kinki magazine - #15

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kinki

nr. 15 juni/juli 2009 chf 6.– € 4.–


Berlin Berlin BREAD & BUTTER

Berlin Airport Berlin-tempelhof

01.– 03. July 2009

bread & butter IS comInG Home! www.breadandbutter.com


‹ editorial› you kill it, we grill it. Lieber Leser. Sag mal, wer hat dir eigentlich den Floh in den Kopf gesetzt, dass Sommer gleichzusetzen ist mit Liebe und Sonnenschein? Das ist doch nur so ein Hippie-Gequatsche von deiner vollbärtigen Mutter, die auch an die heilende Kraft von Bergkristallen glaubt und mal wieder ein richtig gutes Gespräch mit dir über deine unausgeglichenen Schwingungen führen möchte. Der Sommer ist dreckig, heiss, verschwitzt und unbarmherzig. So ist es einfach mal. Glaub das. Basta. Punkt. Wieso sollte sich denn nämlich sonst ausgerechnet jetzt bei den ersten Sonnenstrahlen deine bleiche Haut in eine offene Brandwunde verwandeln und dich der mieseste Heuschnupfen seit Menschengedenken heimsuchen, der dich instant in einen sabbernd-verquollenen Gollum transformiert? Warum muss denn gerade jetzt dein Velo geklaut werden, der Computer abrauchen und das WG-Zimmer gekündigt werden, nur weil du mal drei Monate die Miete nicht bezahlt hast? Sind doch alles Kleingeister, diese Sommerfetischisten! Das einzige, was in diesem Fall hilft, ist eine regelrechte Sommer-Flucht: Rollläden runter, Badi-Boykott und Snowboard-Videos gucken, bis die entzündeten Augen tränen. Ist doch so, oder? Deine Grillwurst bratende und sonnenbebrillte kinki Redaktion kinki

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www.pepejeans.com



photography by Gemma Booth


www.roxy-heart.com


‹content› Standard

03 10 12 12 20 88 108 116

Editorial Content Gossip Agenda Klagemauer Media Abo / Impressum Versammelt

90

Report 30 32 36 38 42

Klappe zu, Hase tot Luxuslust Zehn Minuten mit Ela Bo Murder on the Dancefloor Querschläger: König Kraska

Sound 44 46 50 52 54 56 58 60

Album des Monats: Lindstrøm & Prins Thomas Frei wie ein Vogel: Jesse Hughes Playlist: Mercury Interview: Gotye New York’s Smallest Interview: Moustache Men Soundcheck Danish Butter Cookies

Fashion 22 68 70 72 74 78 86

‹Pic Nic› von Jaime Martinez Vertreter: Vans Classics Saskia Diez: Die Poesie des Simplen Itsy Bitsy Teenie Weenie… Walk on the Sunny Side ‹Black Planet› von Philipp Mueller Vive la Fragrance

Art & Co

90 96 102 104 110 114

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Xander Ferreira: African Renaissance Lindsey Gooden: Kittenish Dreams Aue Sobol: Radikale Nahansichten Theo Jansen: Da Vincis Erbe Il Circolotta Top Notch Gallery: Zaum Projects Lissabon

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African Renaissance

Der südafrikanische Künstler Xander Ferreira alias Gazelle macht in seinen verschiedenen musikalischen Projekten und fotografischen Arbeiten seine Heimat nicht nur zum Thema, sondern den Menschen jenseits der afrikanischen Grenze gleichzeitig auch Mut, die Augen beim Blick gegen den Schwarzen Kontinent auf mehr als nur die Entwicklungsprobleme und Bürgerkriege zu richten.

70 Die Poesie des Simplen

In hektischen Zeiten voller schriller Farben und Eyecatcher schaffen die Stücke der deutschen Schmuck- und Industrial­desig­nerin Saskia Diez mit ihren unauf­dringlichen und schönen Formen zurückhaltend und leise ein angenehmes Gegen­gewicht. kinki Autorin Anja Mikula sprach mit ihr über ihren Werde­gang und die stille Poesie, die ihren Kollektionen innewohnt.


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Frei wie ein Vogel Jesse Hughes, Sänger der ‹Eagles Of Death Metal›, lebte den Rock’n’Roll-Lifestyle mit Drogen, durchzechten Nächten und Mädels en masse in vollen Zügen. Bis er Koko kennenlernte… Der Fotograf Matthias Willi und unser Autor Olivier Joliat trafen sich mit dem schnauzbärtigen Übermann und seiner neuen Flamme und sprachen mit ihm übers Kinderkriegen, Eigenheim und den Rock’n’Roll.

104 Da Vincis Erbe

Wenn Theo Jansens ‹Strandbiester› am Nordseestrand ihr leises Unwesen treiben, treffen künstlerische Aussagen auf tech­nische Gerätschaft. Seine unheimlichen Wesen sind nämlich allesamt ‹powered by nature› und werfen mit ihrem fast schon biotechnischen Charakter existentielle Fragen nach dem Grenzabschnitt zwischen Lebewesen und Maschine auf.

‹contributors›

Petra Engelke

Philipp Mueller

‹Ey, aber ich will jetzt einen Rabbit!› kreischt eine füllige Frau in ihr Handy, und zum Telefonieren legt sie ihren Burger zwischen zwei Dildos. Dieser Anblick in einem Edel-Erotikladen brachte Petra Engelke auf die Idee, etwas über das Aussehen von Sextoys zu schreiben. Design ist schliesslich eines ihrer Schwerpunkt-Themen, neben Musik, Literatur und Mode. Als freie Journalistin arbeitet sie in Bochum und New York, leitet das Ruhrgebietsmagazin ‹Heimat­ design› und reist für Interviews mit Menschen wie Marilyn Manson, Sibylle Berg oder Romain de Marchi durch die Welt. Den nötigen Halt geben ihr Traditionen, Ver­zicht und Fleiss: Seit gut 20 Jahren schaut sie die ‹Lindenstrasse› und kultiviert Unordung, besitzt weder Haar­bürste noch Backofenspray und kann stundenlang telefonieren.

‹Musik ist der Motor meiner Fotografie›, beschreibt der Zürcher Fotograf Philipp Mueller seinen Haupteinfluss. Egal ob Britpop, Punk, New Wave oder Rock: Philipps Interesse für Musik ist wohl fast so gross, wie jenes für die Fotografie. Doch natürlich hat sich in den letzten 10 Jahren nicht nur Philipps Plattensammlung, sondern auch sein fotografisches Werk ver­ grössert: nebst eigenen Projekten arbeitete er für Magazine wie Indie, I love Fake, GQ, Intersection, AD und den Playboy, und schoss Kampagnen für Rene Lezard, Wolford und viele mehr. Wenn man Philipp irgendwo zwischen Zürich, London und Paris einmal ohne Kopfhörer in den Ohren oder Kamera in der Hand antrifft, so bewundert er wahrscheinlich gerade mit grossen Augen einen Oldtimer, denkt darüber nach, sich wieder ein ‹Hödi› zu kaufen, oder aber er steht bei einem Konzert in der vordersten Reihe. Doch dann hat er wahrscheinlich trotzdem seine Kamera in der Hand…

Florence Ritter & Sarah Maurer

Für unser Dänemark-Special sandten wir zwei Damen auf Impressionsjagd in nordische Gefilde. Zurück kehrten sie schweren Herzens, dafür aber reich mit Berichten aus der dänischen Untergrund­kultur ausgestattet. Während vier Tagen kämpften sich Sarah Maurer, ihres Zeichens Modefotografin, und unsere Redaktorin Florence Ritter durch die dänische Musik­ szene. Neben musikalischen Entde­ck­ungen und einem übermodischen Kleinvolk erlebten sie ihr ‹cleanstes› Festival, beobachteten schnell vorbeiziehende Wolken, fanden mehr als ein Traumhaus mit Prachtgarten und suchten erfolglos nach vegetarischem Essen. kinki

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‹gossip›

free iggy

‹agenda›

06 04.06.–06.07.

luca schenardi: das ist ja das schöne daran Galerie Daeppen, Basel 11.–13.06.

10 jahre mute.ch festival Hive, Zürich 25.06. Do

bonaparte (de/ch) Volkshaus, Basel

frango & nino zolo from sirion records (ch) Club Bonsoir, Bern 18.–20.06.

Iggy forever! Auf ‹Preliminaires› beweist uns Mister Pop, wie fit er trotz seiner 62 Jahre noch ist!

Wer mag ihn nicht, den schreienden, adrigen alten Herrn in der zu tief geschnittenen Jeans? Iggy Pop hat nicht nur mit seinem Äusseren, ­sondern auch mit seinen Songs über mehrere Jahrzehnte hinweg Mu­ sikgeschichte geschrieben und gehört deshalb zweifellos in jede CDSammlung! Auch auf seiner neusten Scheibe ‹Preliminaires› macht Iggy seinem Ruf als Urvater des Rock’n’ Roll alle Ehre und beweist selbst jüngeren Generationen melodie- und stimmgewaltig, dass der ‹Passenger› niemals zum Trittbrettfahrer wer-

den wird, sondern seiner Vormacht­ stellung als Kapitän des drecki­gen Rocks neuerdings auch in Balladen mehr als gerecht wird. kinki verlost unter ­allen Fans und solchen, die es noch werden wollen, 10 Stück seiner neuen CD ‹Preliminaires›! Schickt einfach bis zum 20.7. eine Postkarte mit dem Stichwort ‹Iggy› an kinki magazine, Hard­turmstrasse 68, 8005 Zürich, und nennt mit ein bisschen Glück schon bald auch ­dieses Stück Musikgeschichte euer Eigen! (rb)

this month on the web kinki? Hvordan udtaler man dette ord? Wie im Heft spielen diesen Monat auch online Dänemark be­ziehungsweise dessen sympathische Bewohner eine grosse Rolle! Wer die dänische Sprache für den kommenden Besuch am Roskilde Festival schon fleissig gebüffelt hat und sich nun fragt ‹Kender deet godt hotel?›, dem wird auf www.kinkimag.com ­geholfen. Und zwar mit einem Report über das Fox Hotel in Dänemark und vielen interessanten Tipps rund um Kopenhagen. Ausserdem gibt es ein Interview mit der Designerin Stine Goya nachzulesen sowie ­einige weitere Mitbringsel unserer ­ kleinen Rundreise. Doch auch für alle, die Dänen für brachiale Wikinger ­ 12

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halten und sich entschlossen haben, dieses Land niemals zu be­suchen, gibt es Grund genug, einen Blick auf ­unsere Website zu ­werfen, denn nebst einer wunderschönen Foto­strecke von Christiane Paul Krenkler erwartet euch dort auch ein Fea­ture zum Roadtrip des Schweizer Musikers und Multitalents KWEST, ­gespickt mit zahlreichen stimmungsvollen Bildern seiner ­Reise, aus­serdem viele neue Videos, Young Art Portraits und na­türlich ­t äglich das Neuste aus der Welt der Mode, Musik und ­Kultur sowie ­unsere zwei ­wöchentlichen Kolumnen unter ‹Gossip›. In ­diesem Sinne: god aften und viel Spass! (rb) www.kinkimag.com

sonar festival feat. little boots (uk), animal ­collective (usa), grace jones (usa), ebony ­b ones (uk) uvm. Barcelona, Spanien 26.–28.06.

open air st.gallen feat. the flaming lips (usa), mando diao (swe), the sounds (swe), cold war kids (usa), ­sophie hunger (ch) uvm.

07 Sittertobel, St. Gallen

02.–05.07.

roskilde festival feat. faith no more (usa), ­fever ray (swe), fleet ­foxes (usa), gang gang dance (usa) uvm. Roskilde, Dänemark 03.–05.07.

eurokéennes festival feat. ghinzu (bel), the ting tings (uk), yeah yeah yeahs (usa), peter doherty (uk), laurent garnier (fr) uvm. Belfort, Frankreich 09.07. Do

the dillinger escape plan (usa) Sommercasino, Basel 16.–19.07.

­ urtenfestival feat. g franz ferdinand (uk), friendly fires (uk), kings of leon (usa), juliette and the new romantiques (usa) uvm. Gurten, Bern-Wabern


KIN OF L GS E PAT ENT T ON OCH RAVI

SON NTA G

JUL SEV IETTE S KUM EN • LEW NE MER RITS IS R BUB CHI BAD EN DIES

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FRANZ D N A N I D FER Bloc PARTY

DONNERSTAG

LIES E IT H W • P P O S RoYK HEM T N A T H IG L S A G THE NTE E G R O S • S Y H P R DROPKICK MU nfestival.ch ••

www.Gurte

ORAAZORSLIGISHT

SAMSTAG

SILBERUMLUOMND

TRICKY • PEND ESTRA H C R O E IS D A R A P A K S O Y TOK PHENOMDEN • LOVEBUGS MOONRAISERS GLASVEGAS

E V O O R G ADA M R AKA-P IDO

G A T I E FR

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am seidenen faden

Foto: Michael Zueger Courtesy Karma International Zurich

Ausstellungen können für den ein oder anderen unangenehm sein: man ist sich meist in einem weissen Raum selbst überlassen – konfrontiert mit grossen Emotionen, die einen seitens der Exponate schier anzu-­ fallen drohen. Einen ganz anderen und besonders mutigen Ansatz wagt Karma International mit der Ausstellung ‹The Intimate Revolt› des mexikanischen Künstlers Martin Soto Climent. Wie ein Aussenstehender, der nicht an dem ihm dargebotenen Spektakel teilhaben kann, bleibt der Besucher im wahrsten Sinne ausgeschlossen: nur durch ein Guckfenster kann er in die Galerie blicken. Dort stehen, in Schieflage an die Wände gelehnt, so dass sie fast umzukippen drohen, sieben abgegriffene Besenstiele mit ­Haarteilen. Für den Künstler sind sie Mahnmale, die dem Betrachter vor Augen halten, dass eine ständige Identifikation mit der Arbeit allzu fraglich, ja gefährlich ist. Wo bleiben unsere Wünsche und Träume im Alltag? Das, was in der Galerie stattfindet, zeigt den Istzustand auf, der den wahren Bedürfnissen des

Individuums jedoch nicht immer ­gerecht wird. Ausserhalb der Galerie steht der Betrachter mit seinen ­Hoffnungen und Wünschen. Mit seiner Installation ‹Phantasy of an Immigrant Dream› gelingt es dem Künstler, dem Besucher das wachsende Ungleichgewicht zwischen dem, was wir bräuchten und dem, was ­unser Leben ausmacht, vor Augen zu führen. In der Installation ‹Tights on Canvas›, die die Ausstellung um eine weitere Serie bereichert, zog der Künstler Seidenstrümpfe über blanke Leinwände, um auf den Akt des Ausziehens und somit auf eine direkte Realitätsebene zu verweisen. Auch hier bleibt der Zuschauer ein Ausgeschlossener, die brutale Dualität der gespannten, filigranen und verletzlichen Strümpfe zusammen mit der blossen Kälte der weissen Leinwände beobachtend. (am) Karma International Dufourstr. 48, Zürich Freitag 12 bis 18 Uhr Samstag 11 bis 17 Uhr www.karmainternational.org

kosmopolit greetings to ­greece

zweiter Hand, nicht von gestern, sondern mittlerweile von übermorgen. Man findet sie überall, nicht mehr nur in kleinen Ramschläden, sondern in ausgewählten Vintage Stores. In den USA schon längst bekannt und langsam zu uns schwappend, gibt es die edle Ware immer öfter auch Online zu ergattern. Aber was macht diesen Vintagetrend so ­besonders? Jedes Teil hat seine Geschichte, ist somit unverwechselbar einzigartig. Genau diesen GeKleider mit schichten nimmt sich Bryan Geschichte: Weltenbuerger.org Sanderson mit dem Projekt ‹Wel­ tenbuerger› an. Er startet im ­Sommer für uns in Los Angeles und Erinnerungen an Grosstante Trudi, bereist als erstes die kalifornische wie wir bei Kaffee und Kuchen sitModeküste. Dabei sammelt er Kleider zen – sie elegant mit hoch geschnit- und die dazugehörigen Geschichtenem Kragen, darunter die edle ten von den unterschiedlichsten MenBluse und ihre schweren Klunker an schen und Genres und bringt sie den Händen – kamen kürzlich in ins Netz, nach Europa und in den Kleimir hoch, als ich mich unverhofft dank derschrank hungriger Vintage­ meiner Fernbedienung in einem fans. Hier wird jeder fündig, der auf ­Hollywood Film in Schwarzweiss Individualität setzt. (rz) befand. Doch wo bekommt man die- www.weltenbuerger.org se tollen Kleider? Die Mode aus 14

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fehlt. Mit dem griechischen Mode-, Musik- und Kunstmagazin ‹Ozon› verbindet uns nämlich schon seit geraumer Zeit eine internatio­ nale Freundschaft. Diesen Monat werfen die Athener Magazinmacher um Yorgos Kelefis in ihrer ‹Staying Alive›-Issue den Blick auf die ­Independent-Magazinlandschaft und stellen dabei ihrer Leserschaft ­neben drei weiteren mit viel Herzblut gesegneten Printerzeugnissen auch unsere Wenigkeit vor! Wer also schon immer mal wissen wollte, was kinki auf Griechisch heisst oder einfach auf der Suche nach inter­ essanten Reports (die Texte sind allesamt auch ins Englische überWer dachte, in harten Zeiten wie die- setzt), schönen Fotostories und den sen würden sich die Magazine geheissesten Tips aus dem griechigenseitig die Molotow-Cocktails schen Underground ist, der sollte undurchs Redaktionsfenster werfen, bedingt sein Augenmerk auf den Zucker in den Auspuff stopfen und in südlichen Zipfel unseres Kontinents unerbittlichem Konkurrenzkampf richten! (rb) ­miteinander liegen, der hat weit ge- www.ozonweb.com


spezialfall

biermuskeln Nicht nur für durch­ trainierte Damen und Herren ein Muss: Sixpack Clothing aus Frankreich.

Eine der einflussreichsten und erfolgreichsten britischen Bands der Musikgeschichte überhaupt feiert ­ihren 30. Jahrestag. Die Rede ist von ‹The Specials›. Zwischen 1979 und 1981 hatte die Band sieben UK Top Ten Hits, trotz allem trennten sich die Wege der Bandmitglieder für ­einige Zeit. Letztes Jahr gaben sie dann bekannt, dass sie wieder ­zusammen gefunden hätten. Auch eine Tour ist nun für 2009 geplant. ­Zusammen mit dem Design-Team von Fred Perry entwarfen sie drei Shirts, in dem für die Band typischen ‹2-Tone-Look›. Die Shirts werden Ende Juni releast; um an ­eines ranzukommen, muss man sich allerdings auf www.fredperry.com registrieren. (uberding.de)

Was, ihr habt kein Sixpack? Aber bei diesen sommerlichen Temperaturen darf man sich ohne doch nirgendwo sehen lassen! Schämt euch,

wir von der Redaktion haben alle eins! Die Rede ist hier natürlich nicht von schnöder Muskelmasse (‹Wir ­haben schliesslich keine Zeit zum

Trainieren›, lautet da unsere Ausrede), sondern von den einzigartigen Shirts des französischen Street­ wear Brands ‹Sixpack›. Seit über zehn Jahren rüstet das Label aus Avignon nämlich den kunstbe­ wussten Torso mit interessanten Collabo-Shirts aus; über 80 verschie­ dene Künstler verliehen den Kollektio­­nen des ­Muskelbrands schon ihre Pinselstriche. Darunter finden sich berühmte Namen wie Parra, Cody Hudson, Mike Giant, Supakitch und Steven Harrington, der zum ­zehnten ­Jubiläum des Brands kurzerhand ein Buch für das Label de­ signte. Ein Sixpack lohnt sich diesen Sommer also definitiv, auch für Schlabberbäuche und Couchpota­ toes, denn die Shirts gibt’s auch in Grösse XL. Für alle die sich das ­Sixpack lieber in den Hals kippen, statt an­zutrainieren! (rb)

www.sixpack.fr

rt von Preise im We

Kein Kaufzwang. Promotionsende: 30.09.09 Teilnahmebedingungen: www.summer-dreams.ch

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slim shadies

dänisch für anfänger

Mit ihrer letzten Kollektion prognostizierte das dänische Label ‹Red Issue› der Damenwelt für 2008 den Look der Stadt-Indianerin mit Haarband und Fransen sowie den aussondierten Prärielook in Form von Karohemden in ungewöhnlichen Schnitten. Mit ihrem Trendgespür sollte das dänische Label recht behalten, denn auch diese Saison strömen modische Frauen in Kleidung mit Winnetou- und Old-ShatterhandEinschlag über Beton, Stock und Stein. Das Credo von ‹Red Issue› lautet, erschwingliche Mode für ­junge, selbst- und stilbewusste Frauen zu kreieren sowie die weibliche Individualität zu würdigen. Dies erfüllt das dänische Label mit ­Bravour, viel Stil und Trendbewusstsein, weshalb wir die neue Herbst-/ Sie fing als alltäglicher Gebrauchs­ Winterkollektion 2009/10 kaum gegenstand an und bald hassten ­erwarten können. Diesen Herbst warsie alle: die Brille. Bücherwürmer und tet ‹Red Issue› wieder mit einer Brillenschlangen brachte man ­thematischen Kulisse auf: Robin mit ihr in Verbindung und vor allem die Mädchen fürchteten sich vor ihr. Zum Glück gab es Haftlinsen. Doch mit der Zeit veränderte sich das Image der Brille. Sie wurde zum Kult. So wird sie nicht mehr nur auf Nasen von Maulwürfen gesichtet, sondern mittlerweile auch in Nachtclubs, mit getönten Gläsern oder bei hippen Leuten, die sich gleich das Wort Fake auf ihre Stirn schreiben könnten. Wer diesen Trend nicht versteht und ihn auch nicht für gelungen hält, kann mit der surrealen Idee von ‹Azumi and David› zurückschlagen. Die coolen SchattenTape-Brillen gibt es in vier Designs: den Disc Jockey, das Supermodel, den Architekten und den Intellektuellen. Ob man sie auf sein Shirt klebt oder Pakete damit verziert, bleibt jedem selbst überlassen. Neben den Fake-Tape-Brillen haben ‹Azumi and David› noch viel Überra­ schendes zu bieten. Sie verfremden Taschen, Schmuck und Mäntel, und lassen uns staunen. Accessoires werden neu erfunden und machen ihre Träger zu irritierenden Kunst­ werken. Das Designerduo studierte an der Central Saint Martins Uni in London. Das Ehepaar ent­wirft seit September 1999 ironischen Eine der wichtigsten Regeln der Rhetorik lautet: fasse dich kurz! Und Körperschmuck und seit 2003 auch Kleider. Wir sind gespannt, wel- unter diesem Motto stehen auch dieses Jahr wieder die ‹onedotzero_ chen Trend sie das nächste Mal auf die Schippe nehmen und ihn uns adventures in motion›. Seit Jahren sorgt das in London lancierte Fesso erträglicher machen. (rz) www.azumianddavid.com tival nämlich international für Furore und

Hood, Wald, bunte Blätter, Herbstfarben sowie vom Sommer importierte, etwas abgedunkelte Fliederund Lachstöne, dominante Einfarbigkeit, aber hier und da auch mal wenige, dezente Prints. Umgesetzt wird die Mode mit oversized Schnitten, luftigen Oberteilen, ­opulenten, aber leichten Blusen und Hemden sowie Fledermausärmeln. Kontrastierend wird das feminine Attribut par excellence – die Taille – in Szene gesetzt: zu den weit geschnittenen Oberteilen werden ­Röcke oder Hosen mit hoher Taille und Karottenschnitt kombiniert. Sehr fashionable, innovativ, minimalistisch und bisschen retro; um ­Robin Hood und hohe Taillen kommt diesen Herbst vermutlich kein ­Fashion Victim herum. (fr)

Red Issue aus ­Dänemark verzau­ bern Grossstadtprinzessinen in märchenhafte ­Wesen.

www.red-issue.com

klappe 1.0 und action!

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Kurzfilme, Musicclips, Werbespots und Animationsfilme werden im ­Rahmen des ‹Zurich Film Festival› vom 24. September bis zum 4.Oktober im geschichtsträchtigen Zürcher Kino ‹Seefeld Razzia› den kritischen Augen der Festivalbesucher vorgeführt. Das Publikum wird dann auch darüber entscheiden, wer den begehrten Preis nach Hause nehmen wird. Wer also davon überzeugt ist, dass in ihm ein kleiner Spike Jonze schlummert, der sollte sich schleunigst an ein Drehbuch von höchstens 15 Minuten Spieldau­ er setzen, denn bis zum 23. Au­ gust nimmt die Jury eure Einsendungen entgegen. Wer sich der Auffindet nun 2009 in der Schweiz gabe des Regisseurs nicht gewachmit onedotzero_ch sein Pendant. Die sen fühlt, der sollte sich diesen Veranstalter befinden sich zu dieHerbst dann am onedotzero mindessem Zweck auf der Suche nach inte- tens als Filmkritiker versuchen! ressantem, eindrücklichem, witzi­Weitere Info zum Wettbewerb sowie gem, traurigem, trashigem und schö- Richtlinien und Anmeldeformulare nem Filmmaterial! Die besten findet ihr auf onedotzero.ch. (rb)


werde ­botschafterin von ‹roxy heart›

Im tiefen Innern wünschst du dir, ein Kind der 69erBewegung zu sein?

Dass Roxy längst nicht mehr nur die sportaffinen Mädchen unter uns anspricht, ist wohl kein ­Novum. Dafür hat das Label eine ganz andere Neuigkeit in petto: die Lancierung einer neuen Linie unter dem Namen ‹Roxy Heart›. Mit der ersten Kollektion gelingt es dem ursprünglich aus dem Surfwear-Bereich stammenden Label, auch das Herz der hartgesottensten Fashionistas zum Pochen anzuregen. Hinter ‹Roxy Heart› steht die Idee, jede Saison einem neuen Modedesigner das Zepter in die Hand zu geben, um die Linie von seiner ganz eigenen Interpretation ­beleben zu lassen. Für die erste Kollektion fiel die Wahl nicht weit vom Stamm, und so wurde die Roxy Chefdesignerin Valérie Thevenot als erste an den Schnitt-Tisch gebeten. Die Französin ­entwarf eine Kollektion, die Volumen wagt und ebenso mit kleinen Details wie vollen Farben ­aufwartet. Insgesamt kommen die einzelnen Teile der Kollektion angenehm mädchenhaft, leicht und natürlich daher – fast wie ein erfrischendes und heiss ersehntes Wassereis am ersten Um Botschafterin der Schweiz zu werden, ­heissen Tag des Jahres. Ihre Inspiration schöpfte bedarf es für ­gewöhnlich eines recht umfassenden Valérie Thevenot hauptsächlich aus den 60erStudiums der Politik, und auch eine aufstrebenund frühen 70er-Jahren. Woodstock klingt hier de Karriere in politischen Kreisen ist als förderlich förmlich in den Fasern der Textilien mit: das anzusehen. kinki gibt einer von euch da draus­rauschendste Fest, das je eine Gegenbewegung sen die Möglichkeit Roxy Heart Botschafterin hervorgebracht hat, sorgt auch hier für eine der Schweiz zu werden – ganz ohne Diplom ­sehnsüchtige Hommage an den jugendlichen und andere ­anstrengende Hürden. Gefragt sind Hedonismus und die Exzesse jener ver-­ Look und ­Ausstrahlung. gangenen zwei Jahrzehnte. Da nun der Name des

Modedesigners sich im jährlichen Turnus verändert, bleibt auch das Gesicht der Roxy Heart Botschafterin nicht jedes Jahr das selbe. Wer also unter euch darauf brennt, seinen inneren Hippie ein Jahr lang voll auszuleben, dem bieten kinki und Roxy die einmalige Chance, an unserem Wettbewerb teilzunehmen und das allererste Gesicht für Roxy Heart zu werden. Als Roxy Heart Botschafterin erwarten dich ­ähnlich repräsentative ­Aufgaben wie die ­einer politischen Abgesandten. Allerdings ist hier der Glam-Faktor von einer ganz anderen Dimension: ein Jahr lang wirst du für Roxy Heart die Schweiz repräsentieren, wofür du je nach Saison und Kollektion Roxy Heart Produkte erhältst. Zudem bist du ein gern gesehener Gast auf nahezu allen Roxy Events national und international. Schick deine Bewerbung und / oder drei gute Gründe, wieso wir dich als Am­ bassadeur auswählen müssen, zusammen mit kurzem Lebenslauf und Foto (Ganzkörper­ aufnahme und Porträt) bis spätestens Ende Juli 2009 an: Marketing Quiksilver + Roxy Suisse Sunshine Diffusion sa Rue Centrale 115 CH-2503 Bienne

Wenn sich dein innerer Hippie von Roxy Heart angesprochen fühlt, du zwischen 18 und 30 Jahren jung, mindestens 170 cm gross bist und Grösse 36 oder 38 trägst, dich zudem selbst als Trendsetter siehst und mit der Marke Roxy identifizierst, dann könntest du die Botschafterin für Roxy Heart in der Schweiz sein. Die Gewinnerin wird im August 2009 bekannt gegeben. (am)

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wake your ­booty

Mit stillen Wassern und kristallklaren Bergseen kann die Schweiz prahlen – eine wahre Freude für konservative Schwimmer und Ru­ derer! Doch was ist mit den BrettAficionados, müssen die im Sommer ihres Elements beraubt auf dem Trockenen bleiben? Wellen­ reiten und Windsurfen? Fehlanzeige. Kein Wind verursacht genügend

grosse Wellen, um darauf zu gleiten, und auf den meisten Seen im Un­ terland bleibt gar der Wind zum Windsegeln oder Kytesurfen aus. Zum Glück können die Brettsportler mit künstlichen Mitteln in das Geschehen eingreifen! Per Schnellboot können Wakeboarder am Seil über die Seen gejagt werden und Wakesurfer können – ganz ohne Seil –

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kinki

Der noch namenlose Blog findet mit seinem Mix aus lokalen und ­internationalen Berichten nicht nur in Basel ­Anklang.

von Pseudo-Italia-Flair angefallen zu wer­den, wenn man sich gerade nur nichts ahnend ein Eis holen wollte. Und wem das ganze Geschlemme ein schlechtes Gewissen verursacht, weil es gerade möglicherweise ernsthaft die Bikinifigur gefährdet, der kann sich immer noch mit dem Gedanken trösten, dass ‹DasEis.› vor Bio und Öko nur so strotzt (atomstromfrei, kompostierbar, ungebleicht). Und schmecken tut’s sowieso. (am)

Wie sollen wir ihn bloss nennen? Oskar? Fynn? Oder doch lieber Ronzo C-310? Es ist nicht ganz ­einfach, den richtigen Namen fürs eigene Baby zu finden, noch viel schwieriger aber gestaltet sich die Namenssuche, wenn es sich beim Sprössling um einen Podcast handelt. Erschaffen wurde ‹Der noch na­ www.wakesurffestival.ch menlose Podcast› von drei Studenten und einem Informatiker aus Basel, die mit ihren liebevoll gestalteten Reportagen und Beiträgen aus den ­Bereichen Musik, Internet, Technik, Wissen und Reisen schon bald auf eine grosse Hörerschaft blickten, die sich weit über die Grenzen der beiden Basler Kantone erstreckte. Egal ob von der Kissenschlacht auf dem Barfüsserplatz oder aus dem tiefsten brasilianischen Dschungel: die Reporter des noch namenlosen Podcasts warten alle zwei ­Wochen mit einem breitgefächerten und ungewöhnlichen Themenmix auf, der die Namenssuche denn auch Ja ist denn heut schon Weihnachten? nicht gerade einfach macht. Wer also mal Lust hat, sich das Baby, das Zum Glück nicht, denn sonst ­könnte man bestimmt nicht die supergeile laufen lernte, bevor man es beim ­Namen rufen konnte, selbst anzuhöSonnenbrille von Adidas ­Originals aufs Näsli setzen und mit ren, der braucht nur einmal non­ chalant mit dem Zeigefinger über die dem goldenen Rahmen die Son­ nenstrahlen des Sommers reflektie- mittlere Tastaturreihe zu fahren und sich unter http://asdfghjkl.ch ren. kinki verlost ein Modell mit dem Namen ‹Flyboy› im Wert von die aktuelle Sendung anzuhören. CHF 368.– Schickt einfach einen Namensvorschläge sind bei den MaBrief / eine Postkarte bis zum 20.7. an: chern sicherlich weiterhin willkomkinki Redaktion men. Unsere Favoriten sind ‹Podtox›, Stichwort: Flyboy ‹Jean-Louis Montagne› und ‹Boy Hardturmstrasse 68 8005 Zürich Pod›… (rb)

www.DasEis.eu

(am)

grünes eis Wer mit Eis nur schnoddrige Eisdielen à la ‹da Giovanni› in Verbindung bringt, der wird begeistert sein von ‹DasEis.›. Seines Zeichens ein kleiner, aber feiner Eckladen mitten in der Frankfurter Innenstadt, der sozusagen mit der Haute Cuisine der Eiscreme aufwartet. Selbst die konservative FAZ hat da einmal die Probe aufs Exempel gemacht und sich einen kleinen Löffel kalter Eiskristalle auf der Zunge zergehen lassen und befunden: ‹«DasEis.» ist der Club unter Frankfurts Eisdielen.› Das ­Eiscafé begeistert nicht nur mit Bio-Eiscreme der Extraklasse von ‹health planet› und mehreren Sorten frischen Bio-Softeises. Auch die ­zurückhaltende Inneneinrichtung lässt dem Superstar ‹Ice Cream› charmant den Vortritt. Hier wird das Glace auf schlichtem Glas in einem fast schon trocken-technischen Ambiente serviert. Zur Abwechslung ist es mal ganz angenehm, nicht

dicht am Boot direkt auf den verursach­ten Wellen gleiten. Zu einem solchen Wakesurf-Treffen der Superlative kommt es vom 17. bis 19. Juli 2009 in Murg am Walensee. Fernab der Sandstrände und Topspots ­dieser Welt, umringt von Bergen kommt an diesen Tagen auf dem türkis­ grünen Walensee richtiges ­Surffeeling auf. Ein Wochenende lang wird von nationalen und internationalen Surf-Pros Surfaction vom Fein­sten geboten; viele Tricks, ­spannende Contests und gute Mucke sorgen auch bei den am Landge­bliebenen für das richtige Ambiente. Mit dabei sind unter anderem die Bündner HipHop-Combo Liricas Analas, Igor Podladtchikov und die Turntable Babes, somit kommen auch Landratten und Schau­lustige am grössten Wake Surf Contest der Schweiz auf ihre Kosten. Der Eintritt für Konzerte und Partys ist frei; Übernachtungsmöglichkeiten sind vorhanden für alle, die gleich drei Tage lang ­Hawaiifeeling inmitten der Berge möchten. Los! (fr)

nomen est nullus

pretty fly  – for a white guy

http://asdfghjkl.ch/podcast


leben im moment

Polaroid meets ­ raffiti: ‹Like Lipstick G Traces› dokumentiert den Alltag von 13 ­Writern in über 600 Bildern.

Wer selbst über eine Polaroid-­ Kamera und die mittlerweile selten gewordenen dazu passenden Fil­me verfügt, der weiss, wie wertvoll und speziell das Gefühl ist, wenn man das graue Bildchen aus dem Apparat zieht, es behutsam auf den Tisch legt und gespannt beobachtet, wie die verschwommenen Farben langsam Form annehmen. Den französischen Künstlern Aurelien Arbet und ­Jérémie Egry geht es in ihrem neues­ten Buch ‹Like Lipstick Traces›

­ enau darum, mithilfe einer solchen g Sofortbildkamera Einsicht in die ­speziellen Momente aus dem Leben anderer ­Menschen zu erhalten – und zwar in jene von 13 verschiedenen Graffi­ti-Künstlern diverser Herkunft und Generationen. Zwei Jahre lang begleitete die Kamera die Writer nicht nur bei ihren nächtlichen ­Ausflügen zu verlassenen Gemäuern und Rangierbahnhöfen, sondern vor allem in ihrem Alltag. Entstanden sind wundersame Collagen, die dem Betrachter einen kuriosen und einma­ ligen Blick durch die Augen verschiedenster Künstler erlauben und so auch Aufschluss über deren ­Umgebung und künstlerische Einflüsse ­geben. Gefeiert wurde das 600 Bilder starke Werk diesen Monat mit einer Buchvernissage im Pariser Conceptstore ‹Colette›, wo es auch ­erhältlich sein wird. Wer in nächster Zeit aber keinen Ausflug in die Stadt der Liebe plant, der kann sich diese wunderschönen Seiten auf www.likelipsticktraces.com auch nach Hause bestellen. (rb)

hype the stripes Happy Birthday Adidas! Seit sechzig Jahren beehrt uns das deutsche Label nun schon mit seinen dreigestreiften Schuhen und Kleidern! Was anfangs als reine Sportbe­ kleidungsfirma gedacht war, schaffte schon bald auch den Weitsprung von der Tartanbahn auf die Strasse. Spätestens seit Run DMC, ­ Missy Elliot und der Nu Rave-Bewegung findet sich sicherlich in jedem eurer Kleiderkästen ein Adidasstück! Nun sucht das legendäre Label für seine Geburtstagsfeier auf seiner Facebook-Seite nach einem passenden Medienpartner für die fulminante Party, die diesen Herbst auch hierzulande gefeiert wird – und wer würde da besser passen als unsere Wenigkeit? Also rennt bitte sofort zum Computer und votet für uns, was das Zeug hält!

Sollten wir aus diesem Wettbewerb nämlich als Sieger hervorgehen, so suchen wir nach eurem originellsten, abgefahrensten oder geschichtsträchtigsten Stylingvorschlag: einfach reinschlüpfen in die Adi­ letten, Superstars oder Trainerhosen, sich in Pose schmeissen, ein Foto schiessen und ab damit an partydas @kinkimag.ch. Die besten Ein­ sendungen werden wöchentlich auf www.kinkimag.com vorgestellt und kommentiert; die drei besten Outfits würden auf der Adidas-Party ­diesen Herbst gefeiert und ausserdem in einer kinki-Modestrecke ­verewigt werden! Aber wie gesagt: zuerst müsst ihr mal fleissig voten, denn diesen Kampf müsst ihr für uns gewinnen! Weitere Info auf ­kinkimag.com und adidas.com. (rb)


klagemauer Dein Meerschweinchen hat dich heute gebissen? Deine Freundin steht auf DJ Bobo? Die Welt ist böse? Zürich geht dir auf den Sack? Dein Lover hat deinen Geburtstag vergessen? Egal was dich gerade stresst oder nervt: auf kinkimag.com unter ‹Klagemauer› kannst du Dampf ablassen. Die besten Einträge werden hier veröffentlicht.

dass ich nur noch in facebook-statusmeldungen denke :-( cerco | dass mein charmanter Mitarbeiter mit dem stets warmen Lächeln der Vater von diesem arroganten Sack ist, der meine Freunde verprügelt hat hannahamster | immer willi figge, tag und nacht, nacht und tag – ah schniided mer das ding ab ­Anonymous | ich hasse es, wenn ich ein cliché bestätige...aber ja...ich warte wie besessen auf SEINEN anruf... ungeduldhoch10 | Auf das neue Kutti MC Album warten ... Pia | hirnschläge – das allerschlimmste Anonymous | untalentierte, von sich selbst überzeugte modestudenten. meisterschüler | All die aufgeblasenen, lackierten, Aktenkoffer tragenden Männer, die dir in letzter Sekunde, unterm Arsch weg, den Sitzplatz im Zug klauen! Und ohne mit der Wimper zu zucken den Laptop aufklappen. ­sehzu | dass dann morgen wieder alle oberfussballexperten sind und wissen, wieso der dings eben doch besser platziert gewesen wäre, wenn der trainer bei seinem ersten dings geblieben wär. uuu und der alain sutter ist ein intellektueller, genau. gut, ich geh dann mal saufen. tschüss! cerco | Ich hoffe, dass der mutige Student, der heute meinen Regenschirm gklaut, so dumm ist ihn wieder zu benutzen und der Zufall auf meiner Seite ist und ich ihn damit sehe! I’ll beat your ass! Blake_Shaft | scheiss auf heimat. wer hat das schon? wir sind eh alle nur haltlose, rumfliegende, unförmige, zerquetschte moleküle. p­onydonydonut | wenn andere sooo arogant und eingebildet sind... doch sie merken es nicht... und man selber teilweise leider auch nicht... Anonymous | Mich nervt das meine Klagen schon wieder nicht im Kinki-Magazin abgedruckt wurden... Sorry wenn mein Leben nicht so beschissen ist wie das anderer Leute!!! sooogemein | beziehungspausen nerven tödlich ich muss umbedingt wieder einmal ordentlich BAMSEN!!! detschiii | wenn meine oma im hühnerstall motorrad fährt krieg ich wutausbrüche brainy | Mein verdammter Nachbar, der über mir ständig mit den Stühlen auf dem Boden rumrutscht. Das Gequietsche geht mir auf den Sack! Und mein andere Nachbarin, die mir den Keller klauen wollte! Schrisse | dass ich noch immer pickel krieg, wenn ich mir zu oft meinen lustkolben einöle. ­hank | Wenn ich jesus wäre würde ich die Zeit zurückdrehen 20

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um meine schlüssel zu finden jibbin | helft meinen mitbewohnern, spendet Hirn!! blubb | der eurovision song contest! gibts da nur noch freaks und schwuletten? ESC Hansi | Asien, die Türkei, Italien und Amerika! Hört auf so lecker zu kochen! Ihr habt mir meinen Luxuskörper genommen! meitli mit dem büchli | mich nervt, dass ich jetzt so plötzlich lust auf ein bierli habe, aber alle am wochenende leider schon wieder aus dem kühlschrank ab­gereist sind... :-) Anonymous | mich nervt, dass ich pendle bis mir mein fuss abfällt vom gasgeben, nur weil die doofe SBB nur Studenten an Schweizer Unis ein verbilligtes GA gibt. Aber ich bin doch au schwyzer und ­anere uni, dammi kantönligeischt ide chefetage! rastlos | mich nervt zu früh zu kommen und ein schales gefühl zu hinterlassen. tokyo | leute mit blauen flecken sollten sich weniger stossen lassen Anonymous | die dummen sachen in meinem kopf. und die blöden buben. madame coco | das leben menstruiert uns mal wieder voll auf den kopf. truur | dass alle ­Mädchen immer lachen, wenn ich meine Hose ausziehe. Sie sollen sich fürchten. gaspanics | Warum kann autofahren nicht sehr viel einfacher sein? ABC | ich trinke nie mehr Alkohol... bis nächsten Freitag ;) gugux |

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JAIME MARTINEZ – PIC NIC








www.brightlightbrightlight.com


Klappe zu, Hase tot

Hugh Hefner ist vielleicht der bekennendste Polygamist unserer Zeit und machte nicht nur durch seinen edlen Morgenmantel und seine ständig wechselnden Frauenbekanntschaften von sich reden, sondern ebenso als veritabler Geschäftsmann. Doch nicht nur Hefner selbst ist gealtert, auch sein Playboy-Magazin ist vom erfolgreichsten Einhand-Magazin der Welt zum Auslaufmodell geworden. Text: Jürg Tschirren

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ugh Hefner lehnt sich entspannt zurück. Es ist kalt in seiner kleinen Küche, im Appartement im Hyde-Park-Bezirk von Chicago, wo der Wind eisern um die Hausecken pfeift. Hefner trägt nur einen Seidenpyjama, seine nackten Füsse stecken in dünnen Slippers. Er spürt die Kälte nicht. Noch einmal nimmt er das fertige Heft zur Hand: ein Artikel über das Tisch-Design im modernen Büro, einer über die Brüder Dorsey und ihre Jazz-Band, daneben eine Sherlock-Holmes-Geschichte. Endlich klappt Hefner das Heft in der Mitte auf. Ein Foto-Poster streckt sich über zwei Seiten. ‹Centerfold›, flüstert der 27-Jährige nicht ohne Stolz, ‹das hat sonst keiner›. Im Bild räkelt sich auf rotem Samt verführerisch eine junge Nackte. Ihre Haut hat die Farbe von Alabaster, ihre Brüste sind gross und fest. Die Frau heisst Marilyn Monroe und Hefner hat ihr Bild für 800 Dollar billig einem Drucker abgekauft. Eigentlich war es als Kalenderblatt gedacht. Hefner geht zum Fenster. An der East 55th Street schmücken Arbeiter die Strassenlaternen mit Lametta . Wir schreiben Dezember 1953. Pünktlich zu Weihnachten werden die ersten Farbfernseher in den Läden stehen. Der Zweite Weltkrieg ist gewonnen, die Wirtschaft boomt, Amerika lässt es sich gut gehen. Im Radio singt Dean Martin laut ‹That’s Amore›. Noch ein paar Tage, dann erscheint der erste ‹Playboy›. Auf dem Cover steht keine Nummer, niemand weiss, ob es je eine zweite Ausgabe geben wird. Doch als die Startauflage innert Kürze 55 000 Exemplare verkauft, ahnt Hefner den Beginn eines Millionen-Geschäfts. Der ‹Playboy›, vom Schriftsteller Tom Wolfe nicht untreffend als ‹Einhand-Magazin› bezeichnet, wird bald zum meistverkauften Erotik-Magazin der Welt. Heute steht er vor dem Ende. Schlagzeilen 2009: ‹Der Playboy kämpft ums nackte Überleben›, ‹Das Häschen-Imperium wankt!›, ‹Playboy zeigt sich offen für Verkauf›, ‹Wie weit kann die Playboy-Aktie noch hüpfen?› Um die prekäre Situation des Hefts zu beschreiben, wird tief in die Kalauer-Kiste gegriffen. Und die nackten (Pardon, musste sein) Zahlen sind tatsächlich dramatisch: Im vergangenen Jahr schrieb der Playboy Verluste von 156 Millionen Dollar. Allein im letzten Quartal brach der Umsatz um fast 20 Prozent ein. 30

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Wozu braucht es überhaupt noch Erotik-Magazine? Wer heute Sex sehen will, muss kaum mehr tun, als ein paar unanständige Wörter ins Suchfenster seines Internetbrowsers zu tippen. Im Notfall genügt auch ein Blick ins Abendprogramm der Privatsender. Doch redet man mit ehemaligen Mitarbeitern des deutschen Playboys, ist der Erotik-Overkill nur eine Seite der Krise. Die andere ist hausgemacht: ‹In der Bildredaktion sitzen heute fast nur Frauen. Und die Playmates ziehen sich auch lieber vor einer Fotografin aus.› Resultat: Eine keimfreie Erotik, die niemandem wehtut und niemanden interessiert, dafür aber die Geschäftsführerin des Deutschen Frauenrats einst zum Kompliment bewegte: ‹Das hat wenigstens Stil, das ist sauber.› Autsch.

Aufklappbare Männerfantasien

Im Jahr 1972 klang das noch anders. ‹Wichsvorlage› war eine der hübscheren Beschimpfungen, die deutsche Feministinnen für das Blatt auf Lager hatten. Und Zensoren beugten sich in Sorge um Anstand und Moral über jedes Schamhaar.Dem Erfolg tat es keinen Abbruch: In Spitzenzeiten lag die Auflage bei mehr als einer halben Million. Mit einem gewaltigen Redaktions-Etat wurden die besten Reporter, die besten Fotografen und die besten Illustratoren Deutschlands an Bord geholt. Günter Grass und Truman Capote schrieben für das Blatt, in den Münchner Redaktionsräumen gingen Starlets wie Christine Kaufmann oder Uschi Obermaier ein und aus. Zum 30. Geburtstag der Bildredakteurin Eva Peters brachte Regisseur Klaus Lemke ein besonderes Geschenk vorbei: Dolly Dollar, mit einer Schleife um den Kopf, zum Auspacken. ‹Damals wurden Redakteure schon mal für drei Monate nach Afrika geschickt, um eine Reportage über die Massai zu schreiben›, erinnert sich ein Playboy-Kenner. Heute ist statt gut recherchierter Exotik nüchternes Kosten-NutzenDenken angesagt. Reportagen werden von ausländischen Heften eingekauft, die redaktionelle Linie kopiert lieber das vermeintliche Erfolgsmodell ‹Fit for Fun›: ‹Fünf Tipps für einen flachen Bauch›, statt dem 12-Seiten-Interview mit Fidel Castro. Und wenn gar nichts mehr geht, sollen

Celebrities helfen: ‹Wenn der Chefredaktor an einer Party Claudia Effenberg trifft, fragt er natürlich, ob sie sich nicht fürs Heft ausziehen will.› Eigentlich könnte der Playboy auch auf Stars und Sternchen verzichten: Im aufklappbaren Mittelteil wollte Hugh Hefner nie die unnahbare Schöne sehen, sondern das Mädchen von nebenan – nur halt ohne Kleider. Er wusste früh um den besonderen Reiz des Gewöhnlichen: Schon in der High School gab Hefner ein Magazin namens ‹Shaft› heraus, dessen fester Bestandteil in der Heftmitte ein Portrait der jeweils bezauberndsten Mitschülerin war. Im Centerfold schlägt noch heute das Herz des Playboys. Mehr als 50 Jahre lang liess es sich


der Boss darum nicht nehmen, die Playmates des Monats persönlich zu bestimmen. Oft blieb es nicht beim Sichten des Fotomaterials. Nach eigenen Angaben stieg Hefner in guten Jahren mit elf von zwölf Playmates ins Bett. Solche Geschichten sorgten schnell für Gerüchte: Von 1955 bis 1979 war das ‹P› auf dem Playboy-Cover von Sternen umrahmt oder mit Sternen gefüllt. Insider wollten wissen, Hefner bewerte so die Qualitäten seiner Betthäschen: wie attraktiv eine Frau ist, wie oft er mit ihr geschlafen hat, wie gut sie im Bett war. Dichtung und Wahrheit lagen dabei zumindest hier weit auseinander: In Wirklichkeit dienten die Sterne bloss als eine Art Regionalcode. Kleines Sammelsurium der besten Centerfolds gefällig? 1965 war Jennifer Jackson die erste Afroamerikanerin, 1969 zeigte das erste Playmate des Monats ihr Schamhaar. Ein Jahr später tummelten sich die ersten eineiigen Zwillinge in der Heftmitte. Auf eineiige Drillinge musste der Leser bis 1998 warten. Vorher war Liv Lindeland

den exklusiven Holmby Hills von Los Angeles im Jahr 1971 für etwas mehr als eine Million Dollar gekauft. Anders als im kalten Chicago konnte er hier das ganze Jahr über Gartenpartys im Whirlpool feiern. Im und rund ums Haus gibt es einen Weinkeller, ein Casino, einen Privatzoo und einen Tierfriedhof, eine Voliere, einen Tennisplatz, luxuriöse Gartenanlagen, in denen sich ein Albino-Pfau tummelt, einen Wasserfall und eine riesige PoolLandschaft. Mitten drin das legendäre ‹Grotto›: eine Höhle hinter dem Wasserfall, mit Jacuzzi und allem, was Männern Spass macht.

Vom Casanova zum zittrigen Rentner

Wie die Häschen im Playboy-Mansion zu hoppeln haben, verriet jüngst ein amerikanischer GossipNewsletter. Demnach teilt sich Hefner das Bett

Noch vor 30 Jahren hoppelten die Häschen scharenweise in eines der Betten im Playboy Mansion. Heute kommen eher Altenpflegerinnen.

dran, die sich 1971 als erste völlig nackt und von vorne zeigte. Im September 2001 war Darlene Kurtis als erste Frau mit rasiertem Schamhaar in der Heftmitte abgebildet. Bad Timing: Im Tumult von 9/11 ging ihre blanke Scham völlig unter. 1989 holte sich Hefner sein persönliches Centerfold nach Hause und heiratete das Playmate des Jahres, Kimberley Conrad. Als die mit ihren zwei kleinen Söhnen ins Playboy-Mansion einzog, wurde die legendäre Hasenburg für kurze Zeit zum familienfreundlichen Haushalt. Erst zehn Jahre später, nach der Scheidung, kehrten die Bunnys ins Mansion ein. Das Playboy-Mansion, ein Kapitel für sich: Hefner hat das 21000-Quadratmeter-Anwesen in

mit gut einem halben Dutzend Blondinen. Alle Frauen kassieren einen Wochenlohn von 1000 Dollar– Krankenkasse, Zahnarztversicherung und persönliche Stylisten inklusive. Dafür geben sie ihre Freiheit an der Eingangstüre aus Massivholz ab. Wenn ihr Chef um sieben zum Abendessen bittet, haben die Bunnys pünktlich und aufgebrezelt am Tisch zu sitzen. Wer zu spät kommt, wird aus dem Haus ausgeschlossen. Hefners Wort ist Gesetz: Er schreibt vor, wann seine Gespielinnen zu Bett gehen, was sie anziehen, welche Filme sie schauen und was sie essen. Die Konkurrenz unter den Frauen sei unerbittlich: Da werden Kleider zerfetzt und Shampoo heimlich mit Enthaarungscreme vertauscht. Hefner

stört so Streit wenig – im Gegenteil: ihm schmeichelt die Leidenschaft, mit der die Damen sich bekriegen. Sex hat er nur mit drei der Frauen. Den anderen sieht er zu, wie sie es untereinander treiben und schluckt dazu Viagra, als gäbe es kein Morgen. ‹Viagra und die Pille›, sagte Hefner einmal, ‹sind die beiden bedeutendsten Erfindungen des 20. Jahrhunderts.› Dabei ist der Mann in seinem tiefsten Herzen ein Romantiker. 2006 erzählte er in der Fernsehsendung ‹E! True Hollywood Story› vom schlimmsten Moment seines Lebens: Als ihm seine erste Frau Mildred Williams kurz vor der Hochzeit eine Affäre gestand. Hefners Welt lag in Scherben. Und mit ihr der Glauben an die wahre Liebe. Aus Schuldgefühl wegen der Untreue erlaubte ihm Williams, fortan mit anderen Frauen zu schlafen. Die Ehe liess sich dadurch nicht retten, sie wurde 1959 geschieden. Für Hefner der Startschuss in ein flottes Junggesellenleben. 50 Jahre später ist aus dem drahtigen Casanova ein zittriger Rentner geworden. Allerdings: wo sich Profit rausschlagen lässt, bietet Hefner nur zu gern Einblick in sein Liebesleben. Das Computergame ‹Inside the Playboy Mansion› zum Beispiel macht den Spieler zum Hausherrn der Playboy-Villa – Cyber-Häschen inklusive. Oder die Reality-Soap ‹The Girls Next Door›: Sie zeigt Hefner als Lustgreis im Seidenpyjama und in weissen Socken, umgeben von drei grossbrüstigen Blondinen in seiner fidelen WG. Die Show besorgt dem Entertainment-Kanal ‹E!› auch in der fünften Staffel noch Rekordquoten. Vor ein paar Wochen feierte Hefner seinen 83. Geburtstag. Er hat in seinem Leben viel Gutes getan: Mit der Playboy-Foundation engagierte er sich für die Bürgerrechtsbewegung und das Recht auf Abtreibung. Er hat zwei Millionen Dollar gespendet, um an der University of Southern California einen Lehrstuhl für Amerikanischen Film zu schaffen. Er hat Geld gesammelt für die Demokratische Partei, für ausgesetzte Tiere und für autistische Kinder. Selbst in Sachen Gleichberechtigung sind die Playboy Enterprises fortschrittlicher als andere Firmen. Im Topmanagement des Unternehmens sitzen 40 Prozent Frauen, bis im Januar stand noch Tochter Christie Hefner als Konzernchefin ganz an der Spitze. Hugh Hefner hat sich aus dem Geschäftsleben fast völlig zurückgezogen. Lieber widmet er sich seinen neuen Freundinnen: den 19-jährigen, eineiigen Zwillingen Karissa und Kristina Shannon. Für den Tag, an dem sein Herz die Doppelbelastung nicht mehr mitmacht, hat er vorgesorgt: Auf dem Promi-Friedhof von Westwood in Los Angeles ist seit langem eine Gruft für ihn reserviert. Sie liegt gleich neben dem Grab von Marilyn Monroe. Illustration: Raffinerie

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lux Kann man einen Vibrator auf dem Side足board ausstellen? Designer haben sich der Heraus足 forderung gestellt. Aber das war eine verdammt lange Geschichte. Text: Petra Engelke

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us lust W

ie sieht der denn aus? Das will keine Frau über ihren aktuellen Lover hören. Auch wenn sie zur Not andeuten kann, dass der Typ seine Qualitäten eben unter der Bettdecke hält: Schönheit macht einfach schneller an. Ist überhaupt kein Mensch zur Stelle, gab es lange Zeit kaum eine Wahl. Die meisten Frauen haben zwar gleich zehn Finger, die besser als der oder die Neue wissen, was sie zu tun haben, und schöne Hände sind eine gute Sache. Vibratoren brachten jedoch die befriedigenderen Ergebnisse. Nur leider mussten sie nach getaner Arbeit für lange Zeit zurück in den Medizinschrank. Zu hässlich. Bitte gestalten Sie für uns ein Sexspielzeug! Ja, auch solche Anfragen gehen im neuen Jahrtausend bei Designern ein. Und die? Sind erst einmal abgeneigt. ‹Am Anfang hat es mich überhaupt nicht interessiert, ein Sexspielzeug zu designen›, sagt jedenfalls Mari-Ruth Oda. Die japanische Keramik-Künstlerin, die unter anderem bereits im Londoner ‹Victoria & Albert Museum› ausstellte, formt neben Skulpturen auch Designobjekte, zum Beispiel ‹Sitables› – Hocker in organischer Gestalt.

Weg von den Genitalien, hin zum Design

Ihre Einstellung zum Sextoy-Design änderte sich erst, als sie die beiden Frauen traf, die hinter der Anfrage steckten: Charlotte Semler und Nina Hampson, Gründerinnen des britischen Edel-Sexshops ‹Myla›. ‹Sie wollten, dass das Produkt wunderschön aussieht und angenehm in der Hand liegt, man sollte sich nicht schämen, es auf den Kaminsims zu stellen. Und es sollte nicht die männlichen Genitalien abbilden, es sollte ein Aufliegevibrator werden. Das alles klang nach einer spannenden Herausforderung.›

So entstand 2002 ‹Pebble›: unregelmässig geformt wie ein Kieselstein, elfenbeinfarben oder schwarz. Kostenpunkt: 79 britische Pfund. Zusatznutzen: womöglich ein Lehrmittel für denjenigen Liebhaber der Besitzerin, der noch nicht mitbekommen hat, was eine Klitoris ist. Altbackener Lustlogik wird sich ein anderer Luxusvibrator leichter erschliessen, allein schon wegen seines Namens: ‹Bone› wurde vom britischen Stardesigner Tom Dixon gestaltet. Das schwarze, motorisierte Teil ist zwar dazu gedacht, in der einen oder anderen Körperöffnung zu verschwinden, sieht aber aus wie ein Kunstobjekt. Herkömmliche Vibratoren dagegen schmerzen das Designerauge. ‹Sie sind ganz schön geschmacklos und übersexualisiert, dabei aber nicht im geringsten sexy›, findet Mari-Ruth Oda. ‹Sie sind schrecklich anzusehen. Eben Dinge, die nicht dazu einladen, sie anzufassen, geschweige denn, intim mit ihnen zu werden.› Kein Wunder, dass es Frauen – die Hauptnutzerinnen von Sexspielzeug – waren, die eine Wende einleiteten. ‹Frauen hatten keine Orgasmen. Nicht offiziell. Nicht 1922, in meinem Geburtsjahr›, beginnt Dell Williams ihre Autobiografie. Erst als sie fast 50 ist, kauft die amerikanische Werbefachfrau ihren ersten Vibrator, fühlt sich im Schmuddelambiente aber beklommen. So erfindet sie 1974 ‹Eve’s Garden›, den weltweit ersten Erotik-Versandhandel speziell für Frauen, samt gleichnamigem Laden in New York. Drei Jahre später eröffnet die Sexualtherapeutin Joani Blank ‹Good Vibrations› in San Francisco. Beide haben dabei Feminismus im Sinn. Und zwar einen, der Sex positiv betrachtet. Dabei sind Selbstbefriedigung und passende Apparate dazu keine Erfindung der Frauenbewegung. Archäologen können belegen, dass sich Dildos bereits in der Antike grosser Beliebtheit erfreuten – offiziell wurden damit Unterleibsschmerzen bei Frauen kuriert. Allerdings wurden sie oft auch in der Nähe von Bordellen gefunden. Die sinnenfreudige Kleopatra soll sogar eine mit Bienen kinki 33


Formschön und exklusiv: Adele Brydges’ ‹Ceramic Dildo with Cork›.

Nicht in schmud­ deligen Sex Shops erhältlich: das Modell ‹Bone› von Tom Dixon. 34

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gefüllte Variante besessen haben – ein früher Vorläufer des Vibrators. Drastisch änderte sich die Einstellung zur weiblichen Sexualität in Europa mit dem Christentum. Ironischerweise stammt die erste erhaltene Schilderung eines Dildos (um das Jahr 1000 n.Chr.) von einem äusserst sündenbewussten Bischof. Und das Westfälische Museum für Archäologie in Herne zeigt stolz einen Fund aus dem 16. Jahrhundert: einen Glas-Dildo aus der Kloake der Äbtissin des Herforder Damenstifts.

räumte 2008 einen ‹red dot design award› ab für ihr zweifarbiges, S-förmig geschwungenes Modell ‹Delight›. Am späten Erfolg des ‹Rabbit› beteiligt ist wiederum seine Hauptrolle in einer Folge der Serie ‹Sex & The City› 1998. Denn wie in anderen Design­feldern sind Prominente gut fürs Geschäft. So mancher Hersteller wirbt damit, dass Paris Hilton, Kate Moss und Konsorten sich gerne etwas Besonderes gönnen. Damit steigt nun die Nachfrage nach Luxusprodukten.

Motorisierte Produkte kamen im 19. Jahrhundert ins Spiel – als medizinisches Mittel gegen weibliche ‹Hysterie›. Damals dachte man, seltsames Frauenverhalten gehe von der Gebärmutter aus. Zur Behandlung lösten Ärzte von Hand den ‹hysterischen Paroxysmus› aus. Heute ist das Phänomen bekannt als Orgasmus, aber damals herrschte die Vorstellung, Frauen wären dazu nicht fähig, sie hätten keinerlei sexuelles Verlangen. Für die Behandlung der ‹Hysterie› entwickelte der Amerikaner George Taylor 1869 den dampfbetriebenen ‹Manipulator›. Das riesengrosse, kompliziert zu bedienende Gerät war allerdings nicht für den Hausgebrauch. 1883 folgte das Patent für ein tragbares Modell in England, auf der Pariser Weltausstellung konnte man bereits mehr als ein Dutzend bewundern. Schön waren sie nicht. Aber die Erhaltung der Schönheit war eines der Argumente, mit denen die Hersteller in Frauen- ebenso wie in Männerzeitschriften warben. Mit dem Trend war es jedoch wieder vorbei, als die Filmindustrie die Vibratoren entdeckte – zu unanständig. Dann erst kam die Frauenbewegung ins Spiel. Die Generation, die auf Dell Williams und Joani Blank folgte, eröffnete wiederum eine Reihe von Läden, was diesmal sogar Bücher wie ‹Sex Toy 101› von Rachel Venning und Claire Cavanah mit sich brachte. Und Eigenproduktionen.

Die schwedische Firma ‹Lelo› etwa bietet ihre aparten Vibratoren auf Wunsch auch in 18 Karat Gold an – für bis zu 7 500 Euro. Die US-Firma ‹Jimmyjane› schnappt sich das locker sitzende Porte­monnaie mit limitierten Auflagen wie ‹Fu*k Limited›, einer goldenen, gravierten Version ihres strom­linienförmigen Renners ‹Little Something›. Und die britische Edelladenkette ‹Coco de Mer› lässt floral verzierte Porzellan-Buttplugs herstellen, die an Omas Sonntagsservice erinnern. Solche Luxusschlitten haben zumindest einen Vorteil: sie enthalten keine giftigen Stoffe wie Weichmacher oder Lösungsmittel. Viele Designertoy-Hersteller weisen extra darauf hin, dass sie giftfrei produzieren. Wohlgeformtes, gesundes Sexspielzeug gibt es womöglich demnächst auch im Laden nebenan. Der Kondomhersteller ‹durex›, der regelmässig ‹Sexual Wellbeing›-Studien finanziert, hat seit 2005 auch von Seymour Powell gestaltete Vibratoren im Programm und möchte damit gern in Supermarktketten – was nach Ansicht der Unternehmenssprecherin auch eine ästhetische Frage sei. Und die Männer? Dürfen mitspielen. Keine Angst, liebe Heteros: so ein Aufliegevibrator surrt auch an den Hoden ganz fein. Purer Luxus ist ‹Cobra› (ca. 1000 Franken): ein Cockring, den der Goldschmied ‹Jon W.› in Silber mit Perlen gestaltet hat. Die Idee stammt von Jelle Plantenga, der als Handelsvertreter für mehrere Designer-SextoyFirmen arbeitet. Inspiriert von schickem Spielzeug für Frauen, hat er kürzlich ein eigenes (Herren-) Label namens ‹Jé› gegründet.

Weiblicher Orgasmus oder Hysterie?

S-Form für den G-Punkt

Trotzdem dauerte es bis ins 21. Jahrhundert, bis sich ästhetische Ansprüche durchsetzten. Ein Meilenstein mag dabei der – zunächst auch grottenhässliche – ‹Rabbit Habit› gewesen sein. Vor über 25 Jahren in Japan entwickelt, war er der erste ‹Dual-Action›-Vibrator, der auch die Klitoris bedient. Am penisförmigen Teil, an dessen Mittelstück rotierende Perlen den G-Punkt massieren, hängt noch ein weiterer, kleinerer Vibrator in Häschenform – die Ohren sollen den Kitzler, nun ja: kitzeln. Inzwischen gibt es zahlreiche Nachfolgermodelle. Mit Häschen natürlich. Äffchen. Fischlein. Und an der ‹Eichel› des grösseren Vibratorteils ein akkurat gescheiteltes Playmobilgesichtchen dazu. Das wurzelt zwar in der japanischen Urform, trotzdem: mancher Designer denkt offenbar vor allem an ‹Spielzeug›. Oder will die weibliche Lust verniedlichen. Preisrichter zumindest stehen drauf: Die deutsche Firma ‹Fun Factory›, die auf farbenfrohe, drollig geformte Vibratoren spezialisiert ist,

Schmucke Liebeshelfer

Fotos: Promo

Exklusive Luxus-Liebeshilfen erfreuen nicht nur die Libido, sondern auch das Designer-Auge! Vibratoren wie das Modell ‹Yva› (ganz oben) und ‹Olga› (ganz unten) von Lelo, und Produkte der Marke Shy (2.v.o.) erin­­-nern eher an stylishe Küchengeräte als an einen Penisersatz. Und auch Mann bedient sich unter der Gürtellinie einer exklusiven Aus­rüstung: der Cockring ‹Jelle Cobra› (3.v.o.) bezirzt nicht nur durch seinen Zweck, sondern auch durch Silber und Perlen.

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‹ zehn minuten mit› Zeitgenossen und Weltbürgern. Ela Bo: ‹Mein Schreiben ist ­Abbild meiner Gedankenwelt.›

kinki magazine: Wieso nennt zu dem wir alle unseren Teil beigetraman dich Ela Bo? Eigentlich heisst gen haben. Charlotte, Anna und du doch Eliane Boner, oder? Ellie hatten Konzerte, Bara eine Foto-

Ela Bo: Ela verdanke ich meinen Jugendfreunden und deren ausgereiftem Geschmack für Übernamen. Das Kürzel ‹Bo› brachte Facebook eines Tages dazu. Ich las ein Buch über Identitätsklau und hatte daraufhin saumässig Schiss, jemand könnte sich für mich ausgeben, wenn ich zu viel über mich selbst im Internet preisgäbe. Also löschte ich alle Fotos von Facebook, stellte mein Profil auf ‹private› und legte mir ein Pseu­ donym zu. Quiksilver US hat Ela Bo dann lustigerweise auf ihrer Seite für mein Profil übernommen, die wollten da wahrscheinlich keinen ‹boner›... So wurde Ela Bo geboren. Wie kam es, dass gerade du zum Quiksilver-Gesicht gewählt wurdest?

Mag kitschig klingen, aber ich war zur richtigen Zeit am richtigen Ort. ­Eigentlich bin ich ja im AmbassadorProgramm von Quiksilver als eine Art ‹creative writer› für den Blog zuständig gewesen, nicht fürs Modeln. Sie suchten letzten Dezember dann aber relativ kurzfristig jemanden für ihre Frühlingskampagne. Ich war in den Tagen gerade mit ­ihnen auf dem Salesmeeting und so kam das dann zustande. Gut zehn Tage später sass ich in einem Pariser Fotostudio, liess mir eine halbe ­Tonne Extensions an den Kopf kleben und mir von einem Fotografen ­‹Tension, Baby! Tension!› zurufen (lacht). Und irgendwann später schickten mir die ersten Freunde Fotos aus aller Welt: ich im XXL-­ Format in Schaufenstern oder auf Bussen, sie selbst schmunzelnd davor. So kommt die Jungfrau wohl zu ihrem Kinde.

Autorin, Brand­Ambassador und Model: in Elas Brust wohnen mehr als nur zwei Seelen.

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ach dem Eintrag ins Poesieablum ihres Klassen­kamaraden war der damals 6-jährigen Ela Bo klar, dass sie schreiben will. Sie selbst zu beschreiben, ist allerdings ziemlich schwierig, und Versuche, das zu tun, münden stets in einer Liste, die in kein Poesiealbum passen würde. Ela ist nämlich modesüchtige Kunstfanatikerin, Blitzlicht anziehende ­Bücherkennerin, Filmkritikerin, Musikvergötterin, Theatergängerin, Snowboardcruiserin, Sonnenanbeterin, Regen-Fan, Bergsteigerin und vieles mehr. Das Praktikum beim grössten Snowboardmagazin Deutschlands, dem ‹Monster Backside Magazine› in

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Was steckt hinter diesem ­Quiksilver-Woman-Konzept?

München, ermöglichte der heute 23Jährigen das Verschmelzen ihrer Passion – das Schreiben – mit ihrem heissgeliebten Hobby – dem Snowbarden. Sie berichtet gerne über ­Erlebnisse und schildert Eindrücke, die sie aus ihrem Alltag oder aus weltbewegenden Themen und Einflüssen erhält. Diese werden dann über den Quiksilver-Blog weiter in die Welt des World-Wide-Webs ausgestrahlt. Ihre witzigen Wortspiele und ihr Talent zum Posieren haben es ihr ermöglicht, das Gesicht der neuen Frühlings- und Sommerkollektion von Quiksilver und auch der Mainact unserer Fotostrecke im kinki N°13 ‹Vom Suchen und Finden› zu werden.

Einen Grund zu haben, mir zu jedem Kollektions-Launch die tollsten ­Kleider in den Schrank zu hängen... Ne, natürlich nicht! Es geht darum, jungen Frauen, die zum Brand passen, eine Plattform zu bieten und ihnen dabei zu helfen, ihre Träume und Visionen zu verwirklichen. Für ­Quiksilver Woman sind wir QuiksilverFrauen quasi ein Pendant zu den Surfern, Snowboardern und Skateboardern, die Quiksilver mit der ­Männerlinie seit jeher sponsert. Kennst du die anderen QuiksilverMädels? Was habt ihr gemeinsam?

Die Mädels aus Australien und den USA kenne ich noch nicht. Wir EuroGirls hatten im März in London aber den ersten gemeinsamen Event,

ausstellung, Mahara legte auf und ich textete unsere Gäste ausnahmsweise einmal mündlich mit meinen Weisheiten zu. Das war ganz amüsant, gerade weil wir alle in so verschiedenen Genres kreativ sind. Aber der Mix macht’s. Und unsere Gemeinsamkeit ist am Ende wahrscheinlich, dass wir alle für unsere Leidenschaft einstehen.

Das Schreiben ist eine deiner ­grossen Leidenschaften. Was sind deine Themen, über was berichtest du, oder worüber würdest du gerne berichten?

‹Berichten› ist das falsche Wort, weil da so was Informatives drin steckt, und wer meinen Blog liest, ist nachher definitiv nicht schlauer. Worüber ich schreibe, baut nicht wirklich auf ein Konzept auf. Es sind eher gewisse Momente, die ich einfach festhalten muss. Manchmal sind es Peinlichkeiten aus meinem Alltag, manchmal Gedanken während dem Warten auf den Bus, manchmal zum Scheitern verurteilte Versuche, die Welt zu ­verbessern oder was weiss ich noch alles sonst. Mein Schreiben ist quasi das unregelmässig aktualisierte Abbild meiner Gedankenwelt. Und dann bin ich halt so narzisstisch und stelle das alles ins Internet, mit dem festen Glauben daran, es könnte irgendjemanden interessieren... Was wünschst du dir für die ­Zukunft?

Ein Haus mit Garten, zwei Kinder, drei Hunde, einen Hamster, Weltfrieden, zur Miss Alabama gewählt zu werden, und dass alle Menschen gezwungen werden, meinen Blog zu lesen... Ernsthaft? Richtig geil wäre es, irgendwann mal die Weisheit zu haben, um Bücher zu schreiben. Das mit dem Zwang zum Blog-­ Lesen könnte irgendeine Gehirnwäsche-Regierung von mir aus aber auch gerne anordnen. Weitere Info unter http://blog.quiksilverwomen.com/­category/ela-ambassadors Text und Interview: Christina Fix Foto: Matthias Straub


The Time Of YOur Life, KepT CLOse TO YOur hearT. The spree pendanT.

nixonnow.com


Murder on the Dancefloor

Kreischende Stimmen mischten sich mit Gitarrenklängen‌

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Es rauschte durch meinen KĂśrper, fĂźhlte sich an, als ziehe eine unsichtbare Hand mich durch den Raum.

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‹Alles okay bei dir, Ingrid?› fragte er in einem Ton, den ich gar nicht von ihm kannte. Da traf es mich auf einmal wie ein Blitz.

Mittlerweile war es auf der Tanzfläche so eng geworden, dass die Masse zu einem rotierenden Kreis zusammengeschmolzen war.

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O

Die freie Journalistin Ingrid Kohld lebte und arbeitete in Zürich. Seit der KILLER-Party vom 20.5.2009 in der Alten Börse in Zürich, wo sie Zeugen zufolge während des Konzerts von MSTRKRFT und Shadow Dancer zusammengebrochen war, ist Ingrid spurlos von der Tanzfläche verschwunden.

bwohl es bereits Mitte Mai war, stand ich fröstelnd mit den Händen in den Taschen meines Sommermantels in der Eingangshalle der Alten Börse und wartete auf den Lift. ‹Heute ist KILLER-Party, MSTRKRFT und Shadow Dancer werden spielen, du weisst schon, die Jungs aus England›, hatte Roy ins Telefon geflüstert, damit sein Chef nicht bemerkt, dass er während der Arbeit schon sein Feierabendprogramm organisiert. Natürlich wollte ich mir diese Party auf keinen Fall entgehen lassen, doch irgendwie machte ich mir auch Sorgen, meinen Nachholbedarf an Schlaf auf schätzungsweise ein Jahr hochzutreiben. Ich nahm mir also vor, dieses Mal spätestens um zwei Uhr zu Hause zu sein. Ich würde nur kurz bleiben, meinen Mantel klemmte ich also unter den Arm, anstatt mich in der Schlange anzustellen, die sich vor der Garderobe gebildet hatte. Ich zupfte mein Kleid zurecht und betrat den Raum. An der kreisrunden Bar angekommen, bestellte ich mir zwei Tequilas, die ich noch an Ort und Stelle runterkippte, um danach die Hand für ein erstes Glas Wein frei zu haben. Die Tanzfläche kam mir heute irgendwie anders vor als an den Abenden, die ich sonst hier verbracht hatte. Als hätte jemand den Tanzbereich mit einem unsichtbaren Seil abgesperrt, drängelten sich auf engstem Raum über hundert Personen. ‹Du kommst genau richtig!› schrie Roy mir mit ausgebreiteten Armen entgegen und deutete zum Mischpult, wo sich zwei DJs über die Plattenteller lehnten. Roy trug ein blütenweisses Hemd und hielt ein Glas Bloody Mary in der linken Hand, eine äusserst heikle Mischung, wie ich ihm zwischen den Bassschlägen zu vermitteln versuchte. Doch Roy verstand mich nicht, im Rhythmus der Musik schlenkerte er sein randvolles Glas durch die Luft und sah mich fragend an. ‹Alles okay bei dir, Ingrid?› fragte er in einem Ton, den ich gar nicht von ihm kannte. Da traf es mich auf einmal wie ein Blitz. Es rauschte durch meinen Körper, fühlte sich an, als ziehe eine unsichtbare Hand mich durch den Raum, meine Hände verkrampften zu einer krallenhaften Pose. Die Beine fühlten sich an, als seien sie mit einem Schlag erstarrt, doch sobald ich zu ihnen hinunterblickte, stellte ich fest, dass sie sich ohne mein Zutun stampfend bewegten. Als ich aufblickte, war Roys Hemd klitschnass und rot, genau wie sein Gesicht und das der Leute daneben. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er mich an, von allen Seiten her drückten sich die Leute gegen meinen Körper, bis ich vor lauter Angst, erdrückt zu werden, laut aufschrie. Roys Drink musste explodiert sein, denn sowohl die ekstatisch tanzende Frau als auch die Jungs von MSTRKRFT, die in diesem Moment die Kanzel betraten, hatten mehr als nur einen Spritzer von der blutroten Flüssigkeit abbekommen. Mittlerweile war es auf der Tanzfläche so eng geworden, dass die Masse zu einem rotierenden Kreis zusammengeschmolzen war, der sich immer mehr zu drehen begann und wie ein Wirbelsturm nun auch die Leute an der Bar und eine Gruppe junger Frauen, die vorher hinter den Säulen gestanden hatten, in sein Inneres zog. In meinem Kopf hämmerte es, überall wo ich hinsah, war rote Farbe, und auch mein Mund füllte sich mit der Flüssigkeit. So brachte ich statt eines Hilfeschreis nur noch ein tiefes Blubbern hervor, das niemand der Leute neben mir wahrzunehmen schien. Krei-

schende Stimmen mischten sich mit Gitarrenklängen, und donnernde Bassschläge trafen meinen Magen wie Kontraktionen.

Bruchstücke der Erinnerung sausten durch mein Gehirn.

Als ich erwachte, fühlte sich mein Kopf an, als läge er abgetrennt vom Rest meines Körpers im Kissen. Tonnenschwer und nass schien er mir, wie ein gigantischer feuchter Sandsack. Als ich mich aufrichtete, fühlte ich erst, wie nass meine Haare wirklich waren. Ich wrang sie, vornüber gebeugt auf dem Bettrand sitzend, aus. Bruchstücke der Erinnerung an die letzte Nacht sausten durch mein Gehirn: rote Farbe, die verwunderten Blicke der Leute, die neben mir getanzt hatten, und wie ich im Lift nach unten zusammengesackt war. Ich schlüpfte in mein Kleidchen, das wie meine Haare klitschnass und schwer am Boden gelegen hatte, und schlurfte zum Waschbecken. In den weiten Taschen klimperte Kleingeld, was mich irgendwie verwunderte, da ich ja meine Handtasche dabei gehabt hatte. Irgendeines der Geldstücke piekste mich durch den dünnen Stoff der Tasche am Oberschenkel. Als ich die Hand aus dem ebenfalls nassen Innenleben des Kleids herauszog, hielt ich ein gutes Dutzend Patronen in der Hand. Allesamt waren sie leer und warm. Vor meinen Augen wurde es schwarz. Fotos: Jonas Kündig, Lisa Mettier, Mikhail Wassmer Text: Ingrid Kohld

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‹querschläger› Alles, ausser angepasst. König Kraska ist Herrscher über das Zentrische und ­A-Zentrische ‹WeltreiCH›. Seit über zwanzig Jahren führt der Dadaist ein monarchisches Leben der etwas anderen Art und pendelt dabei zwischen ­Zürich, wo er sein Magazin ‹Offizielle Hofnachrichten der Krone› verlegt, und Bilbao, wo er seinem majestätischen Hobby, dem Stierkampf, frönt. In der ­Geburtsstätte des Dadaismus, dem Zürcher Cabaret Voltaire, gewährte uns Seine Majestät eine Audienz.

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ichtig verkehrt› lautet der  Werbeslogan der Zürcher    Verkehrbetriebe, mit de-   nen der stadtbekannte Alleinherrscher Kraska rex seit Jahren im Clinch liegt. Durch Aktionen wie seine ‹Weissfahrscheine› oder auch die ‹Triumphbogenkarte›, die den Lesern seiner königlichen Hof­ nachrichten erlauben sollen, gratis die Dienste der ZVV in Anspruch zu nehmen, führte dieser Fall bis vors Bundesgericht. Doch Kraska geht es nicht einfach darum anzuecken. Viel lieber als vor Gericht zeigt sich ­Seine Majestät in seinem siebzigseitigen Heft bei Vernissagen, Le­ sungen und der Übergabe von prestigeträchtigen Auszeichnungen in der Stierkampfszene. Und obwohl der Leser sich nach der Lektüre des Hefts vielleicht fragt, weshalb man sich nun all diese Bilder von und Arti­kel über den Herrn im dunkelblauen Blazer angeschaut hat, der von sich selbst immer nur im Pluralis Majestatis spricht, wird gerade daraus Kraskas starke Verbindung zur dadaistischen Strömung ersichtlich. Der schweigsame Mann verfügt denn auch tatsächlich über eine königliche Aura, selbst als er schwitzend mit einer Coop-Tüte in der Hand die Treppen zur Bar des geschichtsträchtigen Cabaret Voltaire erklimmt. Im Plastiksack befindet sich die aktuelle Ausgabe, zusammengeklebt mit Scotchband und randvoll mit Kleinanzeigen, Szenen aus der Stierkampfwelt und natürlich Bil­dern von sich selbst und Texten von ihm und über ihn. Unerwartet

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scheu, doch mit erwartet tiefer Stimme spricht Kraska über die Freuden und Leiden der Monarchie, über Bilbao und Thailand sowie Stiere und ­Matadore.

Woher kam diese Idee denn?

‹Heute haben Wir keine Botschaft.›

jungen Männern. Wie stehen die­se denn zur Krone?

Wir hielten Uns zu jener Zeit oft in Spanien und Thailand auf, beides monarchisch regierte Länder. Wir er­ lebten damals in Spanien das Ende der Diktatur und den Übergang zur kinki magazine: Herr Kraska, ­Monarchie und in Thailand diese seltwie sollte man Sie denn in korrekter same Mischung aus MilitärdiktaWeise ansprechen? tur, Monarchie und Demokratie (lacht). König Kraska: Mit ‹Eure Majestät› Diese Dinge haben Uns beeinflusst, oder ‹Eure Hoheit›. Wir verfolgen sie noch immer mit ­Interesse.

Sie haben eine starke Affinität zu Stierkämpfen…

Im Stierkampf geht es wie im Dadaismus um die Pose am Abgrund. Ja, der Stierkampf ist eine der wenigen institutionalisierten Kunstformen, bei denen das Entstehen eines Werks aus dem Hier und Jetzt heraus im Vordergrund steht, und nicht das abgeschlossene Ergebnis – wie z.B. beim gemalten Bild. In dieser Umschrei­bung kann sowohl ein Bezug zum Können Sie uns erläutern, was Da­daismus als auch zu Unserem Kö­genau man sich unter dem ZentriWie sieht es denn mit Ihrer nigreich gefunden werden. Der schen und A-Zentrischen König­Nachfolgerschaft aus? Stierkampf ist in Mitteleuropa vor alreich, über das Sie regieren, vorzu- Wir nehmen an, Unser Königreich wird lem deshalb umstritten, weil die stellen hat? mit Uns sterben. Klar gibt es An­ Kon­frontation mit dem Tod im ZentDarin sind beide Seiten der Welt wärter, die Unsere Nachfolge antreten rum steht und ein öffentlicher Akt enthalten: das Zentrische ist das Fo- könnten, doch in der Form, wie Wir ist. In den nördlichen Breitengraden kussierte und das A-Zentrische bis dato regierten, ist eine Nachfolge wird die Auseinandersetzung mit steht für den ganzen Rest. Alles ist kaum gegeben. dem Tod – als zentral mitbestimmendarin enthalten. Da fällt nichts des Element des ­Lebens – gerne Trotzdem sieht man Sie in Ihren vom Wagen (lacht). Auch nicht das ­verdrängt, beiseite ‹gschüfelet›. Hofnachrichten oft in Begleitung von Unerfreuliche. Dazu möchten Wir Uns im Detail nicht äussern. Das sind persönliche Präferenzen. Einer dieser Männer ist ein Prinz, da er diese Funktion perIhre Krönung vollzogen Sie inmitfekt erfüllt (blättert im Heft), er re­ ten der 80er Unruhen in Zürich. präsentiert das Königreich in ausgeNun ist es doch meist so, dass aus wählten Situationen. Auch bei Uneiner Revolution normalerweiseren Auftritten in Bilbao begleitet Uns se kein König hervorgeht, sondern der Prinz. Ein berühmter Matador eher einer gestürzt wird, oder? fragte Uns, als Wir in Spanien gemeinNaja, die Schweiz hatte ja keinen sam mit dem Prinzen auftraten, einKönig, den sie hätte stürzen können, mal: ‹Ist dieser Mann wirklich ein Prinz?› doch der Nährboden war gegeDa fragten Wir ­zurück, ob man das ben, einer zu werden. Ausserdem brach nicht sähe. Er meinte daraufhin: ‹Doch, damals ja auch die Welt nicht zunatürlich.› ­Damit hat der Prinz seisammen. ne Funktion hundertprozentig erfüllt.

Sie sind jetzt seit über zwanzig Jahren König. Hatten Sie nie die Nase voll von dieser Rolle?

Das ist eine Frage des Überlebens. Uns bleibt nichts anderes übrig. Welches ist Ihre Botschaft ans Volk?

Hm… (überlegt lange). Haben ­ Wir so etwas überhaupt? Wir glauben, heute haben Wir keine Botschaft. Man kann nicht jeden Tag eine Botschaft haben. König Kraska, 63, ist Regent, Anzeigenakquisiteur, Dichter, Verleger und ­Stierkampfexperte. Die ‹Offiziellen Hofnachrichten der Krone› findet der, ‹der weiss, wo sie liegen›. Text und Interview: Rainer Brenner Foto: Daniel Tischler


‹Unser Königreich wird mit Uns sterben.›

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‹album des monats› Von der Redaktion gekürt. Lindstrøm & Prins Thomas: II

1.

Skal Vi Prøve Nå:

Prins: Dieses Stück war ursprünglich eine Skizze für unser nicht besonders produktives Nebenprojekt ‹Vålerenga Blues & Disko Combo›. Wir nahmen einen Track für eine Compilation auf, die auf dem Label von ‹Cisco› erschien. Das war eine Kette von Plattenläden in Japan, die es inzwischen leider nicht mehr gibt. Lange bevor wir zum ersten Mal in Japan waren, hatte die Cisco-Filiale in Shibuya bereits all unsere Platten im Sortiment. Es war ein seltsames Gefühl, zum ersten Mal in den Laden zu gehen, nach japanischer Art mit tiefen Verbeugungen empfangen zu werden und unsere Platten an den Wänden zu sehen. Auf jeden Fall hatten wir damals zu viele Ideen für den Track, aber zu wenig Zeit, sie alle reinzupacken, daher haben wir einige Parts für später zurückgelegt. In einer frühen Version waren mehr kratzige Gitarren zu hören, weniger Banjo, dafür straightere Beats. Es klang, als würden wir mit aller Kraft versuchen, wie Bohannon zu klingen.

Hans-Peter: Dafür hat dieses Stück eine etwas kohärentere Struktur. Da stecken Marimba-ähnliche Sounds drin, Glockenspiel-Sequenzen, die sich im Hintergrund wiederholen, und ganz weit hinten ist auch ein Omnichord mit extremem Delay darauf zu hören. Ausserdem natürlich jede Menge Keyboards, vor allem ein fetter Pad-Sound, der im Mix viel Platz einnimmt. Es gefällt mir, wie dieser Sound immer wieder auftaucht und verschwindet.

2.

Rothaus: Prins: Eine norwegische Radiostation besuchte uns im Studio, um zu dokumentieren, wie bei uns ein Track entsteht. Ich war noch etwas verkatert vom reichlichen Konsum von Rothaus-Bier am Wochenende davor. Das ist auch die schwache Ausrede für den nicht sehr einfallsreichen Titel. Lustigerweise könnte man Rothaus allerdings als ‹verdreckte Bude› ins Norwegische übersetzen. Und genau so klingt das Stück ja auch.

3.

For Ett Slikk Og Ingenting:

B

umm-Bumm oder Bierbecher. Es ist nicht lange her, da sah es aus, als müss­ten sich Hans-Peter Lindstrøm und Prins Thomas zwischen diesen beiden Übeln entscheiden. Die Oslo­ er Produzenten waren vor einigen Jahren die neuen Helden in der Cosmic Disco, jeder Grossraumschuppen wollte sie hinter seinen Plattenspielern haben. Doch mit ihrem ausufernden Verständnis von Tanzmusik, das viel Kitsch und Untanzbares mit einschliesst, sorgten sie ­mitunter für Irritationen – und für fliegende Bierbecher, wenn es kein schnurgerades Bumm-Bumm auf die Ohren gab. Der grosse Hipsteralarm ist bei Album Nummer zwei inzwischen vorbei, dafür dürfen die beiden Vollbartträger weiter ungestört an ihrer weltläufigen Version von Disco basteln und am echten Schlagzeug, handgezupften Bass und an Vintage-Synthesizern dilettieren. Bei der Produktion von ‹II› liessen Prins Thomas und Lindstrøm ein-

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fach die Tür zwischen ihren nebeneinander liegenden Studios auf und jammten drauflos. Eine Praxis, die bei der Produktion elektronischer ­Tanzmusik öfter zum Einsatz kommt, als man vermuten würde. Nur hört sich ‹II› eben auch danach an. Es rumpelt, fiept und zirpt in seltsamen Schleicherrhythmen. Immer findet sich noch ein Trommelchen zum Draufklopfen, noch eine weitere schräg aus dem Plattenregal ragende Idee, die nur darauf wartet, entdeckt zu werden – egal ob Krautrock, Weirdo-Folk oder die Exotik Skandinaviens. Lindstrøm & Prins Thomas kultivieren die Kunst des Daddel-Disco-Jams, zeigen ­immer neue Möglichkeiten der fröhlichen Dancefloor-Provokation auf – und bieten fliegenden Bechern stolz die Stirn. kinki erzählten sie, was zwischen Tür und Angel ihrer Studios so alles bei den Aufnahmen ­passierte.

5.

Cisco:

Prins: Ich glaube, wir haben drei Jahre damit verbracht, ‹For Ett Slikk Og Ingenting› fertigzustellen und immer mehr Klangspuren übereinander zu schichten. Ausgangspunkt war ein Remix, aus dem dann doch nichts geworden ist. Wir haben also mit dem Material neue Dinge ausprobiert, zum Beispiel meine ersten Gehversuche in einem Feld, das man vielleicht ‹Jazz-Schlagzeug› nennen könnte. Keine Ahnung, wie erfolgreich ich dabei war. Es stecken so viele Details drin, dass ich selbst bei jedem Hördurchgang immer wieder etwas Neues entdecke. Könnt ihr das Banjo hören? Die Orgel, die ein- und ausgeblendet wird? Die Sitar?

4.

Rett På: Prins: Das ist wirklich eine chaotische Angelegenheit, der wildeste Jam auf dem ganzen Album, eigentlich nur eine Ansammlung von Riffs und Improvisationen. Ursprünglich war das Ganze knapp zehn Minuten länger, aber die verrücktesten Teile haben wir nachträglich noch rausgeschnitten. An einer Stelle haben wir uns für eine etwas desorientierende Massnahme entschieden: Da werden zwei verschiedene Teile des grossen Jams parallel abgespielt, einer über den linken, einer über den rechten Kanal.

6.

Gudene Vet + Snutt: Hans-Peter: Das ist eines der Stücke, die wir zuerst komponiert hatten, bevor wir mit den Aufnahmen dafür begannen. Naja, soweit ich mich erinnere, waren Thomas und ich uns zumindest über die Akkordfolge einig. Was dann am Ende dabei rauskam, steht auf einem ganz anderen Blatt.

7.

Note I Love You + 100: Hans-Peter: Das ist eines dieser laaangen Stücke auf dem Album, und es besteht im Grunde aus zwei verschiedenen Tracks. Hier kommen jede Menge verstimmter Gitarren vor, was wir irgendwie gut finden. Wir kümmern uns wirklich nicht mehr darum, unsere Instrumente zu stimmen, weil das viel Spontaneität wegnehmen würde. Ausserdem ist fast dauernd meine Hammond-Orgel zu hören, die einen kleinen Schaden hat: Wenn man beide Reverb-Knöpfe gleichzeitig drückt, produziert sie ein gewaltiges Feedback. Genau aus diesem Grunde mag ich echte Instrumente viel lieber als ComputerPlug-Ins. Jedes Instrument hat seinen eigenen Charakter. Dasselbe Feedback ist übrigens auch am Anfang von ‹Cisco› zu hören.

8.

Flue På Veggen: Hans-Peter: Ich habe für das Album oft das ‹Solina String Ensemble› verwendet. Es ist toll, ein wirklich grosses Keyboard zu spielen, das im Grunde nur einen Sound hat. Hier hab ich diesen Synthesizer aber durch das ‹Kaoss Pad› von Korg geschickt. Ich wollte dem String-Sound einen etwas modernen Touch verpassen. Das atonale Rauschen, das man gegen Ende des Stücks hört, ist entweder ein kaputter CS40M oder Thomas, der gerade den MS20 erforscht. Das Finale mit den Stimmen war auch eine Idee von Thomas, und es funktioniert wunderbar als Ausklang des Albums.

Lindstrøm & Prins Thomas: ‹II› (Eskimo) ist bereits erschienen. Text: Arno Raffeiner Foto: Promo


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Frei wie ein Vogel

Die ‹Eagles Of Death Metal› leben das Motto ‹Sex, Drugs and Rock’n’Roll›, als hätten sie es selbst erfunden. Ein Mädel namens Koko hat Oberadler Jesse ‹Boots Electric› Hughes jedoch derart den Kopf verdreht, dass der MoustacheMacho plötzlich über Familienplanung grübelt. Das Mädel begleitet ihn auf Tour, singt und übernimmt Managementaufgaben. Mutiert der bunte Rock’n’Roll-Zirkus nun zur Spinal Tap’schen Freak-Show oder ist die Liason bloss ein nettes kleines Rockdrama? Text und Interview: Olivier Joliat, Fotos: Matthias Willi

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Ist Jesse Hughes ein unverbesserlicher Herzensbrecher oder doch ein geläuterter Familienmensch? We will never know‌

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as Interview zur ‹Death By Sexy›-Tour in Hamburg wurde verschoben. Jesse ist abgehauen und taucht erst kurz vor dem Konzert wieder auf. Nach der Show klappt es. Jesse ist noch genau so aufgedreht wie eben auf der Bühne. Doch obwohl hinter der Sonnen­ brille vermutlich diverse Ingredienzien wirken, macht sich nur das Testosteron bemerkbar. ‹Dude, du mus­st entschuldigen. Aber hey, ich hab ne gute Zeit auf Tour und war noch nie in Hamburg. Also hab ich mich umgesehen, die Reeperbahn gefunden und entschieden: Boys, see you later. This place is cool. Besonders in Begleitung dieses heis­sen german Fräuleins, wenn du verstehst, was ich mein.› Absolut. Zumal bei einem Typen, der dauererregt in höchsten Lagen von Frauen singt und dem 70er-Jahre Porno-Balken zum Comeback verhalf. Den Moustache trägt er übrigens nur aus einem guten Grund: ‹Willst du erfahren, auf welchen Typ Mann eine Frau steht, musst du wissen, wie ihr Vater aussah, als sie zehn Jahre alt war. Ich setze darauf, dass jede Frau um die 30 einen Vater mit Tom-Selleck-Schnauzer hatte.› Koko ist 26. Seit einem Jahr zwirbelt das lebenslustige Palm Springs Girl den Moustache des 36-jährigen Feuerkopfes. Das erste Mal zu Gerry Raffertys schwülstig lüsternem ‹Right Down The Line›, wie Jesse Backstage beim EODMKonzert im Rohstofflager Zürich verrät. Und als er den Song auf seinem iPod endlich gefunden hat, knutschen und kichern die beiden los, als wäre es erst gestern gewesen. Jesse ist derart verknallt, dass er erstmals mit einer Freundin tourt. Ausserdem denkt der Vater eines 8-jährigen Sohnes an weiteren Nachwuchs:

Koko, willst du einen solchen Vater für deine Kinder?

Enthält das neue Album deshalb herz­rührende Songs wie ‹Now I’m a Fool›?

Koko: Absolut! Egal, was er hier sagen mag. Ich weiss, wie er mit seinem Jungen umgeht. Aber wir warten noch etwas. In zwei Jahren wäre gut. Jesse: Ich sage zwei Stunden! Oder lass uns dann wenigstens üben. Das macht sie näm­lich sehr gerne.

Jesse: Das hat mehr damit zu tun, dass ich nicht mehr so schlecht Gitarre spiele und darum anspruchsvollere Lieder schreiben kann. Nein, wir haben schon was Neues ange­strebt. Das ist übrigens mein Lieblingssong. Die Eagles sind nicht mehr bloss: Fuck, fuck, fuck – sondern sagen jetzt: Please Baby!

Und wieder schäkern und turteln die zwei wie verliebte Teenager. Klar will Jesse Koko auch auf der Bühne an seiner Seite haben, schliesslich singt sie auf dem aktuellen Album ‹Heart On› gemeinsam mit Josh Hommes Frau die Backing-Chörli zu ‹Cheap Thrills› und ‹Pussy Prancin’›. Jesse schwärmt von ihrer Performance: ‹Koko ist eine Rock’n’Roll-Königin! Ihr Auftritt ist umwerfend wie ein kleines Rockdrama: es ist eine Hommage an die Romantik!› Diese Einschätzung ist definitiv Jesses rosarot verblendete Hommage an die Romantik. Kokos Kurzauftritt ist kein Highlight des Rock’n’Roll. Gegen die andern Adler verblasst die Palm Spring Princess. Kein Wunder, bei Charakteren wie der Fleisch gewordenen Comic-Figur Brian ‹Big Hands› O’Connor am Bass oder Dave Catching, dem wohl umtriebigsten Gitarristen aus Joshua Tree (QOTSA, Earthlings?, Desert Session, Peaches, Mark Lanegan…). Dazu trommelt seit der letzten Tour QOTSA-Wüterich Joey ‹The Sexy Mexy› Castillo. Trotzdem sagt Koko den gestandenen Rockern, wo es lang geht. Denn nachdem der Tourmanager früher nach Hause musste, hat sie einen Teil seines Jobs übernommen. Die Situation erinnert an das legendäre Desaster von Spinal Tap, meine ich, was beide erst mal auflachen lässt. Dann erklärt Jesse in seiner machoiden Mischung aus Ernst und Witz: ‹Koko ist nicht eine Freundin in der Art von Imelda Marcos. Sie hat begriffen, um was es geht. Die Boys lieben sie auch. Hey, meine Crew betrachtet Mädels nicht als minderwertig. Echt. Unsere Mädchen sind uns ebenbürtig. Ich mag Girls. Aber das Wichtigste ist: dass keiner meiner Lüsternheit in die Quere kommt. Fuck, nur wenn jemand so heiss ist wie sie, kann man sich ihr schlecht widersetzen. Koko ist übrigens auch Fotografin und ich habe ein paar verdammt gute Polaroid-Nacktbilder von ihr!› Trotz aller Macho-Zoten scheint Koko den ‹Ich bin mittlerweile ein verantwor­­tungs­­Wildfang tatsächlich gezähmt zu haben. Nachdem voller Vater. Der Junge lebt halb bei mir und Jesse auf der letzten Tour vor allem aus Haut und halb bei seiner Mutter, auf Tour stehe ich Knochen bestand und ihn Josh Homme nach den täglich via iChat mit ihm in Verbindung. Im Tren- Aufnahmen zum zweiten Album ‹Death By Sexy› nungsstress mit meiner Ex-Frau hatten wir eigenhändig in die Rehab fuhr, ernährt er sich nun auch Streit um das Sorgerecht. Nun bin ich froh, augenscheinlich nicht mehr bloss von Aufputschdass wir eine gute Beziehung zuein­ander mitteln. haben, kümmere mich um meinen Sohn und Hat Koko da ein Auge drauf? darum, mit Koko weiteren Nachwuchs zu Jesse: Yeah, sie beschützt meinen sexy zeugen.› Arsch. Ich nehme definitiv weniger Drogen kinki magazine: Du lebst und predigst und trinke keinen Alkohol mehr. Sex, Drugs and Rock’n’Roll. Erziehst du auch Koko: Wir feiern beide gerne Partys. Aber deinen Sohn nach diesen Werten? ich kontrolliere ihn schon. Er ist zwar erwachJesse: Nein. Da verlange ich Disziplin. sen und so. Nur von Zeit zu Zeit muss ich Das erste, was du ein Kind lehren musst, damit ihn stoppen. Ich will hier schliesslich noch ne du dich nicht ständig schuldig fühlst, ist: Weile rumhängen. Fuck you, du bist ein Kind. Ich mache, was ich Und lässt sich Jesse stoppen? will. Wir reden darüber, wenn du 18 bist, Jesse: Ich bremse die ganze Zeit. Mother­fucker.

‹Willst du erfahren, auf welchen Typ Mann eine Frau steht, musst du wissen, wie ihr Vater aussah, als sie zehn Jahre alt war.›

Hat Koko denn die Eagles verändert?

Jesse: Nein, die Eagles zelebrierten schon immer, wie cool es ist, spitz zu sein, wie schön es ist, sich zu verlieben und wie süss Frauen sind, wenn du sie an den richtigen Stellen kitzelst.

‹Die Deutschschweizer Frauen blasen einfach alles weg.› Kannst du dir vorstellen, ohne Koko zu touren?

Jesse: Das wäre gefährlich. Gerade hier: die Deutschschweizer Frauen blasen einfach alles weg! Davon hast du schon beim letzten Mal geschwärmt.

Jesse: Und ich stehe dazu. Ich verliebe mich hier immer wieder! Die nächste Gelegenheit dazu bietet sich Jesse am 19. Juni. Dann spielt er mit den ‹Eagles Of Death Metal› im Dachstock der Reitschule Bern. Vermutlich ohne Koko. Ihr MySpace-Profil ist nicht nur von Jesses Top-Friends-Liste verschwunden, sondern wurde anscheinend komplett gelöscht. Was das ändert? Nichts hoffentlich. Die ‹Eagles Of Death Metal› sind nach wie vor nicht die grösste Rockband der Welt, aber bestimmt die derzeit besten Launemacher an der Gitarre. Weitere Info unter: www.myspace.com/eaglesofdeathmetal

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‹playlist› Unsere Lieblings-DJs stellen ihre All Time Favourites vor. Mercury 03:46

Electric Light Orchestra: Turn To Stone Mel: Ca. 1987, Sonntag morgen in Boll (BE). Gemeinsamer Brunch mit meiner Familie. Wie so oft unterhielt uns mein Vater wieder mit seiner Musik. An diesem Morgen mit ELO. Gefiel mir so gut, dass ich 20 Jahre später immer noch ein grosser Fan bin. Von ELO und meinem Vater.

02:32

Willie Nelson: On the Road Again Simon: Zu dieser Musik sind meine Eltern 1980 mit viel Wind im Haar durch Kanada gefahren. Hinten im Wohnmobil: Sandra, meine grosse Schwester. Mich hatte man zu Hause in der Schweiz bei Grosi und Rex, dem Sennenhund, deponiert. Deshalb habe ich heute Angst vor Hunden und Fernweh bei Willie Nelsons Stimme. Grossartiger Song, war übrigens für den Oscar nominiert. Der Mercury-Freizeit-Tipp: Hamburger selber ‹brägeln› und dazu den Musikfilm ‹On The Road Again› von ­J erry Schatzberg gucken. Oder nach Kanada fahren.

03:15

LaVerne Baker: On Revival Day

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inter dem Künstlernamen Mercury versteckt sich ein DJ-Duo aus Bern, das auf das in der Szene ­verbreitete Discjockey-Präfix und auf den Plural verzichtet. Denn nach ­eigenen Angaben wussten schon die Griechen der Antike von der Dualität Merkurs und sprachen je nach Position und Perspektive von Apollo beziehungsweise von ­Hermes. Das DJ-Duo setzt sich aus Mel, der Hermes-Seite, und Simon, seinem apollonischen Gegenüber, zusammen. Gespielt und gemixt wird zwischen Disco, Wave, House und Tekkno alles, mit dem sich musikalisch experimentieren lässt. Ihre ersten Erfolge feierten die zwei Planetarier übrigens mit einem Remix des LeLe-Songs ‹Breakfast›, der von der Ed Banger Crew bis zum britischen Label ‹Skint Skint› (Fatboy Slim, Kidda, Freq Nasty) frenetisch ge50

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lobt wurde. Mit ihrer Partyreihe ‹Planet Mercury› im Club Bonsoir in Bern fassen sie erstmals Boden in der aktiven Schweizer Electro-Szene, ­bevor sie sich mit selbst komponierter und produzierter Musik auf das ­internationale Electro-Parkett vorwagen. Bis es soweit ist, feiern sie mit LeLe, Parra, DJ Mehdi und Busy P, und bieten dem aus der ganzen Schweiz nach Bern gepilgerten Publikum beste musikalische Unterhaltung. www.myspace.com/worldofmercury

Simon: Ich hasse die ‹Bärner Fasnächtler›. Ja ihr, die mit diesen ‹Wägelis› vorfahrt, auf denen fünf Trommeln und drei Liter Bier montiert sind. Und dann spielt ihr diesen leicht beschränkten ‹Tum-Tschä-TumTschätschä›-Rock-Beat, den ihr früher in der Schülerband gespielt habt. Und dazwischen dürft ihr euch auf die Schulter klopfen, weil ihr das restliche Jahr brav im Büro irgendeiner Versicherung Formulare ausfüllt. Die Fasnacht – eine gesellschaftskritische Betrachtung!

05:42

16:08

Berliner Philharmoniker,­­ dirigiert von Herbert Karajan: Bolero Simon: Hier das Original, von dem ausgehend Carl Craig und Moritz von Oswald letztes Jahr den visionären Versuch unternahmen, Techno und klassische Musik harmonisch in Verbindung zu bringen.

04:03

Mobb Deep: Give Up The Goods Mel: Dieses Meisterwerk kam mir erst vier Jahre nach seiner Veröffentlichung zu Ohren, als sich Funk Master Flex auf ‹60 Minutes Of Funk Vol. 3› dieses Bangers bediente. ‹Give Up The Goods› vom Album ‹The Infamous›, ein Klassiker.

74:21

D’Angelo: Voodoo Mel: Ganz klar eines der besten Alben, die je produziert und komponiert wurden. Nur selten gibt es Longplayer, die nach neun Jahren monatlichen Hörens nicht langweilig werden. Zu gerne hätte ich das Gesicht von Prince gesehen, als er sich dieses Album zum ersten Mal angehört hat.

07:02

James Brown: Funky Drummer Simon: Clyde Stubblefield heisst der Drummer, der diesen Break 1969 auf einem alten Ludwig Drumkit eingespielt hat. Public Enemy, Dr. Dre, Ice Cube, A Tribe Called Quest und überhaupt alle haben ihn gesamplet (und keinen müden Rappen an Clyde abgedrückt). Grossartig auch das You Tube-Video des anderen James Brown Drummers: Bernard ‹Pretty› Purdie: 16th Note Shuffle.

05:56

Quincy Jones: Stomp (Frankie Knuckles Reprise)

DJ Koze aka Monaco Schranze: Der Säger Von St. Georg

Mel: 1996: Garage House war ganz gross. Jedes Wochenende im Club ‹Take Five› in Biel und Todd Terry war Gott. 2009 kommt House zurück. Warum eigentlich? Dreht sich Techno nur noch im Kreis? Mercury lädt ein zum Diskussionszirkel.

Mel: ‹Monaco Schranze dreht hier gleich so dermassen den Bass rein, dass sich die Weiber vor Angst in die Hose kacken.› Der sogenannte braune Ton, auch als Disco Dump geläufig, liegt zwischen 5 und 9 Hz und soll die Leute angeblich dazu veranlassen, die Kontrolle über ihren Schliessmuskel zu verlieren.

63:36

Nas: It Was Written Mel: Das zweite Album von Nas war bei mir definitiv der Auslöser für meinen immer noch anhaltenden Fanatismus für Rap-Musik. ‹I never sleep, cause sleep is the cousin of death›.

Text: Florence Ritter, Simon Baumann, Melvyn Buss Foto: Anja Schori


Mike und Lucia, Zürich, 17.14 Uhr

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Im Land der Träume

Lebt Wally De Backer in seiner eigenen Traumwelt? Man könnte es meinen. Denn seine Lieder entstehen in einem Meer von weichen Kissen, das heisst in Wallys eigenem Schlafzimmer, das er als Studio verwendet. Der Sound zwischen Akusmatik und melodramatischen Popsongs ist so bunt wie eine Wiese voller Frühlingsblumen. Frisch, belebend und tief das Herz berührend. Wenn die Sonne prallt und alle knackig braun sind, bin ich immer noch weiss. Hast du noch Wurzeln in Europa?

Der grösste Teil meiner Familie lebt in Belgien und ist über das ganze Land verstreut. Ich besuche sie regelmässig. Denn ich habe eine starke Bindung zu Belgien und meiner Familie. Meine Eltern haben mich in meiner Kindheit mit auf Reisen genommen und so hatte ich die Möglichkeit, London, die Schweiz, Frankreich und Italien zu bewundern. September 2008 war ich das letzte Mal in Europa. In deiner Highschool hattest du ja eine Band namens ‹Downstares›, in der du der Drummer warst. Nun bist du Songwriter und Sänger, wie kam es dazu?

Ich habe mich nach der Auflösung der Band mit verschiedenen Sachen beschäftigt. Zum einen habe ich angefangen, Songs zu verfassen, aber auch zu singen und Musik selber zu mixen, dabei habe ich mir selbst Unterricht gegeben. Das Singen wurde zu einer Leidenschaft. Was sagen deine alten Band-Kollegen zu deinem Erfolg? Neid?

Schwere Frage, ich bin mir aber sicher, dass sie mich tatkräftig unterstützen. Denn wir sehen uns auch regelmässig und sind gute Freunde. Ich glaube nicht, dass sie neidisch sind. Was hältst du von dem Vergleich zu Beck?

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inter Gotye, ausgeschrieben Goreti-yeah, steckt ein ausgewandeter Belgier, der Australien als seine Heimat ansieht. Er führt uns mit seiner Musik in ein weites Universum und lässt uns zwischen Realität und Traum selbst entscheiden. Im Interview verrät uns De Backer, wie es sich anfühlt, ganz alleine auf der Bühne zu stehen und dass er selbst sich eigentlich als bekennenden Realist bezeichnet. kinki magazine: Du lebst in Melbourne, was für eine Bindung hast du zu dieser Stadt?

Gotye: Melbourne ist meine Heimat seit über 52

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25 Jahren und hierher würde ich immer wieder zurückkommen. Klar bin ich schon durch ganz Australien gereist, doch ich weiss, ich gehöre in diese Stadt. Wenn wir an Australien denken, sind alle Jungs für uns blond, trainiert und paddeln auf einem Surfboard. Wie ist es bei dir? Bist du auch ein Surfer-Typ?

Ich bin überhaupt kein Surfer-Typ und kann ausserdem auch gar nicht surfen. Ich bin sicher das Gegenteil. Man erkennt aus weiter Entfernung, dass ich ursprünglich aus Europa komme.

Ich finde, der Vergleich schmeichelt. Beck ist ein grossartiger Sänger und ihm nahe zu kommen in meiner Musik, ist ein sehr grosses Kompliment. Du nimmst ja sehr viele Samples aus Musikund Filmgeschichte auf. Ist das nicht ein Stehlen?

Ich würde es eher als ein Leihen bezeichnen. Es gibt Samples, die kaum bekannt sind und es gibt sicherlich auch einige, die der Hörer kennt. Ich versuche einen guten Mix zu finden. Nun stehst du alleine auf der Bühne. Fühlst du dich dabei wohl? Hast du noch Unterstützung?


zu promoten. Ich meine, es hat seine Vorund Nachteile. Die halbe Welt kann meine Songs hören und das fühlt sich auch gut an. Aber ich möchte mehr schreiben und mehr machen. Ich denke, dass die nächste Tour 2010 kommen wird. Weitere Info unter www.myspace.com/gotye Interview: Christina Fix Fotos: Promo

Wally De Backer alias Gotye verbindet in seiner Musik Realität und Traumwelten und berührt mit dieser Mischung schon bald auch wieder live seine Fans.

Ich habe viel Unterstützung von ausserhalb, mach aber die Arbeit alleine. Ich schreibe, mixe und trommle (lacht). Ich habe aber auch schon mit einem zwölfköpfigen Orchester zusammengearbeitet. Das war eine super Erfahrung, die ich auch sehr gerne wiederholen möchte. Momentan hab ich auch eine Band, die nennt sich ‹Basics›. Ich werde total auf trapp gehalten.

‹Ich möchte, dass sich die Musik in den Köpfen der Menschen abspielt.› Was für ein Gefühl möchtest du den Menschen vermitteln?

Ich möchte, dass sich die Musik in den Köpfen der Menschen abspielt, sie inspiriert und interessiert.

Lebst du in einer Traumwelt?

(Lacht.) Ich bin sicherlich ein Realist. Doch manchmal schwebe auch ich in einer Traumwelt. Allerdings kann ich Realität und Traumwelt sehr gut unterscheiden. Glaubst du, die Menschen in Europa nehmen Musik anderes auf als in Australien?

Das ist schwer zu sagen. Ich denke, dass sich in jedem Land eine gewisse Musikszene abspielt. Aber ich glaube nicht, dass Europa eine andere Musikinterpretation besitzt. Ich vermute meine Musik wird auf der ganzen Welt gleich angenommen. Wann planst du wieder, in Europa auf Tour zu gehen?

Momentan halte ich mich da etwas aussen vor. Es ist schwierig als Songwriter immer auf Tour zu sein und ein schon seit ungefähr drei Jahren bestehendes Album immer wieder kinki 53


New York’s Smallest

The Big Apple. Hier findet man imposante Gebäude, angesagte Partys und die grössten Stars. Zwischen all den Superlativen verbergen sich aber auch kleine Oasen der Kreativität – und diese sind alles andere als imposant, angesagt und gross: Jazzmatineen in Marjories Wohnzimmer und Tony Amatos Privat-Oper sind einfach nur einzigartig. Text: Florian Hennefarth

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evor wir unseren Trip über den Ozean antreten, rät man uns: ‹Ihr fahrt nach New York? Dann müsst ihr unbedingt in die Oper!› Vor Ort schwärmen dann die Leute von der Metropolitan Opera, inszeniert von den besten Intendanten in einem bombastischen Ambiente. Preise von 120 Dollar schrecken uns jedoch ab. Eine ältere Frau in der U-Bahn bekommt unseren Unmut mit und empfiehlt uns eine kleine Oper auf der New Yorker ‹Bowery›: Stücke inszeniert von einem 80-jährigen Italiener in einem ‹familiären Ambiente›. Preise von 30 Dollar machen uns wiederum neugierig. Nur einige Fenster breit, nicht grösser als ein kleines Zimmerkino oder Hinterhof-Theater in der Schweiz ist eine der drei einzigen Opern in New York, die ein eigenes Stammhaus besitzt. Angenehm nostalgisch zwischen all den Neubauten wirkt ‹die kleinste Oper in der teuersten Stadt der Welt› obendrein. In unmittelbarer Nachbarschaft zum Rock-Kultladen ‹CBGB› und den Träumen der brotlosen Künstler der Bowery, hat sich Tony Amato eine kleine Oase der Kreativität erschaffen.

Opernstars geboren auf wenigen Metern Bühne

Nur ein paar Dollar bekommt jeder Sänger von Tony Amato – gerade genug für die Fahrt zur Oper und einen kleinen Feierabendtrunk. Dennoch: das feste Ensemble zählt weit mehr als hundert Musiker. Und jedes Jahr kommen zwanzig neue dazu, die in einem strengen Auswahlverfahren in die Riege der Amato-Künstler aufgenommen werden. Unter ihnen sind Ärzte, Anwälte und Fahrradkuriere, die von einer musikalischen Karriere träumen. Und manche von ihnen werden sogar zu Stars. Tenor George Shirley oder die Sopranistin Mignon Dunn zum Beispiel hatten ihre Karriere in der Spielstätte des ehemaligen Fleischverkäufers begonnen. Dem kleinen Opernhaus, das Amato schon 1964 im Alter von bereits 44 Jahren kaufte, fehlt es trotz Beschaulichkeit nicht an Atmosphäre, liebevollen Inszenierungen und besonderem Charme: schummeriges Licht fällt auf eine winzige Bühne, auf der sich teilweise bis zu 50 Sänger in detailreich gefertigten Kostümen tummeln. Das hauseigene Orchester spielt einige Meter unter der Bühne in einer nur wenige Quadratmeter umfassenden Kammer. Platz für sperrige Instrumente gibt es nicht. In der kleinen Band spielen deshalb nur sieben Bläserstimmen. Für den Rest muss ein Keyboard genügen. Aber auch die Amato-Oper weiss grosse Stücke wie ‹La Traviata› oder ‹La Bohème› über- und unterhalb der Bretter, die die Welt bedeuten, raffiniert zu inszenieren. Es gibt sogar eine Klappe, durch welche die Protagonisten effekthascherisch im Boden verschwinden können.

Once upon a time in New York

Begonnen hatte Amatos ‹kleinste Oper der Welt› als Mitmach-Projekt für aus dem Krieg heimkehrende Soldaten. ‹Wir wollten eine Plattform schaffen, auf der unsere Schüler sich vor einem Publikum beweisen konnten›, erzählt Theaterchef Amato. Die erste Aufführung war vor 60 Jahren Rossinis

‹Barbier von Sevilla›. Damals fand die Uraufführung aber noch im Keller einer Kirche statt. Heute sind fast alle Vorstellungen bereits Wochen vorher ausverkauft. Und gerade dadurch ist die Amato Opera eine echte Rarität unter den Opern weltweit, ‹denn wir sind das einzige Haus, dass sich ausschliesslich durch den Verkauf von Tickets finanziert›, erklärt Geschäftsführerin Irene Frydel Kim, Amatos Nichte. Im Mai diesen Jahres wird der letzte Vorhang für Amatos Oper fallen. ‹Ich bin 88 Jahre alt und müde›, begründet Amato seine Entscheidung. Nach fast sechzig Jahren in der New Yorker Kulturszene wird die Amato-Oper eine Lücke hinterlassen, die so schnell nicht wieder gefüllt werden kann. Und dies nicht wegen ihrer Grösse, sondern wegen ihrer Einzigartigkeit.

her sollte es auch später zumindest ein kreativer Beruf werden – am liebsten Schauspielerin oder Sängerin auf einer grossen Bühne. Zwar kam sie aus einem recht einfachen Elternhaus – die Grosssmutter war als Hausmädchen bei einer weissen Familie angestellt, der Onkel arbeitete als ‹Liftboy› – dennoch sei die damals schon ehrgeizige Musikerin mit dem Gefühl aufgewachsen, dass alles möglich sei, wie sie erzählt. Als sie zu ihrem Onkel nach Harlem zieht, kommt Marjorie das erste Mal mit der New Yorker Jazzszene in Berührung. Idole wie Johnny Hodges und Andy Kirk sind Nachbarn, in den Clubs lernt sie Drummer, Saxophonisten und Trompeter kennen. Einen von ihnen hat sie sogar geheiratet: den Schlagzeuger Rudel Drears. Jedoch erst spät wird sie in der Szene bekannt.

glaubt, einen der heissesten Hotspots für die besten Matineen fände man auf der Insel Manhatten, der irrt. Unser Weg führt uns in eine stille Strasse, inmitten eines der verruchtesten und szenigsten Stadtteile New Yorks – nach Harlem. Unser Ziel ist ein schlichtes Wohnhaus, mit pompös-nostalgischer Eingangshalle. Nichts Aussergewöhnliches, typisch New Yorker Stil. ‹Zu Margie geht es da lang›, winkt uns ein älterer Herr unüberrascht die Treppen hoch. Wir durchqueren dunkle, muffige Flure, bis die biedere Spiesser-Atmosphäre plötzlich durch groovige Sounds aus einem offenen Türspalt durchbrochen wird. Wir betreten die kleine musikalische Welt von Marjorie Eliot, einer verträumten Jazzliebhaberin, die noch nicht ganz aufgeben hat, den ‹American Dream› zu leben – trotz Finanzkrise und harter Harlemer Realität. Wir schnappen uns einen der noch wenigen freien Hocker. Die Grande Dame des Hauses sitzt bereits höchstpersönlich am Piano neben einer spärlich von Bildern geschmückten Wand. Was dann folgt, ist Jazz, wie er sein sollte: privat, atmosphärisch, familiär und ehrlich. Familiär, weil das Ambiente im Wohnzimmer zwischen Bücherregalen und Stehlampe alles andere als ‹Konzertstimmung› auflodern lässt. Familiär auch, da Marjorie selten alleine in ihren vier Wänden drauflos jamt. Auch an diesem Wochenende hat die leidenschaftliche Musikerin, die es charmant vermag, ihr Alter zu verschweigen, Gesang und Saxophon zu sich gebeten. ‹Ich kann mir nicht vorstellen, wie ein Leben ohne Musik wäre. Ich will, dass jeder meiner Gäste etwas von mir mit zu sich nach Hause nimmt›, eröffnet die Musikerin das Jazzkonzert.

Musik liebte ‹Marjie› schon immer. Doch erst der tragische Tod ihres Sohnes Philip, der mit gerade mal 27 Jahren einem Nierenversagen erlag, eröffnete der passionierten ‹Positivdenkerin› die Kraft der Musik, insbesondere des Jazz. Eine Erfahrung, die ihr Leben als Musikerin nachhaltig prägen sollte: Ein Jahr nach dem Tod ihres Sohnes räumt sie ihr Wohnzimmer leer, stellt ein paar Stühle auf und lädt Nachbarn und Freunde zu den ersten Jamsessions in ihren beschaulichen vier Wänden ein. ‹Musik, um der Musik willen – das ist, was ich machen möchte›, sagt die graumelierte Dame und blickt zu dem Bild eines jungen Mannes an der Wand neben sich. Marjie geht es nicht um Geld, sondern um die Musik. Um das gemeinsame Erleben von Musik, um ihre Kraft. Während die drei Musiker AmbientJazz vom Feinsten inszenieren, bekommen wir eine Tasse Kaffee und Cookies gereicht. Manchmal gibt es auch Punsch oder Tee. Eintritt zahlen wir nicht. ‹Musik ist schliesslich für jeden da›, schimpft uns Marjie aus, ‹aber was zu naschen, dürft ihr das nächste Mal schon mitbringen›, scherzt die gut gelaunte Lady und schliesst hinter uns die Türe. Die muffigen Flure wirken jetzt vertraut und familiär. Fast wie zu Hause, nur ein wenig grooviger.

Jazz ganz privat – Von der ambitioin Marjories Wohn- nierten Pianistin zimmer zur musikalischen Es gibt ein ungeschriebenes Gesetz: Wer Jazz liebt, kommt an New York nicht vorbei. Doch wer ‹Hausfrau›

Illustration: Raffinerie

‹Sängerin oder Schauspie­lerin musste es schon sein›

Aufgewachsen in der ‹city of brotherly love›, Philadelphia, war Marjorie erst fünf Jahre alt, als sie ihre Liebe zu den schwarz-weissen Tasten entdeckte. Eine Liebe, wie sie stärker nicht sein könnte. Dakinki 55


Schnauz mich an!

Der Schnauz hat die Dance­ floors unter seinen haarigen Fittichen! Das kanadische DJ-Kollektiv ‹Moustache Men› schwört auf fette Beats, schweiss­treibende Remixes und verrät uns im Inter­ view auch das Geheimrezept des perfekten Schnauzers! Foto: Claudio Bianchi Das kanadische DJ-Kollektiv Moustache Men zelebriert nebst Oberlippenbärten auch eine interessante musikali­ sche Stilmischung.

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eien wir mal ganz ehrlich: irgendwie sehen Männer mit Schnauz doch scheuss­lich und unglaublich bescheuert aus, oder? Und während ich diese Zeilen hier schreibe, zupfe ich immer wieder nachdenklich an meinem undichten Oberlippenbart und überlege mir, ihn heute abend noch abzuschneiden. Doch irgendwie fällt es dennoch schwer, sich von der streng begrenzten Gesichtsbehaarung zu verabschieden, denn man verbindet den Schnauz mit so vielen wunderbaren Assoziationen: Erinnerungen an Zeiten, in denen Männer noch Männer waren, südländische Eleganz, testosterongetrie-

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benes Gehabe im Beisein von weiblichen Wesen, und neuerdings sogar auch mit guter Musik! Unter dem Namen ‹Moustache Men› hat sich das schnauzbärtige DJ-Kollektiv um die drei Kanadier F.U.N.K., Classi Assi und New Money mittlerweile nämlich auch über ihre Landesgrenzen hinweg einen Namen als todsicherer Partygarant gemacht. Mit einem Mix aus verschiedensten musikalischen Stilrichtungen, fulminanten LiveShows und etlichen innovativen Remixes sorgten die drei Herren auf ihrer ‹Do It Yourself›-Tour durch Kanada dafür, dass nicht nur ihnen selbst, sondern auch den Herren im Publikum die Schweiss-

tröpfchen neben den Bartstopeln hervorperlten! Wie es scheint, steht der Schnauz also doch für viel mehr als nur einen modischen Fauxpas. Ich jedenfalls werde ihn wohl doch noch ein paar Tage stehen lassen. Als Tribut an die quirligen Kanadier, die uns im Folgenden Rede und Antwort stehen. kinki magazine: Als erstes möchten wir natürlich von euch wissen, was denn das Geheimrezept für einen richtig tollen Schnauzer ist.

Classi Assi: Geduld! Man kann sich nicht


einfach den ganzen Tag nicht rasieren und dann meinen, man kriege schon einen coolen Schnauzer. Meinen trage ich schon ziemlich lange. Man kann sehr viel Zeit für Pflege und ­Styling verwenden. Für uns ist aber das Ganze mit den Schnauzern einfach ein grosser Spass. Manchmal kommen auch Girls an unsere Partys, die sich künstliche Schnauzer auf die Oberlippe malen. New Money: Ich experimentiere immer noch… Meine Taktik bisher war es, den gesamten Bart einfach entsprechend lang wachsen zu lassen und dann die Konturen auszurasieren. F.U.N.K.: Ein guter Schnurrbart ist richtig harte Arbeit. Das ist ähnlich wie bei einer guten Beziehung: man darf nicht einfach nur viel erwarten, sondern muss auch bereit sein, viel dafür zu geben.

Ninja Tune, in letzter Zeit orientiere ich mich aber mehr am Dance Floor.

Wie habt ihr drei euch eigentlich gefunden?

Das war unsere erste gemeinsame Tour. Der Name kam zu Stande, weil wir auf dieser Tour echt alles selber machten. Wir spielten Gigs in ganz Kanada. Der Name ‹Do It Youself› soll auch nicht bedeuten, dass jeder das selber machen könnte, denn das ist echt eine ganze Menge Arbeit, alles selbst zu orga­ nisieren: die ganzen Anrufe und Mails, ausserdem muss man die Booker und Clubbesitzer davon überzeugen, dass man anders ist als der ganze Rest. Das braucht echt eine ganze Menge Energie, so eine Tour nur schon zu organisieren und sie nachher natürlich auch zu spielen.

Wir machten alle drei ein Praktikum beim selben Radiosender in Montreal, so lernten wir uns kennen. Damals gehörten wir zu den wenigen DJs, die in Nachtclubs auflegten. Wir traten dann ein paar Mal miteinander auf, lernten viel voneinander und wurden richtig gute Freunde. Jeder von uns bringt seine ganz eigenen Einflüsse und Skills ein; das ist es was unsere Zusammenarbeit so interessant macht.

‹Ein guter Schnurr­ bart ist richtig harte Arbeit. Das ist ähnlich wie bei einer guten Beziehung: man darf nicht ein­fach nur viel er­ warten, sondern muss auch bereit sein, viel dafür zu geben.› Welches sind eure musikalischen Back­ grounds?

Classi Assi: Hip Hop, Turntablism und Funk. Ich habe schon immer gerne nach neuen Arten von Musikstilen und unbekannten Tracks gesucht. Diese den Leuten vorzustellen, war bereits zu Zeiten meiner Kassettenkollek­tion eine grosse Passion von mir. New Money: Ich bin definitiv ein alter HipHopper! Ich mag zwar vieIe verschiedenen Genres von Musik, wie Funk, Punk, Alternative, Rock, Dancehall oder auch Jazz, aber mein Herz schlägt schon immer noch für Hip Hop! F.U.N.K.: Ich mache seit der vierten KIasse Musik. Damals noch in Schulbands als Gitarrist, und seit ungefähr zehn Jahren produ­ziere ich nun Musik. Die Einflüsse für frühere Tracks waren vor allem DJ Shadow und

Wie würdet ihr selbst euren Musikstil beschreiben?

Tolle DJs wie Z-Trip, DJ Shadow, A-Trak und Team Canada haben uns stark beeinflusst. Unsere Musik ist in erster Linie eine Kombination aus Hip Hop und Disco, aber wir entwi­c­keln unseren Stil immer in verschiedenste Richtungen weiter. Wir merken, dass wir ein bisschen ‹housiger› geworden sind in letzter Zeit, aber nicht allzu elektronisch. Electro ist zwar ein wichtiger Teil unserer Musik, aber weniger der B-Stuff, obwohl uns das natürlich auch gefällt. Was genau hat man sich unter der ‹Do It Yourself›-Tour vorzustellen?

Mit neuer Software wie Ableton, Final Scratch oder Serato könnte heutzutage doch eigentlich jeder ein guter DJ werden, oder?

Das stimmt. Man kann sogar mit einem iPod mixen. Es geht schliesslich einfach darum, den richtigen Track im richtigen Moment laufen zu lassen. Einer meiner Lieblings-DJs hier in der Stadt mixt seine Tracks nicht einmal richtig. Wir haben schon echt brillante DJs gesehen, die ganz ohne technisches Equipment aus­ kommen, und wir haben schon schrecklich schlechte gesehen, mit der verrücktesten Ausrüstung, die man sich nur vorstellen kann. Das Wichtigste ist, dass man selbst viel gute Musik kennt und schätzt. Wie macht ihr das denn eigentlich, wenn ihr zu dritt auflegt? Drei DJs, das ist doch fast nicht möglich, oder?

Normalerweise legen wir an vier Turntables auf und jemand befindet sich am Mikrofon. Zwei von uns DJen dann und einer feuert als MC die Leute an. Wir würden eigentlich gerne mal an sechs Turntables auflegen, doch dafür brauchen wir definitiv noch ein paar Jahre Übung. Werdet ihr wohl immer noch Platten aufle­ gen, wenn ihr einmal fünfzig seid? Könnt ihr euch das vorstellen?

Classi Assi: Einer meiner liebsten DJs ist schon fast vierzig. Er bewegt die Crowd noch immer, auch wenn sein Publikum nicht unbedingt aus Neunzehnjährigen besteht. DJing war immer schon mein Hobby und ich denke, ich werde auch als alter Mann noch Musik auf­legen und Platten sammeln, auch wenn ich jetzt noch nicht weiss, wie oft oder erfolgreich.

New Money: Ich kann mir nicht vorstellen, wie es sein wird, wenn ich einmal fünfzig bin. Aber ich bin definitiv gespannt, wie sich die Musik und Technologie bis dahin verändern wird. F.U.N.K.: Auf jeden Fall! Ich freue mich aufs Altwerden.

‹Es geht einfach darum,den ­richtigen Track im richtigen ­Moment laufen zu lassen.›

Was haltet ihr von Superstar-DJs wie A-Trak oder DJ A.M.?

Classi Assi: Die haben echt hart gearbeitet, um dahin zu kommen, wo sie jetzt stehen. Sie haben ihr Ding durchgezogen, und das ist gut so. New Money: Ich persönlich würde A-Trak nicht als Celebrity-DJ oder so bezeichnen. Das sind für mich eher Leute wie Lindsay Lohan oder Tommy Lee. Viele von diesen Leuten sollten erst mal ein bisschen zu Hause üben, bevor sie im Club vor anderen Leuten auf­treten, finde ich. F.U.N.K.: Manche Leute sind einfach besser darin, sich selbst zu promoten, als sie es hinter den Turntables sind. Lustig ist, dass einige davon echt richtig berühmte DJs werden, Aoki zum Beispiel. Was A-Trak betrifft: der hat den Erfolg verdient. Ich habe viel Respekt vor Leuten wie ihm, die immer wieder die Gren­zen sprengen. Sind Kanadier die besseren Amerikaner?

(Alle lachen.) Die Staaten sind im Moment schon ziemlich ‹fucked up›. Aber die Kanadier verbringen viel Zeit damit, den Leuten zu er­ klären, wie sehr sie sich von den Amerikanern unterscheiden. Wir alle sind gerne Kanadier und würden unseren Pass wohl in nächster Zeit auch nicht gegen einen amerikanischen tauschen wollen. Ausserdem sind wir sehr stolz auf die kanadische Musikszene. Da finden sich ein paar Top-Produzenten und DJs. Und wann kommt ihr mal nach Europa rüber?

New Money plant, diesen Sommer noch nach Frankreich und Belgien zu reisen. Aber als Moustache Men? Da warten wir leider immer noch auf den Anruf von den richtigen Leuten… Weitere Info zu ‹Moustache Men› findet ihr unter www.myspace.com/moustachemendjs Text und Interview: Matthias Straub und Rainer Brenner

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‹soundcheck› Nach diesen Scheiben wirst du süchtig. Musik prägt unser Leben in speziellen wie auch ­alltäglichen Situationen. Sei es der allmorgendliche Spaziergang zur Bushaltestelle oder das erste Date mit der grossen Liebe: fast jeder Moment hat seinen ganz eigenen Soundtrack. Unser Reviewnator ­bereichert somit diesen Monat also nicht nur euer ­CD-Regal, sondern vielleicht sogar euer Leben!

Jones. Vergleiche mit Tomte und Co müssen nicht ­gescheut werden. Wer aber glaubt, dass der deutsche Vierer genauso verquer und sperrig daherkommt wie Thees Uhlmann und seine Gefolgschaft, der irrt gewaltig. Schlau muss nicht immer verkopft bedeuten: ­mitsingtaugliche Hooks mit Message, dafür stehen Jupiter Jones und schliessen tatsächlich die Lücke, welche die Beatsteaks und Turbostaat diesen Festivalsommer hinterlassen werden. Denn ebenso wie bei diesen Kultbands möchte man Jupiter Jones: Holiday in Catatonia sich zu Songs wie ‹Jahr in dem ich Wenn die Tage heisser werden und schlief› das Shirt vom Leib reissen, die Abende länger, dann will man nur den nächstgelegenen Moshpit ­ansteueines: rausgehen, Bier trinken, lauern und den kommenden Sommer te Mucke hören und dazu tanzen. Doch ­zelebrieren. Herrschaften, die Festivalseit Beatsteaks und Konsorten saison ist eröffnet. sich eine wohlverdiente Auszeit gönnen, heisst es diesen Festivalsommer wohl: T-Shirt anlassen, Hände in die Hose und lauwarmes Mineralwasser, statt erfrischender Hopfenkaltschale. Denkste! Aus der beschaulichen Eiffel in der Nähe Kölns kommt nun eine Band, welche die richtigen Fragen zur falschen Zeit stellt und ein musikalisches Anti­ depressivum liefert, nach dem man regelrecht süchtig werden könnte. ­‹Holiday in Catatonia› heisst der neue Langspieler der sympathischen Truppe und bietet punkigen Indierock vom Feinsten. Und intelligente Dredg: ­The Pariah, The Parrot, The Delusion Texte obendrein. Bei deutschen Lyrics muss man ja stets die Befürchtung Dredg sind eine äusserst seltsame Band. Ihre Musik ist pompös-­ haben, dass Bands mit Punkallüren ­allzuschnell in Kitsch und Floske- pathetisch, die Macher jedoch verschüchtert-introvertiert. Von der lei geraten. So aber nicht Jupiter

Für ekstatische Augenblicke

Für pathetische Momente

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Presse als die Band des nächsten Jahrzehnts angepriesen, düm­peln sie jedoch zwischen Unbekanntheit und gelegentlich bejubeltem Underground-Heroismus. Von anspruchsvollen Hörern als fortschrittlichste Band der Artrockwelle hoch gelobt, verschliesst die Masse kontinuierlich die Ohren vor der Band aus Los Gatos in Kalifornien. Vielleicht müssen diese Kontraste aber auch sein. ‹The Pariah, The Parrot, The Delusion› wäre sonst nicht das, was es ist: ein stilles Meisterwerk. Was erwartet man auch von einer Band, die es sich selbst zur Aufgabe gemacht hat, die perfekte Me­lodie und allgemein nichts weiter als ­Perfektion zu suchen? Genau dieser Anspruch wäre Dredg beinahe schon mit dem Vorgänger ‹Catch Without Arms› zum Verhängnis ­geworden. Denn wer die letzten ­Platten um Vokalist Gavin Hayes und ­seine drei Mannen kennt, weiss wie hoch man die Latte bei Dredg hängen darf: zu hoch. Doch die Band, deren Namen so viel wie ‹tief graben› bedeutet, legt mit ihrem neuen Album einen Indierockboliden vor, der ­ausgefeilter, anmutiger, ­pathetischer und ausgegorener nicht daherkommen könnte. Hier stimmt einfach alles: der musikalische Anspruch in Form von technischer Versiertheit, songwriterische Finnesse gepaart mit ­überirdischen Schlagzeug-Grooves und Genremixturen von Pop über Jazz bis hin zu Garagepunk, die man so eigentlich nur von ProgressiveBands kennt–und diese wunderschö-

nen, sphärischen Melodien, die einen sofort ­ergreifen und zum Lächeln und Heulen gleichzeitig bewegen. Und dann, ja dann noch dieser mitreissend melodiöse Gesang, der in der Rockwelt wohl seinesgleichen sucht. Dies alles macht Dredg zu ­einer der ambitioniertesten Bands im ­ Rockgeschäft und ihr neues ­Album zu ­einem weiteren kleinen Meilenstein, der wahrscheinlich auch diesmal nicht allzu viele Fenster einschmeissen wird. Wer glaubt, musikalisch offen zu sein, und immer wieder Lust hat, ­atmosphärische musikalische Welten fernab vom Mainstream zu erkunden, der darf sich freuen. Denn so klingt das beste Album, das man seit ­langer Zeit zu hören bekommen hat.

Für nachdenkliche Stunden

Eels: Hombre Lobo

Wer hat’s erfunden? Ganz genau, die Eels! Zumindest wenn es um psychopathischen Songwriterindie geht, der durchgeknallter und genialer nicht sein könnte. Eels-Frontmann Mark Oliver Everett, den alle nur liebe-


voll ‹E› nennen, hat ebenso gehörig einen an der Waffel. Doch wenn es nach ihm geht, spiegelt seine Musik lediglich sein Umfeld wider. Heisst das jetzt, dass wir alle bald in engen weissen Jacken Griesbrei in uns reingestopft bekommen? Die Eels erschaffen mit ihren meist recht subtilen Musikwerken nichts Geringeres als kleine Meisterwerke. Kleine Kunstwerke, die manchmal so bescheuert sind, dass man sie einfach lieb haben muss. Vielleicht aber auch weil die Eels und insbesondere ‹E› machen, wonach ihnen ­gerade der Sinn steht. Manchmal treibend-rockig, dann wieder ­poppigbesinnlich, öfters auch mal groovigmetalig, um im nächsten Song Psycho-Country as its best zu zelebrieren. Man kann die Eels und auch ihr neues Werk ‹Hombre Lobo› nicht in Worte fassen. Dies gilt für die ­Musik, aber auch die Lyrics. Was erwartet man denn auch von Typen, die ihren Brit Award angeblich in einen Becken-Ständer für die Drums umfunktioniert haben, ‹damit er wenigstens zu etwas zu ge­ brauchen ist›? Eben: etwas anderes. Zu den Eels bleibt nichts zu sagen – ­ausser: auf diese Band muss sich jeder selbst einen Reim machen.

menden Soundtüftler aus England uns mit ihrer Musik sagen wollen? ­Vielleicht wissen sie es ja selber nicht. Denn eine klare Linie vermisst man auch auf dem neuen ArchiveBrocken ‹Controlling Crowds›, der nicht nur Titel, sondern auch Motiv der Scheibe darstellt: denn vom Haken lässt einen dieser musikalische Leckerbissen nicht mehr so schnell. Viel zu reichhaltig ist die Palette schmackhafter Soundeinlagen, viel zu knackig sind die schrammelnden Rockriffs, die sich auf einem straigthen Bett pumpender Elektrobeats dahintreiben lassen. Einmal gemach, einmal derart treibend, dass man das Gefühl hat, sich ­festschnallen zu müssen. Und genau da liegt der Reiz von Archive: ihre Songs folgen keinen typischen Schemata. Was wie ein 08/15-Britpopsong beginnt, endet als Elektrogewitter, in dem kein Atmen mehr möglich ist. Ambientes Beatgeflüster, Archive: Controlling Crowds transformiert zu rockenden HymArchive sind ganz gross. Vor allem in nen, die für die Stadien dieser Welt dem, was sie tun. Aber was manicht besser gemacht sein könnchen Archive eigentlich? Ist es Rock, ten. Und manchmal ist ‹Controlling ist es Elektro oder ambienter Pop? Crowds› sogar alles auf einmal – Oder verstehen wir einfach nicht, was nämlich so verdammt anders als der die recht intellektuell daherkomdurchschnittliche Rest. Aber keine Angst, ganz so durchgeknallt wie oben beschrieben sind die US-Musiker dann doch nicht – nur eben etwas verschroben. Aber in der heutigen Zeit geht das ja schon fast als ‹trendy› durch. Nur was würde wohl ‹E› dazu sagen? Also euer Reviewnator hat sein Köfferchen für die ­Anstalt schon gepackt.

Für melancholische Nächte

Mit Archive ist es wie mit Lederschuhen. Man muss sie erst einmal eine Weile getragen haben, bis sie richtig sitzen. Sprich: Archive einmal hören und sich ein Urteil bilden, fällt aus. Dafür sind Alben wie ‹Controlling Crowds› zu komplex, verspielt und intelligent, um sie bei einem halbherzigen Hördurchlauf richtig ergründen zu können – es gibt einfach zu viel zu entdecken. Einen Wermutstropfen hält jedoch auch ‹Controlling Crowds› bereit: denn warum veröffentlicht man solch eine melancholische Platte im blühenden Frühling, wenn dieses Album doch so wunderbar in den grauen Herbst gepasst hätte? Nun ja, ‹nobody’s perfect, even when he creates perfect things›. Statt in einen Kessel mit Zaubertrank ist Florian Hennefarth aka Henne aka The Reviewnator als Kind in eine 3000-WattBox gefallen. Seitdem kann er ohne Musik nicht mehr leben und durchlauscht für uns alle relevanten Neuerscheinungen.

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Oh Land: ‹Es gibt schon ziemlich viele gute dänische Bands besonders wenn man die Anzahl mit unserer Grösse vergleicht.›

Lucy Love: ‹Ich mache dänischen Grime, denn irgendwie hat jede Musik, die hier produziert wird etwas Dänisches an sich.›

WhoMadeWho mussten erst durch Europa touren, um nach ihrer Rückkehr auch in Dänemark als grosse Musiker erkannt zu werden.

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D Danish Butter Cookies Dänemark gilt weltweit als eines der Länder mit dem höchsten Lebensstandard. Als wichtigste Export -  Kulturgut ist seit den 50erJahren sicherlich das wegweisende dänische Design, das für seinen Minimalismus bekannt wurde. Doch was hat sich seither im Land der Wikinger, um das es im letzen Jahr-

ie Vorurteile oder Ideen, die wir gegenüber Dänemark hegen, fallen im Grossen und Ganzen ziemlich bescheiden aus: vielleicht kommen einem Stichworte wie ‹Wikinger›, ‹Märchenland›, ‹H.C. Andersen›, ‹Königreich›, ‹Reserviertheit›, ‹Arne Jacobson› und natürlich ‹Design› in den Sinn, doch ein abgerundetes oder zusammenhängendes Bild – wie wir es vielleicht von anderen Nationen zu haben pflegen – bleibt aus. So scheint das selbsternannte ‹Inselreich› aus europäischer Sicht neben dem in den letzen Jahrzehnten kulturell florierenden und expandierenden Schweden etwas untergegangen zu sein, und höchstens noch als Übergang von Mitteleuropa nach Skandinavien wahrgenommen zu werden. Doch auch im Staate Dänemark leben junge Menschen, es werden kreative Bereiche gefördert und ausgebaut sowie Subkulturen entwickelt. Misstrauisch gegenüber den wenigen, eher verschlafenen, märchenhaften Klischees von Dänemark, gingen die Fotografin Sarah Maurer und ich der Frage nach, ob sich im Untergrund der klaren Wasser, gewisse musische Ströme verbergen, die sich von uns ans Licht heben lassen. Wir wollten wissen, ob sich die Dänen musikalisch an England, modisch an Frankreich oder doch in beider Hinsicht eher an Schweden, ihrem nordischen Nachbarn, orientieren. Um das schöpferische Potential und die kulturelle Ausrichtung Dänemarks etwas genauer in Augenschein zu nehmen, haben wir eines der zahlreichen dänischen Festivals besucht und mit Kulturschaffenden über die heimische Kreativ-Landschaft gesprochen, die bei weitem nicht so platt und formlos ist wie die Geographie des Landes.

zehnt ziemlich ruWo sich dänische hig geworden Musiker gute Nacht ist, kulturell getan? sagen In der zweitgrössten Stadt des Landes, Århus, eiWir sind ans ner hübschen Hafenstadt auf dem dänischen Festland, findet jährlich das dreitägige ‹Spot Fes‹Spot Festival› tival› statt, welches insbesondere dänische Bands einige schwedische, norwegische oder englinach Århus gereist und sche Acts präsentiert. Auf dem Festivalgelände um das grosse, eindrückliche Konservatorium der Stadt Århus sowie an weiteren Satelittenlocations und haben die erwartet uns eine musikalische Bandbreite von über Electronica bis Metal gespielt. Undänische Musik- Indie-Pop ter den Besuchern finden sich höchstens zehn Prozent internationale Besucher, der Rest sind und KulturlandDänen, insbesondere Anwohner aus Århus sind vertreten. Jedoch scheint auch ein grosser schaft als auch de- stark Teil der Kopenhagener Kreativ-Szene präsent zu sein wie auch – was unsere erste Lektion sein wird ren Anhänger – viele Vertreter der internationalen Musikpresse, die sich im Fotografengraben vor der Bühne neuns drängeln. Die zweite Lektion folgt zugleich unter die Lupe ge- ben und bestärkt die erste: schon die ersten musikalische Eindrücke machen uns klar, dass es sich bei nommen. den 111 auftretenden Bands nicht um experimentierende Schülercombos und Hobbymusikanten Text: Florence handelt, sondern um ernstzunehmende Musiker und Newcomer, die auf hohem Niveau spielen und Ritter, Fotos: am Spot Festival im Scheinwerferlicht ihre Showcases nicht einfach aus purer Gaudi spielen, sonSarah Maurer dern um entdeckt zu werden. kinki

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‹ Die Dänen kleiden sich besser als andere Leute. Besonders am Spot Festival sieht man viele hippe Menschen ›, meint Marie Madsen, Festivalbesucherin.

Roskilde Festival 02. – 05. Juli 2009 Weit bekannter als das eher regional verankerte ‹Spot Festival›, ist das ‹Roskilde Festival› in der Nähe von Kopenhagen, welches zu den ersten grossen Festivals Europas zählte, die seit Anbeginn auch einen guten Zweck verfolgen. Obwohl heute der Grossteil der Besucher der Musik wegen ans Festival pilgert, standen bei der ‹Roskilde Festival Charity Society› früher Umweltthemen im Vordergrund. Noch heute wird das Festival möglichst grün und nachhaltig organisiert und von 25 000 Freiwilligen durchgeführt. Dieses Jahr steht das Festival aufgrund der im Dezember 2009 in Kopenhagen stattfindenden Climate Change - UNO - Sitzung im Zeichen der ‹Klimaveränderungen in der dritten Welt›. Wie das ‹Spot Festival› verfolgt das ‹Roskilde Festival› den Zweck, noch unbekannte, aber vielversprechende Bands zu zeigen, die von überall auf der Welt stammen, was das Festival zu einem internationalen Entdeckungspool macht. Die gut ausgesuchten Headliner ziehen Besucher an, die am Roskilde zusätzlich viele interessante Bands zu sehen bekommen – Bands, die in einigen Jahren vielleicht selbst als Headliner auftreten werden. Diese Idee liegt dem Festival seit den 70er-Jahren zugrunde und macht es zu einem der faszinierendsten seiner Art in Europa: am Roskilde wird Musik präsentiert, die sonst nirgends gezeigt wird oder wenn, dann höchstens ein, zwei Jahre später die breite Öffentlichkeit erreicht.

Ist es der Wind, das nordische Klima und die klare Luft, die die Dänen musikalisch und modisch dem Festland voraus treiben lassen?

Dänemark ist weit mehr als der Übergang von Mitteleuropa nach Skandinavien. Das skandinavische Stilbewusstsein ist bis an die europäische Grenze des Inselstaates vorgedrungen.

Folgende Bands, die am Roskilde Festival einheizen werden, möchten wir euch gerne ans Herz legen: Dänische Bands: Trentemøller, Lucy Love, Winnie Who, Oh no Ono, Mew, Rumpistol und Mike Sheridan Internationale Acts: Little Boots (UK), Friendly Fires (UK), Yeah Yeah Yeahs (US), Röykskopp (N), Grace Jones (Jam), Nine Inch Nails (US), Eagels Stecken die Schweizer of Deathmetal Faith no More (US) Rockstars noch in den(US), Kinderund wie gesagtgross­ noch viele eher unbekannschuhen, oder findet tere, aber spannende Bands mehr. kotziges Benehmen hierzulande einfach keinen Anklang?

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Auch WhoMadeWho wissen dass sie oft nicht als dänische, sondern als englische oder schwedische Band wahrgenomme werden.


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Ungeahnte Möglichkeiten – günstige Konditionen

Musikalisches Insel-Talent Betrachten wir den musikalischen Andrang an dänischen Talenten am Spot Festival, dann fällt auf, dass es in Dänemark zur vergleichweise kleinen Einwohnerzahl eine hohe Dichte an musikalisch aktiven Personen gibt. Würde man in der Schweiz ein grosses Festival mit mehrheitlich nationalen Acts auf die Beine stellen wollen, hätte man sicherlich seine Schwierigkeiten, jährlich ein neues Line Up auf so hohem Niveau aufzugleisen. Doch Dänemark leidet, wie es scheint, nicht an ‹Talentarmut›, im Gegenteil: an grossen alternativen Festivals wie dem Spot- und dem Roskilde-Festival treten jedes Jahr neue vielversprechende Bands auf. Dennoch ist Dänemark hierzulande nicht wirklich für seinen unglaublichen Musikreichtum bekannt, diese Assoziation fällt dann doch eher dem grossen Nachbarn Schweden zu. In einer kleinen Umfrage zur musikalischen Selbstwahrnehmung wird unser Eindruck sowohl von den Festivalbesuchern als auch von den Musikern selbst deutlich bestätigt. ‹Ich denke, dass es – besonders in Anbetracht der Grösse des Landes – sehr viele gute Musiker in Dänemark gibt, die immer besser werden. Die Leute sind sehr progressiv, sie wollen wirklich etwas aus sich machen und über Dänemark hinaus bekannt werden. Das gilt eigentlich für alle kreativen Bereiche, nicht nur für die Musik, sondern auch für Design, Kunst und Mode›, verrät mir die Sängerin von ‹Lucy Love›, die wir am Samstagnachmittag im imagetreuen 80ies Look beim Fläzen in der Sonne erspähen. ‹Lucy Love› gehört sicherlich nicht zu den typisch dänischen Bands: mit ihren zambianischen und englischen Wurzeln sowie ihrer Mischung aus Grime, Dubstep und elektronischer Musik im Stile ihrer Vorbilder M.I.A. und Santigold vertritt sie eine für das Festival unkonventionelle Musikrichtung, liefert dennoch oder vielleicht gerade deshalb ein paar Stunden später überraschenderweise eine der besten und meist umjubelten Shows des Abends. Auch Piet Biernholm, der als Designer erfolgreich den dänischen Schulranzen als ‹last bag› reproduziert und als Drummer in der Band ‹18th dye› spielt, stimmt zu: ‹Ich glaube sogar, dass im Moment die beste Phase für dänische Musik ist, die es jemals gegeben hat. Es gibt viele wirklich gute Bands, die internationale Aufmerksamkeit verdienen. Einige erhalten sie, andere nicht.› Über den Reichtum der Musikbands und die qualitativ hochwertige musikalische Leistung herrscht unter den Befragten Einigkeit, doch woher kommt diese schnell avancierende, progressive musische Armee?

Eine eindeutige Antwort auf die Frage, weshalb es gerade im kleinen Dänemark im Moment so viele gute Musiker gibt, scheint nicht zu existieren. Doch kommen wir im Verlauf der Gespräche einigen begünstigenden Faktoren auf die Schliche. Trotz der starken Jazz-Geschichte des Landes, hat Musik in Dänemark anscheinend nie einen so hohen Stellenwert wie heute genossen. Die Musikkultur aus dem Land zwischen skandinavischer Halbinsel und Mitteleuropa ist die letzten Jahre auch nicht einfach nur missachtet worden. Vielmehr bekunden viele der Interviewten, dass es vor zehn Jahren tatsächlich kaum gute Bands gegeben habe: ‹In den letzen Jahren hat sich enorm viel getan in der dänischen Musikbranche›, meint auch die Sängerin Rebekka Maria Andersson von ‹As in RebekkaMaria›, als wir sie eigentlich wegen ihres bezaubernden Kleidungsstils ansprechen, sie sich aber ebenfalls als dänische Musikerin outet. Die wichtigsten Faktoren dürften schliesslich aber das dänische Erziehungswesen sowie die finanzielle Förderung von Musik in Dänemark sein, da sind sich fast alle einig: ‹Wir haben sehr gute Konditionen, um Musik zu machen und zu experimentieren, es gibt viele Möglichkeiten, um vom Staat, der Regierung oder auch von der Stadtverwaltung organisatorische wie finanzielle Unterstützung zu erhalten›, sagt die Künstlerin Marybelle Katastrophy aka Marie Højlund, die seit ihrer Kindheit Musik macht und seither in den unterschiedlichsten Bands gespielt hat, bis sie sich schliesslich auf das eigenständige und computerunterstützte Musizieren besann. Ausserdem gehört auch im Erziehungssystem musikalische Bildung zum Programm und ‹man kann wirklich überall, in jedem Teil Dänemarks, an eine Musikschule gehen, von dem her ist es wohl einfach Teil der Kultur›, aber ‹es ist jetzt nicht ein gemeinsamer Nenner, eine Leidenschaft, die alle teilen›, meint Marie-Louise Grund Petersen von ‹Bodebrixen›, der jüngsten Band, die wir am Spot hinter der Bühne treffen. Dennoch haben alle befragten Musiker ihre musikalischen Karrieren schon im Kindesalter begonnen und spielten – oder spielen noch heute – in unterschiedlichsten Bands gleichzeitig. ‹Es ist auffallend wie viele Dänen ein Instrument richtig gut beherrschen›, meint auch Esben Danielsen vom ‹Roskilde Festival› zur allgemeinen musikalischen Lage in Dänemark.

Underdog Dänemark

Viele vergleichen die aktuelle musikalische Bewegung mit den Entwicklungen, die Schweden vor ein bis zwei Jahrzehnten erlebt hat. Johannes Dybkjær, Manager von ‹As in RebekkaMaria›, geht sogar noch weiter: ‹Ich denke, dass die skandinavische Musik immer sehr stark war. In den letzten zehn Jahren haben die Dänen enorm aufgeholt und werden immer besser. Dänemark ist im Vergleich zu Schweden und Deutschland ein Underdog, deshalb kämpfen dänische Bands stärker, was zu einem sehr guten Resultat führt. Wenn man aus Dänemark kommt, muss man einfach besser sein als die schwedischen oder englischen kinki 63


In jedem Teil Dänemarks kann man eine Musikschule besuchen. Auch die Mitglieder von Bodebrixen haben sich am Konservatorium in Århus kennengelernt.

‹Es wäre schön, wenn Festivals wie das Spot, auch ausserhalb Dänemarks auf dänische Künstler aufmerksam machen könnten›, Camille Wang, Festivalbesucherin und Blogger.

Kombiniert auch auf der Bühne gekonnt Mode und Musik: As in RebekkaMaria

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Jesper Reginal bei, Chef des Independent-Labels ‹Crunchy Frog›, der damit gleichzeitig eine Erklärung für die mangelnde Anerkennung liefert: ‹Wir sind nicht wirklich für Musik bekannt, weil viele gute Bands wie ‹The Ravonettes› gar nicht erst als dänische Band wahrgenommen werden. Im Moment kommen gerade sehr viele gute Formationen auf, ähnlich wie das in Belgien vor fünf Jahren der Fall war, ich denke aber, dass die Leute etwas Zeit brauchen, bis sie das wahrnehmen.›

Modisch ohne Ausnahmen

tivals natürlich ungemein.› Folglich geben sich Festival- und Musikkultur gegenseitig die Hand: Die lokalen und nationalen Festivals spiegeln die Musikszene wider und geben jungen Bands auch eine Plattform sowie finanzielle Unterstützung – ein gegenseitiger Support, der in der Schweiz erfolglos seinesgleichen sucht.

Bands, sonst interessiert man niemanden.› Dies ist ein möglicher Ansatz, um den momentanen Boom zu erklären. Doch muss ebenfalls in Betracht gezogen werden, dass trotz des O-Tons zur verhältnismässig grossen musikalischen Begabtheit der Dänen auch kritische Stimmen zu hören sind. Da werden dänische Bands auch mal als dänische Version einer international berühmten Band bezeichnet oder ihnen wird ein zu typischer Mainstream-Musikstil vorgehalten – ohne aber die musikalische Qualität der Bands anzuzweifeln. Trotz geschmacklicher Differenzen bleibt also die Frage, weshalb sich in Dänemark so viele begabte Musiker installieren konnten.

Nordische Festivalkultur

Esben Danielsen, der Pressesprecher des Roskilde Festival, der ebenfalls durch das Spot Festival schlendert, liefert mir im Laufe des Tages Informationen zur reichen Festivalkultur in Skandinavien und dadurch auch einige Antworten zur Verwurzelung der Musik in der dänischen Gesellschaft: ‹Einerseits denke ich, dass Musik in Dänemark, Norwegen und Schweden zu einem Mittel geworden ist, um die lokale Gesellschaft zu unterhalten und zu fördern. Jede kleine Stadt unterstützt mit offiziellen Geldern ein Festival. Zweitens haben wir ein hohes Einkommen, welches es den Leuten ermöglicht, ihr Geld für Konzertbesuche auszugeben. Und drittens werden in Dänemark und Norwegen Festivals hauptsächlich über ehrenamtliche Mitarbeiter generiert. Dänemarks fast schon traditionelle Freiwilligenarbeit im Kulturbereich erleichtert die Organisation und Durchführung eines Fes-

Typisch dänisch? Lieber nicht

Doch auch im Bereich der Mode hat sich im kleinen Königreich einiges getan. Obwohl Dänemark über die Landesgrenzen hinweg nicht sonderlich bekannt für seine Mode ist, bietet sich uns am Spot Festival eine wahre Fashionshow: ohne Ausnahme stolzieren Männlein und Weiblein stilbewusst und perfekt gestylet über das Festivalgelände. Wie Nymphen tragen die Damen einen hohen Dutt, haben sich eine Haarsträhne geflochten oder gedreht über die Stirn drapiert. Allesamt wirken auf uns, als seien sie aus einem internationalen Style-Blog gefallen. ‹Wären «Facehunter» und «The Sartorialist» hier, müssten sie danach eine Woche lang nicht mehr arbeiten›, denke ich mir anfangs vergnügt, bis mir am zweiten Tag just zu unserem spontan gesetzten Interview-Termin mit ‹As in RebekkaMaria› der Facehunter-Fotograf Maria wegschnappt und mit ihr verschwindet, sodass ich schliesslich mit ihrem Manager Vorlieb nehmen muss. Aber zurück zum Défilée der Extraklasse: nicht nur wir sind von den Looks, die sich unseren Blicken am Spot Festival bieten, ganz angetan, auch mit der Selbstwahrnehmung der Besucher stimmt unsere Beobachtung überein: ‹Wir denken, Dänen sind die bestgekleideten Leute Europas. Das ist gerade ein ziemlicher Hype! Hier am Festival sieht man besonders viele gut gekleidete Menschen, weil das alles Leute sind, die aus kreativen Branchen kommen›, meint die junge Besucherin Line Sørensen. Was mir als modeliebende Person besonders gefällt, ist, dass die Mode in Dänemark keine physischen Grenzen zu kennen scheint, denn egal ob fest, pummelig oder dünn, jede Frau hat sich in ein modisches Outfit geworfen. Ausserdem erstreckt sich das dänische Modebewusstsein durch alle Generationen hindurch: neben den ganz jungen topgekleideten Mädchen finden sich auf den Strassen von Århus immer wieder auch ältere Personen, die ein mir aus der Schweiz wenig bekanntes Modebewusstsein an den Tag legen. Aus unseren Gesprächen geht schliesslich hervor, dass alle Befragten die Dänen für ziemlich modebewusst halten. Eine rein nationale Orientierung lässt sich hingegen nicht feststellen. Vielmehr inspirieren sich die Däninnen an internationalen Modemagazinen und Fashionblogs. Die gut gekleideten Herren geben sich da zurückhaltender: häufig mit RayBan-Brille und einem Schnauzer ausgestattet, optional mit Hut, sind sie zu bescheiden oder eben zu cool, um Interviews zu geben.

Die Frage, was im Moment denn ‹typisch dänische Musik› ausmacht, löst bei den Befragten unterschiedlichste Reaktionen aus. Schlussendlich lassen sich aus den verschiedenen Antworten einige Musikrichtungen herausdestillieren. Typisch dänische Musik scheint im Moment eine Mischung aus Indie-Pop und elektronischer Musik zu sein, und auch die ganzen Club-Genres seien generell im Aufkommen, erfahre ich von mehreren Seiten. Viel treffsicherer und schneller fällt dagegen die Antwort auf die Frage, ob eine Band denn typisch dänische Musik mache. Da gehen die Musiker schnell mal auf Abwehrhaltung, die Gründe dafür sind mannigfaltig: ‹Bodebrixen› fühlen sich eher der schwedischen Musik zugehörig, ‹Marybelle Katastrophy› kann ihre Musik schlichtweg nicht dänisch nennen, weil sie in ihrer Musik immer und alles übertreibt, was ihrer Einschätzung nach das genaue Gegenteil zur kontrollierten, überkorrekten dänischen Spielweise darstellt. Auch die zarte Sängerin Nanna Øland Fabricius von ‹Oh Land›, die wegen ihrer verpatzten Ballerinakarriere zur Sängerin wurde, möchte auf das Attribut ‹typisch dänisch› lieber verzichten: ‹Ich habe versucht etwas anderes, eigenes zu machen, jedoch sind viele Elemente darin zu finden, die dänisch oder eher noch skandinavisch sind.› Wie Nanna stehen viele Künstler ihrer Musik dänische Elemente oder Charakterzüge zu, das Label ‹Danish Music› scheint sich aber auch in der musikalischen Selbstwahrnehmung der Dänen noch nicht als Gütesiegel festgesetzt zu haben. So meinen auch die Jungs von ‹Bodebrixen›, dass viele gute dänische Bands schwer zu finden seien, da sie eher ausserhalb Als wir einen Tag später im Eiltempo durch KopenDänemarks, im restlichen Skandinavien und Euro- hagen ziehen, fällt uns sofort die Vielfalt an trendipa bekannt seien. Dem pflichtet auch ‹Yebo› gen Kleiderläden auf, die sich dennoch im mittleren

Dressed & Designed

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Leider konnten wir nur sehr wenige Bands eingehender begutachten; hier präsentieren wir euch eine kleine Auswahl der Artists, die uns gefallen und mit denen wir über Dänemark und ihre Musik geplaudert haben.

In Dänemark braucht man nach begnadeten Musikern nicht lange Ausschau zu halten, weiss auch Yebo, der Chef des independent Labels Chrunchy Frog.

Bodebrixen Zwei Jungs, die nach eigenen Angaben ‹Happy Indie Pop› spielen und über das tägliche Leben singen und darüber, dass das Leben beschissen ist, aber das alles besser werden wird. www.myspace.com/bodebrixen WhomadeWho Das Trio tourt seit vier Jahren in verschiedensten Kostümen durch Europa und sticht auch mal nach Australien ins Meer. Ausserhalb Dänemarks sind sie mit ihrer discoinfizierten Popmusik bereits seit längerem bekannt. Ihr zweites Album erschien auf einem dänischen Label, wodurch sie allmählich verstärkt auch in ihrer Heimat Fuss fassen. www.myspace.com/whomadewhomusic Oh Land Nanna Øland Fabricius spielt Experimental Pop, welchen sie mit ihrer klaren, charakteristischen Stimme überlagert. Ein Unfall hinderte die gelernte Tänzerin an einer Ballerina-Karriere. Weil sie das Verlangen verspürte, Tagebuch zu führen, sich aber mit Worten schlecht ausdrücken konnte, kam sie schliesslich zur Musik. www.myspace.com/ohlandmusic Lucy Love Die 80ies sind zurück und mit ihnen die erste dänische Grime Queen, die stark ihren Idolen M.I.A, Santigold und Dizzee Rascal nacheifert. Mit ihrer energiegeballten Show, ihren Hip-Hop-Tänzerinnen, Kostümen und der sichtbaren Freude am Performen zieht sie alle in ihren Bann. www.myspace.com/lucylovemc Marybelle Katastrophy Marie Højlund produziert ihre Musik mit ihrem Partner Emil Thomson am Computer. Ihren Stil beschreiben sie als von allem zuviel, weshalb ihr Album auch ‹The More› heisst. Die Dänen kategorisieren die Musik als extrovertierten, avantgardistischen Elektro-Pop. Bei Auftritten, wie beispielsweise am Spot, stehen dann aber auch mal 15 Leute mit drei Schlagzeugen auf der Bühne und spielen mit viel Elan und Übertreibung die computergenerierte Musik nach. www.myspace.com/marybellkatastrophy As in RebekkaMaria Anstatt einfach nur über einen Beat zu singen – wie das viele französische ElektroMusiker tun – macht Maria dasselbe PopDiva-Ding, aber mit vielen zusätzlichen Elementen, komplexen Details und Spielereien: ein delilziöser Elektro/Club-Cocktail mit der hohen Stimme einer Diva. www.myspace.com/asinrebekkamaria

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‹Der Staat Dänemark macht es einem schon erstaunlich leicht, erste musikalische Schritte zu gehen›, weiss die Künstlerin Oh Land aus eigener Erfahrung.


Lucy Love ist nicht alleine: im Moment hat eine Welle Dänemark erfasst, der ganze kreative Bereich befindet sich in Bewegung.

Preissegment bewegen: von ‹Topshop›, ‹Bestseller› über ‹Urban Outfitters›, ‹American Apparel›, ‹COS› und natürlich ‹Vero Moda› und ‹Only› – mal ehrlich wusstet ihr, dass dieses schöne Label dänisch ist? – sind alle Boutiquen meiner FashionTräume in Kopenhagen versammelt. Hinzu kommen dann noch die zahlreichen Vintage- und DesignerLäden, die in den Hip-Quartieren der Stadt Tür an Tür stehen. Neben dem Angebot fällt uns des Weiteren die Innenarchitektur der Läden auf: in ihrem Inneren spiegelt sich die Designaffinität der Dänen wider, die Boutiquen sind weiträumig, einladend und top designt. Da lässt man sich beim Shoppen natürlich gerne aus.

Zu extrovertiert für Dänemark

Doch richten wir den Blick weg von den Modeträgern und hin zu den Machern, so muss man den Dänen auch im Fashion-Design grosse Fortschritte zugestehen. Irgendwoher muss diese Modevertrautheit schliesslich kommen. In den letzen Jahren haben sich Designer wie Hendrik Vibskov, Camilla Stærk und Stine Goya auch in der internationalen Fashion-Szene einen Namen gemacht. Modetechnisch glänzen die dänischen Designer aber in zweierlei Hinsicht: Hendrik Vibskov bringt in seinen Designs eine unerschütterliche Extravaganz zu Tage, die weder der dänischen Reserviertheit noch dem skandinavischen Minimalismus im Design entspricht, wodurch er besonders ausserhalb Dänemarks Erfolge feiert. Stine Goya und Camilla Stark hingegen haben einen Mittelpfad zwischen modischer Avantgarde und alltagstauglichem Chic gefunden, der – meines Erachtens – den dänischen Stil, wie wir ihn am Spot Festival und in Kopenhagen vorfinden, geschickt in elegante Kleidungstücke fasst. So scheint in der Mode ein Damm gebrochen zu sein, der offensichtlich den typisch dänischen Esprit überwindet – ein typisch dänisches Modedesign gibt es nämlich nicht – was in gewisser Weise wiederum dem Wunsch der Befragten im musikalischen Bereich entspricht. Dennoch sind die Musiker den Modeschöpfern um einiges voraus. Dass das Modedesign der musikalischen Talentschmiede hinterher hinkt, erklärt der Taschendesigner und Drummer Piet Biernholm so: ‹Mode-Design wird in Dänemark wenig gefördert, obwohl auch die Modeszene Beihilfen von der Regierung vertragen könnte, weil es sehr teuer ist, seine Mode im Ausland zu präsentieren. Der Unterschied zwischen der finanziellen Unterstützung im Bereich der Musik bzw. der Mode liegt darin, dass Musik primär als Kunst,

Mode hingegen primär als Industrie verstanden wird und daher auch staatlich nicht gefördert wird.› Johannes Dybkjær, Manager von ‹As in RebekkaMaria› ergänzt: ‹Ich denke auch, dass kleinere Länder wie Dänemark oder Island eine positive Tendenz haben, lauter, grösser und verrückter sein zu wollen als ihre grossen Nachbarn oder die coolen, grossen Modemärkte wie Frankreich, Grossbritannien und auch Schweden. Verglichen mit diesen Ländern ist die dänische Mode sehr farbig und verspielt, in Schweden und Frankreich hingegen sind Schwarz und Grau sehr dominant.›

Nichts ist faul im Staate Dänemark

Ganz im Gegenteil! Das Bild von Dänemark, das sich uns während dieses Kurztrips eröffnet, zeugt von viel Bewegung und musischer Lebendigkeit. Natürlich handelt es sich dabei nur um eine oberflächliche Betrachtung, die besser als Impression zusammengefasst werden kann, aber einer Sache sind wir uns sicher: da brodelt ganz schön was im dänischen Untergrund! Musikalisch stehen Unmengen begabter Musiker in den Startlöchern, modisch sind grössere Städte eine reine Augenweide und auch im höheren Modesegment machen sich dänische Modedesigner weltweit einen Namen. Ohne erst von den diversen Entwicklungen zu sprechen, die sich zurzeit im Bereich der Kunst, des Designs und des Films abspielen und die wir nicht ausgeleuchtet haben. Als einzigen Wermutstropfen empfanden wir, dass trotz der brodelnden Aktivitäten der Szene die Stimmung an den Festival-Konzerten allgemein eher platt blieb. Kein Rumgehüpfe, nur leichtes Hüftschwingen und als Höchstes der Gefühle mal die Hände hoch halten: ob das nun an der dänischen Reserviertheit oder dem taktischen Bewahren des perfekten Stylings liegt, sei dahingestellt. Zusammenfassend möchten wir Dänemark als sich im Wandel befindendes, sehr progressives und schönes Land empfehlen, das gegen die eigene Verschlossenheit und gegen Konservatismus kämpft, das sich öffnet und bereit macht, Skandinavien und Europa zu erobern. Wir bleiben dran und sind gespannt, was dieses kleine Land noch hervorbringen wird und ob dänische Künstler das Label ‹Danish› auch in Zukunft lieber zu Hause lassen oder in ein paar Jahren vielleicht schon als Gütesiegel empfinden werden. Auf unserer Website www.kinkimag.com führen wir das Thema Dänemark natürlich weiter, wir liefern euch exklusive Reise-Tipps für Dänemark, die wir von unseren Interview-Partnern erhalten haben. Ausserdem warten auf euch ungekürzte Interviews mit vielen Bands und dem Pressesprecher des Roskilde Festivals sowie ein exklusiver Beitrag zum dänischen ‹S Magazin›, welches prüde Reserviertheit gegen Ästhetik und Sexualität getauscht hat. kinki

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‹vertreter› Über die wichtigsten Schuhe von 1900 bis heute. Name: Vans Classics Geburtsjahr: 1966 Typ: Sneaker Hersteller: Vans

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unststücke und Luft­ sprünge auf dem Rollbrett finden ihren Ursprung in den 60ern, und zwar auf Kaliforniens Strandprome­ naden und in leeren Swimmingpools. Die Sunnyboys schnallten Roller unter ihre kleinen Surfboards, um auch bei schlechtem Wellengang in Bewegung zu bleiben. Einer dieser legendären Surferjungs hiess Tony Alva, der auch ein Mitglied der Z­Boys war und sich als den ersten Skateboardmeister über­ haupt betiteln darf. Tony Alva und sein Skatekollege und Buddy Stacy Peralta lieferten 1976 dann die Inspiration für die ersten Skateschuhe von Vans. Und schon bald entdeckte auch der Main­ stream die gepolsterten Treter. Aber zuvor liess 1966 ein Mann namens Paul van Doren eine ge­ riffelte Gummisohle mit einem Stück Leinen zusammenschmelzen: die Geburtsstunde der bis heute verwendeten ‹Waffle Grip›­Sohle.

In Anaheim fand zu dieser Zeit also nicht nur die erste Skateboard­ meisterschaft statt, sondern dort erblickten auch die Skateschuhe das Licht der Welt. Die Eröffnung des ersten Vans Store begann mit viel Hektik und weit entfernt von Massenproduktion. Ein Laden voll mit leeren Kartons, drei Muster­ teilen und keinem Wechselgeld in der Kasse. Am ersten Tag über­ raschten 12 Kunden die Besitzer mit ihrem kauffreudigen Interesse, und so mussten Paul und Gordy Lee den ganzen Tag Schuhe produ­ zieren, die von den Kunden erst am nächsten Tag abgeholt werden konnten. Doch wie es scheint, hat der Stress sich gelohnt!

Seit über 40 Jahren zelebriert Vans den kalifornischen ‹laid back style›.

Kurze Zeit später erhielten Vans einen Auftrag für die Lieferung von Gefängnisschuhen. Das war die Geburtsstunde des legendären Mo­ dels ‹Prison Issue 23›. Klettver­ schlüsse machten Selbstmördern das Leben schwer, da keine Schnürsenkel mehr in einen Strick umfunktioniert werden konnten. Die breite, weisse ‹Plato Sole› und der weisse Streifen sind auch heute noch ein oft gesehenes Markenzeichen auf den Brettern, die die Welt bedeuten. In den 80ern und frühen 90ern war Steve Caballero einer der bekanntesten Vans­Jünger, sein Modell ‹Cab› und die Low­Top­Version ‹Half Cab› stellen einen weiterer Meilenstein in der Vans­Geschichte dar. Doch nicht nur die Generationen von Skatern haben dieses Schuhwerk geprägt, sondern auch Bands wie Kiss, AFI und Bad Brains. Die heutigen Designs und Prints kommen aus allen Richtungen. Seit über 40 Jahren predigt Vans den kalifornischen ‹laid back style› in Sport, Musik, Kunst und Streetkultur. Erstes Gebot des ‹laid back style›: Du sollst das Leben niemals zu ernst nehmen! It’s all in the grip! Vans Classics sorgen nicht nur auf dem Skateboard, sondern auch auf biergetränkten Bühnen und in sandigen Dünen für ordentlich Bodenhaftung.

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Text: Christina Fix Illustration: Lina Müller www.vans.com


photography by robinbrueckmann.com


Die Poesie des Simplen

Von der Goldschmiedin zur Industriedesign-Studentin und wieder zurück: Die deutsche Schmuckdesignerin Saskia Diez beweist mit ihren poetisch leisen und unaufdringlichen Kollek­tionen, dass Umkehr manchmal Weiterentwicklung bedeutet. Text: Anja Mikula, Fotos: Oliver Spies

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o ist das meist im Leben: man nimmt sich etwas vor, plant, beschreitet einen Weg und bemerkt dann letzten Endes, dass man ganz woanders herauskam, als man eigentlich wollte. So muss sich auch die deutsche Designerin Saskia Diez gefühlt haben, als sie nach ihrer Goldschmiedlehre Industriedesign studierte – um dann doch wieder durch einen Zufall zum Schmuck zurückzukehren. Wie bei den meisten solchen ‹Verirrungen› kam Saskia Diez der Ausflug ins Industriedesign allerdings nur zugute und auch die Trägerinnen ihrer Accessoires spüren und schätzen den Einfluss. Während ihres Studiums entwarf die 1976 geborene Designerin Armbänder für einen Wettbewerb, den Volvo 2005 zum Thema ‹Frauen und Sport› ausgeschrieben hatte. Die Modelle gefielen und wurden so Teil einer Wanderausstellung, was Saskia Diez vor das Problem stellte, dass sie für die Abschlussausstellung ihres Studiums nichts mehr hatte, was sie präsentieren konnte. So liess sie die Armbänder kurzerhand in Bronze nachgiessen und wandelte ihre Form dabei leicht ab. Eben diese ‹Duplikate› wurden 2006 schmückendes Beiwerk auf der Möbelmesse in Köln, als Saskia Diez sie auf dem Waschbecken des ‹Ideal House› ihres Mannes Stefan Diez – seines Zeichens Shootingstar der deutschen Designszene – dekorativ platzierte. Ein Besucher der Messe entdeckte die bis dato nur als Prototyp existierenden Armbänder und orderte gleich eine grössere Stückzahl.

Am silbernen Faden

Trotz dieses unerwarteten Erfolges folgten zunächst einmal Designtätigkeiten bei Rosenthal, Christian Haas und Konstantin Grcic, ehe Saskia Diez sich letzten Endes doch zur Lancierung ihres eigenen kleinen Schmucklabels entschied, wo sie sich um Kreation, Vertrieb und Vermarktung selbst kümmert. Mittlerweile ist Saskia Diez verantwortlich für 13 Kollektionen, die alle durch ihre Simplizität und wohl auch durch ihre verkopfte Verträumtheit verzaubern. Ich kann es nicht genau erklären, aber beim Anblick ihrer Schmuckstücke muss ich sogleich an Haut denken. Das ist das erste Bild, das mir dabei durch den Kopf geht. Das liegt wohl daran, dass die meisten Teile – wie Ketten und Armbänder – oft sehr filigran daherkommen und daher der 70

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nackten Haut der Trägerin höflich den Vortritt gewähren. Die Armbänder der Kollektion ‹Fine› beispielsweise sind kaum dicker als ein Silberfaden und erinnern an eine Schnur, die sich – zum Leben erwacht – um das zarte Handgelenk der Trägerin schlängelt.

Zufall und Un­­ge­ reimtheiten als Inspirations­ quelle

Was insbesondere die Ketten äusserst apart erscheinen lässt, sind die Verschlüsse der einzelnen Teile, die nie mit einem gewöhnlichen Karabiner oder Hakverschluss versehen sind, sondern deutlich die jeweilige Inspiration hinter der Kollektion spürbar machen. So ist die Serie ‹Fine› mit DrehSchraubverschlüssen ausgestattet, so dass die einzelnen Ketten in Glied- und Panzerketten aus Silber und Gold miteinander verbunden werden können. In der Kollektion ‹Boule› ist eine Perle Verschluss und Zierde zugleich. Was die Saskia-Diez-Ketten zudem besonders originell wirken lässt, ist das Verhedderte, das ihnen anhaftet. Wahrscheinlich entzückte die Designerin der Anblick eines äusserst verhedderten Necklace am Hals einer Trägerin einst so sehr, dass ihre Colliers seitdem häufig diese ‹Unperfektheit› aufweisen. So sind auch die Exemplare ihrer aktuellen Schmuckkollektion ‹Big Knot› wieder charmant verwickelt. Allerdings treten wie auch schon beim Vorgänger Knoten auf, die an einigen Stellen dann doch für eine gewisse Ordnung und Kontrolle im scheinbaren Durcheinander der feinen Ketten sorgen. Dieses Mal sind die Knoten allerdings wesentlich grösser und fungieren nicht nur als ein dekoratives, sondern auch als ein funktionales Element, da durch sie eine Variierung in der Länge erreicht werden kann. Dabei erinnern die Knoten ein wenig an kleine Quasten. Dank ihrer Grösse erscheinen die feinen Ketten aus Sterling-Silber – von den Knoten fest umschlungen – noch filigraner, als sie es ohnehin schon sind. Auch eine weitere, seit Kurzem erhältliche Kollektion – ‹Paillettes› – spielt mit diesem Kontrast der Grössen und erhält nicht zuletzt dadurch ihren ungeheuren Charme. Hier hat Saskia Diez feingliedrige Ketten mit übergrossen Pailletten kombiniert, und sie mit ihrem lichtreflektierenden und spiegelnden Charakter dem bewegten Tanz zwi-

schen den Haaren der Trägerin hingegeben, deren Gesicht durch das Glitzern der Pailletten mit einem Glanz akzentuiert wird. Erweitert werden die aktuellen Schmuckkollektionen seit diesem Monat durch ‹Papier›: eine Taschenkollektion aus Papier, die eigentlich von ihrem Mann Stefan Diez für ihr Label designt wurde. Der Designer hatte bereits in der Vergangenheit die Taschenmodelle ‹A1› und ‹A2› aus demselben Material, nämlich Tyvek, entworfen. Darunter ist synthetisches Papier zu verstehen, das extrem belastbar und auch wasserfest ist. Wie bei den meisten ledernen Taschen erhalten auch die aus Papier ihren ganz speziellen Charakter erst nach einiger Zeit des Tragens und nachdem sie einige Gebrauchsspuren erhalten haben. Es sind überhaupt diese Ungereimtheiten und Zufälle, wie das Verhedderte einer Kette oder das Faltige von Papier, dem Saskia Diez viel Inspiration abgewinnen kann. Diese Faktoren sind vordergründig in ihrem Design. Eine grosse Rolle spielt letzten Endes jedoch auch immer eine gewisse Verspieltheit, die sich allerdings nicht im Aussehen der Schmuckstücke niederschlägt, sondern lediglich beim Entwerfen und Tragen spürbar ist. Zum anderen sind es die Materialien, deren Eigenschaften das Design stark beeinflussen und prägen. Dabei kommt es der Designerin nicht auf den tatsächlichen Wert des Materials an, sondern viel eher auf die Authentizität – und daher wiegen für Saskia Diez Holz, Papier und Glas genauso schwer wie Gold und Elfenbein. Die Münchnerin wurde im Rahmen der Mercedes Benz Fashion Week in Berlin mit dem ‹Premium Fashion Award› für das beste Accessoire Design der Herbst-/­ Winter-Saison 09/10 ausgezeichnet.


Links: Paillette Ring Paillette Bracelet und Papier Tasche Rechts: Big Knot Necklace Paillette Necklace

Saskia Diez’ Schmuck­stücke und Objekte bestechen durch ihre filigrane Einfachheit. kinki

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Itsy Bitsy Teenie Weenie Yellow Polka Dot Bikini

Wer im Winter, als die ersten Bademoden-Exemplare in die Kaufhäuser Einzug hielten, noch nicht gewillt war, seinen blassen Körper im Glanz der Neonröhren der Umkleide zu erblicken, der steht spätestens jetzt vor der alljährlichen Suche nach dem perfekten Bikini. kinki präsentiert euch die Favoriten der Redaktion. Text: Anja Mikula Badekleid von Paul and Joe Modell: Alaplage Von: www.paul­ andjoe.com

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Bikini von Zimtstern Modell: Addiction Von: www.zimt­ stern.com

Bikini von evaw wave Modell: Nitika Von: www.evawwave.com

Bikini von Zimtstern Modell: Barbie Von: www.zimt­ stern.com

Bikini von Lahco Modell: Vichy Von: www.lahco.ch

Bikini von Princesse Tam Tam Modell: Glossy unpièce Von: www. princessetamtam.com Bikini Seafolly Modell: Neotropical Von: www.seafolly.ch

Bikini von La Redoute Modell: La Redoute Création Von: www. la­redoute.ch

en perfekten Bikini aufzustöbern, ist ja in etwa vergleichbar mit der Suche nach dem Traummann: selten findet man sofort im ersten Exemplar die Erfüllung, die man sich versprochen hatte. Da hilft nur, immer weiter zu probieren, bis dann endlich der Richtige gekommen ist. Als Frau erkennt man ihn daran, dass er möglichst nirgendwo kneift, unschöne Stellen kaschiert, beim heldenhaften Hechtsprung nicht das Oberteil baden geht und am wichtigsten: hier mehr vortäuscht, als vorhanden ist, und dort weniger, wo zuviel. Eine Menge Anforderungen eben. Zu der ganzen körperlichen Problematik kommt noch die stilistische hinzu. Bei der herrschenden Formenvielfalt kann man schon mal ins Grübeln geraten über Bikini, Monokini, Trikini oder Tankini. Vor allem wenn dann noch Diversifizierungen von Ober- und Unterteil ins Spiel kommen – wie Bügel-, Triangel-, Neckholder-, Pushup-, Bustier-, Tankini- oder Bandeau-Top bzw. Hipster, Panty, Hot Pants respektiv Bade-Shorts, Tanga, String oder Microkini – hört der Spass endgültig auf.

Bei dieser Formenvielfalt kommt man ins Grübeln über Bikini, Monokini, Trikini oder Tankini.

Als ob das alles nicht schon schwierig genug wäre, tauchte vor ein paar Jahren der Einteiler auch im Young-Fashion-Bereich wieder auf und will den jungen Damen seitdem Glauben machen, er wäre eine wahre Alternative zum Dauerbrenner Bikini. Dieser hat uns allerdings seit seiner Empörung erregenden Erfindung im Jahre 1946 nicht nur Sonnenstunden bereitet, sondern auch so manchen Komplex verursacht. Das muss nicht sein und macht auch keinen Spass und deswegen hat kinki euch hier eine Auswahl der besten Bikinis 2009 für XX-Chromosomenträger zusammengestellt. Fotos: Promo

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Sonne an – Brille auf!

Walk on the sunny side

Paparazzi-Bilder beweisen es: mit der richtigen Sonnenbrille wird selbst der Gang zum Bäcker in ausgebeulter Jogginghose glamourös! Umso wichtiger, die passende zu finden! Vor den Regalen gängiger Optiker gerät man schnell ins Straucheln: D&G, Armani, Gucci? So ziemlich alles Marken, mit denen man sonst auch irgendwie wenig am Hut haben will. Glücklicherweise drängen seit ein paar Jahren kleine, charmante Marken und limitierte Serien auf den Markt, bei denen man das Logo am Bügel nicht mehr übermalen möchte. Ein Spaziergang on the sunny side! Text: Romy Uebel 74

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Das dänische Label Han Kjobenhavn lässt sich gerne von bekannten Brillenträgern der Vergangenheit inspirieren.

Kollaboration als Firmenprofil? Colab aus Australien gewährt seinen Künstlern beim Design Narrenfreiheit!

Colab

Gerade mal ein Jahr jung wurde Han Kjobenhaven in diesem Mai, dabei sieht das Label aus Dänemark schon ganz schön alt aus! Das allerdings im positiven Sinne, schliesslich ist genau die zeitliche Nichtschubladisierbarkeit das Ziel der beiden Macher, die am liebsten selbst unsichtbar bleiben. Ganz skandinavisch geht es dem Duo darum, ihren Kleinstserien ein möglichst unaufdringliches, durchdachtes Design zu verpassen. Ihre Inspirationen: prominente Brillenträger wie Hunter S. Thompson, Malcolm X und John F. Kennedy. Der klassische Retro-Look zieht sich durch die gesamte Unternehmens-CI. Liebste Ära von Han: die 50er-Jahre. Die Modelle, deren Namen ‹Wolfgang›, ‹Harry› oder ‹Walter› auch nicht so recht ins Jahr 2009 passen wollen, gibt es mit getönten oder klaren Gläsern in verschiedenen Farben, jeweils von Hand bemalt und beschichtet, um das Vintage-Feeling zu unterstreichen. Damit der Look auch zur Brille passt, liefert Han ab Herbst eine Mini-Bekleidungskollektion in die Geschäfte. Tradition und Innovation gehen auch hier Hand in Hand, so wird mit echtem Indigo gefärbt, stilistisch orientiert man sich an der Freizeitkluft vergangener Epochen, wichtigstes Thema: Marine! Diese Dänen...

Die Australier Peter Smith, Ian Hoole und Dave Allison dachten sich: wenn heute ohnehin jeder Collaborations eingeht, kann man ebenso gut ein ganzes Firmenprofil darauf aufbauen. Geboren ward ‹Colab›! Und weil die drei Jungs vorher als Designer, Marketing Manager und Distributor für die Eyewear-Linien von Marken wie Gucci und Dior arbeiteten, war klar: es sollten wieder Brillen sein! Jede Saison designt eine Handvoll Kreativer eine 1000-Stück-Kollektion. Colab selbst versteht sich als Anti-Brand und rollt die leere Leinwand aus – die Künstler haben Narrenfreiheit! Bislang tobten unter anderem P.A.M., Geoff McFetridge und Eboy durch die Stilrichtungen ‹classic›, ‹sport› und ‹retro›. Alle Colab-Kunstwerke erfüllen die internationalen Standards hinsichtlich UV-Schutz und Bruchfestigkeit. In diesem Sommer darf man sich über die Kreativergüsse von Marok, dem Gründer des Lowdownmagazine freuen sowie über die Colabs mit dem Streetwearbanger Fergadelic aka Tonite und der Pariser Videokünstlerin Geneviève Gauckler. Viel Platz bietet ein Brillenrahmen ja nicht, dennoch erkennt man Genevièves Affinität für Popkulturelles. Marok persifliert mit dem ‹I’m not a Terrorist›-Claim auf seinen Piloten-Shades den Zeitgeist. Tonite setzt auf Purismus und zeigt originelle Durchbrüche an den Brillenbügeln. Individualität total und andere machen die Arbeit? Wieso ist da nicht schon früher einer drauf gekommen?

www.hankjobenhavn.com

www.colab.com.au

Han Kjobenhavn

Sommer, Sonne, Sonnenbrille: innovative Brillenlabels bieten blendende Aussichten!

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Die innovativen Designs des Berliner Labels Mykita gelten längst nicht mehr nur in der Hauptstadt als Geheimtipp.

Zeitlose Coolness in allen Farben des Regenbogens: die legendäre Frogskin von Oakley.

Oakley

Mykita

Die kalifornische Marke Oakley gehört zu den absoluten Gewinnern im anhaltenden Retro-Trend. In den 90ern noch als Erkennungsmerkmal Neon-TShirt tragender Bodybuilding-Typen verschrien, gelang es dem Konzern seine Glaubwürdigkeit, besonders in der jungen Zielgruppe zurückzuerobern. Zaubermittel Nummer 1: die legendäre Frogskin! In den 80ern Kult unter Surfern und Skatern, wurden die kastigen Shades 2007 wieder aufgelegt; Kooperationen mit Authentizitätsstiftern wie dem Label Supreme liessen die Kassen klingeln. Die sonst für Sportbrillen bekannte Marke, die über 575 Patente auf Designs, Materialien und technische Entwicklungen hält, hat sich erfolgreich im Streetwear-Segment etabliert und überrascht mit immer neuen ‹Artist Series›. Nach Kooperationen mit C100 oder The London Police sind aktuell Brillen von Will Barras vom Scrawl Collective und der Grafikerin Caia Koopman auf dem Markt. Wills unverkennbare Handschrift tauchte das Modell ‹Montefrio› in harmonische Pastelltöne, Caias Interpretation der ‹Ravishing› zielt mit verspieltem Comic-Style ganz klar auf sweetie Girls ab!

Der Name des Berliner Labels ‹Mykita› klingt irgendwie exotisch, wie eine asiatische Vorspeise vielleicht? Viel einfacher: Als die Designer Harald Gottschling und Philipp Haffmans gemeinsam mit ihren Partnern Moritz Krüger und Daniel Haffmans 2003 ihr Eyewear-Label gründeten, bezogen sie zunächst eine Ex-Kita! In den heutigen Räumlichkeiten im schicken Viertel Mitte erinnert nur wenig an diese provisorischen Anfänge. Über 60 Mitarbeiter beschäftigt Mykita mittlerweile, alle Brillen werden in Handarbeit in hauseigener Produktion hergestellt, ein eigener Flagshipstore gehört ebenfalls zum Unternehmen. Mykita-Modelle liegen heute längst bei High-End-Optikern und in Departmentstores wie Barneys ganz selbstbewusst neben Rayban oder Persol. Zu verdanken ist der enorme Erfolg vor allem dem Erfindergeist der Designer. Mitte der 90er meldeten sie bei ihrer ExFirma ‹IC!Berlin› bereits eine schlaue Federscharnier-Bügellösung zum Patent an, für diesen Sommer entwickelten sie eine spezielle Gravurtechnik, die neue Oberflächen erzeugt. Ausserdem gelang es ihnen, wuchtige Sixties-Formen à la Marcello Mastroianni, die sonst nur in Acetat wirken, in superleichtes Flachmetall zu übersetzen. Im wahrsten Sinne interessante Optik!

www.oakley.com

www.mykita.de

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Sabre Was kann man von Australiern erwarten, die in Kalifornien leben? Zumindest doch, dass sie sich mit Sonnenbrillen, Surf- und Rollbrettern sowie EasyLivin’ auskennen! Tabitha Shafran und Brooke McGregor erfüllen all das und leben das Motto ihres Labels Sabre, ‹Hang loose mother goose!›, mit jeder Körperfaser. 2005 gegründet, versteht sich Sabre als Gegenentwurf zur gesättigten Multikonzernwelt. Die Waffen: soziale Netzwerkelei, Unterstützung des Undergrounds und jede Menge Spass. Das Basislager: der eigene Shop ‹Don’t Panic› in Newport Beach. Hier zeigt Sabre neben selbstkreierten T-Shirts eine breite Palette an Sonnenbrillen. Neonfarben, Zebramuster, Verspiegelungen und Model-Namen wie ‹Die Hippie›, ‹Cops Suck›, ‹Way Kool› oder ‹The Dude› unterstreichen die Attitüde der Krawallstifter. ‹Es ist an der Zeit, die Welt ein bisschen aufzurütteln›, erklärt das Duo – Säbelrasseln à la California! www.sabre.fm


Schlichtes RetroDesign oder doch lieber ein quietschbuntes Plastikmodell? Diesen Sommer gibt’s für jeden was Passendes auf die Nase!

Attitüde ist bei den kalifornischen Enfants Terribles der Brillenindustrie Programm: Sabre setzen nicht nur in ihrer Werbung stets noch einen drauf!

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BLACK PLANET photograpHER: Philipp Mueller, Stylist: Lotta Volkova Adam, AssistAnt Stylist: Anelor T, Hair: Tanya Koch, Artlist Paris, Make-Up: Cristina Lutz at Agency Paris, Models: Christina und Magdalena at IMG Paris, Nikolas at www.studioklrp.com

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links: waistcoat RAF SIMONS bullet neckchain AKILLIS shorts ROMAIN KREMER belt VERONIQUE BRANQUINHO rechts: knitted dress Yiorgos Eleftheriades kinki kinki

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links: top AZZEDINE ALAIA leggings ANN DEMEULEMEESTER rechts: top LUTZ & PATMOS belt AZZEDINE ALAIA briefs AF VANDEVORST shoes AZZEDINE ALAIA

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links: necklaces ANN DEMEULEMEESTER and PEACHOO + KREJBERG briefs AF VANDEVORST rechts: dress ANN DEMEULEMEESTER

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links: dress PAULE KA rechts: jumper THOMAS ENGELHART shorts NUMBER NINE socks FALKE boots JULIUS underwear MODEL’S OWN 84

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‹vive la fragrance › Wohlgerüche für Fortgeschrittene. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Egal ob jung oder alt: mit der massgeschneiderten Duftnote aus dem Hause ‹Kiton› beweist man als Mann zeitlose Eleganz.

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or gar nicht allzu langer Zeit war ich in London, wo ich mich neben der fabel­ haften ‹Le Corbusier› Aus­ stellung und Probeschlafen in Luxus­ hotels auch trivialeren Dingen wie dem Shopping gewidmet habe. Letzteres hat mich darum auch an die Burlington Gardens Street geführt. Genauer gesagt in den ‹Abercrom­ bie & Fitch› Laden, der dann in mir eine weitere glühende Anhän­ gerin gefunden hat. Setzt man seinen Fuss nämlich in das Haus des US ­stämmigen Labels, so betritt man ein fast schon lukullisches Reich der Dunkelheit, wo nicht nur der neuste Hausduft so­ wie die neusten Hausplaylists omnipräsent sind, sondern auch an jeder Ecke hübsche Burschen und Mädchen darauf harren, einem jeden (Mode­)Wunsch von den Lippen abzulesen. So kam es denn, dass ich, anstatt mich um die Aufbesserung meines Kleiderschrankes zu kümmern, immer mal wieder Ausschau nach einem stillen Örtchen hielt, wo ich mir den einen oder anderen wohlge­ formten, britischen Lakai zu Gemüte führen könnte. Leider blieb es beim Konjunktiv – es gab schluss schluss­ endlich Probleme mit der Ver Ver­ packung – weshalb die niedlichen Jungs samt stählernen Muskeln in ‹Good old Britannia› bleiben mussten. Schade. Dann wiederum auch Pracht­ völlig in Ordnung, da diese Pracht exemplare nicht gänzlich meinem gängigen Beuteschema entsprechen, weil mein Archetyp – neben breiten Schultern – oftmals mit den Attributen ‹lange Haare à la D’Artagnan› und ‹Bart› versehen ist. Spannenderweise

Adonis trägt Hermes. Der würzige Duft ‹Equipage› bringt nämlich nicht nur Mütterherzen, sondern auch jene ihrer Töchter zum Schmelzen.

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trägt nun ein jeder von uns solche Ur­ bilder, auch Anima und Animus genannt, in sich, welche bei der Partnerwahl eine grosse Rolle spielen. Hat jedenfalls der famose C.G. Jung gesagt. Sein Konkur­ rent Freud hingegen, vertrat die Ödi­ pus­Theorie und somit diejenige des Vaterkomplexes. Habe ich mir in­ mitten meines Männertaumels ebenfalls überlegt und auf mich an­ zuwenden versucht. Hat aber nicht funktioniert, mich dafür jedoch – wie könnte es denn anders sein – auf Düfte gebracht, die unsere Väter tru­ gen. Einer davon ist nun das herr­ liche Hermès­Parfum ‹Equipage› (50 ml, Eau de Toilette um 85.– CHF), welches ein belebendes und anregen­ des Elixier darstellt. Denn es bietet unter anderem Hesperidennoten wie Zitrone sowie Bergamotte und wird neben Minze von einigen wür­ zigen Elementen – darunter Papri­ ka und Ingwer – aufgemischt. Der ‹coup de grâce› wird von hellem Vir­ ginia­Tabak ausgeführt, der nicht nur unsere Mütter verzaubert hat. Eine meiner wunderschönen und äus­ serst schwierig zu erobernden Freun­ dinnen würde jedenfalls augenblick­ lich dem Mann um den Hals fallen, der diesen Duft und somit Duft ihres Vaters trägt. Mein mittlerweile fast schon haarloser ‹babbo› und nach wie vor leidenschaftlicher Casanova frönt unterdessen dem nicht min­ der grandiosen Duft ‹Kiton› (75 ml, Eau de Toilette um 80.– CHF), der dem gleichnamigen neapolitanischen Unter­ nehmen und somit einer der exklu­ sivsten Massschneidereien der Welt entstammt. Genauso klassisch­ele­ gant angelegt wie die Anzüge aus dem Traditionshaus, umgibt sich der Träger dieses Chypre­Duftes mit In­ gredienzien wie Lavendel, prov­ enzialischen Kräutern und Sandelholz; wobei marokkanisches Koriander­ laub das raffinierte Parfum­Bouquet vervollständig. Und so manche Frau komplett schwach werden lässt, was ganz im Sinne meines Erzeugers ist. Somit bleibt abschliessend eigent­ lich nur noch eines zu sagen: ‹Wie der Vater, so die…›. Oder etwa doch nicht? Schon als kleines Kind bewies Irène Schäppi, unsere Kolumnistin und Duft-Fetschistin, einen guten Riecher. So zum Beispiel, als sie mit vier Jahren den elterlichen Schlafzimmerteppich mit dem damals angesagten Eau de Parfum (!) von Valentino tränkte. Illustration: Raffinerie


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‹media› Vom Umschlag bis zum Abspann. ‹Sonst gibt’s heute kein Fernsehen!› war Mamas liebstes Druckmittel, um uns an die Hausaufgaben zu erinnern. Dass jedoch sowohl Mamas Erziehungsmassnahmen als auch die Stunden vor dem Fernseher bzw. im Kinosessel uns massgeblich ­beeinflussten, wird einem vielleicht erst dann bewusst, wenn man merkt, dass im Bücherregal neben ­Goethes Faust auch Rambo I bis III einen Platz gefunden hat. Hier unsere pädagogisch wertvollen Tipps fürs innere und äussere Auge.

BUCH

Durchblättern erhaschen könnte. Das Buch von Caroline Evans und ­Susannah Frankel zeigt eine Retrospektive der Arbeiten des holländischen Duos Viktor Horsting und Rolf Snoeren. Aufgezogen wurde die Werkschau an einer Modeausstellung, die – wie gewohnt – die Grund­ formen der Modewelt unterwanderte. Die Ausstellung fand in London in Form eines überdimensionalen Puppenhauses – ‹The House of Viktor & Erschienen bei btb, CHF 14.90 Rolf› – statt, in dem viktorianische ­­ Modepuppen in massgeschneiderten Viktor & Rolf-Kreationen einen ­Moderückblick gestatteten. Im Buch wird Martin Becker: Ein schönes der Leser anhand dieser Ausstel­Leben lung und der Puppen durch die ausNatürlich hat jeder von uns andere ser- gewöhnlichsten Kollektionen Erwartungen an einen guten Roman: und Lauf­stegshows der ‹Conceptual der eine möchte gerne von son­Fashion› von Viktor & Rolf geführt. derbaren Welten lesen, in denen sich Trotz der überaus interessanten Fabelwesen gegenseitig die Äxte Darstellung ihrer Arbeiten an ­Por­um die Ohren hauen, andere erwarzellanpuppen ist man bei der zweiditen eine spannende Geschichte, mensionalen Abbildung ganz wie sie im eigenen Alltag leider (oder froh, im Buch auch zahlreiche Fotos Caroline Evans und Susannah Gott sei dank) nur allzu selten vom Laufsteg und von AusstellunFrankel: Viktor & Rolf vorkommt, und nochmals andere sehgen zu sehen, denn an den kleinen, Wer kennt diese grossen, elegannen sich nach sprachlich brillan­ausdruckslosen Puppen verlieren ten Erzählstrukturen und Satzgefügen, ten Fotografie- oder Modebücher nicht, die wahnsinnigen Kleidentwürfe von auf die wir uns in Buchhandlungen die den eigenen Sprachgebrauch Viktor & Rolf doch etwas an Ele­dermassen in den Schatten stellen, stürzen, um sie begierig durchzublät- ganz und Grösse. Erschienen bei Collection Rolf Heyne, tern, dann aber selten mit nach dass man sich am liebsten vor Ehrfurcht die Lippen zusammenkle- ­Hause nehmen? ‹Viktor & Rolf› gehört CHF 67.90 zu diesen Büchern, doch verbirgt ben würde. Was uns allen aber sich auf den 256 Seiten eine Werkgemein ist: wir möchten abtauchen schau aus 15 Jahren Viktor & Rolf, in eine andere Welt. Und diese weit mehr also, als man stehend beim schwer zu beschreibende andere

Berlin

Welt liefert uns Martin Becker in seinem Romandebut sicherlich! Denn sowohl auf sprachlicher Ebene als auch in Sachen Originalität, Bildsprache und Witz entführt uns Becker mit ‹Ein schönes Leben› in eine wahre Parallelwelt! Mal skurril und überzeichnet, mal poetisch und still präsentiert er Erzählungen, mit welchen er sicherlich auch weiterhin von sich reden machen wird!

London

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New York

Thomas Wrede: ­ Manhattan Picture Worlds Wer schon einmal zu Fuss durch Manhattan geschlendert ist, der weiss: Size does matter! Denn nicht nur die Gebäude schiessen in ungeahnte Höhen und umschliessen die überfluteten Strassen wie Staumauern. Auch die Werbeplakate, ­Leuchtreklamen und Screens, die jene Wände schmücken, haben sich der Grösse dieser Bauwerke und dem Konsum der Millionenstadt ­angeglichen. Genau diese Situation hat der deutsche Fotokünstler in ­seinem Buch ‹Manhattan Picture Worlds› thematisiert. Auf künst­ lerische Art und Weise setzt Thomas Wrede Plakat und Umgebung mit ­einander in ­Verbindung, und schafft dadurch eine beeindruckende Mischung aus Realität und Fiktion, verbindet in seinem Collagen-artigen Werk die Welt des Seins mit jener des Scheins. Wie schon in früheren Arbeiten des 36-Jährigen steht auch bei


diesem Projekt die Magie des Moments und die Gegenüberstellung verschiedener Realitätsebenen im Vordergrund. Ein wunderbares Werk also nicht nur für alle Fans der kritischen Kunst, sondern auch für ­­­alle, die sich in die schillernde Metropole mit all ihren kommerziellen und detailreichen Seiten verliebt haben. Erschienen bei Kerber, CHF 79.−

Tokyo

Stuart Galbraith IV: Japanese Cinema Dass Japan über eine rege und innovative Filmszene verfügt, die so­wohl in Independent-Produktionen als auch in Blockbustern ihr Können beweist, und sich dabei auf ge­sellschaftliche Codes, kulturelle und traditionelle Werte bezieht, die wir ­nur mit einem gewissen Mass an Einfühlungsvermögen in die japanische Kultur verstehen, sollte all jenen bewusst sein, die sich schon einmal mit den Werken von Filmemachern wie Akira Kurosawa, Kenji Mizoguchi oder Mikio Naruse auseinander­ gesetzt haben. Wer sich nämlich auf die optisch oft ungewohnten Reize des japanischen Films einlässt, der entdeckt in ihm grosse Perlen der zeitgenössischen Filmgeschichte! Stuart Galbraith IV hat in seinem Buch eine hervorragende Auswahl verschiedenster Filmstills aus den unterschiedlich­sten Genres der japanischen Filmtradition gesammelt und macht mit mal sehr diffusen, mal einfach wunderschönen Bildern ­definitiv Lust, von jetzt an den Blick auch einmal gen Osten zu richten! Erscheint bei Taschen, CHF 30.− Was machen die kinki ­Redaktoren Florence Ritter und Rainer Brenner wohl, wenn sie nicht gerade Artikel schreiben? ­Lesen natürlich! Monatlich stellen euch die beiden L ­ eseratten deshalb an dieser Stelle das Neuste aus der Welt der ­Literatur und Kunstbücher vor.

DVD

FILM

Mutiert

Ausradiert

Nun sind wir jedoch alle über die Pubertät hinaus und endlich in der Lage, auch die geistige Tiefe dieses Meisterwerks zu erkennen. Philosophische Fragen werden aufgeworfen wie etwa: ‹Warum kann man ­sagen: «Er hat eine schöne Nase, ich habe von ihm geträumt»; aber darf nicht sagen: «Er hat einen schönen Schwanz, wir haben gefickt»?› Tja, das hab ich mich auch schon immer gefragt. Die Handlung(!): Emmanuelle folgt ihrem Mann nach Bangkok, um dort in die Kunst der wahren Liebe, das heisst natürlich des Vögelns, Der seltsame Fall des Benjamin eingewiesen zu werden. Nach ihButton rer ersten Lektion mit einer BisexuSo jetzt ist es raus: Brad Pitt ist ellen, die den einfallsreichen einfach kein guter Schauspieler. Ich Namen ‹Bee› trägt, schickt ihr Mann weiss, das ist jetzt hart für einige Emmanuelle zu dem alten Hasen und die Redaktion wird nun wohl eine Mario, der sie endlich über das WeZeit lang, anstatt Schlüpfern und sen der Liebe aufklärt: ‹Echte Boxershorts, Drohbriefe zugesandt Liebe ist Erektion, nicht Orgasmus.› bekommen, aber das ist eben der Also Leute: feinster Trash, JahrPreis von aufrichtigem Journalismus. gang 1974. Allein wegen der Szene, Brads Geheimnis, mit dem er die wo die thailändische Stripperin Massen seit Jahren blendet: Der Hun- aus ihrer Na-ihr-wisst-schon raucht, deblick. Für alle zum Nachmachen ist zumindest der erste Teil ein zu Hause vorm Spiegel: Kopf leicht ­Geniestreich. Teil 1 – 4 bereits als DVD erhältlich. senken, Augenbrauen und Mund verziehen, Blick aufrichten, etwas winseln, fertig. Mit etwas Übung werdet ihr sehen, es zieht wirklich fast immer – ob bei der Gehaltser­ höhung oder beim Heiratsantrag. Um eure Skills zu perfektionieren, empfiehlt es sich Benjamin Button genau zu studieren. Die Story: Der Mu­tant Benjamin (Brad Pitt) kommt als Tattergreis zur Welt und altert umgekehrt proportional. Im Altenheim lernt er die Enkelin einer Seniorin, Daisy (Cate Blanchett), kennen und die Zeiten des Aufruhrs – ­Revolutionary Road Liebe nimmt ihren Lauf. Na, wenn Der Regisseur Sam Mendes knüpft mit das nicht romantisch ist! Während seinem neusten Film an die hohe Pädophile in der erste Hälfte des Films ganz auf ihre Kosten kommen, Qualität an, die man seit ‹American Beauty› und ‹Things We Lost in spulen alle Gerontophilen lieber the Fire› von ihm gewohnt ist. Auch gleich zur zweiten Hälfte vor... Als DVD und Blu-ray bereits erhältlich. bei ‹Revolutionary Road› handelt es sich um ein episches Drama, das vor allem von den Dialogen lebt. Es ist die Geschichte des jungen Ehepaares Frank und April Wheeler, die mehr vom Leben erwarten und ausbrechen wollen aus dem Gefängnis ihrer kleinen heilen Welt samt vorgefertigten Rollen und Existenz von der Stange. Mitte der 50er-Jahre versuchen sich die beiden gegen das bürgerliche Ideal aufzulehnen und frei zu sein – und scheitern granEmmanuelle dios. Grossartig gespielt vom TitanicEmmanuelle ist und bleibt ein Liebespaar Leonardo DiCaprio ­Klassiker, auch wenn Mann wahrschein- und Kate Winslet. Als DVD bereits erhältlich. lich nie mehr als sieben bis acht ­Minuten davon gesehen hat, um dann anschliessend auf der Suche nach einem Taschentuch oder einem alten T-Shirt doch lieber umzuschalten.

Ungeniert

Verschmiert

Terminator − Die Erlösung Also aus philosophischer Sicht ist ja der Kampf zwischen Menschen und Maschinen eigentlich eine Metapher für den Kampf der Humanisten gegen die Positivisten. Ich meine, das hat doch Siggi Freud schon gesagt: der Mensch ist eine Maschine. Klar, dass das einige immer noch nicht gerafft haben und einem dann immer was von freiem Willen und Krone der Schöpfung und so ein Käse erzählen wollen. Und jetzt fangen die bei Terminator auch schon damit an. Die haben echt zu viel Matrix geguckt. Und von Mad Max haben sie sich auch noch ziemlich ‹inspirieren lassen›, um das mal vor­ sichtig zu formulieren. Natürlich leben wir ständig in der Angst, un­sere Staub­sauger, Kaffee- und Bankautomaten hätten sich längst gegen uns verschworen, und Bill Gates ist wahrscheinlich sowieso so was wie Agent Smith – aber bislang kam bei mir bei Windows dann doch noch nicht die Fehlermeldung: ‹Dieser Befehl ist irrational. Handeln Sie ­ ­rational! Oder Sie werden gelöscht!› Ja, ich weiss, ist ja nur ein Film. Zur Si­cherheit solltet ihr bei dem ein oder anderen Zeitgenossen trotzdem mal die Probe machen: mit einer Nadel piksen; wenn Blut fliesst, ist es wahrscheinlich ein Mensch. Ansonsten wohl eher ein T-600. Terminator 4 ist übrigens grottenschlecht. Kinostart: 4. Juni 2009 Peter Röschs grösstes Trauma war es, als kleiner Junge an der Kinokasse nicht in Beverly Hills Cop III reingelassen zu werden. Heute geniesst er das ­Privileg, sich alles anschauen zu dürfen, was er will − und arbeitet nun schriftlich sein Trauma auf.

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African Renaissance

Im Kunstprojekt ‹The Status of Greatness› imitiert und unterläuft der südafrikanische Fotograf, Musiker und Künstler Xander Ferreira alias Gazelle die Strukturen von Grösse, Propaganda und Mythos. Doch der Gazellenmann inszeniert nicht nur sich selbst, sondern schafft durch seine ver­ schiedenen Projekte auch eine ernstzunehmende Plattform für die Selbstinszenierung der oft unter­ schätzten afrikanischen Kulturszene. Text und Interview: Rainer Brenner

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ie Provinz Limpopo liegt im Norden Südafrikas. Auf mehr als der dreifachen Fläche der Schweiz weist dort ein le­ gendenumwobenes Land voller Was­ serfälle, wilder Tiere, hoher Berge und dunkler Wälder den Menschen in seine Schranken. Dort wo sich die Wege der Löwen und Elefantenher­ den in den Weiten des weltberühmten Krüger Na­ tionalparks kreuzen, heisse Mineralquellen aus dem Boden sprudeln und die sagenumwobenen Baobabäume ihre verwobenen, wurzelartigen Äste in den Himmel recken, als hätten die Götter höchstpersönlich sie verkehrt herum in die Erde gepflanzt, fühlt man sich als Mensch in Anbetracht der Grösse der Natur nichtig und klein. Und den­ noch atmet man so frei wie vielleicht nirgendwo sonst auf dieser Welt. Auf einer kleinen Farm nahe der Grenze zwi­ schen Limpopo und Mosambik erblickte vor acht­ undzwanzig Jahren ein weisser Junge namens Xander Ferreira das Licht der Welt. Schon früh streifte er durch die hohen Gräser und riesigen Weiten des Buschs und lauschte den Tierrufen, fuhr mit seinen Eltern entlang der staubigen Stras­sen der Provinz und erlebte Abenteuer, wie sie hiesige Kinder wohl nur als Gutenachtge­ schich­ten des Elefantenkönigs aus den BabarBüchern kennen. Doch auch Xander sah sich gerne Bücher an: die National-Geographic-Hefte des Vaters brandmarkten schon früh ein unbändi­ ges Verlangen in ihm, seine Welt in Bildern darzu­ stellen und andere daran teilhaben zu lassen.

Way of the Gazelle

Zwanzig Jahre später gehört Xander Ferreira zu den schillerndsten Figuren der jungen afrikani­ schen Kulturszene. Seinen Traum, Künstler zu werden, hat er wahr gemacht: nicht nur als Modeund Werbefotograf machte sich Xander sehr schnell einen Namen, sondern unter dem Pseudo­ nym ‹Gazelle› auch als Musiker. Den Jungen aus der Provinz zog es in die Arme der umtriebigen Millionenmetropole Kapstadt, die ihre Arme ähn­ lich wie die wurzelartigen Äste des Baobabaums 90

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weit in die Ferne reckt und dennoch tief und fest im selben Boden steckt, wo der Samen vor Jahr­ zehnten gedieh. Der Volksmund ist davon über­ zeugt, dass die Samen des Baumes, in Getränken verdünnt, Schutz und Wohlbefinden verleihen, die Früchte des Baumes jedoch Verderben über den bringen, der sie erntet. Xander vermischte in Kapstadt dementsprechend behutsam die kultu­ rellen und traditionellen Werte seines Landes mit innovativen Ideen und Herangehensweisen. So verbindet der Künstler in seinen Kampagnen und Editorials für Kunden wie Nike oder Levi’s die bunte Schönheit der afrikanischen Landschaften mit den Schönheitsidealen der Jetztzeit, wofür er schon verschiedenste Auszeichnungen einheims­ te. In seiner Musik behält er sich die Klangfarben seiner Jugend in der Provinz bei, die er mit elektro­ nischer Tanzmusik verbindet. Angefangen hatte seine musikalische Tätigkeit 2006 als der ReggaeSänger ‹White Lion›, und nach einer langen musi­ kalischen Entdeckungsreise durch die internatio­ nale Popmusik und traditionelle Tanzrhythmen mündete sein Schaffen schliesslich auf seinem ak­ tuellen Album ‹Chiq Afrique› in einer melodiösen Misch­ung aus Funk, Dance, Electro und Dub, so­ wie einem allumfassenden Gesamtkunstwerk von gros­ser politischer Bedeutsamkeit.

‹Pity is the last thing we need!›

Unter dem Namen Gazelle tourt Xander durch die grossen Städte dieser Welt und bringt mit seinem Gesamtkunstwerk ‹The Status of Greatness› den Menschen eine Seite Afrikas näher, die sie nicht kennen, da sie weder in den Zeitungen noch im Fernsehen vorkommt: die Seite des kulturreichen, modernen Afrikas. Denn auch wenn die Gesell­ schaftskritik und die politische Auseinanderset­ zung mit seinem Heimatkontinent den Betrachter vor die inszenierte Personifizierung von Fassaden­ haftigkeit, Image und Ego einer erfundenen Macht­ figur stellen, beweist Gazelle mit seinen Live-Per­ formances auch Mut zum Optimismus. In weissem


‹Spring Palace of the Gazelle›

‹Law of the Gazelle›

‹Convention of the Gazelle›

‹Mystique of the Gazelle›

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Sozialkritische Liebes­­ bekenntnisse an den schwarzen Kontinent: ‹Adapt or Die Step Two›.

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Zwischen Tradition und Aufbruch: ‹Adapt or Die Step Three›.

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Anzug, mit dunkler Sonnenbrille und in statischen Posen schlüpft Xander auf Fotografien und Ge­ mälden ins Image des ikonifizierten und meist schwer bewaffneten Gazelle. ‹Eigentlich habe ich dieses Outfit von meinen Bühnenauftritten über­ nommen. Ich mag diese ästhetisierte Art der Er­ scheinung. Für mich ist dies eine typisch afrikani­ sche Erscheinung von Macht, auch wenn die Leute Afrika eher mit Safari-Suits oder deckenarti­ gen Ponchos assoziieren.› Natürlich lehnt Xand­ ers Auftritt vor allem an das Erscheinungsbild afri­ kanischer Machtfiguren aus der Zeit nach der Kolonialisierung an. Warlords und Könige kleiden sich wie Dandys und nicht wie Stammesober­ häupter oder Militärkommandanten, doch davon weiss Europa und der Rest der Welt nur sehr we­ nig, da das Bild, das uns von diesem Kontinent gezeigt wird, immer wieder von denselben Kli­ schees plattgebügelt wird. ‹Das einzige und gleichzeitig das schlimmste Gefühl, das der Rest der Welt diesem Kontinent entgegenzubringen scheint, ist Mitleid›, kommentiert Xander mit star­ kem afrikanischem Akzent. ‹Mitleid zerstört das Selbstbewusstsein der Menschen hier. Klar haben wir hier Probleme, doch damit geht es uns ja ei­ gentlich nicht anders als dem Rest der Welt. Die Medien sollten nicht nur die mitleiderregenden Mitteilungen über die Grenzen des Kontinents tra­ gen, sondern auch Dinge, auf die die Afrikaner stolz sein können›, fordert Xander. Sein Telefon knistert, doch dass dies an der unüberbrückbaren Distanz zwischen den Kontinenten liegt, ist zwei­ felhaft. Viel eher hängt der schlechte Empfang wohl damit zusammen, dass Xander, bevor er mit ‹The Status of Greatness› um die Welt zieht, seine Tage im Musikstudio verbringt, wo er zusammen mit 35 verschiedensten traditionellen Musikern an seinem jüngsten klanglichen Projekt arbeitet – es wird ‹ein historisches Album›, ist er sich sicher. ‹Viele Menschen auf dieser Welt profitieren vom Mitleid, das Afrika entgegengebracht wird und verbreiten so zu Selbstzwecken ein verzerrtes Bild unserer Heimat.› Dabei blickt Xander auf eine leb­ hafte Kulturszene, wohin er auch sieht. ‹Das einzi­ ge, was uns fehlt, ist eine richtige afrikanische Szene im eigentlichen Sinne. Viele Künstler, Musi­ ker, Fotografen orientieren sich lieber an Frank­ reich oder England, anstatt über die Grenze nach Ghana zu blicken. Genau diese Einigkeit und Identität zu schaffen, ist das Ziel, das ich anstre­ be›, beschreibt Xander den Zweck seiner eifrigen Arbeit an verschiedensten Projekten. Momentan versucht er, eine Art ‹Eurovision›-Sendung zu pro­ duzieren und reist dafür in 13 verschiedene afrika­ nische Städte, um mit den Gruppen Musikvideos zu drehen: ‹So werden die Menschen vielleicht endlich einmal den wahren Wert unserer Kultur erkennen. Doch dafür müssen wir uns zusammen­ schliessen!›

auch Spielraum für Inszenierungen, die sich ledig­ lich an optischer Schönheit orientieren und nicht immer in sein Gesamtkunstwerk passen müssen. Trotz seines streng genommen ‹kolonialen› Hin­ ter­grundes sieht Xander sich selbst als hundert­ prozentigen Afrikaner: ‹Ich bin mittlerweile die zehnte Generation meiner Familie, die in Afrika lebt, ich fühle mich als Afrikaner›, und das seit der Zeit, als er als kleiner weisser Junge durch die Weiten dieses Landes schweifte, stets auf der Su­ che nach neuen Abenteuern. ‹Mein Leben ist ein einziges grosses Abenteuer geworden! Aber na­ türlich stellt man sich immer neue Aufgaben, ich bin nie einfach nur glücklich mit dem, was ich er­ reicht habe, sondern schaue immer in die Zukunft. Wir werden einige Konzerte in Europa spielen, mit meiner Ausstellung unterwegs sein und Kampag­ nen schiessen, an meinen Projekten arbeiten…›, es scheint, als habe sich Xanders Neugier und Abenteuerlust im Laufe der Jahre in etwas verwan­ delt, das den Menschen in Afrika mehr bringt als gross angelegte Entwicklungsprojekte und Hilfs­ werke, die in schwarzweissen Bildern das häss­ lichste Gesicht eines krisengeschüttelten Konti­ nents präsentieren. Derzeit dürfte ‹The Status of Greatness› mit seinem Auftritt im Rahmen der ART Basel auch hierzulande eingeschlagen haben. Mit einer Mi­ schung aus In­stallation, Fotografie, Musik und der geschickten Verstrickung unterschiedlichster Ein­ flüsse und Künstler (das ‹Official Portrait of the Gazelle› wurde vom chinesischen Künstler Hui Huang gemalt) wird Xander nämlich mit Sicherheit auch das Augenmerk des Zuschauers auf ältere und nicht weniger beeindruckende Werke aus sei­ nem Œuvre lenken, bei denen – wie beispiels­ weise bei ‹Adapt or Die› – die Anpassung im Vor­ dergrund steht. Man darf nur hoffen, dass die ge­sel­lschaftskritischen Diskussionen, die Gazelle mit seiner Arbeit aufwerfen wird, nicht in der übli­ chen Einigkeit über die bemitleidenswerten Machtstrukturen des schwarzen Kontinents mün­ den und sich die Menschen nicht betroffen mit ver­ schränkten Armen durch die Installationsräume drücken, sondern dass auch die wahre Botschaft von Ferreiras Werken die Menschen zwischen Ba­ sel, Paris, Rom und Stockholm erreichen wird, nämlich jene von den Vor- und Nachteilen der Macht, und dass sie oft dort auftritt, wo sie eigent­ lich als grossmütige Hilfe gedacht war. Denn wah­ re Grösse, da ist sich Xander sicher, ‹ist beschei­ den und demütig›. Sie spielt nicht mit den Bedürfnissen der Menschen, sondern stärkt das Selbstvertrauen der Gruppe. Lächelt also, wenn ihr dem Gazellenmann mit seiner Leopardenmütze entgegentretet, tanzt ru­ hig ausgelassen zu seiner Musik, auch wenn er auf dem Foto an der Wand noch mit Gewehr und Buschmesser posiert. Denn Xander beweist nicht nur im ikonischen Gazellenkostüm mit Mikrofon und Kamera, sondern auch als braungebrannter Dass sich der ambitionierte Künstler mit seinen Sunnyboy wahre Grösse! Arbeiten sowohl in der kommerziellen Welt als Info und Links zu auch im künstlerischen Underground durchgesetzt Weitere Xander Ferreira und Gazelle unter: hat, scheint ihn selbst nicht weiter zu verwundern: ‹Mir gefällt die Ästhetik der Modefotografie, auch www.hurricanesphoto.co.za www.melymel.ch grössere und kommerzielle Projekte wie die «Com­ www.myspace.com/yogazelle me des Garcons»-Kampagne können sehr span­ nend sein›. Sie ermöglichen dem Allround-Künst­ ler sowohl die finanzielle Freiheit, das zu tun, was er ‹tun muss für dieses Land›, aber sie bieten ihm

Black and White

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‹Hunt of the Gazelle›

‹Mountain of the Gazelle›

‹Ride of the Gazelle›

‹House of the Gazelle›

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Kittenish Dreams

Bei Bildtiteln wie ‹Flight›, ‹Kaleidoscope›, ‹Play› und ‹Mushroom Lady› schlüpft man mit Vorfreude und mit buntem Riesenlollipop in seine Gummistiefel, um auf dem Regenbogen in seine Kindheitsträume zu rutschen – oder einen Trip zu schmeissen. Text: Florence Ritter

D

ie Künstlerin Lindsey Gooden versteht es, mit ihren Bildern die passiven Grauzonen maschineller Arbeitstiere wiederzubeleben. Mit ihren farbenprächtigen Illustrationen regt sie tot geglaubte Hirnregionen von Geschäftsmenschen an und bringt – einer künstlerischen Brise gleich – neben Frische und Farbe auch Erinnerungen an Zeiten zurück, in denen die Seriosität des Lebens noch nicht über ihr Wesen Überhand ergriffen hatte.

Schatzkiste Vergangenheit

nungen: Da tanzen Damen aus den 60ern über marmoriertes Papier, Schamanen lösen sich in Bleistift-Pixel auf und mit Sonnenbrillen besetzte Wesen tauchen samt Zebra-Kopfbedeckung im Wasser ab. Woher die Inhalte kommen und wohin sie führen, bleibt dem einzelnen Betrachter überlassen, doch den Sog weg vom sorgenvollen, krisengetränkten oder grauen Alltag werden wohl alle erfahren. Lindsey Goodens Arbeitstechniken sind sehr vielfältig und immer wieder überraschend. Ihr Arbeitsspektrum weist auch kurze Videosequenzen auf, welche sich – sinnbildlich für ihr Schaffen – nicht zwischen Collage, Fotomontage und Zeichnung entscheiden können. Ihre Bilder sind von einer Einfachheit geprägt, die trotz simpler Collagen immer wieder zu verwundern vermag und zum Träumen oder Schmunzeln anregt. Nicht einfach übereinander geschichtete Schnipsel werden dargeboten, sondern Bildausschnitte und Fotos, die über illustratorische Mittel zusammengefügt und zu einer farbenprächtigen, fantastisch geschlossenen Bildgeschichte vereint wurden. Auf die Frage, ob Kunst Fiktion sei, antwortet Lindsey denn auch: ‹Ich denke, dass Kunst Fiktion sein kann, für mich ist aber die persönliche Entwicklung und der Ausdruck von Kunst das Wichtigste. Kunst ist so ein breiter Begriff, obwohl er so persönlich ist, ich denke, dass Kunst im Grunde genommen undefinierbar ist.›

Lindsey Gooden wurde im Norden Londons geboren und lebt heute nach eigenen Angaben ‹irgendwo zwischen 1958 und 1969›, obwohl sie damals wohl erst als Traum oder Idee ihrer Eltern im Kosmos herumgeisterte. Doch Lindsey besinnt sich gerne auf vergangene Zeiten – auch wenn sie diese selbst nicht erlebt hat. Um ihr künstlerisches Universum zu gestalten, taucht sie gerne hinab in die Tiefe der Erinnerungen anderer. Lindsey arbeitet häufig mit ‹Relikten der Kurzlebigkeit, sogenannten Eintagsfliegen (Ephemera)›. Das sind zum Beispiel alte Fotos, die, so Lindsey, eine magische Qualität aufweisen, da sie an einen bestimmten, verlorenen Moment erinnern. So experimentiert die Künstlerin gerne mit Prozessen und sucht neue Wege, um Markierungen zu setzen und Bilder durch eine spielerische Annäherung zu kreieren. ‹Ich mag es, Leute zu zeichnen und ge- Lindsey Gooden ist ihres Zeichens ausgebildete fundene Bilder zu überarbeiten, ich liebe es, Alt Illustratorin, oder wird es zumindest sein, wenn sie diesen Sommer ihr Studium abschliessen wird. und Neu zu vermischen›, verrät Gooden. Ob sie dann von ihrer Passion, der Illustration, leben kann, wird sich zeigen. ‹Am liebsten hätte ich ein Studio, in dem ich leben könnte, oder einen Van, der nicht allzu teuer wäre›, beschreibt sie ihre Lässt man sich in Lindsey Goodens surreale Bild- nächsten Schritte, um in der Welt der Illustrierenerwelt entführen, trifft man auf buntscheckige Kos- den Fuss zu fassen. Als Engländerin trinkt sie liemen aus Collagen, Farbverläufen und Filzstiftzeich- bend gerne Tee aus Teekannen und isst mit Vorlie-

be Kuchenstücke, die selbstverständlich die Tasse Tee ergänzen. Für die Zukunft möchte sie ‹ein Magazin kreieren› und wünscht sich ‹ein Designstudio (das einzig der Kunst und nicht dem Wohnen verpflichtet ist), eine Katze und eine Zeitreise› – das glaube ich ihr aufs Wort.

Ausdruck von Weiblichkeit?

Gesamtheitlich betrachtet lassen sich die Bilder von Lindsey Gooden als sehr feminin, psychedelisch, verträumt, farbenfreudig, gedankenverloren, empfindsam und heiter beschreiben. Dass die Künstlerin dafür gerne in der Popkultur der 60erJahre fischt, ist ebenso ersichtlich wie ihre Vorliebe für Katzen und weibliche Sujets. Ob ihre Bilder männliche Betrachter ebenso in ihren Bann ziehen wie die weiblichen, kann ich nicht beurteilen. Meine subjektive Sicht aber verrät mir, dass mir die Bilder mitten aus dem Herzen sprechen und meine langvergessenen Kleinmädchenträume wieder aufblühen lassen. Doch auch die psychedelischen Hippie-Inhalte bergen grosses Potenzial, eine gemischte Betrachtergruppe zu verzaubern, auf Zeitreise zu schicken und aufzuwecken – effektiver als Vitamin-Tablette und LSD zusammen.

Eine Zeitreise

Farb- und Collagefreiheit

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Die japanische Metropole Tokyo ist immer noch ein Sehnsuchtsort für westliche Künstler. Auch den Magnum-Fotografen Jacob Aue Sobol zog es nach Tokyo, wo er seinen Bildband ‹I, Tokyo› aufnahm. Ein raues, unversöhnliches Buch. Radikale Nahansichten

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Aue Sobol zeichnet in seinen Porträts ein raues und unversöhnliches Bild vom Untergrund der japanischen Millionenstadt.

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au, grobkörnig, voller Leidenschaft und Direktheit. So sind die Schwarzweissfotografien des Kopenhagener Magnum-Fotografen Jacob Aue Sobol, der soeben mit dem ‹Leica European Publishers Award For Photography› ausgezeichnet wurde. Im Frühjahr 2006 zog er gemeinsam mit seiner japanischen Freundin nach Tokyo – und stürzte sich ins Leben. Es sind vor allem die Aussenseiter, die ihn interessierten: die Obdachlosen und Strichjungen im Rotlichtbezirk Kabukicho, Liebespaare beim Sex, die Menschen auf der Strasse, die wilde Jugend der Stadt, die sich fern jeder Tradition immer neu definiert: all das zeigt er auf drastische, schmerzvolle, aber überaus intime Art und Weise. Jacob Aue Sobol ist voller Neugierde, geht ganz nah ran an seine Protagonisten – wählt ungewöhnliche Ausschnitte und radikale Nahansichten. Zeigt jede Pore der Haut, Narben, Pickel und Wunden, und kontrastiert diese grobkörnigen Bilder immer wieder mit anderen: da sieht man altes Essen auf einem Teller, einen blühenden Baum, eine tote Ratte im eigenen Blut, dann wieder zwei Menschen beim Liebesspiel, eine abgetrennte Fischflosse, eine Hochhausarchitektur. Er beherrscht es auf ungewöhnliche Weise, Bilder einander gegenüberzustellen und gerade dadurch zum Sprechen zu bringen. Überdeutlich wird, wie sehr der 1976 geborene Fotograf selbst Teil seiner Bilderwelt ist. Er hält sich nicht raus, im Gegenteil will er, so sagt er selbst, Tokyo zu seinem Tokyo machen. Doch dieses Buch erzählt auch von den Hindernissen und Fremdheiten, von der überwältigenden Einsamkeit und Isolation des Fotografen und seiner Protagonisten. ‹Einige derjenigen, die ich fotografierte, wurden meine Freunde, mit anderen teilte ich nur einen kurzen Moment›, sagt Jacob Aue Sobol. Doch jene irrationale Momenthaftigkeit, die viele Foto-

Wie ein Schlag ins Gesicht: Sobols Fotografie wirkt unbeschönigend und mittelbar.

grafien in ‹I, Tokyo› verbindet, begründet gerade die Stärke. Wuchtig kommt diese Fotografie daher, unvorhergesehen: wie ein unvermittelter, plötzlicher Schlag ins Gesicht. Jacob Aue Sobol: ‹I, Tokyo›. Edition Braus 2008. ca. 60 Euro Text: Marc Peschke



Theo Jansen kombiniert in seinen Arbeiten Dinge, die nur selten eine Einheit bilden: Kunst und Technik. Der 61-jährige Niederländer studierte ehemals Physik, verschrieb sich aber kurz nach seinem Studium bereits lieber der Kunst. Zunächst war es die Ma­lerei, in der er seinen passenden Ausdruck fand. Doch als echter Universalist kam schnell auch noch die Fotografie hinzu. Die eigentliche Bestimmung entdeckte Jansen dann in der erwähnten Verknüpfung von technischen Geräten und künstle-­ rischer Aussage. Da Vincis Erbe

Skulpturen aus der Zwischenwelt: Theo Jansens ‹Strandbiester›.

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m Anfang stand eine spektakuläre Aktion mit einem Fluggerät, das er 1980 im holländischen Delft konzipierte. Seine ‹fliegende Untertasse› sendete gleichzeitig Licht- und Tonsignale aus und liess in bester Orson-Wells-Manier nicht nur die Anwohner der beschaulichen Stadt aufhorchen, sondern gleich noch die gesamte Kunstszene dazu. Seit fast zwanzig Jahren widmet er nun sein Lebenswerk der Entwicklung von kinetischen Skulpturen. Er selbst nennt sie liebevoll ‹Strandbiester›, da sie am Nordseestrand von IJmuiden entwickelt und getestet werden. Konkret handelt es sich dabei um gehende Maschinen, die aus gelben Plastikrohren, Kabelbindern, Nylonfäden und Klebebändern konstruiert sind. Die für ihre Bewegung notwendige Energie beziehen sie komplett aus dem Wind. Jansen hat hierfür ein skurriles Verfahren entwickelt, das die Windenergie in Flaschen speichert. Auf die Idee zu dem Projekt kam er 1990, seitdem arbeitet er bereits an der 7. Generation seiner an Fabelwesen erinnernden Gebilde. Sein Verhältnis zu ihnen beschreibt er als durchaus zwiespältig: ‹Die Strandbiester dominieren mittlerweile mein Leben. Die Arbeit an ihnen ist eine Sucht geworden, die wie ein Virus in mir wütet. Es ist eine glückliche Arbeit, aber ich bin heute genauso abhängig von ihnen wie sie auch von mir.› Doch diese Unfreiheit lässt zumindest seitens der ‹Strandbiester› immer mehr nach, denn die letzte Generation kann sich sogar grob an der Umwelt orientieren. So verankern sie sich bei einem aufkommenden Sturm selbstständig im Sand, erkennen mit ihren Fühlern verschiedene Hindernisse und ändern die Laufrichtung, wenn sie ins Wasser geraten. Überhaupt spielen der Strand und das Wasser eine grosse Rolle in der Arbeit von Jansen. Nicht von ungefähr, denn Jansen ist selbst als jüngstes von elf Kindern mehr oder weniger am Strand von Scheveningen aufgewachsen. Eine Prägung, die ihn sein Leben lang begleitet: ‹Meine ersten Eindrücke als Kind waren der Strand und das Meer, sie haben mir ein Gefühl mitgegeben, das immer noch meine Idee vom Leben bestimmt.› Es ist augenscheinlich, dass Jansen dieser Übergang zwischen Wasser und Land fasziniert. Als Ort für die Objekte passt dieser besondere Grenzabschnitt zudem auch am besten. Denn die ambivalente Natur spiegelt sich in den ‹Strandbiestern› wider. Vor allem drücken sie aber eine existenzielle Frage aus: wo beginnt unserer Definition nach Leben? Ein Aspekt, den Jansen betont: ‹Wenn ich eine Message für das Projekt formulieren soll, dann geht es vor allem darum, dass ich einfach immer noch überrascht bin über die Tatsache, dass wir Menschen überhaupt auf dieser Welt sind.› Wer sich in solchen Fragen wiederfindet, dem kann ein Besuch bei den ‹Strandbiestern› nur empfohlen werden. Durch zahlreiche temporäre Ausstellungen bewegen sie sich nicht mehr nur am niederländischen Strand, sondern sind mittlerweile auf der ganzen Welt zu sehen. Derzeit in Tokyo, doch auch in Europa werden sie demnächst wieder zu bestaunen sein. Bis dahin lohnt sich der Blick auf die Homepage zum faszinierenden Projekt: www.strandbeest.com.

Arbeit oder Sucht? Jansen ist von seinem Projekt mittlerweile genauso abhängig geworden, wie seine Maschinen von ihm.

Fotos: Loek van der Klis Text und Interview: Mathias Bartsch

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Installateur oder Ingenieur? Jansens Modelle vereinen Technik und Kunst. www.strandbeest.com/film.html, 03:07, von Alexander Schlichter

Der Künstler bei der Arbeit in seinem Atelier in Ypsenburg.

Wo beginnt das Leben? Den Künstler beschäftigen seit jeher die Fragen des Übergangs.

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Windbetriebenes Wunderwerk: Sabulosa 3 bei ihrer Jungfernfahrt.

Jansens Gerätschaften sind nicht so fragil, wie sie auf den ersten Blick scheinen.

Das ‹Strandbeest› auf dem Weg zum Strand.

Techniker und Künstler seit über 20 Jahren: Jansen arbeitet bereits an der 7.Generation seiner Maschinen.

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Juni / Juli 2009

Cover: Jaime Martinez Herausgeber Aurum Communication AG, c/o kinki magazine, Zürcherstr. 204f, CH 9014 St. Gallen, www.aurum.ag T +41 71 277 48 00, F +41 71 277 48 02 Geschäftsführung: Mark Mirutz | mark.mirutz@kinkimag.ch Projektleitung: Melania Fernandez | melania.fernandez@kinkimag.ch Marketing: Cathrin Michael | cathrin.michael@kinkimag.ch Redaktion: kinki magazine, Hardturmstrasse 68, 8005 Zürich www.kinkimag.com T +41 44 271 09 00, F +41 44 271 09 02 Chefredaktion: Matthias Straub (ms) | matthias.straub@kinkimag.ch Stv. Chefredaktion: Rainer Brenner (rb) | rainer.brenner@kinkimag.ch Redaktion: Christina Fix (cf) | christina.fix@kinkimag.ch Florian Hennefarth (fh) | florian.hennefarth@kinkimag.ch Florence Ritter (fr) | florence.ritter@kinkimag.ch Rahel Zoller (rz) | rahel.zoller@kinkimag.ch Art Direction: Raffinerie AG für Gestaltung, www.raffinerie.com Fotografie: Claudio Bianchi, G.F. Coalon (Photocase) Xander Ferreira (Mel Y Mel GmbH & Whatiftheworld Gallery), Loek van der Kliss, Jonas Kündig, Jaime Martinez, ­Sarah Maurer, Lisa Mettier, Philipp Mueller, Daniel Tischler, Matthias Willi, Nico Schärer, Anja Schori, Aue Sobol, Oliver Spies, M ­ atthias Straub, Mikhail ­Wassmer, Zaum Projects Gallery, Marvin Zilm

Als kinki Jahresabo Geschenk wähle ich:

Illustration: Raffinerie AG für Gestaltung, Lindsey Gooden, Lina Müller

backpack von element* (Wert CHF 80.–)

dvd box von ascote elite* mit diary of the dead, hell ride, splinter, let the right one in (Wert CHF 100.–)

Bildbearbeitung und Grafische Gestaltung: Cyrill Frick | cyrill.frick@kinkimag.ch Anja Mikula | anja.mikula@kinkimag.ch Lektorat: Peter Rösch | peter.roesch@kinkimag.ch Promotion: Denise Bülow | denise.buelow@kinkimag.ch Franziska Bischof | franziska.bischof@kinkimag.ch Freie Mitarbeit: Mathias Bartsch, Simon Baumann, Melvyn Buss, Petra Engelke, Olivier J­ oliat, Sophie Lamparter, Ingrid Kohld, Anja ­Mikula (am), Marc Peschke, Arno Raffeiner, Peter Rösch, Irène ­Schäppi, Jürg Tschirren, Romy Uebel Werbung: Aurum Communication AG | anzeigen@kinkimag.ch

gummistiefel ­von paul frank*

kinki* magazine #1 bis #14 (Wert CHF 84.–)

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unter allen eingehenden Abo-Bestellungen verlosen wir dieses Mal 3 x 4 Tagespässe fürs Gurtenfestival im Wert von CHF 194.–

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Online: Orange8 Interactive AG, www.orange8.com Online-Redaktion: Rita Greulich | rita.greulich@kinkimag.ch Samuel Hauser | samuel.hauser@kinkimag.ch Anja Mikula | anja.mikula@kinkimag.ch Florence Ritter | florence.ritter@kinkimag.ch Miriam Suter | miriam.suter@kinkimag.ch Auflage: 40000

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Einzelverkauf/Abonnement: CHF 6/€ 4 (pro Ausgabe)/CHF 58/€ 50 (11 Ausgaben)

Aurum Communication AG c/o kinki magazine Zürcherstr. 204f 9014 St. Gallen

Vertrieb Schweiz: VALORA AG, www.valora.com

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Il Circolotta

Sie glauben an die Verführung und die Illusion. Das Leben ist ihre Bühne. Jeden Tag, jede Nacht. Von der Realität halten sie sich mit Vergnügen fern. Der Fotograf Nico Schärer und die Stylistin Lotta Müller inszenieren in ihren Bildern Schweizer Stadtoriginale und Szene­grössen als skurrile Charaktere einer imaginären Zirkus­show. Vorhang auf! Text: Sophie Lamparter

Dem Team von ‹CircoLotta› geht es nicht in erster Linie darum, für Kleider zu werben. Viel­mehr möchten sie den Betrachter mit ihren In­szenierungen in eine vergessene Welt entführen.

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Es geht um das Kreieren einer Illusion.

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nd da stehen sie noch immer, oder wieder plötzlich vor dir – die Artisten und Statisten einer vergessenen Welt: die Gaukler, die Zauberkünstler, der Fakir, die waghalsige Akrobatin, die Dame mit Bart. Nur nicht hinsehen, und doch nicht wegsehen können: Hat die Schönheit in der roten Korsage wirklich nur ein Auge? Weint sie goldene Tränen, oder steht sie an der Türe mit blutender Lippe, so messerscharf? Nackte Brüste, leicht verdeckt, der Federschmuck verzückt. Eine Wildkatze, die mit dem Feuer spielt, ein betrunkener Musiker an der Bar. Applaus. Der Zirkusdirektor rückt seinen Zylinder zurecht und tritt ins Scheinwerferlicht.

Der Stoff, aus dem die Träume sind

Lotta Müller, Designerin und Boutiquenbesitzerin – berühmt und berüchtigt für ihre poetischen ZirkusStylings – lässt sich gerne von der Welt der Gaukler und Tänzerinnen inspirieren. Alte Bücher und Hunderte von Accessoires stapeln sich in ihrer Wohnung. Zusammen mit Freunden schuf sie den Wanderzirkus ‹CircoLotta›. Wer sich in Zürich umhört und umsieht, begegnet diesem bizarren Treiben unweigerlich. Sei es an einer Modeschau, sei es nachts an einem rauschenden Fest, in einer leeren Arena oder an einem Filmfestival. Wo sie auftauchen, hinterlassen sie ihre Spur. Noch Tage später verraten der bittersüsse Kater, die silberne Konfettispur und der liegengebliebene Schminkkoffer ihren Auftritt. Es geht nicht um ein simples Styling, auch nicht darum Kleider zu verkaufen – obwohl Lotta wunderbare Kleider in ihrem Geschäft im Zürcher Seefeld anbietet. Es geht um das Kreieren einer Illusion. Eine Illusion, in der Realität und Zirkus verschmelzen. Es geht um die Sehnsucht nach dem Unwirklichen. Das Gezeigte soll verführen, betören und gleichzeitig verstören. Es soll uns entführen in diese vergessene Welt. In eine Welt, die das Futter für unsere Träume liefert. In einer Zeit, die vor Unterhaltung fast überläuft, in der man vor lauter Ablenkung das Wesentliche kaum noch erahnen kann, geht der CircoLotta und seine Entourage zwei Schritte zurück. Was früher zu jedem grossen Fest gehörte, Land und Leute verzauberte und in Staunen versetzte, funktioniert noch heute. Besser denn je. Die Leute haben es nur vergessen. Die bizarre Fellini-Familie wurde zum Leben erweckt und treibt ihr Unwesen. Nehmt euch in Acht. Noch sind sie in Champagnerlaune. Styling: Lotta Müller, www.lalotta.ch Produktion: Sophie Lamparter Hair & Make-up: Isabel Baños Für die Stimmung. Filmtipps: – ‹La Strada›, Frederico Fellini, 1954 – ‹La fille sur le pont›, Patrice Leconte, 1999 – ‹Freaks›, Tod Browning, 1932

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Manege frei für Zürichs wunder­samen Wanderzirkus. Wer nach der Entourage des ‹CircoLotta› Aus­­schau hält, der wird sie an den verschiedensten Orten der Stadt auch antreffen.


Die bizarre Fellini-Familie wurde zum Leben erweckt und treibt ihr Unwesen.

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‹ top notch gallery › Europas wichtigste Galerien für junge Kunst. Zaum Projects Lissabon

Die Zaum Galerie in Lissabon bricht eine Lanze für zeit­ genössische Kunst: der mini­ male Raum bietet reichlich Fläche für komplexe Installati­ onen und steht für eine neue Galeriengeneration in der Stadt.

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n der deutschen Sprache dür­fte der ‹Zaum› wohl nur aus Sätzen wie ‹Haltet mich im Zaum!› bekannt sein. Doch im Portugiesischen ist ‹Zaum› reine Lautmale­rei. Ein Wort ohne direkte Bedeutung. Gleichfalls im Kern ein Wort der Geschwindigkeit, wie es die russischen Konstruktivis­ten zu Beginn des 20. Jahrhunderts liebten. Das Konzept der Galerie ‹Zaum› wurde im Sommer 2007 in den Köpfen von Miguel Duarte, einem portugiesischen Architekten und Designer, sowie Stefanie Santa, einer italienischen Kommuni­ kationsdesignerin, geboren. Am 16. Mai 2008 war es dann so­ weit und die erste Ausstellung mit Werken von Lese Code, Anna Taratiel, Michelle Forsyth, Gabriel Colaço und Regine Schumann wur­ de der Auftakt zu monatlich folgen­ den Einzelausstellungen. Künstler aus der ganzen Welt machen Rast in der Galerie und dem Land, in dem die Hitze steht und von dem aus die Schiffe in alle Welt fahren. Junge Kunst aus den USA, Italien, Israel, Kanada oder den Niederlanden zeig­ te bereits Flagge. Der Galerie ist es wichtig, sich ausserhalb des Geltungsbereichs

von Kunstnormen und konventionel­ len Ansätzen zu bewegen. Ihre Macher möchten aussagekräftige Künstler der neuen Medien ein Podium bieten und zeitgenössische Kunst fördern. Die Galerie bietet mit ihren grosszügigen Räumen beste Voraussetzungen für die Präsen­ tation moderner Kunst.

Der Galerie ist es wichtig, sich ausser­ halb des Geltungsbe­ reichs von Kunst­normen zu bewegen. Durch die enge Zusammenarbeit mit Museen, öffentlichen Instituten, internationalen Kunstmessen als auch durch die Einbeziehung von externen Kuratoren baut sie ein internationales Netz auf. In diesem Sommer ist die Galerie mit ihren Künstlern in Wien und Vilnius zu Gast.

Im November 2008 öffnete die Zaum Gallery in der Altstadt Lissabons einen kleinen Raum für unbekannte Kunst. Im ‹Espaco Zaum› können sich junge Künstler mit der Historie und der malerischen Kulisse der portugiesischen Hauptstadt messen und sich einen eigenen Namen machen. Text: Rahel Zoller Fotos: Zaum Projects Gallery Zaum Projects Gallery Av Miguel Torga, 14B 1070-373 Lissabon Portugal www.zaumprojects.com

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Preview at: Bread & Butter Berlin 01.-03.07.09 •Hanger 1 - SPR 01.1 Bright Tradeshow Frankfurt/Main 11.07.-12.07.09 •Room 273 Let's Celebrate 15th Anniversary of IRIEDAILY@Watergate Berlin 02.07.09 / 23 h. Location: Watergate Club, Falckensteinstr.49, 10997 Berlin Line Up: SKREAM, THE SUBS, SCUBA, FORTSCH, KING ROC

www.iriedaily.de • info@iriedaily.de • IRIEDAILY is a trademark of W.A.R.D. GmbH. Styled in Berlin


‹versammelt › Mit Anspruch auf Vollständigkeit. Name, Vorname

Martens, Ralph Wohnort

Laupersdorf (Solothurn) Beginn der Sammel­tätigkeit

Vor 25 Jahren Erstes Stück

Eine alte Wayne Tanksäule von 1957 Letztes Stück

‹Olex 1918›, Exemplar aus einer deutschen Sammlung Teuerstes Stück

‹Wayne Roman Colum› von 1922, aus einem amerikanischen ­Museum Beste Fundorte

Leider nur noch Museen Gesamtzahl

Aktuell 480 Stück Andere Sammelgewohnheiten

Oldtimer

Bist du auch Sammler? Oder kennst du jemanden, der Kakteen, Autorückspiegel oder mundgeblasene Glasfiguren aus der vorderen Mongolei sammelt? Dann schick uns eine Mail an: info@kinkimag.com, Stichwort ‹versammelt›. Wir schicken dir einen Fotografen und schon im nächsten Heft wird dein Sammeltrieb verewigt. Foto: Marvin Zilm

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