Kinki Magazine - #12

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nr. 12 märz/april 2009 chf 6.– € 4.–


CELEBRATING 60 YEARS

To celebrate their symbolic 60th anniversary, Onitsuka Tiger bring the legend of the Zodiac Race to life. In ancient Japan, the mighty Jade Emperor held a race to decide the order of the Zodiac calendar. Thirteen animals competed for twelve places. Discover the legend of the Zodiac race at: onitsukatiger.com

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‹ editorial› Sing and dance, you little bastard. Liebe Leser. Zwölf. Was soll das für eine Zahl sein? Rechnet man die Stunden von Sonnenaufgang bis -untergang zusammen, bekommt man einen Tag. Ähnlich verhält es sich mit den Monaten und dem Jahr. Unter dem Gesichtspunkt der Erscheinungsweise einer monatlichen Zeitschrift, ergibt sich daraus, dass inner­halb des Jahresverlaufs zwölf Ausgaben erschienen sein müssen. Das ist auch so. Wir meinen, das könnte ein Anlass zum Feiern sein. Also schnappen wir uns eine Palette Dosenbier von der Tankstelle, dazu zwei Packungen Wunderkerzen und ein Fläschchen Kräuterschnaps und stossen im noch jungen und immer noch kalten Jahr auf das erste Jubiläum des kinki magazine an. Auf dass noch viele folgen mögen. Und darauf, dass eines Tages aus Dosenbier Champagner werde. Mindestens zwölf Flaschen! Haltet uns die Stange! Eure beschwipste kinki Redaktion.

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www.tally-weijl.com


t c e t o r p o t t h . g i s f r I e d i r e v a w e l t t the li


Why do you think it’s called a party?

Because deep down every human knows that the best thing about us hairless monkeys is our will to team up and do things together. Gathering a crowd might not always make things easier but it’s a water proof guarantee for more fun and a better show. A simple and stimulating truth, celebrated here by Weactivists Alex Prager, Darrel Mathes, Anine Bing and Pär Strömberg – Go team, Go!



Distribution Schweiz, ThreeLogy GmbH, +41 (0)43 477 88 66, www.stussy.com



‹content› Standard

03 10 12 12 16 18 20 96 106 114

Editorial Content Gossip Agenda Figaro: Die Tolle Klagemauer Was läuft… Media Abo / Impressum Versammelt

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Too Fast For Love

Liebe auf den ersten Blick? Unsere Autorin Natalie Gyöngyösi wagt einen Selbstversuch und sucht an einem Speeddating-Event nach dem Mann ihrer Träume. Dort lernte sie nicht nur, wie man mit wildfremden Männern ins Gespräch kommt, sondern auch, dass sieben Minuten eine verdammt lange Zeit sein können!

Report 32 34 38 46 50

Querschläger: Nicola Hugi Helden in Strumpfhosen Wall of Death Too fast for Love Zehn Minuten mit Odysseas Constantine

Sound 52 54 56 58 60 62

Interview: Kingsize Interview: Ebony Bones Album des Monats: Must Have Been Tokyo Soundcheck Interview: Cat Power Playlist: DJ Effbeats

Fashion 64 72 74 76 78

‹Paper Stories› von Krzysztof Wyzynski Vertreter: Biker Boots Family Affairs: Un Printemps étrangement beau Vive la Fragrance ‹Ala Icari› von Julie Pike

Art & Co

22 86 88 94 98 107 108 112

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Juan Francisco Casas: Rescued from Time Bang! Boom! Swoosh! Von Stubenhockern und Strassenkindern Erik Sturm: Schicht + Schicht + Schicht = Kunst Je suis une bande de jeunes Top Notch Gallery: Program Art Gallery Warschau Gio Black Peter: Fleshlight Tutto Fumetto

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Rescued from Time

Juan Francisco Casas ver­rät uns, wie man die grossen und kleinen Momente des Lebens vor dem Vergessen bewahrt, und gewährt uns einen Einblick in seine beein­druckende Welt aus Kugelschreibern, Fotos und Frauengeschichten.

34 54 Helden in Strumpfhosen

Spiderman und Batman gibt’s nicht, das mussten wir uns schon in frühester Jugend bitter eingestehen. Dafür kommen jetzt die Real Life Superheroes! kinki-Reporterin Pia Volk blickte hinter die Maskierung der tapferen Weltverbesserer Civitron und Entomo und sprach mit den anonymen Superhelden über Lust und Leiden eines Lebens als unverstandenes Mojo-Paket.

‹Chantez à l’âne, il vous fera des pets…› Dass sich die quirlige ‹Ebony Bones› aus London nicht nur zu Halloween in bunte Gewänder stürzt, war der kinki-Autorin Florence Ritter bei ihrem Konzert nicht gleich bewusst. Aber dass diese Frau mit ihrer Musik und ihrem Charme bald berühmter als ein bunter Hund sein würde, dürfte spätestens nach der Lektüre dieses Interviews jedem einleuchten.


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‹contributors›

Pia Volk

‹Echte Superhelden? Was für ein Humbug›, dachte Pia Volk, als sie das erste Mal von den kostümierten Wohltätern hörte. Doch nach intensiver Recherche änderte sie ihre Meinung. So verhält es sich bei ihr meistens, denn die Leipziger Journalistin beschäftigt sich am liebsten mit vollkommen abstrusen Themen. ‹Skurilitäten spiegeln die Gesellschaft in all ihrer Ambivalenz wider›, findet sie. – S. 34

Von Stubenhockern und Strassenkindern

Verfechter der urbanen Kunst finden sich nicht nur in New York und Paris, sondern auch diesseits der Meere und Alpen. Doch wie steht es um die Unterstützung unserer Graphic Art-Gilde? kinki magazine und der Fotograf Daniel Tischler trafen nicht nur auf vier viel versprechende Repräsentanten dieser Kunstform, sondern auch auf vier grundverschiedene Meinungen zum Thema Inspiration, Orientierung und künstlerische Wurzeln.

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Das New Yorker Allround-Talent Gio Black Peter zelebriert bei seinen Live-Auftritten nacktes Fleisch und Partyexzesse. Dass hinter dieser Selbstinszenierung viel mehr steckt, als man auf den ersten Blick meinen könnte, wird klar, wenn man einen genaueren Blick auf sein Gesamtwerk aus Fotos, Videos, Bildern und Musik wirft. Und den jungen Mann selbst zu Wort kommen lässt.

Julie Pike Julie Pike ist definitiv eine Frau

von Welt: Geboren in Schottland und aufgewachsen in Dänemark zog es die junge Julie zur Ausbildung nach San Francisco. Seit einigen Jahren hat die selbständige Fotografin, deren Arbeiten in diversen Magazinen wie Elle, Nylon, Oyster, Wire und vielen weiteren erschienen sind, allerdings in Oslo ihr Basecamp aufgeschlagen, von welchem aus sie weiterhin die Welt bereist. Inspirieren lässt sich Julie Pike gerne von ihrer Familie und Freunden, der Stimmung in ihrem Ferienhäuschen, lauen Sommernächten, von Musik und davon, im Regen zu schwimmen. – S. 78

Stefan Wimmer Der Münchner Stefan Wimmer

arbeitet seit drei Jahren als freier Journalist in Mexiko City, dort ist er u.a. TV-Producer für den ORF. Mehrere Jahre war er zuvor Redakteur beim ‹Playboy› und leitender Redakteur bei ‹Matador› und verfasste viele grosse Reportagen für die Süddeutsche Zeitung, den Bayerischen Rundfunk, den WDR und viele weitere. Seine beiden Bücher ‹Die 120 Tage von Tulúm› und ‹Der König von Mexiko› wurden vom ‹Spiegel› bis zum Bayerischen Fernsehen als witzigste Männerromane der letzten Jahre gelobt. Wenn er nicht gerade in seiner Münchner Lieblingscocktailbar ‹Die Trinkhalle› Negronis zischt oder sein Mountainbike über die Alpen schleppt, beschäftigt er sich gerne mit Aficionados und Freaks – wie dem berüchtigtsten deutschen Steilwandfahrer Donald Ganslmeier. – S. 38

JSBJ Unter dem Namen ‹Je suis une

bande de jeunes› veröffentlicht das französische Kollektiv um Aurélien Arbet, Jérémie Egry und Nicolas Poillot seit nunmehr einem Jahr Bücher, Fanzines, Portfolios und kuratiert Ausstellungen. Momentan bereist die Jugendbande mit der Ausstellungsreihe zum Buch ‹Taxis pleins Taxis vides› Chicago, Paris und Kopenhagen: ‹Mit Taxis pleins Taxis vides möchten wir Grenzen überschreiten. Wir präsentieren darin unterschiedlichste Arten von Fotos, die nicht in üblicher Weise aufeinander abgestimmt sind. Von den Reibungen, die dadurch entstehen, lassen wir uns nicht irritieren›, erklären JSBJ ihr jüngstes Projekt. Selbstverständlich arbeitet das Trio aber nicht nur im Hintergrund, sondern zeigt sowohl in seinen Ausstellungsreihen als auch in seinen Publikationen zu einem grossen Teil auch fotografische Arbeiten von Aurélien, Nicolas und Jérémie persönlich. – S. 98 www.jesuisunebandedejeunes.com

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‹gossip›

spiel, satz und sieg Swiss Precision zwischen Rasen, Sand und Asphalt.

‹agenda›

03 20.03. Fr

electric six (usa) Mariaberg Rorschach 21.03. Sa

babyshambles dj-set feat. adam ficek (uk), support dj danny ramone (ch) Bonsoir, Bern

Tsch, tsch, tack, chchcht... so hörte es sich wohl an, als ein neuer Turnschuh erstmals 1966 auf dem Spielfeld in Wimbledon in Bewe­gung kam. Doch heute, 40 Jahre später, treibt sich der salonfähige Schuh von K-Swiss nicht mehr nur auf Tennisplätzen herum. Leise schleicht er nun auf dem Asphalt durch die Gassen und spielt weiterhin auf Satz und Sieg. Zum Lob des klassischen Kult-Treters startet K-Swiss 2009 unter dem Motto ‹Classic Remastered› eine neue Kampagne. Es bleiben die fünf Streifen, der bekannte D-Ring sowie das Shield-Logo als DNA der

Marke: eine redesignte Version, die mit altem Charme strahlt. Doch ist der Schuh nur etwas für reiche Söhne im rosa Polohemd und reiche Töchter, die gerade in ihrer Rebellenphase stecken? Dies könnte einem in den Sinn kommen nachdem K-Swiss den Rolling Stones Nachwuchs Alexandra Richards, Tochter von Keith Richards, und J­ esse Wood, Sohn von Ron Wood, zum Foto-Shooting rief. Doch das ist wohl eher mit einem Augenzwin­kern zu sehen, frei nach dem Motto: neue Generation trifft alte Klassiker. (rz) www.kswiss.com

wer hat den längeren? Rock that: Shirt auch als Rock!

Unikat. Die Kollektion steht ganz im

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Das Wunderbare an Kleidchen ist: Man braucht nur ein Teil zu tragen und ist schon angezogen – ohne lästiges Überlegen, ob jetzt der Pulli zum Shirt oder zur Hose passt. Noch besser wäre es, wenn man nur ein T-Shirt anziehen müsste und an­ gezogen aussehen würde. Long verspricht uns genau diese Einfachheit. Die Designer Gareth Emmett und Rhys Dawney zeigen klassische lange Schnitte mit besonderen Prints, die von Hand bedruckt werden.

Zeichen von Schwarz und Weiss. Die Aufdrucke sind simpel und das ist gerade der Reiz. Die Shirts sind unisex mit grossen Dreiecken, fläch­igen Quadraten oder Kreisen, die erst auf den zweiten Blick ein Gesicht erkennen lassen. Da sind die zwei Jungs aus London auf dem richtigen Weg, denn schon der chinesische Philosoph Lao Tse wusste: ‹In Einfachheit und Veredelung liegt Reichtum.› Ich würde behaupten, es ist das erste Kleidungsstück, das man aus dem Bett heraus zum Bäcker tragen kann, ohne auf verwunderte Blicke von Passanten zu treffen. Long arbeitet schon an einer neuen Kollektion, die viel verspricht. Vermutlich zieht man den Kürzeren, wenn man nicht solch ein langes Shirt besitzt, das nicht einmal dem Geldbeutel weh tut. (rz)

Jedes Shirt wird so zu einem

www.longclothing.com

danko jones (can), backyard babies (swe) Mascotte, Zürich 26.03. Do

trouble over tokyo (uk) Gare de Lion, Wil 26.–30.03.

artig 09

Imprimerie, Basel 26.–28.03.

m4music festival Schiffsbau, Zürich 31.03. Di

the great park (uk), tristen brusch (d)

04 Dimensione Bar, Winterthur

03.04. Fr

the bishops (uk), bonaaaaraas (d) Mariaberg, Rorschach 06.04. Mo

veto (dk) Abart, Zürich 07.04 Di

the whitest boy alive (d/no) Hive, Zürich 10.04. Fr

thomas function (usa) Mariaberg, Rorschach 16.04. Do

the notwist (d) Volkshaus, Basel

the rifles (uk) Abart, Zürich 21.04. Di

the black box revelation (be) Molotow, Hamburg 24.04. Fr

a camp / soloprojekt von nina persson (swe) Abart, Zürich

marygold (de) Kuppel, Basel



jedem tierchen guten abend sein pläsierchen

Fabelhafte Fantasiewesen aus der Titimadam-Schmiede.

Das Einhorn gilt sicherlich als eine der beliebtesten Märchenfiguren, aber auch Bambi, der Fuchs und Co.

this month on the web

gehören zu den populären Wald­ figuren der Fabelwelt. Das junge Label Titimadam aus England zeigt diese lieblichen Tiere in seinem verspielten Acryl- und Spiegelschmuck. Mit Humor und Liebe zum Detail lassen Adam Row und Tiina Hakala ihrer Fantasie freien Lauf. ‹Wir wollen, dass die einfachen Dinge im Leben mehr Spass machen›, sagen und meinen die beiden jungen Kreativen. Jeder hat die Möglichkeit sein Lieblingstierchen in der Kollektion zu entdecken. Ganz gleich, ob dahinter eine nette Geschichte steckt, Erlebnisse aus der Kindheit oder ein Trauma im Erwachsenenalter. Mais oui, avec plaisir! (cf) www.titimadam.com

findet ihr im virtuellen Magazin auch diesen Monat einige exklusive OnlineLeckerbissen, wie zum Beispiel ein Interview mit den Schweizer Filmproduzenten Martin Luchsinger und ­Darryl Hefti von Yeahh Productions Was wiegt eigentlich ein Megabyte? oder Bilder des griechischen ModeNichts? Na, zum Glück! Sonst fotografen Kostis Fokas! Und nahätten wir diesen Monat nämlich be- türlich gibt’s auch im März wieder allerlei Ergänzungsmaterial zu den stimmt mehrere Sattelschlepper Artikeln im Heft zu bestaunen. Was, ­benötigt, um all das Material auf unda hat noch was Platz auf dem sere Homepage zu transportieren. In der Rubrik ‹young art› zum Beispiel ­Brummi? Na dann packen wir noch warten laufend neue Talente der die vielen Musikvideos drauf, die Kunstwelt auf euren kritischen Blick. wir für euch in petto haben und steUnter ‹Gossip› findet ihr täglich cken ein paar Überraschungen das Neuste aus der Welt der Mode unter die Plane, damit es am Zoll etund Musik sowie wöchentliche was spannender wird! Also springt ­Kolumnen unserer beiden Autorinnen auf und take a ride. (rb) Rita und Shamblebaby. Des weiteren www.kinkimag.com

boxen, nicht schlagen!

Wir brauchen Bass! Bass!!

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…meine Damen und die Herren. Die Tage werden länger und die Nächte kürzer, doch noch ist genug Zeit, um den guten Abend zu feiern. Wenn die Sterne über unseren Köpfen funkeln und schimmern, dann gehen sofort im neu eröffneten Club Bonsoir in Bern die Lichter an. Aus der ganzen Welt zieht der junge Fixstern DJs, Musiker und Büh­ nenkünstler an und lädt auf der kleinen Bühne zur Schau. Es darf getanzt und gelacht werden, als ob es keinen Morgen gäbe… Mitten in der Berner Altstadt hält sich der neue Club versteckt und verspricht schon in ­diesem Monat ganz beson-

Hier tanzt der Berner Bär sich neuerdings die Tatzen wund: Club Bonsoir.

dere Programmpunkte. Für die Qualität der geistigen und leiblichen Genüsse sorgt ein eingespieltes Team. Bobby Bähler, ein Hans Dampf in allen Belangen, erhält u.a. Unterstützung von dem künst­ lerischen Leiter Christoph Haller und von Marco Belz, dem die Gas­ tronomie & Verwaltung unterstehen. Macht die Nacht zum Tag und er­ kundigt euch auf der Webseite, was euch dort erwartet. Denn das Bonsoir verzichtet der Umwelt zuliebe auf Printwerbung. (rz) Club Bonsoir Aarbergergasse 33/35, Bern www.bonsoir.ch

schmuck inc.

Zwischen Cartier und Tiffanys, von der Bahnhofstrasse bis hinauf zum Rennweg ist wirklich alles Gold, was glänzt! Das weiss jeder, der mit der Schweizer Banken­ metropole vertraut ist. Inmitten von Zürichs prestigereicher Einkaufsund Shoppingmeile stellte sich denn auch die fiktive Firma Schmuck Inc. den Galeriebesuchern in einer ehemaligen Goldschmiede zwischen letztem Dezember und Mitte März diesen Jahres mit drei jeweils drei Wochen anhaltenden Aus­ stellungen vor. Die drei Teilbereiche wurden in die Departments ‹Hör mal, meine neuen Boxen!› ‹Sales & Trade›, ‹Corporate Social ‹Was? Ich hör’ nichts, es ist so laut hier.› Responsibility› und ‹Research ‹Ne, ich hab’ kein Bier, aber neue & Development› unterteilt und bil­Studio-Monitore von KRK Rokit! deten als solche die thematische Hörst du diesen Sound?› Verbindung der Werke von insgesamt 15 verschiedenen Künstlern. ‹Was?› ‹Ja, krass, gell? Du als DJ könntest die Oberflächlicher Glanz, Schönheit und das Verlangen nach Aufmerksamkeit sicherlich auch gut gebrauchen!› wurden anhand unterschiedlichster ‹Was?› Werke junger Kunstschaffender ‹Ja, der Bass, der tönt total super!› ‹Was? Ich kann dich nicht verstehen!› diskutiert. Hinter der Idee dieser Ausstellungstrilogie im Rahmen eines ‹Du musst schon gehen? Na dann, ich hör’ noch ein bisschen Musik hier, Gesamtkonzepts stehen die aufstrebenden Zürcher Kuratoren Stefan du weisst ja, wo die Tür ist.› (rb) Ege und Remy Jaccard, denen mit www.pek.ch

der perfekten Verbindung von Location, Themen- und Künstlerwahl mit Schmuck Inc. ein wahres Meisterwerk gelungen ist. Ganz im Geiste des Standorts, der nach dieser dreimonatigen Zwischennutzung umgebaut wird, luden die Künstler mit ihren Installationen, Zeichnungen, Collagen und Fotografien dann nicht nur zur Reflektion, sondern auch zum Kauf ein: So fertigte zu jeder der drei Ausstellungen ein Künstler eine tragbare Edition eines Werks an. Vom Zahnersatz als Finger­ ring bis zur gescratchten Hals­­kette bot die funkelnde Firma auch all jenen, die sich vom Titel ver­wirren hatten lassen, einen Grund zum Verweilen. Und beweisen mit Schmuck Inc., dass man sich auch mit Tiefgang schmücken kann. (rb)

Brilliante Kunstwerke aus virtuellen Firmenhänden: Schmuck Inc.


mitten ins herz ‹Wie ein Adler möchte ich über das Meer hinaus fliegen…› Wie oft träume ich von der Fähigkeit, einfach die Flügel auszubreiten und in die Ferne hinaus zu segeln? Ich weiss es nicht, auf jeden Fall sehr oft. Die neue Roxy Heart Kollektion lässt uns mit den kräftigen Farben und den Adler-Prints genau in diese ungezwungene Welt eintauchen. Zakee Shariff hat sich von dem Song ‹Fly Like An Eagle› von der Steven Miller Band für die neue Roxy Heart Kollektion inspirieren las­sen. Die junge Künstlerin und Designerin aus London kreiert für den kommenden Herbst und Winter 09/10 eine aussergewöhnliche Kollektion mit einem unbeschwerten Charakter. ‹Roxy› gab mir alle Freiheiten›, sagt Zakee und hatte dadurch auch die Möglichkeit, ihren Gedanken freien Lauf zu lassen. Die Faszination der begabten Britin für die Natur und die vier Elemente – Luft, Wasser, Feuer und Erde – ist ebenfalls durch eine Vielzahl von farbigen Zeichnungen in der Kol­ lektion immer wieder zu entdecken. ‹Unsere Vision ist es, talentierte Künstler, Musiker und Designer aus verschiedenen kreativen Welten zu verbinden›, betont Zakee und hofft, mit ihrer Arbeit ihren Mitmenschen die Botschaft von Frieden und Liebe weitergeben zu können. Die Over­ size-Shirts, Lederhosen oder auch Glitter-Leggins ergeben eine fa­ belhafte Mischung aus Streetstyle und modernem Chic. Durch diesen selbstbewussten Mix beweist die Roxy Heart Kollektion Reife und Ausgeglichenheit. Roxy ist eben nun auch erwachsen geworden – wie eine richtige Frau. (cf)

dark was the night

Pocahontas meets the City: die Roxy Heart Collection.

Dark war auch der letzte Winter, und wo man hin hört, jeder versucht aus seinem Winterloch zu krabbeln. Es wird geklagt, gejammert und philosophiert. Doch Leute, der Sommer kommt. Es wird vielleicht nicht besser, aber anders. Die Sonne strahlt und wer es immer noch nicht glauben kann, der holt sich die Doppel-CD ‹Dark was the night› und ich verspreche euch, dass mit den Songs von ‹Knotty Pine› oder ‹David Byrne & Dirty Projectors› Frühlingsgefühle aufkommen. Doch wer sich immer noch in seinem Selbstmitleid suhlen will, der macht mit dieser CD auch den richtigen Griff. Denn ein Lied wie ‹Sleepless› von ‹The Decemberists› gibt uns jeden Grund dazu. Allerdings ist diese Platte viel mehr als nur eine gute Zusammenstellung zeitgenössischer Musik. Die Indie-Compilation ‹Dark Was The Night› ist ein Benefiz­ sampler zugunsten der AIDS-Stiftung ‹Red Hot›. Die Brüder Aaron und Bryce Dessner von der grossartigen Band ‹The National› haben sich um die Koordination verdient gemacht und arbeiteten drei Jahre lang daran. Sie sammelten ausschliesslich exklusives Material von Küns­tlern wie Grizzly Bear, Feist, Arcade Fire und vielen, vielen anderen. Ein Stromstoss für die Sinne und ein Signal für das Bewusstsein ist entstanden. (rz)

www.roxy.com, www.zakeeshariff.com

www.darkwasthenight.com

spargeltarzan mal zwei Wir haben es euch versprochen. Die beiden schlaksigen Jungs in Le­ derjacken und Röhrenjeans mit riskant dünnen Beinen sind im April in Deutschland unterwegs. Leider haben es ‹The Black Box Revelation› aus Antwerpen nicht in die Schweiz geschafft. Egal, machen wir einen Sprung nach Deutschland, denn das ist immer noch einfacher als ihnen bis nach Belgien zu folgen. Ihre Tour

startet in Hamburg, wo sie letztes Jahr schon spielten und eine exzellente Visitenkarte abgaben. Da­nach geht es weiter nach Berlin, Köln und München, wo sie natürlich die Bühnen rocken werden. Keiner knallt so sehr wie die beiden Freunde Jan und Dries, sie spielen so abgeklärt und weise, als wären sie ein paar Jährchen zu spät geboren, doch gleichzeitig so jung,

beweglich und frisch. Ihre Musik zwischen Blues, Rock, Garage und Sixties passt perfekt in unsere Zeit. (rz) kinki magazine präsentiert die BBR-Tour: 21.04. Hamburg–Molotow 22.04. Berlin–Magnet 23.04. Köln–Gebäude 9 24.04. München–Atomic Cafe www.blackboxrevelation.com

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‹figaro›

die tolle Herkunft Herrenhaarschnitt in den späten 40er Jahren Mindset Pomade Afficionados Geschlecht männlich und weiblich Passt gut zu Unterhemd und Lederjacke bzw. roten Lippen und Petticoat

E

in verrauchter Lifeclub in der Innenstadt im Spätherbst 2008. Beim afroamerikanischen Rhythm and Blues wummern die Klänge des Kontrabasses durch die Körper der Tanzenden. Der Schlagzeuger sitzt mit weissem Hemd und Krawatte hinter der Snare Drum. Auch der Rest der Band ist authentisch gekleidet. Aber was den Zuschauern wirklich als erstes ins Auge sticht, sind die perfekt pomadierten Locken der Mad Stomping Rockabilly Band. Wenn man sich auf diesem Konzert umschaut, bekommt man das Gefühl, dass Frau und Mann in den 50ern stehen geblieben sind. Doch diese Subkultur ist keine MottoParty, sondern eine Le­ benseinstellung. Bis heute gibt es in nahezu allen Ländern der Erde eine kleine, aber eingeschworene Rockabilly-Szene mit regelmässigen Zusammen­ künften, Konzerten, Oldtimer-Treffen oder spe­ziellen Zeitschriften.

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Eines ihrer Markenzeichen ist die Tolle. Dabei kann es sich entweder um eine natürliche Welle handeln oder eine mit Pomade beziehungsweise Gel geformte Frisur. Eines der frisurentechnischen Trendidole der 50er-Jahre war unter anderem die Schmalzlocke des Sängers und spä-­­ teren Schaus­pie­lers Elvis Aaron Presley, von dem ­bisher insgesamt mehr als zwei Milliarden Tonträger verkauft wurden. Und auch heute sehen wir wieder Hipster Boys mit zugeknöpften Hemden und Jacketts lässig durch die Strassen schlendern. Selbst ­Medienlieblinge wie Pete Farndon, Tav Falco’s ­Panther Burns und auch Götz ­Alsmann ­zeigen sich gerne mit Tolle an der Front. Na dann, ran an die Pomade! Illustration: Lina Müller Text: Christina Fix



klagemauer Dein Meerschweinchen hat dich heute gebissen? Deine Freundin steht auf DJ Bobo? Die Welt ist böse? Zürich geht dir auf den Sack? Dein Lover hat deinen Geburtstag vergessen? Egal was dich gerade stresst oder nervt: auf kinkimag.com unter ‹Klagemauer› kannst du Dampf ablassen. Die besten Einträge werden hier veröffentlicht.

Ich glaub ich hab eine solche beziehungsangst, weil eine mindest doppelt so hohe emotionale intelligenz in mir steckt als bei durchschnittsmännern. cerco | Mehl ist ja schon eine tolle Sache... gibt leckeres Brot und auch super zum Saucen binden... aber wenn dieser oberschlaue Bäcker meint, er könne das Sandwich nach dem Backvorgang gleich nochmals mit Mehl einstäuben und mir damit das Essen im Büro zur Hölle machen, na dann ist’s einfach beschissen das Mehl. Lasst’s Euch trotzdem schmecken. Ivanhoe | Ohne Matur bringt mans nicht???!! porque | Mich nervt es, dass ich mir täglich einen runterholen will ;-) tokyo | Ihn nach 2 monaten bekanntschaft, nach 3 monaten funkstille immernoch nicht vergessen zu können. Und kein absehbares ende der sehnsucht zu sehen. Feist | Mich nervt, dass ich noch so lange auf das neue Kutti MC & One Shot Orchestra Album warten muss… Ben | Uns nervt… dass wir nicht genug Zeit haben um sie zu verschwenden. Anonymous | Mich nervt es immer nur im Plusquamperfekt Konjunktiv II zu ficken. damn | Wie kann der erste fahrende Zug um halb 6 schon unendlich verspätung haben und einen bei –15 grad warten lassen?! Willkommen in russland! dersommer | Microsoft stirb stirb stirb bill | Zürich ist wirklich sowas von hässlich. chantal | Ein kuss hesch gseit und denn trotzdem vill meh wele? Mir sind weder am ballermann no wär ich so eini, wo an ballermann gah wür! Hesch glaub wükli ke ohre oder verstand kah. Studis halt...!!!! zauberin | Für dich bin ich auf Platz 20 deiner Wichtigkeitsliste. Und das nervt mich ‹bis an bach abää›! Doch wenn ich dann in deine tiefblauen ‹MandoDiao›-Augen blicke, LIEBE ICH DICH MEHR ALS ALLES IN DER WELT. merde!!! Sarah | Mich nervt das dieser heisse mann schon eine heisse frau hat. stadtgefluester | Hass die, die am lautesten jammern, am besten dastehen. Wennst sagst ‹mein chef is super, heute ist so cool, mein arsch sieht so knackig aus in der neuen jeans› dann heissts gleich ‹geh uns nicht aufn sack mit deiner guten laune!› Anonymous | Mir ist so langweilig auf der arbeit, ich beantworte schon meine spam emails. Anonym | Mich nervt es, wenn ein achzig Jähriger mit 30 km/h auf einer Hauptstrasse dahin vegitiert und ich darum zu spät komme Söderi 18

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‹was läuft›

basel

luzern

existiert auch als realer Ort. Im bald Korrespondent: KackmusikK Alter: 27 öffentlich zugänglichen RadioBeruf/Berufung: Police Chief Village an der Utengasse 15–17 be- Shaw Nonen Lieblingsbar: Conan der Barfinden sich ein Club für MedienLieblingsclub: Debattierclub und Radiokultur als auch Produktions- mit Faustrecht Hotspot des Monats: K.TV/ und Bühnenstudios. Hier werden ­Gewerbehalle neue Ideen getestet und experimentiert. Wie ein offenes Kulturradio klingt, das werden die Hörer als Erste erfahren. Das neue zukunfts­ weisende Radio sucht die optimale Mischung von grösstmöglicher Von der Dreirosenbrücke über den Offenheit und höchstmöglicher QuaBadischen Bahnhof bis zum lität. Man darf gespannt sein und Wettsteinplatz reicht die progressive sich schon mal erste Gedanken über Die Ferngebliebenen müssen jetzt stark sein. Textskipping gilt nicht. Zone Basels. Die Stadt lebt im seine eigene offene Sendung maDiejenigen, die da waren, sollen sich REH4! Mode und Möbel und Kunst chen. Open Broadcast Radio / Utengasse 1 nun nämlich gewaltig ins Fäustchen und Trash und Musik und und lachen und in ‹nelson’scher› Art und und... zudem Performances, Aperos, Weise ihrer Schadenfreude freie Kunstaktionen, Partys und vieles Fahrt lassen. Achtung, jetzt: ‹Haa-haa› mehr, präsentiert von: Zum Goldenen und Fingerzeig. T.H. (ein sozu­Fass & Fassbar, Silberfisch, sa­gen ‹per Versehen› gewordener Schalter, Riviera, Peter Müller, Mat­Journalist im Auftrag des hiesi­thäusmarkt, Marinsel, Le Magaz-1, In der Friendsbar trinkt man gelegen Lokalblattes; Name dem Autor Kleinbasel, Kasko/Planke, KaBar, gentlich zusammen für einen guten ­bekannt) musste sich wohl am K-Pony, hansruedi, Haarsträu­Montag nach dem Event bei der bend, Guillame Daeppen, Gopf!, Dies Zweck. ‹Trinkenhilft› ist die noncelebrity charity trash party. OrtsChefredaktion eine ziemlich & Das, Designbutik, Deleni, Da ungebunden. Als Plattform für gute Ausrede einfallen lassen, um Francesca, Claudia Güdel, Caramalle, die es brauchen. 20% des Um- nach so einem katastrophalen bolage, by coming soon, Black­Beitrag nicht gleich in ‹Trump’scher› box, ARK-Ausstellungsraum Klingen- satzes gehen an den jeweiligen Günstling. Die Trinkgemeinschaft Manier gefeuert zu ­werden. Seine tal, Airasmus und der ABX-Bar. textlichen Ergüsse hielten die Leser Anstatt in die grossen Shoppingcen- meint dazu: ‹Auch wenn es uns viel zu gut geht, wie man uns gemein- dieses Verbrechens ­jedoch in ters zu strömen, ist dieses ab­ keinster Weise ab, am 07.02.09 in wechslungsreiche Kleinbasler Kauf- hin vorhält, fehlt doch das Geld für viele Projekte, die uns am Herzen Scharen in den Südpol zu pilgern, und Kultur-Imperium die beste liegen. Entweder weil wir keinen um die verschiedensten Facetten Alternative dazu. http://jagdstolz.blogspot.com Bock haben, bei einer der zahllosen der World Music zu feiern. Die Stiftungen betteln zu gehen. einzelnen Acts hätten besser in die Oder weil wir keine Zeit zur Sponso- Thematik nicht passen können, rensuche haben. Oder schlicht, weil mixten doch beispielsweise die Hood wir niemanden brauchen, der uns Regulators afrikanischen Kwaitoreinredet. Also helfen wir uns selbst.› House mit Kuduro und brasilianischem Favela-Funk oder das Gypsy Fräulein, Bier marsch bitte... In Basels Radiolandschaft wird gewww.trinkenhilft.org/Friendsbar Syndicate osteuropäische VolksmuFeldbergstrasse 45 rade ein spannendes Projekt auf sik mit Breakcore. Der Brite Ed die Beine gestellt: Open Broadcast Cox, Hauptact und wohlgemerkt zum Radio ist ein Radio für Kultur und ersten Mal überhaupt live in der Schweiz, hatte sich mal eben als Clown Wissenschaft, Politik und Wirtschaft, geschminkt und kombinierte sein Experimentelles und Neuartiges. Akkordeon in fast schon vollendeter Ab September 2009 werbefrei in der Harmonie mit wummernden AmenDeutschschweiz auf DAB+ und Breaks und Acid-­Tunes. Die Globaliim Internet auf Sendung. Die Besonsierung hat auch gute Seiten und derheit dabei ist, dass die Redakeben genau diese positiven Aspekte tionstüren offen zugänglich sind. Jede wurden an diesem Anlass beein­ Programmidee kann über die druckend demonstriert. Garantiert Open Broadcast Plattform erstellt nicht das letzte Spektakel dieser und dann in den DAB+ Kanal Art. und den Stream eingespeist werden. www.myspace.com/korsettevents Die Open Broadcast Plattform

Korrespondent: Philipp Bibbo Brogli Alter: Jünger Beruf/Berufung: Frühlingsbrise Lieblingsbar: Friendsbar Lieblingsclub: Klingeli Hotspot des ­M onats: artstübli ‹ARTig IV› – Urban-Art-Ausstellung, 27.–29.03., ‹Imprimerie Basel›

kleinbasler zone

clash of civilizations

trinkspender

offenes radio

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the bon scott years

‹Ich hab den Tripper und die dumme Schlampe jetzt auch›, schrie ich immer wieder! Natürlich habe ich nicht wirklich Sackratten, die ich will­ kürlich verteile wie Gott den Verstand, ich war schlicht und einfach am Konzert einer der schweizweit besten AC/DC-Coverbands und liess es mir nicht nehmen, ‹She’s got the Jack› auch in Schweizerdeutsch zu singen. Die Rede ist von Graf von Spiegelberg und im Rockjargon bedeutet ‹Jack› halt einfach Sackfäule und Hafenhuren. Es war Freitag der 13. und der Horror war eigentlich nur das ‹Kassen-ES›, weni­ger wegen schier bodenloser Inkompetenz, sondern mehr wegen ihrer eigenwilligen Hautstruktur, mit Poren so gross wie die Augen eines Goa-Hippies und einem stattlichen Bartwuchs, der direkt mit ihrem Haupthaar verwachsen zu sein schien. Ich fuhr da also mit meiner gesamten Familie ein und selbst der ‹Besenmann› (ansonsten seriös, schätzungsweise mittleres Kader, für versierte ‹Downtown›-Gänger eine Legende) war zugegen, konnte jedoch mit seiner Performance (Frau auf Schulter, Besen zwischen Gebein) beim äusserst trägen Publikum keine Akzente setzen. ‹Luzern Rock City› fällt durch. Die Band hat locker internationales Niveau. www.grafvonspiegelberg.ch www.derfroschkoenig.ch


bern

st.gallen

Beat-Man hat in letzter Zeit ja so ei- Korrespondent: Los Gallos Alter: Einer ein Jahr jünger niges angerissen und mitgemacht. Beruf/Berufung: Schreiberling und Nach den plötzlichen, horrenden Ge- Barkeeper Lieblingsbar: Sawadee Bar bührenforderungen der SUISA an Lieblingsclub: Trischli (R.I.P.) das Label und der damit verbundenen Hotspot des monats: Karibik wäre schön Solidaritätswelle voller Benefiz­ konzerte und Diskussionen ist zwar wieder etwas Ruhe eingekehrt, musikmässig brennt Voodoo Rhythm aber noch immer das Feuer un­term Arsch. Mit Andy Dale Petty und Dieser Raum hat viel durchgemacht Miss-Ipi sind am 18. März im Café Es ist oft die einzige Chance, nicht und das sieht man ihm auch an. Kairo Amerika und Italien zu Gast, Er beherbergte die Vorplatzbar, wur- die Blues, Folk und Trash einer kna- nach Hause zu müssen. Überall sonst gehen die Lichter an, die Serde geräumt, zubetoniert, befreit, ckigen Röstung unterziehen. vierdüse beginnt ungeduldig aus­ als Info-Café I-Fluss wieder eröffnet, zusehen, stellt Stühle auf Tische, die aufgrund der Diskussion um die sie vorher schrubbte, und sagt: Dealer-Problematik vor der Reitschu‹Austrinken bitte.› Bald wird es einer le geschlossen und wurde bis aussprechen, das magische jetzt bloss noch als Durchgang zum Wort: ‹Trischli.› Dorthin also zieht es Dachstock benutzt. Mit Vollblut den Nachtschwärmer, jede Nacht und ohne Schimmel wird er nun am wenn es sein muss. Er klingelt an der 19. als ‹Rössli› wiedereröffnet, Auch wenn an dieser Stelle schon Tür, der Security lässt ihn rein, als ‹Ort des Austausches und der meistens jedenfalls. Der Nachtschwärverraten wird, dass in dieser kulturellen ­Aktivität›. Auch sollen mer geht durch die Tür, macht Nacht Studenten gemietet werden wieder Konzerte, politische VeranHalt an ­einer der beiden Bars, bestellt können, Nicht-Orte als Orte bestaltungen und Ausstellungen ein Bier. Vielleicht setzt er sich hin stattfinden.Wenn ein Rössli vor den trachtet werden, türkischer Pop auf auf den Stuhl am Tisch, zwischen mediterrane Küche trifft, Gnome, Karren gespannt wird, kann’s nur ­Elfen und Trolle durch den botanischen den Chromstahlgeländern, rund vorwärts gehen. www.myspace.com/roessli um die Tanzfläche, dem tiefsten Garten wandern, sich Bad Boys und Bad Girls die Hand schütteln und Punkt des Clubs. Wie eine antike Arena sieht sie aus, nur der ­B oden Bäume aus Häusern ­wachsen, ist eigentlich noch nichts verraten. In der ist nicht aus Sand sondern ge­ plättelt. Am Kopfende die Bühne, auf Nacht vom 20. März lassen etliche Berner Museen und Galerien die Be- der Mittwochs Karaokesänger Klas­ siker verunstalten, daneben die Stansucher Kunst zu später Stunde Wände sind da, um sie anzustarren? erleben. Wer noch später noch imgen auf den zwei Podesten, auf Iwo! Sie sind dazu da, um sie zu denen die Mutigen tanzen und manchmer unterwegs ist, muss nur ­ besprayen. So geschehen im neu er- Bonsoir sagen, was in ­dieser Stadt mal herunterfallen, auf die ­geplätöffneten Sale Out Shop von KSG telte Tanzfläche. Bumm, wer kann sich dank dem gleichnamigen Club in der Aarbergergasse. Doppelt so seit neustem ja alles ­andere als ‹Gute anderntags schon daran erinnern. gross wie die Basis nebenan, Gegenüber der Bühne die DJ-KabiNacht› bedeutet. wird noch bis Juni alles Rund ums ne, wo jahrelang die gleiche Skaten, Boarden und Gut-Aus­DJane drinstand. Sie war zu bewunsehen für wenig Batzen verkauft, dern. Jahr für Jahr, Tag für Tag danach werden Wände durchstand sie hinter ihren CD-Playern und brochen und der KSG hat dann spuhlte ihr Programm herunter. ­endlich Platz für einen Berg inkl. Es war eigentlich fast immer dassel­Skilift – naja, fast. be, aber wer kann sich noch www.artacks.ch erinnern, was er im Trischli genau www.sodiumbern.ch ­gemacht, gehört, gesehen hat. Nun soll Schluss sein. Im Trischli traten einst Grosse auf. Pepe Lienhard, Siegfried und Roy. Das Trischli gibt es praktisch seit Menschengedenken, kurz nach Gallus kam das Trischli, könnte man Das Label ‹Voodoo Rhythm› um unmeinen. Ich kenne Leute, deren Elseren hochverehrten Reverend tern haben sich dort kennengelernt.

Korrespondent: Xymna Engel Alter: 23 Beruf/Berufung: lesend Lieblingsbar: Café Kairo Lieblingsclub: Dachstock Reitschule Hotspot des monats: Mein Teekocher

hüüü rössli

requiem auf einen club

erwarte das unerwartete

Ab April kommt Mario ­Tomasini, er will das Trischli umbauen und zu einem ‹Szeneclub› machen. Das heisst wohl Schluss mit dem 80er-Flair, rein mit ‹Glamour› und ­‹Edelkitsch›, wie er selber dem Tagblatt sagte. Was der Gastrokönig sich unter Szeneclub vorstellt, kann man sich selber zusammenreimen, wenn man mal eine Tour durch seine Läden macht. Weinrote Fakesamtwände wahr­scheinlich. Aber auf die Tour kann man auch gerne verzichten. ‹Wir sind ein multikultureller Club›, steht auf der Homepage des Trischli. Unter Tomasini ist zu befürchten, dass sich das ändert. Der lässt ja schon im Seeger keine Farbigen rein, dem Saiten sagte er vor ein paar Jahren mal, Jugos und Araber auch nicht. So ist das Trischli wohl endgültig ­gestorben, auch falls Tomasini den Namen behalten sollte. www.trischli.ch

ab in den container

spiel den beat

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Juan Francisco Casas sammelt mit seiner Kamera Momente ein und verhilft den flüchtigen Augen­blicken in täuschend lebensechter Vergrösserung mit Kugel­­schreiber und Ölfarbe zu einem ewigen Leben im Riesenformat. Doch das ist längst nicht alles! Denn seine Arbeit wirft philosophische Fragen zu nichts Geringerem als dem Leben selbst auf.

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ir alle sind nur zu Gast auf dieser Erde, sagt der Volksmund mit erhobenem Zeigefinger. Wie Recht er damit hat, widerspiegelt sich nicht nur in unserer beschränkten Lebenszeit, sondern vor allem darin, wie wir diese gestalten. Wie Touristen, die in möglichst kurzer Zeit soviel spezielle Momente und Situationen einzufangen versuchen, welche sie gebannt auf Filmrollen und Memorysticks vor dem Vergessen zu retten versuchen, sammeln wir auch im Alltag täglich Stoff für unser inneres Auge. Doch nicht nur unsere Lebzeit, sondern auch unser Speicher an Erinnerungen ist leider beschränkt und vermag bei weitem nicht all das zu bewahren, was unser Leben von jenem der Menschen um uns herum unterschied. Schicksalhafte Begegnungen, aussergewöhnliche Bilder, Gefühle und Erlebnisse sind einmalig und unwiderrufbar. Dabei waren doch im Nachhinein nicht wie erwartet der Hochzeitstag oder der achtzehnte Geburtstag die grössten Momente, sondern vielmehr zeigt sich das Leben in seiner reinsten Form gerade dann, wenn man es nicht von ihm erwartet hätte: um fünf Uhr morgens an einer Party, im Augenzwinkern einer geliebten Person oder im Bild des Freundes, der sich einen Damenslip über den Kopf gezogen hat, stets im Bewusstsein, dass diese Momente nicht für die Ewigkeit bestimmt sind, auch wenn sie es wert wären. Der spanische Künstler Juan Francisco Casas hat es sich zum Ziel gesetzt, genau diese Bilder einzufangen, um sie in seinen Zeichnungen als stumme Zeitzeugen zu konservieren: ‹Ich dokumentiere mein eigenes Leben mit Bildern, die anderen irrelevant erscheinen mögen. Durch meine Modelle lasse ich meine innere mit der äusseren Geschichte eines Zeitpunktes verschmelzen. Wer genau in meinen Bildern tut, was er tut, ist irrelevant. Viele bezeichnen meine Arbeit als unpolitisch, weil sie den gesellschaftskritischen Aspekt dahinter, die nackte Freundin oder den besoffenen Freund an einer Party als Mittelpunkt eines Bildes zu wählen, nicht sehen. Doch Banalität ist meiner Meinung nach eines der spezifischsten Zeichen unserer Zeit›, erklärt Casas seine Arbeit in bis zur Unkenntlichkeit verwobenen Nebensätzen und in Klammerbemerkungen verstrickten Riesensätzen.

den ersten Blick als puren Fotorealismus abtun mag. Der interessanteste Aspekt an der Arbeit des jungen Spaniers ist sicherlich der krasse Gegensatz zwischen Vorlage und Produktion: Zehn Tage lang sitzt Francisco vor seiner zwei mal zwei Meter grossen Leinwand und fängt – oft nur mit Kugelschreiber bewaffnet – den flüchtigen Moment einer schnellen Liebschaft oder einer wilden Partynacht ein. ‹Diese Arbeit ist ziemlich sinnlich, allerdings auf einer geistigen Ebene. Selbst wenn es sich nicht um einen erotischen Moment handelt, erschafft man mit einer Zeichnung Fleisch und Körper, als verhelfe man dem Leib zu einem neuen Leben, zu einer Art Wiedergeburt. Das Zeichnen fühlt sich an, als berühre man einen Körper millionenfach›, schwärmt Casas von seiner fast schon meditativen, detailversessenen Arbeit. Doch es lässt sich nicht verschweigen, dass Casas eine Schwäche für erotische, fast schon pornografische Vorlagen hat. Mädchen mit weit geöffneten Mündern, Selbstporträts aus dem intimen Blickwinkel der Liebhaberin und viel viel nackte Haut ziehen sich durch Casas’ Werk wie kaum eine andere Konstante. ‹Sex ist eine Form von Kommunikation und als solche sehr wichtig für mein biografisches Werk›, erklärt Casas. ‹Ich führe kein wilderes Leben als andere Leute in meinem Alter, aber ich dokumentiere es mit Kamera und Stift.› Auch hier entzieht sich das Bild der eigentlichen Situation, Intimes wird riesengross verewigt und aus dem Gesamtkontext entrissen. ‹Das ist wie wenn man sich Partyfotos ansieht und im Hintergrund ist eine Person zu sehen, die man nicht kennt. Diese Person erstarrt zu einer steinernen Statue eines uneingeladenen Fremden, es scheint, als habe niemand diesen Menschen eingeladen. Mich interessiert der darin gespiegelte Gegensatz zwischen Privatleben und Öffentlichkeit sehr!›

Ausstellungen davon, dass die vermeintlichen Snapshots uns viel mehr über den Künstler und seinen Bezug zur Welt verraten, als es jedes Tagebuch tun könnte. Wer sich selbst davon überzeugen möchte, findet vom 8. bis zum 14. Juni dieses Jahres in Basel die Möglichkeit dazu. Eine Antwort bleibt er uns allerdings schuldig, nämlich welches die Momente auszeichnet, die unser Leben lebenswert machen. Wo finden sie sich? Und vor allem wann? ‹Jeder Moment ist es wert, gelebt und festgehalten zu werden, egal wo und wann. Sie alle sind es wert, sich daran zu erinnern, denn nur so rettet man sie vor den Klauen der Zeit.› Oder, um es mit den Worten des spanischen Philosophen José Luis Brea zu formulieren: ‹Die ganze Jugend kann sich um ein einziges Bild oder einen einzelnen Satz eines Songs drehen. Die ganze Welt konzentriert sich dann in einem einzigen Punkt voller Zweifel und stellt das ganze System in Frage.› Text: Rainer Brenner Weitere Info auf www.juanfranciscocasas.com

Eine Frage der Perspektive

Genauso interessant wie dieser Gegensatz sind auch die Blickwinkel, aus welchen wir auf seine Bilder schauen: Ist es das Auge des Künstlers oder verrät die Perspektive, dass das gar nicht der Fall sein kann? So simpel wie Juan Francisco Casas’ Zeichnungen und Ölgemälde auf den ersten Blick erscheinen, so divers und interessant sind die Bilder, wenn man sie länger betrachtet. So wurde der spanische Künstler denn auch mit So verschlüsselt wie seine Erklärungen ist auch etlichen Preisen ausgezeichnet und überzeugt sein künstlerischer Zugang zu dem, was man auf die Menschen rund um den Globus bei seinen

Tausendmal berührt

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‹querschläger› Alles, ausser angepasst. Nicola Hugi: ‹Für die Turniere kriege ich leider nicht schulfrei.›

anmerkt, dass diese Themen ihn nicht wirklich aus der Reserve locken werden. Viel wichtiger als das Mur­ meln scheinen ihm denn auch seine anderen Hobbys zu sein: Die SCB-Flagge über dem Bett und das Game-Pad auf seinem Nachttisch sind Dinge, über die er sich weit lieber unterhält als über seine Bega­ bung im Glasperlenschubsen. Das Eis bricht allerdings erst, als er die Vans-Schlüsselanhänger in unserer Promobag entdeckt und ich auf seinem Schreibtisch meine Fingerboard-Künste unter Beweis stelle. Vielleicht weil er merkt, dass auch erwachsene Zeitgenos­ sen durchaus Hobbys haben, über die sie sich nicht gerne mit Gleichaltrigen unterhalten. kinki magazine: Wie kamst du dazu, an der Murmelmeisterschaft teilzunehmen?

Nicola: Eigentlich eher durch Zufall. Ich hatte mich mit Kollegen ver­ab­redet, die riefen mich dann an und sagten, da sei eine Meisterschaft im Dorf, ich solle doch auch vorbei­ kommen. So kam es, dass wir uns zum Wettbewerb einschrieben. Anfangs war mein Schulfreund eigentlich besser als ich, aber ge­ wonnen habe dann schlussendlich doch ich. Die Hindernisse bei den Meisterschaften ähneln ja irgendwie jenen in Minigolfparcours, sind aber aus Sand. Was sind die Hauptanforderungen beim Murmeln?

Man braucht vor allem eine ruhige Hand. Man sollte also nicht allzu ner­ vös sein, doch ansonsten erfordert der Sport nicht viel. Ich selbst bin ei­ gentlich nur kurz vor Beginn des Turniers nervös, während dem Spiel werde ich dann ziemlich ruhig.

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icola Hugi ist Schweizer Murmelmeister und besetzt Rang Nummer sechs auf der Welt­ rangliste, wenn man das so formulie­ ren kann. Scheu wie alle Jungs in seinem Alter empfängt uns der 14-Jährige in Baggypants und mit leiser Stimme. Sein Baseballcap, das er auf allen Fotos trägt, hängt heute einmal an der Garderobe. Den Eingangsbereich zieren Poster von George Clooney und eine fein säuberlich angeordnete Horde von Teddybären, doch in Nicolas Zim­ mer (das er für diesen Termin auf­ räumen musste) beherrscht David Beckham die Wände. Auf die Frage, ob ihm nur der Fussballer selbst 32

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oder auch dessen illustre Gattin gefalle, antwortet er mit einem schüchternen Lächeln. Unser Ge­ spräch führen wir im ganz in ver­ schiedensten Blau- und Türkistönen gehaltenen Wohnzimmer der Familie, wo zwei schwere und mit Murmeln gefüllte Pokale auf dem Tisch stehen. In einem kleinen Ord­ ner sammelt Nicolas Mutter, die ihn auch zu den Weltmeisterschaf­ ten nach Südfrankreich beglei­tete, Artikel und Fotos, die die ein­ jährige Karriere ihres Sohnes dokumentieren. Ich bemühe mich, Nicola nicht dieselben Fragen zu stellen, wie er sie schon in diver­ sen Radio- und Zeitungsinterviews beantworten musste, da man ihm

sonst ist das eigentlich nicht so ein Thema bei uns. Manche machen sich lustig über mich, weil sie das Murmeln kindisch finden. Mein Lehrer hat sich allerdings über die Radiointerviews und Zeitungsbe­ richte gefreut, glaube ich. Wie sieht deine Konkurrenz aus? Sind das alles Gleichaltrige oder ist das Teilnehmerfeld gemischt?

Da gab es 80-Jährige und 13-Jähri­ ge, vor allem bei den Weltmeister­ schaften waren viel mehr Erwachse­ ne dabei. Kennt man sich?

Nicht wirklich, das war ja erst meine erste Murmelmeisterschaft letztes Jahr. Mit einem der Konkurrenten kam ich eigentlich ziemlich gut aus. Bis ich gewonnen habe, da war er dann ein bisschen sauer. Hast du eine Lieblingsmurmel, mit der du immer spielst, oder ist dir das egal?

Man darf schon seine eigenen Mur­ meln zum Wettkampf mitbringen, aber man kann sich auch dort bedie­ nen. Da gibt es verschiedene Mo­delle, solche mit rauerer und sol­ che mit ganz glatter Oberfläche. Ich spiele aber eigentlich immer mit derselben Murmel. Mir macht das nicht so viel aus. Was sind deine Zukunftspläne? Hast du schon irgendwelche Berufswünsche oder willst du professioneller Murmler werden?

(Lacht.) Nein, das geht natürlich nicht! Ich bewerbe mich derzeit für Lehrstellen als Detailhandelsver­ käufer im Sportbereich. Wie lange wirst du noch weitermurmeln?

Keine Ahnung. Wenn ich dieses Jahr nicht wieder den Titel gewinne, weiss ich ehrlich gesagt nicht, ob ich vielleicht langsam damit aufhöre.

Andere Kids in deinem Alter spielen Playstation und drehen an ihren iPods herum. Lässt dich das alles kalt oder ist das Murmeln Nicola Hugi, 14, lebt in Ipsach bei Biel und hört sich gerne die Red Hot Chilli eher ein zweitrangiges Hobby? Peppers an. In seiner eigenen Band,

Zu Hause murmle ich eigentlich nur, wenn ein Wettkampf ansteht. Aber meistens gehe ich einfach ein bisschen früher zum Turnier und spiele dort den Parcours, das ist der Hauptteil meiner Vorbereitung. Wenn ich daheim bin, sitze ich schon auch oft vor dem Computer, treffe mich mit Freunden oder spiele Fuss­ ball. Wie hat dein Umfeld auf deinen Sieg reagiert? Fanden die Kollegen das cool oder eher doof?

Naja, viele kamen halt zu mir und for­ derten mich heraus (lacht). Aber

den ‹Imperial Bananas›, wurde er am Mikrofon von drei jungen Damen abgelöst und spielt jetzt Bass. Er ist ein grosser SCB-Fan und seine Lieblingsgames sind NHL und Fifa. Grüssen möchte Nicola die 8. Realklasse vom Schulhaus Balain. Text und Interview: Rainer Brenner Foto: Daniel Tischler


Illustration by purple haze studio


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HELDEN IN STRUMPFHOSEN Wer hat sich insgeheim nicht auch schon die Gewissheit gewünscht, dass ein kühner Superheld über den Dächern der Stadt über unser Schicksal wacht und brutale Verbrecher in Selbstjustiz für ihre Taten zur Verantwortung zieht? Geben tut es diese Leute wirklich, doch anstatt mit Superkräften und Spinnenarmen, sind die Real Life Superheroes einfach nur mit einem ausgeprägten Helferinstinkt und allerhöchstens einem Döschen Pfefferspray ausgerüstet.

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ie Welt geht den Bach runter. Die Finanzkrise reisst die globale Wirtschaft in den Abgrund. Menschen verlieren ihre Arbeit, Geld verliert seinen Wert. Die Umweltverschmutzung nimmt zu und die Kriminalität auch. Jedes Jahr gibt es mehr Menschen, mehr Probleme und weniger Lösungen. Alles ist verstrickt und unglaublich kompliziert. So scheint es jedenfalls. Als Einzelner fühlt man sich klein, als könne man ohnehin nichts gegen den Untergang der Menschheit und der Welt an sich unternehmen. Man ist ja nur ein Mensch von mehreren Billionen. Man ist ja kein Superheld. Von wegen. Einige sind es eben doch. David Civitarese heisst jetzt Civitron. Er trägt ein rotweisses Spandex-Hemd, auf dem sein Logo prangt: ein weisser Kreis mit einer Flamme und einem C. Seine Augen versteckt er hinter einer Sonnenbrille. Civitron ist ein Real Life Superhero, ein Held des Alltags. Er geht raus auf die Strasse, um die Welt ein bisschen besser zu machen.

Meetings und Mojo

Für David fing alles schon früh an, eigentlich schon in der Grundschule. Damals hat er begonnen, mit seinen Kumpels Comics zu zeichnen. Jeder erfand seinen eigenen Helden, der die Welt retten sollte. Sie verbrachten Stunden, Tage damit. Sie versanken so tief in ihrer eigenen Comicwelt, dass sie begannen sich selbst für die Helden zu halten. Sie wollten die Welt verbessern und weil sie klein waren, kaum zehn Jahre alt, fingen sie klein an. David und seine Freunde halfen den alten Leuten in ihrer Nachbarschaft in Boston, Müll rauszubringen oder räumten den Park auf. ‹Aber dann bin ich umgezogen und all das geriet in Vergessenheit›, erzählt David. Die Pubertät kam, das Erwachsenwerden. Viele Lagen an Erfahrungen legten sich über seine Kindheitserinnerungen. Jetzt ist David 28 Jahre alt, verheiratet und hat selbst einen Sohn. ‹Er ist meine Inspiration.› Sein Sohn hat seine Weltsicht verändert. ‹Er erzählte mir, er habe Superkräfte, er könne superschnell rennen und dann rannte er los.› Das sei das Schöne an Kindern: Sie sehen die Magie in den Dingen, die für Erwachsene längst öde Normalität geworden sind. Durch seinen Sohn hat sich David an seine eigene Kindheit erinnert, an die Zeit damals, als er sein eigener Superheld war. ‹Ich habe damit aufgehört, aber ich habe mich gefragt, ob es Leute gibt, die vielleicht immer noch Helden spielen.› Im Internet fand er jede Menge davon, verteilt über die ganze Welt. Auch Chaim Lazaros ist auf diese Community gestossen. Er ist Filmstudent an der Columbia University und wollte einen Clip über die Superhelden drehen. ‹Weil ich mir es nicht leisten konnte, durch die USA zu reisen und jeden Einzelnen zu treffen, habe ich ein Meeting in New York organisiert.› Im Oktober 2007 trafen sich eine Handvoll Superhelden, Civitron war einer von ihnen. Google verzeichnet über 2 Millionen Einträge zum Thema ‹Real Life Superheroes›. Aber Superheld ist nicht gleich Superheld. Einige dieser Helden des Alltags sind Polizisten oder Feuerwehrmänner, die sich durch ihre Taten, zum Beispiel nach dem 11. September, hervorheben. Andere Einträge beziehen sich auf Live-Rollenspiele, bei denen sich Menschen in Kostümen irgendwo in der Stadt oder auf einem Feld zu einem inszenier-

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ten Kampf, einem Ritual oder ähnlichem verabreden. Aber das ist es nicht, was Civitron und andere Real Life Superheroes tun.

Helden des Alltags

Zugegeben, ich stellte mir vor, sie seien eine menschliche Version von Batman und Superman auf der Jagd nach dem ultimativen Bösen, dass sich in den engen Gassen der Stadt verkriecht. Ich musste über diese Vorstellung lachen, es kam mir vollkommen idiotisch vor und das ist es auch. ‹Wie oft in seinem Leben ist man denn bei einem Bankraub oder bei einem Diebstahl dabei?› fragt mich Chaim am Telefon. ‹Wir sind keine Crime Stoppers.› Chaims Alter Ego heisst Life. Als Life trägt er einen schwarzen Anzug, Weste und Hut. Würde er seine Maske nicht tragen, sähe er aus wie ein normaler Mensch. Chaim ist erst seit dem Treffen in New York Superheld. Vorher hat er die Gemeinschaft nur unterstützt, war neugierig, was die Jungs und Mädels so taten. Doch das Treffen hat ihn beeindruckt. Seitdem ist er einer von ihnen. Gemeinsam haben Life, Civitron und Co. den Times Square aufgeräumt und Sandwiches an Obdachlose verteilt. ‹Wir haben keine Superkräfte, deshalb halten wir uns an unsere Fähigkeiten›, erklärt Civitron. Die Fähigkeiten unterscheiden sich massiv von jenen der Comichelden und das ist auch gut so, denn James Kakalios hat in seinem Buch ‹Physik der Superhelden› in vielen Berechnungen belegt, dass Superhelden keine Menschen sein können. Superman zum Beispiel müsste, um auf ein 40-stöckiges Gebäude zu springen (was er in Folge 1 tut), mit einer Geschwindigkeit von 230 Kilometern pro Stunde vom Boden abspringen. So viel Energie können die Beinmuskeln eines Menschen gar nicht zur Verfügung stellen, immer mal davon ausgegangen, der Sprung findet auf der Erde statt und nicht auf dem Mond, wo alles viel einfacher wäre, weil die Schwerkraft geringer ist. Aber Civitron und seine Kollegen sind keine Waisen von einem fremden Planeten und auch keine Überreste von einem genetischen Experiment. Sie sind vollkommen menschlich.

Der Insektenmann im Einsatz

Es gibt aber auch andere. Entomo, der Insektenmensch, zum Beispiel. Der Superheld aus Neapel bezeichnet sich selbst als postmodernen Schamanen mit paranormalen Fähigkeiten. Er ist ein Einzelkämpfer, der sich noch nie mit anderen Heroes getroffen hat. Interviews gibt er nur per Mail, auf seinen Rundgängen durch die Stadt will er keine Gesellschaft. Seine Identität bleibt geheim und die Frage, ob seine Geschichten der Realität oder seiner Fantasie entspringen, ungeklärt. Er habe einen Suizidgefährdeten vor der Strassenbahn gerettet und sich mit einem Anarcho-Punk geprügelt, der einen Müllhaufen abfackeln wollte, behauptet er. Superheld zu sein sei sein Schicksal. Das Problem daran aber ist: Auch Superhelden brauchen die Öffentlichkeit, den Applaus, das Rampenlicht. Wenn keiner sieht, was die Superhelden für gute Taten vollbringen, kann sich auch keiner ein Beispiel an ihnen nehmen. Und das würden sie gerne sein: Vorbilder, so wie es die Comichelden für sie waren.


‹Ich habe Civitron erschaffen, weil ich jemanden haben wollte, an dem ich, David Civitarese, mich messen kann.› David wollte eine FantasieAusgabe seiner Selbst haben, etwas flashyges, etwas cooles, eine gepimpte Version seiner Alltagsidentität. Er entwarf sein Kostüm selbst und bat seine Cousine, es zu nähen. ‹Sie hat einen prima Job gemacht, es sitzt wie angegossen›, sagt er. Seine Familie und Freunde wissen von seiner Superheldenidentität und natürlich haben sie anfangs darüber gelacht, aber nur für kurze Zeit. Einige seiner Freunde haben mittlerweile selbst den Superhelden in sich entdeckt.

will sich ihr stellen, denn David ist stolz darauf, ein Real Life Superhero zu sein. Civitron ist Teil einer wachsenden Gemeinschaft; in Amerika gibt es schätzungsweise 100 aktive Superhelden, die um die Häuser ziehen, weltweit seien es vielleicht 200, schätzt Chaim Lazaros. Er selbst habe mit knapp 25 bereits die Strassen patrouilliert. Einige Weitere haben sich bereits ein Alter Ego gebastelt, aber den Schritt in die Öffentlichkeit noch nicht gewagt. Chaim hat auch 2008 wieder ein Treffen der Superhelden organisiert, diesmal in New Orleans. Ein Dutzend Superhelden halfen dort vergangenen Herbst beim Aufräumen, Häuserbau und bei der Erneuerung einer Schule. Eine gemeinsame Mission gäbe es aber nicht, sagt David. ‹Was uns verbindet? Wir sind alle einzigartig.› Und dann fügt er hinzu: Kann man Obdachlosen und Junkies nicht auch ‹…and we all live our truth.› so helfen, ohne Kostümierung? Wer sich diese Frage stellt, missachtet, dass Helfen keine Einbahnstrasse ist. Indem man jemanden hilft, hilft man sich selbst. Es klingt paradox, aber helfen ist selbstsüchtig. ‹Zivilcourage ist unabdingbar für Als erster Real Life Superhero wird Superbarrio einen gelebten Rechtsstaat – aber sie birgt auch Gómez angeführt, der durch seine anarchistischen immer die Gefahr, in subjektive moralische Anmas- Protestaktionen in den 1990ern in Mexiko-Stadt sung umzukippen›, erklärt Martin Booms, Philo- auffiel. Superbarrios Outfit erinnerte an lateinamesoph und Leiter der Akademie für Sozialethik und rikanische Freiheitskämpfer: roter Spandexbody, Öffentliche Kultur in Bonn. Daher findet Booms es auf den seine Initialien in Gold aufgenäht waren. kritisch, wenn Zivilcourage inszeniert wird, wenn Er kämpfe für demokratische Strukturen in einer sich Menschen in Superhelden-Kostüme zwängen korrupten Stadt. Seine Waffe war Humor. Er machund sich selbst zur moralischen Parallelpolizei oder te sich über die Politik lustig, indem er sich zum -heilsarmee erklären. ‹Damit setzen sie sich als Beispiel als Kandidat bei Wahl aufstellen liess. Sheriffs von eigenen Gnaden an die Stelle des Superbarrio hatte viele Fans in der Hauptstadt, die bestehenden Ordnungsrahmens.› Die Gefahr sol- sich vereinten und Bürgerinitiativen gründeten. In cher falsch verstandenen Zivilcourage: ichbezo- den 1990ern wurde Superbarrio als Marco Rascón gene Selbstzufriedenheit und Tugendterror. Córdova enttarnt, er machte dennoch einige Jahre David gesteht, dass er anfangs ein wenig selbst- weiter. Erst 2006 gab Rascón bekannt, dass es süchtig war. Er wollte sich durch seine zweite Su- Superbarrio Gómez nicht mehr gäbe. perheldenidentität in neue Sphären pushen. Doch Von Terrifica, die seit Mitte der 1990er Mädjetzt sei das anders, sagt er, jetzt wolle er nur noch chen auf den Strassen von New York hilft, ist nur ein Beispiel dafür sein, dass jeder Einzelne die bekannt, dass sie Sarah heissen soll. Mit rotem Welt verschönern kann, wenn auch in kleinem Mass- Anzug, Umhang und goldenem BH im Stil der stab. ‹We are all here to help›, das ist sein Slogan. Valkyren durchstreift sie die nächtliche Stadt und David besucht seine Mutter manchmal als Civi- eskortiert betrunkene Frauen nach Hause, damit tron. ‹Wenn ich die Strasse lang gehe, dann kom- diese nicht von Männern, die ihren Zustand ausmen die Kinder angerannt und geben mir High nutzen, verführt oder vergewaltigt werden. Auch Five. Sie finden es toll, dass es Superhelden wirk- Terrifica hat keine Geheimwaffe, nur Pfefferspray, lich gibt.› Manche freuen sich auch darüber, dass Telefon und eine Kamera, um potentielle Täter zu sie sein Geheimnis kennen. Einmal sei er in Jeans fotografieren. Nichts also, was nicht ohnehin jede und T-Shirt durch das Viertel gelaufen und ein klei- Frau in ihrer Handtasche hätte. ner Junge kam angerannt, er flüsterte ihm ins Ohr: Life kennt Superbarrio und Terrifica, er mochte ‹Hey Civitron, ich weiss, dass du es bist, aber ich Superhelden schon in seiner Kindheit. Batman verrate es keinem.› war ihm der liebste. ‹Weil er eben keine Superkräfte hatte.› Dafür hatte Batman aber jede Menge Geld, um sich seinen Fuhrpark und die technischen Spielereien zu finanzieren. Wenn Life sich eine Superkraft wünschen könnte, dann hätte er gerne Aber die anderen Reaktionen kennt David auch: den Power-Ring von Green Lantern. Durch den Menschen, die lachen, sich über seine Aufma- Ring werden alle Dinge, die man sich vorstellt, chung amüsieren. Es passiere aber eher selten, Wirklichkeit. David will keine Superkräfte, für ihn sagt er. Einige Leute seien zwar irritiert, aber eben ist sein liebster Superheld noch immer sein Sohn – auch neugierig. ‹Und wenn man mit ihnen redet ähnlich wie Green Lantern, kann dieser auch alles, und ihnen erklärt, was man tut, dann finden sie es woran er glaubt. meist cool.› Wie er so auf der Strasse steht und Pia Volk Wasserflaschen verschenkt in der Hitze des Som- Text: Illustration: Raffinerie mers, sieht er aus, als sei er Teil einer Werbekampagne des Wasserherstellers, ein weiteres Maskottchen, das durch die Fussgängerzonen hüpft. ‹So habe er die Sache noch nicht gesehen›, gibt David zu. Für ihn ist der Argwohn der Menschen keine Gefahr, sondern eine Herausforderung. Er

Heilsarmee in Spandex?

Man muss nur daran glauben

‹…and we all live our truth.›

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Wall of Death Es gibt verschiedene Möglich­keiten, sich das Leben zu nehmen. Nicht gerade die effektivste davon ist ein Motorrad­unfall – allerdings lässt sich der Wirkungsgrad erhöhen, wenn sich der lebensmüde Fahrer auf dem Zweirad mit Vollgas in Schwindel erregender Höhe in eine Siloartige Holzröhre begibt…

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Das Team von Hugo Dabberts Steilwandmotorradshow ‹Motodrom› besteht aus harten Kerlen. Deswegen kommen die Zuschauer.

Der Blick in die Vertikale: Was von oben wie eine lustige Verfolgungsjagd aussieht, ist ein lebensgefährliches Wagnis für die Fahrer.

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amstagabend auf dem Jahrmarkt. Die rundliche Ticketverkäuferin versucht die letzten Eintrittskarten für die 20-UhrShow im Motodrom an den Mann beziehungsweise die Frau zu bringen. Im Inneren der Anlage tummeln sich feixende Motorradfans auf den Holzbänken, eine Gruppe sichtbar angetrunkener Rockabillys beansprucht die besten Plätze für sich. Es herrscht deutlicher Männerüberschuss. Einige Heranwachsende versuchen noch Plätze neben einer chinesischen Jahrmarkts-Delegation ganz dicht an der Steilwand zu bekommen. Die Holzwände sind im unteren Bereich rot lackiert, dadurch wirkt die überdimensionierte Röhre noch gefährlicher und blutiger. Es riecht nach Auspuff und 2-Takter-Gemisch, der Motorenlärm nimmt zu, das Publikum wartet auf den Star der Veranstaltung: Donald Ganslmeier (33) ist der berühmteste Motorrad-Steilwandfahrer Europas. Sein Leben ist das Showbusiness. Im Gespräch mit unserem Autor Stefan Wimmer erzählt er von schnellen Maschinen, Rummel, Gewalt und dem Leben auf der Überholspur. kinki magazine: Wie bist du mit dem Steilwand-Virus infiziert worden?

Donald: Das war mit sechs Jahren, als mich mein Opa auf der Landshuter Kirmes zur ­Steilwandshow ‹Pitt's Todeswand› mitgenommen hat, wo ich zum ersten Mal die ‹Gebrüder Varanne› gesehen habe, wie sie in ihren Dreissiger-Jahre-Reithosen durch die Wand gerast sind. Von dem Augenblick an wusste ich, dass ich selbst Steilwandfahrer werden wollte. Was hat dich daran so fasziniert?

Dass es technisch überhaupt möglich ist, mit einem Motorrad eine Wand entlang zu fahren! Ich bin sofort nachhause, um das auszuprobieren – und mit meinem Kinderrad erst einmal gegen unsere Hausmauer gerast. Und dann hast du dir, so schnell es ging, deine erste Maschine gekauft?

Ja, mit acht – eine Puch 25 Kubik, die ich auffrisiert habe. Mit 11 hatte ich bereits eine Zündapp Superkombinette, die ich noch stärker hochgetunet hatte. Ein paar Jahre später habe ich unter dem Einfluss von Elvis dann auch begonnen, mich für RockabillyKultur zu interessieren. Mit 15 war ich mit den Münchner Rockabillys zusammen. Wir haben uns nachmittags immer am Fischbrunnen getroffen, beim Metzger um die Ecke kaltes Bier besorgt und dann jede Party gestürmt, auf die wir nicht eingeladen waren. Das war eine Art Sport – Partys knacken, Kühlschrank leertrinken und Frauen abschleppen. Bescheuert, aber so waren die Zeiten (lacht)! Das klingt nicht gerade nach Muster­ schüler…

Meine Schulzeit war die Hölle, eine einzige Odyssee durch Dutzende von Real- und Hauptschulen! Ich bin von Schulen geflogen, von denen man rein technisch gar nicht fliegen konnte (lacht). In der Quali-Prüfung sass ich mit einer Flasche Bier – was aber egal war, da ich zu dieser Zeit ohnehin schon gejobbt habe.

War es einfach, in die Steilwand-Branche reinzukommen?

Brutal schwer… Ich habe über Monate hinweg Evelyn Wissinger, die Chefin von ‹Pitt's Todeswand›, am Telefon beschwatzt, mich in ihrer Steilwand als Schüler auszubilden – wieder und wieder, bis ich schon dachte, irgendwann wechselt sie jetzt genervt ihre Telefonnummer. Doch nach dem zehnten Anruf hat sie sich mit mir in Garmisch getroffen und mir ein Flugticket nach Manchester geschenkt, wo ich bei der Steilwand-Legende Ken Fox anheuern sollte. Dafür musste ich mich verpflichten, für Evelyns Steilwand beim nächsten Oktoberfest zu fahren. Wie war Kens Reaktion, als du in Manchester aufgekreuzt bist?

Er hat mich ausgelacht. Bei ihm kamen alle paar Wochen Leute an, die Steilwandfahrer werden wollen, und die meisten hauen sofort wieder ab, sobald sie sehen, wie hart die Arbeit ist.

‹Bei meiner ersten Fahrt in der Wand, war mir schon nach zwei Runden so schwindlig, dass ich fast gekotzt hätte.› Was ist so hart an der Arbeit?

Das Härteste ist das Auf- und Abbauen der Steilwand. So eine Steilwand besteht schliesslich aus 12 Tonnen Material – 50-KiloTrümmer, die man ohne Kran und künstliche Hilfsmittel zusammenschrauben muss. Die ersten zwei Monate bei Ken Fox hiess es für mich dementsprechend nur putzen, Motorräder reparieren und Steilwand aufbauen.

wand auch ohne die Bewegung deiner Hand hochfahren. Das Ganze steht und fällt mit der Geschwindigkeit des Motorrads – du musst mindestens 40 km/h fahren –, und wenn du diese Geschwindigkeit aus irgendwelchen Gründen unterschreitest, schmierst du ab – d.h. es schmeisst dich in den Kessel. Wie oft hat es dich in deiner Lehrzeit runtergehauen?

Fünf Mal, aber das verlief Gott sei Dank immer glimpflich. Die schweren Verletzungen kamen erst später, als ich das Trick- und Akrobatikfahren schon beherrscht habe. Was waren deine schlimmsten Verletzungen?

Ich hatte zwei Mal ein gebrochenes Sprung­ gelenk und insgesamt 12 Mal einen Bänderriss. Meistens ist mir beim Sturz das Motorrad auf die Füsse gekracht und hat die Bänder durchgerissen. Werden die Shows dann ausgesetzt?

Nein, dann fährt man mit Schiene weiter. Es bleibt einem ohnehin keine Zeit, sich auf den Schmerz zu konzentrieren, weil man aufpassen muss, dass man nicht noch einmal aus der Wand fliegt. Das Steilwand-Ass Hugo Dabbert hat immer gesagt: ‹Ein Steilwandfahrer ist erst dann krank, wenn er seinen Kopf unterm Arm trägt.› Und das stimmt, denn wenn du auf der Kirmes wegen Krankheit aussetzt, ist das Geld futsch. Was sind die gefährlichsten Situationen während einer Show?

Die Überhol-Rennen, weil dann noch drei weitere Fahrer in der Wand sind. Damit die Rennen spektakulär aussehen, muss man natürlich so eng auffahren wie möglich. Aber wenn einer nicht weit genug ausschert und an deinen Fussrasten hängenbleibt oder wenn einer auf den Hinterreifen seines Vorder­manns auffährt, dann genügt ein Sekundenbruchteil Geschwindigkeitsverlust und du stürzt in den Kessel, die Maschine auf dich drauf.

Wie war dann die erste Runde?

Dann bist du hauptsächlich bei ÜberholRennen gestürzt?

Als Ken mir schliesslich erlaubt hat, meine erste Fahrt in der Wand zu machen, war mir schon nach zwei Runden so schwindlig, dass ich fast gekotzt hätte. Man muss zuerst mal lernen, sich beim Fahren stets auf einen Punkt in der Wand zu konzentrieren, auf den man zusteuert, sonst macht einen das Schwindelgefühl verrückt. Einen Monat hab ich jedenfalls gebraucht, um halbwegs sicher fahren zu können – und jedes Mal, wenn ich beim Runterfallen eine Maschine geschrottet habe, musste ich sie wieder zusammenschrauben.

Nein, auch beim Akrobatikfahren. Unfälle können viele Gründe haben: Wenn du den Lenker dumm verreisst; wenn du die Wand zu steil anfährst und dir der Hinterreifen wegrutscht; wenn du beim Schleifenfahren mit den Fuss­ rasten oder dem Reifen versehentlich das Stahlseil des Kesselrands berührst; wenn du einen Motorschaden, einen Getriebeschaden oder einen Reifenplatzer hast und und und… Deswegen muss man tagsüber auch ständig die Motorräder durchchecken, um diese Risiken zu minimieren.

Was ist eigentlich der physikalische Trick, dass das Motorrad samt Fahrer beim Steilwandfahren überhaupt in der Wand bleibt?

Haben sich denn deine Eltern nie Sorgen gemacht?

Die Zentrifugalkraft. Es ist wie mit einem Glas Wasser, das du zum Rotieren bringst. Das Wasser bleibt am oberen Glasrand kleben, und wenn es ein Motor hätte, könnte es die Glas-

Ich habe meiner Mutter gar nicht erst erzählt, dass ich Steilwandfahrer geworden bin. Sie hat mich zufällig einmal auf dem Oktoberfest bei der Show-Ansage gesehen und danach geheult. Aber irgendwann hat sich das in Stolz umgewandelt. kinki

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Donald Ganslmeier: ‹Wenn bei der Vorstellung alles klappt, fühlst du dich wie ein Star.›

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Wie lief es menschlich mit Ken Fox?

Super, Ken war für mich wie ein Ziehvater. Aber er hat mir natürlich auch ein paar Mal die Leviten gelesen, schliesslich war ich ein aufmüpfiger Dreckskerl und habe immer alles besser gewusst (lacht). Dann hiess es: ‹Entweder du tust was ich sage oder du haust ab!› Gab es irgendeinen Aufnahmeritus, nachdem du deine Steilwand-Lehrzeit erfolgreich hinter dich gebracht hast?

Nein, das ist so, wie wenn du bei einer Bank anfängst. Ganz unspektakulär. Anschliessend bist du 12 Jahre für die zwei berühmtesten deutschen Steilwände – Evelyn Wissingers ‹Todeswand› und Hugo Dabberts ‹Motodrom› – gefahren. Wie viele Monate pro Jahr ist man mit einer Steilwand-Show unterwegs?

Etwa neun Monate, jeweils von Anfang März bis Anfang November. In dieser Zeit gastiert man auf etwa 15 Kirmes-Plätzen – mit naht­ losen zeitlichen Anschlüssen, d.h. man kommt zwischendurch nicht nach Hause. Hast du mal ausgerechnet, wie viel Kilo­meter du insgesamt in all den Steilwand-Shows gefahren bist?

Das müssten ungefähr 60 000 bis 70 000 Kilometer gewesen sein. Gibt es beim Steilwandfahren eigentlich Rekorde?

Mein Ex-Chef Hugo Dabbert hat 1980 den Weltrekord im Non-Stop-Steilwandfahren aufgestellt – 6 Stunden, 7 Minuten und 39 Sekunden auf einer ‹Honda Chopper CM 400T›, insgesamt 9142 Runden lang – und hat es so ins Guinnessbuch der Rekorde geschafft. Ich habe mit Hugo darüber nachgedacht, diesen Rekord zu brechen – rein technisch wäre mir das jederzeit möglich – aber wir haben bislang keinen Sponsor dafür. Die notarielle Beglaubigung kostet nämlich einen Haufen Geld. Wie sieht der klassische Fuhrpark eines Steilwand-Unternehmens aus?

Man benötigt mindestens zwei Sattel­schlepper und einen 7½-Tonner LKW, um die Steilwandbauteile zu transportieren. Dann kommen natürlich noch die Wohnwägen hinzu, die der Steilwandbesitzer den Fahrern vermietet. Wenn man bedenkt, dass allein eine gebrauchte Steilwand schon 120 000 – 150 000 Euro kostet – eine neue kann sich eh keiner leisten –, kommen da natürlich unglaubliche Kosten zusammen.

Welche Tabus gibt es bei der täglichen Arbeit?

Kein Alkohol und keine Drogen, solange man fährt. Wie versteht man sich als Fahrer mit den Kollegen?

Nun, selten gibt es mal Charaktere, die glauben, dass sie immer die Besseren sind. Diese Leute erfinden dann oft Geschichten und erzählen dem Chef, dass du Alkoholiker bist, Drogen nimmst oder ihn beklaust. Aber im Grossen und Ganzen sind die Kollegen nett.

‹Es ist kein grosses Geheimnis, dass Steilwandfahrer mit weiblicher Begleitung keine Probleme haben.› Gibt es in eurer Branche eigentlich bestimmte abergläubische Vorstellungen?

Ja. Schieb dein Motorrad nie mit dem Uhr­ zeigersinn in den Kessel rein, das bringt Unglück! Zweite Regel: Meide Freiburg! In dem Nest hat es nämlich jeden Fahrer, den ich kenne, auf die Schnauze gehauen. Ich selbst bin dort mal so schwer mit dem Kopf gegen den Holzboden gedonnert, dass ich nicht mehr wusste, wie ich heisse. Ich kauerte nur am Boden und fragte: ‹Wo sind wir? Warum habe ich Motorrad­­klamot­ten an?› Was ist deine persönliche Ästhetik beim Steilwandfahren?

Das Wichtigste beim Steilwandfahren ist Eleganz. Diese Eleganz ist schwer, weil man in der Wand während der Akrobatik mit 3 ½ G fährt – d.h. das Dreieinhalbfache deines Körpergewichts lastet auf jeder deiner Bewegungen. Manche Fahrer fahren deshalb auch einfach nur Hauruck, während andere wiederum schweben. Generell musst du mit der Show versuchen, die Zuschauer glücklich zu machen, ihnen ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern – genau deswegen schaue ich ihnen in die Augen, beziehe sie mit ein… Um es symbolisch zu sagen: ich schenke ihnen Rosen.

Und wie viel verdient man dann als Fahrer?

Nicht viel, aber Geld ist auch nicht der Grund, warum man diesen Job macht. Man ist Steilwandfahrer, weil man Menschen mit Entertainment glücklich machen möchte. Wenn bei der Vorstellung alles klappt, fühlst du dich wie ein Star. Wie lange am Tag ist man mit den Kollegen eigentlich zusammen?

Bis aufs Schlafen rund um die Uhr. 44

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Üben Steilwandfahrer durch diese Eleganz auch eine besondere Anziehungskraft auf Frauen aus?

Natürlich. Es ist kein grosses Geheimnis, dass Steilwandfahrer mit weiblicher Begleitung keine Probleme haben. Oft sieht man schon bei der Parade, dass dich ein Mädchen an­ blinzelt, und während der Show fliegen manchmal auch Zigarettenschachteln hinab, in denen Slips stecken.

Wie schnell geht es dann zur Sache?

Sehr schnell. In Dorsett, England, haben mich z.B. drei Besucherinnen nach der Show ins Pub eingeladen – ziemlich hübsche Mädchen in High Heels, Tank-Tops und knallengen Jeans. Nach der Sperrstunde haben mich die drei zum Wohnwagen begleitet – ich hatte immer meinen eigenen Wohnwagen mit Tigerfellbezügen und haufenweise historischen Steilwandpostern –, und schwupp sassen wir auf meinem Bett, schwupp waren die Mädels nackt, und wir haben uns dann solange vergnügt, bis der Wohnwagen einen Achsenbruch hatte. Aber es gibt im Publikum nicht nur weibliche Fans, sondern manchmal auch Spinner und Neider… Klar. Während einer unserer Shows haben beispielsweise sechs besoffene Zuschauer immer wieder ihre Arme in die Bahn reingestreckt. Ich und mein damaliger Kollege – nennen wir ihn einfach mal X – haben die Typen deshalb mehrere Male durchs Mikro verwarnt, aber sie haben nicht aufgehört. Also sind X und ich nach oben zur Tribüne, haben die Kerle mit Nachdruck der Steilwand verwiesen und sie vor die Tür gesetzt. Nach Ende der Vorstellung wartete draussen ein Pulk von dreissig Typen auf uns, die mit Messern in der Hand ‹We will kill you!!› schrien. X holt also einen Kanister Benzin, giesst ihnen den Inhalt über die Köpfe und zückt sein Zippo. Ich habe noch nie dreissig Menschen so schnell laufen sehen. ‹If you have a problem, burn the bastards…› – meinte X knapp. Was – würdest du abschliessend sagen – sind die psychologischen Voraussetzungen, um Steilwandfahrer zu werden?

Man muss verrückt sein. Und bereit, ständig unterwegs zu sein. Das ist sicherlich das, was die Leute am meisten abschreckt. Aber bei mir war es immer andersrum. Ich bin lieber wochenlang auf Tour als zuhause. Text und Interview: Stefan Wimmer Fotos: Timmo Schreiber

Todesopfer in der Steilwand Steilwandfahren ist eine der gefährlichsten Sportarten der Welt – schwere Unfälle sind an der Tagesordnung: 1931 verunglückte Motorrad-Urgestein Franz Löffelhardt in einer skandinavischen Steilwand, nachdem man ihm zwei Jahre zuvor schon eine silberne Schädelplatte eingesetzt hatte. 1954 erwischte es den ‹Roten Teufel› Rainer Mack, als die Sattelstütze seines Motorrads während der Vorstellung brach – und 2001 stürzte Dieter Minewitsch in den Tod, weil er beim Wettrennen in der Steilwand einen konkurrierenden ‹Fiat Bambino›Wagen streifte und beim Absturz von seinem Motorrad zerquetscht wurde. Auch Heinz Meiners (dessen Motorrad einmal in den oberen Drahtseilen in sieben Meter Höhe hängen blieb) fuhr sich bei all seinen Abstürzen fast zum Krüppel.


‹Du musst versuchen, die Zuschauer glücklich zu machen›, erklärt Donald Ganslmeier. ‹Symbolisch gesagt: Ich schenke ihnen Rosen.›

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Too fast for Love

Findet man in sieben Minuten den Mann fürs Leben? Natalie Gyöngyösi gab der Drive-By-Partner­ suche eine Chance und besuchte einen Speed­­dating-Event. Dabei lernte sie, dass man für die Suche nach seinem Traumprinzen sprich­wörtlich durch die Hölle gehen muss. Ganze sieben Minuten lang!

I

ch sitze auf einem Stuhl, lasse mir im 7-Minutentakt einen attraktiven Herren nach dem anderen zum Gespräch vorsetzen und habe dann die Qual der Wahl, wer von der ganzen Adonispalette mich wiedersehen und zum Dinner einladen darf. So in etwa hatte ich mir Speeddating vorgestellt. Natürlich würden nicht alle Kandidaten gleich umwerfend, intelligent, attraktiv, humorvoll, reich und sexy sein. Aber sieben Minuten sind schliesslich keine Ewigkeit, so lange würde ich mir auch mit einem nicht optimal in mein Beuteschema passenden oder eher mässig sympathischen Kandidaten mühelos die Zeit um die Ohren schlagen können. Dachte ich. Was ich gelernt habe: eben nicht zu ‹denken› − ­sieben harmlose kleine Minuten können am Speed­ dating im Handumdrehen zu sieben erbarmungslosen Monsterminuten mutieren.

in einem Zürcher Salsa-Lokal nähe Hauptbahnhof. Die Veranstalterin schien ausserordentlich guter Laune zu sein, als sie mich am Eingang empfing und schnurstracks in die Frauenecke dirigierte. Dort warteten schon ihre acht anderen Schäfchen des Abends und unterzogen mich allesamt zuerst mal einer ausführlichen Musterung von oben bis unten. Offenbar musste ich noch in die ungeschriebene Startrangliste eingeteilt werden. Die Männer standen lässig − oder zumindest darum bemüht so auszusehen − an der Bar und verrenkten sich die Hälse nach den Kandidatinnen. Meine acht Mitbewerberinnen waren auch alle ein bisschen nervös, jedenfalls sprach niemand ein Wort. Bis auf ein Freundinnengespann, das dafür unablässig tuschelte und kicherte was das Zeug hielt. Die zwei verschwanden Hand in Hand auf der Damentoilette, um sich nochmals rauszuputzen und ich fragte mich, ob sie, wenn sie es auf den gleichen Kandidaten abgesehen hätten, diesen auch so schwesterlich teilen würden, wie sie es mit ihrem Lippenstift taten. Ich begann mich zu langweiIch erschien mit Windfrisur vom Radfahren, aber len und fragte meine Sitznachbarin, ob sie auch pünktlich und gespannt zum Speeddatinganlass aus der Stadt sei, sie meinte, das wolle sie lieber

Kandidaten ohne Gewähr

nicht verraten und ich sagte: aha. Dann zog die Organisatorin die vierzig Franken Startgebühr von uns ein und während sie die Getränkebestellung aufnahm, informierte sie uns über eine kleine Verspätung zweier männlicher Teilnehmer. Die Frauen warteten und tranken Rivella grün, Mineral und Cola Light − man hatte im Sinn, die Sache nüchtern anzugehen. Nach einer weiteren Viertelstunde Wartezeit meldete sich eine Frau halblaut zu Wort: ‹Kann ich einen Teil von meinem Geld zurückhaben, wenn die nicht mehr kommen? Ich finde das unfair. Ich habe für neun Kandidaten bezahlt und jetzt fehlen zwei!› Darauf verzog die Veranstalterin die Lippen zu einer Art Trichter und meinte, sie bedaure, aber das ginge leider gar nicht. Falls die beiden wirklich nicht mehr kämen, hätte sie leider Pech gehabt − ‹und die beiden Herren sind erst recht selber schuld, nicht wahr?!› zwitscherte sie, zwinkerte und legte der Frau die Hand mit gestreckten Fingern kurz auf die Schulter. Dann eilte sie geschäftig in Richtung Bar davon. Die Frau, die reklamiert hatte, lachte nicht, aber begann in ihrer Handtasche rumzunesteln und fixierte ihre Schuhspitzen. kinki

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Hubert und Casper

Nach einer weiteren Viertelstunde tauchten die zwei Nachzügler dann doch endlich auf, entschuldigten sich, allgemeines Aufatmen wich der Ungeduld in der Frauenrunde. Jetzt wurde der Ablauf erklärt: die Frauen mussten, in einem grosszügig angeordneten Oval verteilt, an einem kleinen Tischchen Platz nehmen und die Herren sich jeweils dazusetzen, um sich nach sieben Gesprächsminuten beim Einspielen von Musik zu erheben und zur nächsten Dame zu wechseln. Wir bekamen einen Zettel mit Fragen, die man einwerfen konnte, sollte das Gespräch ins Stottern geraten. Ich überflog die Fragen kurz und legte den Wisch nach ‹Warum hat es bei deiner letzten Beziehung nicht geklappt?› und ‹Was ist dein Lieblingstier?› beiseite. Dann ging es los. Ich setzte mich auf meinen IKEA-Filzsitzwürfel, wollte die Beine übereinander schlagen und kippte dabei um ein Haar samt Filzwürfel zur Seite um. Während ich noch am physikalischen Geheimnis dieses Sitzungeheuers rätselte, setzte sich auch schon mein erster Kandidat vor mich hin. Er sah aus, als hätte er einen Besen verschluckt. Er sass pfahlgerade auf seinem Filzklotz und notierte meinen Namen so, dass ich nicht auf das Geschriebene sehen konnte. Ich sagte hallo und meinen Namen und streckte ihm die Hand zur Begrüssung entgegen. Er schaute aus dem Fenster und bemerkte meine Hand erst, als ich sie schon zurückzog, also blickte er wieder hinaus. Ich folgte seinem Blick. Draussen war es stockdunkel. Ich wagte einen zweiten Anlauf: ‹… und wie heisst du?› Überrascht schaute er mich an, hielt mir zögernd seine Hand entgegen, ich wollte sie brav schütteln und erschrak ebenfalls – die Berührung war leicht, als hätte mich ein Fisch beim Schwimmen im See gestreift. Seine Finger waren eiskalt, feucht und schnellten sofort wieder weg. ‹Hh..ubert.› Ich nannte ihn für mich Casper, wie den niedlichen Geist aus dem Trickfilm, an den mich sein Händehauch erinnerte. Auch wenn Hubert in keinen Zusammenhang mit ‹niedlich› zu bringen war. Stille. Ich fragte mich, ob ich mein Speeddating-Experiment an dieser Stelle gleich wieder abbrechen und zur Türe hinausrennen sollte. Casper schaute immer noch stumm zum Fenster hinaus. Ich versuchte, mir eine einfache Frage für ihn auszudenken. Die Absurdität der Situation lenkte mich ab. Ich. Mit Hubert. Flirten. Das komische Frageblatt fiel mir ein, ich schielte kurz darauf und las die erste Standardfrage vor: ‹Hast du ein bestimmtes Hobby? Hubert?› − ‹Nein.› Na gut, nochmal: ‹Was arbeitest du?› − ‹Wie bitte?› − ‹Dein Job…› − mein Gott! − ‹Wie meinst du das jetzt?› − ‹Vergiss es einfach. Schon gut, Hubert.›

Kennen- und riechenlernen

Ich gab auf. ‹IT-Branche›, schob er, im Aufstehen begriffen, nach, denn endlich ertönte die Musik aus der Ecke, säuselte erst und dröhnte uns dann erlösenden Salsa-Pop in die Ohren und schon war Casper getürmt. Er stakte eilig auf die Blondine auf dem Filz-Unding nebenan zu und ich sah wie ihr Lächeln bei seinem Anblick auf ihrem hübschen 48

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Gesicht einfror. Sie war eben gerade noch in eine angeregte Diskussion mit einem eloquenten Latino verwickelt gewesen, aber Casper hatte sich bereits unanständig nah hinter ihm aufgestellt und starrte ein grosses Luftloch zwischen die beiden, so dass der Mann irritiert zu ihm aufsah und sich dann höflich aber umgehend von seiner Gesprächspartnerin verabschiedete. Gespannt wollte ich verfolgen, wie die Blondine mit dem unniedlichen Casper fertig werden würde, aber es hatte sich bereits ein zwei Meter grosser Spargeltarzan ins Bild geschoben und hielt mir die Hand auffordernd vor die Nase: ‹Hoi, ich bin der Thomas!!› – ‹Hoi Thomas.› Thomas war ein Fröhlicher und redete sehr gerne und vor allem sehr viel. Ich trug zu unserer Konversation drei Wörter bei, trotzdem schien er sich mir mit jeder Minute verbundener zu fühlen. Er kam immer näher. Auch Thomas war in der IT-Branche tätig. Ich versuchte Männerabschreckfragen zu stellen, ob er Kinder wolle und so, aber es nütze nichts. Er kam immer näher und sein Mundgeruch war so atemberaubend, dass ich schon wieder fast das Gleichgewicht auf dem Filzklotz verlor. In Ohmacht fallen, rausstürmen, Kapitulation, gewalttätige Abwehr, ich ging mental ein paar Optionen durch, um der Situation Herr zu werden − …glücklicherweise gingen auch diese sieben Minuten auf wundersame Weise vorbei.

Aufbaupräparate und Fallobst

Der nächste war sehr nett. Er hiess Dragan. Zur Sicherheit fragte ich ihn, ob er jobmässig etwas mit Computern am Hut hätte, aber das hatte er nicht. Ich entspannte mich ein bisschen auf dem Filzklotz. Dragan war Fitnesstrainer und 1,50 gross, aber mir dafür an Muskelmasse sicher um 300 Prozent überlegen. Weil er sympathiepunktetechnisch so mit seinen beiden Vorgängern kontrastierte, plagte ich ihn auch nicht mit Fragen nach seinen Hobbys oder Exfreundinnen. Ich hatte das bisher mit Abstand interessanteste Gespräch am Speeddating. Es ging um Muskelaufbaupräparate. Eine Pause wäre nicht schlecht gewesen, aber wahrscheinlich hatten die Organisatoren Angst, dass es dann zu Fluchtversuchen kommen würde. Mein vierter Kandidat hiess Chris, war ein ziemlich krasser Besserwisser und sprühte auch sonst nicht gerade vor Lieblichkeit. Da ich auf ihn eine ähnliche Wirkung zu haben schien, hatten wir bereits nach zwei Minuten grosse Lust, uns ganz unzivilisiert gegenseitig die Köpfe einzuschlagen. Wir liessen es natürlich bleiben. Er sagte, er hasse oberflächliche Tussis und ob ich eigentlich immer so übertrieben angezogen sei. Ich sagte, ich fände es okay so. Er meinte, okay sei anders und mein Parfüm rieche auch komisch. Ich ignorierte seine Bemerkung und fragte ihn stattdessen, was denn so seine Lieblingsfarbe und seine Hobbys seien. − ‹Pokern. Kannst du wenigstens pokern?› Ich entgegnete, ich kenne ausser UNO kein einziges Kartenspiel und forderte ihn dann versöhnlich auf, von einem weiteren Hobby zu erzählen: ‹Irgendeine Gemeinsamkeit finden wir wohl noch in sieben Minuten, komm schon…› − ‹Gut›, meinte er, ‹ich kann perfekt kochen. Du würdest mich auf der Stelle abküssen, wenn ich dir mein Entrecôte auftischen würde…› − ‹Hm›, meinte ich nur und dann: ‹Was würdest

du für eine Fallobstveganerin wie mich auf den Tisch zaubern?› Leider waren die sieben Minuten gerade noch rechtzeitig um, als dass er mich hätte verbal in den Boden stampfen können.

This is a fire door, never leave open

Dann kam ich unverhofft doch noch zu meiner Pause. Keiner setzte sich zu mir, obwohl ich noch gar nicht alle Kandidaten durch hatte. Ich überlegte mir, ob es sich wohl schon herumgesprochen hatte, dass ich ein Assi oder sonst ein Ekel sei, und machte mir irgendwie überhaupt nichts daraus. Meine Rolle begann mir langsam Spass zu machen. Die Veranstalterin missverstand die Szene und wollte mich sogleich trösten. Das sei bloss ein Missgeschick, Claus und Conny hätten geschummelt. ‹Claus, der Schlingel, der ist einfach bei der Conny sitzen geblieben!› Im Hintergrund wieherte Conny triumphierend und war ganz aus dem Häuschen über den von Claus und ihr verursachten Trubel. Ich revidierte meinen selbstkritischen Gedanken, ob ich an meinem eventuell zu eingeschränkten Beuteschema arbeiten sollte, sogleich wieder. Dann stand ich auf, unter dem Vorwand, bei der Gelegenheit schnell an die Bar was zu trinken holen zu gehen. Ich machte mich unauffällig, aber schnell wie ein Pfeil durch den Hinterausgang aus dem Staub. Mein Fazit zum Thema Speeddating: alle meine Vorurteile haben sich bestätigt. Es gibt erschreckend viele schüchterne, zurückgezogene und emotional blockierte Menschen, die auf dieser organisierten Schiene einen Partner suchen. Und ihn wohl auch häufig finden, was ich ihnen auch von Herzen gönne. Für Leute, die im Alltag eher Kontaktschwierigkeiten haben und gehemmt oder sogar verklemmt sind, ist diese Art von organisierter Partnervermittlung das wahre Schlaraffenland. Für alle anderen der nackte Alptraum. Text: Natalie Gyöngyösi Illustration: Raffinerie

Sieben Minuten Ewigkeit? Manche Dates sind selbst beim Speeddating zu lange.


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‹ zehn minuten mit› Zeitgenossen und Weltbürgern. Odysseas Constantine: ‹Es soll bleiben, wie es ist: klein und fein.› Das Arbeitstier mit der feinen Nase für Fashionnews: Mister Constantine.

kinki magazine: Odysseas Constantine – dein Name hört sich sehr aussergewöhnlich an. Was steckt dahinter?

Odysseas: Ich werde oft darauf angesprochen. Doch glaub mir: in Griechenland ist dieser Name so geläufig wie Hans-Peter Müller bei euch. Jede männliche Person in meiner Familie trägt diesen Namen, da er von meinem Urgrossvater stammt und an alle Cousins und Brüder vererbt wurde. Das ist eben die griechische Mentalität, Bräuche und Sitten werden schon in der Wiege weitergereicht. Würdest du von dir behaupten, du bist ein Fashion Addict?

Nein, ich bin ein ganz normaler Mensch, der nur gerne in der Fashionwelt lebt. Wie bist du zur Modewelt gekommen?

Messe sorgt für eine gewisse Atmos­ phäre. Ich versuche immer gezielt die Räume festzulegen. Zum Beispiel waren wir die letzten acht Messen in Soho, da diese aber nun im Umbau steckt, sind wir wieder in die ‹Music Rooms›, in denen wir schon früher mehrere­­Messen veranstaltet haben.

‹Natürlich ist es wichtig, sich zu amüsieren, aber Partys sollten nicht im Mittelpunkt stehen.› Was hältst du von organisierten Partys von Messeveranstaltern?

Ich habe damals als freischaffender Designer für verschiedene Labels gearbeitet, zum Beispiel für ­Kangoo und Gap. Irgendwann begann ich meine eigene Knitwear ­Kollektion zu entwerfen – die ich alleine und mit mässigem Erfolg an den Mann bringen konnte. Ich liess mich nicht abschrecken und ging ­einige Schritte weiter. So entstand auch die Idee zur Margin Messe.

Der Fokus in diesem Business sollte auf dem Verkauf liegen. Natürlich ist es wichtig, sich zu amüsieren, aber Partys sollten nicht im Mittel­punkt stehen. In den ersten fünf Jahren wurden überhaupt keine Par­tys ­veranstaltet. Heute aber gibt es immer wieder Aussteller, die ihre ­eigene Party veranstalten und dann gibt es eben ein bis zwei Partys.

Was steckt dahinter und wie bist du dazu gekommen?

Was wünscht du dir für Margin London?

Zum einen bin ich wegen meiner Dass Margin London so bleibt, wie ­eigenen Kollektion auf die Idee sie ist! ­gekom­men. Es ist oftmals schwer, Text: Christina Fix mit ‹nur› ­T-Shirt-Prints Erfolg zu Foto: Rahel Zoller ­haben. Deshalb habe ich acht weitere Labels ­gesucht und mit ihnen eine kleine Verkaufsmesse gestartet. Wie auch jetzt versuche ich von jedem Bereich etwas dabei zu haben. Man kann sich von Kopf bis Fuss aus­statten und das ist das Wichtigste für mich. Ein anderer ­Aspekt ist nicht nur die Art der Kleidungsstücke, sondern auch die Designs. Es soll kein kompletter Stil-Mix enter in London lebende Tau- nes kostbaren Basars für Einge­ stehen. Ausserdem lege ich viel sendsassa, Designer Wert darauf, dass Designer und Käuweihte in eine Fabriketage zu zauund Veranstalter Odysseas bern. Wie er dazu kam und was fer sowie auch Redakteure und Constantine ist ein die Margin so besonders macht, ver- Stylisten sich auf der Fläche wohlfüheingefleischter Fashionfanatiker. Vor riet er uns am Rande der Messe len, ihren Interessen nachgehen ­sieben Jahren hat er die Mode­und dabei neue Inspirationen samin seinen ruhigen zehn Minuten, als messe ‹Margin› mit acht Ausstellern unsere Autorin ­Christina Fix sich meln können. ­gegründet und versucht bis den bekennenden Workaholic zur Wie funktioniert die Margin? heute ihren ­intimen Reiz zu bewahBrust nahm. Ich arbeite das Jahr über alleine an ren. Dort präsentiert er geho­der Messe. Ich suche und stelle be­ne Streetwear und bietet Platz für die Designer zusammen und übernehneue ­Talente. Odysseas stellt me auch alle organisatorischen Jahr für Jahr das ganze Spektakel in Aufgaben. Gegen Beginn der Margin Eigenregie auf die ­Beine. Seine sind wir dann eine etwas grössere Aussteller sucht er eigenhändig aus. Grup­pe, die an dem Wohlergehen alDabei schafft er es bei jeder ler mithilft. Auch die Grösse der Trade Show erneut, den Charme ei-

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präsentieren:

14. bis 17. Mai 2009 Leipzig (D)

Messe & Festival für die unabhängige Musikszene Gefördert durch:

www.leipzig-popup.de kinki

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Living my Life to the Beat Mit der optimistischen of a Friday Night Namensgebung ‹Kingsize› wird die Richtung der Band schon mal gut skizziert. Ironisch gebrochen? Fehl­ anzeige, eher sendungsbewusste Kampf­ansage, denn die vier Jungs meinen es ernst.

A

nders geht es auch gar nicht mehr in London, dem fleissig rotierenden Fliessband der weltweit gefragten IndieMusik. Mit einer gefühlten Dichte von fünfzig Bands pro Quadratkilometer bleibt neuen Bands nur noch die Flucht nach vorn. Wer überhaupt noch mit dem Branding ‹Jung, Jungs, Vier, Gitarre, London› wahrgenommen werden will, der darf halt nicht tiefstapeln. Diesen cleveren Ansatz bemerkt man sofort beim Hören von Kingsize. Die erschienene Debütplatte ‹Love, Lust and Other Disasters› sprüht vor Leidenschaft und Energie. Die Rückspiegel ihrer Musik sind auf den Punk der 70er aus New York gestellt, besonders vier Buchstaben leuchten deutlich auf: CBGB. Sie stehen für den legendären Club in NYC, der jedem Punkmusiker ein Begriff ist. Denn was heutzutage an dieser Stelle durch eine Modeboutique tagtäglich entweiht wird, ist für viele immer noch der Geburtsort des Punkrocks. Sicherlich auch für Kingsize, die aber den Rhythmus ihrer Stücke gern auch mit Einflüssen aus Ska und Reggae spicken. Das Resultat produziert Tracks, die erst locker daherkommen, um dann im richtigen Moment zu zünden. Die Liedlänge ist dabei weniger kingsize, kaum ein Song schafft die Drei-Minuten-Grenze. Womit ein weiteres Gütesiegel für gute IndieTracks mit britischem Lad-Flair abgehakt wird. Das musikalische Kingsize-Bett lädt also zum hemmungslosen Tanz, statt zum Kuscheln ein. Dabei ist es gross genug für weitere illustre Einflüsse von ‹The Kinks›, ‹The Clash› bis hin zu aktuellen Bands wie ‹Kings of Leon› oder ‹Razorlight›. Produziert wurde das Album in der schmucken Achse Berlin − London, eine spannende Aufteilung, über die wir uns natürlich als erstes mit Sänger Mike McCartney unterhielten.

Wie fällt denn der persönliche Städtever­ gleich zwischen Berlin und London aus?

Schwierig zu beantworten, immerhin lebe ich ja schon lange in London… Doch Berlin liebe ich mittlerweile auch, es ist ein unglaublich künst­lerisch angetriebener Ort. Im Nachhinein war es toll, in der Stadt gewesen zu sein, um die Aufnahmen zu machen. Wie schon gesagt, es hat eine Menge an Kreativität für uns gebracht und wir freuen uns jedes Mal, wieder nach Berlin zu kommen.

‹Die Sachen sind zuerst in einer Art Gedichtform ent­ standen und dann bringen wir sie in eine Songstruktur.› London ist im Indie-Bereich einer der Hot Spots. Ist es als junge Band eher ein Handicap oder von Vorteil, wenn man von London aus startet?

Ich würde schon sagen, dass es schwerer ist als Band in London anzufangen. Es gibt so eine Masse an guten Bands, die alle eine eigene Fanszene haben. Als neue Band ist es deshalb hart, sich selbst ein grösseres Publikum auf­ zubauen. In einer anderen Stadt wäre es definitiv leichter. Doch London hat auch Vorteile zu bieten, einer ist der riesige kreative Input. Die lebendige Musikszene um dich herum spornt an und bringt dich als Band auch immer weiter.

entstanden und dann bringen wir sie in eine Songstruktur. Damit die Leute aber etwas mit den Texten anfangen können, versuchen wir die persönlichen Geschichten immer in eine allgemeinere Fassung zu bringen. Eure Musik wird als erstes immer mit Bands wie ‹The Libertines› oder ‹Razorlight› ver­glichen. Geschmeichelt oder genervt?

Also kommt drauf an wie oft am Tag… Aber eigentlich ist es kein Problem für uns, eher fühlen wir uns geehrt. Die beiden Bands finden wir sehr cool. Sie haben einerseits diesen ­Underground-Sound, andererseits ist die Musik aber auch guter Pop. Eine Mischung, die wir selbst gern hören und auch versuchen in unserer Musik zu transportieren. Wir hoffen aber, dass wir noch ein paar Platten machen werden und die Leute dann immer mehr merken, dass wir unseren eigenen Kingsize-Sound haben. Als Einfluss für unsere Stücke sind aktuelle Bands aber nicht so wichtig. Wir orientieren uns mehr an den Klassikern wie zum Beispiel ‹The Kinks› oder ‹The Clash›. Eurer Musik hört man aber auch eine starke Begeisterung für die Punkbewegung im New York der 70er-Jahre an, rund um den Club CBGB. Leider ist der Laden ja seit zwei Jahren zu. Wen hättest du dort gern einmal live gesehen? Okay, wenn ich in der Zeit zurückreisen könnte,

dann fällt mir die Auswahl der Konzerte nicht schwer. Es sind genau zwei ewig coole Namen für mich: ‹The Ramones› und ‹Blondie›. Beides wären perfekte Abende geworden…

Was steht als nächstes an? kinki magazine: Die Platte ‹Love, Lust and Other Disasters› habt ihr zu gleichen Teilen in London und in Berlin eingespielt. Inwiefern unterscheiden sich die Songs von­einander?

Mike McCartney: Also die Berlin-Songs sind experimenteller. Wir haben uns treiben lassen, viel neues Material ausprobiert, Lieder um­geschrieben und uns oft selbst überra­schen lassen, was dann am Ende herauskommt. In London haben wir eher unsere älteren Sachen eingespielt. Songs, die wir schon tausend­­mal live ausprobiert hatten und die für uns musikalisch schon fast komplett waren. Insgesamt passen die Songs aber sehr gut zueinander und bilden dann eben auch wieder eine klare Einheit. 52

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Ed East von ‹Chikinki› hat einen Teil des Debütalbums aufgenommen und produziert. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?

Seine Band ist ebenfalls bei unserem Label Weekender Records. Der Vorschlag kam dann auch von der Seite der Plattenfirma und wir sind total froh darüber. Ed ist in vielerlei Hinsicht ein grossartiger Typ. Als Musiker sowieso, aber auch als Freund. Es wäre cool, wenn wir in der Zukunft noch die eine oder andere Sache gemeinsam produzieren würden. Worum drehen sich die Lyrics bei euch?

Es sind eigentlich alles persönliche Erfahrungen, die wir in unseren Texten verarbeiten. Weniger abstrakt oder politisch, die meisten Sachen sind zuerst in einer Art Gedichtform

Wir sind ja gerade auf unserer ‹Love/Lust Tour› quer durch Europa. In der Zwischenzeit haben wir aber auch schon wieder jede Menge neues Material gesammelt, doch in ein Studio kommen wir bestimmt erst wieder am Ende des Jahres. Bis dahin lohnt sich aber auch ein Blick auf unsere MySpace-Seite, denn wir werden dort regelmässig ein paar neuere Sachen online stellen. Text & Interview: Mathias Bartsch Foto: Promo


Fast schon majestätisch anmutend schweben die vier britischen Hoffnungs­ träger von ‹Kingsize› im Indie-Himmel.

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‹Chantez à l’âne, il vous fera des pets…›

Ein neuer Stern flackert am MySpace-Himmel. Eine Sängerin und DIY-Fashionista liefert humorvolle, unterhaltsame Musik, die alles Nötige bietet, um den kalten Winter zu verabschieden. We are proud to introduce you: Miss Ebony Bones! Nach M.I.A. und Santogold stürmt mit Ebony Bones ein neuer Crossover-HipsterAct die Tanzflächen.

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chicksal und ohnmächtiges Glück führten mich an Halloween 2008 in die alten Pferdestallungen des ultimativen Londoner Klubs ‹@proud›, geradewegs vor die Bühne dieser freaky Glamour-Dame. Zwischen Zombies, Ghostbusters, englischen Krankenschwestern und Wonder Women mit viel zu weiten Ausschnitten und viel zu kurzen Röcken tanzte sich Ebony Bones als Surprise Guest die Seele aus dem Leib. Ihren Sound mixte sie aus den Zutaten Reggae, Soul, melodramatische Popelemente, viel Postpunk und Elektropop zu einem elektrisierenden Cocktail zusammen. Dabei entstand eine Explosion von Rhythmen, Energie und Dancemoves, die dank den Bandmitgliedern Jack Sparrow & Co. mit Trompete, Drums und Trillerpfeife in einem Urknall endete. Die Sängerin Ebony strahlte in einem karnevalesken Kleid à la ‹Roisin Murphy› und wurde von Backgroundsängerinnen – zwei neonfarbigen, puppenähnlichen Bongogirls – unterstützt, die mit weit aufgerissenen Augen eine einwandfreie Tanzperformance lieferten. Die Musik war mitreissend, 54

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die Gesangs-Qualität nicht perfekt, die Performance abartig toll. Die hinreissende Ebony sang, sprach oder schrie animierend rhythmusgeballte Songs wie ‹Don’t Fart On My Heart› oder ‹We Know All About You› und rüttelte damit jeden tanzwarm. So verwundert es nicht, dass diese British-Sensation alias Ebony Thomas in den angelsächsischen Gefilden bereits eine feste Grösse ist, die einmal mehr die London-Funkyness in die Welt trägt. Wer M.I.A. und ihre Freundin Santogold mag, wird Ebony Bones lieben. Nicht nur der Musikstil vereint die Ladies, sondern vor allem ihre ungehemmten, wilden Live Performances und der hippe English Way of Fashion Sense. Voller Adrenalin und Begeisterung verliess ich am selben Abend wehmütig Camden Town mit dem Ziel, mich so bald wie möglich mit dieser verrückten Musik für den eisigen Winter einzudecken. Zurück in der Schweiz stellte ich allerdings folgendes fest: Erstens wurde noch keine Platte von Ebony Bones veröffentlicht, die zahlreichen Klicks auf ihrem MySpace-Profil weisen aber darauf hin, dass wir es hier mit einem zeitgenössischen MySpace-Wunder zu tun haben. Zweitens war das wohl das letzte Mal, dass ich diese unglaubliche Show für nur 5 £ Eintrittspreis geniessen konnte, und drittens – was mich besonders gefreut hat – die Ebony Bones-Crew kostümiert sich nicht nur an Halloween, sondern zeigt sich immer ‹dressed up as hell›! Zwischen Frühjahr und Sommer erscheint nun endlich die erste Platte ‹Bone of my Bones› von Ebony Bones (Sunday Best). Höchste Zeit Ebony Thomas, die ihr Pseudonym ‹Ebony Bones› von ihrem Lieblings-Comic-Charakter, dem kriminellen und kettenrauchenden ‹Mister Bones›, abgekupfert hat, ein paar Fragen zu stellen. kinki magazine: Wie war die Arbeit am Album?

Ebony Bones: Ich habe gerade erst den Titel für das Album gefunden, es wird ‹Bone of my Bones› heissen. Letztens stiess ich auf den Satz aus der Genesis ‹Bone of my bones, flesh of my flesh; she shall be called Woman, because she was taken out of Man› und ich dachte

nur, mein Gott, das ist so cool, das passt perfekt! Ich bin wirklich aufgeregt, ich habe für mein Album alles selber geschrieben und produziert und ich bin immer noch im Studio. Ich habe ein grossartiges Team um mich herum, meine Liveband ist wie eine zweite Familie. Es war auch sehr schön zu erfahren, dass viele Leute meine Musik hörten, auch wenn sie sie nicht als CD besitzen konnten. Ich habe kürzlich meine erste Live-Show in Kanada und in den USA gespielt und beide Shows waren ausverkauft und das, obwohl niemand wirklich wusste, wer ich bin. Ich bin so überwältigt von dem ganzen Support, den ich von all diesen Leuten erhalte.

‹Mir wurde nie formell beigebracht, wie man Musik macht, aber ich hatte immer viele Ideen. Mein Wunsch war es, visuelle Musik zu machen.›

Wie hat dein Projekt ‹Ebony Bones› begonnen?

Ich habe eigentlich immer Musik geschrieben, ich wurde aber erst vor ein paar Jahren auch gut darin. Mir wurde nie formell beigebracht, wie man Musik macht, aber ich hatte immer sehr viele Ideen. Mein Wunsch war es, visuelle Musik zu machen. Ich habe also begonnen mit Instrumentals rumzuspielen und viel auszu-


probieren. Irgendwie wurde ich, ohne es zu bemerken, ganz gut darin. Ich habe es dann einer Freundin vorgespielt und sie sagte, ich solle es auf MySpace stellen. Ich wusste nicht mal, was MySpace ist… Ende 2005 eröffnete ich einen MySpace-Account, von da an hat sich das Projekt entwickelt und ist gewachsen.

ren alle gute Freunde von mir und ich dachte mir, dass wir zusammen eine gute TrupSie wa-

du, es kostet weniger als eine grosse Pizza. Ich mag die Idee, dass man nicht nur

‹Die Welt ist zu einem kleineren Ort geworden. In meiner Musik widerspiegle ich diesen Clash der Kulturen.› Wie würdest du deine Musik beschreiben?

Ich tendiere dazu, das gar nicht erst zu machen. Weisst du, es ist so ein Mischmasch und Meltingpot von unterschiedlichen Genres und Sounds, ich glaube Kunst ist generell nur eine Perspektive von dem, was ein Künstler täglich in seinem Umfeld hört und erlebt. Ob das nun ein Computerspiel oder eine Waschmaschine ist, der Künstler wird Kunst an­ fertigen, die danach tönt. Ich bin in London aufgewachsen, diese Stadt ist der Melting Pot von verschiedenen Ethnien. Da ich dort gross geworden bin, hörte ich alle möglichen Musikstile, du kannst die Strasse runterlaufen und Punk hören, um die Ecke hörst du Reggae, in einer weiteren Strasse hörst du noch was anderes… Weisst du, das ist nicht nur London, sondern das ist die kosmopolitische Gesellschaft, zu der die ganze Welt gehört. Vor allem durch das Internet sind wir offener gegenüber anderen Musikgenres geworden, weil es die Zugänglichkeit zu Musik enorm erhöht hat. Meine Musik bezieht sich auf diese Entwicklung, die auf der ganzen Welt vor sich geht, Musik aus anderen Ländern ist nur noch ein Klick von uns entfernt: die Welt ist zu einem kleineren Ort geworden. In meiner Musik widerspiegle ich diesen Clash der Kulturen. Was magst du besonders an London?

London ist wirklich ein einzigartiger Ort, es ist ein magischer Ort, du kannst so viele verschiedenen Leute aus unterschiedlichsten Kulturen treffen, sie kulminieren alle hier in diesem seltsamen Meltingpot. Ich denke vor London war schon immer eine Art Magnet für, ich weiss nicht, fürs Exzentrische, für die Seltsamen. There is no beauty without strangeness. Und London hat diese gesunde Mischung, um Schönheit zu kreieren. Wie hast du deine Bandmitglieder kennengelernt?

Ich habe diese Leute durch Zufall getroffen. Ich war wie Dorothy im Zauberer von Oz, der der Löwe und die Vogelscheuche über den Weg laufen. Ich habe diese Leute einfach auf der Strasse aufgegabelt. Und alle waren sie keine Professionellen, sie haben einfach ein bisschen Gitarre oder Schlagzeug gespielt. Sie wa-

Ebony Bones: ‹There is no beauty without strangeness.›

ren alle gute Freunde von mir und ich dachte mir, dass wir zusammen eine gute Truppe abgeben würden. Sie sind aber nur meine Liveband, ich schreibe und komponiere meine ganze Musik selber und spiele selber viele Instrumente; wenn ich aber auftrete, dann mit meiner Live-Band.

‹Meine Musik ist die Reflektion der Mode und umgekehrt.›

Du wirst oft für deinen Modestil gelobt, wie würdest du deinen Stil beschreiben?

Wie die wiederauferstandene Kleopatra auf der Suche nach einem Mc Donald’s. Ich bin nicht sehr modeorientiert, das meiste, was ich trage, mache ich selber. Und weisst

du, es kostet mich weniger als eine grosse ­Pizza. Ich mag die Idee, dass man nicht nur die Musik kreiert, sondern auch die Kleider, die Mode, die Visuals. Und ich denke, Mode und Musik passen sehr gut zueinander: meine ­Musik ist die Reflektion der Mode und umgekehrt. Wie zahlreiche YouTube-Filme beweisen, bieten Ebony Bones und ihre Liveband bei ihren Konzerten hochwertige Unterhaltung. Nur die Trefferquote der Töne leidet manchmal etwas unter ihren irrsinnigen Live-Shows, aber das ist Nebensache. Text und Interview: Florence Ritter Fotos: Sunday Best Weitere Info zu Musik und Leben von Miss Bones findet ihr in der un­ gekürzten Fassung dieses Interviews auf www.kinkimag.com

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‹album des monats› Von der Redaktion gekürt. Must Have Been Tokyo: Vice 2.

VICE: Der Titeltrack der EP ist ein klassischer Postpunk-Song geworden. Drei Ak­ korde, simple Bassline und eine Tonne Hall auf der Stimme. Zudem beachte man den warmen Synthie bei 1:43, so­ was kriegst du nicht mit Software hin. Das hat Martin auf seinem alten Juno schön zusammengebastelt, obwohl da langsam die Tasten abfallen. Zum Text braucht’s keine Erklärung. Ein Motiva­ tionssong für Kleinkriminelle.

3.

STREETKIDS: Dieser wurde schon für ein politi­ sches Engagement unsererseits ge­ halten. Was ja bei dem Titel zu erwar­ ten war. Die Story dreht sich aber um eine Bande Halbwüchsiger, die sich nachts aus dem Staub macht, um ein grosses Abenteuer zu erleben. Was dann zünftig misslingt. Man könnte hier vielleicht den Begriff ‹teilweise autobiographisch› verwenden, aber so genau wollen wir’s mal nicht neh­ men. Auch hier hat es übrigens wie­ der einen sehr netten Synthie, der ge­ doppelt mit einem Glockenspiel das Thema spielt.

4.

FELINE:

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a, wir geben es zu, wir haben geschummelt. Denn eigentlich ist ‹Vice› mit seinen fünf Songs ja viel mehr eine EP als ein Album und hätte somit in dieser Rubrik gar nichts zu suchen. Doch wo genau verläuft eigentlich die Grenze zwischen EP und Longplayer? Liegt es an der Anzahl der Songs? Oder ist die Spieldauer der ausschlaggebende Faktor hinter der Bezeichnung? Meistens liegt es wohl im eigenen Ermessen der jeweiligen Band, als was sie ihre Platte denn nun veröffentlichen wollen. So handelt es sich laut den fünf Bernern von MHBT bei ‹Vice› um ihr zweites ‹Mini-Album›, und mit dieser Umschreibung dürften sie den Nagel auch auf den Kopf getroffen haben, denn so kurz diese Platte auch sein mag, der Hörer wird auf ‹Vice› nichts vermissen! Und wie wir alle wissen, ist es ja die Qualität und nicht die Quantität, die zählt, und die findet sich auf ‹Vice› en masse. Innert weniger Monate schufen MHBT in Eigenregie ein klanglich und melodiös ­ausgewogenes, schwer­ mütiges Wave-Album, das musikalisch nichts zu wünschen übrig lässt. Im 56

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Proberaum wurde nächtelang mit alten Verstärkern und Mikrofonen herum­experimentiert und an Synthesizer-Klängen getüftelt, bis die fünf Songs bereit für die Hände des New Yorker Star-Produzenten Greg Calbi (‹Talking Heads›, David Bowie, ‹Interpol›) waren, der ‹Vice› den letzten Feinschliff verlieh und sich sehr angetan zeigte vom Sound der Schweizer Indie-Hof­fnung. Auch wenn die Songs auf ‹Vice› weitaus weniger tanzbar ausfielen wie noch auf dem Vorgän­ger, werden MHBT auch mit diesem Mini-Album das Publikum zum Schwitzen bringen. Denn nicht nur innerhalb der Schweiz haben sich die Wave-Rocker eine treue Fangemeinde aufgebaut, sondern auch im Ausland blicken die Herren bei ihren Auftritten in immer mehr mitsingende Gesichter. Wer sich selbst davon überzeugen will, der hat am 21. März in Sursee Gelegenheit dazu. Ausserdem sind MHBT im April zusammen mit der Luzerner Band ‹Dans la Tente› und dem DJ-Team Plusminus unterwegs auf der ‹On Horses-Tour› und stellen ihre Gäule sicherlich auch vor einen Club in

eurer Nähe. Als kleine Einstimmung dessen, was euch dort erwarten wird, war Songwriter und Mischer Raphael Elmiger so nett, uns einen kleinen Einblick in die Geschichte der Songs auf ‹Vice› zu gewähren.

1.

BLOOD IN THE WATER: Der hymnische Opener beschreibt ­­­ein Seefahrtsabenteuer. Nicht dass ich was von Seefahrt verstünde, aber ich fand die Stimmung des Songs passt irgendwie zu so was. Oder war es, weil ich in den Ferien Stevensons Kin­ derbuch ‹Treasure Island› gelesen hat­ te? Weiss nicht mehr. Jedenfalls will die Mannschaft ihren neurotischen Kapitän loswerden, der unter Deck an einer geheimen Maschine aus Hai­ fischhaut und Möwenflügeln bas­ telt. Man will dazu die Sirenen um Hilfe bitten, was natürlich eine ge­ fährliche Sache ist. Ich erwähne das, weil man die Sirenen in der letzten Hälfte des Songs dann tatsächlich singen hört. Da genügend Sirenen für einen ganzen Chor schwierig aufzu­ treiben waren, verrate ich hier unse­ ren Trick: Meine Freundin musste her­ halten und den Part etwa zwölfmal singen. Die einzelnen Tracks haben wir dann im Stereopanorama verteilt und mit einem schön grossen, glas­ klaren Hall versehen. Ich nenne das einen ‹Poor Man’s Choir› (und tue so, als hätte ich das erfunden). Tönt doch aber super.

Der hier ist ziemlich schwermütig he­ rausgekommen. Man sollte ihn bes­ ser nur spät nachts hören. Was wir hier an Reverb reingepackt haben, das hätte uns wohl kein zeitgenössi­ scher Studiomischer durchgehen las­ sen. Aber genau das hat’s gebraucht, damit sich diese Tiefe ergibt. Ich finde sowieso, dass heute viele Produktio­ nen zu trocken klingen. Zu Tode po­ liert. Natürlich geben wir zu, uns beim Abmischen hier schon sehr an alten Wave-Klassikern orientiert zu haben. Bei einem Review hat’s dann auch ge­ heissen, die Synthesizer seien gewöh­ nungsbedürftig. Ziel also erreicht.

5.

M45: Da ich Bedenken habe, dass viele der MP3-Generation spätestens nach 3 Minuten 30 zum nächsten Song sprin­ gen, möchte ich hier auf das Ende die­ ses langen Stückes hinweisen. Ge­ duldige Musikhörer werden hier mit einem wirklich schönen Ende belohnt (genau, wieder mit einem ‹Poor Man’s Choir›). Für ungeduldige Vorwärts­ spuler: bei 4:19 fängt’s an, das Ende. Alles in allem ein opulenter Song, wo wir alles verwendet haben, was uns im Kellerstudio zwischen die Finger kam. Zudem gilt hier noch die Glei­ chung Science = Fiction. Must Have Been Tokyo: Vice (alpine­ chic) erschien am 20.2. und wird von Irascible Distribution vertrieben. Text: Rainer Brenner Trackliste: Raphael Elmiger Foto: Promo


Roger Cicero stellt sein neues Album vor

Exklusives Showcase mit kleiner Big Band Formation am 22. April '09 im Kaufleuten Z端rich Tickets gewinnen: kaufleuten.ch

CDOUT 03.04.09


‹soundcheck› Nach diesen Scheiben wirst du süchtig. Reden ist Silber, Schweigen ist Gold, heisst es doch so schön. Florian Hennefarth, unser Soundchecker mit dem feinen Riecher für musikalisches Edelmetall, interpretiert das Sprichwort auf seine eigene Art und Weise und belohnt die interessantesten Silberlinge des Monats mit goldenen Worten. Shine on then!

Schluss mit dem SongwriterAusverkauf

Now, Now Every Children: Cars

‹MGMT› und ‹Vampire Weekend› machen es vor: Durchgek­nallter Indiepop reduziert auf das Minimum von gar nichts zieht besser denn je. Vorbei sind die Zeiten, in denen man sich seine Songs mit Synthieflächen, verschroben­en Gitarrensounds und vocodergesampleten Gesangs-Linien hat zumüllen lassen – es ist Songwriter-Ausver­ kauf und alles muss raus. ‹Now, Now Every Children› scheinen sich dies zu Herzen genommen zu haben und­­präsentieren mit ‹Cars› eine Scheibe, die im wahrsten Sinne 58

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des Wortes zu einem regelrechten Geisterfahrer auf der überfüllten ­Autobahn an viel zu gleichklingen­ den Veröffentlichungen werden könnte. ­Während immer mehr Bands ­immer weiter in den elektronischen ­­Wahnsinn abrutschen, ziehen ­ ‹Now, Now Every Children› die Handbremse und steuern ganz genau ­dahin, wo alles begonnen hat: Redu­ ziertes Songwriting mit diesem ­gewissen Schuss Wahnsinn. Mit ­ihrem treibenden Indierock, gepaart mit roh klingenden Schrammel-­ gitarren und dem etwas schizophren anmutenden Gesang von Frontdame Cacie, gelingt es dem Dreier aus Minneapolis, seine Tracks ­in den Vordergrund rutschen zu ­lassen und nicht ins Drumherum. ­Wären ‹MGMT› nicht so durchgeknallt und hätten ‹Vampire Weekend› etwas mehr Tinte auf dem Füller, ­hätten auch diese beiden Kombos gute Chancen, solch ernstzunehmenden und vor allem atmosphärischen ­Indierock der guten alten amerika­nischen Schule zu fabrizieren. ­Haben sie aber nicht und daher singen ­‹Now, Now Every Children› ­vielleicht schon bald ‹…I did it my way›…

Kratzer im Hochglanzlack der Eintönigkeit

The Milk & Honey Band: Dog Eared Moonlight

Derzeit regnet es talentierte Künstler regelrecht vom Himmel. Und manchmal schlagen sie auch ein wie tennisballgrosse Hagelkörner. Das soll nicht heis­sen, dass man bei dem Sound der ‹Milk & Honey Band› die Hände über dem Kopf zusammenschlagen muss, weil man sonst Gefahr läuft, vom Stil der Briten einen ekelhaften Kälteschauer zu erfahren. Vielmehr soll dies bedeuten, dass die ‹Milchhonigbuben› Dellen und Macken im sauber polierten Lack der Eintönigkeit hinterlassen – mit


Jedermannspop für Jeder­mann! ‹Dog Eared Moonlight› hat das Zeug, musikalische Freaks und die verwöhnte Masse gleichermassen anzusprechen. Beschrei­ben lässt sich der Sound dennoch schwer: ‹Fühl-Dich-Gut-Poprock› trifft es wohl am besten. Im Detail bedeutet dies herzflatternde Rhythmen, aufwühlender Stöhn-Gesang, der an sonnenverwöhnte Tage mit noch sonnenverwöhnteren Mädels erinnert und in musika­lische Nostalgie zu Acts wie ‹Crowded House› oder ‹Elliot Smith› verfallen lässt, gepaart mit luftigleichten Gitarrenspielereien, die man gekonnt mit verspielten Pianolinien untermalt und so etwas schafft, das wahrhaft vogelfrei von den Sorgen dieser Welt daherkommt. ‹Dog Eared Moonlight› verspricht eben nicht nur, sondern hält was auf der Verpackung steht: Ein milchig-süsses Vergnügen, von dem man, wenn man einmal probiert hat, immer mehr braucht und mit Sicherheit nie genug bekommt. Es gibt aber bestimmt auch für die Honigmilch-Sucht einschlägige Therapiegruppen. Bei dem Sound der ‹Milk & Honey Band› wäre ich mir da jedoch nicht so sicher.

Die Finanzkrise erreicht das Rockbusiness

dahin typischen Indies vom Leib – ‹Razorlight› wurden Superstars des Underground. Da ist es natürlich kaum verwunderlich, dass man beim dritten oder − wie viele Kritiker immer noch meinen − schwierigsten Album alle Augen auf die AngloSchweden richtet. Aber die Tränen treibt es einem Gott sei Dank nicht in die Augen: Vielmehr bewegen sich ‹Razorlight› stilsicher auf dem von ihnen polierten Parkett. Die erste Single des neuen Al­bums ‹Wire To Wire› ist eine gespenstische Klavierballade, die für ‹Razorlight› typisch arrogant-elegant daherkommt. Sicherlich laufen alle Bands beim dritten oder vierten Album Gefahr, sich zu wieder­holen, ‹Razorlight› umgehen mit ‹Slipway Fires› die Bärenfalle jedoch gekonnt und liefern, trotz der Ecken und Kanten und vielleicht fehlen­den Innovation im Vergleich zum grossen Vorgänger, ein solides Album, das einfach Spass macht. Da kann man sich nur wundern, dass die Plattenfirmen das Teil in Deutschland erst gar nicht veröffentlichen wollen: Die Finanzkrise ist auch im Rockbusiness angekommen!

Jason Mraz. Eher spartanisch und ruhig arrangiert kommt der Songwriter daher, und dennoch gelingt Katz etwas, dass ihn von seinen Mitstreitern abhebt und so den Hörer in sein ganz privates Paralleluniversum einlädt. Denn sehr folkig und anspruchsvoll finden Katz’ Songs eher gemach ihren Weg in die Seele des Hörers, doch sind sie dort erst einmal angekommen, versursachen sie eine Flut der Gefühle: Wohlig, geborgen und irgendwie gebettet fühlt man sich da bei jeder der 45:32 Minuten. Katz’ Scheibe betört, verführt, verlockt und zu jedem Zeitpunkt ist ‹More Nights› eine Platte fürs Herz… und das ist manchmal einfach genug, um ein Meisterwerk zu sein. Statt in einen Kessel mit Zaubertrank ist Florian Hennefarth aka Henne aka The Reviewnator als Kind in eine 3000-WattBox gefallen. Seitdem kann er ohne Musik nicht mehr leben und durchlauscht für uns alle relevanten Neuerscheinungen.

Ein Meisterwerk mit Happy End

Peter Katz & The Curious: More Nights

Mit den spartanischsten Worten, die hier je geschrieben wurden: ‹More Razorlight : Nights› ist wunder schö­ner Slipway Fires Akustikfolk aus Kanada zum Träumen, ‹Razorlight› machen es sich nicht Heulen, Lachen, Lernen, Schlummern, leicht: Schon mit ihrem Debütalbum Essen, Trauern, Küssen, Lieben ‹Up All Night› warfen sie sämtliche und für all die anderen Szenen, welche typisch insulanischen Indierock-Klidieses Leben noch so für uns bereit schees über Bord und betraten hält – ein Meisterwerk mit garantiertem neue Ufer des Machbaren. Manch Happy End! ein euphorisches Magazin bezeich- Aber da wir nicht so sind und unnete das darauffolgende Album ‹Ra- sere Leser nicht einfach so ihrem zorlight› sogar als das beste Rockal- Glück überlassen wollen, hier noch bum seit ‹Definitely Maybe› von ein paar Worte in eigener Sache: Oasis. Songs und Smashhits wie Peter Katz ist mit Sicherheit nicht die das wahrlich grosse ‹America› nag- klampezockende Offenbarung ten nicht nur am Puls der Zeit, sie der neuen Singer und Songwritergebis-sen sich bis zum Knochen durch neration und auch ganz bestimmt und pellten jegliche Zwänge des bis nicht der nächste Jack Johnson oder kinki 59


Katze im Wolfspelz

Chan Marshall lebt wie kaum eine Andere das LoneWolf-Image des verletzlichen Singer / Songwriters. Stets ein wenig entrückt und leise nuschelnd, sitzt sie auf ihrem Hocker und blickt auf ihre Gitarre, als werde der Song, den sie spielt, gerade in diesem Moment komponiert. Ganz anders verhält sie sich bei Interviews, in denen sie offenherzig von den positiven und negativen Aspekten ihres Berufs berichtet.

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ie Blicke ins Publikum wirken scheu und unsicher, und auch wenn sich ­Marshall in ihren Interviews durchwegs offenherzig und gesprächig gibt, auf der Bühne wirkt sie wie eine verängstigte Katze, die sich am liebsten in ihr Versteck zurückziehen möchte, anstatt vor tausenden Fans ihr Herz auszuschütten. Irgendwie scheint man aus dieser Frau einfach nicht schlau zu werden, denn während sie auf Fotos lasziv mit der Kamera flirtet und in Interviews mit Modezeitschriften stilsicher als Popikone und Rockdiva auftritt, wirkt sie in ihren Songs oft zerbrechlich und zurückhaltend. Die leise tiefe Stimme, der reduzierte Sound, alles kommt einem so intim und vertraut vor, als habe diese Frau schon immer für uns gesungen. Vielleicht ist es gerade dieser Zwiespalt, der Cat Power zu einer der einflussreichsten Figuren der derzeitigen Musikwelt macht.

Hippie, Highschool, Hitparade

Aufgewachsen ist die Texanerin im Süden der Vereinigten Staaten als Kind von Hippie-Eltern. Aber trotz der musischen Familiengeschichte, wurde Chan von ihren Eltern keineswegs zu einer Musikerkarriere ermutigt. So zog es die junge Schulabgängerin auch schon bald ins Herz New Yorks, wo sie Musikerkollegen wie Tim Foljahn (‹Two Dollar Guitar›) und Steve Shelley von ihrem Talent zu überzeugen versuchte. So ging es nach den Aufnahmen zu ‹What Would The Community Think› ab 1996 für die Texanerin beruflich steil bergauf. In den kommenden zehn Jahren wuchs Chan Marshall zu einer festen Grösse zwischen Indie-, Fashion- und Pop-Kultur heran, doch privat hinterliess das ewige Leben auf Tour seine Spuren bei Chan. 2006 brach sie ihre Tournee zum Album ‹The Greatest› aufgrund ihrer Alkoholprobleme ab, um sie ein knappes halbes Jahr später, nach ihrer Rehabilitation, zu Ende zu bringen. Ihr künstlerisch grösster Wurf dürfte Marshall allerdings mit ihrem jüngsten Werk ‹Jukebox› gelungen sein: Zwar enthält die Platte nur zwei eigene Stücke der Sängerin, beinhaltet aber da60

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für einige der besten Coverversionen aller Zeiten! Klassiker wie ‹New York, New York› werden von Cat Power nicht neu eingesungen, sondern komplett anders interpretiert. Und auch modisch wagt Cat Power den Schritt von der Stilikone (die bereits ­Lagerfeld zum Ausspruch ‹J’adore Cat ­Power!› verleitete) zur Designerin und kreiert zusammen mit ihrer Stylistin Sarah Richardson eine Kollek­ tion für Levi’s. Sozusagen zwischen Tourleben und Schneiderei beantwortete uns Chan Marshall ­einige Fragen. kinki magazine: Du hast deine Karriere vor mehr als zehn Jahren begonnen und bist bei Teens genau so populär wie bei Menschen deiner eigenen Generation. Was ist dein Geheimnis?

Cat Power: Ich denke, je einfacher etwas ist, desto leichter wird es verstanden – das gilt auch für meine Musik. Meine Songs scheinen eine universelle Anziehungskraft aus­ zuüben, weil sie einfach und leicht verständ­lich sind. Meine Musik hat absolut nichts Konzept­ionelles – sie ist emotional, menschlich, minimalistisch und deshalb für jeden unmittelbar zugänglich. Jeder kann sich in meinen Songs wiederfinden. Deswegen ist das Publikum bei meinen Gigs ganz unterschiedlich. Ich sehe dort Gleich­altrige, die auf dem College waren, als ich anfing Musik zu machen, und die heute mit ihren Kindern zu meinen Konzerten gehen. Was ist der wichtigste Einfluss deiner Musik?

Als ich aufwuchs, hörte ich die Platten aus der Musiksammlung meiner Eltern – natürlich die Stones und Led Zeppelin, aber auch Buddy Holly, Otis Redding und Billie Holiday. Meine musikalischen Inspirationen basieren vor allem auf meinen amerikanischen Wurzeln. Ich wurde geprägt vom Rock‘n’Roll und dessen Jazz- und Blues-Einflüssen. Hinzu kommen meine persönlichen Erlebnisse und die Erfahrungen, die ich aus der Zusammenarbeit mit anderen Künstlern ziehen konnte.

Du bist für deinen persönlichen Stil bekannt. Was sind dessen ‹Grundpfeiler›?

Kleidung definiert wer man ist, und ich bin jemand, der gerne beobachtet – eine Frau, die die Schönheit und Individualität der Menschen zu schätzen weiss. Ausserdem bin ich eine Zigeunerin, eine Nomadin, die an keiner bestimmten Ästhetik klebt. Jeans sind auf jeden Fall der Grundstock meiner Garde­ robe – sie sind auch die ideale Kleidung auf Tournee, weil sie so unverwüstlich und viel­seitig sind. Deswegen musste ich auch gar nicht lange überlegen, als mir die Kooperation von Levi’s angeboten wurde. Ich kann mich an keine Zeit in meinem Leben erinnern, in der ich keine Levi’s getragen hätte. Vor ein paar Jahren war ich sogar komplett verrückt nach einem ganz bestimmten Modell: Ich fand es so toll und hatte Angst, dass ich es irgendwann nicht mehr bekommen würde, also ging ich in einen Laden in der Mulberry Street in New York und kaufte neun Stück – alle, die sie auf Lager hatten!

‹Ich kann jetzt Konflikte und Ver­ strickungen in meinem Leben erkennen. Das konnte ich früher nicht.› Wie hast du dich seit dem Beginn deiner Karriere als Künstlerin und als Frau verändert?

Wenn ich mir mein Leben ansehe, erscheint es mir eigentlich genau wie bei allen anderen Menschen auch: ein Gefüge aus positiven und negativen Erfahrungen, geprägt von grossartigen Momenten, aber natürlich auch


Wobei ich, wenn ich Amerika sage, an ganz unterschiedliche Einflüsse denke – ich habe indianische, irische und jüdische Vorfahren. Natürlich verändert sich Amerika aber ständig. Jetzt gerade habe ich das Gefühl, dass wir die grosse Chance haben, Amerika zum Besten zu verändern.

‹Vielleicht werde ich aber auch sesshaft, gründe eine Familie oder mache einfach noch mehr Musik.›

Du bist offenbar im Laufe deiner Karriere nicht viele Kompromisse eingegangen – zahlt sich künstlerische Integrität aus?

Mehr als man sich überhaupt vorstellen kann. Am Ende des Tages muss man sich selbst im Spiegel ansehen können. Wenn man mit sich und dem, was man erreicht hat, zufrie­den ist, dann ist das unbezahlbar. Wie sehen deine Pläne für die unmittelbare Zukunft aus?

Ich habe jetzt tatsächlich etwas Zeit für mich selbst. Ich bin zehn Jahre am Stück getourt, mit Ausnahme eines Monats nach dem 11. September. Für eine Frau sind zehn Jahre eine lange Zeit – in den Jahren zwischen 26 und 36 wird man zu einer neuen Person, und jetzt muss ich mir wirklich überlegen, wie der nächste Schritt aussehen soll. Vielleicht werde ich Malerin oder Bildhauerin oder engagiere mich für humanitäre Projekte oder schreibe. Viel­leicht werde ich aber auch sesshaft, gründe eine Familie oder mache einfach noch mehr Musik… Text: Rainer Brenner Interview: Paola Brandi Foto: Katja Rahlwes Weitere Info unter www.catpowermusic.com

Enttäuschungen. Was ich heute im Gegen­s atz zu früher vielleicht habe, ist mehr Selbsterkenntnis und eine bessere Wahrnehmung der Welt um mich herum. Ich kann jetzt Konflikte und Verstrickungen in meinem Leben erkennen. Das konnte ich früher nicht. Was sich dagegen nicht verändert hat, ist meine Beziehung zur Musik – sie war immer ein enorm wichtiger Teil meines Lebens. Ich habe stets Verantwortung gegenüber meinem Publikum gefühlt und mir auf der Bühne alles abverlangt. Ich habe versucht, ehrlich und direkt zu sein und meinen Zuhörern Abend für Abend das Beste zu geben. Auch heute sind meine Auftritte immer noch ein sehr per­ sön­liches Erlebnis für mich.

‹Am Ende des Tages muss man sich selbst im Spiegel ansehen können.› Du bist Amerikanerin, bist aber viel im Ausland gereist – wie hat sich das auf dich und deine Inspirationen ausgewirkt?

Ich liebe es zu reisen und setze mich gerne mit der Musik der Orte auseinander, die ich besuche. Besonders interessieren mich die elementaren Rhythmen traditioneller Musik. Trotzdem bin ich Amerikanerin durch und durch. kinki

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‹playlist› Die besten DJs der Schweiz stellen ihre All Time Favourites vor.

05:02 The Fugees: The Score

Diesen Track (und das gleichnamige Album) habe ich mir vermutlich so oft angehört wie keinen anderen – super!

03:40

Adam Freeland: We want your Soul Immer wenn ich den Track höre, erinnere ich mich an die legendären Ocean Club Partys im UG. Habe dort ‹aus Versehen› Breaks entdeckt und von einem auf den anderen Tag meinen Soundstil geändert (trotz Damenbegleitungspflicht).

DJ Effbeats

06:40

Hans Zimmer: Idyll’s End (The Last Samurai Soundtrack) Das schönste Stück der Welt! Die Soundtracks von Hans Zimmer schaffen es bei mir immer wieder – dieser Track ist aber bisher mit Abstand ungeschlagen! …Übrigens auch ein toller Film!

09:15

Goodwill, Tommy Trash: It’s a Swede Thing Mal auf einem Essential Mix gehört, dann monatelang gesucht und einige Zeit später eher per Zufall auf Beatport gefunden. Spiele ich immer wieder – die ‹Töönli› in Kombination mit dem Bass gefallen mir einfach enorm! Ein Brett!

05:45

Cryptonites: Hands of God (Fingers of Moulinex Remix)

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J Effbeats begann 1993 mit 14 Jahren seine Lieblingstracks von der DRS 3 Hitparade auf­ zunehmen und mixte diese mit zwei Tapedecks an unregelmässig stattfindenden Partys zusammen. Ei­ nige Jahre später entdeckte er den lokalen Plattenladen in Basel und gleichzeitig die Leidenschaft für elektronische Musik. Nach diversen ‹Stil-Episoden› während den let­zten 15 Jahren fand er dank den ­Ocean Club Partys im ehemaligen ‹UG Club› Zürich seine Liebe zu Break­ beats – die trotz immer geringer­em Output in diesem Bereich nach wie vor ein fester Bestandteil seiner Sets sind. Durch den Schul­ terschluss mit DJ Rich Reaves ist DJ Effbeats nun normalerweise im DJ Team ‹Effbeats & Reaves› unter­ wegs. Effbeats mag Kategorisierung von Musik eigentlich nicht – seine Sets zeichnen sich vor allem durch einen hohen Energiegehalt aus.

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Im Januar 2007 gründete er gemein­ sam mit den DJs Banga, Membrane und Rich Reaves das Partylabel ‹Are you electrified?›, das einmal im Monat erfolgreich den Superzero Club in Zürich auf den Kopf stellt und seit diesem Jahr auch regelmässig einen Abend der neu ins Leben gerufenen ‹NEON Reihe› im Hive hostet. www.myspace.com/djeffbeats

06:14

Plump DJs: Plumpy Chunks Meine allererste Plump DJs Scheibe – damals spielte ich eigentlich noch House und dieser Track war ein absoluter Exot in meinem Set. Hat mir enorm gefallen. Die Plumps ‹entdeckte› ich dann erst Jahre später so richtig.

07:21

Energy 52: Cafe Del Mar Schon etwas länger her. Diese Melodie verursacht bei mir nach wie vor Gänsehaut. Unterdessen kann man diese ja dank aktuellem Deadmau5 Remix auch wieder spielen (…isch aber halt scho nid s gliich…).

03:21

Aimee Mann: Wise Up (Magnolia Soundtrack) Ein Stück aus einer eindrücklichen Schlüsselszene meines absoluten Lieblingsfilms. Somit sehr prägend und zwingender Bestandteil einer AllTime-Favourites-Liste!

Mein erster ‹Promotrack›, welchen ich mir über Myspace ‹erschnorrt› habe (dann aber auch schön fleissig gespielt!). Weiss gar nicht mehr genau, wie ich auf die beiden Jungs aus Basel gestossen bin. Super Break mit toller Melodie! Das Original hat es ebenfalls in sich!

07:14

Chemical Brothers: Hey Boy, Hey Girl (Soulwax Remix) Auch gleich stellvertretend für das Original (damit es hier auch in die Kategorie Evergreens passt). Finde den Remix so toll, weil er dem Original sehr treu bleibt, einem aber trotzdem in gewohnter Soulwax Manier um die Ohren geschlagen wird.

04:32

Züri West: So wie denn i däm Summer Mein erstes Live-Konzert (Augusta Raurica / Open Air) und tatsächlich ein sehr geiler Sommer. Dieses Stück ist mir irgendwie sehr eingefahren (nebst ‹I schänke Dr mis Härz› – aber das wäre hier wohl zu kitschig). Gute-LauneStück! Text: Daniel Frischknecht Foto: Eduard Meltzer


Contrary to all trends and in face of all the apprehensions of established music prophets

n o D L GO S D R O REC intends to invest in a territory nobody seems to believe in anymore: Phonograms!

GR001

Count Gabba

The Lady’s Gone. The Song Remains. 27/03 28/03 09/04 11/04 23/04

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Lucerne - Schüür Fribourg - Elvis Et Moi Lucerne - Bar59 Wetzikon - Konter Biel-Bienne - Du Commerce

Release: 27/03/09

THE LADY'S GONE. THE SONG REMAINS.

COUNT GABBA

8.2.2009 13:58:08 Uhr

GR002

Lallaby

Fairy Lines

24/04 - Basel - Kuppel 09/05 - Aesch - Phoenix 15/05 - Berne - Ono Release: 17/04/09

GR003

P For Pepsine Plans To Leave For Good Release: 22/05/09

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IRASCIBLE D I S T R I B U T I O N

www.goldon.ch since 2009


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Photo, set design and fake paper clothes Krzysztof Wyzynski www.wyzynski.com Styling and all clothes design Anna Pochopien www.annapochopien.com Hair Anna Szeligowska Make up Lola Models Anna Maria at PureModels www.puremodels.pl Justyna at Mango www.mangomodels.pl

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‹ vertreter › Über die wichtigsten Schuhe von 1900 bis heute. Name: Bikerboots Geburtsjahr: ca. 1850 Typ: Stiefel Hersteller: diverse

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ie auch schon die Cowboys vor 200 Jahren auf ihren Pferden durch die Prärie des Westens gezogen sind, so streifen auch heute noch harte Boys auf zweirädrigen Untersätzen über die asphaltierten Strassen. Dabei war und ist es wichtig, nicht nur sein Sitzfleisch auf einer weichen und bequemen Unterlage verweilen zu lassen – auch die miefenden Füsse wollen gut geschützt sein. Das richtige Schuhwerk spielt hierbei eine entscheidende Rolle. Mit der Industrialisierung ab Mitte des 19. Jahrhunderts wurde das Cowboy-Schuhwerk umfunk­ tioniert und eine fabriktaugliche Form des Stiefels entstand. Diese

weiterentwickelte Form mit einem Lederriemen, der Ferse und Fussbeuge verstärkte, war zunächst als Arbeiter­schuh gedacht und kam erst Mitte des 20. Jahrhunderts durch seine Popularität in Motorradkreisen zu seinem heutigen Namen – Biker Boots. Interessanterweise wird momentan die jahrhundertealte Männerdomäne gebrochen und von lifestyligen It-Girls landauf und -ab erobert. Denn die derben Lederstiefel sind auf einmal auf den Laufstegen der Welt präsent. Ein Schuh so rustikal und männ­lich wie kaum ein anderer macht den High Heels echte Konkurrenz!

Die jahr­ hundertealte Männer­­do­ mäne wird gebro­chen und von life­ styli­gen It-Girls land­auf und -ab erobert. Stars wie Heidi Klum, Anne Hathaway, Kate Winslet, Lindsay ­Lohan und Konsorten tauschen ihre Hoch-Hacker gegen wesentlich bequemeres und vor allem wär­meres Schuhwerk. Biker Boots und Schnürstiefel sind voll im Trend. ­Szene-Berühmtheiten wie Kate Moss, Pink oder Bob Geldofs Töchter zeigen sich bei jeder erdenk­lichen Gelegenheit gerne im RockerLook. Besonders frech und sexy wirkt dabei eine gewagte und äusserst kontrastreiche Kombination: schwarze Boots und Super-Mini. Text: Christina Fix Illustration: Raffinerie

Zarte Damenfüsschen in klotzigem Schuhwerk? Biker Boots verhelfen auch den Schnitten am Holly­ wood Boulevard zu einer Prise Lost Highway!

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www.artstuebli.ch

Grafikdesign | Illustration | Urban Art | 3D-Installation kinki

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Un printemps ­étrangement beau

‹Gatsby›, ‹Honey Pie› und ‹Blushing Bride› sind nur ­einige der wohlklingenden ­Namen von Kleidungsstücken aus der Frühlings­ kollektion von Family Affairs. Sie versprühen Sorg­ losigkeit und Lebenslust und versprechen eine traumhafte Sommerzeit.

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er bisherige Lebensweg von Nina Egli hört sich an wie ein Märchen. Nach ­ihrem Gymnasialabschluss flog Nina aus der verschlafenen Schweiz in die Fashionmetropole New York, wo sie am College Tanz, Film und Literatur studierte. ‹Damals hatte ich noch nichts mit Mode zu tun. Also privat schon, ich mochte Mode schon immer. Da meine Mutter Modedesignerin war, war das bei uns immer ein grosses Thema, aber ich wollte es nie zum Beruf machen.› Auch mit dem Gedanken, Schmuck zu designen, spielte sie damals noch nicht. Erst als sie zum zweiten Mal nach New York zog, um eine Schauspielschule zu besuchen, gelangte sie ganz natürlich und wie von alleine auf diesen kreativen schöpferischen Weg. Als Nebenprojekt begann sie mit einem Freund Schmuck zu produzieren. Weil die schmucken Kunstschätze, die sie ­kreierte, überwältigenden Anklang fanden, entschied sich Nina bald, die Schauspielkarriere auf der Bühne ruhen zu lassen und sich mit ihrem Label Toujours Toi in die Welt der Schmuckdesigner zu wagen.

Bijou de mode

Tatsächlich schien das Schmuckdesignen Nina geradezu im Blut zu liegen: die Kollektionen von Toujours Toi sind filigran und setzen gleichzeitig Akzente, sie sind verspielt, animalisch, locken in tausendundeine Märchenwelt und sind ihrer Zeit immer einen Schritt voraus. Nina erzählt, dass sie schon immer im Kleiderschrank ihrer Mutter Kaya auf der Jagd nach ungewöhnlichen, vergessenen Modeschätzen war: ‹Dort gab es so super ­Modelle aus den 60er- und 70er-Jahren, die meine Schwester und ich oft getragen haben. Alle wollten immer wissen, woher wir die tollen Kleider hatten.› Später erweiterte Nina ihr Jagdrevier und streifte mit wachsamem Auge durch die Brokis und Vintageshops dieser Welt, um sich einzigartige Stücke für ihren gut belegten Kleiderschrank zu sichern. Die Kernidee des Modeprojekts ‹Family Affairs› mag sich schon zu dieser Zeit in Ninas Hinterkopf festgesetzt haben: ‹Ich finde es irgendwie schade, dass so super Schnitte irgendwo verstaut in Vergessenheit geraten.› 2008 schien für Nina der richtige Zeitpunkt gekommen, ihr Toujours-ToiUniversum zu erweitern und ihren Mädchentraum Gestalt annehmen zu lassen. Zusammen mit ihrer Mutter begab sie sich mit Family Affairs auf den Laufsteg des Modebusiness. 74

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‹Da meine Mutter Mode­ designerin war, war das bei uns immer ein grosses Thema, aber ich wollte es nie zum Beruf machen.›


Tout en famille

Wie es der Name erahnen lässt, entwickelte sich Family Affairs aus der Schmucklinie Toujours Toi, Ninas Familie und Freundeskreis. Den Kern des Projekts stellen Nina und ihre Mutter Kaya dar, die Arbeit ist klar aufgeteilt: ‹Meine Mutter macht die Schnitte, das ganze Technische, das sehr anspruchsvoll ist und ewig dauert. Farbe, Formen und Ideen bringe ich selber ein, da lasse ich mir auch nicht so gerne reinreden.› Das Modedesign stellt für Nina eine neue Erfahrung dar, für ihre Mutter, die in den 60er-Jahren unter dem Namen Kaya Kayana erfolgreich als Modedesignerin arbeitete, ist es ein Comeback: ‹Meine Mutter hat eine 30-jährige Pause gemacht, seit ich auf der

‹Ich fand schon immer, dass der Frühling total fröhlich, frisch und leicht sein sollte.› Latzhose aus der aktuellen Frühlingskollektion.

Welt bin sozusagen. Nun arbeitet sie im Rahmen von Family Affairs wieder als Designerin.› Bei ­jeder Kollektion wird eine zusätzliche Person herbei­ gezogen, die ihre Ideen und Fähigkeiten mit einbringt. Wie eine kleine Familie eben. Bei der Frühlingskollektion ’09 erreichte die Bezeichnung Family Affairs wohl ihren Höhepunkt, Gastdesi­ gnerin war nämlich Ninas Schwester und Textil­ designerin Julie. Pro Kollektion werden um die zehn Kleidungsstücke entworfen; sie sind klassisch und durch Liebe zum Detail aber immer etwas ganz Besonderes. Auch tragen die Kleider Ninas persönliches Flair für feminine Schnitte mit Schuljungencharme zur Schau. Das Label Family Affairs will sehr unter­ schiedliche Leute ansprechen: ‹Besonders wichtig ist für mich, dass man die Stücke gut kombinieren kann, dass sie bequem und brauchbar sind und nicht schon nach einer Saison wieder aussortiert werden müssen.› Mit viel Herzblut kreiert sie die Kleidungsstücke, die sie selber nirgends auffinden konnte, und die bestimmt auch in manch anderer stilvollen Garderobe noch gefehlt haben.

La Vie Etrange

Mamas Kleider sind die besten! Formen und Farben der kommenden Herbstlinie sind inspiriert vom Flair der grossen Diven der 60er- und 70er Jahre.

In einem Brockenhaus in Zürich fand Nina beim Stöbern ein altes französisches Biologiebuch von 1953 mit Fotos von Meerestieren und Unterwasserszenen. Die verrückten Farben und Formen inspirierten sie derart, dass sie die Frühlingskollek­ tion ’09 danach benannte: La Vie Etrange. Eigens für diese Kollektion mit den Unterwasserformen entwarf ihre Schwester Julie zwei verschiedene Prints. Die zweite Idee hinter dem Konzept war, dass die Kollektion als Ganzes den idealen Koffer­ inhalt für eine Sommerreise anbieten sollte: ‹Man hat für alles ein Outfit: zum Schlafen, zum Partymachen, zum Rumhängen.› Ein Beispiel, das diese Mentalität widerspiegelt, ist das Kleid ‹Deep Water›: ‹Es sieht aus wie ein Ballkleid, ist aber aus Baumwolle, deshalb ist es so bequem, dass man es den ganzen Tag tragen könnte. Am Abend lässt es sich dann chic mit hohen Schuhen kombinieren.› Die Kollektion schimmert in Grautönen und Korallenfarben auf leichten Stoffen wie Seide und Leinen. Tatsächlich scheint die Frühlingskollektion von Family Affairs einen an der Hand zu nehmen und in das Frühjahr zu begleiten. Dank der positiven Farben entspricht sie auch der Trendprognose, die Nina für den kommenden Frühling und Sommer wagt: ‹Ich fand schon immer, dass der Frühling total fröhlich, frisch und leicht sein sollte. Nach der Wirtschaftskrise denke ich erst recht, dass die Leute genug von Krisengesprächen und Schwarzmalerei haben. Sie sehnen sich nach Sommerfeeling, wollen an den Strand gehen und farbige, schöne Sachen tragen, die sie glücklich machen.› Na dann brauchen wir ja nur noch ‹La Vie Etrange› in unseren Koffer zu packen und zu warten, bis die ersten Blüten spriessen. Die Kollektionen von Family Affairs sind online erhältlich auf: www.toujours-toi-family-affairs.com www.styleserver.de in der Schweiz bei Kitchener in Bern und bei Dings in Zürich.

Viva la Familia! Gastdesignerin der aktuellen Kollektion war Ninas Schwester, Julie.

Text: Florence Ritter Fotos: Philipp Mueller

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‹vive la fragrance › Wohlgerüche für Fortgeschrittene. Von Frauen und anderen Raubtieren

Das Label verpflichtet: ‹Signature› von Agent Provocateur sorgt für Schweissperlen auf den Nüstern der Herren.

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eulich war ich in St. Moritz an der fast schon magischen Art On Ice-Gala und hatte dort die Gelegenheit – natürlich immer mit einer randvollen Champagner-Flûte in der Hand – Feldforschung ‹comme il faut› zu betreiben. Denn inmitten der Schönen und Reichen konnte ich den Beweis antreten, dass Frauen ihrem männlichen Pendant hinsichtlich der Jagd nach lukullischen Erlebnissen in nichts nachstehen. Dabei spreche ich nicht nur von meiner Person – die After-Party im VIP-Zelt auf dem gefrorenen See erschien mir wie ein exquisites Dessertbuffet mit La Durée-Leckereien – sondern auch von den dort anwesenden, wunderbaren und allen voran selbstbewussten Damen. Obwohl sich die Männerwelt in dieser Angelegenheit nicht minder wacker geschlagen hat (so mancher, im TV seriös wirkende Schweizer Promi liess den einen oder anderen, eher plumpen Anmachspruch fallen), trug das so genannte schwache Geschlecht eindeutig den Sieg davon. Wie wir bereits gelernt haben, können brillant ausgesuchte Düfte zu lustvollen Nächten und dergleichen (ver)führen. So zum Beispiel ‹Signature› des britischen Lingerie-Experten Agent Provocateur (Eau de Parfum, 50ml um CHF 119.–), wobei der Name Programm ist. Die Seele dieses olfaktorischen Casanovas ist nun eine hypnotisierende Kombination aus indischem Safranöl, marokkanischen Rosen und Ylang Ylang, die mit Amber, Haitianischem Vetiver sowie hautaffinem Moschus verfeinert ist. Die Wechselwirkung mit der Haut ist zudem Tatsache, da dieses spektakuläre Parfüm auf Körperwärme reagiert und dadurch sexuelle Lockstoffe freisetzt. Und man(n), von solch einer duften Dosis einer Femme

Romantik ist nicht nur in Entenhausen gefragt: ‹Daisy› von Marc Jacobs verwandelt feminine Raubtiere in Schwäne.

Schmutzige Fantasien müssen nicht schmutzig riechen. ‹Clean› von Randi Shinder erfrischt auch nach den wildesten Liebesnächten.

Fatale gestreift, mit den Worten des in den 80ern famosen Nick Van Eede erwachen dürfte: ‹(Oh I), I just died in your arms tonight…› Apropos: Herr Van Eede war ebenfalls im bunten St. Moritzer Treiben anzutreffen. Item. Die raubtiergleiche, äusserst sinnliche Verführung der Männer ist nun aber nicht jederfrau Sache, weshalb Romantikerinnen dieses Bestreben auch etwas sanfter angehen können, wofür sich ‹Daisy› von Marc Jacobs (Eau de Toilette, 50ml um CHF 90.–) perfekt eignet. Frisch und feminin angelegt sowie von einem Hauch verspielter Unschuld umgeben, verzaubert dieses Parfum mittels Veilchen, wilden Erdbeeren und Gardenien, während sinnliche Noten wie Vanille und weisse Hölzer der Trägerin charmante Lässigkeit im Flower-Power-Stil verleihen. Sowie ein stilvolles Woodstock ‹entre deux› garantieren. Da auch die Rationalistin unter den Frauen immer mal wieder gerne ‹…und ewig lockt das Weib…› spielt, empfiehlt sich an dieser Stelle die grandiose Kreation ‹Clean› von Randi Shinder (Eau de Parfum, 50 ml um CHF 115.–). Dabei hatte die Gründerin des amerikanischen Kosmetikunternehmens LipFusion die Nase von in den USA vorherrschenden, überaus prägnanten Parfumvariationen gestrichen voll und entschloss sich einen Duft zu entwickeln, der so riechen sollte, als ob man frisch aus der Dusche käme. Was ihr mit ‹Clean› ziemlich konkret gelungen ist. Ein geruchliches Feeling nämlich, das sich – bestehend aus Ingredienzien wie Litsea CubebaÖl, Limonen, Lilien und Moschus – nach durchwachten, leidenschaftlichen Nächten besonders gut auf der Haut macht und vermutlich auch dafür sorgt, dass frau wieder umgehend in den Armen ihres vermeintlichen Opfers landet. Oder wie es die fantastische Annett Louisan so schön in ihrem Song ‹Das Spiel› ausdrückt ‹…Ich will doch nur spielen, ich tu doch nichts. Dass du nicht mehr schläfst, weil es dich erregt, wenn ich mich beweg’, wie ich mich beweg’. Dass du fast verbrennst unter meiner Hand, wenn ich dich berühr’, hab ich nicht geahnt…› Schon als kleines Kind bewies Irène Schäppi, unsere Kolumnistin und Duft-Fetschistin, einen guten Riecher. So zum Beispiel, als sie mit vier Jahren den elterlichen Schlafzimmerteppich mit dem damals angesagten Eau de Parfum (!) von Valentino tränkte. Illustration: Raffinerie

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ala icari

Sweater: Dolce & Gabbana Tights: Dior

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Tank top: Paul Smith, Trousers: Paul Smith Hat: H&M, Scarf: Replay

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Leather vest: Vintage Hoodie: Dsquared Jeans: Levi’s

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Photography: Julie Pike, www.juliepike.no Styling: Kjersti Andreassen Hair & Make Up: Agnes Marie Guldbrandsen Model: Christoffer/TFM

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Bang! Boom! Swoosh!

Der Nike Cortez dürfte eines der legendärsten Turnschuhmodelle aller Zeiten gewesen sein. Dieser Tage feiert der Klassiker sein grosses Comeback und wird dabei von einem quirligen Gebrüderpaar aus dem Hause Tokyoplastic unterstützt. Das Design-Kollektiv Tokyoplastic ehrt den Nike Cortez mit zwei ungleichen Toy-Brüdern.

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eit fast vierzig Jahren lässt er sich von den renommiertesten Läuferfüssen vollschwitzen und sorgt dafür, dass die Sportler weder auf der Rennbahn noch auf dem Siegerpodest den Boden unter den Füssen verlieren. Die Rede ist vom legendären Nike Cortez Laufschuh, dem Nike Sportswear dieser Tage ein Revival beschert. Mit neuen Materialien und um ein paar Gramm entschlackt präsentiert sich der Klassiker all jenen, die ihn nie vergessen haben, in neuer Frische. Um diese Wiedergeburt gebührend zu feiern, holte sich das Label mit dem Swoosh Unterstützung vom Londoner Künstlerkollektiv Tokyoplastic. Bekannt wurde dieses unter anderem durch seine preisgekrönten Kurzfilme und Animationen, aber auch durch kommerzielle 86

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Arbeiten wie einen Kurzfilm für AIWA, etliche Werbespots verschiedener Firmen und Stings für Nickelodeon und MTV. Mittelpunkt dieser Kurzfilme und Spots sind meist skurrile kleine Anime-Gestalten, irgendwo zwischen Manga-Figur und Monster, die stumm aber tatkräftig über den Bildschirm sausen. Zwei solche Gesellen entwarf Tokyoplastic nun auch für den Turnschuh-Riesen: Die Cortez Brothers sollen die Mischung aus Old School und Innovation verkörpern, die man mit dem Re-Release des Schuhs anstrebt. So trägt der kleinere der beiden grossköpfigen Brüder stilgerecht stets seine Retro-Earphones, während sein zeitgeistigeres Pendant als Mischung aus High-Tech-Gerät und Fussball daherkommt. Dass sie beide aussehen, als könnten sie unglaublich schnell rennen, muss wohl nicht zusätzlich erwähnt werden, denn nicht nur der gefeierte Turnschuh steht für hohes Tempo, sondern auch Tokyoplastic haben in ihren Spots stets einiges an Geschwindigkeit, Action und Humor vorgelegt. Natürlich bleibt auch hier die Frage offen, ob und warum ein Turnschuh bei seiner Wiedergeburt die Hilfe von animierten Männchen benötigt. Was früher im Arbeitsbereich von Sportgrössen wie Carl Lewis, Michael Jordan oder Tiger Woods lag,

scheint dieser Tage lieber von virtuell gezüchteten Repräsentanten präsentiert zu werden.

Nicht nur der ­gefeierte Turnschuh steht für hohes Tempo, sondern auch die Spots und Filmchen von ­Tokyoplastic. Ob es daran liegt, dass animierte Figuren dem Regisseur nicht mit Extrawünschen auf die Nerven gehen und immer genau das machen, was man wirklich will, oder ob es ganz einfach und ergreifend eine Frage des Geldes ist, warum dieser Job etwas unsportlicher gelöst wurde, als man es sich denken würde, werden wir wohl nie erfahren. Doch wer weiss, vielleicht wird Nike den beiden Cortez Brüdern durch ihren Auftritt ja noch zu mehr Ruhm und Ehre verhelfen als David Beckham und Co. Zu bewundern gibt’s die 30-sekündige artistische Leistung der sportlichen Datenbrüder jedenfalls auf www.nike.com. Ihr werdet sehen, die beiden sind so fit, wie ein Turnschuh nur sein kann! Text: Rainer Brenner Fotos: Nike Weitere Info unter www.nike.com und www.tokyoplastic.com


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Bild: Mark Niedermann


VON STUBEN­HOCKERN UND STRASSENKINDERN Obwohl es der Schweiz nicht an kreativen ­Talenten mangelt, erblicken nur wenige Vertreter der jungen Urban Art je das Halogenlicht hiesiger Galerien; ihre Arbeiten treten nur allzu selten die Reise vom Atelier zum Ausstel­ lungsraum an. kinki-Fotograf Dani Tischler be­ suchte vier vielversprechende Schweizer ­Graphic-Art-Künstler in ihren Werkstätten, wo sie sich derzeit auf ihren Auftritt an der dritten ARTig Ausstellung in Basel vorbereiten.

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Urs Althaus ‹Auslandreisen sind eine zwingende Erfahrung,­ die nicht nur Künstler ­machen sollten. Man lernt andere Strukturen und Werte kennen, die nicht nur den künstleri­ schen, sondern auch den persönlichen Hori­ zont erweitern.›

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Anna-Lina Balke ‹Ich möchte mich nicht auf dieses Länder- und Szene­denken beschrän­ ken. Woran man sich orientiert ist keine Frage von Land und Szene, sondern eine Frage der eigenen Einstellung. Kunst sollte Grenzen sprengen, genau dafür ist sie ja da!›

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ie Schweiz verfügt über eine Dichte an Vertretern der urbanen Kunst, die im internationalen Vergleich ihresgleichen sucht. Von Graffiti-Art über GraphicDesign bis hin zu verschiedenartigsten Illustrationsstilen bietet dieses Land ein breites Spektrum an Kunst, das allerdings leider nur allzu selten den Sprung aus den Wänden der jeweiligen Ateliers in die Öffentlichkeit schafft. Obwohl sie noch immer zu einem hohen Prozentsatz aus ländlichem Gebiet und gebirgiger Landschaft besteht, hat sich die Schweiz in ihren urbanen Gegenden weitgehend von ihrem Käseund Kuhimage befreien können. Zürich, Bern, Basel und Genf treten nicht nur politisch, sondern auch kulturell als Städte von Welt auf, und überzeugen als solche durch ein breites kulturelles Angebot. Und obwohl sich die Schweiz auch seitens der Kunst keinesfalls hinter den Alpen zu verstecken braucht, mangelt es noch immer an Galerien und Plattformen, die jungen Künstlern aus den Gefilden der urbanen Kunst den Weg in die breite Öffentlichkeit ermöglichen.

Über Umwege in die Schweiz

‹Modart Europe›, ein richtungweisendes internationales Kunst-Szenemagazin, bringt jedes Jahr einen europäischen Galerieführer der etablierten professionellen Jungkunst-Galerien heraus. Darin wird ersichtlich, dass die Schweiz mit etwa zwei Einträgen noch reichlich Steigerungspotential hat. In den Ländern rund um die Schweiz gibt es unzählige gute Adressen, welche sich dieser jungen Kunst stärker widmen. Auffallend ist dabei, dass Nachbarländer wie Deutschland uns eine gute Nasenlänge voraus sind. So entscheiden sich denn auch viele junge Künstler, den Weg ins Ausland einzuschlagen. Gründe dafür gibt es gleich mehrere: Einerseits verfügen viele andere Länder, wie bereits erwähnt, über eine weitaus besser verlinkte Underground-Szene sowie über ein weitaus grösseres Publikum. Das grösste Problem dürfte jedoch ein für jegliche junge Schweizer Kulturform gültiges sein: Wer auch immer sich in der Schweiz behaupten möchte, der muss – ähnlich wie in mittelalterlichen Ritterromanen – sein Können erst in der Ferne beweisen, damit ihm die Schweizer Kulturlandschaft Beachtung schenkt. Sei es in der Musikbranche, der Mode oder eben in jüngeren Formen der gestalterischen Kunst – wer zu Hause bleibt, schafft’s wohl nirgendwo sonst, lautet die Devise. ‹Irgendwie scheint es, als ob dadurch das Inter­ esse der Leute so richtig geweckt würde. Man wird als spannender empfunden, wenn man sich bereits im Ausland bewiesen hat›, bemerkt auch Lina Müller. Die Luzerner Künstlerin hat sich in den letzten Jahren mit ihren Illustrations- und GraphicArt-Arbeiten in der Schweiz zwar einen Namen gemacht, aber ‹trotzdem braucht es viele Kontakte, um an guten Orten ausstellen zu dürfen. Niemand kommt von selber auf dich zu, man muss ziemlich draufgängerisch sein, um sich durchzusetzen.› Viel Selbstsicherheit und Durchsetzungsvermögen brauchen junge Talente hierzulande, um die ihnen zustehende Geltung zu erlangen. Doch gerade darin sieht der Künstler Rodja Galli auch das eigentliche Wesen der Urban Art repräsen-

tiert: ‹Förderung und Urban Art widersprechen sich ja irgendwie auch, oder?› überlegt Galli. ‹Es wird bei dieser Kunstform oft gefragt, ob sie überhaupt galerietauglich ist, denn ursprünglich hat die Urban Art ihre Wurzeln auf der Strasse, wo sich der Künstler selbst behaupten muss. Viele urbane KünstlerInnen arbeiten heute aber vorwiegend im Atelier. Das Positive daran ist, dass dieses Genre dafür nicht so «stipendienlastig» und somit auch etwas freier ist als zum Beispiel die Fine Arts.› So finanzieren viele junge Graphic Artists sich ihren Lebensunterhalt mit ‹Moneyjobs›. Sie entwerfen Logos, illustrieren Magazine oder kollaborieren mit Streetwear-Labels. ‹Auf der Website zeige ich allerdings nur die Sachen, hinter denen ich voll und ganz stehe›, meint Rodja, und bezieht sich dabei auch auf seine Arbeiten in Kollaboration mit dem Kleiderhersteller Carhartt. Auch Urs Althaus, der unter dem Pseudonym Hausgrafik kann nicht immer zwischen persönlichen Arbeiten und Aufträgen unterscheiden, denn ‹etwas Persönliches ist ja in alle meinen Arbeiten vertreten, mal mehr, mal weniger›. Doch die Frage, ob man aus beruflichen Gründen als Künstler in die Ferne schweifen muss, um das Glück zu finden, beantwortet er mit einem ganz klaren Ja: ‹Auslandreisen sind eine zwingende Erfahrung, die nicht nur Künstler machen sollten. Man lernt andere Strukturen und Werte kennen, die nicht nur den künstlerischen, sondern auch den persönlichen Horizont erweitern.› Damit dürfte Urs den Nagel wohl auf den Kopf getroffen haben.

Raus aus dem Stübli, rein in die Galerie!

Dass urbane Kunstformen sehr wohl etwas in Ausstellungsräumen verloren haben, darüber sind sich allerdings immer mehr Künstler und auch viele Kuratoren und Galeristen mittlerweile einig. Der Galerist Beat Schöneck zum Beispiel hat in seiner Tätigkeit als Partner und Kunstberater der ARTig durchwegs positive Erfahrungen mit den Arbeitsweisen und der Resonanz des Publikums gemacht: ‹Gerade die ungezwungene Art dieser jungen Künstler hat mich von Anfang an begeistert. Die Entdeckungen sind oft Newcomer ohne Erfolgsdruck. Da lässt sich frei arbeiten und es entstehen geniale Werke›, meint der Leiter der Galerie Schöneck in Riehen begeistert. Dennoch lassen sich nur wenige Galeristen auf die zukunftsweisende urbane Kunst und ihre hiesigen Vertreter ein, setzen stattdessen viel lieber auf internationales City-Flair oder altbekannte Kunstformen. ‹Es setzt natürlich voraus, dass man sich auf Experimente einlässt›, beschreibt Schöneck den Umgang mit jungen Talenten wie zum Beispiel Anna-Lina Balke, die dieses Jahr zusammen mit ihrer Kollegin M8 an der ARTig vertreten sein wird. ‹Solche Projekte sind mir wichtig, weil ich so konkret auf etwas hinarbeiten kann. Die Veranstalter haben mir dabei sehr viel Vertrauen entgegengebracht, wir schickten nur ein paar Skizzen und Ideen, bei der eigentlichen Ausführung des Konzepts haben wir freie Hand›, erklärt die Künstlerin. ‹Viele junge Schweizer Künstler kreieren und basteln in ihren eigenen «Stübliwänden» Arbeiten, die es verdient haben, im Licht einer Ausstellung als Eigenkreation präsentiert zu werden. Artstübli

nutzt zu diesem Zwecke das seit 2004 eigens aufgebaute Schweizer Künstler-Netzwerk und wird durch die Internetkommunikation untereinander meistens mit immer neuen Talenten verknüpft. Jene Jungkünstler gilt es dann zu ermutigen, dass die Zeit reif ist, um an die Öffentlichkeit zu treten›, beschreibt Artstübli-Gründer Philipp Brogli die Mission hinter seinem Künstler-Netzwerk. Die Plattform, welche sich mittlerweile auch als UrbanArt-Ausstellung etabliert hat, zählt dabei für den Künstler oft als Sprungbrett zu weiteren Galerieausstellungen.

‹Back to the roots› oder ‹forward to the gallery›?

Die ‹ARTig› feierte 2006 im Unternehmen ‹Mitte› in Basel ihr Debüt. Eine Plattform für junge Schweizer Grafik- und Illustrationskünstler zu schaffen war und ist das ehrgeizige Ziel des Veranstalters Artstübli. ‹Quellfrisch, ungleich kreativ und frech› sollen die Werke sein. Dass das Potenzial in unserem Lande vorhanden ist, haben die Künstler unterdessen zu genüge unter Beweis gestellt. Dieses Jahr findet bereits die vierte Ausgabe der ‹ARTig› in Basel statt. Ein Indiz dafür, dass auf diesem Wege die angestrebte Förderung und Verknüpfung der Szene Erfolg hat. Auch dieses Jahr lockt die ‹ARTig› mit vielen spektakulären Werken von insgesamt 16 eingeladenen Künstlerinnen und Künstlern. Die Artstübli Artgenossen wünschen den Besuchern vom 27. (Vernissage, ab 18 Uhr) bis 29. März in der Imprimerie Basel interessante Entdeckungen und Begegnungen, unter anderem mit den Werken der auf diesen Seiten porträtierten Künstler Anna-Lina Balke, Lina Müller, Rodja Galli und Urs Althaus, die in Sachen ‹ARTig› bereits zu den alten Hasen gehören. ‹Ich möchte mich nicht auf dieses Länder- und Szenedenken beschränken. Woran man sich orientiert ist keine Frage von Land und Szene, sondern eine Frage der eigenen Einstellung›, meint Anna-Lina auf die Frage der künstlerischen Unterstützung und Vernetzung im eigenen Land. Ob die Talente der urbanen Kunst sich den Wurzeln dieses Genres entsprechend auf eigene Faust durchsetzen sollten oder ob es der Mittel und Wege bedarf, die Künstler aus ihren Ateliers zu locken, um ihre Werke einem breiteren Publikum zu präsentieren, wird also weiterhin eine Frage sein, die sich gerade bei urbanen Kunstformen nicht eindeutig beantworten lässt, weil dies eine Frage der Einstellung bleibt. Künstlerische Vernetzung à la Artstübli dürfte allerdings in jedem Fall ein Schritt in die richtige Richtung sein. Text: Philipp Brogli und Rainer Brenner Fotos: Daniel Tischler Weitere Info zur ARTig Basel auf www.artstuebli.ch. Einen Eindruck vom künstlerischen Schaffen von Lina Müller, Urs Althaus, Rodja Galli und Anna-Lina Balke könnt ihr euch auf www.kinkimag.com machen.

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Lina Müller ‹Niemand kommt von selbst auf dich zu, man muss ziemlich draufgängerisch sein, um sich als Künstler durchzusetzen.›

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Rodja Galli ‹Es läuft einiges! Zwar hat sich urbane Kunst in den elitären Kreisen noch nicht so etab­ liert, aber die Künstler zeigen viel Eigeninitiative.›

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Schicht + Schicht + Schicht = Kunst

Litfasssäulen sind wach­sende Zeitspeicher, die über Jahre Plakate konservieren und da­mit zu einer Art Datenträger werden. Das bunte Plakat­ma­terial kann aber auch zu einer Grundlage für künst­­ lerische Arbeiten in Form von Bildern und Objekten sein.

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uf diese ungewöhnliche Idee kam der Künstler Erik Sturm, der sein Diplom im Studiengang Kommunikations-Design an der Merz Akademie in Stuttgart absolviert hat. Beim Spaziergang durch die Stras­ sen ist Werbung wie zum Beispiel für neue Kinofilme, Reisen, Veranstaltungen, Mode und andere Neuigkeiten permanent präsent. Aussenwerbung ist allgegenwärtig, sie reicht von Wandplakatierung und Luftbannern über Superposter bis hin zur Zapfsäulen-Leuchtreklame. Werbung prägt das Erscheinungsbild des öffentlichen Raums ganz enorm und integriert sich dadurch wie selbstverständlich in unser tägliches Leben. Was bei Datensätzen der elektronischen Medien wie Internet, Fernsehen, Radio und Telekommunikation digital übertragen wird und im gleichen Moment im Datenkosmos verpufft, kann bei der Medialität der Plakatwerbung unter bestimmten Voraussetzungen sichtbar zu einer dicken Schicht heranwachsen. Durch regelmässige Beklebung einer Werbefläche verbinden sich die einzelnen Plakate miteinander und ermöglichen dadurch eine Art organisches Wachstum des Werbeträgers. Durch seine Objekte und Bilder reflektiert Erik Sturm Plakatwerbung auf eine besondere Art: bei der künstlerischen Verarbeitung des Materials geht es ihm sowohl inhaltlich wie ästhetisch um die zeitübergreifende Schichtung. Der junge Künstler spielt dabei mit den Ikonen der Reklame und Medienindustrie, mit ihren Versprechen und Utopien, er reisst einzelne Inhalte aus dem Kontext, indem er für seine Objekte nur Ausschnitte oder Fragmente der Plakatschichten verwendet. Die Strasse agiert dabei als Medium, als Schnittstelle von Privatsphäre und Öffentlichkeit, die für jedermann zugänglich ist. Erik Sturms Objekte und Bilder sind eine Konfrontation mit der Werbung, er lenkt unsere Wahrnehmung auf Alltägliches, dem wir zwar begegnen, aber kaum Aufmerksamkeit schenken. Durch seine Arbeiten macht er bisher verborgene Informationen auf beeindruckende Art wieder zugänglich. Text: Christina Fix Fotos: Erik Sturm

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Die zahlreichen Schichten einer Plakatfläche ergeben im Lauf der Zeit einen Daten­ speicher mit hohem ästhe­ tischen Wert, wie die Arbeiten von Erik Sturm bezeugen.


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‹media› Vom Umschlag bis zum Abspann. Wer orientiert sich denn noch an den Empfehlungen der Oscar-Gesellschaft? Wir jedenfalls vertrauen lieber Valerios unbestechlichen Filmtipps und erweitern unsere Traumfabrik ausserdem um ein paar neue Bücher aus Rahels Bibliothek. Das würde sicherlich auch die ‹Writers Guild Of America› ­freuen!

BUCH Im Kopf

Wahrheit und Fiktion nicht nur in Lowboys Kopf, sondern auch in dem des Lesers bis zur Unkenntlichkeit vermischt wird. Gefundenes Fressen für alle Psychologiebegeisterten und Verschwörungstheoretiker. Erschienen bei Rowohlt, ca. CHF 30.− (gebunden)

Am Strand John Wray: Retter der Welt William Heller nennt sich selbst gerne Lowboy. Doch als solcher ist sein Leben alles andere als ein Kinderspiel, sondern viel eher geprägt von permanentem Stress und Paranoia. Seit Lowboy nämlich aus der Heilanstalt ausgebrochen ist, hat er nicht nur die New Yorker Polizei und einen Profiler am Hals, die ihn durch U-BahnSchachte der Stadt jagen, sondern soll nebenbei durch das Lösen von verzwickten Rätseln auch das Schicksal der Welt retten. Dem jungen Autor John Wray ist mit diesem Buch ein beeindruckender und packend geschriebener Roman gelungen. Ein wahnwitziges Psychogramm eines geistesgestörten Teenagers, der uns so weit in seine apokalyptische Welt hineinzieht, dass die Grenze zwischen 96

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Surfing› nur allzu deutlich. Der Surfsport blickt auf eine bald schon hundertjährige Tradition zurück und beeinflusste während dieser Zeit einiges mehr als nur die Länge unserer Badehosen: sei es der Musikstil der 60er und 70er oder der Lifestyle mehrerer Generationen. In seinem Bildband versucht Heimann die Geschichte und das Lebensgefühl dieses Sports im Zeitabschnitt zwischen 1920 und 1960 anhand von alten Postkarten, Bildern der damaligen Surfikonen und den Hotspots der Urväter dieses Sports aufzuzeigen und verschafft damit nicht nur den Surffanatikern, sondern auch passionierten Nostalgikern einen Blick in die Zeit vor der Brustrasur und Shortboards! Erscheint im April bei Taschen, CHF 9.–

Jim Heimann: Vintage Surfing Der Surfer: Stets braun gebrannt schielt er mit sonnengebleichter Mähne und zusammengekniffenen Augen aufs Meer, um danach ein lässiges ‹Hang loose, dude!› zwischen seinen salzigen Lippen hervorzusäuseln. Das dürfte so in etwa dem Bild des Beach Boys mit dem Styroporbrett entsprechen, wie wir es aus Baywatch kennen. Dass die Surfkultur jedoch aus viel mehr als nur ein paar V-förmigen Strandschönheiten und lässigen Sprüchen besteht, das verdeutlicht der Anthropologe und Graphic-Design-Historiker Jim Heimann in seinem Buch ‹Vintage

Zur Bar

Und genau davon wimmelt es auch in Stefan Wimmers Zweitling ‹Der König von Mexiko›. Die Hauptfigur nennt sich Ingo Falkenhorst und hat für sich entschieden, seine Stipendien viel lieber in den Bars von Mexico City zu versaufen, als sie in sein Literaturstudium zu investieren. Wie durch ein Wunder gerät Ingo auf seiner versoffenen Odyssee an die gutaussehende Tenderley, die aus gutem Hause stammt, in dem auch schon bald der junge Münchner seinen Rausch ausschlafen darf. Ingo sieht sich bereits als glückliches neues Familienmitglied des schwerreichen Clans, doch Tenderleys Familie zeigt sich alles andere als gewillt, ihr blaues Blut mit dem des immer blauen Ingo zu besudeln, und auch sein Nebenbuhler Walter lernt Ingo das Schwitzen im Kampf um seine Angebetete. Doch dies ist nur der Anfang der unzähligen Probleme und Gefahren, auf die sich der Jüngling auf seiner umtriebigen Hin- und Herreise zwischen der bayrischen und der mexikanischen Metropole einlässt. Ein Buch voller Humor, Drogen und aberwitzigen Episoden und ein absolutes Muss für alle Fans von Charles Bukowski und Hunter S. Thompson! Erschienen bei Eichborn, CHF 35.90

Stefan Wimmer: Der König von Mexiko Was verbindet Mexiko und München? Genau, Alkohol und Frauen!


Auf Reisen

FILM

12-jährige Oskar lebt in einer grauen Betonsiedlung Kopenhagens. Der schmale Junge wird von Mitschülern ständig drangsaliert, wehrt sich aber nicht. Da trifft er nach Sonnenuntergang auf dem Spielplatz die gleichaltrige Eli. Langsam freundet er sich mit dem seltsamen Mädchen an und entdeckt, dass sie ein Vampir ist. Sie lehrt ihn, sich zu verteidigen, zurückzuschlagen. Bald herrschen im Viertel Angst und Schrecken. Zwischen Thriller, ‹Coming of Age› und Vampirdrama ist ‹Låt den rätte komma in› − so der schwedische ­Originaltitel − angesiedelt. In kühle Bildkompositionen gegossen, strahlt die Arbeit von Thomas AlfredChe – The Argentine son bis auf wenige für das VampirIm Oktober 1967 im bolivianischen Genre notwendige drastische HorrorDschungel von Regierungstrup­szenen eine bewundernswerte pen gefasst und hingerichtet, gilt der Stille und Sensibilität aus, zeigt die einstige Arzt bis heute als DER bedrohliche Welt aus dem BlickRevolutionär schlechthin. Gemeinsam winkel der Heranwachsenden. Dafür mit Fidel Castro und anderen konnte das Werk bereits etliche kubanischen Exilanten bahnt sich Er- Meriten auf Festivals sammeln. Kinostart: 2. April 2009 nesto ‹Che› Guevara 1956 vo Mexiko per Schiff den Weg nach Kuba. Im Verlauf von zwei Jahren gelingt es ihnen, einen derart grossen Rückhalt in der Öffentlichkeit zu gewin­nen und eine Guerilla-Armee zu mobilisieren, dass sie das von der USA unterstützte Battista-Regime absetzen können. Castro wird Kommandeur, Guevara schafft es bis zum Industrieminister. Schnell kommt es aufgrund verschiedener politischer Ansätze zu Differenzen zwischen den Leitfiguren der kubanischen Revolution. Soderbergh versucht dem Menschen Guevara, hervorragend dargestellt von Benicio Del Toro, in einem komplexen Drama gerecht zu werden. ‹Che› ist ein meisterhaftes Portrait und ein Muss für jeden Geschich­tsinteressierten und Filmliebhaber. Der zweite Film, ‹Guerrilla›, behandelt die Zeit nach 1964 bis zu Guevaras Tödliche Magie: Death defying acts Tod. Kinostart: 26. März 2009 Im Schottland des frühen 20. Jahrhunderts schlägt sich die schöne Mary als Trickbetrügerin und Wahrsagerin mit ihrer Teenagertochter durchs Leben. Als der grosse Magier Houdini eine Vorstellung in Glasgow gibt und 10 000 Dollar auslobt auf ein Medium, das ihm Kontakt zu seiner jüngst verstorbenen Mutter knüpft, beschliesst Mary, sich das Geld zu ergaunern. Beim Versuch, das Vertrauen Houdinis zu gewinnen, kommen sich beide romantisch näher und auch in den Tod der Mutter kommt überraschend Licht. Let the right one in Im dritten grosszügig ausgestatist ein erfrischend anderer Vampirteten Illusionistendrama innerhalb film aus Schweden, der sich dem kurzer Zeit (nach ‹The Prestige› und Thema aus Kinderaugen nähert. Der ‹The ­Illusionist›) liefern sich Catherine

Gefeierter Kopf Olaf Unverzart: Leichtes Gepäck Wenn einer eine Reise tut, so kann er viel erzählen. Auch ohne Worte, wie Olaf Unverzart in seinem Bildband eindrücklich beweist. Mit seiner Kamera fing er auf seinen Reisen Bilder ein, die sich nicht an Ländern und Landschaften orientieren, sondern vielmehr an den Menschen und der Art, wie sie ihre Umgebung beeinflussen und prägen. Wunderschöne Porträtfotografien wechseln sich mit verträumten Momentaufnahmen ab, intime Blickwinkel auf unbekannte Gesichter erlauben uns den genaueren Blick auf Menschen und Situationen, die wir, selbst wenn wir dabei gewesen wären, wahrscheinlich weder entdeckt noch gewagt hätten. So verbindet die Arbeit des Leipziger Fotografen, der neben seiner Arbeit als solcher auch einen Lehrstuhl an der Leipziger Hochschule für Künste besetzt, nicht viel mit der Reise- und Reportagefotografie im herkömmlichen Sinne. Viel mehr wagt er einen tiefen Blick in die Seele des Menschen, Ort und Zeit bilden dabei lediglich den Hintergrund. Erschienen beim Verlag für moderne Kunst Nürnberg, CHF 64.− Rahel Zoller ist ein bekennender Medienfreak: Sie liebt Filme, DVDs, Platten, CDs, Zeitschriften und am meisten Bücher jeder Art. Zu den Buchbesprechungen in der Rubrik ‹Media› musste man sie nicht lange überreden.

DVD

Geschickte Finger

Gespitzte Zähne

­ eta-Jones und der ‹Memento›Z Held Guy Pierce ein Trickduell beinahe auf Augenhöhe, in das sich gegen Ende auch noch veritabel phantastische Elemente mischen. Die ­australische Regisseurin Gillian ­Armstrong (‹Die Liebe der Charlotte Gray›) liefert gediegenes Ausstattungskino mit eingestreutem Nervenkitzel − Fans von Romanzen, Bühnenmagie oder einem der beteiligten Stars kommen auf ihre Kosten. Ab 19. März im DVD-Handel

Geballte Faust

Hooligans 2 Nach dem erfolgreichen ersten Teil ‹Hooligans› folgt endlich das absolut krönenswerte Sequel im Stile eines originellen US-Gefäng­ nisbandenkriegsfilms. Der eine Haufen tätowierter Muskelberge nennt sich ­‹Millwall›, der andere ‹Chelsea›, ohne zu ahnen, dass Londons verfeindete Fussballgangs ausserhalb Londons wie ein Mann zusammen halten. Aber der Titel ist ohnehin nur Fassade für handfeste Prügelaction. Und jetzt zur Story: Dave hat sich immer schon gerne für seinen Fussballverein West Ham United geprügelt und macht damit auch weiter, als er hinter Gittern sitzt. Kurzerhand verfrachtet man ihn und zwei Kumpels in ein Hochsicherheitsge­ fängnis, wo üble Rüpel vom Lokalrivalen Millwall FC den Ton ange­ben. Dave muss mächtig einstecken, erhält aber auch eine ­unerwartete Chance: Wegen Überfüllung soll ein Teil der Knackis auf Bewährung rauskommen. Wer dabei ist, entscheidet ausgerechnet ein Fussballturnier. Ab 6. April 2009 im DVD-Handel Der gelernte Politologe Valerio Bonadei arbeitet als stellvertretender CEO bei einem Schweizer Filmverleih. Er schreibt fürs kinki regelmässig Artikel zum Thema Politik und verfasst Film­rezensionen.

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Je suis une bande de jeunes

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‹abonnement› kinki

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März / April 2009 Cover: Juan Francisco Casas Herausgeber Aurum Communication AG, c/o kinki magazine, Zürcherstr. 204f, CH 9014 St. Gallen, www.aurum.ag T +41 71 277 48 00, F +41 71 277 48 02 Geschäftsführung: Mark Mirutz | mark.mirutz@kinkimag.ch Projektleitung: Melania Fernandez | melania.fernandez@kinkimag.ch Redaktion: kinki magazine, Hardturmstrasse 68, 8005 Zürich, www.kinkimag.com T +41 44 271 09 00, F +41 44 271 09 02 Chefredaktion: Matthias Straub (ms) | matthias.straub@kinkimag.ch Stv. Chefredaktion: Rainer Brenner (rb) | rainer.brenner@kinkimag.ch Redaktion: Christina Fix (cf) | christina.fix@kinkimag.ch Florian Hennefarth (fl) | florian.hennefarth@kinkimag.ch Florence Ritter (fr) | florence.ritter@kinkimag.ch Rahel Zoller (rz) | rahel.zoller@kinkimag.ch Art Direction: Raffinerie AG für Gestaltung, www.raffinerie.com Fotografie: Mark Duda, Je suis une bande de jeunes, Eduard Meltzer, Philipp Mueller, Julie Pike, Katja Rahlwes, Timmo Schreiber, Naphtali Stein, Erik Sturm, Daniel Tischler, Nadeth T. Vang, Krzysztof Wyzynski, Marvin Zilm

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Bildbearbeitung und Grafische Gestaltung: Cyrill Frick | cyrill.frick@kinkimag.ch Anja Mikula | anja.mikula@kinkimag.ch Stefanie Veihl | stefanie.veihl@kinkimag.ch Lektorat: Peter Rösch | peter.roesch@kinkimag.ch Promotion: Denise Bülow | denise.buelow@kinkimag.ch Franziska Bischof | franziska.bischof@kinkimag.ch Freie Mitarbeit: Mathias Bartsch, Valerio Bonadei, Paola Brandi,­­ Philipp Brogli, Raphael Elmiger, Xymna Engel, Gallus Brüder, Daniel Frischknecht, Natalie Gyöngyösi, Irène Schäppi, Raphael Spiess, Pia Volk, Stefan Wimmer Werbung: Aurum Communication AG | werbung@kinkimag.ch

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Aboservice: www.kinkimag.com/abo | abo@kinkimag.com Online: Orange8 Interactive AG, www.orange8.com Online-Redaktion : Rita Greulich | rita.greulich@kinkimag.ch Samuel Hauser | samuel.hauser@kinkimag.ch Miriam Suter | miriam.suter@kinkimga.ch Auflage: 40000 Druck: AVD Goldach, www.avd.ch Einzelverkauf/Abonnement: CHF 6/€ 4 (pro Ausgabe)/CHF 58/€ 50 (11 Ausgaben)

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Ausschneiden und ab damit an: Aurum Communication AG c/o kinki magazine Zürcherstr. 204f 9014 St. Gallen *so lange Vorrat reicht – first come, first serve!

Vertrieb International: Axel Springer Verlag Vertriebs GmbH, www.asv-vertrieb.de Die nächste Ausgabe des kinki magazine liegt ab 16. April 09 am K ­ iosk!


‹ top notch gallery › Europas wichtigste Galerien für junge Kunst. Program Art Gallery Warschau

I

n der Bildenden Kunst konnte Polen im letzten Jahrhundert trotz Eisernem Vorhang stets mit dem Westen mithalten. Mit diesem Anspruch präsentiert sich auch die Warschauer ‹Program Art Gallery›, die sich seit 2002 als Spielwiese für Künstler versteht. Sie setzte neben den über 60 Ausstellungen unter anderem auch Akzente mit sozialen Projekten. Damit verstärkte die ‹Program Art Gallery› die Bedeutung der modernen Kunst für die Gegenwart in Polen, wo es bis heute kaum öffent­ liche Sammlungen zeitgenössi­scher Kunst gibt. In der Zielrichtung der Galerie spiegelt sich die Haltung und die künstlerische Überzeugung der Kuratorin Aneta MarcinkowskaMuszynska wider. Die Galerie repräsentiert mit ihren Künstlern die spannungsvolle Vielfalt moderner Kunst in Polen. Von dem Altmeister konstruktiver Kunst Kajetan Sosnowski bis hin zu der jungen Performance-Künstlerin Agata Michowska zeigt sich der souveräne Um­gang mit den bildnerischen Mitteln und aktuellsten Aussagen. In der Regel haben die Ausstellungen der Galerie Multimedia-Charakter. Die Macher sind immer auf der Suche nach neuen Methoden der

Kommunikation. Absicht der Program Art Gallery ist die Schaffung eines geistigen Ortes für Kunst. Dabei spielt der reale Raum und der soziale Platz des Men­schen eine zentrale Rolle. In diesem Freiraum finden aktuelle Kunstformen und ihre Aussagen Gehör. Dabei öffnet die Galerie auch Raum für junge Künstler, die mit Diplomarbeiten und Erstlingswerken ihr Debüt feiern. Der Kuratorin ist dabei der soziale Aspekt und das Erreichen der Menschen ausserhalb des Kunstzirkels besonders wichtig. Ein wesentliches Element der Program Art Gallery ist die Förde­rung der zeitgenössischen polnischen Kunst weltweit. Die Galerie nimmt mit ihrem Programm regelmässig an internationalen Messen teil. So ist sie auf der Art Cologne, Artefiera, Preview Berlin, Scope London, Vienna­ fair, Scope Miami und auf dem Solo-Projekt Basel zu finden. Gleichzeitig organisiert die Galerie Ausstellungen in Zusammenarbeit mit Tochtergalerien im Ausland und mit Künstlern aus verschiedenen Ländern. Noch im März erwarten uns in der Galerie Wandzeichnungen von Mariusz Tarkawian, der mit seinem Bleistift als genial zeichnender Chronist Alltagsmomente festhält. Anschliessend lädt die Galerie zu ‹Wine and Water›, einer Kooperationsausstellung mit der Stadt Regensburg. Text: Rahel Zoller Foto: Program Art Gallery Gen. Andersa Str. 20 00-201 Warschau, Polen www.artprogram.art.pl

In Polens Hauptstadt befindet sich ein kosmopolitisches Juwel der internationalen Galerieszene: Die ‹Program Art Gallery› schliesst die Lücke zwischen Kunst, Politik, Erziehung und Kommunikation.

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Fleshlight

Gio Black Peter ist ein künstlerisches Multitalent. Egal ob auf der Bühne, mit dem Pinsel, hinter der Videokamera oder neuerdings auch auf der Leinwand – der Schwarze Peter treibt sein Unwesen im Underground der Kunstszene und überzeugt dabei nicht nur als provokativer Autobiograf, sondern auch mit Tiefgang und einer ordentlichen Prise Humor. Natürlich oben ohne, versteht sich…

‹It’s fucked up? Yeah, I know!›– Gio Black Peter live and unleashed.

‹Thanksgiving Massacre›

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Fleischeslust und Herzblut bestimmen Gios Werk und Leben.

‹Texas Tornado Dance›

A

uf den ersten Blick wirkt er wie ein betrunkener Teenager, wenn er oben ohne und stets ein bisschen torkelnd seine Hände über den Kopf wirft und mit wippenden Bewegungen seines Unterleibs dem Publikum den Rhythmus verdeutlicht. Auf dem dreiteiligen Screen im Hintergrund läuft ein Video, auf welchem ein Mann sein bestes Stück durch die Luft wirbelt, und wenig später wird dies wohl auch noch vor dem Screen passieren, denn der Mann auf der Bühne und jener auf dem Videoscreen sind ein und derselbe: Giovanni Andrade alias Gio Black Peter. ‹Irgendwie ist es schon witzig, wenn ich mir die Aufnahmen unserer Tokyo-Konzerte ansehe, denn als ich früher in Slips durch diese Clubs gerannt bin und laut rumschrie, wurde ich aus genau denselben Clubs rausgeworfen, die mich heute dafür bezahlen.› Mit seiner ‹Black Peter Group› tourt Gio durch die Metropolen dieser Welt, von Oslo bis Paris und von New York bis Sydney. Egal ob vor den etwas zu gut gekleideten Londonern im ‹All You Can Eat›-Club, wo seine Jünger ihn durch riesige Fensterglasbrillen beäugen, oder am Berlinale Filmfestival in Berlin, wo man den halbnackten Herrn wie ein teures Bild betrachtet: das Multi­ talent Gio Black Peter erstaunt mit seiner hyperaktiven Liveshow sowohl Kids als auch die KunstAvantgarde. Doch auch wenn die Mischung aus

Elektrobeats, Hillbillysound und Punkattitüde für die aufgeladene Stimmung in den verschwitzten Clubs verantwortlich sein mag, so kommen die meisten Besucher wohl nicht nur, um Gios Hits wie ‹It’s Fucked Up› oder ‹Goody Two Shoes› (eine Coverversion des Adam Ant Rockabilly-Hits) zu lauschen, sondern auch um die greifbarste Komponente in Gios Gesamtkunstwerk zu erleben.

Fleischeslust und Herzblut

‹Für einen kreativen Menschen ist es nur natürlich, sich auf verschiedenste Arten auszudrücken. Manchmal möchte ich den grünen Hut tragen, manchmal den roten, verstehst du?› Meistens entscheidet sich Gio jedoch für sein olivefarbenes Armeekäppchen, das kokett auf seinem kurz geschnittenen Haar thront, wenn er sich über seine Leinwand beugt und den Pinsel in die Farbe tunkt. ‹Ich male schon, seit ich noch ein kleiner Scheisser war. Aus­ serdem schreibe ich schon seit langer Zeit Gedichte, das führte mich dann irgendwann zum Songwriting, so kam die Musik dazu. Wenn ich genug Zeit dazu finde, drehe ich auch gerne Videos und Kurzfilme›, erklärt der Schwarze Peter der Kunstszene seinen unermüdlichen Schaffensdrang. Im Mittelpunkt der Arbeiten steht der männliche Körper, wahlweise auch mehrere davon in eindeutigen Po-

sen, bekleidet mit Seemannshütchen oder in Amerikaflaggen gehüllt. Die männliche Sexualität beherrscht Gios Arbeit offensichtlich und wird fast schon stereotypisch zur Schau gestellt. In seinen Arbeiten als Teil des Künstlerkollektivs ‹Sputnik 3›, seinen Videodokumentationen des eigenen Alltags, den aufgeladenen Liveperformances sowie jüngst bei seiner ersten Einzelausstellung ‹This Is My Gun› in der Berliner STYX-Galerie: wo Gio den Raum einnimmt, regiert das Fleisch. ‹Sex ist ein wichtiger Bestandteil meiner Arbeit, aber nicht wichtiger als die anderen Aspekte meines Werks. Ich bin nun mal «a horny guy», das gehört zu mir›, rechtfertigt sich Gio. ‹Meistens reflektiere ich darüber, wie ich meine eigene Sexualität erkunde; da mein Werk autobiografisch ist, gehört dieser Teil nun mal dazu.› So vermischt sich Gios Privatleben zunehmend mit der Kunstfigur des Black Peter. Zwar ist er sich durchaus über die Gefahren, sein Privatleben zu verlieren, bewusst, doch genau das dürfte es sein, was er mit seiner Arbeit seit Jahren anstrebt: ‹Früher gab es einmal einen Unterschied zwischen Gio und Black Peter, der ist mittlerweile allerdings nicht mehr auszumachen. Die Verbindung zwischen mir als Privatperson und meinem Alter Ego ist ein gros­ ser, verwurstelter Wollknäuel geworden.› So könnte das gerne zur Schau getragene Tattoo mit der Aufschrift ‹DNA› trefflicher nicht verdeutlichen, was genau uns der quirlige Lebemann mit dem verführerischen Hundeblick eigentlich offenbaren will: sich selbst.

Unverschämte Freiheit

Doch natürlich erzählt Gios Werk von mehr als sexuellen Abenteuern und durchsoffenen Partynächten. Denn auch wenn seine Arbeiten auf den ersten Blick einfach und als reine Dokumentation seiner selbst interpretiert werden können, finden sich sowohl im trashigen Witz seiner Musikvideos als auch in den Songtexten, Malereien und Kurzfilmen unterschwellige Botschaften, die verraten, dass Gio auch oberhalb des Hosenstalls einiges zu bieten hat. Er verbindet in seinen Zeichnungen und Installationen die Stereotypen des amerikanikinki 109


‹Welcome to the Flesh Show!›– Giovanni in Arbeitskleidung.

‹New York City›

schen Freiheitsdrangs mit homoerotischen Fantasien und zelebriert sich selbst als unabhängiges und von allen Zwängen befreites Wesen: ‹I’ve got no strings / So I have fun / I’m not tied up to any­ one / They’ve got strings / But you can see / There are no strings on me›, feiert Gio auf seinem Blog und posiert mit Plastiksack über dem Kopf und weit gedehnten Hosenträgern, diesmal ausnahmsweise sogar mit bekleidetem Oberkörper. Konfrontationen mit anderen Menschen, denen diese Art von Freiheit widerstrebt, sind bei dieser Lebenseinstellung und Botschaft natürlich vorprogrammiert: ‹Ich bin sehr offen für konstruktive Kritik. Die meisten negativen Stimmen kommen jedoch von homophoben oder äusserst konservativen Idioten und bieten weder Vorschläge zur Verbesserung noch sonst irgendwas, was mir bei der Weiterentwicklung meiner Arbeit helfen könnte.› Doch mit direkter Konfrontation tat sich Gio nie schwer. Er wuchs auf in einer Stadt, ‹die damals noch voller kontroverser Figuren und Persönlichkeiten war, wo verschiedenste Kulturen und Völker nebeneinander leben› und gibt sich Mühe, diese seinem Publikum auch in allen Facetten vorzule110 kinki

ben. ‹Weisst du, das ist doch wie damals in der Schule›, erklärt Gio, ‹da gab es diesen einen Typen, der stärker war als alle anderen und deinen Freund verprügelte. Und du weisst, dass wenn du nicht eingreifst, er am nächsten Tag wohl auch dich vermöbeln wird und niemand dir helfen wird.› Womit Gio Black Peter die Menschen in seinen Bann zieht, ist nicht die viele nackte Haut, sondern der Mut zur Konfrontation auf allen Ebenen, der ihm eine fast schon unverschämte Freiheit verleiht.

Giovanni und die Schlampen

Offensichtlich tiefgründig gibt sich Giovanni allerdings nicht besonders oft und gerne. Viel lieber schwärmt er von den Partys in seiner Heimatstadt, den tollen Graffitis, die New Yorks Wände schmücken und erholt sich auf seinem Sofa bei Bier und blauem Dunst von seinem Kater. ‹Ich hasse es aufzustehen! Morgens muss man mich echt wachprügeln, egal ob ich am Abend zuvor weg war oder nicht.› Auf Tour amüsiert sich der Partylöwe gerne

mit seinen Bandkollegen, die aus geografischen Gründen allerdings nie lange zum festen Bestandteil der Black Peter Group gezählt werden können. Ausser bei James, dem Gitarristen, dauern die Gastspiele selten länger als ein paar Monate. So tänzelten bereits dreizehn verschiedene Backgroundsängerinnen mit heruntergerutschten BHTrägern neben Gio auf der Bühne und verzauberten den feminin orientierten Teil des Publikums mit Zeilen wie ‹Yeah, I know› und nonchalanten Strip­ einlagen. Wer in der ersten Reihe steht, darf sich vielleicht sogar mit seiner feuchten Zunge an der Show beteiligen. Fürs Album engagierte Gio für diesen Job seine gute Freundin und Label-Kollegin Anna, die singende Hälfte des Duos ‹The Sexual Hot Bitches›, die bei Gulp Records mit Titeln wie ‹Let’s Fuck› und ‹Face Rape› wortwörtlich ins selbe Rohr blasen wie Gio. ‹Dieses Jahr spielen wir zusammen in Frankreich. Ich kann es kaum erwarten mit Anna auf der Bühne zu stehen, sie ist einfach klasse!› freut sich Gio. Bei Gulp Records scheint nicht nur musikalisch, sondern auch inhaltlich Wert auf übereinstimmenden Stil gelegt zu werden, denn praktisch alle Bands unter Vertrag setzen auf trashigen Elektro-Punk und widmen dem f-Wort mindestens einen Songtitel, wenn nicht sogar ein ganzes Album.

Der Spaziergänger

Dennoch wirken weder Gios ‹Flesh Shows› (wie er sie selber nennt) noch die pornografischen Aufforderungen der ‹Heissen Schlampen› allzu schmuddelig, was vielleicht etwas damit zu tun haben könnte, dass diese Zeilen nicht aus den trie-


fenden Mündern von Herren mit Schnauz oder von operierten Pornosternchen kommen. Sowohl Anna als auch Joe zeigen sich zwar gerne halbnackt, die wenigen Kleider wirken dafür äusserst gut gewählt. Auch bahnt sich Gio langsam aber sicher in der Fashion-Szene einen Weg zur Ikone und posiert in engen Jeans für Magazine wie ‹i-D›, ‹Zoo Magazine› oder das ‹Hot›, wo er bereits das Cover zierte. ‹Ich habe schon auch das Gefühl, dass besonders in diesem Jahr viele solche Magazine auf mich zukommen. Allerdings glaube ich nicht, dass ich so etwas wie eine Fashion-Ikone werden könnte, da ich ja eigentlich immer entweder nackt bin oder sonst dieselben Kleider mehrere Tage lang trage›, belächelt er diese Entwicklung. Viel lieber als vor der Fotokamera, möchte Gio nämlich wieder auf die Leinwand. Im kontroversen TrashSpielfilm ‹Otto or Up With Dead People› des kanadischen Kultregisseurs Bruce la Bruce übernahm Gio letztes Jahr seine zweite Filmrolle und mimte den Ex-Boyfriend der Hauptfigur Otto, ein von den Toten auferstandener schwuler Punk-Vampir, der in Berlin sein Unwesen treibt. Auch hier wird Gio natürlich in Zukunft darauf achten, dass weitere Filmrollen sich so gekonnt in sein Gesamtwerk eingliedern wie diese. Verwunderlich ist dabei, dass Gio einfach alles zu gelingen scheint, was er anpackt, denn auch als Schauspieler macht Black Peter durchaus keine schlechte Figur. In naher Zukunft wird Gio allerdings kaum Zeit finden, seine Schauspielkarriere zu pflegen: ‹Ich bringe dieses Jahr eine Remix-EP und eine Scheibe mit neuen Songs auf den Markt, die ich gerade in London mit meinem Produzenten Andrew ‹Friendly› Kornweibel aufgenommen habe. Im März spiele ich einige Gigs in Europa, bevor ich zurück in die Staaten fliege. Im April gibt’s wieder eine

‹Sputnik 3›-Ausstellung mit Slava Mogutin und Brian Kenny, für welche wir diesmal mit Frankie Morello aus Mailand zusammenarbeiten. Daneben natürlich jede Menge mehr Kunst, mehr Sex, mehr Kaffee und mehr Spaziergänge.› Spaziergänge? Vielleicht könnte man Gios Karriere wirklich als Spaziergang durch die verschiedenen Genres der Kunstszene bezeichnen: Leichtfüssig und trotzdem zielstrebig bewegt er sich gekonnt zwischen Vernissage und Nightlife. Natürlich topless! Text und Interview: Rainer Brenner Fotos: Nadeth T. Vang Videos von Gios Live-Performances sowie einige seiner Kurzfilme findet ihr auf www.kinkimag.com. Weitere Info unter www.myspace.com/ blackpetergroup.

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‹SGT. J.R. Don’t Give Up!›

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Tutto Fumetto

Ende März befindet sich die Schweiz­er Bilderbuchstadt und Tourismushochburg Luzern während neun Tagen ganz in den Händen von internationalen Comic-Freaks und Liebhabern der modernen Kunst. Gezeigt wird ein breites Spektrum narrativer Kunst, welches weit über die klassische Form des bande dessinée hinausgeht.

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as internationale Comix-Festival Fumetto findet vom 28. März bis 5. April 2009 zum 18. Mal in Luzern statt. Es ist ein Festival, das seinen Charakter stark dem Kleinformat der Stadt Luzern, den gemütlich verwinkelten Gassen und der typisch dezentralen Organisation verdankt. Im Vorfeld des Comix-Festivals trafen wir uns mit dem Festivaldirektor Lynn Kost zum Gespräch und informierten uns über Traditionen und Neuerungen.

Stück ‹Fly Girl› von Marie-Caroline Hominals aus Frankreich, das eine zeitgenössische Tanzinterpretation einer Comic-Figur zeigt. An prominenter Stelle steht auch die Operette ‹der Vogelhändler›, entstanden aus der Zusammenarbeit des ­Luzerner Theaters und des deutschen Künstlers Henning

Comic to Comix

Hört man den Begriff Comic, so schwelgt manch einer in seinen Jugendtagen, als er mit Taschenlampe unter der Bettdecke die Abenteuer von Tim und Struppi oder die Geschichten der verrückten Gallier Asterix und Obelix verfolgte. In der Zwischenzeit hat sich in der Comic-Welt, die auch als 9. Kunst bezeichnet wird, viel getan. So auch am Fumetto Comix-Festival: ‹Das Fumetto ist klein gestartet: als eine Art jugend- und sozioanimatorisches Projekt wurde 1992 ein Wettbewerb ausgeschrieben, um junge Leute zum Zeichnen und zum Kreativsein zu animieren›, erklärt Kost den Ursprung der Veranstaltung. 18 Jahre später hat sich das internationale Comix-Festival fest installiert und bietet dieses Jahr 18 Hauptausstellungen von nationalen und internationalen Künstlern sowie 55 Satellitenausstellungen, welche in kleine Galerien oder Cafés einladen. ‹Am Fumetto soll Kunst gezeigt werden, die in der Tradition und im Geist des Comics verwurzelt ist, aber nicht unbedingt der Definition des Comics unterliegt.› Insofern hat sich der Inhalt des Festivals ausgedehnt, geblieben ist der Wettbewerb, dem sich eine der Hauptausstellungen widmet und der als eine der grössten Comic-Wettbewerbe gilt. Ebenfalls geblieben ist die Bezeichnung: ‹Der Name ist aus dem italienischen Fumetti abgeleitet, das heisst Comic und bedeutet eigentlich Rauchblasen. Im Italienischen werden Comics also nach diesen ‹‹Rauchblasen›› benannt, die als Sprechblasen funktionieren. Was im Namen aber darauf hindeutet, dass wir nicht ein klassisches ComicFestival sind, das nur Comic-Zeichner zeigt, ist das Wort Comix mit X geschrieben, das deutet auf einen avantgardistischen Ansatz hin, der sich vor allem an Erwachsene richtet›, erläutert Kost.

Tanz und Theater?

Zu den Darstellungsformen, welche die Buchform des Comics aufbrechen, gehören Tanz- und Theaterperformances, die dieses Jahr zu den Schwerpunkten des Festivals zählen. Gezeigt wird das 112 kinki

a­ ntiseptische Elvis Studio vertreten und auch die letztjährige Gewinnerin des Comicwettbewerbs 2005, Amanda Vähämäki aus Finnland, sowie der Luzerner Luca Schenardi werden Einblicke in ihr künstlerisches Schaffen gewähren. Als Stargast wird der Amerikaner David Shrigley anwesend sein, einer der international angesagtesten Vertreter der zeitgenössischen Kunstszene. Shrigley besticht durch seinen bissigen Humor und regt durch seine skurril-primitiven Kritzeltiere und -männchen gerne zum Lachen, Ekeln und Denken an. Auch fern­östliche Kunstformen werden erstmals am Festival zu sehen sein, die Japaner Yuichi Yokoyoma und Diasuke Ichiba sind am Fumetto zu Gast.

Bilder ­kommunizieren

Wagenbreth. ‹Wagenbreth hat sowohl Hintergrund, Bühneninszenierung als auch die Kostüme von A bis Z durchgestaltet. Dadurch wurde zum ersten Mal die Ästhetik des Künstlers auch auf die Bühne geholt.› Des Weiteren werden ‹das perfekte Verbrechen› und ‹Reality Show›, ein interaktives Stück und eine Parodie auf das zeitgenössische, abgestumpfte Reality-TV, aufgeführt.

Shrigley in Town

Traditionell werden Künstler ausgestellt, die dem klassischen Comiczeichnen verpflichtet sind: zur Garde der alten Meister gehören beispielsweise Ever Meulen (BE), Blutch (FR) als Artist in Residence, Rutu Modan (IL) und der New Yorker Mark Newgarden. ‹Den klassischen Comic-Zeichnern stehen die «jungen Wilden» gegenüber, das sind Zeichner, die noch nicht so erfolgreich sind, die aber sehr starke Positionen vertreten, sie kommen aus dem Zeichnerischen, machen aber auch Malerei und kontrastieren das Ganze.› Dazu gehören die verspielt und märchenhaft zeichnenden Ka­ nadierinnen Shary Boyle und Genviève Castrée; aus Zürich und Genf sind das Duo FLAG und das

Ausserdem wird retrospektiv in die Vergangenheit grosser Comic-Meister geschaut und zukunftsweisend werden die Arbeiten aufkommender internationaler Jungkünstler beleuchtet. Extreme Positionen werden im Rahmen des Fumetto in ein Verhältnis zueinander gesetzt und ‹dem Besucher dadurch die Möglichkeit gegeben, ein Universum zu erleben, das ihn auch herausfordert, wo er nachfragen muss und im ersten Moment vielleicht nicht sieht, was es damit auf sich hat, aber dadurch auch ein viel intensiveres Festivalerlebnis erhält.› Vor allem das Erzählen anhand von Bildern und anderweitigen Kunstformen wird dem Be­ sucher näher gebracht. Dass dies auch unsere Playstation- und Digital-Generation anlocken wird, davon ist Direktor Lynn Kost überzeugt: ‹Das Comic steht für mich am Anfang von vielen Entwicklungen wie zum Beispiel den Games, Performances, Strömungen der modernen Kunst. Es trägt Elemente von sehr vielen verschiedenen Kunstrichtungen in sich. Ausserdem ist das Erzählen mit Bildern eine der ältesten Kommunikationsformen. Gerade in einer Zeit, wo man Informationen auch etwas universeller kommunizieren muss, ist die Verbindung von Bild und Text wahnsinnig aktuell.› Weiter Infos unter: www.fumetto.ch David Shrigley, Studio Elvis und Yuichi Yokoyama sind ständige Ausstellungen und sind über das Festival hinaus vom 28.3.–20.6. im Kunstmuseum Luzern zu sehen. Text: Florence Ritter Bild: FLAG



‹versammelt › Mit Anspruch auf Vollständigkeit. Name, Vorname

Lagler, Marc Wohnort

Regensdorf, Watt Beginn der Sammel­tätigkeit

Schon als Kind spielte ich mit Barbies. Dass es einmal zu einer Sammelleidenschaft kommen ­würde, wurde mir erst bewusst, ­­ als ich die Alber Puppenbörse 1992 in Zürich besuchte. Erstes Stück

Ballerina Barbie 1975, New Look Ken 1975, Gold Medal Skater ­B arbie 1976, Skier Barbie 1976, Superstar Ken und Barbie 1976, Beauty Secret Barbie 1979 und Western Barbie und Ken 1980. Letztes Stück

Ich weiss nicht mehr genau, welches das letzte Stück war. Eine der letzten Puppen ist die sehr seltene und schon seit vielen Jahren gesuchte Vintage-Julia mit gelb oxydiertem Haar. Teuerstes Stück

Mattel Neptune Barbie 1992 von Modedesigner Bob Mackie. Perfekte Einzelkreationen von einer amerikanischen Künstlerin (sie macht aus Standard-Puppen Puppen mit lebensechter Ausstrahlung). Beste Fundorte

Allgemein in den USA, vorzugs­ weise auf Secondhand-Märkten. Gesamtzahl

Rund 9000 Stück, Barbies, Christies, Teresas, Midges, Kens und wie die alle heute mit immer wieder wechselnden Namen heissen. Andere Sammelgewohnheiten

Kleinigkeiten wie Accessoires für die Dioramen, die ich selbst für die Barbiewelt bastle. Bist du auch Sammler? Oder kennst du jemanden, der Kakteen, Autorückspiegel oder mundgeblasene Glasfiguren aus der vorderen Mongolei sammelt? Dann schick uns eine Mail an: info@kinkimag.com, Stichwort ‹versammelt›. Wir schicken dir einen Fotografen und schon im nächsten Heft wird dein Sammeltrieb verewigt. Foto: Marvin Zilm

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Teil 1

Teil 2

The

ArgenTine Ab 26. märz im kino

guerillA Ab 23. April im kino

«Ein wAhrES FilmEpoS!» the new York times

«Ein Film von hErbEr

SchönhEit.» los Angeles times

«bEnicio DEl toro iSt brillAnt. Ein unvErgESSlichES ErlEbniS.»

www.ascot-elite.ch

rolling Stone


Š 2009 adidas AG. adidas, the Trefoil, and the 3-Stripes mark are registered trademarks of the adidas Group.

adidas.com/originals


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