob es sich bei Party Break Hearts Langspieler ‹life is too short to dance with ugly people› nun um Pop- oder vielleicht sogar Emocore handelt, will man über die gesamte Spielzeit nicht so wirklich er­ örtern. Treibend, pushend und absolut mitsingtauglich ist das Scheib­ chen allemal und das ist nicht nur das Erflogsrezept, dass auch schon den Bobo auf den Chart­ zenithen krackseln hat lassen. Harmonisches Riffing wird bei dem Berner Quartett ganz gross Kanye West: geschrieben, genauso wie die Liebe 808s and Heartbreak zum knatternden Punk und die immer Auch wenn Kanye wieder durchbrechenden Säge­West nicht das zahn-Metalcore-Elemente – und ge­ Rapschnuckelchen nau das lässt den Vierer irgendwo zwischen Creed und Bullet For My ist, für das er sich

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Willkommen in der Zukunft

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ganz gerne ausgibt und nicht gerade selten die Hand ausfahren lässt – erst neulich wurde der 31-Jährige vor einer Diskothek in Newcastle festgenommen, weil er sich eine Ran­ gelei mit anderen Gästen gelie­­fert hat – Kanye West ist nicht nur modisch eine absolute Stilikone, sondern auch musikalisch – von ir­ gendwelchen bekloppten GitterSonnenbrillen, deren Sinn nun wirk­ lich kein Mensch versteht, mal ganz abgesehen. Neun Grammys hat Kanye West bereits gewonnen. Warum? Weil Kanye West anders ist: Kontrovers, innovativ und dennoch komplett der Popkultur verfallen. Das war schon auf dem letzten Album so, und das ist auch auf Kanyes neuem Lang­ spieler ‹808s and Heartbreak› so. Grossgeistiger Pop, vermischt mit stadiontauglichen Beats und Samples, untermauert durch strecken­ weise sogar tiefgründige Lyrics. Seien es nun Tracks wie ‹Love Lockdown›, ‹Paranoid› oder auch ‹Bad News›, ein paar Unter­ schiede gibt es dennoch zu äl­teren Stücken: Treibende Raps sind Vocoder-durchsungenen Syn­ thiestimmen gewichen und sowieso klingt ‹808s and Heartbreak› wie eine gewagte Mischung aus Achtzigerjahre-Synthiepop und modernem, smoothen Elektrosoul. Das klingt zwar sehr abgedreht und so gar nicht nach Kanye West, aber diese Scheibe geht sofort rein, bleibt hängen und markiert oben­ drein einen neuen Markierstein auf dem steinigen Weg des HipHops in neue, progressivere Gefilde. Willkommen in der Zukunft! Herr West erwartet euch bereits.

Kuscheliger Stoff für die kalten Tage

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Viktoriapark: Was ist schon ein Jahr?

So langsam werden die Tage kürzer und die Nächte kälter. Am liebsten möchte man sich zuhause mit seinem Liebsten oder seiner Kleinen unter eine anschmiegsame Decke packen und nichts anderes machen, als bei einer heissen Schoki die Zeit durchzukuscheln. Aber zu welcher Mucke? Elektro ist zu aufgedreht, HipHop ist zu unroman­ tisch und bei Klassik kommt wohl alles, aber nur nicht die Libido in Fahrt. Da muss es dann wohl doch wattebauschiger Alternativpop aus Berlin sein, der so zuckersüss daherkommt, dass einem selbst besagte Schoki wie lauwarmes Was­ ser mit Süssstoffzusatz erscheint. ‹Küss mich mit einem Auge of­ fen› – Viktoriapark spielen nicht nur deutschsprachigen Pop mit einem angenehmen Schuss Kitsch, die vierköpfige Band, ‹umgeben von ei­ ner Zahl von Musikern›, lebt ihre vertonten Poesiealben ohne Ecken und Kanten und schafft es immer wieder, dem Hörer ein Lächeln auf


die Lippen zu zaubern. Eigentlich sind alle Songs auf ‹Was ist schon ein Jahr?› wie dafür geschaffen, die Sor­ gen des Alltags, all die Schwermut und all den Stress, dem wir täg­ lich so ausgesetzt sind, verfliegen zu lassen und, sei es auch nur für die Spielzeit von weniger als einer Stunde, Herz und Seele mal wieder so richtig frei zu pusten. Und wenn es nach der unwichtigen Mei­ nung dieses Autors geht, könnte man ‹Was ist schon ein Jahr?› gleich auf Krankenschein verschreiben – eine wirkungsvollere Therapie in solch einer kurzen Zeit gibt es wohl kaum.

Lichtblick am elektronischen Himmel

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Mr. Oizo: Lambs Anger Mr. Oizo ist nicht süss, Mr. Oizo ist nicht putzig und Mr.Oizo ist keinesfalls eine reine Werbeerscheinung in Form des allseits bekannnten One-Hit-Wonders ‹Falt Beats›. Mr.Oizo ist nämlich das Pseudonym des französischen Musikers und Filmemachers Quentin Dupieuxs, der es nur allzu gut versteht, elektronische Musik mit aku­ ter Nachwirkzeit zu inszenieren – und es auch noch lange nach seinem grössten Hit vermag, progressive Tunes auf die Plattenteller zu zaubern. ‹Lambs Anger› ist gespickt mit verfrickelnden Beats, abgedrehten Synthies und smoothen Breaks, die zwar recht tanzbar daherkommen, aber auch wirklich fordern. Mr. Oizo macht eben keine Musik für ne­ benbei und den Reiz durchfluteten ‹Feierabend›. Man kann Mr.Oizo nicht auf den typischen Hau-DraufSound reduzieren und sollte spätestens mit dieser Scheibe erken­ nen, dass der Franzose einer der vielseitigsten Künstler seines Genres ist. ‹Lambs Anger› ist ein Album für die Denker unter den Elektronikern,

für all diejenigen, die auf Partys dem Sound und nicht der Party willen gehen. Ein Silberling für die Ästheten unter den Abzapplern und all diejenigen, welche die elektro­ nische Musik noch nicht als stumpfe ‹Bumm-Tschak›-Mucke in die Schub­ lade abgeschoben haben. Es gibt wieder einen Lichtblick an einem be­ reits totgeglaubten Musikhimmel.

Bewertungsskala 1–10 (1 = voll beschissen, 10 = megacool)

Florian Hennefarth

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‹album des monats› Von der Redaktion gekürt. Buraka Som Sistema: Black Diamond

ein Public Service Announcement und die MCs beschreiben die Wurzeln des Sounds, denn im Beat sind viele traditionelle Elemente aus der angolanischen Musik vorhanden, natürlich immer mit unserer persönlichen Note versehen, versteht sich. Buraka-Style halt!

3.

Aqui Para Vocês (feat. Deize Tigrona):

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sen Clubmetropolen Europas: Zu den Beats von BSS lässt es sich nur schwer stillstehen. Man darf also gespannt sein auf ihren ersten Longplayer, vor allem wird dieses Album wohl selbst für passionierte Tänzer eine wahre Herausfor­derung darstellen, denn ein pumpen­ der Beat jagt den nächsten. Buraka Som Sistema liefern uns mit ‹Black Diamond› einen wahren Diamant des Kuduro-Sounds. Wer sich dieses Album zulegt, dürfte also nicht viel von der Januardepres­ sion zu spüren bekommen, denn der schweisstreibende Silberling bringt sicherlich auch unsere bleichen müden Hintern zum Wa­ ckeln! Buraka Som Sistema haben für euch die einzelnen Tracks kommen­ tiert.

1.

Luanda-Lisboa: Dieser Song ist wie ein Schlag mitten ins Gesicht! Mit diesem Opener werden gleich alle Ohren geöffnet. Den Vocal-Hook hat Znobia übrigens in seinem Schlafzimmer in Luanda, Angola aufgenommen!

2.

Sound of Kuduro (feat. Dj Znobia, M.I.A., Saborosa, Puto Prata): In diesem Song stellen wir der Welt den typischen Buraka Som SistemaSound vor. M.I.A. shoutet zu Beginn

Dieser Song erzählt die schöne Geschichte einer afrikanischen ‹Beyonce›, die so gerne ein Album aufnehmen möchte, aber leider nicht singen kann. Für den speziellen Sound dieses Songs mischten wir den traditionellen angolanischen Musikstil Semba mit Kuduro-Drums.

9.

Nachdem wir euch in den ersten beiden Songs einen Einblick in die musikalische Welt Luandas und Lissabons geboten haben, nehmen wir euch in diesem Track auf eine Reise nach Rio de Janeiro mit! Dort verbinden wir unseren Sound mit einer Prise BaileFunk. Euer Fremdenführer bei diesem Trip in die ‹Cidade de Deus› nennt sich übrigens MC Deize Tigrona. Carnival sounds straight up!

Ein weiterer perfekter Song, um eine Party anzuheizen. Die Formel dazu: Raue Drums plus raue Synthis gleich Buraka! Genau um das geht es bei Buraka. Simple, fast, crazy...

4.

Skank and Move (feat Kano):

Kalemba (Wegue Wegue) feat. Pongolove:

er kennt sie nicht, die Januardepression? Nach festlichen Tagen im Familienkreis und einer wilden Partynacht an Syl­ vester verkriecht man sich für den kommenden Monat in seine vier Wände und klebt fröstelnd an der Heizung. Um uns aus diesem Win­terschlaf zu wecken, veröff­entlichen Buraka Som Sistema recht­zeitig zum Jahresanfang ihr schweiss­treibendes Album ‹Black Diamond›. Die Portugiesische Band um Lil’ John, Riot, Conductor und MC Kalaf sorgt seit einigen Jahren mit rau­hen Ghetto-Funk-Samples und pum­ penden Beats über die Grenzen Lissabons hinaus für Aufsehen. Die vier Jungs aus Lissabon vermi­schen den Angolan Koduro mit schnellen Clubbeats, was ihnen schon Fea­ tures mit internationalen Grössen wie Diplo, M.I.A. – die sich be­reits als ‹Number One Fan-Girl› der Truppe bezeichnet – und einen Auftritt an den MTV-Europe Music Awards beschert hat. Angefangen hat je­ doch alles 2005 in einem Vorort der portugiesischen Hauptstadt namens Buraka, wo die Schulfreunde Joao Barbosa und Rui Pite alias Lil’ John und DJ Riot in ihrem Studio ihre riesige Sammlung Westafrikanischer Kuduro-Beats zu roughen Dance­ floor-Tracks auf­bereiteten. Innert kür­ zester Zeit bil­dete sich im Web eine riesige Fan­gemeinde der mittler­ weile vier­köpfigen Band. Egal ob in Afrika, Süd­amerika oder in den gros­

8.

General:

Eine der mitreissendsten Singles auf Black Diamond. ‹Wegue› nennt sich das Geräusch des Uhrwerks, das ihr in der ersten Strophe ohne einen Beat ticken hört. Kalemba ist ein 140 BPM-Track mit geilem Chorus; ein Song mit Pop-Struktur, der durch seine Bassline die Raver-Herzen höher schlagen lassen wird. MC Ponglove, die auf diesem Track shoutet und rappt, ist ein junges Girl aus Angola, eine leidenschaftliche Sängerin und Rapperin! Wer mehr über sie erfahren möchte, sollte sich unbedingt ihren Sound auf www.myspace.com/ ponglove anhören!

5.

Kurum: Ein 100% pure dancefloor tune! Ein instrumentaler Track. Wir stritten uns darüber, ob wir Kurum auf dieser Platte veröffentlichen, oder uns den Song für unsere nächste 12 Inch-Platte aufsparen sollten. Da wir alle aber diesen Track so lieben, war der Streit nicht von langer Dauer. Komprimierte untere Bass- und Drumelemente sowie ein super starker Lead: It’s straight from Black Diamond to the dancefloor!

6.

IC19: IC 19 beinhaltet alle Elemente, die ein Dance-Meisterwerk ausmachen: 1. Ein einfach zu mixendes Intro. 2. Ein dramatischer Fall, wenn der Lead einsetzt (der klassische Moment, wenn die Raver laut schreien und ihre Hände in die Luft halten). 3. Der Lead wird im Song mit Arpeggio-Effekt wiederaufgenommen. Das macht den Song dramatisch und verursacht noch mehr Chaos im Sound, als sowieso schon besteht. 4. Ein starker Chorus: ‹A mulemba é que manda... Elas dançam na banda›. IC 19 ist übrigens der Name der Strasse von Lissabon nach Buraka.

7.

Tiroza (feat. Bruno M.): Wenn eine Party nicht so läuft, wie sie sollte, heisst es bei uns: ‹tiroza!›, das bedeutet ungefähr so viel wie ‹beat it!› im Englischen. Bruno M. ist einer der begabtesten MCs Angolas. Wir wollten ihn unbedingt auf einem unserer Tracks dabeihaben.

YAH! (feat. Petty):

10.

Kano ist nicht nur einfach ein fantastischer englischer MC, sondern wohl das Beste, was Grime zu bieten hat! Auf Black Diamond geht es ja, wie ihr wahrscheinlich mittlerweile gemerkt habt, darum, Genres zu Vermischen und verschiedene Städte musikalisch zu bereisen. Hier wird wohl klar, dass die einzelnen Orte mehr gemeinsam haben, als wir auf den ersten Blick denken würden. Es geht überall darum, wie man mit dem Druck, den der Stress der Stadt auf einen ausübt in kreativer Weise umgeht.

11.

D...D...D...D...JAY (feat. Petty): Wir lieben die Club-Szene! Und dieser Track ist eine Ode an die DJs und die Umgebungen, die sie geschaffen haben, vor allem die afrikanischen Discos in Lissabon und Luanda.

12.

New Africas pt. 1: Nennt es ‹Ghetto Music Revolution›, wenn ihr wollt: Die grössten (R)Evolutionen in der Popmusik gründen auf den Ideen von Outlaws und den Leuten in den Vororten. Dieser Aspekt ist ein weiterer wichtiger Teil des ‹Buraka-Puzzles›.

13.

New Africas pt. 2: Lil ’Jon und Riot drehten fast durch, als wir diesen Song machten! Mit diesem Song konnten sie ihre Beat-Skills unter Beweis stellen. Es dauerte eine Weile, bis wir das Konzept für diesen Song auf die Beine gestellt hatten. Beim Inhalt machten wir uns Gedanken darüber, wie sich lokale und globale Kulturen in urbanen Siedlungen austauschen und ergänzen. Ausserdem machten wir uns Gedanken darüber, wieso wir uns mit Städten wie New York oder Luanda verbundener fühlen, als mit solchen, die eigentlich viel näher bei Lissabon liegen... All diese Gedanken flossen in die Lyrics dieses Songs. Buraka Som Sistema: ‹Black Diamond› (Musikvertrieb) erscheint im Januar 2009. Text: Rainer Brenner Foto und Interview: Musikvertrieb


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2009

JAKOBSHORN DAVOS SWITZERLAND


Ausbruch aus dem Neo-Hippie-Zoo

Im urbanen Dschungel von Brooklyn wachsen die Nachtschattengewächse des ArtSchool-Pop an jeder Strassenecke. Damit sich das NeoHippietum dort nicht allzu gemütlich einrichtet, sorgen Gang Gang Dance für ordentlich Chaos im spirituellen Haushalt. ‹Saint Dymphna›, das vierte Album der New Yorker Band, klingt ebenso bizarr wie grossartig.

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ang Gang Dance sind eine Kopf-oderZahl-Band. Wer ihre Musik zum ersten Mal hört, ist erst verwirrt und verunsichert. Aber schnell fällt die Entscheidung: entweder hassen oder lieben. Wie es der Zufall so will, beginnt auch die Geschichte der Band aus Brooklyn, New York, mit einer Kopf-oderZahl-Entscheidung. Sie hätte genau so gut Death And Dying heissen können, wenn damals rund um das Jahr 2000 der Wurf einer Münze nicht doch für den Titel der ‹schlechtesten Platte der austauschbarsten Band des ganzen Planeten› entschieden hätte: für Gang Gang Dance. Das erzählt zumindest Gitarrist Josh Diamond, wenn er zum wohl zweihundertsten Mal die Frage nach dem etwas gaga wirkenden Namen seiner Band beantworten muss. Josh stöhnt ein wenig dabei. Nicht nur weil die Geschichte von jener epochal schlechten Platte, die seinem Freund Brian in einem Second-Hand-Laden aufgedrängt worden war, zum öden Pflichtprogramm bei jedem Interview gehört. Sondern auch weil er wieder daran denken muss, was die Alternativen zu diesem Gaga-Eskapismus gewesen wären: Chaos, Verwüstung, Sterben, Tod. ‹Leider hat diese Band schon viel Todesnähe erfahren›, sagt Josh, wuschelt mit der Hand durch das wirre, schwarz-weisse Haargestrüpp auf seinem Kopf und ordert Tequila. Gemeinsam mit Brian DeGraw sowie Lizzi Bougatsos und Tim Dewitt ist Josh Teil einer Band, die vor Jahren den Tod eines Mitglieds durch Blitzschlag verkraften musste und dadurch nach Jahren des gemeinsamen Herumjamens erst zur Einheit zusammengeschweisst wurde. Er ist Teil einer Band, deren Schlagzeuger vor einigen Monaten angeschossen und schwer verletzt wurde. Teil einer Band, die diese ebenso unglaublichen wie schrecklichen Ereignisse im echten Leben gar nicht nötig hätte. Denn das Brummen und Fiepen ihrer Musik klingt oft düster und verstörend genug.

‹He can wait, we can wait, they can wait...›

Das mittlerweile vierte Gang Gang Dance Album ‹Saint Dymphna› knallt nicht einfach so los. Es rumpelt, scheppert, flötet, glitzert. Der Beat wird so stumpf und unmittelbar geklopft, als hätte der 58

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Schlagzeuger sich eben erst hingesetzt und noch nicht mal die Jacke ausgezogen. Auf die Stimme von Lizzi Bougatsos allerdings muss man lange warten. Erst beim Übergang zum zweiten Stück ‹First Communion› setzt ihr markantes Heulen ein: ‹He can wait, we can wait, they can wait...› Das Heilsversprechen, das Gang Gang Dance mit ihrer Musik geben, ist nicht jenes auf ein besseres, jenseitiges Leben. Sondern das des ewigen Werdens und Vergehens: Ihre Musik ist Prozess. Die Konzerte bestehen mitunter nur aus einem einzigen, endlosen Sound-Strom. Kein Stück wird zweimal gleich gespielt.

Suche nach der ‹magischen Schicht›

Auch der Reiz von ‹Saint Dymphna› besteht darin, dass alles ein wenig unfertig bleibt. Die Songs entstehen meist aus Improvisationen. ‹Es war mehr wie eine Explosion auf der Bühne, von allen Formen befreit›, erinnert sich Josh an die Anfänge. ‹Wir arbeiten immer intuitiv, nie mit einer bestimmten Absicht. In unserer eigenen Sprache gibt es diese Phrase, wenn etwas «Gang Gang» ist. Wir wissen einfach, ob es passt oder nicht.› Offensichtlich schafft die Band es, so ziemlich alles ‹Gang Gang› zu machen. Kate Bush, Aphex Twin, Throbbing Gristle und Olivier Messiaen sind noch lange nicht alle Schwergewichte, die Gang Gang Dance in der Referenzhölle aufgebürdet bekommen. Die brutzelnden Lofi-Schaltkreise in ihrem Studio scheinen über unterirdische Kanäle mit dem halben Globus verkabelt zu sein: Afro-Percussion-Wirbel und stumpfe House-Beats, nervöse Riffs aus dem Math-Rock-Fundus und kitschige Gitarrenarpeggi, Ethnoflöten, das Blubbern feister Analog-Synthesizer und ab sofort auch das Grime-Stakkato von MC Tinchy Stryder gehen in Neo-HippiePatchwork-Manier durcheinander. Das Ergebnis riecht ein wenig nach den Ausdünstungen verwirrter Künstlergehirne und nach Ausdruckstanzschweiss. Und doch gelingt es Gang Gang Dance, den ganzen Kabelsalat zu einem grandiosen Flickenteppich zu verknoten. Es darf nicht verwundern, dass man mit so polyvalentem Sound Plaketten wie ‹Neue Psychedelia› oder ‹Neoprimitivismus› umgehängt bekommt und zusammen mit anderen hippen Bands in den Brooklyner Neo-Hippie-Zoo gesperrt wird. Zwischen den kollektiven Freak-outs von Animal Collective


be, eine Frequenz, eine Melodie. Irgendetwas ist da drinnen, das man spüren kann. Die magische Schicht macht die Musik mysteriös, aber sie sorgt auch dafür, dass sie sich richtig anfühlt.› Eigentlich könnten Gang Gang Dance dieses geheimnisvolle etwas auch nachträglich in ihre Musik einbauen. Aber es geht ums Prinzip, vielleicht auch um so etwas wie Aura. Josh: ‹Wir hatten grosse Probleme bei einigen Aufnahmesessions, weil die magische Schicht nicht da war. Diese Stücke haben wir wieder verworfen. Wir hätten noch eine magische Schicht dafür machen können, aber es hat uns mehr interessiert, es noch einmal zu versuchen und etwas zu schaffen, das sie einfach schon in sich hatte.› Eigentlich müssten Lizzi und Josh gar nicht von dieser mysteriösen Schicht sprechen. Sie bräuchten die heilige Dymphna, Patronin der geistig Kranken, der Epileptiker und des Chaos, nicht erst als Schutzheilige ihres Albums anzurufen. Das Aroma von Spiritualität liegt bei einem Gespräch mit ihnen auch so in der Luft. Jene hassenswerte Gemütlichkeit, mit der Lifestyle-Vergeistigte sich in ihrer spirituell-moralischen Überlegenheit einrichten, könnte allerdings nicht weiter entfernt sein. Wenn Gang Gang Dance Neo-Hippies sind, dann solche, die vom Geist der Qual und der Ratlosigkeit erleuchtet werden. Das Faszinierende an dieser Band ist eben, wie sie auch die eigene Ratlosigkeit in ihren Collagen einfängt und zum Schwingen bringt. Vielleicht ist genau das in ihrer magischen Schicht gebannt: das Glücksgefühl eines Schwebezustands, geboren aus der Gewissheit, keine endgültigen Antworten zu haben. Gang Gang Dance werden noch viele Münzen werfen müssen. Sie werden Suchende bleiben. Text: Arno Raffeiner Foto: Warp Gang Gang Dance: ‹Saint Dymphna› (Warp)

Woodstock goes Brooklyn? GGD befinden sich im Schwebezustand zwischen Spiritualität und Artrock.

oder den Noise-Teppichen von Black Dice wirken Gang Gang Dance wie Schamanen mit einem Diplom von der Kunsthochschule. Schliesslich sind Lizzi Bougatsos und Brian DeGraw auch als bildende Künstler erfolgreich, und die Band war bereits als Exponat bei der renommierten Whitney Bienniale in New York zu bewundern. Dort inszenierte sie ein Spiel mit Spiegelungen und verschiedenen Vorstellungsebenen. Die Verunsicherung war auch hier Programm. ‹Wir hatten in unserem Raum einen grossen Spiegel aufgestellt›, erzählt Lizzi, ‹das Publikum sah zuerst nur sich selbst. Wir waren kostümiert dahinter versteckt und begannen zu spielen, während Brian den

Spiegel mit weisser Farbe bemalt hat und wir dadurch über eine Projektion nach und nach sichtbar wurden. Trotzdem wussten die Leute nicht genau, ob wir überhaupt da waren oder alles nur vom Band lief.› Die Maskerade von der Whitney-Performance ziert nun das Cover des neuen Albums von Gang Gang Dance. Es sei sehr schwierig gewesen, die Platte aufzunehmen, erzählen Lizzi und Josh. Bei vielen Sessions hätte einfach jene ‹magische Schicht› gefehlt, die ein Stück von Gang Gang Dance erst richtig gut mache. Josh kann diese Schicht genau fühlen, sie in Worte zu fassen, ist allerdings nicht so einfach: ‹Eine bestimmte Farkinki 59


‹playlist› Jeden Monat stellen die besten DJs der Schweiz ihre All Time Favourites vor. DJ Le Frère aka Left Eye

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Füchse: Beginner ft. Samy Deluxe

Ich bin in einer Beatles-Familie aufgewachsen. Und ich bilde mir ein, dass ich auch nach George Harrison benannt wurde. Dieses ist mein absoluter Favorit, traurig und schön.

Füchse steht stellvertretend für eine Unmenge von deutschen und schweizerdeutschen Hiphop-Tracks, die ich mir zwischen 15 und 18 Jahren angehört habe und die ich zum Teil immer noch mitrapen kann – Zeile für Zeile, Wort für Wort. Samy Deluxe at his best und immer noch eines der besten deutschsprachigen Hiphop-Alben.

05:37

So Long Marianne: Leonard Cohen Neben den Beatles hat mein Vater oft Leonard Cohen gehört, den ich mit Siebzehn für mich entdeckte. Der Song erinnert mich an den ersten grossen Liebeskummer, Grasrauchen und den Bandraum.

05:13 Full of Fire: Al Green

Meine Zeit in Berlin so ca. 2004. Ich hatte mir einen kleine Transistor-Plattenspieler gekauft und mein weniges Geld für Platten verbraten. Der Song ist traurig und doch sehr energiegeladen zugleich. Egal in welcher Stimmung man ist – er passt.

04:25

Let My Shoes Lead Me Forward: Jenny Wilson Das Lied habe ich auf der Kitsune Maison 2 entdeckt. Seither begleitet mich dieser Song. Für mich ist es einer der schönsten Popsongs überhaupt. Der Synthie, der zusammen mit dem Schlagzeug das Gerüst für einen fröhlichen Poptrack vorgibt und dann unvermittelt auf diese melancholische und grossartige Stimme trifft. Kauft euch das Album und werdet glücklich... und trotz allem finde ich Kitsuné nach wie vor ein sehr innovatives Lable.

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Bullet In Your Head: Rage against the Machine

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J Le Frère: seine Geschichte ist schnell erzählt. Schon seit 1999 ist der Wahl-Zürcher als DJ und Veranstalter mit O-Ton, ‹wechseln­dem Erfolg› unterwegs. Begon­nen hat alles im Taptab-Musikraum in Schaffhausen, der Fokus lag damals noch auf Funk und Soul. Hier hat der junge Plattendreher zuerst mit Freunden verschiedene Partys und dann mit seinem Bru­­der ‹DJ Soulinus› diverse Anlässe im Rahmen der Partyreihe ‹Beats on Taps› veranstaltet und entsprechend beschallt. Seit 2001 ist Le Frère in Zürich beheimatet und hat unzählige WGs, Garagen und Keller bespielt. 60

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In dieser Zeit hat er seine Plattensammlung vergrössert, die Liebe zu elektronischer Musik entdeckt und mit Atomic Nick den perfekten DJ-Partner gefunden. Zusammen kümmern sich die Beiden seit diesem Jahr um ihre eigene Party-Reihe ‹DISCO SLACK› und sind Teil des NEON Abends im Hive. Jeden zweiten Dienstag ist Le Frère auf Soundcity.fm zu hören, wo Musik von Indie über Rap bis zu Disco gespielt wird. Le Frères DJ-Sets bauen auf der Liebe zu Disco, Elektrohouse und Hip Hop und wer sich darunter nichts vorstellen kann, der besucht www.myspace.com/lefrere oder einen seiner kommenden Auftritte.

03:13

While My Guitar Gently Weeps: Beatles

Der Freund meiner grossen Schwester hatte mir eine Kassette aufgenommen mit RATM, Beasty Boys, Ugly Kid Joe, Claw Finger, Dog eat Dog und mehr. Hab die Kassette endlos gehört. Es war meine erste, die so richtig ‹Cool› war. RATM waren meine Helden und sind es auch für meinen Bruder geworden (ich glaube er hat fast alle CD’s). Zudem finde ich, dass die Basslinie in ihrer Einfachheit brillant ist und jeden Kopf zum Nicken zwingt.

05:32

Pumps und Rumps: Gameboy/Gamegirl (Zombie Disco Squad Remix) Disco, House, Rap und sehr viel Schalk. Das macht die Remixe der ZDS so einzigartig. Dies ist der neuste Streich und wer dazu nicht tanzt, wird es nie mehr tun. Ich liebe das House-Piano und die ‹short dick› Vocals. Natürlich hat auch dieser Track eine ZDS typische Fläche ohne Bass und Drums dafür mit einem riesigen Spannungsbogen. Gameboy und Gamegirl sind zudem eine dieser jungen australischen Bands, die Hammer Sound produzieren und die anscheinend Down Under nur so aus dem Boden schiessen.

04:53 Intro: Alan Braxe

Will ich an jeder Party dann hören, wenn die Stimmung auf dem Höhepunkt ist. Ein Monster der Housemusik. Wunderschöner Aufbau, perfektes Break und die grossartigste Basslinie, die ich kenne. Es gab so einige besondere Momente mit diesem Track. Danke an Nick, der, seit ich ihn kenne, House liebt und deswegen viel ertragen musste… Danke.

02:02

I Joke On You : Kazey & Bulldog Dieser Track steht für meine Liebe zu Baltimore Clubmusik. Kazey hat im letzten Jahr zweimal in kurzer Folge im Wasserwerk gespielt und nachdem ich mich beim ersten Mal beklagt habe, dass seine Tracks in der Schweiz nicht erhältlich wären, hat er mir beim zweiten Gig diese 7“ mit einer Rückseite von Surkin geschenkt. Joke on you ist ein klassischer Batlimoretrack und er macht mir immer wieder klar, dass man in Clubs einfach Spass haben sollte.

02:51 Mamas Boy: Chromeo

Chromeo ist eine meiner Lieblingsbands und Mamas Boy einer jener Songs, die neben Fancy Footwork und Tenderoni etwas untergegangen sind. Das erste Album (She’s in Control) war schon gross. Dieses Album ist schlicht genial. An Mamas Boy mag ich das einfache Piano und die Message. Einen dicken Kuss an dich Léa, wenn du ein Song wärst, hätte ich dich zehnmal aufgeführt. Foto: Jan Vorisek (toolate.in) Text: Georg Munz


INTRODUCING HEADPHONES nixonnow.com

BRING THE NOISE


Romantischer Grossstadtpopulismus

Eiskristalle, Feststagsglanz, Glühwein, Honigkuchen, Kunststoff-Schneemänner... Der Neustartvorbereitungsmonat wird von der halben Welt für gemütliches Saus und Braus gebraucht, traditionellere Musik hat Hochsaison. Der Dezember, wir mögen ihn doch. Manche widmen ihm gar eine Band: Menschen, die Blau mögen: ‹The Decemberists› machen ihrem Namensspender mit Musik, geistreichen Texten und zukünftiger Geschichtskunde alle Ehre.

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ir schreiben den 5. November 2008: Die Nacht nach den historischen, amerikanischen Präsidentschaftswahlen. Es regnete in New York City. Ich war auf dem Weg zum Terminal 5, wo eine Band mit dem Namen The Decemberists spielen sollte. Kannte die Band zu dem Zeitpunkt nicht und war auch nicht auf Arbeitsmodus eingestellt. Doch nach einem nassen Kampf auf dem Velo mit dem Schirm gegen den Wind war die Subway eine Rettung. Ich stiess also durch die 6th Avenue, parkierte mein Velo, und stieg die Treppen zum Club hinab. Schwarze Obama-Portrait-T-Shirts überall, wo man hinsah – egal, welche Ethnie, Grösse oder Dicke sich darunter verbarg. Es herrschte Einheit und gab Kraft, meiner PMS zu trotzen und mit ausgestreckter Faust der Menge mitzuteilen: ‹Holy yes, we can!›. Die Menschen lachten mit mir, nicht wie sonst immer über mich. Beim Terminal 5 angekommen, überreichte man mir das hinterlegte VIP-Ticket, der Schlüssel einer winterlich aufmunternden Entdeckung. The Decemberists aus Portland, Oregon, haben schon über ein halbes Dutzend Platten produziert, darunter ihr aktuelles Werk ‹The Crane Wife›, mit dem sie dieses Jahr tourten. Hier im Amiland aufgestiegen in den ersten Rang der Indie-Welt. Ohne dass es mir aufgefallen wäre, spielten sie auch schon in unserer kleinen Heimat – im Fribourgischen Fri-Son. Sie veröffentlichten Anfang Dezember ihre dritte Single ‹Volume III. Record Year / Raincoat Song› (iPhone-Live-Aufnahme auf www.kinkimag.com) des Projekts ‹Always The Bridesmaids – The Single Series›. Ein neues Album soll im kommenden Frühling erscheinen.

‹I say fire, you say...›: Zynische Weltverbesserer über den Ernstfall Gitarrist, Songwriter und Frontmann Colin Meloy lässt auf der Bühne seinem Mundwerk freien Lauf, ein lebhafter Satiriker mit kraftvollen, zynischen Kompositionen. Seine Songs sind Hochzeiten 62

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melodischen Talents mit abenteuerlich-lyrischen Paletten und heimischen Gemütszuständen. Er unterstreicht zeitgeistliche Bilder seines Landes, singt von starken Kapitänen wie Obama und macht sich lustig über nervenaufreibende Quasseltanten à la Palin. Ohne zu fragen, schnappt er sich fremde Natels aus dem Publikum, ruft irgendwen an und trällert: ‹Listen up, boy. Listen up, girl...› Nichtsdestotrotz ist Herr Meloy philanthropisch, liebt es Feueralarm mit den Fans zu spielen: ‹I say fire, you say...›. Natürlich brennt es nicht! Er gesteht Fehler ein und verhält sich teilweise ein bisschen tollpatschig. Kriegt Kabel um seinen Hals gewickelt, nicht auf Anhieb entwirrt. Stossfeste Bühnenpräsenz also: Er will die Welt verändern, mit Hilfe seiner Band.

The short hello and the long goodbye: Der scheue Frontmann Colin Maloy

Dazu gehören: Multiinstrumentalist Chris Funk mit solidem Handdruck und feschem Smile. Die Pippi Langstrumpf-ähnliche Keyboardistin Jenny Conlee, die mir Backstage von ‹Is there a place called Freeboo in Switzerland, something with a castle? We played there, it’s a cute little village...› erzählte. Der scheue Doppelmeter-Bassist Nate Query und der väterliche, bärtige Schlagzeuger John Moen. Zusammen kreieren sie, und es entsteht eine umarmende Dynamik voller Experimente im Raum. Sie zelebrieren klassischen Pop und sehnsüchtige Folk-Formen, mischen mit Klezmer, Irish Jig, Seemannslieder und Prog-Rock. Pittoresker beschrieben: U2, Pink Floyd und Jack Johnson treffen sich bei R.E.M. zur festlichen Weindegustation. Tolle Musik also, um gemeinsam mit Freunden warm ums Herz zu werden. Das einzige Aber, beziehungsweise das, was ich mich seit dieser omnipräsenten Nacht ab und zu frage: Wieso zeigte sich Herr Meloy Backstage anfänglich zaghaft, distanziert, nannte beim Vor-

stellungshändedruck nicht mal seinen Namen, reagierte auch nicht auf mein Nachdoppeln ‹And your name was?› – sehr amerikanisch oberflächenfreundlich – aber rundete die Nacht mit einer flüchtigen Umarmung beim Wiedersehensagen ab? Jö, war er unsicher? Vielleicht wusste er, dass ich mich auf der Strasse nicht nach ihm umgedreht hätte? Text: Maria Dolores Lopez Foto: Emi Music Visuelle Impressionen von Marias Konzertbesuch bei den Decemberists findet ihr auf www.kinkimag.com. www.decemberists.com www.myspace.com/thedecemberists


The Decemberists 端berzeugen bei ihren Live-Auftritten nicht nur mit experimentellen Sounds, sondern auch mit viel Humor.

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ilsebil FotograFIe: Raphaela Pichler, www. raphaelapichler.ch Styling: Kathrin Eckhardt Hair and Make up: Mirjam Krucker Setdesign: Monica Santana Assistenz FotograFIe: Michèle Aschmann Model: Claudia Amsler

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SEITE 64: Jacke und Handschuhe von Dries van Noten bei Roma, Zürich/St. Gallen Stiefel von Tretorn bei Stereo Fashion, Zürich Hose von Ann Demeulemeester bei Roma, Zürich/St. Gallen

SEITE 66/67: Rosa Kleid von Vanessa Bruno bei Vestibule, Zürich Wollkleid von H&M Schal von Teres bei Susanna Sochor, Zürich

SEITE 69: Strickkleid und gleichfarbiger Schal von H&M Perlenkette von Rada bei Eclectic Schuhe Hunter bei Brunello, Strümpfe privat

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‹ vertreter › Über die wichtigsten Schuhe von 1900 bis heute. Mafia-Schuhe

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er kennt sie nicht, die gefährlichen und schleichenden Begleiter des Dons. In Filmen wie Der Pate und Serien wie The Sopranos wurden die Schuhe zu ledernen Ikonen. Schon in den ‹Gentlemen-Zeiten› des vorigen Jahrhunderts wurden die Schuhe in schlichter Farbwahl getragen – und zwar nicht nur von zwielichtigen Mafiabrüdern. Doch den absoluten Revival-Faktor erlebte der Schuh erst mit dem Aufkommen der zweifarbigen Variation in den 1980ern. Das ist der echte Klassiker, welchem italienische Gangster und die Schönen und Reichen der Strassen Amerikas seinen speziellen Charme verliehen. Seither weckt dieser Schuh in unseren Köpfen sofort Assoziationen zu grosskalibrigen Kleinkriminellen und glamourösen Entertainerlegenden. Das gefährlich aufregende und männliche Flair dieses Treters zog sogar die Queen of Pop in seinen Bann. Madonna, bekannt für ihr ausgefallenes, teils ziemlich männliches Styling, liess sich dieses Modell in der legendären Schwarz-Weiss-Kombination natürlich nicht entgehen. So zierte der zweifarbige Mafia-Schuh in den Achtzigern so manchen Promifuss und sorgte allgemein für Aufsehen, wo immer er auftauchte. Doch der Trend hielt nicht lange an, schon in den 90ern waren die MafiaSchuhe nirgends mehr zu finden.

Mafia-Schuhe sind gewagt und nicht jedermanns Sache, was wohl auch der Grund für ihr plötzliches Verschwinden sein dürfte. Doch diejenigen, die sich dieses ‹kriminelle› Schuhwerk zutrauen, werden mit würdigen Blicken beäugt. Unter dem Full Brogue wird der Ursprung des Mafia-Schuhs verstanden. Er zeichnet sich aus durch seine besondere Aufmachung, typisch für den Full Brogue ist das elegante Lochmuster, die sogenannte ‹Rosette› auf der Spitze. Häufig ist dieses Modell etwas robuster gebaut, mit kräftiger Sohle und betontem Rahmen. Der Name ‹Brogue› wird abgeleitet vom gallischen Wort ‹brog›, was schlicht und ergreifend ‹Schuh› bedeutet. Oft wird diese Ausführung auch als klassischer ‹Budapester› bezeichnet, da die Ungaren sich mit grosser Sorgfalt der Herstellung dieses Schuhes verschrieben haben. In Amerika nennt man den FullBrogue wegen seiner geschwungenen Zehenkappe auch ‹Wingtip›, also ‹Flügelklappenschuh›. László Vass ist seit langer Zeit für seine berüchtigten und äusserst exklusiven ‹Budapester›-Leisten und -Schuhe berüchtigt. Neben den klassischen Budapestern bietet der Betrieb eine breite Auswahl an edlen, handgefertigten Schuhmodellen, je nach Geschmack. Die Eleganz, Zuverlässigkeit und Bequemlichkeit der VASS-Schuhe wird durch das ausgeprägte Fachwissen und das sorgfältige Handwerk der Manufaktur gewährleistet. Wer solch eine Rarität also im Schrank verstauben lässt, verdiente es, vom Paten höchst persönlich in die Mangel genommen zu werden! Wem der Sinn nach einer heissen Nacht auf dem Parkett steht, oder wer zu einer Mottoparty oder zu einer Schiesserei eingeladen wird, der sollte keinesfalls auf die schwarzweissen Begleiter verzichten, um zum König der Nacht gekrönt zu werden. Das zeitlose Modell passt sowohl zum Anzug als auch zur engen schwarzen Röhrenjeans, denn auch die ModGeneration hatte seinerzeit ein Faible für die heissblütigen schwarzweissen Schuhe. Ein wahrer Klassiker eben. Geburtsjahr: 80er Jahre Name: Mafia-Schuhe Hersteller: Laszlo Vass Typ: Full Brogue Text: Christina Fix Illustration: Raffinerie AG

Der Mafia-Schuh: Was zu Al Capones Zeiten ein Vorbote für den Einsatz des berüchtigten Geigenkastens war, ist heute ein gültiges Fashion-Statement in Clubs und auf der Strasse.

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To die for

Der Name des britischen Labels ‹Denim is Everything› klingt schwer nach blaublütigem Jeans-Fanatismus. Stimmt auch, über die Abkürzung D.I.E. wird dabei aber auch mit der Ästhetik alter Zombie-Filme und Trashbands geliebäugelt.

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o einfach kann Mode funktionieren: ‹D.I.E. steht für das Gefühl, dass Du morgens einfach nur unbeschwert in ein Paar perfekt geschnittene, bequeme Lieblingsjeans springen möchtest. Mehr braucht es nicht, keinen Schnickschnack, keine Fashion›, verlautbart der gelernte Grafikdesigner Rey Gautier und er muss es wissen, schliesslich schlägt er sich schon über die Hälfte seines Lebens durch den Modedschungel. Nach Stationen bei Maharishi und G-Star gründete er mit Sandkastenkumpel Marcus Martinez die Vertriebsagentur Agent Orange, 2004 folgte ihr eigenes Baby D.I.E. Die Styles der Männermarke übersetzen die Jugend-Highlights des in Middle-England aufgewachsenen Duos. Als da wären: Comics, Horrorfilme, Musik von Bands wie Guana Batz und The Meteors und natürlich Skateboards. Letztere sorgten dafür, dass die beiden nicht wie der Grossteil der Dorfjugend zu biertrinkenden, pöbelnden Fussballfans wurden, sondern sich ihren Weg frei rollten und irgendwann in London landeten. Hauptstädtisch und very british zeigen sich heute die Blousonjacken, Hemden und Strickjacken. Highlight und Bestseller des Labels sind neben den Jeans jedoch die T-Shirts bedruckt mit Splatterfilm-Motiven, 50ies-Comicfiguren und bösen Sprüchen wie ‹once fakes get the shakes›. Rey erklärt seine Sicht auf die Branche und Philosophie folgendermassen: ‹Der Klamotten-Markt ist voll von überladenen, konstruierten Produkten, die den Konsumenten nur verwirren. Wir haben keinen Bock auf Trends, sondern wollen etwas Ehrliches und Echtes schaffen. Und hoffentlich sind da draussen ein paar Leute, die das verstehen.› Wir haben da keine Zweifel! Text: Romy Uebel Fotos: D.I.E. www.denimiseverything.com

Very British, very stylish! D.I.E. bahnen sich ihren Weg durch den Modedschungel. 72

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‹Wir wollen etwas Ehrliches und Echtes schaffen.›


‹Wir haben keinen Bock auf Trends›: D.I.E. steht für Comics, Splatter und Punkrock.

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The New Nouvelle Cuisine

Fashion Editor: Dixi Romano Photographer: Giorgia Valli Make Up and Hair Style: Andrea Gaetani Models: Alona and Yuliana @Names Model Milan Style Assistant: Erika Peter

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Seite Seite Seite Seite

74/75: Dress: BOLONGARO TREVOR Skirt: MARY & MATTHEW Housiery: WOLFORD Shoes: APAIROFSHOES 76: black Dress: LA PETITE ROBE grey Dress: BOLONGARO TREVOR blue checked Foulard: DIOR D015 77: Jumpsuit: 55DSL Flower: HANA Scarf: BEYOND RETRO LONDON 78/79: Bolero with Feathers: MAURIZIO IAPPICA Dress: MARY & MATTHEW

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‹vive la fragrance › Wohlgerüche für Fortgeschrittene. Weihnachtsshopping ist der totale Albtraum. Unsere Duftexpertin Irène Schäppi wagte sich trotzdem ins Gewühl…

Sternförmiges zu Weihnachten kann nicht verkehrt sein.

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as habe ich letzte Woche auch wieder einmal festgestellt und mich anstelle einer lieblichen Welt voll von flauschigen Schneeflocken, frisch gebackenen Guetsli und Weihnachtsliedern in einem Spielwarengeschäft an der Zürcher Bahnhofstrasse wiedergefunden, wo ich mich beinahe mit einer Person in Kunstpelz um das It-Gadget der Saison geprügelt hätte. Ähnlich erging es der Dame neben mir, welche sich mit ihrem fast schon PS-starken Kinderwagen samt schreiendem Inhalt durch die Regale zwängte und dabei einer anderen verzweifelten Mutter keifend den Plüscheisbären Bernard zu entreissen suchte. Und so stellt sich angesichts solcher Situationen dann die Frage, was denn nun mit Weihnachtsfeeling, Nächstenliebe und Besinnlichkeit geworden ist? ‹Bah, Humbug!› Anstatt Anderen Gutes zu tun, ist man nämlich insbesondere zur Adventszeit von einer Horde aggressiver Irrer umzingelt und muss sich gleich Alice aus Resident Evil mit allen Mitteln dagegen wehren, nicht ebenfalls von diesem glühweingeschwängerten Wahnsinn angesteckt zu werden. So wünschte man sich inmitten dieses Horrorszenarios schier die Weihnachtsgeister sich wieder zu einem lebensfrohen, mildtätigen Menschen bekehren zu lassen. Da das in meinem Zustand aber nicht ging, ergriff ich eine andere Massnahme und rettete mich mit letzter Kraft in die Parfümerie Osswald am Paradeplatz. Dort angekommen, hielt ich alsbald eine dufte Lösung in der Hand, die mir gleich dem Stern von Bethlehem den Weg ge gewiesen hat: ‹Angel› von Thierry Mugler (Eau de Parfum, 25ml ab CHF 80.–) funkelt nicht nur wie ein Himmelskörper, sondern ist auch ein Parfüm, das behagliche Kindheitserinnerungen vom Rummelplatz mit Zuckerwatte, Schokolade und roten, kandierten Äpfeln heraufbeschwört. Und sowohl

äusserst wunderbar als auch ziemlich kontrovers nach Honig, Vanille sowie Patchouli duftet, weshalb die Einkaufsmassen entweder sogleich auf die andere Strassenseite wechseln oder der Trägerin mit einem glückseligen Lächeln um den Hals fallen. Und letzteres ist doch irgendwie ganz nett. Ebenfalls himmlisch und für einen olfaktorischen Fluchtversuch aus dem vorherrschenden Käfig voller Narren geeignet, ist zudem der legendäre Klassiker ‹Vol de Nuit› (Eau de Toilette, 93ml ab CHF 155.–) aus dem Traditionshause Guerlain. Inspiriert vom gleichnamigen Roman Antoine de Saint-Exupérys weiss das Parfüm mit Anis-, Mimosen-, Veilchen- sowie Irisnoten zu umhüllen und scheint ausgedehnte Flüge durch die Nacht möglich zu machen – auf dass man das Hier und Jetzt sofort vergesse. ‹Cuir de Russie› von Chanel (Eau de Toilette, 200ml ab CHF 325.–) hingegen ist eine andere Geschichte. Nicht minder legendär, wurde das Parfum 1924 von Ernest Beaux entworfen und sorgte damals wie heute für grosses Aufsehen. Dabei verkörpert ‹Cuir de Russie› mittels Ingredienzen wie Mandarine, Ylang-Ylang, Styrax sowie erlesenen Balsamnoten den grossartigsten Duft seines Genres und lässt einen an wunderbare Momente in lederbezogenen Betten denken. Ich für meinen Teil fühle mich mit jedem Tropfen dieses kostbaren Parfüms sofort wieder an lustvolle Nächte in solch einer wunderbaren Liegestatt erinnert und angesichts hysterischer Weihnachts-Schnäppchen-Jäger plötzlich gar nicht mehr gestresst. Wem das alles aber dennoch nicht zu helfen scheint, dem sei zum äussersten geraten. Bleibt zu Hause, schliesst die Türe ab und sorgt mit einem Heer von Kerzenlicht für eine gemütliche, falls gewünscht, weihnachtliche Ambiance. Hierfür eignet sich übrigens die exklusive Duftkerzen-Edition ‹Noël› von Annick Goutal (ab CHF 79.–) ganz fabelhaft und riecht erst noch herrlich nach Sibirischen Tannenwäldern. Oder anders formuliert: ‹Advent, Advent, ein Lichtlein brennt. Erst eins, dann zwei, dann drei, dann vier – dann steht das Christkind vor der Tür.› Schon als kleines Kind bewies Irène Schäppi, unsere Kolumnistin und Duft-Fetschistin, einen guten Riecher. So zum Beispiel, als sie mit vier Jahren den elterlichen Schlafzimmerteppich mit dem damals angesagten Eau de Parfum (!) von Valentino tränkte.

Guerlain stimuliert die sinnliche Vorfreude.

Illustration: Raffinerie Ein Parfüm von Chanel passt unter jede Tanne.

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LAREMA DISTRIBUTIONS SA, 5 chemin de la Marbrerie, 1227 Carouge GE, Tel.: 022 818 18 21, Fax: 022 818 18 19 Erh채ltlich beim Globus Z체rich Bahnhofstrasse, Glattzentrum, Basel, Westside, Luzern, Genf.


Say oh là là

Mädels waren lange Zeit die Stiefkinder der Streetwear. Für sie gab es in der Testosteron-Szene meist fade Looks, designt frei nach dem Motto: mach das Sweatshirt halt kleiner und pink… Das fran­ zösische Label Sessun hat seine Wurzeln in der Strassen- und HipHop-Kultur und lässt junge Damen dabei lässig und doch sexy erscheinen.

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hre ersten Outfits kreierte Sessun-Gründerin Emma François aus dem altbekannten Beweggrund der Geldnot heraus. Die Studentin der Anthropologie brachte von ihren Südamerika-Reisen Stoffe und Kleidungsstücke mit, nähte sie um und verkaufte sie zunächst in ihrem Freundeskreis. Die Nachfrage stieg und so entschied sich Emma 1996, die Wissenschaft vom Menschen eher praktisch einzusetzen und sich der Mode zuzuwenden. Es ward Sessun! Firmensitz ist seither das sonnige Marseille und so scheint der seichte Wind Südfrankreichs die Styles selbst im Winter zu durchwehen. Aber auch die Faszination für Südamerika lässt Emma nicht mehr los, so verarbeitete sie in den Anfangsjahren Schafs- und Alpacawolle aus Ecuador und Peru. Mittlerweile wird in Frankreich produziert, hier und da blitzen aber immer wieder folkloristische LatinaAnleihen in Form von Mustern oder Farbkombinationen durch. Dass Marseille nicht nur lieblich ist, sondern durchaus eine rauhe Street-Szene beheimatet, lassen die Grafiken erkennen. Dafür verantwortlich ist von jeher Künstlerin Vanska, eine der Mitbegründerinnen von Müsli Kollektiv. Für eine Extraportion Credibility sorgt zudem ihr Kollege Sundae, der die Kataloge des Labels hübsch macht. Textiltechnisch setzt auch Sessun in diesem Winter auf die oberangesagten Karos, mal als Minikleid, mal als Poncho oder Hemd. Très französisch sind Mäntelchen, Capes, Blusenkleider und Marlene-Hosen im Seventies-Look, rund wird’s mit stilechter Strickbaskenmütze und coolen Ankleboots. Wer jetzt wieder nörgelt: ja hübsch, aber sicher teuer und nirgendwo zu bekommen, bitte Luftsparen. Das beste an Sessun: die schicken Fähnchen sind durchaus bezahlbar und schon in über 500 Shops erhältlich. Text: Romy Uebel Mode-Zitate: Coco Chanel und Yves Saint Laurent Fotos: Sessun www.sessun.com

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‹La mode se démode, le style jamais.›

‹La mode, c’est quelque chose au bord du suicide.›


‹Il n’y a pas de mode si elle ne descend pas dans la rue.›

‹S’habiller est un mode de vie.›

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Argentum et Aurum Fotografie Matthias Straub Haare/Make-Up Julia Walter Styling Christina Fix, Rahel Zoller Models Marlen Efferenn, Alex Kurek, Mia B端hler

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Mia, von hinten Unterhose: Big Brief von Agent Provocateur Ketten: Electra und Cornelia von Arena Uhr: Player von Nixon Alex, von vorne Shorts: Björn Borg Kette: David&Martin Uhr: The Granduate SS von Nixon Mia, mit Augenbinde Oberteil: Famous Shirt von Vive Maria Schlafbrille: Marquee Eye Mask von Agent Provocateur Alex, Füsse Short: Björn Borg Uhr: The Sultan von Nixon Lene, von vorne Unterwäsche: Boogie Briefs und Boogie Bra von Wundervoll Uhr: The Kensington von Nixon

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Russel Maurice

‹Eigentlich bestens, ausser dass hier alle rauchen und mich und meine Kollektion einstinken!› Die Antwort auf die Frage, wie es Russel Maurice auf der Modemesse ‹Bread & Butter› gefalle, die vor fünf Jahren noch im raucherfreundlichen Berlin stattfand. Er klang deutlich empört. gebürstet. Was sie aber vor allem sind, und das kommt mittlerweile selten genug vor, sie sind amüsant. Mal lässt er geheime Geister in Blättern leben, jagt mal scharenweise Krokodile oder Pelikane über die Leinwand. Ein anderes Mal sind Kürbisse oder Stromsparlampen die Protagonisten seines zauberhaften Mikrokosmos. Der Name Russel Maurice dürfte in Zukunft eine grössere Hausnummer sein, drum haben wir schnell noch mal zum Gespräch gebeten.

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abei ist der Grafiker aus London, der mir bei diesem ersten Treffen sein frisch gelaunchtes Label ‹Gasius› vorstellte, alles andere als ein Nichtrauchermilitant oder gar Spiesser. Russel selbst smökt mit Vorliebe Selbstgedrehte mit grünem, stinkendem Inhalt, aber eben in seinem Studio, oder da, wo er niemanden belästigt. Generell ist der heute 33-Jährige umsichtig, höflich und in der Zusammenarbeit zuverlässig, was man bei einem Jungen, der im roughen Teil Newcastles mit Graffiti und HipHop aufwuchs, nicht unbedingt voraussetzen kann. Hier machte er seine ersten Tags und entwarf T-Shirt-Prints für seine Freunde. 1993 wurde daraus ‹The Gasface›, eines der ersten britischen Labels, das Graffiti auf Baumwolle brachte, Gasius ist heute die zeitgemässe Inkarnation. Nach seinem Studium im Londoner Suburb Epson arbeitete Russel mehrere Jahre für Maharishi, eine Zeit, die sein Gespür für Mode und Textilien schärfte und in der er begann, seine prägnanten Muster und All-over-Drucke zu verfeinern. Heute verdient Mr.Gasface seine Brötchen mit Designs für Nike, Porter, Medicom und Sixpack, aber auch seine Kunst findet in Ausstellungen in Tokio, Stockholm, Paris und Amsterdam langsam die öffentliche Anerkennung, die ihr gebührt. In ihr offenbart sich Russels Sensibilität für seine Umwelt und vor allem seine Kritik an dem nachlässigen Umgang mit der Natur. Seine Arbeiten sind farbenfroh aber nie krawallig, verspielt statt sexgeladen, positiv statt dreckig auf No-Future

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kinki: Du hast in letzter Zeit hauptsächlich Installationen und Plastiken präsentiert. Versteh mich nicht falsch, sie sind wunderschön, aber doch sicher schlecht zu verkaufen? RM: Die Verkäufe waren okay und jetzt werden sie besser! Ich denke weder mit meiner Kunst noch mit den Klamotten wirklich kommerziell. Ich verweigere reinen Kommerz. Das ist Fake und einfach platt. Klar muss ich von etwas leben, aber die Balance ist mir wichtig. Mir ging es nie um sell, sell, sell, ich wollte schon immer etwas erschaffen. Wann fiel die Entscheidung Grafiker und Künstler zu werden? Ich hab schon Graffiti gemacht, als ich noch nicht mal im Traum daran dachte, mal einen Beruf haben zu müssen. Grafikdesign war irgendwann die einzig wirkliche Option. Was sind für dich die drei besten Arbeiten im Grafikdesign aller Zeiten? Oh wow, das ist schwierig. Also erstens das Logo für Gasius! Okay, das ist jetzt ein Scherz. Ich sag jetzt mal alle Arbeiten von Lubalin und Paul Rand und das WSSK Poms Logo von Paris. So. Alles klar, ich werde das nachrecherchieren. Was ist deine Lieblingstypo? Da bin ich langweilig. Ich benutze eigentlich ständig Helvetica, die ist halt zeitlos. Dann sind vielleicht deine Lieblingsmaterialien spannender? Für die Klamotten-Entwürfe zeichne ich mit Tusche, scanne die Skizze ein und vektorisiere. Für meine Bilder nutze ich gerade Fassadenfarbe, Acryllack, Blattgold, Tinte und Filzstifte. Ich lege gern mehrere Schichten übereinander, um diese Tiefe zu erzeugen. Ist wohl ein Teil der Graffiti-Psyche.

Hast du eigentlich irgendwelche Abgründe oder Schwächen? Oder, was nervt dich generell? Zählen Space-Cookies? Was ist mit Ebay? Das wären meine Abgründe. Generell ärgert mich einiges, Ignoranz zum Beispiel, Nuklearwaffen, die Tatsache, dass die Welt die Situation in Afrika nicht verbessert, das mangelnde Bewusstsein der Menschen für die Umwelt, Entwaldung und diese wahnsinnige Produktion von Müll.

‹Grafikdesign war irgendwann die einzig wirkliche Option.›

Welchen Kompromiss würdest du denn niemals eingehen? Mein Gott, was ist das hier für ne SchwereFragen-Nummer? Also ich würde niemals für Öl- oder Zigaretten-Konzerne arbeiten, das steht fest. Ich möchte einfach glücklich über jedes Stück sein, unter das ich meinen Namen setze. Was machst du, wenn dir nix einfällt, beim berühmten schwarzen Loch? Das ist tatsächlich meine grösste Angst – also nach dem Tod und nach der Mittelmässigkeit (lacht). Normalerweise rauch ich was, da kommen immer noch die besten Ideen.

Was hat dich zuletzt berührt? Neulich fuhr ich nachts mit dem Rad vom Studio heim. Alles war ruhig, plötzlich ein leichter Nieselregen und innerhalb weniger Minuten der heftigste Hagelsturm. Die Hagelkörner sind mir voll ins Gesicht geknallt, ich hatte Kopfhörer auf und guten Sound im Ohr und das Ganze war einfach komplett surreal. Ich musste laut loslachen. Später sah ich daheim aus dem Fenster und es schneite dicke Flocken, im Oktober! Ich war total entspannt und ruhig. Text & Interview: Romy Uebel www.thegasface.co.uk www.russelmaurice.com


Kollage für die Ausstellung ‹Thursday Solstice›, London 07/08

Aus der Vielzahl von Vorlagen entstehen Kollagen mit PopAppeal, die Lust auf LSD machen. Oder auf Himbeerbonbons.

oben: Graffiti in Bristol, 2005. rechts: Installation an der AlphaOmega, Stockholm

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Forever Young!

Unsere Autorin Miriam Suter hält eigentlich nicht viel vom Hype um so genannte ‹aufstrebende Kulturschaffende› und deren Ausstellungen. Bis sie sich selbst an die ­diesjährige ‹jungkunst›-Messe in Winterthur wagte.

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rüher habe ich immer gedacht, Kunstausstellungen sind nur was für Leute, die Leinsamenmüsli frühstücken und rote Lackschuhe tragen. Ausserdem stehen alle verkrampft und mit ernsten Gesichtern andächtig mit drei Metern Abstand vor den Bildern und gehen nach etwa zwei Minuten weiter. Meine voreingenommene Meinung von Kunst war also: macht absolut keinen Spass und ist was für Langweiler. Jungkunst hat mich vom Gegenteil überzeugt. Rund 20 angehende Künstlerinnen und Künstler stellten dieses Jahr ihre Werke auf dem Sulzerareal in Winterthur aus. Schon beim Betreten der alten Fabrikhalle wurde mir ganz warm ums Herz: ein ausgebauter VW-Bus mit Mini-Discokugel und Sofas im Inneren sowie angehängter Soundanlage neben gemütlichen Sitzwürfeln mit Blachenüberzug des Schweizer Designerduos Freitag. Hier wurde den Besuchern von Donnerstag bis Samstag jeden Abend ein anderer musikalischer Leckerbissen präsentiert: Rita Hey, James Legeres und The Bianca Story gaben sich die Ehre. Für Unterhaltung (und dank dem Heizungslüfter etwas zu viel Wärme) und Verpflegung an der Bar war also gesorgt. Dank der so entstandenen Wohlfühlstimmung entfernte sich die Ausstellung von der eher steifen Atmosphäre, die sonst an vielen Vernissagen herrscht. Zwischen den Werken der Nachwuchskünstler konnte man die jeweiligen Portraits inklusive Kurz94

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könnten und einem von der Decke herabhängenden Abbild von ‹Madame Seltsam›. Ausserdem haben zwei kleine alte Fernsehgeräte, die Unterwasseraufnahmen zeigten sowie den Slogan ‹Luftblasen sind wie Perlen, die nie gefunden werden› (wie wahr), meinen Blick gefangen. Neben der Hauptausstellung waren agent-provocateur.ch mit bissigen Video-Kommentaren zum aktuellen Schweizer Zeitgeschehen sowie eine Videoinstallation mit einer Zusammenfassung eines Jahres in Form von schriftlich festgehaltenen und in einer Art FilmAbspann präsentierten Ereignissen (‹Learned how to cook asian food›) der Künstlerin Agnes Janich zu sehen. Das Highlight aber war in meinen Augen ein riesiger Verpackungskarton, der während mehreren Tagen von den drei Künstlern Rodja ‹ro*› Galli, Anna-Linka Balke und iAlain ‹Lain› Schibli ohne festes Konzept, jedoch unter dem Motto ‹Pop› zu einem Auf Karton gestalteten die Künstler vom Kollektiv Cu(tb)us 360Grad-Wandbild gestaltet wurde. in einer tagelangen Live-Aktion Herausgekommen ist dabei eine bunte ein 360 Gad-Wandbild. Zauberwelt aus musikhörenden Eininterviews betrachten. Erwartet hatte ich ehrlich hörnern, Panthern an rosafarbenen Leinen, Donuts gesagt Ausstellungsstücke, bei denen man sich und Parolen im Streetart-Stil wie ‹Andy Who?!›, fragt, was sie eigentlich darstellen sollen. Arbei- wovon man sich am Ende der Ausstellung sein ten, die auf krampfhafte Weise innovativ wirken persönliches Stück Jungkunst in Form von aus sollen. Bekommen habe ich Bilder, Fotografien dem Karton ausgeschnittenen Bildern ersteigern und Installationen, die wirklich mein vollstes Inter- konnte. Super Idee, finde ich, denn die Parole von esse geweckt haben. Vor vielen blieb ich sogar jungkunst lautet ‹Originale statt Poster›. ‹Es ist ein etwas länger stehen – normalerweise versuche grosser Unterschied, ob man ein Original von van ich bei Ausflügen in die Kunstwelt einfach interes- Gogh vor sich hat oder nur einen Kunstdruck der siert auszusehen, bewege mich aber so unauffällig «Sonnenblumen». Originale atmen Geschichte, wie möglich Richtung Ausgang. Womit ich aller- strahlen Persönlichkeit aus, haben eine vitale und dings trotzdem zur Zielgruppe gehöre: das Konzept gleichermassen fragile Schönheit›, so die Gründer der seit 2006 bestehenden Gruppe orientiert sich Martin Landolt, Tom Stierli und Andreas Schmuam Publikum und ‹will möglichst vielen Menschen cki, und sprechen mir damit aus dem Herzen. Die einzige Frage, die nach dem Besuch bei einen spannenden Zugang zur Kunst vermitteln. Jungkunst wendet sich also sowohl an den Kunst- jungkunst noch bleibt: Brauchen wir auf dem eh sachverständigen als auch an Besucherinnen und schon gnadenlos überfüllten Markt überhaupt Besucher, die selten an Ausstellungen oder in Mu- noch neue ‹Jungkünstler›? Wenn ihr mich fragt: ja, seen oder Galerien anzutreffen sind.› Da habe ich durchaus. Schliesslich gibt es da draussen bestimmt noch viele Banausen wie mich zu bekehren. ja noch mal Glück gehabt. Kunst macht durchaus Spass – mehr davon!

Originale atmen Geschichte

Die meiste Zeit verbrachte ich vor einer Fotostrecke in Schwarz-Weiss mit allerlei Lebensweisheiten (‹Behave shameless in your old days›, ‹Change your life once a day›, ‹Die Liebe ist ein wildes Tier›), vor Kohlezeichnungen von fliegenden Elefanten, Fotografien, die aus meinem eigenen Bett stammen

Text: Miriam Suter Fotos: Jungkunst Weitere Info unter www.jungkunst.ch



JUST PASSENGERS ‹Das Leben ist schon eine seltsame Sache›, meint Fabian Unternährer und lächelt. ‹Irgendwie ist es überall und dennoch scheint es immer nur an uns vorbeizufliessen›. Genau diesen Umstand versucht der Berner Fotograf in seinem ­Fototagebuch festzuhalten.

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eit drei Jahren arbeitet Fabian an seiner Serie ‹Just Passengers›, wenn man das überhaupt arbeiten nennen kann. ‹Die Serie funktioniert wie eine Art Tagebuch. Ich halte Situationen fest, fotografiere Freunde, Fremde, Landschaften…alles! Irgendwie muss es mich einfach in den Fingern kitzeln, dann weiss ich, dass es der richtige Moment ist›. Natürlich hat er seine Kamera überall dabei. ‹Doch mit der perfekten Kamera verhält es sich so ähnlich wie mit der Suche nach der Traumfrau: Man muss einiges ausprobieren, um schlussendlich ‹‹Die Eine fürs Leben›› zu finden. Allerdings bin ich schon eher der Analog-Typ. Wenn ich mit Digitalkameras arbeite, bin ich oft vom Ergebnis enttäuscht.› Egal ob Lomo, Polaroid, Schwarz/Weissoder Farbfilm, Fabian mischt ‹Chruut und Rüebli›, das Entscheidende ist der Moment, in dem er abdrückt. Sei es die trinkende Frau im Zug, das lustige Kätzchen des Freundes oder das unheimliche Haus in Island. ‹Natürlich verpasse ich auch oft den richtigen Moment für einen Schnappschuss. Manchmal ist man einfach nicht schnell genug, die Intimität zur Person ist nicht aufgebaut oder man weiss, dass ein Foto den Moment zerstören würde›, meint er und blickt in seine leere Kaffeetasse. ‹Aber ehrlich gesagt nervt mich das schon total, wenn ich einen guten Moment verpasse!›

Lifestills Als Fabian sich nach der Matura überlegte, was

er denn nun mit seiner frischgewonnenen Freiheit anstellen sollte, musste er sich erst einmal darüber bewusst werden, was genau er eigentlich vom Leben erwartete: ‹Ich wollte nicht irgend etwas studieren, nur damit ich nachher einen coolen Job habe. Ich sehnte mich viel eher nach einer Ausbildung, die mich fasziniert und mir Spass macht.› Das Fotografieren war keine Neuheit in Fabians Leben, schon immer hatte er gerne Eindrücke und Situationen festgehalten, vor allem auf Reisen. 96

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‹Ich wollte mich irgendwie ausdrücken, den Menschen zu verstehen geben, was mich bewegt, amüsiert und mir gefällt. Die Fotografie bietet mir diese Möglichkeit, und der Vorkurs sowie die Fotoschule in Vevey haben meine Technik verbessert.› Seit einem Jahr lebt er nun als freischaffender Fotograf, arbeitete fürs Neon, den TCS, das Migrosmagazin und viele mehr. ‹Die Serie ‹‹Just Passengers›› enstand allerdings immer in meiner Freizeit; auf Partys, bei Freunden, im Zug, wo auch immer.› Bemerkenswert an ‹Just Passengers› ist der Fakt, dass sich die Menschen und Situationen auf den Bildern nicht an eine gewisse Zeit oder Örtlichkeit binden lassen. Jedes Bild könnte irgendwo entstanden sein, die Personen wirken wie Schauspieler aus einem Film. ‹Für mich ist das ganze Leben wie ein grosser Film. Durch die Fotografie gewinnt man lustigerweise für einen kleinen Moment Abstand, man betrachtet das Leben im wahrsten Sinne des Wortes objektiv, sozusagen von einer Metaebene aus›, beschreibt Fabian seine Realitätswahrnehmung. ‹Diese Bilder sind so etwas wie Filmstills aus meinem Leben.›

Lebenswerk Und doch verhält sich der junge Mann mit der Ka-

mera nicht nur als neutraler Beobachter, der von einer Ecke aus das Leben dokumentiert. ‹Man muss sich die Bilder sehr genau ansehen, um zu erfahren, was ich damit erzählen möchte.› Sei es ein poetischer Hintergrund, welcher hinter den einzelnen Momentaufnahmen steht, oder eine konkrete Message, oftmals verführen uns die Bilder auch zu einem Schmunzeln, denn sie zeichnen nicht das Bild einer hoffnungslosen Welt, sondern bestechen durch Humor und Zuversicht. ‹Es ist einfacher, immer nur in Moll zu spielen, oder? Ich sehe das Leben ziemlich positiv, ich kann die Welt zwar nicht verändern mit meiner Arbeit, aber ich kann etwas von diesem Lebensgefühl an meine Mitmenschen weitergeben.› Falls Fabian es schaffen sollte, irgendwann seine immense Sammlung an Fotos einzuscannen und einen Bildband oder eine Aus-

stellung daraus zu generieren, so dürfen wir uns also auf eindrückliche Stills aus einem – wie es scheint – sehr schönen Film freuen. Doch aufhören wird er wohl nie mit diesem Projekt. Obwohl: ‹Wir sind alle just passengers, alles ist vergänglich.› Text und Interview: Rainer Brenner Weitere Info und Bilder zu Fabian Unternährer findet ihr ­unter www.fu-photo.ch


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Mehr Raum!

‹Staging the Stage› lautete das Motto des diesjährigen Scenographers Festival in Basel. An drei verschiedenen Orten präsentierte der Event dem Besucher einen Einblick in die dreidimensionale Welt der räumlichen Kunst. Denn die Bühne endet nicht beim Parkett, sondern fängt dort erst an!

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ls Mitte des letzten Jahrhunderts in den USA die ersten Künstler mit persönlichen Einladungen bei Galeriebesuchern für ihre sogenannten Performances warben, wusste wohl niemand so recht, was einen an einem solchen Event erwarten würde. War das nun darstellende Kunst, Theater oder am Ende gar eine neue eigenständige Ausdrucksform? Die Zuschauer wurden beleidigt oder gar ignoriert, Galerien wurden in wundersame Zwischenwelten verwandelt, wo die Künstler auf nahbare und dennoch meist unverständliche Weise ihr Tun ausstellten. Man konnte sie lieben oder hassen, doch klar war seit Anbeginn dieser Kunstform, dass man sich einer persönlichen Meinung nicht entziehen konnte, weil man stets selbst Teil des Ganzen war und sich nicht wie gewohnt im Halbdunkel des Parketts in seinem Theatersessel verkriechen konnte.

Von der Performance zur Architektur

Rund sechzig Jahre später hat sich an diesem Umstand eigentlich nicht viel geändert. Noch immer weiss man nicht, was einen an einer Performance erwarten wird, noch immer verwandeln die Künstler scheinbar alltägliche Umgebungen und Handlungen in rätselhafte Zwischenräume. Allerdings ist diese Idee der Raumkonzeption in den letzten dreissig Jahren auf unzählige andere Kunstrichtungen übergeschwappt: Sowohl die Theaterwelt als auch Film, Architektur und unzählige weitere Kunstformen beschäftigen sich seither mehr denn je mit der szenografischen Raumgestaltung. Räume werden nicht länger als lästiger Rahmen wahrgenommen, sondern sie werden inszeniert. Das Berufsfeld des Szenografen könnte sozusagen als Weiterentwicklung des klassischen Bühnenbilds verstanden werden, mit der wichtigen Veränderung, dass ‹die Bühne› nicht länger nur in altehrfürchtigen Theaterbauten und Galerien, sondern an jedem erdenklichen öffentlichen Ort existieren kann. Im Rahmen des zweiten Scenographers Festival boten während drei Tagen nationale und internationale Grössen dieser Form der ‹narrativen Architektur› Einblick in ihr künstlerisches Schaffen und ihre theoretischen Ansätze. Zum zweiten Mal präsentierte das Institut für Innenarchitektur und Szenografie der Basler Hochschule für Gestaltung und Kunst mit Hilfe ihrer Studenten und Part106 kinki

ner an drei verschiedenen Orten eine Veranstaltung, die sich sowohl im theatralen als auch im architektonischen Kontext mit modernen Tendenzen der Szenografie auseinandersetzte. Zu den illustren Gästen aus verschiedensten Bereichen gehörten unter anderem der katalanische Installationskünstler Jaume Plensa, Annamaria Cattaneo vom Studio Olafur Eliasson in Berlin, der Theoretiker Franck Ancel, als auch der Regisseur Volker Lösch, der mit seinen provokativen Inszenierungen in Dresden und Zürich immer wieder für Furore sorgte. Des Weiteren wurde natürlich auch den rund 60 Studenten des Instituts Raum zur Verwirklichung ihrer installativen Arbeiten geboten.

Räumlich gedacht

So gewährte das Scenographers Festival auch dieses Jahr vom 20. bis zum 23. November den Besuchern an drei imposanten Orten einen Überblick über die Trends und Geschichte der Szenographie: In der Predigerkirche erwartete die Gäste am Donnerstag ein Vortrag, bzw. eine Performance von Robert Wilson: Bevor er mit seinem Speech loslegte, schwieg er- wie es sich für einen ordentlichen Performer gehört- zuerst einmal einige Minuten lang. Der Altmeister Robert Wilson gelangte mit seinem Theater-Performance ‹Civil Wars›, welches er vor über zwanzig Jahren zum Auftakt der Olympischen Spiele inszenierte, zu Weltruhm und gilt in- und ausserhalb der Theaterszene auch heute noch als avantgardistischer Theatermann, der stets viel Wert auf die räumliche Komponente seiner Inszenierungen legt. Am zweiten Tag entführten Jürg Steiner, Andres Bosshard und Martin Joos von ‹Nüssli› die Besucher auf dem ehemaligen Exposchiff in die Welt des Exhibition- und Setdesigns. Danach ging es in der Voltahalle mit Vorträgen von Anna-Maria Cattaneo und Achim Freyer weiter; das Abendprogramm war der Theaterbühne und Installationskunst gewidmet. Am dritten Tag fand der Event einen weiteren Höhepunkt in einer ohrenbetäubenden Performance von Massimo Furlan im Unterdeck des Schiffes, sowie einer Vorführung der Theatergruppe Schuko aus Mailand. Volker Lösch setzte mit einer wortgewaltigen ‹Predigt› den würdigen Schlusspunkt dieses Samstags, welcher schliesslich in eine rauschende Party mündete, denn Räume sollen ja bekanntlich auch kollektiv genutzt werden. Wer Tags darauf nicht zu übernächtigt aufwachte, der durfte am Sonntag noch einmal einer theoretischen Diskussion über die Ziele und Vorhaben einer szenografischen Berufsausbildung lauschen, die den

Abschluss dieser interessanten und inspirierenden Veranstaltung bildete. Das Festival bot jedem Kunst- und Architekturinteressierten einen tieferen Einblick in die immense Bandbreite, welche die Szenografie dieser Tage abdeckt. Viel wichtiger dürfte allerdings sein, dass den Besuchern die unglaubliche Wirkung, welche die dramaturgische Inszenierung des Raums mit sich bringen kann, bewusst wurde. Man befasste sich in realer und virtueller Form mit der eigenen Umgebung und erweiterte das Blickfeld. Text: Rainer Brenner Fotos: IN3 Weitere Info unter www.in3.ch

Jaume Plensa


Klaus Grüneberg

Herman Kossmann – Kossmann DeJong

Wann ist ein Raum das Bild selbst?

Klaus Grüneberg

Ernesto Graf – Karl's kühne Gassenschau

Szenographie wird noch immer nicht als eigene Kunstform verstanden. kinki 107


‹ travel › Amsterdam by Joljin Snider Also packt eure Fahrradhandschuhe ein und lasst euch nicht von der teilweise ziemlich lauten Art der Einheimischen einschüchtern, denn die Leute sind äusserst freundlich, fleissig und äusserst hilfsbereit! Inspiriert von Punkrock-Zines und trashigen Flyern, entschied sich die holländische Fotografin Joljin Snider, ein eigenes Magazin ins leben zu rufen: Das ‹I Love Fake›-Magazin soll aufstrebenden Künstlern und Fotografen eine Plattform bieten. Ausserdem arbeitet Joljin natürlich ebenso fleissig an ihrer Karriere als Fotografin für Kunden wie Karl Lagerfeld, Indie Magazine und Ozon und fährt selbstverständlich überall mit dem Rad hin. Du hast die Chance, einen Flug mit KLM nach Amsterdam zu gewinnen. Einfach eine Mail mit dem Betreff ‹Amsterdam› und deiner Adresse an info@kinkimag.ch schicken. kinki magazine verlost 2 Tickets, Einsendeschluss ist der 21.1.2009

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Eigentlich sind die Leute in Amsterdam immer im Stress. Egal ob bei Regen, Wind oder Schnee – auch in der kalten Jahreszeit versucht jeder, sich im gelben Regenmäntelchen auf seinem Fahrrad einen Weg durch die nassen Strassen zu bahnen. Wenn die Amsterdamer gerade mal nicht unterwegs sind, trinken sie am liebsten heisse Schokolade und verriegeln sich in ihrer Wohnung. Oder aber sie gehen tanzen und trinken dazu unglaubliche Mengen von Wodka! Donnerstags ist ein Besuch im Paradiso oder Jimmy Choo ein Muss, den Rest der Woche über vergnügt man sich am besten im Studio 80 oder in der Sugar Factory. Wer mal wieder richtig herzhaft lachen will, sollte sich auch einen Besuch in De Kleene Komedie auf gar keinen Fall entgehen lassen! Natürlich bietet Amsterdam seinen Besuchern auch tagsüber einiges, zum Beispiel jede Menge toller Shoppingmöglichkeiten: Montags solltet ihr zum Noordermarkt, da findet man die coolsten Vintage-Teile und in der Umgebung einige der besten Restaurants der Stadt. Ansonsten zur Haarlemstraat oder in die Utrechtstraat. Natürlich dürft ihr auch die etwas kommerzielle Seite Amsterdams nicht verpassen: An der Kalyerstraat findet ihr vom Souvenir bis zum Couture-Shop alles, was das Herz begehrt.

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‹media› Vom Umschlag bis zum Abspann. ‹Schon wieder ein Gutschein...›. Alle Jahre wieder sitzt man am Ende des Heiligabends vor einem Haufen Geschenkpapier und hektisch zerrissenen Schleifen. Obwohl man ja manche Geschenke eigentlich gar nicht zu öffnen bräuchte, um zu erahnen, was sich in den kleinen Couverts verbirgt. kinki verrät euch, wie man unpersönliche Gutscheine in ‹persönliche Favoriten› verwandelt.

BUCH

Aidan noch seine Freunde ge­rech­net hätten, ist dass die Grabstätte innert kürzester Zeit zum Mekka für Menschen mit Problemen und Sorgen unterschiedlichster Art werden würde. So pilgern die Menschen von überall her zum Garten des Elek­tronikangestellten, seine Mission wird zum Thema in den Nachrichten­ stationen des Landes, der bislang un­be­deutende Aidan wird zum Hel­den der Nation. Ray Frenchs Roman ‹Ab nach unten› ist eine teils rüh­rende, teils sarkastische Ge­­­­­schichte, die uns immer wieder zum Schmunzeln bringt, denn auch wenn die Lage noch so hoffnungslos Ray French: Ab nach unten erscheint: Paradoxerweise ist es Eigentlich ist Aidan ein ganz normaler sein eigener Sarg, der Aidan den Weg englischer Mann: Abends trifft er zurück ins Leben weisen wird. sich im Pub mit seinen Freunden und Britischer Humor mit einer Prise tagsüber arbeitet er beim Elek­Hollywoodcharme. Erschienen bei dtv, CHF 25.80 tronikkonzern Sunny Jim. Doch wie so oft im Leben – vor allem in jenem von Romanfiguren – währt das Glück natürlich nicht ewig. Als Aidan von seinem Arbeitgeber darauf aufmerksam gemacht wird, dass die Produktion fortan nach Indien verlagert werden soll, bricht für Aidan eine Welt zusammen. Doch wer dachte, der ungestüme Elektroniker fände sich so einfach mit seiner Entlassung ab, der kennt Aidans kämpferisches Herz nicht! ‹Wenn ich schon meinen Job verliere, kann ich mich ja gleich lebendig begraben Marina Lewycka: lassen›, denkt sich Aidan. Gesagt, getan: Zusammen mit seinen Kumpels Kurze Geschichte des Traktors auf Ukrainisch plant er seine Protestaktion, die nicht nur in den Medien ordentlich für Stiefmütter haben seit jeher keinen allzu guten Ruf in der Literatur. Furore sorgt: Er bestellt sich einen Sarg und lässt sich darin in seinem Entweder sie lechzen nach dem VerVorgarten zwei Meter tief unter der ­mögen der Familie, hassen ihre Erde begraben. Womit jedoch weder Stiefkinder oder aber sie interes-

Eingesargt

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s­ ieren sich – wie in Marina Lewyckas Erzählung – für Satinunterwäsche und High-Tech- Küchengeräte! Als Nadias verwitweter Vater im Alter von 84 Jahren seinen beiden Töchtern klarzumachen versucht, dass er vorhat, die blonde Ukrainerin zu heiraten, die seit einiger Zeit in seinem Haus­halt ihr Unwesen treibt, rechnen Nadia und Vera mit dem Schlim­ms­ten. Denn die Dame mit der Lei­den­schaft für Fertiggerichte erscheint ihnen vom ersten Tag an skrupel­los, zwielichtig und vor allem viel zu jung für den alten Herrn. Die üp­pige Blondine zählt gerade mal 36 Lenze und scheint den Vater mit ihren weiblichen Reizen ganz und gar um den Finger gewickelt zu haben. Doch leider hat der Vater kein offenes Ohr für die Befürchtungen seiner Töchter, die durch diese Krise zum ersten Mal seit Jahren wieder zusammenfinden. Väterchen hat nämlich Wichtigeres vor: Er schreibt gerade an seinem Lebenswerk, der ‹Geschichte des Traktors auf Ukrainisch›, in welcher er die Geschichte der industrialisierten Welt abhandeln möchte. Die englische Schriftstellerin mit ukrainischen Wurzeln hat es geschafft, in ihrer amüsanten Familiengeschichte ein Thema anzuschneiden, das so verrückt gar nicht ist. Marina Lewycka beschreibt in ihrer Geschichte, zwei Töchter im er­wachsenen Alter, die um das vermeintliche Wohl ihres Vaters kämpfen, auch wenn dieser eigentlich ganz glücklich ist. In witzigen Dia­logen prallen Vorurteile und Moralvorstellungen auf sprachliche und kulturelle Differenzen, selbst Einblicke in das Sexualleben des Er­zeugers bleiben den beiden nicht erspart.

Nicht umsonst wurde dieser Roman mit unzähligen Preisen ausge­zeichnet und in 33 Sprachen übersetzt, denn mit diesem Buch ist der Autorin ein urkomischer Geniestreich gelungen, der trotz aller Ironie durch Ernsthaftigkeit und Tiefe brilliert. Unbedingt lesen! Erschienen bei dtv, CHF 15.90

Abgestiegen

Sandy Nicholson: 2nd – The Face of Defeat ‹The winner takes it all...›, Siegerküsschen, Blumenstrauss und Goldmedaille sind Ehren, die oft nur dem Gewinner zuteil werden, denn alle feiern den neuen Champion. Und zwar nur diesen! Dass da­neben auch noch ein zweiter Rang vergeben wird, interessiert nur die wenigsten. Sandy Nicholson hat es sich deshalb zur Aufgabe gemacht, die ‹Ersten Verlierer› aus verschiedensten Sparten zu porträ­tieren. Sei es beim Hunde­rennen, bei der professionellen Kissenschlacht, beim ‹Schere, Stein, Papier›-Turnier, im Wrestling oder im Rahmen eines Videospielwettbewerbs: Überall wo es einen Gewinner gibt, dort existiert auch eine Nummer Zwei. In einem


wunderschönen Bildband sammelte die Fotografin Eindrücke spannender Finalrunden und zeigt uns die Gesichter hinter der Silbermedaille. Ein Buch für alle, die schon einmal die Erfahrung der ‹Zwei auf dem Rücken› gemacht haben, und zur Schadenfreude chronischer Glückspilze. Doch freut euch nicht zu früh, denn man kann nicht immer gewinnen. Selbst unser vermeintlich unschlagbares Ten­nisass weiss mittlerweile, wie es sich anfühlt.

FILM Killer und Gähner

Serienkillers Jigsaw (Tobin Bell) entpuppt. Scheinbar allein führt er Jigsaws Ver­mächtnis fort. Bald finden sich fünf Menschen in einer mör­derischen Versuchsanordnung wieder. Für sie gibt es nur ein Entkommen, wenn alle nach den Regeln spielen. Währenddessen ermittelt Agent Strahm (Scott Patterson) auf eigene Faust. Er kommt Hoffmans Geheimnis gefährlich nah.

bügelt oder die Augäpfel aus den Höhlen gelöffelt werden. Ab 18. Dezember im DVD-Handel

Magie und Mord

Ab 15. Januar 2009 im Kino

Erschienen bei Ingram Books International, CHF 72.–

Eingetaucht

Righteous Kill Als Jugendlicher plagten mich zwei Fragen: Wie kriege ich eine Freundin? Und: Ist Al Pacino oder Robert De Niro der bessere Schauspieler? Ich konnte nie einen Favoriten ausmachen. Nach ‹Righteous Kill› ist klar: Ich hätte mich besser auf das mit den Frauen Steven M. L. Aronson, Owen D. konzentriert. Der Plot: Zwei Polizisten Edwards (Hg.): Peter Beard jagen einen Serienmörder, der Peter Beard war wahrscheinlich einer Selbstjustiz übt. Um ihn zu fangen, jener Jungen, die immer schon schaut der eine (De Niro) stän­irgendwohin auswandern wollten und dig, als hätte er in eine Zitrone gein Gedanken eigentlich schon bissen. Und einmal sagt er: ‹An lange in einem fernen Land voller Aben- einer kleinen Schiesserei ist nichts teuer schwelgten. Der­weil ver­zierdabei – solange die richtigen te der kleine Peter seine TagebuchLeute erschossen werden.› Der aneinträge mit kleinen Zeichnungen dere (Pacino) lächelt derweil und mit Bildern von wilden Tieren und milde. Wo es ihm doch eigentlich künstlerischen Illustrationen. ums Weinen sein müsste, so Wahnsinnig viel hat sich eigentlich seit- abgedroschenen und voraussehbar her nicht verändert, auch wenn inszeniert Regisseur Jon Avnet zwischen dem kleinen Peter und der die Mörderhatz. Kunstikone Peter Beard ein gutes Filmstart: 8.1.2008 Jahrhundert liegt. Noch immer schreibt und zeichnet Beard, noch immer ist da die Faszination für Afrika, wo er mittlerweile auch wohnt. Beard machte seine Leidenschaft zum Beruf und sein Leben zum Gesamtkunstwerk. In den vergan­genen dreissig Jahren erarbeitete er sich einen Ruf als ernstzunehmender Modefotograf und Künstler, arbeitete mit Grössen wie Francis Bacon, Andy Warhol und Dali zusammen, veröf­fentlichte Bücher mit Mick Jagger und Jaqueline Onassis und setzte sich stets für das Wohl der Saw V Menschen und Tiere Afrikas ein. Dieses Buch gewährt uns einen Es ist offiziell: Die Mordspiele des Jigsaw-Killers haben die ‹Freitag, imposanten Einblick in die Welt eines Mannes, den man am trefflichsten der 13.›-Reihe als erfolg­reichste Horrorfranchise aller Zeiten entals Allround-Künster beschreiben sollte, denn ein Medium allein war ihm, thront. Zwar war der von Tobin Bell porträtierte mörderische Moralwie es scheint, einfach nie genug. apostel bereits im letzten (und vorEin eindrückliches Kunstwerk aus letzten) Sequel mause­tot, dennoch Kollagen aller Art, Fotos, Tagebucheinträgen und Zeichnungen, komprimiert nimmt seine Figur mittels Flashbacks auf zwei kunstvoll gebundene Bände. erneut eine prominente Rolle ein. Detective Hoffman (Costas Mandylor) hat sich als williger Schüler des Erschienen bei Taschen, CHF 134.90

Folter und Angst

DVD

The Illusionist Hypnotischer Thriller über einen Magier im Wien der Jahrhundert­wende, der sich am Kronprinz rächen und seine große Liebe zurückge­ winnen will. Im Wien der Jahrhundertwende begeistert der Zauberer Eisen­heim das Publikum mit seinen schier übernatürlichen Leistungen – sehr zum Missfallen des Kronprinzen Leopold. Ihm liegt daran, den Magier als Scharlatan zu entlarven. Er schickt Chefinspektor Uhl los, der Eisenheim überführen soll. Uhl weiss aber nicht, dass der Senseless Zauberer selbst einen grösseren Plan Basierend auf dem gleichnamigen verfolgt, weil die Verlobte des Bestseller von Stona Fitch widKronprinzen einst seine Geliebte war. met sich Simon Hynds Spielfilmde­ Die beachtliche zweite Regie­büt der Frage, inwieweit der Ein­­ arbeit von Neil Burger erzählt eine zelne für die (Un-)Taten seines Landes höchst geheimnisvolle und bis­Verantwortung trägt. Und verweilen unglaubliche Geschichte, die schmilzt einen knallharten Politthrilauf einer Short-Story von Steven ler über Kommerz und Extremismus Millhauser basiert, mit viel Flair und formvollendet mit hunds­gemeinem mithilfe des hypnotischen Scores Horror. von Philip Glass. Natürlich ist allein Elliot Gast (Jason Behr) ist ein die Kulisse Wiens zur Jahrhund­ amerikanischer Geschäftsmann, ertwende (gedreht wurde in Prag) der die schönen Dinge des Lebens faszinierend genug, um diesen zu schätzen weiss: ausgefallenes melancholischen Thriller über Magie Essen, eine gute Flasche Wein und und Mord fesselnd zu machen. schöne Musik. Bis er eines Tages Die ausgezeichnete Besetzung, vor in Europa von einer zweifelhaften und allem Ed Norton als undurchsich­ extremen Anti-Globalisierungs­ tiger Titelheld, tun ihr Übriges. gruppe verschleppt wird, die es auf Ab 8. Januar 2009 im DVD-Handel seine Sinnesorgane abgesehen hat. Seine Entführer informieren ihn, Buchbesprechungen: Rainer Brenner Filmbesprechungen: Valerio Bonadei, dass über sein Schicksal ein rie­ Jürg Tschirren (Righteous Kill) siges Internettribunal abstimmt: Geld wird gespendet, um ihn zu be­freien, oder zu foltern. In seinem Martyrium kämpft Elliot um jedes Stück seines Körpers und er beginnt zu begreifen, dass er stellvertretend für die ignorante Weltpolitik der USA büssen soll. Im Mittelpunkt des LowBudget-Horrors steht aber nicht vage Gesellschaftskritik, sondern pünktlich alle Viertelstunde statt­ findende Quälereien, in denen dem Opfer zum Beispiel die Zunge ge­

Horror und Politik

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‹ top notch gallery › Europas wichtigste Galerien für junge Kunst. Artrepco

W

as sich im ersten Moment anhört wie der Name eines bestialischen Urtiers, stellt sich bei näherer Betrachtung viel eher als äusserst zeitgenössischer Kunst-Verschlinger heraus. Der Name Artrepco steht nämlich für die Kombination aus ‹Art›, ‹Representation› und ‹Cooperation›. Damit wird klar, dass sich Artrepco nicht nur als Kunstgalerie am Puls der Zeit sieht, sondern sich auch sehr stark in den Dienst ihrer Künstler stellt. Im Dezember 2001 wurde die Artrepco

oben: An seiner Ausstellung ‹Disco› präsentierte der Künstler Raphael Hefti unter anderem Fotos mysteriöser Berglandschaften. unten: Mehr als ‹nur› eine Galerie: Artrepco.

gegründet, im Jahr 2003 bezog die Galerie neue Räume im heute pulsierenden Kunstviertel im Kreis 4. Artrepco ist Gründungsmitglied von Port de Suisse, sie setzen sich mit vielschichtiger junger Kunst innerhalb der Landesgrenzen und Europa auseinander und bieten den Kunstschaffenden somit eine optimale Andockstelle. Für eine Galerie wie Artrepco bildet das Organisieren der Ausstellungen also eigentlich den kleinsten Teil der Galeriearbeit. Das meiste läuft unbemerkt hinter den Kulissen ab. Künstlerportfolios werden zusammengestellt und an Sammler oder Museen verschickt, Kunstmesseteilnahmen vorbereitet, Transporte für verkaufte Werke organisiert und stets halten die Betreiber Ausschau nach neuen Talenten. Mehr als je zuvor ist es für einen Künstler heutzutage wichtig, mit einem guten Portfolio aufzutreten. Sprich: Ausstellungen in repräsentativen Museen oder Kunsthallen, Gruppenausstellungen mit anderen spannenden Künstlern, Werkpreise etc. vorweisen zu können. Die Schweizer Galerie sieht es deshalb als ihren Auftrag, junge und neuartige Künstler in ihrem Tun zu bestärken und zu unterstützen. Bis zum 6. Dezember präsentiert eines dieser aufstrebenden Talente, nämlich Raphael Hefti, in der ArtrepcoGalerie seine ‹Äther & Phlogiston›Werke. Raphael Hefti, der an der ECAL in Lausanne Fotografie studierte, ist in den letzten Jahren mit seiner Serie von nächtlichen, in seltsames Licht getauchten Bergaufnahmen aufgefallen. Ob sich in diesen Landschaften vielleicht doch noch das eine oder andere bestialische Urtier findet, erfährt nur, wer seine Ausstellung besucht. Text: Christina Fix Fotos: Raphael Hefti, Artrepco Artrepco Ankerstrasse 24 8004 Zürich www.artrepco.com

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‹ versammelt › Mit Anspruch auf Vollständigkeit. Name, Vorname

Kanbach, Rico Wohnort

Zürich Beginn der Sammel­tätigkeit

Ungefähr 1976 Erstes Stück

Wahrscheinlich mein Schuco Formel 1 Lotus ‹John Player Special›. Letztes Stück

Cadillac El Dorado, Blechmodell aus Japan. Teuerstes Stück

Merklin-Auto von 1936 (erstes spurgeführtes Fahrzeug). Beste Fundorte

Meistens kommen die Leute auf mich zu. Gesamtzahl

Über zehntausend Stück! Andere Sammelgewohnheiten

Jugendstil-Glas, Flacons, Slotcars, Blechroboter und -schilder, Modellautos aller Art...

Bist du auch Sammler? Oder kennst du jemanden, der Kakteen, Autorückspiegel oder mundgeblasene Glasfiguren aus der vorderen Mongolei sammelt? Dann schick uns eine Mail an: info@kinkimag.com, Stichwort ‹versammelt›. Wir schicken dir einen Fotografen und schon im nächsten Heft wird dein Sammeltrieb verewigt. Foto: Marvin Zilm

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