kinki magazin - #29

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nr. 29 september /oktober 2010 chf 6.00.– (schweiz) eur 4.00.– (deutschland) eur 4.50.– (österreich)


STUPID IS FEARLESS.

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BE STUPID


auftakt you are not alone

Lieber Leser. Eine Welt ist nicht genug? Das mag so stimmen. Schliess­ lich wird unser Horizont von zahlreichen Individuen be­ völkert, die ihre ganz eigene Auslegung einer Lebensform beanspruchen. Neben der offensichtlich und wie selbst­ verständlich legitimierten Gesellschaft tummeln sich in unserem Alltagskosmos noch zahlreiche skurrile wie normale Randerscheinungen auf Tuchfühlung mit Öffent­ lichkeit und Privatleben – also auf Tür an Tür mit dir. Und wir reden hier jetzt nicht über interstellare und besonders galaktische Erscheinungen, sondern mehr oder weniger lebendige Konstruktionen fernab aller Konventionen. Alter­ native Lebensformen jeglicher Ausprägung seien also Gegenstand dieser Ausgabe. Wir blicken dabei in Abgrün­ de und Scheinwelten, besuchen unerhörte und abwe­ gige Existenzen, durchschreiten banale und absurde Uni­ versen. Deinen Platz musst du aber selbst finden. Deine simultan simulierende kinki Redaktion

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[ LI FE A F T E R S K AT E]


2010

WeA c t ivis t VA N E S S A PR A GE R , N I C O L E L E M O I N E & C L I N T PE T E R S O N S HO T B Y C HE RY L D U N N www. we s c. co m


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inhalt

standard

Auftakt 03 Inhalt 10 Neuzeit 12 Henry & Paul 114 Maske 100 Kopfkino 104 Abo / Impressum 108

report

66 38

Querschläger: Olav Brunner 42 Wortlaut: Sam Bennett 30 Die Büchse der Pandora 32 Intelligentia Helvetica 38 Standleitung 58 Genau gleich, aber anders 60

musik Verhör 64 Interview: Grinderman 66 Interview: Vampire Weekend 80 Baile Charme 82 Interview: Tricky 86 Lieblingslieder: Beatman 88 Vorspiel: Hjaltalín 90 Interview: Robot Koch 110

mode ‹True Colours› von David Spaeth 48 ‹Valkyrie› von Michael Bader 70 ‹Mansfield Park› von Edwin Tse 92 Vertreter: MBT 102

kunst ‹Et le ciel...› von Anja Schori 22 Shake your tree edition 106 Schauplatz: Christophe Guye Galerie, Zürich 112 kooabaisiert [ Ergänzungsmaterial auf kooaba.com ]

kinki inhalt

Intelligentia Helvetica Sex und Tod und alles dazwischen Unsere Autorin Rahel Zoller traf sich in London mit Nick Cave und Jim Sclavunos und sprach mit den beiden über ihre Lieblingsthemen: Sex, Tod und alles dazwischen. Und ein bisschen natürlich auch ein bisschen über Musik …

70

Valkyrie

Für seine Modestrecke liess sich der Fotograf Michael Bader von den furchtlosen Legendengestalten aus Richard Wagners Oper ‹Die Walküre› inspirieren. Jenseits von Libretto und Schwertern wagte Bader für dieses Heft seine ganz eigene Interpretation von Siegmund, Brünnhilde, Sieglinde und Co. 10

Lässt sich Intelligenz wirklich in Zahlen erfassen? Ja, meinen die superschlauen Mitglieder der Vereinigung ‹Mensa›, und setzen als Aufnahmekriterium die geistige Latte entsprechend hoch. Unsere Autorin traf Mensa-Präsidentin Ute Blasche und stellte ihr viele schlaue Fragen zu Thema IQ, dessen Messbarkeit und den Vor- und Nachteilen eines Lebens als ‹Superhirn›.


48 True Colours Treffen mehrere Gewalten aufeinander, so entsteht etwas Neues und Energie wird freigesetzt. Das dachten sich auch David Spaeth und sein Team, als sie für kinki die Swatch ‹New Gent›-Kollektion in Szene setzten und in einer Industriehalle zu einem wahren farblichen Urknall ansetzten, nach welchem die eigens engagierten Tänzerinnen und Tänzer sich sichtlich wohlfühlten in ihrer neuen Hülle. Wer das Ganze übrigens in bewegten Bildern sehen möchte, den erwartet auf unserer Website ein ebenso imposantes Making-of-Video der Produktion.

zugabe

Anja Schori

Edwin Tse

Bereits zum zweiten Mal beehrt uns die gebürtige Bernerin Anja Schori in diesem Heft mit einer Fotostrecke. Begonnen hatte Schori das Projekt ‹Et le ciel de Paris a son secret pour lui›, in dem sie Fragen zum Wesen der Fotografie mit den Eindrücken, welche sie während ihres viermonatigen Aufenthalts in der Stadt der Liebe gesammelt hat, in Verbindung bringt, bereits letztes Jahr. Schori thematisiert mit ihrer Arbeit Fragen der Reproduzierbarkeit und Rezeption, der Oberfläche und Authentizität und lässt verschiedenste Arbeitsweisen in ihre Bilder einfliessen. Anja Schori lebt in Bern und Paris und hat diesen Herbst mit ihrem Masterstudiengang der Fine Arts and der ZHdK begonnen. – S. 22

Der Fotograf Edwin Tse stammt ursprünglich aus Toronto, lebt aber die meiste Zeit des Jahrs über in New York. Wenn Edwin nicht gerade inoder ausserhalb der Staaten fotografiert oder umherreist, bemüht er sich, sein Umfeld an seinem fast schon enzyklopädischen Wissen zu Cartoonshows aus den Achtzigern teilhaben zu lassen, oder er vergrössert seine Sneakersammlung. Edwin bezeichnet sich selbst ausserdem als äusserst stylishen Bowlingspieler (was wohlgemerkt nichts mit der Punktezahl an sich zu tun haben muss) und hegt grosse Bewunderung für dicke Hunde und Katzen. – S. 92

Ramona Demetriou

Anne Vagt

Für diese Ausgabe des kinki magazine hat die 24-jährige Deutsche mit Zypriotischen Wurzeln sich an ein heikles Thema gewagt: Schon bald nach ihren ersten Recherchen zum Thema Pädophilie wurde Ramona nämlich klar, dass dieses Unterfangen sie mit vielen unangenehmen Begegnungen, Auseinandersetzungen und vor allem einigem an Selbstüberwindung konfrontieren würde. Nach über einem halben Jahr der Recherche gewährt uns Ramona nun in diesem Heft einen Einblick in ihre Arbeit zu einem Thema, über das man, wie es scheint, eigentlich lieber schweigen sollte … – S. 32

Coca-Cola ist und bleibt die berühmteste und geschichtsträchtigste Marke der Welt. Und auch wenn dieses Unterfangen kein leichtes ist, versuchen sich seit Jahren verschiedenste kleinere Betriebe in ihren eigenen Interpretationen des bräunlichen Süssgetränks. Die Illustratorin Anne Vagt setzte für uns mit Stift und Pinsel Tin Fischers Spurensuche um und wagte ebenso wie der Autor einen Tauchgang in die klebrigen Gefilde der Indie-Cola-Welt. Anne lebt seit Abschluss ihres Illustrationsstudiums an der HAW Hamburg und am Minneapolis College of Art and Design in Hamburg und arbeitet als Künstlerin und freie Illustratorin für diverse Magazine und Verlage. – S. 60

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neuzeit

to pop oder not to pop?

agenda

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14.10. luke redford, the stereo youth hosted by der zoo + das festival Hive, Zürich 15.10. creaked app release party Exil, Zürich 20.10. – 24.10. lausanne underground film and music festival Casino de Montbenon, Lausanne

Pop oder nicht Pop, das ist hier die Frage. Die Briten The Bishops gehen ihr mit ihrem Auftritt am POP.NOTPOP-Festival nach.

Der kleine Bruder des Open Air Festivals ist längst erwachsen geworden. Mit dem ‹10 Days Off› im belgischen Gent entstand eine ganz neue Kultur des simultanen Musikgenusses: das Clubfestival! Mittlerweile wird auch beim Reeperbahnfestival in Hamburger Clubs, dem dänischen Spot Festival in Aarhus’ Bars und Kneipen und vielen anderen urbanen Locations gefeiert. Zum Beispiel in Stuttgart: Dort gilt es am 13. November im Rahmen des ersten POP.NOTPOP-Festivals, in fünf Locations Bands, Künstler und ausschweifende Partys zu feiern. Bevor DJs aus der Independent- und

Elektro-Szene die Hütten musikalisch auseinandernehmen, schwingen sich The Bishops, frisch aus der Zeitmaschine und angesagter Londonexport, und das schwedische Pärchen Carl Norén und Lena Malmborg zu Höchstleistungen zwischen gitarrenlastigem Pop und Not-Pop auf. Lokale Acts der Extraklasse, namentlich Tiemo Hauer, The Stud, Hannes Orange, The Pss Pss sowie Putte & Edgar runden das Line-up ab. kinki magazine ist stolzer Medienpartner und prognostiziert: Echte Festivalatmosphäre dank erhöhter Transpirationsgefahr nicht ausgeschlossen! (bs) popnotpop.de

les facettes de l’art Den Begriff Kunst nur als Malerei und / oder Fotografie abzutun, wäre in einer entwicklungsfreudigen Gesellschaft wie unserer, die täglich und in jedem Bereich beschwingt Hybride hervorbringt, geradezu ignorant. Auch wenn es das romantisch-verklärte Künstlerherz im ersten Moment schmerzt, de facto entwickeln sich mit der Technologisierung, Globalisierung und Urbanisierung unserer Gesellschaft neue kreative Ausdrucksformen, die nicht nur sinneserweiternd, sondern auch zukunftsweisend sind. Ein temporäres Zuhause und insbesondere eine Ausstellungsplattform für die Mischformen zwischen Kunstmarkt und Industriebranche stellt die ‹BLOOOM›, die weltweit erste interdisziplinäre Kunstmesse, zur Verfügung. An der ‹creative industries art show› wird jede künstlerische Darkinki neuzeit

stellungsform honoriert und präsentiert, die sich genrefrei bewegt. Wer sich darunter nichts vorstellen kann, der soll sich auf internationale Projekte aus den Branchen Film, Mode, Lifestyle, Musik, Architektur, Werbung, Lichtdesign, Literatur, Typographie, Urban Art, Special Effects, Interior Design und Animation gefasst machen. Zeitgleich mit der ‹traditionellen› ART.FAIR 21, der Messe für aktuelle Kunst, findet auch die BLOOOM vom 29. Oktober bis zum 1. November 2010 im Staatenhaus am Rheinpark Köln statt. Mit der gemeinsamen Location versinnbildlichen die Veranstalter sogleich, die immer durchlässigeren Grenzen zwischen kreativen Arbeiten und Kunst im klassischen Sinne. Ab nach Köln, zur Erweiterung eures kreativen Horizonts. (fr) blooom.de

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21.10. midnight juggernauts, grum, ryan riot Hive, Zürich 22.10. we have band, five years older Kaserne, Basel 28.10. sivert høyem Schüür, Luzern 30.10. biffy clyro Grabenhalle, St. Gallen 30.10. rodrigo y gabriela Fri-Son, Fribourg 30.10. daf Kiff, Aarau

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05.11. telekinesis Kulturwerk 118, Sursee 05.11. – 06.11. der zoo + das festival Alte Kaserne, Zürich 09.11. carl barât Mascotte, Zürich 09.11. caribou Abart, Zürich 10.11. – 13.11. 14. internationale kurzfilmtage Winterthur 11.11. – 14.11. heartland-festival Vevey 15.11. the tallest man on earth Palace, St. Gallen 16.11. beach house Kaufleuten, Zürich


paperboy Ab sofort könnt ihr jeden Beitrag, der im Inhaltsverzeichnis mit dem kleinen Dreiecksymbol gekennzeichnet ist mit euerm iPhone fotografieren, und ihr erhaltet in Sekundenschnelle Hintergrundinformation, zusätzliche Inhalte wie Videos und Musik, oder ihr könnt ihn via Facebook und E-Mail an eure Freunde weiterempfehlen. Dazu müsst ihr euch lediglich die kostenlose App ‹kooaba Paperboy› runterladen und schon kann’s losgehen: Einfach die Paperboy-App installieren, in der Applikation ein Foto der Heftseite knipsen, und schon liefert euch Paperboy mittels Bilderkennungsprogramm automatisch digitale Extras für die betreffende Seite. (ah) kooaba.com

yo! bum rush the show

You know what time it is? Time to win a ticket!

dentliches Kapitel Musikgeschichte geschrieben. Und auch wenn Flavor Flav in letzter Zeit eher mit dem Kampf gegen ein Haus voll zugedröhnter Silikonbrüste, denn mit politischen Hasstiraden gegen System und Staat beschäftigt war, machte er seinem Ruf als ‹Public Enemy›

Die wahrscheinlich revolutionärste Rap-Gruppe aller Zeiten ist wieder unterwegs: Public Enemy! Die Staatsfeinde Nummer eins haben mit Alben wie ‹Yo! Bum Rush the Show›, ‹It Takes a Nation of Millions to Hold Us Back› oder dem legendären ‹Fear of a Black Planet› ein or-

dennoch auch in dieser Hinsicht alle Ehre. Auf ihrer aktuellen Tour wird die Combo um Chuck D, Professor Griff und den kleinen Mann mit der grossen Uhr mit DJ Lord und einer Liveband unterwegs sein und noch einmal die grossen Hits von ‹Fear of a Black Planet› zum Besten geben. Doch zum Fürchten um Tickets gibts zum Glück nicht viel Grund, denn kinki verlost 3 mal 2 Tickets für das Konzert vom 2. November im Zürcher X-Tra. Schickt uns einfach bis zum 29. Oktober eine Mail mit dem Betreff ‹Public Enemy› und eurem Alltime Favourite-Song der Band an wettbewerb@kinkimag.ch und staubt zwei der begehrten Freikarten ab. Wir selber werden uns diesen Auftritt übrigens auch nicht entgehen lassen und den Godfathers of Hip-Hop in einem Videointerview ordentlich auf den Zahn fühlen! (rb) publicenemy.com x-tra.ch

DENKEN, SCHREIBEN – UND GEWINNEN!

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Schreiben Sie Ihre Erfolgsgeschichte und gewinnen Sie ein Praktikum bei der SonntagsZeitung, ein Raiffeisen Ausbildungskonto mit 3‘000 Franken Startguthaben sowie weitere attraktive Preise. Zeigen Sie uns, was in Ihnen steckt! Unsere hochkarätige Jury wartet auf geniale Arbeiten. Infos und Anmeldung unter: www.sonntagszeitung.ch/studentenpreis

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i like to ride my bike! gleichen Kleinkriminellen-Charme wie aufgebrochene Umkleidekabinenspinde. Kaum kontrollierbare Kavaliersdelikte auf zwei Rädern, ohne Bremsen oder Raison d’être für schmierige Privatfernseh-Reality-Soaps wie ‹Mein Revier - Ordnungshüter räumen auf› und erboste Leserbriefe in den Lokalnachrichten. Mit der auf 111 Exemplare limitierten Single Street Bike-Kollektion von Mika Amaro ist nun aber endlich Schluss mit wenig ansehnlichem Rumgegurke – ab sofort gibts sexy Velofashion für Radwege und sonstige urbane Runways! Mit Leder, Edelstahl, Aluminium gegen die Langeweile des Alltags: Jedes Exemplar ein eigenes, nummeriertes Unikat, erhältlich in drei Atemnot und Gänsehaut verursachenden Metallic-Farben. Klare Linien in verschiede-

Fixie für nixie? kinki verlost ein nigelnagelneues Mika Amaro-Rad.

Gibt es irgendetwas Verwerflicheres, als Fixie-Räder ausserhalb von Rennbahnen und sonstigen Hochgeschwindigkeitstracks? Kaum.

Zwar sehen die Leistungssportgeräte in seltenen Zweifelsfällen ganz sympathisch aus, versprühen aber nach Trainingsschluss den

light des ersten Abends gilt der Deutsche Patrik Zimmer, welcher unter dem Pseudonym Finn sein einziges Schweizer Konzert spielt. Der zweite Abend wird von der Bündner Band Gulliver mit lethargischen Klängen und konstanten Beats eingeläutet. Danach sind gleich drei Post-Rock-Bands zu hören: Adai und Caspian aus den USA sowie Maybeshewill aus England. Willst auch du beim ersten Secret Hymn Festival am 25. und 26. November in Chur dabei sein? kinki magazine verlost 5 x 2 Festivalpässe! Schreib einfach bis zum 14. November eine E-Mail mit dem Betreff ‹Secret Hymn› an wettbewerb@kinkimag.ch. (db)

Er hat keinen roten Bart, trägt seinen Schottenrock nur zu besonderen Anlässen – und statt sich im Weitwurf abgesägter Baumstämme zu messen, fotografiert Jonathan Daniel Pryce lieber Streetstyles in seiner Heimatstadt Glasgow. Wir haben uns mit Jonathan über seinen Blog ‹Les Garçons de Glasgow›, kamerageile Schotten und französische Einflüsse unterhalten. Das Interview und Streetstylebilder aus Glasgow findet ihr online unter kinkimag.ch. Vorab liefert Jonathan hier die exklusive Klassifikation des Hipsters à la Glasgow: ‹Es gibt zwei Sorten in Glasgow: Der lebensferne Vintagetyp geht auf die Glasgow University oder die School of Art, trägt klobige Strickpullover, ein Waxjacket und massgeschneiderte Hosen. Der andere Typ fährt mit seinem Fixie-Fahrrad durch die Stadt, hat eine Schwäche für Tattoos und trägt gerne Shorts. Glasgow ist eine neugierige Stadt, mit vielen Studenten und einer sehr lebendigen Kunstszene.› (bs)

Unter anderem am Secret Hymn-Festival zu sehen: Caspian aus den USA.

lesgarconsdeglasgow.com

kinki neuzeit

mika-amaro.de

der junge aus glasgow

mystery calling ‹Eine Reise ins Unbekannte. Ein Ausflug der Sinne – Ein Orchester des Herzens. Wir wollen mit euch Neues entdecken, ein Geheimnis lüften. Erleben. Fühlen. Hören. Sehen›. Mit diesen mystischen Sätzen wirbt der Festivalneuling ‹The Secret Hymn›. Während zwei Tagen lädt der Veranstalter ‹We Are Yours!› in die Bündner Hauptstadt. Eröffnet wird das Festival im Churer Kulturhaus von einem Einheimischen: Drummer Andriu Maissen verbindet in seinem Projekt Novarilla Jazz, Rock, Funk und Ambient. Anschliessend spielt Susanna Brandin aka Winter Took His Life aus Göteborg gemeinsam mit drei schwedischen Freunden ein einstündiges Set. Als High-

nen Grössen mit wartungsarmem 1-Gang-Antrieb mit Freilauf und Bremsen. Der diskrete Charme des Wesentlichen für unter 10 kg, erhältlich in ausgewählten Bike- und Lifestyle-Stores sowie über den Onlinestore auf mika-amaro.de. kinki magazine möchte, dass ihr schöner radelt und verlost deshalb den Klassiker schlechthin, das Modell Fuel Brown für Zuhause – parallel verlaufende Einspeichung, 0°-Lenker, Fully-White-Rennreifen plus zwei kinki Tote Bags on top! Maile uns einfach bis zum 4.November eine gute Begründung an wettbewerb@kinkimag.ch, weshalb wir gerade euch mit dem guten Stück auf die Menschheit loslassen sollten. Gute Fahrt! (bs)

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Jäger und Sammler: Der Blogger Jonathan Daniel Price hält Ausschau nach Glasgows ausgefallensten Styles.


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illustrieren geht über studieren

nothing but mammals

Das grösste Festival für zeitgenössische Illustration und Grafik setzt seine Liaison mit der deutschen Hauptstadt fort: Im Mai 2011 findet die Illustrative zum sechsten Mal statt – zum vierten Mal in Berlin! Zwei Wochen lang wird dann der Illustration gehuldigt, mit neuen Talenten und Trends, progressiven Technologien und beinahe vergessenen Stilen. Ausserdem dürfen sich die Gewinner des Swatch Young Illustrators Awards auf die Schultern klopfen und klopfen lassen, die neben alten Illu-Hasen ebenfalls die Möglichkeit erhalten, ihre Arbeiten zu präsentieren.

Die Festivalsaison ist lange her, nicht wahr? Das war damals, während dieser kurzen Zeit des Jahres, als man draussen noch schwitzte, die Seen und Flüsse keine Eisschollen trieben, man Bier unter freiem Himmel trank und sich mit den Freunden bei den ersten Sonnenstrahlen ins stinkende Zelt legte. Doch da sich die meisten sowieso nicht mehr richtig ans letzte Festival erinnern dürften, sorgt der Zürcher Club Kaserne nächsten Monat dafür, dass eure festgefrorenen Füsschen nochmals tierisch in Wallung geraten und das Quecksilber derart tropische Werte anzeigt, dass auch der letzte Tanzlöwe unter seinem Baum hervorkriecht. Denn am 5. und 6. November steigt in der Kaserne unter dem illustren Namen ‹Der Zoo + Das Festival› ein Festival der elektronischen Extraklasse: Am Freitag heizen Danger aus Frankreich und der Hamburger Überflieger Fukkk Offf alias Bastian Heerhorst mit ihren Liveshows schon mal kräftig ein, um danach weiteren Elektronikern der Oberliga Platz zu machen. Am Samstag wummerts weiter hinter den Mauern, wenn das Berliner Duo The Sexinvaders, Katakombot (feat. Jimi Jules), FRQNCY und viele mehr euch noch lange nicht an Schlaf denken lassen werden. Bier gibts übrigens auch in der Kaserne, es fehlt also nur noch das stinkige Zelt für ein richtiges Festival. Und auf das verzichten wir doch ehrlich gesagt alle gerne, oder? Tickets sind auf starticket.ch oder an der Abendkasse erhältlich. Und die ganz schlauen Füchschen unter euch schauen am besten regelmässig auf unserem Blog vorbei, dort gibts nämlich in den kommenden Tagen 5 x 2 Festivaltickets umsonst zu haben. (rb)

Die besten Einreichungen aus den Kategorien Illustration, Animation und Buchkunst werden bereits am 5. November 2010 im Rahmen des Illustrators Days geehrt. Im Anschluss öffnen sich für die geladenen Gäste die Türen zum Grand Opening der neuen Ausstellung ‹Opium Den›: Das Berliner Direktorenhaus, in dem einst Münzen geprägt wurden, wird zu einer unwirklichen, märchenhaften Kulisse und ein behaglicher Rückzugsort für kalte Wintertage. Man darf mit einer festlichen Nacht voller künstlerischer Exzesse rechnen ... (bs)

Sehen und sehen lassen: In Berlin erwarten euch an der vierten Illustrative zahlreiche Illustratoren mit ihren Werken.

illustrative.de, direktorenhaus.com

mode statt modestadt

wichtigsten Preise – vergeben wird. Sechs Jungdesigner, die in der internationalen Modeszene bereits mehr oder weniger bekannt sind – zum Beispiel der Amerikaner Jason Wu – präsentieren ihre Kollektion und konkurrieren um den Award, der dieses Jahr am Donnerstag, 4. November, im Rahmen der erstmals stattfindenden ‹Fashion Days Zurich› vergeben wird. Die Fashion Days, die vom 3.– 6. November im Puls 5 durchgeführt werden, bieten denn auch eine Plattform für noch unbekannte Jungdesigner sowie gestandene Labels. Am Swiss Textile Award wird natürlich auch der Vorjahressieger Alexander Wang den Schiffbau beehren und seine neueste, in Weiss gehaltene Kollektion vorführen. Wir können es kaum erwarten und rotieren bereits vor unserem Kleiderschrank. (fr)

Die Griechin Mary Katrantzou buhlt am 4. November mit fünf weiteren internationalen Designern um den Swiss Textiles Award 2010.

Alle Jahre wieder bekommt auch Zürich ein bisschen was vom Modeglanz der internationalen Metropolen ab. Da die grossen und sogar die kleinen Modeanlässe hierzulande sehr spärlich gesät

sind, pocht das Herz und schwellt die Brust jedes Modeliebhabers an, wenn in der Limmatstadt wieder der Swiss Textiles Award – mit 100 000 Euro Preisgeld einer der höchstdotierten und mittlerweile

farbe unter den füssen 20 Jahre jung wird das NESCAFÉ CHAMPS im kommenden Februar und ist somit der älteste noch bestehende Snowboard Contest von Europa. Auch die Ausgabe 2011 des Wettbewerbs gehört der Swatch TTR World Snowboard Tour an und wird als Fünf-Sterne-Event gelistet. Vom 8. bis 13. Februar kämpfen die Fahrer in Sachen Slopestyle um ein Preisgeld von 50 000 Dollar. Dabei treten viele ehemalige Sieger gegen junge Nachkinki neuzeit

wuchsfahrer an und diverse Festivitäten umrahmen die offiziellen Wettkämpfe. Und auch ihr könnt diesmal aktiv am Champs teilnehmen, auch fern von Kickers und Rails: Anlässlich des 20. Jubiläums lanciert NESCAFÉ einen Wettbewerb für alle Kreativen unter den Snowboardern und SnowboardFans. Designe ein aussergewöhnliches, dem 20. Geburtstag von Champs gewidmetes Snowboard! Lasst eurer Fantasie freien Lauf

und reicht euren kreativsten Designvorschlag ein. Der Gewinner kann noch diesen Winter sein eigenes Snowboard anschnallen und darf als ‹very special VIP› an der 20. Ausgabe der NESCAFÉ CHAMPS in Leysin teilnehmen. Weitere Informationen zum Wettbewerb sowie das Teilnahmeformular findet ihr auf der Website: nescafedesignit.ch. (db)

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‹Der Zoo + Das Festival› wartet mit den vielversprechendsten Party Animals der Fauna-Elektronika auf. Unter anderem mit Danger aus Frankreich.


kommunikation ist alles

dreams in jeans Uffie wagt den Selbstversuch: Selbst wenn der Oberkörper von den Beinen kippt, sitzen ihre Jeans perfekt.

Mittlerweile dürften wohl die meisten von uns von Uffie gehört haben, deren Karriere nach ihrem Feature auf dem Justice-Debütalbum steil bergauf ging und der

22-Jährigen mit ihrem ersten Longplayer ‹Sex Dreams and Denim Jeans› einen ersten Höhepunkt einbrachte. Der italienische Jeanshersteller Diesel war jedoch

schon vorher auf die quirlige Dame aufmerksam geworden und entschloss sich, ihr nebst dem Jeansstoff für ihr Albumcover forthin auch eigenes Beinkleid zur Verfügung zu stellen und widmete ihr nun sogar eine erste eigene Kollektion. Unter den zwölf Teilen finden sich nebst der obligaten Boyfriend-Jeans (Uffie macht schliesslich gerne einen auf dicke Hose) auch eine hoch geschnittene Skinny-Version, ein Biker-Jacket, verschiedene Shirts, ein supereng geschnittener Jumpsuit und viele weitere Highlights, die allesamt kreativ und dennoch schlichter daherkommen, als man es vom ‹Hot Chick› der Indieszene erwartet hätte. Hier werden ‹Sex Dreams› also nicht lauthals harausposaunt, sondern elegant in ‹Denim Jeans› verpackt. Zu haben gibt es die Kollektion ab November, wenn’s auf den Strassen wieder bitterkalt und in den Clubs stickig heiss wird … (rb)

Von aussen sieht es einfach aus, doch jeder Designprozess hat seine zwei Seiten: die des Auftraggebers und die des Gestalters. Manchmal führt erst eine Achterbahnfahrt durch Abstimmungen und Diskussionen zum Ergebnis. Die Initiative ‹Face to Face› widmet sich seit 2004 dem konstruktiven Miteinander beider Seiten. An wechselnden Orten stellen Unternehmen und Designer unter dem Motto ‹in dialogue we trust› wegweisende Projekte und Ideen vor – ein weltweit einzigartiger Austausch rund um Markenentwicklung und Kommunikationsdesign. Das kinki magazine ist Medienpartner des Symposiums, mit dem die Initiative ihr Jubiläum feiert: Vom 4. bis 6. November 2010 treffen sich Auftraggeber und Designer aus Deutschland und den Partnerländern zur zehnten Konferenz in Ludwigsburg bei Stuttgart. Anmeldeschluss ist der 25. Oktober. (bs)

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kinkimag.ch

vases & faces Die grossen, flächigen Köpfe des amerikanischen Künstlers Benjamin Edmiston erweisen voll von Farben und surrealen Nebensächlichkeiten ihrem Medium, der Malerei, alle Ehre. Es sind primitive, oft bärtige Gesichter, die mit oder ohne Torso als Hauptcharaktere seine Bildwelt dominieren und sich dort mit sich wendenden Schlangen, Pflanzen, abgetrennten Armen, Blumentöpfen und Vasen kurzschliessen. Was sich etwas unheimlich anhört, ist in Wirklichkeit seltsam und eigen, aufgrund

der Komposition und der intensiven Farbskala, aber durchaus ansprechend. Denn Edmistons Herangehensweise ist eine erzählerische: Jedes Bild hat eine Geschichte zu beschreiben, welche der sogenannte ‹Folk-Artist›, der angibt starke Einflüsse von seiner Erziehung in Pennsylvania zu haben, mit seinem einzigartigen visuellen Vokabular zu erzählen weiss. Die farbenfrohe, etwas schräge, aber sicher bekömmliche Welt Edmistons gibt es diesen Monat in der Rubrik ‹art› zu entdecken.

foals aus viersen Ob man Beat! Beat! Beat! nun mit Gross- oder Kleinbuchstaben, mit Ausrufezeichen und Abständen schreibt, oder nicht, darüber könnte man sich streiten. Dass die vier deutschen Indie-Jünglinge mit ihrem Album ‹Lightmares› den richtigen Weg eingeschlagen haben, um mit den Grossen aus London, Stockholm oder New York mithalten zu können, steht jedoch ausser Frage. Als ‹Foals aus Viersen› wurde das junge Quartett bereits vom UK-Magazin NME geadelt und auch wir sind überzeugt, dass es die Jungs nicht mehr lange in Vier-

sen halten wird. Ihre Beziehung zu ihrem Heimatort erfragte kinki Autor Bastian Steineck, der mit dem

Sänger Joshua auch über Dorfpunks, Internetnutzung und den Teen Spirit sprach.

valient thorr Die Retter von der Venus wussten uns sowohl auf der Bühne als vor unserer Videokamera vorzüglich zu unterhalten und rissen uns mit ihrer energischen Show, dem authentischen Rock ’n’ Roll, ihren voluminösen Bärten und ihrer

Trotz der Bandsaga um die vier ausserirdischen Bandmitglieder vom Planet Venus hatten wir den bärtigen Urgetieren von Valient Thorr nicht so viel Unterhaltungswert zugetraut, wie sie uns im Luzerner Sedel schliesslich boten.

unbändigen Geschwätzigkeit aus unserer erdlichen Mittelmässigkeit heraus. Das anregende Videointerview mit Valient Thorr flimmert diesen Monat über unsere kinki Website.

supplement Natürlich soll es auch diesen Monat nicht dabei bleiben, auf unserer Website findet ihr weiteres Hintergrund- und Ergänzungsmaterial zu dieser Ausgabe. Zusätzlich zum angekündigten musikalischen Programm singen euch die Bands Klaxons und Ou Est Le Swimming Pool kinki kinkimag.ch

ein Ständchen. Die modische Ebene bauen wir durch die Fotostrecke ‹Recession Wine› von Ryan James Spencer und eine traumhafte Modestrecke von Eva Tuerbl aus. Ausserdem gibt es das Shooting unseres Swatch Editorials in bewegten Bildern zu verfolgen und natürlich 18

platzen wir auch diesen Monat nicht schon an dieser Stelle gleich mit all den weiteren Interviews, Fotostrecken, Wettbewerben und Künstlerporträts in die Tür, sondern zählen einfach auf eure kindliche Neugier, die euch zu einem Besuch auf kinkimag.ch zwingen soll.


© Laurence Laborie / 7skygreenroom.com & PET-Recycling Schweiz

Aus PET macht man auch Kleider. Wie zum Beispiel diese Jacke von Bond. Bring deine PET-Flaschen zurück und besuche uns auf Facebook: Proud PET Recylcers.

petrecycling.ch


klagemauer Dein Meerschweinchen hat dich heute gebissen? Deine Freundin steht auf DJ Bobo? Die Welt ist böse? Zürich geht dir auf den Sack? Dein Lover hat deinen Geburtstag vergessen? Egal was dich gerade stresst oder nervt: Auf kinkimag.ch unter ‹Klagemauer› kannst du Dampf ablassen. Die besten Einträge werden hier veröffentlicht.

‹schau nicht immer so böse›. schau du weniger fernsehen, dann wirst du feststellen das mein gesichtsausdruck normal ist. yam | Wecker schlägt so laut, dass ich nicht mehr schlafen kann wach | pubertierende eltern basementality | dass Lola und Leo nicht nur durch eine Landesgrenze, sondern auch noch durch 28 Jahre Altersunterschied getrennt sind und getrennt bleiben werden. Leo | Liebe frisch von eurer Freundin verlassene: Kommt zu mir ich, bin Profi auf diesem Gebiet. Tragischer Vollprofi | kieferorthopäden-angestellte-am-empfang sollten entweder verboten werden, oder ihre ausbildung sollte den kurs ‹kalender lesen & öffnungszeiten der praxis kennen› beinhalten Lola | wenn ihr CAPRICE des DIEUX im Kühlschrank seht, beisst nicht einfach rein. schneidet mit dem MESSER ein stück ab! verdammt das ist mein Käse kimi | ich habe perfekte reine haut, die strahlt so von innen heraus... NOOOOOT werhatpickelerfunden | dass ich nix zu klagen hatte, aus langeweile die klagemauer gelesen hab, nun selbst klagen könnte weil ich zu klagen beginne! doof. vorsichtansteckend | ich hasse beziehungen. (eigentlich hasse ich nur komplizierte beziehungen, aber... das schliesst irgendwie alle mit ein...) Lola | Abschiede sind wirklich hart...und Coldplay erleichtern diese nicht wirklich..!! AUTSCHIIII ... goodbye ... häbs guät!! snif | Was mich wirklich empört? Stuttgart 21, jetzt, gerade. Da könnte man auch weinen, bringt nur leider nichts. Zephyr | dass meine dreckigen schuhe vom züri openair immernoch ungeputzt rumstehen und vom anstarren einfach nich sauber werden! hallodienstmädchen | warum ist gerade dann alles perfekt, wenn ich keine zeit habe es zu genießen? Line | nikotin ist so scheisse, vorallem das ich schlecht ohne kann. lomo | ich pass doch gar nicht zu ihm. kakke ey. augen auf war wohl zuviel verlangt gestern. supertoll zuvielVODKA | sie hat gesagt Piraten-Kopftücher sind out. bäh, is mir doch egal! seeräuber hauptmann fabian | daSS es so viele leute gibt, die hier ihren satz mit ‹dass› ohne das zweite ‹s› beginnen, auch schon mal was von deutscher rechtschreibung gehört?! da fallen mir alle haare aus. (wenn man keine anderen probleme hat, muss man sich über solche dinge aufregen) DUDEN LEBT | daSS ich nun auch noch meine Sorgen in deutscher Rechtschreibung schreiben soll bczuvazufdsabkg | bilder retouschieren nur weil ich beim fotografieren das licht falsch gesetzt habe! bä Anonymous | Das Leben zieht an mir vorbei. Es geht alles viel zu schnell, ich komm nicht mehr mit. WTF | Ende Jahr geht er nach L.A. Ich soll mich beeilen um für eine Beziehung anknüpfen ... Er trifft mich ja NIE MANN!! lieblosverliebte | kinki neuzeit

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Et le ciel de Paris a son secret pour lui

Fotografie: Anja Schori kinki kunst

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Fotografie: Anja Schori, anjaschori.com Haare & Make-up: Mia Bregar, Styling in Zusammenarbeit mit Anja Schori Model: Anna Kindermann Jacke S. 29: Stephi Betschart 29


wortlaut das 10 minuten interview

Sam Bennett: ‹Ich bin ein totaler Gamer.› Interview

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ein, bei diesem Sam Bennett handelt es sich weder um den TV-Doktor aus Private Practice, noch um den irischen Bahn- und Strassenradrennfahrer. Dieser Sam Bennett kommt aus Liverpool und gehört zum Entwicklerteam von ‹LittleBigPlanet› (LBP), einem Playstation-Game, in dem man ganz einfach selber zum Arzt oder Profi-Radfahrer werden kann – in Form eines sogenannten ‹Sackboys›. ‹Play, Create and Share› lautet das Motto des Jump ’n’ Run-Spiels von Sony. Denn im überbunten Wunderland von LBP kann man nicht nur mit dem Sackboy herumtollen, sondern Levels, Spielfiguren und sogar ganze Games mitkinki wortlaut

kinki magazine: Bist du selber ein Gamer? Sam Bennett: Oh ja! Ja! Ich bin ein totaler Gamer!

wachsen sind. Die immer noch spielen und Spass haben möchten und nicht daran denken, ob sie dabei lächerlich aussehen könnten.

Was muss ein gutes Game bieten? Es kommt auf das Spiel an. Viele Games frustrieren den Spieler, weil er gewinnen muss. Bei LittleBigPlanet geht es darum, kreativ zu sein. Es gibt dir die Möglichkeit, etwas, das in deinem Kopf ist, das nur du sehen kannst, ‹real› zu machen. Und es bringt dich zum Lachen. Das ist es, was bei einem guten Game zählt: making that smile happen!

Verliert man da nicht den Bezug zur Realität? Puh, ich denke nicht. Wenn jemand tagtäglich Bilder von einer Fantasiewelt malt, solche Einhörner, Elfen und all diese Sachen … verliert er dann den Bezug zur Realität? Oder stellt er sich einfach eine Welt vor, die mehr Spass macht? Und wenn du über Kriegsspiele sprechen willst: das ist die selbe Art von Flucht, wie beim Schauen von Kriegsfilmen oder wie früher, als man Soldat spielte.

Die Hauptfigur von LBP nennt sich Sackboy. Was darf man sich darunter vorstellen? Der Sackboy kann alles sein. Wenn man ihn nackt sieht, besteht er einfach aus braunem Strickmaterial und einem Reissverschluss auf dem Bauch. Doch selbst dann hat er eine riesige Persönlichkeit. Er liebt es, sich zu verkleiden und die Welt als Spiderman oder Dschinghis Khan zu entdecken – oder einfach mit einem verrückten Hut auf. Denn du kannst den Sackboy formen, wie du willst. Du kannst sogar dein Ebenbild erschaffen.

tels eines einfachen Editors selber kreieren und übers Web mit der ganzen Welt teilen - und selbstverständlich auch spielen. Vier junge Menschen aus Europa und den USA haben anscheinend besonders gute Sachen kreiert, sodass sie vom Herstellerkonzern Media Molecule angeheuert wurden und heute als Game-Entwickler arbeiten. Mehr als drei Millionen Mal hat sich das Spiel bislang verkauft. Anfangs 2011 wird mit ‹LBP 2› eine neue Version veröffentlicht. Wir haben den Entwickler Sam Bennet am Animationsfilmfestival Fantoche in Baden getroffen und mit ihm über Realitätsverlust und Gamer-Klischees gesprochen.

Wie gestaltest du denn deinen eigenen Sackboy? So eine typische russische Fellmütze würde ich ihm aufsetzen. Dazu eine gespiegelte Sonnenbrille und dann noch ein knallgelber Overall. Das würde mir passen. Weisst du, das sind die Sachen, die ich normalerweise an den Wochenenden trage. Aber ganz oft verkleide ich Sackboy auch als Sackgirl. Einfach, weil das Sackgirl die besseren Frisuren trägt. Ist Puppen anziehen denn nicht eher Mädchensache? Nein, nicht wirklich. Es ist für Menschen, die noch nicht ganz er30

Und was ist mit diesem GamerStereotyp? Dem bleichen, von Akne geplagten Jungen, der achtzig Prozent seines Lebens im Keller verbringt? Das ist überholt. Klar gibt es diese Typen ... aber alle Welt spielt! Sei es auf Facebook, auf dem Handy, auf der Playstation, auf dem Computer oder mit Karten. Spielen macht einfach Spass! Text und Interview: Dinah Brunner Foto: Promo


nixonnow.com/santigold nixonnow.com


Die Büchse der Pandora Die Überschrift dieses Artikels mag im Zusammenhang mit dem Thema Pädophilie und Kindesmissbrauch zunächst verwundern. Doch der Mythos von Pandoras Büchse schoss mir als erstes durch den Kopf, als dieser Bericht komplett zu kippen drohte. Text: Ramona Demetriou

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amona, das Thema ist vielleicht doch zu heiss, sagte der Chefredaktor. Hatte er recht? War der Zeitpunkt erreicht, die Geschichte einfach auf sich beruhen zu lassen? Musste ich wirklich über ein Thema berichten, das die Gemüter bereits im Vorfeld so erhitzt? Ich hatte mich blauäugig an eine Sache gewagt, bei der man, wie ich jetzt weiss, nur verlieren kann. Schreiben oder nicht schreiben. Ich war mir selbst nicht mehr sicher. Jeden Tag landeten neue EMails im Postfach der Redaktion. Alle mit ähnlich unerfreulichen Inhalten. Beschwerden, Stellungnahmen, Bitten, die Veröffentlichung zu überdenken. Dabei hatte ich noch nicht einen Buchstaben von dem Bericht getippt, an dem ich zu diesem Zeitpunkt seit knapp neun Monaten arbeitete. Kinderschützer waren brüskiert über meine Recherche. Ich hatte es gewagt, in einem Bericht über Pädophilie, Menschen mit pädophiler und pädosexueller Neigung tatsächlich zu Wort kommen zu lassen.

Radikale Vertreter der Knabenliebe auf der anderen Seite stürzten sich auf die anstehende Veröffentlichung meiner Reportage. Mein Name prangte plötzlich, gegen meinen Willen, auf einschlägigen Seiten bekennender Pädophiler. Ich hatte die Büchse der Pandora geöffnet. Eigentlich wollte ich nur reinblinzeln, um zu schauen, was sich darin verbirgt. Doch wie in Pandoras Fall hatte meine Neugier ihren Preis. Und jetzt, wo alles seinen Lauf nahm, ging mir immer wieder ein Gedanke durch den Kopf: ‹Mist, hätte ich diese verdammte Büchse doch lieber zu gelassen.› Ich bekam die Büchse vor rund einem Jahr. 33


Juli 2009 ‹Wegen welchem Delikt sass der mit der Brille im Knast? Er sah irgendwie nett aus.› Meine Freundin Nina und ich steigen in ihr Auto. Sie ist Sozialberaterin und betreut Strafgefangene nach ihrer Entlassung. Ich schreibe unter anderem für eine regionale Zeitung und suche noch ein Thema für das Sommerloch. Ninas Job schien mir ganz interessant, deshalb begleite ich sie bei der Arbeit. Sie antwortet:

‹Der ist auch eigentlich ganz nett. Wir trinken immer Tee zusammen. Er wurde wegen sexuellem Missbrauch von Kindern verurteilt.› Mein Gesicht muss in diesem Moment Bände sprechen. Nina fragt: ‹Alles klar bei dir?› Ich möchte antworten, doch ich finde keine Worte. Mir wird schlecht bei dem Gedanken daran, dass ich gerade einem Kinderschänder die Hand geschüttelt habe. Entrüstet schaue ich meine Freundin an: ‹Wie kannst du bloss mit so einem arbeiten. Du bist doch selbst Mutter.› Nina schaut mich an und antwortet:

‹Es ist mein Job. Ich muss ihn genauso respektvoll behandeln wie jeden anderen Klienten.› Stille. Nach einer kurzen Weile fügt sie ernst hinzu: ‹Zudem rufe ich mir immer ins Gedächtnis, dass es nicht meine Kinder waren, die er missbraucht hat.› Wenige Tage später sitze ich in der Bar meines Bruders. Er hat zwei Kinder. Das Thema lässt mich nicht mehr los. Ich frage ihn: ‹Was würdest du machen, wenn dein Kind von einem Fremden sexuell belästigt oder sogar missbraucht wird?› Mein Bruder schüttelt den Kopf und antwortet: ‹Warum willst du das wissen?› Ich erzähle ihm von meinem Erlebnis mit Nina und sage: ‹Ich möchte vielleicht einen Bericht darüber schreiben.› Er schaut mich ernst an und schweigt. Ein Bekannter mischt sich in das Gespräch ein: ‹Du willst über Päderasten schreiben? Das geht gar nicht. Die sollte man alle zwangskastrieren.› Obwohl ich seine Ansicht nicht teile, kann ich meinem Bekannten die Reaktion nicht verübeln. Meine anfängliche Abscheu ist jedoch der Neugier gewichen. Ich denke an Ninas Klienten mit der Brille. Wie muss jemand empfinden, der ein Verbrechen begangen hat, das gesellschaftlich so verachtet wird? Ob er jemals jemandem davon erzählt? Und wie kann es überhaupt sein, dass ein erwachsener Mann sexuelles Interesse an einem Kind verspürt? Kinder kann man doch nicht sexuell begehren?! Es ist wieder eine routinemässige Redaktionssitzung angesetzt. Ich platze sofort mit meinem Anliegen heraus: ‹Sollen wir nicht mal einen Bericht über Pädophile machen?› Mein kinki report

Chef ist irritiert. Ich erzähle wieder von Nina und sage: ‹Es ist anscheinend eine der schlimmsten Taten überhaupt. Wie gehen die bloss damit um. Die Leute hassen sie doch.› Nach einigem Überlegen sagt er: ‹Es ist wichtig, dass dieses Tabuthema nicht im medialen Halbdunkel verschwindet. Es ist aber definitiv nichts für unser Heft. Vielleicht kannst du es einem anderen Medium anbieten?› November 2009 In meinem Postfach ist eine E-Mail von meinem Chef: ‹Wollen wir noch mal wegen der Pädophilie-Story reden? Das Thema lässt mich nicht los, vielleicht können wir die Geschichte doch erzählen, mit einem anderen Blickwinkel ...›. Strike, ich habe meine Story! Ich schreibe aufgeregt zurück: ‹Ja, ich bin davon überzeugt, dass es eine grossartige Geschichte wird. Ich brauche nur etwas mehr Zeit für so einen Bericht.› Noch am selben Tag fahre ich in die Landesbibliothek und leihe mir unzählig viele Bücher zum Thema Pädophilie aus: ‹Pädophilie heute›, ‹Unzucht mit Kindern›, ‹Psychopathia sexualis›. Der Bericht muss mehr als jeder andere absolut wasserdicht recherchiert werden. Ich beginne zu lesen. Tag für Tag, Theorie für Theorie. Eine ist ungreifbarer als die andere. Ich bringe die Bücher nach einem Monat zurück. Kein Mensch braucht eine weitere abstrakte Abhandlung zu diesem Thema. Ich muss mit einem Pädophilen selbst sprechen. Doch wer outet sich freiwillig als pädophil? Irgendwie ist das Thema frustrierend. Ich lasse es erst mal langsam angehen. Dezember 2010 Weihnachtsfeier der Redaktion. Ich sitze meinem Chefredaktor gegenüber. Hoffentlich fragt er nicht nach der Pädophilie-Geschichte. Er reicht mir die Vorspeise. ‹Und Ramona, wie läuft es mit der Geschichte?› Mist! Ich antworte: ‹Ja, läuft super. Ich bin dran.› Wir wechseln nach kurzer Zeit das Thema. Gott sei Dank. Ich will an Weihnachten nicht an Pädophile denken. März 2010 Ich recherchiere wieder im Internet. Dabei stosse ich auf einen Vortrag von Prof. Dr. Gunter Schmidt, den er vor elf Jahren auf einer Tagung in Leipzig gehalten hatte. Er trägt den Titel ‹Über die Tragik pädophiler Männer›. Schmidts Worte bewegen mich. Er spricht von einer ‹nicht lebbaren Sexualform› und von einer ‹tief und strukturell bis in die Identität hineinverwurzelten sexuellen Orientierung›.

Die Tragik besteht unter anderem darin, dass das Kind als Objekt der Begierde niemals dasselbe empfinden kann wie der Pädophile. 34

Ich versuche nachzuempfinden, wie sich ein Leben ohne sexuelle Gegenliebe anfühlen muss. Mir fehlt jedoch die Vorstellungskraft. Schmidt spricht in seinem Vortrag auch die Debatte über die Thematik an.

‹Der Grat, auf dem wir uns meist überaus unvorsichtig bewegen, ist schmal, der Grat zwischen Verharmlosung und Katastrophierung. Fast jeder kippt auf der einen oder anderen Seite in den Abgrund.› Zu diesem Zeitpunkt lese ich Schmidts Zeilen. Die Wahrheit, die in ihnen liegt, begreife ich erst viel später. April 2010 Ich stosse auf die Internetseite ITP Arcados, die von der Schweiz aus betrieben wird. Dort gibt es eine umfangreiche Sammlung an Informationsmaterial zum Thema Pädophilie. Zudem wird Menschen mit pädophiler Neigung eine kostenfreie und anonyme Beratung angeboten. Ich schreibe der Homepage-Betreiberin Sylvia Tanner eine E-Mail mit der Bitte um ein Gespräch. Wenige Stunden später bekomme ich eine positive Antwort. Knapp zwei Wochen später mache ich mich auf den Weg in die Nähe von Schaffhausen, um die Beraterin bei sich zu Hause zu treffen. Sylvia Tanner begrüsst mich herzlich. Die zierliche Frau Ende 50 ist aufgeregt. Man merkt schnell, dass ihr das Thema am Herzen liegt. Ihre private Beratungsstelle besteht seit rund 16 Jahren. Sie berät und begleitet pädophile Männer aus 19 Ländern. ‹Ich bin keine ausgebildete Therapeutin, aber ich beschäftige mich mit dem Thema nun seit knapp 20 Jahren. Ich gehe auf Seminare und halte Kontakt zu Psychotherapeuten.› Sie fügt mit einem bitteren Lächeln hinzu, dass die Zusammenarbeit mit Sexualpädagogen schwer zu realisieren ist und häufig von der Gegenseite unterbunden wird. Die Beraterin aus Überzeugung versucht ‹ihren Pädos› Kontrolle über die eigene Sexualität zu vermitteln.

Die Betroffenen müssen sich mit dem Gedanken abfinden, konsequent auf Zärtlichkeiten und Sexualität mit dem Objekt der Begierde zu verzichten. ‹Ich sehe Pädophile nicht pauschal als potentielle Täter an. Die Männer, die ich betreue, leben abstinent und meistern dennoch ihr Leben.› Ich frage sie, wie sie mit denjenigen umgeht, die ihre Neigung mit Kindern ausleben möchten. Tanner antwortet: ‹Ich kann nicht


jeden Kontakt genau überprüfen, aber mein Standpunkt ist klar definiert: Ein Kind kann einen Erwachsenen zwar lieben, aber es wird ihn niemals sexuell begehren. Deshalb kann es keine Partnerschaft zwischen Kindern und Pädophilen geben. Das Wohl des Kindes muss im Vordergrund stehen.› Die Betroffenen, die Sylvia Tanner betreut, sind überraschend jung. Es sind Jugendliche und junge Männer zwischen 14 und 25 Jahren. Tanner sagt, dass es ihr leichter fällt Pädophile zu betreuen, die gerade erst ihr Comingin hatten.

Das Coming-in ist der Moment, in dem die Betroffenen merken, dass ihr sexuelles Interesse nicht der Norm entspricht. Der erste Kontakt findet häufig anonym per EMail statt. Wenn die jungen Männer Vertrauen gefasst haben, kontaktieren sie Sylvia Tanner auch telefonisch oder per Skype. ‹Pädophile sind bei ihrem Coming-in häufig sehr verzweifelt›, erklärt Tanner. ‹Sie müssen sich vorstellen, dass diese Männer gerade entdecken, dass sie eine sexuelle Orientierung haben, die nicht nur vom Gesetz sanktioniert, sondern von der Gesellschaft auch zutiefst verachtet wird. Sie wissen, dass sie vom grössten Teil der Mitmenschen gehasst werden. Die Vorstellung allein stürzt viele in Depressionen.› Wenige Tage nach meinem Treffen mit Sylvia Tanner sitze ich mit einer guten Freundin im Restaurant. Ich erzähle ihr von meinem Besuch in der Schweiz. Die Stimmung verändert sich schlagartig. Die lockere Atmosphäre hat nun etwas Bedrückendes. ‹Das ist ein heftiges Thema. Belastet dich das nicht?› Ich überlege einen Moment und antworte: ‹Doch, eigentlich schon. Immer wenn ich mich an meinen Computer setze und an dem Thema arbeite, ist mein Tag danach gelaufen.› Als ich den Satz ausgesprochen habe, wird mir klar, weshalb ich bereits seit fünf Monaten an diesem Bericht sitze und nur kleine Schritte in Richtung Ziel mache. Der Weg ist emotional zu anstrengend für grosse Schritte. 17. Mai 2010 Ein Treffen mit einem von Ninas Klienten steht mir bevor. Meine Informationen über ihn sind spärlich. Ich weiss, dass er Thomas heisst, Kinder missbraucht hat und mit mir über seine Tat sprechen möchte. Ich versuche mir Thomas vorzustellen, während ich in der Küche der sozial betreuten Wohngruppe sitze und auf ihn warte. Zudem plagt mich die Frage, wie ich den Einstieg in das Gespräch am besten gestalte. Die Tür öffnet sich und Thomas kommt herein. Der 50-Jährige lächelt mich schüchtern an und reicht mir die Hand. Ich weiss nicht, wie ich anfangen soll. Ich versuche mir meine Unsicherheit nicht anmerken zu lassen und

druckse herum: ‹Sie ... ähm ... Sie stehen also auf kleine Kinder.› Scheisse, Scheisse, Scheisse! Habe ich das gerade wirklich gesagt? Thomas schaut mich mit grossen Augen an. Mir wird heiss und kalt.

Die Kinder vertrauen sich etwa zwei Monate nach der Tat ihren Eltern an. Es kommt zur ersten Anzeige.

Das war der erdenklich schlechteste Einstieg überhaupt.

Thomas wird zu zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Überführt wird er unter anderem durch eine selbstgedrehte Videoaufnahme mit kinderpornografischem Inhalt. In der Haft sucht er Briefkontakt zu den Eltern der Opfer. ‹Ich habe mich bei der Familie in einem Brief entschuldigt und bekam sogar eine positive Antwort darauf. Das hat mich emotional sehr bewegt, weil mir die Familie immer noch sehr am Herzen lag.› Thomas kommt nach der Untersuchungshaft in den halboffenen Vollzug und muss einen Therapeuten besuchen. ‹Ich habe die Therapie damals nicht ernst genommen. Die wollten mir vermitteln, dass ich etwas falsch gemacht und Schaden angerichtet habe, aber ich habe das Gegenteil erlebt. Die Kinder haben mich bei meinem ersten Ausgang herzlich empfangen. Mein Schuldverständnis war damals gleich null.›

Hoffentlich geht er jetzt nicht. Ich versuche mich zu beruhigen und beginne noch mal: ‹Erzählen Sie mir doch bitte einfach ihre Geschichte.› Zögerlich beginnt Thomas zu sprechen. ‹Ich war bis Ende 30 noch Jungfrau. Frauen fand ich irgendwie alle blöd. Kinder waren für mich zu diesem Zeitpunkt aber noch kein Thema.› Thomas sagt mir, dass sein erstes Mal mit einer sechs Jahre jüngeren Frau auch zu einem Schlüsselmoment in seinem Leben wurde. ‹Als kleiner Junge wurde meine Vorhautverengung falsch behandelt. Beim Sex tat es dann höllisch weh und nichts hat geklappt. Für mich war das eine furchtbare Katastrophe.› Das Gefühl des Versagens ist für den damals 28-Jährigen so einschneidend, dass er sich ab diesem Zeitpunkt von Frauen komplett distanziert. Er entdeckt seine Zuneigung zu Kindern. ‹Ich hatte Kinder schon immer wahnsinnig gern, damals noch nicht auf sexuelle Weise. Ich hatte einfach immer einen guten Draht zu ihnen.› Mit Anfang 30 lernt Thomas die Familie eines Arbeitskollegen kennen. Es leben drei Kinder im Haushalt. ‹Ich bin dort ein- und ausgegangen. Vor einer sexuellen Beziehung mit einer Frau hatte ich Angst, obwohl ich zu diesem Zeitpunkt eine kennengelernt hatte, die ich gut fand. Ich konnte mich der Frau aber nicht anvertrauen. Ich dachte mir dann, ein siebenjähriges Kind hat in sexueller Hinsicht keine Erwartungen an mich. Ich habe meine Lust an dem Kind anstatt an der Frau ausgelebt. Heute graust es mir bei der Erinnerung.› Wir schweigen. Ich frage ihn nach einer kurzen Pause, warum er die offensichtliche Grenzüberschreitung nicht bemerkt und unterbunden hat. ‹Ich habe damals auch meine Gefühle falsch interpretiert. Ich habe das Mädchen geliebt und sie dann irgendwann als eine vollwertige Partnerin angesehen. Das Kind habe ich zu diesem Zeitpunkt gar nicht mehr wahrgenommen.›

Thomas vergeht sich im Zeitraum von einem Vierteljahr an allen drei Kindern der Familie. Es sind zwei Mädchen und ein Junge. ‹Ein schlechtes Gewissen hatte ich nach dem elfjährigen Jungen, weil es eben ein Junge war. Insgesamt habe ich die Tat damals aber nicht als schlimm empfunden, weil ich keine Veränderung bei den Kindern bemerkt habe. Ausserdem habe ich aufgehört, sobald die Kinder Stopp gesagt haben.› Seine Wahrnehmung ist verzerrt. 35

Thomas wird nach seiner Haftentlassung von seiner Familie und Freunden ohne weitere Fragen wieder angenommen. Er zieht zurück in seinen Heimatort und beginnt die vom Gericht verordnete ambulante Therapie. ‹Ich musste zwar dort hin, aber was die mir zu sagen hatten, hat mich eigentlich nicht interessiert. Ich habe denen das erzählt, was sie hören wollten.› In seiner Bewährungszeit knüpft Thomas über einen Internet-Chatraum Kontakt zu einer Frau. Sie ist verheiratet und lebt mit ihrem Ehemann und fünf ihrer acht Kinder rund 200 Kilometer von Thomas’ Heimatort entfernt.

Die Freundschaft zu der sozial schwachen Familie wird enger. Thomas wird eingeladen, die Familie zu besuchen. ‹Es war das gleiche Spiel wie beim ersten Mal. Ich habe mich mit der Familie angefreundet und nach kurzer Zeit war ich fest integriert. Die Freundschaft war für mich wie ein Familienersatz. Die Eltern waren dankbar, dass ich mir Zeit für die Kinder genommen habe und ich war sehr stolz auf mein gutes Verhältnis zu den Kleinen.› Thomas wird rückfällig und missbraucht zwei der Mädchen. Ich verspüre das Bedürfnis aufzustehen, ihn zu schütteln und ihm ins Gesicht zu schreien: Aber das waren doch Kinder! Doch ich bleibe still und frage ihn mit ruhiger Stimme, wie sich die Tat wiederholen konnte. Er antwortet offen: ‹Ich empfand die erste Haftstrafe als nicht so schlimm. Es waren zwar 21 Monate, aber die wa-


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ren offensichtlich nicht genug für mich. Und die damaligen Reaktionen meiner Umwelt haben mich natürlich auch nicht wirklich abgeschreckt. Die meisten haben die Tat bagatellisiert.› Heute würde Thomas aus Angst vor den Reaktionen der Nachbarn und Bekannten nicht mehr in seinen Heimatort zurückziehen. Nur mit seiner Mutter hat er regelmässigen Kontakt. Seine beiden Schwestern haben sich von ihm distanziert.

sehr verärgert zur Kenntnis genommen›, dass ich meine Interviewfragen auf der Internetseite Jungsforum.net veröffentlicht habe. Die Umfrage ist zu diesem Zeitpunkt noch keine 24 Stunden veröffentlicht.

Im Rahmen seines Gefängnisaufenthalts nimmt Thomas an einer vierjährigen Therapie teil. Diese hat ihm, sagt er, sehr dabei geholfen, sein Verhalten zu reflektieren. ‹Kinder faszinieren mich heute noch, das ist ein Gefahrenpunkt, den ich sehr wohl sehe. Ich meide deshalb den Kontakt zu Kindern konsequent.Ich habe bereits genug Schaden angerichtet, bei den Kindern und auch bei meiner Familie.›

In die E-Mail packt sie viele Links. Es sind Videoclips mit Fernsehberichten über die Internetseite Jungsforum.net, verschiedene Berichterstattungen zum Thema Kindesmissbrauch und Links zu privaten Homepages. Ich sehe mir alles an. Zudem verweist sie auf die Kinderschutzorganisation CareChild. Ich gehe auf die Homepage des gemeinnützigen Vereins. Dort fällt mir sofort eine Stellungnahme ins Auge, die im Oktober letzten Jahres verfasst wurde. Sie trägt den Titel ‹Pädophilen-Melancholie in der FAZ› und bezieht sich auf einen Artikel, der in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung veröffentlicht wurde. Der Bericht mit dem Titel ‹Pädophilie – Immer wieder die Versuchung› beschreibt das Leben eines Mannes mit pädophiler Neigung. Es geht um die Therapierbarkeit von Pädophilie und um den in Fachkreisen anerkannten Professor Klaus Michael Beier. Der Sexualmediziner, der an der Berliner Charité tätig ist, setzt sich für präventive Therapiemassnahmen ein. Der Autor der Stellungnahme macht keinen Hehl daraus, wie wenig er von Beiers ‹Pseudotherapien› und seinem ‹Scharlatan-Projekt Dunkelfeld› hält. Die Kommentarliste zur Stellungnahme ist lang. Es ist unter anderem wieder einmal die Rede von Kastration, um (Zitat) ‹Wiederholungstäter› zu verhindern und davon, dass sich ‹Gestalten wie Prof. Beier› mit ihren Theorien ‹auf den Spuren der Nazis bewegen›. Eine Kommentatorin unterstellt dem Sexualmediziner selbst pädophile Neigungen und ein anderer betitelt seinen Eintrag mit ‹Pädophilie = menschenverachtender Dreck›. Mir kommen wieder die Worte vom schmalen Grat von Prof. Dr. Gunter Schmidt in den Sinn: ‹Fast jeder kippt auf der einen oder anderen Seite in den Abgrund.› Möchte ich mich wirklich mit diesem Mob anlegen?

Sie spricht von einer ‹einseitigen Berichterstattung› und von Naivität. Und sie hinterfragt den präventiven Er wurde für seine zweite Straftat zu sechs Jahren und Sinn meines öffentlichen Interviews. sechs Monaten verurteilt.

18. Mai 2010 Ich sitze vor dem Diktiergerät auf dem das Gespräch mit Thomas aufgezeichnet ist. Es kostet mich Überwindung die Aufnahme anzuhören. Ich überlege mir, ob es einer objektiven Berichterstattung entspricht, nur das Gespräch mit Thomas in den Artikel einfliessen zu lassen. Schliesslich ist er kein gutes Beispiel für ein Leben in Abstinenz. Was ist mit den pädophilen Männern, von denen Frau Tanner mir erzählt hat? Die, die sich ihrer Verantwortung gegenüber Kindern bewusst sind und deshalb ohne körperliche Liebe leben? Werden die jetzt durch meinen Bericht nicht automatisch mit Thomas in einen Topf geworfen? Mir fällt wieder die Homepage ein, auf die ich vor wenigen Monaten gestossen bin: ‹Das Jungsforum›. Es ist eine anonyme Plattform in der sich Männer mit pädophiler Neigung austauschen können. Die Seite ist legal, jedoch in Fachkreisen sehr umstritten. Auf der Homepage gibt es Regeln. Darunter fallen: ‹Keine erotischen Inhalte› und ‹Keine Anfragen oder Angebote nach Treffen mit Minderjährigen›. Ich lese die Diskussionsbeiträge. Einige Einträge sind tiefgründig und bewegend, andere stossen mich ab. Es ist die Rede von der Verantwortung gegenüber Kindern, der Hetze gegen Pädophile, von Kinderpornos und von Liebe zu kleinen Jungs. Ich bitte die Administratoren, per E-Mail meine Interviewfragen zu beantworten. Als Antwort bekomme ich den Vorschlag, die Fragen auf der Homepage zu veröffentlichen. Ich stimme zu. Das Interview wird veröffentlicht. Die Antworten sollen intern gesammelt und mir nach wenigen Tagen zugeschickt werden. Ich bin gespannt. 19. Mai 2010 Mein Chefredaktor hat mir eine E-Mail weitergeleitet. Eine Frau H. hat ‹konsterniert und auch

22. Mai 2010 Ich bekomme alle gesammelten Antworten von einem der Administratoren des Jungsforums zugeschickt. Eine meiner Fragen lautete: ‹Wie haben Sie reagiert, als Sie Ihre pädophile Neigung erkannt haben?› Ein Forumsmitglied antwortet:

‹Es war, als würde ich in ein tiefes Loch ohne Boden fallen.› 37

Ein anderer sagt: ‹Ich war zunächst irritiert und schockiert. Ich habe über Jahre miterlebt, dass mein Interesse an Jungs sich nicht altergemäss verschiebt. Durch Medienberichte formte sich in meinem Kopf eine düstere Zukunftsvision, dass ich in absehbarer Zeit Jungs ansprechen, entführen und sexuell missbrauchen werde. Ich wollte mich immer gegen dieses scheinbar unausweichliche Schicksal wehren, wusste aber nicht wie.› Eine weitere Frage war: ‹Wie sieht Sexualität für Sie aus?› Bei einigen Antworten fällt es mir schwer, sie vollständig durchzulesen. Andere wecken meine Empathie für die anonymen Männer, die ihre eigenen sexuellen Begierden teilweise selber verteufeln. Ich lege meine ausgedruckten Interviews mit gemischten Gefühlen auf die Seite und denke an die E-Mail von Frau H. Was ist der aufklärende Sinn meines Berichts? Ich denke an den FAZ-Artikel zum Thema Pädophilie und die Reaktionen dazu. Hat der Autor der Stellungnahme auf CareChild wirklich Recht? Ist eine Therapie im Bezug auf Pädophilie wirklich ‹Unsinn›? Oder hilft sie vielleicht doch und kann Männern mit pädophiler Neigung ein straffreies Leben ermöglichen? Bedeutet die Arbeit mit potentiellen Tätern nicht auch gleich Schutz der potentiellen Opfer? Und wie schaut es mit den Therapien für Straftäter und mit deren Rückfallquote aus? Was ist mit Thomas? Wird er sein Leben in Zukunft ohne einen weiteren Missbrauch meistern? Für alle Fragen gilt die gleiche Antwort: Ich weiss es nicht. Auch nicht Monate später, als ich mich dazu entscheide, den Bericht wirklich zu schreiben und zu veröffentlichen. Ich weiss jedoch, dass Pandoras Büchse nicht nur Plagen und Übel enthielt. In ihr war auch die Hoffnung verborgen. In meinem Fall die Hoffnung, dass präventive Massnahmen helfen. Sowohl Kindern, als auch Pädophilen.

Ich will glauben, dass Information wirklich die beste Form der Prävention ist. Und dass erhitzte Gemüter und eine Hexenjagd auf Pädophile niemandem helfen. Ich glaube auch, dass man nicht alle Menschen über einen Kamm scheren darf und dass jeder, wirklich jeder, eine Stimme haben sollte. Und ich hoffe natürlich auch, dass dieser Bericht zum Nachdenken anregt und eine offene und objektive Debatte auslöst. Pandora öffnete ihre Büchse ein zweites Mal. Ich beginne zu schreiben ... Auf kinkimag.ch findet ihr ein ausführliches Interview mit Martina Windler, Rechtspsychologin des Forensischen Instituts der Ostschweiz sowie weiterführende Links zu dieser Reportage.


Intelligentia Helvetica Text: Noemie Schwaller, Illustration: Benedikt Rugar

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as Wort Mensa ruft bei mir verschollen gehoffte Erinnerungen an lautes Geklirr und Geplapper zur Mittagsstunde wach, an Pampiges mit Menusalat, an fade Momente, serviert auf leuchtorangen Plastiktabletts. Mit dieser Assoziation bin ich nicht ganz allein. Nur gerade 850 Menschen in diesem Land dürften unter Mensa ihren Lieblingsclub, die Gesellschaft der intelligentesten Schweizer, verstehen. Seit der Gründung gleich nach Kriegsende 1946, als man wieder intelligent sein und dies auch zeigen durfte, sind Mensa weltweit über 100 000 Personen beigetreten. Diese erreichen in einem genormten IQ-Test ein Resultat in den obersten zwei Prozent. Der Club der intelligentesten Schweizer, das sind ganze 0.014 Prozent der Gesamtbevölkerung. Hut ab?

Die schwammige Genauigkeit der Messungen scharfer Sinne Es ist ein altes Lied. Intelligenz kann man nicht messen, wird den gängigen Tests gerne entgegengebracht. Angelerntes Wissen, Vorstellungsvermögen, Emotionale Intelligenz, Verstand, Betrachtungszeit, Reaktionszeit, Ausführungsgeschwindigkeit, Merkfähigkeit, eine Stunde Zeit; wie sollte man das alles unter ein Dach bringen? Häufig wird den Psychologen vorgeworfen, dass sie sich über das Wesen der Intelligenz nicht einig seien und demnach keine Antwort auf die Frage liefern könnten, was Intelligenz denn nun sei. Seit einem halben Jahrhundert ist klar, dass neben der in den IQ-Tests gemessenen allgemeinen, generellen Intelligenz diverse spezielle Fähigkeiten wie Sprachverständnis, Rechenfähigkeit, Raumvorstellung, Merkfähigkeit etc. existieren, die unabhängig voneinander unser kognitives Verhalten determinieren. Was steckt nun hinter der Idee, mathematisch-logisch-denkende Superhirne unter dem Begriff Mensa (lateinisch für Tisch inklusive dem lateinischen Mens für Geist) zusammenzubringen? Ich begebe mich nach Bern an den Tisch, an welchem Ute Blasche Präsidentin ist. kinki report

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Interview kinki magazine: Frau Blasche, Sie sind Präsidentin von Mensa Schweiz und haben laut einem Artikel der BaZ einen IQ von 156. Sind Sie superschlau? Ute Blasche: Ich weiss es nicht, manchmal komme ich mir mega blöd vor. Ich sehe das heute so: Beim Testergebnis, das mir damals gegeben wurde, stand diese Zahl. Es gilt für alle: Je mehr ich von einem Gebiet weiss, desto mehr weiss ich auch, was ich nicht weiss. Zum Beispiel euer Heft, das kannte ich nicht. Wenn das Interesse fehlt, habe auch ich Mühe, fragen Sie mich bloss ja nichts zu Autotuning! Ein netter Versuch, sich normalisiert darzustellen und ihren Scharfsinn herunterzuspielen. Dabei gilt: einmal intelligent, immer intelligent. Verschiedene Umwelten, Vernachlässigung oder Erkrankung sowie Erbinformationen können den interindividuellen Intelligenzgrad beeinflussen, aber Tatsache ist, dass das Resultat bei wiederholtem Testverfahren, wie zum Beispiel vor der Einschulung einer Testperson und nach deren Schulabschluss, vergleichbar bleibt. IQ-Tests können also schulische Leistungen voraussagen. Hätte ich das gewusst, wären mir die Zitterpartien vor wichtigen Prüfungen erspart geblieben. Anscheinend bleibt der IQ einer Person lebenslang auf einem vergleichbaren Niveau. Weshalb nimmt Mensa keine Mitglieder auf, die jünger als 15 sind? Wir hatten auch schon welche, die sieben Jahre alt waren. Unser Test ist nur für Erwachsene normiert, jüngere Bewerber werden durch die Psychologin getestet und im Gespräch in einer behüteteren Situation analysiert. Frau Hochintelligent spricht gar nicht so schnell, wie ich es erwartet hatte, im Gegenteil, ihr Sprechen flaniert in gemütlichem Berndeutsch dahin und erlaubt sich dann und wann eine Pause. Auf der Webseite des Vereins findet man folgendes Ziel: ‹Mensa wants to bring in contact intelligent people and to support exploration of intelligence› und dann folgende Aufzählung eurer Aktivitäten: ‹Tageswanderung und

Dampfbahn, Grillplausch, Feierabend-Drink, Tour des restaurants Zurich.› Bewegt sich alles im normalen Bereich und tönt weder nach Hochbegabung noch nach ‹Erforschen der Intelligenz›. Wie verbringt ihr eure Treffen? (Blasche lacht selten, hier aber laut.) Das hat nichts miteinander zu tun. Da sind die internationalen Zielsetzungen und die raue Realität in einem kleinen Land. Wir treffen uns hier an diesem Tisch, wählen etwas aus dem Menü und gehen nach einer Stunde wieder. In Bern haben wir keine hohe Zielsetzung. Ganz anders in Genf und Zürich, wo es philosophische Diskussionsabende gibt. Verbindet euch Mensaner tatsächlich mehr als nur ein Testresultat? Das ist ein ganz tolles Thema, das wir uns auch immer wieder fragen. Denn es ist viel schwieriger, etwas Gemeinsames zu finden, als bei einem Fussballclub oder Gesangsverein. Es ist einfach so, wenn ich Tauchferien mache, ‹fäget› es mehr, wenn ich mit jemandem von Mensa unterwegs bin, als wenn es mich auf irgendein Tauchboot verschlägt. In den paar Stunden über Wasser kann man interessantere Sachen diskutieren. Wenn man nur ein Stichwort gibt, hat der andere gleich verstanden. Anscheinend lacht ihr immer vor der Pointe und unterbrecht euch gegenseitig andauernd, weil ihr eh schon wisst, was der andere sagen will. Müsst ihr überhaupt noch miteinander sprechen? (Blasche zögert lange, versucht dann aber, ihr ‹Ja› möglichst überzeugend auszusprechen.) Was mir immer wieder viel bringt, ist mein Weltbild einzubringen und zu sehen, wie jemand anderes darauf reagiert. Das schätze ich. Klar, jemand, der nicht bei Mensa ist, könnte mir diese Reflektion auch geben, aber ausserhalb treffe ich diese Leute nicht in einer solchen Menge. Ein ganzes Wochenende mit MensaLeuten zu verbringen, ist eine anstrengende Herausforderung! Ist die Welt als Intelligenzbestie nicht sehr langweilig? Man ist den ganzen Tag umgeben von Trotteln. Ich bin nicht von Idioten umgeben! Nach 39

50 Jahren hat man sich daran gewöhnt, dass das Leben so ist. Als Kind hatte ich mich nie einer Gruppe zugehörig gefühlt - bei Mensa haben wir keine fixen Gruppen, aber ich fühle mich wohl und aufgehoben. Vereinigung der intelligentesten Schweizer – eine neue Selbsthilfegruppe? Ich habe mich früher immer gewehrt gegen Selbsthilfegruppen. Inzwischen bin ich der Meinung, dass dies zu einem gewissen Punkt stimmt, aber das ist eine Definitionsfrage. Wir haben auch viele passive Mitglieder, die kaum vorbeikommen, die auch vergessen, den Mitgliederbeitrag zu bezahlen und demnach auch wieder rausgeworfen werden. Es ist eine Bereicherung, mit Mensa-Leuten zusammen zu sein. Wenn es den Verein jedoch nicht gäbe, ginge es auch. Leute in schwieriger Situation äussern sich nicht immer, und wenn ... wir sind ja keine professionellen Helfer. Wie machen sich die IQ-Unterschiede innerhalb der Mensa-Mitglieder bemerkbar? Nicht in dem Ausmass, es ist schon homogener. Jedes Testresultat mag nach oben und unten gewisse Abweichungen haben. Das Problem beginnt erst bei Leuten mit Resultaten ganz oben und ganz unten. Die können oft schlicht und einfach nicht miteinander reden, finden keine gemeinsame Wellenlänge. Das macht auch die Einsamkeit aus, welche viele von uns im Alltag erleben. Lässt sich das nicht auf fehlende Empathie zurückführen? Nein, das glaube ich nicht, jedenfalls nicht grundsätzlich.

‹Mensa hat keine Meinung.› Das spannendste Hirngespinst, das sich trotz vorhandener Intelligenz beim Volk eingenistet hat, scheint die Idee zu sein, dass IQ-Tests als Hilfsmittel zur Rassendiskriminierung eingesetzt werden, indem sie eine Überlegenheit der Weissen demonstrieren und also als Beweismittel gelten. Das ist natürlich Blödsinn, schliesslich darf nicht unterschlagen werden, dass der Grossteil der heutigen Weltbevölkerung gemischter Abstammung ist. Klare soziale


und biologische Gruppierungen sind kaum mehr kategorisierbar, will man die Erbinformationen einer Testperson miteinbeziehen. Die Forschungsergebnisse diktieren also weder eine bestimmte Sozialpolitik, noch schliessen sie eine aus. Wie sieht das Verhältnis von farbigen und weissen Mitgliedern aus? Ganz schlecht. Meiner Beobachtung nach ist Mensa eine Organisation aus dem abendländischen Kulturkreis. Wir haben eine Portion Asiaten ... Es ist nicht unser Vereinsziel, Personen einer bestimmten Rasse anzusprechen. Es hat auch viel weniger Frauen als Männer, unter 30 Prozent, das ist in Deutschland oder Amerika nicht anders. Es mag sein, dass sie sich das nicht zutrauen oder dass dies in ihrer Lebenssituation keinen Wert hat. Aber die Statuten von Mensa International geben vor, dass wir politisch und religiös neutral sind. Mensa hat keine Meinung. Bei Mensa wird nur aufgenommen, wer bei einem offiziell anerkannten IQ-Test mehr als 130 Punkte erzielt. Vor zwei Tagen habe ich bei einem nicht offiziellen Test 136 Punkte erreicht. Muss ich das als ein falsches Resultat ansehen? Diesen Test kenne ich nicht. Aber ich habe Ihnen einen Gutschein mitgebracht, damit Sie unseren Test mal ausprobieren können. Also bin ich dumm? Nein ...nein, nein! Da kann ich keine Aussage machen. Lebt es sich als intelligenter Mensch besser? Ich glaube nicht. Das hat mit dem Ausgekinki report

schlossen-Fühlen zu tun. Mich hat es aber nie interessiert, wo ich heute stände, wäre mein IQ geringer. Hochspringer vielleicht? Das haben auch normalintelligente Menschen, das kenne ich jedenfalls auch. Wie gesagt, ich habe Ihnen ja einen Testgutschein mitgebracht ... Es ist doch angenehm, wenn man schnell ist. (Blasche schüttelt den Kopf.) Ein Bekannter kam mit einem Datenbankproblem zu mir. Mir war die Sache sofort klar, seine Mail habe ich jedoch erst einen halben Tag später beantwortet. Nachdem er zwei Tage daran herumstudiert hatte, konnte ich es ihm doch nicht antun, nach fünf Minuten die Lösung zu wissen! Und es ist furchtbar, wenn einem alle Möglichkeiten zur Verfügung stehen; man muss auf mehr verzichten. Nehmt ihr auch Leute auf, die sehr intelligent aber ungebildet sind? In Bezug auf Bildung geht es wieder um unsere Neutralität, das Nicht-Werten. Die meisten, die ich kenne, haben wirklich ein enormes Wissen und die verrücktesten Hobbys wie zum Beispiel ‹offizieller Wikipedia-Autor.› Bei uns kommt ein grosser Teil aus der Informatik. Es stellt sich die Frage, ob Informatiker speziell intelligent sind oder ob man intelligent sein muss, um in der Informatik Erfolg zu haben, ob wir die speziell ansprechen oder sie ein Manko haben im Leben und denken, sie müssten mehr Kontakte knüpfen im Leben ... Wir wissen das nicht. Ich denke aber, wenn man in der Informatik erfolgreich sein will, muss man schon eine Portion abstraktes Denken haben, und das wird ja in den Tests abgefragt. 40

Stellen denn die Nerds den passiven Teil Ihrer Mitglieder dar? Nicht unbedingt. Aber es gibt Mitglieder bei uns, die sind ganz tief in ihrer Arbeit drin. Entsprechen die Testresultate der Wahrheit? Ich persönlich lebe in einer sehr unsicheren Welt, Wahrheit ist für mich ein sehr mutiger Begriff. Bei den Intelligenztests geht es zum Beispiel darum, eine Zahlenreihe zu vervollständigen. Dass die gesuchte Antwort allgemein als richtig angesehen wird, hat oft mit unseren Normen zu tun. Das mathematische Gebäude ist das einzige von unserer Kultur und Welt unabhängige und auch unabhängig von uns. Alles andere macht nur in einem Kontext von Zeit, Raum, Kultur und Werten Sinn und kann relativ auf absolut nicht gemessen werden. Wozu muss man das messen? Wozu muss man Intelligenz messen? (Frau Blasche lacht verlegen.) Ja, die muss man eigentlich auch nicht messen. Weitere Infos zur Mensa findet ihr unter old.mensa.ch


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querschläger alles, ausser angepasst

Freimaurer tragen in ihrer Freizeit rote Kutten und treffen sich in dunklen Geheimgängen, um an ihren Welteroberungsplänen zu schmieden? Völlig falsch, meint Olav Brunner, ehemaliger Obermeister des Stuhls der Zürcher Limmat Loge. Text: Rainer Brenner, Foto: Daniel Tischler

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lickt man aus dem Fenster neben dem grossen Marmortisch, sieht man fast im Minutentakt die Flugzeuge, welche vom nahegelegenen Flughafen abheben und an alle Ecken und Enden dieser Welt düsen. Olav Brunner, der elegant gekleidete und gut frisierte Herr des Hauses, sass selbst lange am Steuer solcher Maschinen, im Militärjet und im Linienflugzeug. Seinen Blick richtete er wohl schon so oft aus dem Kabinenfenster, sodass er die metallenen Bäuche eher mit kurzem prüfendem Blick zur Kenntnis nimmt, anstatt sich, wie wir, den Hals danach zu verrenken. Denn der Blick von oben auf die Welt ist ihm in gewisser Weise auch nach seiner Pensionierung geblieben: Brunner trat vor 17 Jahren dem Odd Fellows Orden und der Limmat Loge bei, in welcher er die verschiedenen Grade bis zum Obermeister des Stuhls und schliesslich zum ehemaligen Altmeister, einer Art Ehrenpräsident, durchlief. ‹Das einzige Geheimnis, das wir haben, ist unser Codewort, mit welchem man Eintritt zu sämtlichen Logen weltweit erlangt, das ist alles›, betont Brunner. Denn auch wenn er den grossen Einfluss der Freimaurerei in vergangenen Zeiten keineswegs leugnet, hat er für moderne Verschwörungstheorien nicht viel mehr als ein verkniffenes Lächeln übrig. Das stilvoll eingerichtete Haus am Hang über Bassersdorf, in welchem Brunner mit seiner Frau und dem gemeinsamen Hund wohnt, sieht auf den ersten Blick vielleicht wirklich so aus, wie man es von einem Freimaurer erwartet hätte: viel Licht, viel Kunst, viele Magazine und Stifte, die daneben liegen. Das Flair für den interessierten Blick auf die Menschheit und deren Entwicklung wird hier auch ohne aufklärerische Symbolik augenscheinig. Und selbst die Broschüre mit kinki querschläger

dem Namen ‹Staunenswertes Igelleben› sieht aus, als sei sie interessiert durchgeblättert worden.

Man spricht über Themen, über die man sonst nicht sprechen würde. Wissen bringt ja eigentlich Veränderung mit sich. Inwiefern sind denn die Freimaurer offen für Veränderung? Hmm, das kommt sehr auf den Orden an, früher waren die Logen schon sehr verschlossen und dadurch auch wenig offen für Veränderung oder Öffnung. Heute ist das aber anders.

Interview kinki magazine: Der Internetauftritt der Limmat Loge wirkt irgendwie so ein bisschen wie eine Mischung aus Freikirche und Zunft: Man isst, diskutiert und philosophiert, führt Rituale durch … Olav Brunner: Das mit der Religion würde ich gerne ganz ausschliessen. Auch politisch sind wir nicht tätig, wir haben keine Parole oder so. Jeder soll und darf denken und glauben, was er will. Bei uns finden sich Muslime, Juden …

Wie sind Sie denn zur Freimaurerei gekommen? Liegt das ‹in der Familie›? Nein, gar nicht. Wissen Sie, früher war ich ja Linienpilot, dabei merkte ich, dass ich auch oft etwas ‹am Leben vorbeiflog›, durch meinen Job soziale Kontakte nur schlecht pflegen konnte. Mir fehlten solche interessanten Begegnungen. Aufmerksam wurde ich aber durch ein Inserat in der Zeitung. Dort wurden Mitglieder zur Gründung einer neuen Loge gesucht.

… aber Frauen sind unerwünscht, oder? Die Frauen sind in separaten Logen. Aber der Overhead besteht aus Frauen und Männern. Ihr predigt Toleranz und folgt doch einer Geschlechtertrennung? Das ist halt mit der Tradition verbunden. Und ich muss aber ehrlich sagen: Ich weiss nicht, ob ich einer gemischten Loge beitreten würde. Ich denke, die Loge ist ein Raum, wo Männer unter Männer und Frauen unter Frauen sind. Das hat aber auf keinen Fall etwas mit einer Geringschätzung zu tun.

Aber der sozialen Kontakte halber hätten Sie ja auch einfach einem Kegelklub beitreten können, oder? Ja, das stimmt. Aber das wäre mir vielleicht ein bisschen zu wenig gewesen. Obwohl Sie ja sehr betonen, dass die Freimaurerei nichts zu verbergen hat, haftet ihr doch dieses Geheimnistuerische an. Hat Sie vielleicht das gereizt? Wir sind einfach eine geschlossene Gesellschaft, in der wir in Ruhe unseren Themen nachgehen können. Es gibt aber auch Gästesitzungen, in denen wir Leute einladen. Da kann man in so eine Sitzung einsehen und sich auch selber davon überzeugen, dass wir kein Hühnerblut an die Wände streichen und dergleichen.

Was wird denn bei euch so diskutiert? Wir haben meistens ein Jahresthema, zum Beispiel Ethik. Jeder bereitet einen Vortrag vor, man diskutiert die Begriffe miteinander, vertieft sich. Eine Art Hobby-Uni, sozusagen? Eher ein soziales Gefäss, in dem interessante Begegnungen entstehen können. Menschen aus anderen Kreisen, Alterskreisen. 42

Was muss man denn tun, um aus der Loge geworfen zu werden? Da gibt es schon Gründe. Unflätiges Verhalten, verwerflicher Lebenswandel … Damit schadet das Mitglied sich selber und letztlich auch der Loge. Wenn jemand also eine Straftat begeht oder so, fliegt er raus. Bei Neuaufnahmen wird auch das Strafregister, das familiäre Umfeld etwas überprüft. Was gilt denn alles als ‹verwerflicher Lebenswandel›? Scheidung? Nein, Scheidung und Parkbussen sicherlich nicht (lacht). Wie sieht’s denn aus mit bekannten Mitgliedern? War oder ist vielleicht einer unserer Bundesräte bei den Freimaurern? Sie haben ja Einblick in alle Logen. Den haben Sie auch. Wir haben ein Mitgliederverzeichnis, das kann man jederzeit einsehen. Würden Sie denn zum Beispiel den Herrn Blocher aufnehmen? Warum auch nicht, wenn er sich dafür interessiert. Ich glaube aber nicht, dass es ihm bei uns wohl wäre, wahrscheinlich würde er schon am zweiten Tag den Chefplatz verlangen. Die Hierarchie ist bei uns aber sehr strikt verteilt. Olav Brunner ist pensionierter Flugkapitän und lebt in Bassersdorf, Zürich. Vor einigen Jahren wurde er – ebenfalls durch ein Zeitungsinserat – auf die Castingshow ‹Expedition Robinson› aufmerksam und bewies seinen Abenteuergeist neben Dodo und anderen Mitstreitern auf einer einsamen Insel. Im Vergleich zur Ausbildung als Militärpilot war dieses Abenteuer allerdings ein Klacks, meint Brunner.


‹Wir sind eine geschlossene Gesellschaft.›

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Im Zeichen des k

Wir wissen nicht, wer du bist. Klar ist nur, wer wir sind. Doppelt man die Silbe ‹ki› und schiebt ein ‹n› dazwischen, öffnet sich aber ein Kosmos, der grösser ist als dieses Magazin. Kinki ist Technoschuppen, Fisch und Restaurant, Coiffeurkette und Popgruppe. Unter anderem. Eine digitale Weltreise zu Namensvettern und -cousinen. Text: Bastian Steineck, Illustration: Anja Mikula

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Unterschiedlich, und doch ein grosses Ganzes – Kinki Swagg, Kinki Kids und Kinki Koi friedlich vereint. 45


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reizehn Millionen Einträge sind gar nicht übel. In einem Zeitalter, in dem wir mit iPhone-Stöpseln im Ohr und einem Tablet-PC auf der Brust geboren werden, gibt es für den Start der Suche nur einen möglichen Ort: den selbsternannten Herrscher über alles Wissenswerte, Datensammel- und Suchmaschinenkönig Google. Der erste Eintrag beim Suchbegriff ‹kinki›: dieses Magazin! Zweiter Treffer: die Provinz Kinki im Herzen Japans, wörtlich übersetzt die ‹Region nahe der Hauptstadt› und auch bekannt unter dem Namen Kansai. Über 22 Millionen Menschen leben hier, dreimal so viel wie in der gesamten Schweiz, ein echtes Kinkiversum also. In Osaka, einer der Millionenstädte in der Provinz, kann man sogar an der Kinki-Universität studieren. Doch ganz offensichtlich tummelt sich im Kinkiland nicht nur die geistige Elite Asiens, sondern auch die führenden Köpfe aus der kreativen Ecke.

kinki is a rock star!

Die KinKi Kids, eine Popgruppe aus der Region, machen richtig Alarm. Nicht nur die erste Single, ‹Glass no Shonen›, chartete 1997 auf den ersten Platz der japanischen Hitlisten, sondern auch die 29 folgenden Veröffentlichungen – Weltrekord! Der grosse Erfolg der personifizierten Träume aller japanischen Schwiegermütter führte sogar zur Zusammenarbeit mit Musikgrössen wie Elton John und Michael Jackson. Tsuyoshi Domoto und Koichi Domoto (nicht miteinander verwandt) lassen auch gerne mal verklärt sphärische Geisteranimationen durch ihre Videos huschen. Über den poetischen Gehalt der Songs können wir aufgrund eklatanter Ungereimtheiten bei der wörtlichen Übersetzung keine festen Aussagen treffen.

Ausuferende Raveabende

Weniger Verständnisprobleme als bei den sympathischen Asiaten gab es beim US-amerikanischen Rapper Cyse Money, der mit dem wohlklingenden Titel ‹Kinki Swagg› an den Start geht, frei übersetzt ‹Coolnessfaktor Kinki›. Cyse zeigt sich bevorzugt mit grossen Nerdbrillen und Rastazöpfen, ist Fan von Frauen mit grossen Hintern und wartet sehnsüchtig auf den ganz grossen Durchbruch. Die erste Single als Startschuss zu einer weltweiten Karriere im Zeichen des ‹k›? Weil wir selbst alles, was kinki ist, fördern, haben wir uns auch schon auf die Suche nach der passenden Location zum Start von Cyse Moneys Europa-Tournee gemacht. Die Grossraumdiscothek Kinki Palace liegt zwar im industriellen Niemandsland zwischen Stuttgart und Frankfurt, verspricht aber für die samstägliche Groove Night ‹all styles of hip hop›. Ein gemeinsamer, eskalativer Redaktionsbesuch steht noch aus – gut informierte Quellen schwärmten jedoch bereits von ausufernden Trance- und Raveabenden, die Gäste aus der ganzen ländlichen Region anziehen. Um undercover und investigativ ermitteln zu können, was den Palast so kinki macht, werden wir uns selbstverständlich auch an die kinki report

ortsüblichen Konventionen in Sachen Styling halten. Glücklicherweise hat das Kinkiversum auch für den passenden Kopfschmuck eine Lösung parat: Die Kinki Kappers sind eine niederländische Friseurkette, die 1984 mit einem Salon in Eindhoven startete und sich nach dem Amsterdamer Slang für ‹spannend› benannt hat. Ganz kinki-like ging es für die Firma in den Anfangsjahren darum, gängige Moden zu ignorieren und bewusst kreative Grenzen zu durchbrechen. Mittlerweile haben sich die Kinki-Friseure in gut 40 Filialen niedergelassen, ausserhalb der Landesgrenzen auch in Hamburg und Barcelona.

Abnorme Cowboys und Krankenschwestern Kinki goes eben international. In Ottawa, Kanada, kann man zum Beispiel im SushiRestaurant Kinki leckeren rohen Fisch verspeisen. Apropos: Für einen Kinki Utsuri muss man über 2000 Franken hinlegen und kann dafür einen quicklebendigen, fünfzig Zentimeter langen Kinki-Koi durch den Gartenteich schwimmen lassen. Woher das Geld kommen soll? Die japanische Kinki Labour Bank hätte sicherlich die passenden Vorräte parat. Ganz recht, das Kinkiversum hat viele Brüder, Schwestern und vermutlich noch unzählige weitere uneheliche Liebschaften: Kinki Concepts, eine Gesellschaft mit Sitz in Berlin, beschäftigt sich mit der Nachhaltigkeit von Projekten in den Bereichen Medien, Kunst und Bildung. In Potsdam können Kinder in der Kinki Color malen und zeichnen lernen (deshalb sieht unser Magazin auch immer so ästhetisch aus). Kinki Texas, ein Künstler aus Bremen, malt gerne abnorme Cowboybilder an die Wand und versucht gar nicht erst, seinen Fetisch für Krankenschwestern und mehrköpfige Tiere zu verstecken. Zuviel kinki? Wir verzichten auf den dezenten Hinweis, dass man sich bei den elektronischen Klängen der CD-Comiplation Kinki Cuts in den Schlaf träumen könnte, und stellen erfreut fest: Wir sind alle ein bisschen kinki. kinkimag.ch kinkijapan.com myspace.com/cysemusic kinki-palace.de kinki.nl kinki-texas.com

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Nov|04-06|2010 Film, Media and Design City of Ludwigsburg

Joseph Foo, 3nity, Kuala Lumpur / Rayan Abdullah, Leipzig / Liza Enebeis, Studio Dumbar, Rotterdam / Piero Borsellino, Aortica / Natalia Paszkowska & Marcin Mostafa, Warsaw / Fidel Peugeot, Walking Chair, Vienna / Wolfgang Beinert, Berlin Jarmo Tuisk, Exo Bikes, Tallinn / Gerdum Enders, Global Mind Network / Tau Diseño, Madrid / Lunar Europe, Munich / Pia Betton, Framework Identity / Stéphane Muntaner, Marseille / Alexandra Zaree Parsi, Atelier Markgraph / Michael Rösch, wirDesign / Sarah Parris & Howard Wakefield, Studio Parris Wakefield / Klaus Asemann, Embassy Berlin / Agnieszka Wiczuk & Marcin Ebert, Warsaw / Boris Kochan, Munich / Henrik Kjerrumgaard, Radikale Venstre, Copenhagen ...

Jubiläumskonferenz Wirtschaft und Design Anniversary Conference Business and Design

Gemeinsam auf dem Podium | Unternehmen mit ihren Designpartnern präsentieren Erfolgsgeschichten: aus Deutschland und neun Partnerländern. Teilnahmebeitrag von 139 bis 399 EUR.

In dialogue we trust !

Brandneu : F2F Quickies Sie präsentieren Ihr eigenes Projekt – Mit der Anmeldung online bewerben!

More Details & Registration www.face-to-face.eu Anmeldeschluss Closing Date Oct|25|2010

Both Parties on Stage | Clients and their design partners: success stories from Germany and nine partner countries. Ticket rates from 139 to 399 EUR. Brand New : F2F Quickies Your personal project presentation – Apply online with your registration!

Design made in Germany


True Colours Photography: David Spaeth

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vote for kinki, okay? Wenn zwei Kräfte zusammenstossen, wird Energie freigesetzt und etwas Neuartiges entsteht. Bestes Beispiel dafür: der Urknall. Das Swatch New Gent Editorial im kinki bringt zwei kraftvolle Farben mit lautem Bumms zusammen: Sie erschaffen ihr eigenes Universum und treffen sich an der Schnittmenge von Mode und Musik, Energie und Ästhetik, Style, Sex und Formalismus. Inspiriert vom explosiven Farbfeuerwerk des hinduistischen Holi Festivals, einem der ältesten Feiertage der Menschheit, durchlaufen unsere Charaktere eine Metamorphose: vom bleichen, minimalistischen Einheitsobjekt hin zur imposanten Farbformation, die zügellose Energie und Ausgelassenheit ausstrahlt. Denn ‹True Colours› sind stark, laut, hell und schnell. Swatch ist kinki, kinki ist Swatch: unangepasst, aber nie unästhetisch. Du auch? Dann gib uns jetzt deine Stimme! Auf swatch.com und kinkimag.ch kannst du den besten Magazinbeitrag zum Gewinner küren. Können wir auf dich zählen?

Fotografie: David Spaeth, Assistenz 1: Dominique Mahmoud, Assistenz 2: Lothar Heinrich, Assistenz 3: Raphael Janzer, Art Direction: Helena Dietrich, Matthias Straub, Haare / Make-up: Eleni Yannopoulos, Styling: Marianne Skvorc, Location: Wagenhallen, Models: Fabian Braunbeck, Jelena Cikoja, Clara Gonzalez, Valentin Leuschel, Vanessa, Marques, Marc Mayer, Katharina Müller, Karla Nowozinski, Demetgül Sirim, Beate, Walter, Denny, Gordana & Maria, Postproduktion: Recom (Christian Schemer), Video / Editing: Kamil Krzesniak, Music: Detachments-‹Holiday Romance (Cosmodelica Holiday Drama Remix)›, Written by Detachments. Produced by Detachments and James Ford. Additional remix production and backing vocals by C. Murphy. Thisisnotanexit 2010 / Copyright Control, Thanks to: Ramona Demetriou (Casting), Christina Fix (Casting & Produktion), Bernd (Wagenhallen) 57


Guckkastenb端hne f端r Fortgeschrittene? Rajiv wird mit jedem Problem fertig.

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standleitung das telefontheater

Kreativ und depressiv? Eine Discounthotline verspricht Hilfe. Was niemand weiss: Sie führt direkt in ein indisches Callcenter. Dort sitzt Rajiv Ratra und hört zu. Oder er wagt sich gleich selbst auf die Bühne des Lebens, wenn auch nur digital … Text: Laurence Thio und Tin Fischer, Illustration: Patric Sandri

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lötzlich setzt Ronny zum Stich an. Fast sieht es freundschaftlich aus, wie Ronny, der Neonazi, zusammen mit Didinga Mabuto an der Bühne steht – wäre da nicht dieses Butterfly-Messer. Brössler hechtet los, schlittert über die Bühne, schreit. Wenn Ronny Didinga, die Asylbewerberin aus dem Kongo, jetzt wirklich absticht, ist die ganze Inszenierung hin. Ronny hält inne, dreht sich um, er fühlt sich ertappt. Didinga sackt in Todeserwartung ohnmächtig nach hinten. Brössler gibt ein Zeichen, der Vorhang fällt. Pause. Brössler stürmt in seine Garderobe. Er greift zum Telefon: — Depressiv und kreativ, wer ist da und wie kann ich Ihnen helfen, meldet sich Rajiv Ratra in seinem Callcenter in Neu-Delhi. — Rudolf Brössler, Regisseur, Provokateur – ich habe gerade einen Mord verhindert. Rajiv seufzt. Es ist Samstagabend, seine Schicht endet in fünfzehn Minuten. Die Irren rufen immer kurz vor Feierabend an. — Und weiter? — Sie verstehen nicht: Ich hab den Mord erst provoziert, dann im letzten Moment verhindert. — Aha. Was ist Ihr Problem? — Ich weiss nicht, wie es weitergehen soll. Brössler schlägt nun einen geschäftigen Ton an. Es ist ungefähr die Tonlage, in der man Schauspielern erklärt, wie man sich seine Inszenierung vorstellt. — Ich führe gerade meine Adaption von Shakespeares Romeo und Julia im Kurtheater Bad Freienwalde auf. Eine provokante Inszenierung. Rajiv googelt. Er findet die Website des Theaters, da sieht er auch ein Foto von Brössler. Graues Haar, etwas untersetzt. Eine schwarze Brille mit Halbmond-Gläsern und ein weisser Anzug. Er sieht streitsüchtig aus. Rajiv liest die Beschreibung des Stücks. Vom Plot ist nichts übrig geblieben. Sieben ortsbekannte Neonazis machen mit. Das Bezirksgericht hat sie zu Sozialstunden verurteilt, sie müssen mitspielen. Der Clan der Capulets wird von Asylbewerbern dargestellt. Es ist das schauspielerische Debüt beider Gruppen. Proben gab es vor der Aufführung nicht. Verbunden sind sie über Funk mit dem ‹Agent Provokateur› und Sozialregisseur Rudolf Brössler. Rajiv runzelt die Stirn, er hatte noch nie viel für Theater übrig. Es gibt einen Livestream des Theater-

stücks, er klickt und sieht die Bühne. Glatzen in Bomberjacken schreiten die Bühne ab. – Die Pause ist in zehn Minuten vorbei. Sie müssen mein Stück retten. Im Publikum sitzen auch die Stadträte, die entscheiden, ob mein Haus weiter Förderung bekommt. – Wieso haben Sie Neonazis auf die Bühne gelassen, ist das nicht gefährlich? – Völkerverständigung, antwortet Brössler knapp. – Wie meinen Sie das? Brössler platzt der Kragen: – Ich hab keine Zeit Ihnen meine Inszenierung zu erklären. Es ist eine komplexe, politische Produktion – am Ende sollen sie sich aber alle bei den Händen fassen und im Kreis tanzen. Für Rajiv klingt das weltfremd. Kurz: nicht aufführbar. Rajiv schlägt noch mal den Plot des Stücks bei Wikipedia nach. – Romeo und Julia sterben eigentlich im Stück, wäre das nicht einfacher zu inszenieren? – Sie haben keine Ahnung von Kunst. Die Leute kommen nicht in mein Theater, um sich Tragödien anzuschauen. Davon haben wir in Brandenburg genug. Wollen Sie ab hier übernehmen? Es ist eigentlich alles bereit. Mir ist alles aus dem Ruder gelaufen. Brössler hat jetzt einen flehenden Ton drauf. – Das ist IHR Stück! – So wie ich das sehe, zahle ich hier mehr als vier Euro pro Minute für Ihre Hotline-Hilfe. Mehr verdiene ich auch nicht. Brössler nimmt das Telefon mit und geht zurück zur Bühne.

‹Improvisieren! Sie sagen mir, was ich tun muss, ich sags den Schauspielern.› Rajiv sieht auf dem Computer, wie der Vorhang aufgeht, Asylbewerber und Neonazis stehen sich gegenüber. – Lassen Sie jemanden etwas vorlesen. – Was denn? – Eine Charta der Menschenrechte? – So was haben wir nicht da. Geht auch ein Theaterprogramm? – Ja. – Rajiv sieht, wie Ronny, der Neonazi, einen Schritt vortritt und widerwillig die Beschreibung des eigenen Stücks vorliest. – Brössler murmelt anerkennend: Das ist ziem59

lich meta-meta. Ich hoffe die Stadträte kommen noch mit. Rajiv weiss nicht weiter. Er greift zu einem Klassiker des postmodernen Theaters: Nackedeis. – Die beiden Gruppen sollen sich ausziehen! Brössler befiehlt es über Funk. Sie weigern sich. Rajjiv hört einen sudanesischen Flüchtling sagen: – Ich bitte zwar in Deutschland um Asyl, aber das heisst nicht, dass ich die Perversionen Ihres Theaters unterstütze. Auch die Neonazis sind unsicher, ob sie nicht gerade entartete Kunst fabrizieren. – Das ist doch ungesund! Brössler ist begeistert, er ist wieder drin. – Es ist der Aufstand gegen Gott – gegen mich! Das ist brillant! Jetzt komme ich ins Spiel, ich komme auf die Erde nieder. Rajiv sieht, wie Brössler im weissen Anzug die Bühne betritt. Er entkleidet sich und beginnt im Kreis zu tanzen, dabei proklamiert er: ‹Wer ist Gott? Ich bin Gott!›. Es ist wie bei einem Unfall auf der Autobahn, Rajiv kann einfach nicht wegschauen. Das Publikum beginnt zu buhen. Ein Neonazi hält es nicht mehr aus, er schlägt Brössler k.o.. Die Zuschauer applaudieren, auch die Asylbewerber klatschen. Dann verlassen beide Gruppen die Bühne. Zurück bleibt nur Brössler: zusammengekrümmt, nackt, am Boden. Er sagt: – Grosses Theater. Rajiv hört es nicht mehr. Er hat bereits den Computer heruntergefahren. Unser indischer Freund Rajiv Ratra ist ein wahres Multitalent: Als Berater einer Baumarkt-Hotline und Telefonseelsorger kümmert er sich gleichermassen um defekte Möbel und Menschen. Den kinki Lesern bietet er dabei monatlich einen kleinen Einblick in seinen Berufsalltag.


Genau gleich, aber anders Es gibt keinen Grund für mehr als eine Cola auf der Welt. Sie schmecken alle gleich. Trotzdem will jeder eine eigene. Tin Fischer geht einem seltsamen Getränk auf den Grund und besucht junge Cola-Produzenten, die bald die Schweiz überschwemmen werden. Text: Tin Fischer, Illustration: Anne Vagt

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an ist sich von Tele Züri ja einiges gewohnt. Aber die Bilder, die uns anfangs Sommer aus Eglisau erreichten, waren selbst für das Zürcher Lokalfernsehen – wie soll man sagen – seltsam. Männer schleppen so viele Cola-Flaschen aus einem Laden, wie sie nur irgendwie tragen können, als ob es die letzten Vorräte wären und die Stadtmauer gleich dicht gemacht wird. Und auf der Strasse vor dem Laden singen zwei Grossväter ein Lied, dessen Refrain vom Singsang her an eines der Hare-Krishnas erinnert. Man hätte denken können: Apokalypse. Die Realität war banaler: Der Mensch verhält sich manchmal auch unter Einfluss nicht-alkoholischer Getränke eigenartig. Und in Eglisau hatte gerade das halbe Städtchen das wiederbelebte ‹Vivi Kola› intus. Diese Schweizer Cola, von der unsere Eltern behaupten, dass sie die beste überhaupt gewesen sei, bevor sie uns das Cola-Trinken – da ungesund – grundsätzlich verboten haben. Christian Forrer, ein junger Mann Anfang 30, hat die Sorte nun wiederbelebt und in (partytaugliche) 33cl-LongneckFlaschen abgefüllt. Damit kommt sie also auch in die Schweiz, die Lebenseinstellung, die da heisst: Jedem seine eigene Cola! In Hamburg und Berlin wird sie seit der Jahrtausendwende zelebriert. Sommer für Sommer werden alte Cola-Marken wiederbelebt und neue gegründet. Zum Beispiel Afri: die Cola der wilden Sechziger. Oder Vita: die der total entspannten DDR. Wostok: die Sowjetcola, die beim Rülpsen wie Fichte schmeckt. Mate: die, die mit einem südamerikanischen Kraut versetzt wurde. Premium: der Stachel im Arsch des Kapitalismus. Fritz: die mit der phänomenalen Jungunternehmergeschichte. Und die mit dem ‹Rotweinzeugs› nennt sich Kalte Muschi. Mit Ausnahme vom Argentinierkraut

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und der Russenfichte schmecken sie zwar alle praktisch gleich, haben aber trotzdem Fans, die nie eine andere Cola trinken würde als ihre eine.

Leben wie zu Vivis Zeiten

An Christian Forrer fällt als erstes der Haarschnitt auf, was seltsam ist, denn eigentlich gibt es nicht viel über diesen zu sagen. Christian Forrer wirkt so, als wäre er stets perfekt frisiert. So wie auch die goldige Theke in seinem neuen Eglisauer Vivi Kola-Café stets poliert und die Kaffeebohnen-Säcke immer akkurat arrangiert zu sein scheinen. Ansonsten hat Christian Forrer ein Profil, das für junge Cola-Produzenten nicht ganz unüblich ist: Männlich, Anfang 30 und Grafiker. Was befriedigt einen wie ihn so sehr daran, plötzlich eine Cola zu produzieren? ‹In der Berufslehre als Grafiker entwarf ich viele Verpackungen für Migros-Produkte›, erinnert er sich. ‹Das fand ich toll! Man konnte ein Produkt auf den Tisch stellen und darum herum eine Traumwelt erschaffen. Später habe ich vor allem Werbung für Finanzprodukte gemacht. Das war immer sehr abstrakt›. Mit Vivi Kola mache er jetzt wieder ein Produkt, etwas Handfestes. ‹Das ist sehr erfüllend!› Die Traumwelt des Vivi Kola ist die Schweiz nach dem 2. Weltkrieg und bis zum Fall der Berliner Mauer. Dieses Land vor unserer Zeit, als es noch kein plagendes Internet gab und sich die Radfahrer an der Tour de Suisse allein mit Cola stärkten. Vivi Kola war Sponsor der Tour. Hugo Koblet musste im Ziel jedes Mal demonstrativ eine Flasche runterkippen, wie die Fotos im Vivi-Laden bezeugen. Jahrelang hatte Forrer die Reste dieser Traumwelt gesammelt: Flaschen, Etiketten, Poster und Bilder. Jetzt belebt er sie wieder. Und das ganze Städtchen macht mit. Ein verschwitzter Velofahrer tritt in den Laden, bestellt ‹äs Vivi Kola bitte!› 60

und leert es runter wie Koblet nach der Tour de Suisse. In der Pause schleichen sich die Schüler vom Pausenplatz und kaufen ein Vivi Kola, so wie in diesen Schwarz-Weiss-Werbefilmen der Fünfzigerjahre, wo der Milchmann am Ende sagt: ‹Gellet Chinde, s’isch gsund!›

Vivi-Volkskola und Onkel Fritz Christian Forrer findet, dass Vivi Kola – langsam aus dem Städtchen Eglisau herauswachsend, wo es einst hergekommen ist – wieder ein Volksgetränk werden soll, nicht nur eines für die Zürcher Szene. Einer einst kleinen Cola aus Hamburg ist dieser Werdegang bereits gelungen. Sie hat es von der Hamburger Szene bis in die Tankstellen-Shops von Aral geschafft: Fritz. Vor zehn Jahren wurde die Cola-Marke von zwei Freunden, Mirco Wiegert und Lorenz Hampl, gegründet. Die beiden waren damals anfangs Zwanzig und die ersten, die dem Reiz erlagen, eine eigene Cola zu produzieren, einfach, weil sie sich selbstständig machen wollten. Mittlerweile beschäftigen sie mehr als 20 Mitarbeiter und haben eine breite Palette von Getränken im Sortiment, von Zitrone bis hin zu Melone. Und ein Regal im Büro, auf dem die Flaschen all jener stehen, die es ihnen in den letzten zehn Jahren gleichtun wollten, aber an der Etablierung einer eigenen Cola gescheitert sind. Vivi Kola kennen sie noch nicht einmal. Was ihren Erfolg ausmachte? ‹Es ist zum einen der Geschmack›, meint Lorenz mit Hamburger Akzent (das ist der von Käpt’n Blaubär). ‹Wir hören selten: «Ihr schmeckt aber wie diese oder jene Cola.» Wir hören eher, dass wir erfrischend oder nicht so süss schmecken. Dann aber auch unsere Geschichte. Das ist


Retro-Design gepaart mit einem alternativen Lebensgefühl: ‹Indie-Cola›-Produzenten haben mindestens so anspruchsvolle Ziele wie ihr ‹grosser Bruder›. 61


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Unternehmergeschichte, die wirklich stimmt und die realistisch ist. Und dass wir einfach so unsere Gesichter auf die Flasche gedruckt haben, das war natürlich frech.› Mit ‹vielviel Koffein› und als Cola ‹nur für Erwachsene› haben sie ihr Getränk beworben. Daraus, dass sie das Coca-Cola-Monopol brechen wollen, machten sie nie einen Hehl – und bürgen dafür mit ihren eigenen Gesichtern auf dem Flaschenetikett. In gewissem Sinne betreiben die beiden eine Art Begleitservice, der einem einen Typen namens Fritz mit auf den Weg ins Nachtleben gibt: Einen guten Kumpel, an dem man sich bei einer Party festhalten kann, der immer guter Laune ist, eine coole Geschichte zu erzählen hat und sich politisch nicht ganz korrekt verhält. Fritz in Liter- oder PET-Flaschen geht deshalb nicht.

Ins Fass genagelt Die Ironie beherrschen sie. Nur mit einem spassen auch die Fritz-Macher nicht: dem Geschmack! Lorenz erklärt es so: ‹Man muss den Geschmack so treffen, dass der ursprüngliche Cola-Geschmack dahintersteckt, die Cola aber nicht vergleichbar ist. Man darf nicht ähnlich sein wollen. Das machen viele falsch.› Aber man darf eben auch nicht zu anders sein; einer neuen Chili-Cola aus Hamburg darf man jedenfalls viel Glück wünschen. Dass der Cola-Trinker beim Geschmack keinen Spass versteht, weiss auch Christian Forrer. Er habe gezittert, erzählt er, als die ehemaligen Vivi-Mitarbeiter seine neu aufgelegte Cola degustierten. Vivi Kola wurde Mitte der Achtzigerjahre aus firmenpolitischen Gründen eingestellt. Vor zwei Jahren erwarb Forrer die Markenrechte und liess das alte Rezept – so gut als möglich – von einem Labor ‹nachbauen› (es schmeckt ein bisschen wie diese ColaBonbons). Cola zu produzieren ist zwar keine Zauberei. Den Sirup macht ein Labor. Abfüllen lassen kann man sein Getränk bei jedem beliebigen Produzenten. Aber den Geschmack zu treffen? Schwierig! ‹Genau wie früher!›, urteilten die ehemaligen Mitarbeiter schliesslich. Keine Ahnung, ob das stimmt. Den berüchtigten ‹Cola-Blindtest› besteht bekanntlich jeder, wenn nur eine Cola im Test enthalten ist. Aber hätten sie gesagt, es schmecke anders, so wäre der Teufel los gewesen. Der Mensch dreht durch, wenn er auch nur glaubt, dass an seiner Cola geschraubt wurde. Meine Theorie dazu ist die, dass in dem Moment, als der Mensch Ende des 19. Jahrhunderts begann, künstliche Sprachen zu entwickeln, er auch begann, statt nur Wein und Bier auch Cola zu trinken. Coca-Cola, Volapük und Esperanto: Alles unterliegt dem gleichen Bedürfnis, sich etwas reibungslos durch den Mund gehen zu lassen. Deshalb ist Cola-Rezepte zu verändern schlimmer als jede Rechtschreibreform und genauso unmöglich, wie die Einführung neuer Worte als Ersatz für alte. Als Mitte der Achtzigerjahre Coca-Cola – besorgt von den sinkenden Verkaufszahlen und dem Siegeszug von Pepsi – versuchte, seine Rezeptur zu ändern, brach in Amerika ein Protest aus, wie

ihn das Land seit der Bürgerrechtsbewegung der Schwarzen nicht mehr erlebt hatte. Man will sich also gar nicht vorstellen, was in Eglisau los gewesen wäre, hätte Christian Forrer den Geschmack verfehlt. Wahrscheinlich hätte man ihn in ein Fass genagelt und in den Rhein gestossen, live vor den Kameras von Tele Züri.

wickler der Mineralquelle Gontenbad in nur drei Wochen erschaffen haben. Aber auch sie soll – klar – wie Cola schmecken. Noch nicht überzuckert? Auf kinkimag.ch findet ihr diesen Monat passend zum Thema eine ‹Tour de Cola›, mit der wir euch in die entlegensten Winkel des Landes auf eine ColaDegustationsreise führen.

Trinken und kapieren Uwe Lübbermann ist vielleicht das beste Beispiel dafür, was so eine Geschmacksveränderung in einem Menschen lostreten kann. Vor elf Jahren hatte die Mineralbrunnen ÜberkingenTeinach AG die Rezeptur von Afri – damals Uwes Lieblingscola – verändert. Sein Protest dagegen habe keine Wirkung gezeigt. Also trieben er und ein paar Freunde das alte Rezept auf und setzten die Produktion nach alter Manier, aber unter dem neuen Namen ‹Premium-Cola›, fort. Dieser ganze Aufwand nur, weil ein Produzent ein bisschen den Geschmack verändert hat? Uwe, anfangs Dreissig und ebenfalls aus Hamburg, präzisiert: ‹Weil sie es heimlich getan haben!› Premium-Cola ist dezidiert links und kollektivistisch organisiert, hat weder ein Büro noch eine Fabrik oder ein Lager. Den Kundenkontakt pflegen einzelne Sprecher von zu Hause aus. 500 sind es insgesamt. Mit ihnen will Uwe den Beweis erbringen, dass dieses System, dessen Gewinn nicht Geld, sondern Nachhaltigkeit und Stabilität sein soll, funktioniert und sich auch auf andere Produkte übertragen lässt; die Cola an sich ist Mittel zum Zweck. Dem grossen Geldverdienen hat Uwe einige Hürden gestellt. Er führte einen Antimengenrabatt ein: Kleine Händler mit teuren Transportwegen erhalten die Ware billiger. Und ja: Premium kriegen nur Lokale, die ihre Lieferanten, Mitarbeiter und Kunden korrekt behandeln. Eines davon ist das Café Mörder in Berlin, in dem wir uns verabredet hatten. Aber weil ‹das Mörder› Ferien hatte und das nächste Lokal mit Premium im Angebot kilometerweit entfernt lag (die Verbreitung ist selbst in der Hochburg Berlin nicht gerade engmaschig), gehen wir zum Araber neben dem ‹Mörder›. Dürfte er Premium verkaufen? ‹Hardlinern unter uns wäre es sogar zuviel, wenn das Heineken-Logo auf dem Kühlschrank dort nicht überdeckt wäre›, sagt Uwe. Noch vor fünf Jahren hätte er, der während des Gesprächs ganz gut gelaunt zu sein scheint, übrigens auch mit kinki nicht geredet. ‹Zu sehr Lifestyle› sei das Magazin, wogegen er an sich nichts habe, aber: ‹Man soll Premium nicht nur cool finden, sondern auch kapieren›. Doch die Zeiten ändern sich. Neben Uwe will mittlerweile noch ein Zweiter von Premium-Cola leben. Und zwar in der Schweiz, wo er der Cola heute im Alleingang den Grossteil des Umsatzes beschert. Wir haben also bald auch in der Schweiz die Wahl. Fritz ist auf dem Weg hierher. Uwes ‹Stachel im Arsch des Kapitalismus› hat sich bereits eingenistet. Vivi, das ‹Schweizer Orginial seit 1938›, steht in Eglisau in den Startlöchern. Und seit ein paar Wochen ist da auch noch diese ‹Goba Cola› aus dem Appenzellerland mit ihrer nicht minder abenteuerlichen Geschichte: Wie von einer Muse geküsst, soll sie der Ent63

‹Hardlinern unter uns wäre sogar zuviel, wenn das HeinekenLogo auf dem Kühlschrank dort nicht überdeckt wäre.›


verhör essentielle alben für jede lebenslage

Wenn jeder Mensch eine Insel, jedes Lied eine eigene Welt und die Musik ein Universum für sich ist, können wir nur hoffen, dass folgende sphärische Klänge diesen Monat möglichst unbeschadet euer Eiland erreichen werden … Falls nicht, vergesst alle Metaphern und rudert schleunigst zum nächsten CD-Laden! 80er-Porn für die Insel

Grum: Heartbeats Rechnet man das Geburtsjahr des Schotten Graeme Shepherd alias Grum aus, kommt man auf das Jahr 1986. Eine Zeit, in der Haargelverkäufe nie geahnte Rekordzahlen erreichten und die Musik mit dem Synthesizer scheinbar ihre Evolution für immer abgeschlossen hatte. Diese Zeit lässt Grum wieder auferstehen, er, der bisher nur durch coole Remixes auffiel, beispielsweise für Friendly Fires. Was ihn von vielen anderen Musikern der Jetztzeit mit ihrem Faible für den Sound dieser Jahre unterscheidet, ist seine Kompromisslosigkeit. Hier wird erst gar nicht versucht, die Referenz zu verstecken oder halbgar in die Boxen zu werfen. Nein, Grum ist Kopist der besten Güte. Seine Synthie-Blockbuster sind sofort als das zu erkennen, was sie sind: Hommagen an Bands wie The Communards oder HumanLeague. Auf seinem jetzt erscheinenden Debüt-Album ‹Heartbeats› liefert er gleich zwölf leicht angeprollte Clubstücke ab, deren Nachklang seinen Terminkalender für die nächsten Monate füllen werden. Schon jetzt ist Grum speziell auf Ibiza eine veritable Stütze der nächtlichen Ausgehgesellschaft. Was die Scheibe trotz der erkennbaren Anbiederung an den globalen Jetset der Elektrokinki verhör

zu bedienen und beweist dabei vorzüglichen Geschmack plus beste Kenntnis. Fast schon zu sophisticated, denn die Band muss im Kopf die Back-Kataloge sämtlicher Labels im elektronischen Spektrum auswendig gelernt haben, so viele Verweise lassen sich in den Stücken entdecken. Eingespielt wurden die Lieder durchgehend auf analogem Equipment, was der Platte noch einen Extrapunkt an Charme einbringt. Dass We Love auch im musikalischen Aussendienst überzeugen, beweisen die hohen Verkaufszahlen an lächelnden Mündern und gereckten Zeigefingern ihrer tanzenden Fans auf den Gigs. Dort präsentiert sich We Love am liebsten in Sci-FiUniformen und die Musik wird mit jeder Menge visueller Kunst verschmolzen. Wie gesagt, die beiden lassen nichts aus!

szene auszeichnet, ist die absolute Hingabe an die Musik. Man fühlt, wie sehr er von seinen Sachen überzeugt ist, einfach, weil sie ihm selber wohl am besten gefallen. So gewinnen die Tracks eine aufregende Authentizität. Die Platte ist eine einzige Zeitmaschine mit Loch, auf der beispielsweise hemmungslos dem Italo-Pop der Achtziger mit Songs wie ‹Turn It Up› oder auch dem regelrecht vocoder-verseuchten ‹Can't Shake This Feeling› gehuldigt wird …

Rundflug über den Club

Mixed-Emotions aus dem Niemandsland

We Love : We Love Aus Italien kommen We Love und wir sagen ganz klar: dito! Denn das erste Album der Band ist ein bunt schillernder Edelstein, der in allen elektronischen Facetten der letzten Jahrzehnte geschliffen ist. Reduzierte Beats, die angesichts des Labels Bpitch Control natürlich wenig überraschen, wechseln sich mit Achtzigerjahre-Gesang und ständigen Rhythmuswechseln ab. Treibende Technobeats werden immer wieder von noisigen Gitarren gestoppt und vom Gesang des Duos in Popstrukturen gebracht. Die Band, bestehend aus Giorgia Angiuli und Piero Fragola, schafft es vor allem in Stücken wie ‹No Train No Plain› oder ‹Our Shapes› geschickt, sich aus den vielen Versatzstücken elektronischer Musik

Brisa Roché : All Right Now Zu den Fragen, bei denen auch eine namentlich hier nicht mehr genannte Krake die Fangarme nur müde herabhängen lässt, zählt das Rätsel, wo man das Leben am intensivsten spürt. Ist es in der Grossstadt mit seinem Meer aus Menschen, die aber meist anonym bleiben oder ist es auf dem Land, wo man auf sich und meist nur eine Handvoll Menschen gestellt 64

ist? Eine Frage, deren Antwort immer wieder neu geschrieben wird, welche von der Musikerin Brisa Roché, aber musikalisch klar zu Gunsten der Einsamkeit abgeheftet wird. So legt die Amerikanerin mit ‹All Right Now› ein Album vor, das vom Leben und den dazugehörigen Emotionen in allen Farben erzählt, aber in einer abgelegenen und solarbetriebenen(!) kalifornischen Hütte entstanden ist. Zusammen mit vier Bandmitgliedern ging die Sängerin dort für mehrere Wochen in Klausur. Ein Setting, das der Platte zu einer eindringlichen Emotionalität verholfen hat. Brisa Roché, deren Stimmbänder in einem Memory-Spiel am ehesten zu denen einer PJ Harvey passen würden, erzeugt eine stets präsente Intimität. Man merkt den Liedern an, dass sie oft improvisiert entstanden sind, klassische Songstrukturen werden gern einmal aufgebrochen und die meisten Lieder mäandern ihrem Ziel entgegen. Eher klar als Popsongs strukturiert sind stattdessen Songs wie ‹Hard as Love›, das hymnisch wie Garbage in den besten Jahren klingt. Dass die Platte klanglich überzeugt, verdankt sie sicher der finalen Aufnahme durch Henry Hirsch. Der betreibt in einer alten Backsteinkirche bei New York sein grossartiges Studio und arbeitete schon für Grössen wie Madonna oder Mick Jagger. Hier bekam die Folk-Pop-Platte ihren Feinschliff, der den Sound auf ‹All Right Now› stets voll erscheinen lässt. Dass die Frage am Anfang auch von Brisa Roché fernab der Musik nicht beantwortet wird, zeigt der Blick auf ihre Vita, die zwar in hippieesken Verhältnissen aufgewachsene Sängerin lebt seit vielen Jahren schon in Paris …


The Infinitive Melancholy

Danger Mouse And Sparklehorse: Dark Night of the Soul Mit ‹Dark Night of the Soul› erreicht eine Platte die Läden, die leider zum Vermächtnis brillanter Sänger und Songwriter geworden ist. Gleich zwei entscheidende Protagonisten sind seit der Fertigstellung 2009 gestorben. Gastsänger Vic Chesnutt und natürlich Mark Linkous aka. Sparklehorse – beide Selbstmord. Chesnutt nahm eine Überdosis Medikamente und Linkous erschoss sich. So unterschiedlich die Methode, so gleich der Grund: Depressionen. Besonders das Herz von Mark Linkous, in

das er schlussendlich die Kugel setzte, war schon immer von Dunkelheit umgeben. Leicht zu erkennen für alle jene, die die Alternative-Folk-Platten von Sparklehorse kennen. Das jetzt erscheinende Album sollte schon 2009 kommen, doch es entspann sich ein endloser Rechtstreit zwischen Brian Burton (Danger Mouse) und dem Label EMI. In der Zwischenzeit geisterte das Album längst durch das Netz und zusätzlich erschien ein gleichnamiges Buchprojekt durch Brian Burton, in das er mal eben eine leere CD beilegte, mit der Aufforderung, diese doch einfach zu bespielen … Ein klarer Hinweis, dass er das Album wahrscheinlich selber pünktlich ins Internet gestellt hatte. Doch damit nicht genug, auch Regisseur David Lynch arbeitete an der Scheibe mit und singt sogar höchstpersönlich einen Song. Er machte aus der LP erst einmal eine Art audiovisuelle Installation und bespielte damit eine Handvoll ausgebuchter Galerien in den USA. Die Musik zeichnet sich besonders durch das Allstar-Team an grossartigen

Gastmusikern aus, so hört man gewohnt relaxt The Strokes-Frontmann Julian Casablancas in ‹Little Girl› oder einen ganz schön poppigen Jason Lytle, ehemals Grandaddy, in ‹Jaykub›. Ein grandioser Iggy Pop beschert der Platte mit ‹Pain› ein rockendes Highlight. Die Stimmung auf der LP ist weniger schwermütig, als es einen die morbiden Begleitumstände erwarten lassen. Auch wenn Melancholie und Einsamkeit die Klammer bilden, die dieses Indie-Meisterwerk zusammenhält. Vier Wochen am Stück hat sich unser ‹Reviewnator› eingeschlossen, nur von Booklets ernährt und neue Platten herausgesucht. Mit zerschnittenen Händen vom tausendfachen Öffnen der bekanntlich diabolischen CD-Verpackungen wurden Empfehlungen verfasst, die nur ein Ziel kennen: das Glück eurer Ohren!

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Sex und Tod und alles dazwischen

Nick Cave (ganz links) und Jim Sclavunos (2.v.r.) teilen ihre Polyga足 mie: In den Bad Seeds finden sie eine treue Ehefrau, in Grinderman eine sexuell hemmungslose ge足 meinsame Geliebte.

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Ich bin unterwegs zum ‹Electric›, einer Bar auf der Porto­ bello Road im Londo­ ner Westen. Norma­ lerweise kennt man diese Gegend als Touristenpool, der je­ des Wochenende vor Menschen nur so überquillt. Doch an diesem Donners­ tag fühlt sich die nasse Strasse ir­ gendwie anders an: Ich treffe die Band Grinderman und rede mit Frontmann Nick Cave und Drum­ mer Jim Sclavunos über Lyrik und gros­ se Erwartungen. Text: Rahel Zoller, Foto: Polly Borland

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as neue Album ‹Grinderman II›, das sich Mitte September aus den Startlöchern erhob, erzeugte schon im Vorfeld grosse Erwartungen. Die Band, zu der neben den oben genannten Herren auch der Gitarrist Warren Ellis und Martyn Casey am Bass zählen, kennt sich seit Jahren von Nick Caves Begleitband The Bad Seeds. 2007 kehrten die Rockgrössen in den besten Jahren mit der Gründung von Grinderman zu den Ursprüngen ihrer australischen Garagenband-Vergangenheit zurück. Getrieben vom musikalischen Freiheitsgedanken und der Liebe zu dreckigem Rock warfen sie ihre individuellen Talente in einen Topf, um ein weiteres Album zu köcheln. Die Zutaten: rotziges Geschrammel, tiefgründige Texte und – wer hätte es geahnt – grosszügig viel Altherrencharisma.

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Interview kinki magazine: Wie viele Interviews müsst ihr heute noch geben? Jim Sclavunos: Nicht allzu viele. Wir haben schon drei Tage hinter uns und hatten auch schon ein paar in den USA. Nick Cave kommt durch die Tür. Nick Cave: So, sind wir alle bereit? Du arbeitest für kinki? Ist das ein Pornomagazin? Tut mir leid, damit können wir dich nicht be­ glücken. Beginnen wir mit der Standardfrage: Nick Cave and The Bad Seeds trifft Grinder­ man. Wie kann man sich dies ohne Schizo­ phrenie vorstellen? Zwei Konzepte, eine Band – wie funktioniert das? Nick Cave: Man kann es sich so vorstellen: The Bad Seeds ist die loyale, liebende Ehefrau und Grinderman ist die sexuell hemmungslose Mysteriöse. Wie trennt ihr diese unterschiedlichen Band­ ideen voneinander? Jim Sclavunos: Wir arbeiten in Zeitabschnitten, momentan natürlich an Grinderman. Wir haben nebenher ja auch noch eigene Projekte und daher können wir nicht auf allen Hochzeiten tanzen. Natürlich gibt es Überlappungen und das ist auch gut so. Aber alles in allem ist es natürlich immer besser, sich auf eine Sache zu konzentrieren. Habt ihr in beiden Bands die selbe Rollen­ verteilung? Nick Cave: Ja. Aber der Unterschied liegt darin, wie die Musik entsteht. Bei den Bad Seeds sitze ich zu Hause und schreibe die Texte und die Songs und bringe sie danach zur Band. Bei Grinderman schreiben wir die Songs zusammen. Das ist eine völlig andere Art zu texten und hält den kreativen Prozess am Leben. Jim Sclavunos: Noch ein anderer Aspekt zu deiner Frage ist, dass wir in Grinderman nur zu viert sind. Die Art wie wir kommunizieren und Ideen übertragen sowie die Möglichkeit zur augenblicklichen Improvisation ist völlig anders. Es ist wie ein gegenseitiges Füttern. Anders ist dies bei The Bad Seeds: Nick bringt etwas ein und wir bauen darum herum auf. Sprechen wir über euren Namen: Im Engli­ schen bedeutet das Verb ‹to grind› schinden, schleifen und zerreiben, wogegen im Deut­ schen der ‹Grind› ein Substantiv ist und den ausheilenden Schorf bei Verletzungen bezeichnet. Speziell in der Schweiz ist es aber eine derbe Bezeichnung für den Hinterkopf und dem darunter liegendem Hirn. Begriffs­ stutzigen Menschen schlägt man verbal gerne auf den Grind. Was sagt ihr dazu? Jim Sclavunos: Oh, das wussten wir nicht. Hätte uns das doch nur jemand früher gesagt. Nick Cave: Das bedeutet also wir heissen eigentlich ‹Scabby Man›. Was für ein schlimmer Fehler. Wow, überleg mal, jemand würde kinki musik

jetzt kommen und sagen Grinderman heisst übersetzt ‹kleiner Penis›. Jim Scalvunos: Kein Wunder, dass wir in Europa ein Imageproblem haben. Wie ist euer neues Album ‹Grinderman II› ent­ standen? Es heisst, dass es bei einem 20­ stündigen Jam und fünf Tagen des Textens geboren wurde … Nick Cave: Wir haben alles beim Improvisieren zusammengetragen, also während wir gespielt haben. Alles passierte zur gleichen Zeit. Kann man bei so einem kurzen Schaffenspro­ zess überhaupt ein gutes Album erwarten? Nick Cave: Natürlich erwarte ich, dass es ein Hit wird. Ich bin mir aber schon bewusst, dass die erste goldene Regel im Rock ’n’ Roll heisst: Stecke deine Erwartungen runter. Jedoch an manchen Punkten bin ich mir ziemlich sicher, dass es den Leuten gefällt. Jim Scalvunos: Ich finde, es ist ein grandioses Album von Anfang bis Ende. Ich könnte nicht zufriedener sein.

‹Die Texte entspringen selbstverständlich Erfah­ rungen – die allerdings meiner Vorstellung ent­ springen.› OK. Und auf was soll sich der Hörer bei der Platte einlassen? Nick Cave: Sagen wir es doch mal ‹kinki›. Das neue Album ist verdammt nochmal ein absolutes Masterstück. Es ist aufregend, roh und bewusstseinserweiternd. Jim Scalvunos: Es ist etwas, was du noch nie gehört hast. Nick Cave: So, jetzt haben wir das besprochen. Lass uns über Sex und Tod reden. Jim Scalvunos: Oder vielmehr über alles dazwischen. Jim, du giltst als einer der Grössten im Musik­ geschäft und Nick als begnadeter Poet. Was ist euch wichtiger: die Musik oder die Texte? Sollen wir erst nachdenken, bevor uns ein Song umhaut? Nick Cave: Natürlich ist der Text wichtiger. Jim Scalvunos: Sound! Beide gehen sofort aufeinander los. Ein handfestes Gefecht entsteht, das schliesslich im Armdrücken endet. Jim Scalvunos: (Nachdem er verloren hat) Eigentlich machen wir da keine Unterschiede. Jedoch stecken bei The Bad Seeds viel mehr Konzeptionen und Gedanken dahinter, wie Musik und Lyrik zusammen funktionieren können. Bei Grinderman ist alles Teil vom Ganzen, es gehört einfach zusammen, da gibt es keine Hierarchie. Auch wenn das Ohr dem Text folgt, ist es der Beat, der uns antreibt. Lyrics sprechen deinen Intellekt an, deine Verfassung und Emotionen. Nick Cave: Nun, es kommt darauf an, wer 68

es sich anhört. Manche hören kein bisschen darauf und nehmen es noch nicht mal in sich auf. Jim Scalvunos: Ja, ich muss auch ehrlich zugeben, ich könnte nicht einen einzigen Howlin’ Wolf-Song zitieren, geschweige denn ein paar Sätze. Jedoch bekommt man ein Gefühl davon, von was es handelt und woher es kommt, und darum geht es doch eigentlich nur. Bleiben wir bei den Texten. Man fühlt sich darin wie in einem alten Film Noir im Holly­ wood der Sechzigerjahre, wie in einer Szene, in der alles auseinanderfliegt. Dramatische Beleuchtung, der Boden wird unter einem weggezogen. Gleichzeitig klingen die Songs sehr persönlich. Spiegeln sich darin auch reale Erlebnisse wider? Nick Cave: Du siehst ja tatsächlich aus wie eine Person aus einem Schwarz-Weiss-Film. Ich hoffe, dass das ein Kompliment ist! Nick Cave: Ich antworte sehr direkt. Die Texte sind echte Storys aus dem Leben. Sie entspringen selbstverständlich Erfahrungen – die allerdings meiner Vorstellung entspringen. Jim Scalvunos: Oh, das war gut. Nick Cave: Nun hast du dein Zitat. Bei Songs wie ‹When My Baby Come› und ‹Heathen Child› habe ich das Gefühl Filmstills vor Augen zu haben. Frauen, die vor unsicht­ baren Männern panisch fliehen. Wie steht ihr zu Frauen? Seid ihr Beschützer, Machos oder Partner? Nick Cave: Welche Rolle wir in den Songs spielen, ist schwer zu sagen, es ist viel mehr ein künstlerisches Stilmittel. Ein Versuch, in verschiedene Richtungen zu gehen. Ich habe schon über 200 Songs geschrieben und der Trick dabei ist, immer über die gleiche Sache zu schreiben, aber aus unterschiedlichen Sichtweisen. Speziell bei ‹Heathen Child› ist es die Sicht eines jungen Mädchens, das zitternd zum Erwachsenen altert. Es ist die Reise von der Unschuld zur Korruption. Jim Scalvunos: Nun, ich würde mich sehr gerne als Beschützer sehen, muss aber zugeben, dass ich es leider nicht bin. Nick Cave: Und ich sorge für das Einkommen – wie ein menschlicher Geldautomat! Freut ihr euch schon, in die Schweiz zu kom­ men und dort aufzutreten? Nick Cave: Oh ja, ich bin mehr aufgeregt als ängstlich, unsere neue Platte zu präsentieren. Trotzdem ist da immer ein Art Schrecken mit dabei, wenn wir auf Tour gehen und live spielen. Ich habe jedoch das Gefühl, dass einige der Songs richtig gut ankommen werden. Wie könnt ihr uns auf der Bühne überraschen? Wird auch alles improvisiert und spontan sein? Nick Cave: Wir werden performen. Jim Scalvunos: Ja, das ist der Plan. Nick Cave: Du musst es dir anschauen, so etwas hast du noch nie gesehen! Weitere Info zu Grinderman findet ihr unter grinderman.com.



Valkyrie

Photography: Michael Bader kinki mode

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Female Short black dress: Iris van Herpen Long beige dress: Agathe Dzialocha Diadem: Ancient Male Wool jacket: Johan Åkesson Corsage skirt: Frederick Hornof Necklace: Cedric Jacquemyn

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Leather pants, jacket and necklace: Cedric Jacquemyn Corsage waistcoat: Frederick Hornof Accessoires: Stylist’s Own

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Leather dress: Iris van Herpen Sleeves: Rami Ayari Skirt: Frederick Hornof

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Leather ruffle trousers: Graeme Armour Corsage: Viktor & Rolf Diadem and gauntlet: Ancient Accessoires: Stylist’s Own

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Dress: Iris van Herpen Headdress: Rey Pador

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Left Jacket: Rey Pador Knitted sweater: Cedric Jacquemyn Train: Frederick Hornof Trousers: Johan Åkesson Accessoires: Stylist’s Own Right Jacket, linen top: Frederick Hornof Trousers: Johan Åkesson Accessoires: Ancient

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Asymmetrical long dress: AF Vandevorst Train: Frederick Hornof Jacket, belt: Agathe Dzialocha Accessoires: Stylist’s Own

Photography: Michael Bader, michael-bader.com Photo Assistants: Sebastian Müller, Michael Lämmler Styling: Janina Amrehn Grafik: Jan Philip Welchering Hair & Make-up: Sabrina Holtmann Models: Bianca & Dominik @ Megamodels, Arne kinki mode

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Endlos Sommer

Sie singen von teuren Unis und Segelturns, flirten mit dem Luxusleben und der afrikanischen Musik, und frischen ihre poppigen Stücke mit Indierock, Streichern und überdrehten Arrangements auf. kinki traf Vampire Weekend-Sänger Ezra Koenig in Montreux, um mit ihm über das pralle Leben zu sprechen. Text: Adrian Schräder, Foto: Promo

Vampire Weekend um Ezra Koenig (2.v.r.) müssen sich zwischen Luxusleben und Verantwortung entscheiden. Irgendwann einmal …

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inki magazine: Ezra, wir sitzen hier in einem dunklen Raum, während draussen der Hochsommer tobt. Schon etwas seltsam. Ezra Koenig: Ja, aber ich hatte genug Sonne für heute. Ich habe vorhin mit unserem Schlagzeuger eine Runde Minigolf gespielt. Es war wahnsinnig heiss. Heiss und frustrierend ... Du hast verloren? Ja, aber die Hälfte der Schuld trägt der Platz. Mindestens. In den USA soll Minigolf Spass machen und etwas albern sein, mit Wasserfällen und solchen Sachen. Aber hier sind die Bahnen unglaublich knifflig. Ich kenne einen Typen, der ist Minigolf-Profi. Denkst du, der könnte seine Fähigkeiten auch auf normales Golf übertragen? Dort kann man wenigstens etwas Geld verdienen. Ich denke nicht. Dafür müsste er sich auch komplett anders kleiden. Und da sind wir schon beim Thema: Wir sitzen hier in Montreux, die Sonne strahlt, der See glitzert, die Leute sind gut betucht und kleiden sich entsprechend. Eine Umgebung, die eurer Musik eigentlich sehr entspricht, oder? Reiche Leute und protzige Ortschaften haben mich schon immer interessiert, ja! Das hat wahrscheinlich damit zu tun, dass ich ziemlich in der Mitte zwischen Arm und Reich aufgewachsen bin. Mein Vater kommt aus armen Verhältnissen, ist in der Bronx aufgewachsen. Aber meine Eltern sind sehr gebildet. Wohlstand fasziniert mich, genauso wie Armut. Ich kann mich mit beiden Seiten identifizieren, auch wenn ich in eher bescheidenen mittelständischen Verhältnissen aufgewachsen bin. Ich hatte immer das Gefühl, von Leuten umgeben zu sein, die viel reicher oder eben viel ärmer sind als ich. Vielleicht liegt es daran, dass meine Mutter Therapeutin und Soziologieprofessorin ist. Sie lehrte uns stets die Dinge auch in Bezug auf sozioökonomische Faktoren, Familienstruktur, Migrationsstatus und solche Sachen zu sehen. Eure Musik beinhaltet aber immer auch die Sehnsucht nach einem besseren Leben, nach mehr Wohlstand. Klar, und auch da versuche ich auch ehrlich zu sein. Das Kind reicher Eltern, das versucht ein Aktivist zu sein und seiner Familie den Stinkefinger zeigt, erscheint den Leuten immer etwas heuchlerisch. Man wirft der Person vor, dass sie nicht wirklich etwas dafür aufgeben, sondern sich vielmehr einfach eine Pause von ihrem normalen Leben gönnen. Ich kenne sehr wenige Leute, die von sich selber behaupten, kein Verlangen nach Komfort und Wohlstand zu haben. Ich lebe in New York, einer sehr unausgeglichenen Stadt, was den sozialen Status betrifft. Die Schere zwischen Arm und Reich ist sehr weit geöffnet und viele nehmen ihre eigenen Privilegien gar nicht mehr wahr. Ich versuche immer ehrlich zu sein, was meine Bedürfnisse betrifft. Manchmal denke ich – und ich glaube, diese Frage stellt sich jeder einmal:

‹Wieso geben wir nicht all unser Geld her und leben billiger?› Es stellt sich nur die Frage, wer damit anfängt. Könnte ich der erste sein? Ich glaube, ich könnte schon morgen damit anfangen. Und dann wirst du von einem Freund in sein schickes Haus in Long Island eingeladen ... Ja, genau! Wenn du einmal in einer besseren Lage warst, wirst du dann von einem reichen Typen eingeladen, hängst in seinem Haus ab und trägst die gleichen teuren Klamotten, statt Waisenhäuser zu bauen und Geld für gute Zwecke zu sammeln. Also versuche ich, sehr ehrlich zu sein, wenn es um meine materiellen Bedürfnisse geht. Vielleicht mache ich mir da auch etwas vor, aber ich glaube mit 26 Jahren durchlebe ich eine Zeit, in der ich immer noch verschiedenste Informationen sammeln kann, ohne schon eine Entscheidung zu fällen, wie ich genau leben will. Könnte aber sein, dass ich in zehn Jahren immer noch in New York lebe, mein Ding durchziehe, viel Geld für irgendwelchen Scheiss ausgebe und abends Sushi esse. Es ist mir nur wichtig, diesbezüglich ehrlich zu sein und mich selbst auch kritisch zu betrachten. Und ich hoffe, dass unsere Musik es schafft, solche Fragen aufzuwerfen. Fragen wie: Ist es überhaupt wesentlich, reich zu sein ... ... und irgendwo den ‹endlosen Sommer› zu leben? Ja, das auch. Gut, unser momentanes Leben als Band kommt einem endlosen Sommer schon ziemlich nahe. Natürlich gibt es auch Sachen, die nerven. Ich bin manchmal launisch und müde. Aber wenn wir müde sind, ist das meistens, weil wir früh aufstehen müssen, um irgendwo hinzufliegen, nicht, weil wir völlig an unsere Grenzen stossen. Aber der Erfolg wird einem ja nicht geschenkt. Ihr müsst immer im Gespräch bleiben und neue, spannende Musik produzieren, sonst ist der endlose Sommer vorbei! Gut, darüber kann man sich den Kopf zerbrechen. Aber das ist ein Luxusproblem. Bevor ich Musik gemacht habe, war ich Lehrer und in dem Job habe ich Leuten auf einem viel direkteren Weg geholfen. Du hast Englisch studiert und hast danach als Lehrer gearbeitet. Woher kommt deine Begabung für komplexe Musik? Die komplexe Musik und die ungewöhnlichen Arrangements entstehen erst in der Zusammenarbeit. Wir werfen alles in einen Topf und rühren dann kräftig um. Manchmal ist es schwer festzustellen, wo der Beitrag des einen beginnt und der des anderen aufhört. Manchmal ist es aber auch sehr deutlich: Ich erinnere mich zum Beispiel an die Anfangszeiten der Band, als Rostam und ich uns beide für klassische Musik interessierten. Mich faszinierte dabei mehr gewisse Details, gewisse Akkordfolgen und Stimmungen, während Rostam Komposition sogar studiert hat. Seither schreibt er alle Streicher-Arrangements und hat damit den Sound der Band entscheidend mitgeprägt. 81

Somit war es also eine Idee, die wir gemeinsam hatten und die uns beide begeisterte, aber wir sind die Sache sehr unterschiedlich angegangen. Und eben gerade aus diesen unterschiedlichen Herangehensweisen entstehen die Stücke von Vampire Weekend schlussendlich. Macht ihr innerhalb der Band manchmal auch Witze über die vielen Zitate in eurer Musik? Ich denke da zum Beispiel an die Beatpassage in ‹Run›, die ganz klar nach ‹Sunday Bloody Sunday› von U2 klingt. Glaub mir, wir sind so grosse Musikfans, dass uns keine Referenz, die ein Musikkritiker in unseren Songs je entdeckt hat, nicht schon vorher aufgefallen wäre. Ich denke, wenn ich wollte, könnte ich womöglich auch ein Musikkritiker sein. Ich verbringe Stunden damit, Rolling Stone, Magnet und Pitchfork zu lesen.

‹Leider kostet es verdammt viel, so ein Glashaus zu heizen.› Du lebst ja anscheinend schon den endlosen Sommer. Wo müsste denn dein Wochenendhaus stehen? Vielleicht irgendwo hier in der Gegend. Ich habe gehört, dass Phil Collins und Shania Twain am Genfersee wohnen. Und David Bowie. Und Michael Schumacher. Das klingt nach einer guten Nachbarschaft. Ach ja, und Robert John ‹Mutt› Lange. Der wohnt seit der Scheidung mit Shania Twain in einem abgetrennten Hausteil. Da würde ich gerne mal vorbeischauen. Besonders sie finde ich sehr inspirierend. Sie ist so etwas wie der weibliche, weisse, kanadische Kanye West (lacht). Aber ernsthaft: Einige ihrer Songs sind wahrhaftig schön, zum Beispiel ‹You’re Still The One› ist ein grossartiges Lied. Nun zurück zu deiner Frage: Ich mag die Gegend hier am Genfersee. Trotzdem schwebt mir eher so ein modernes Landhaus in den Wäldern von Upstate New York vor. Ein bisschen wie die Fondation Beyeler in Basel: Wenn du durch die riesigen Fenster guckst, ist es wie wenn du auf ein weites Feld schaust. Ich bilde mir immer noch ein, ich hätte da bei meinem letzten Besuch einen Hirsch durchhuschen gesehen. Vielleicht habe ich aber auch halluziniert (lacht). Aber was ich eigentlich sagen will, ist dass ich diese Kombination von etwas Modernem und etwas Zeitlosem, wie der Natur, sehr liebe. Aber leider kostet es verdammt viel, so ein Glashaus zu heizen. Eigentlich eine unsinnige Verschwendung von fossilen Brennstoffen. Weitere Info zu Grinderman findet ihr unter myspace.com/ vampireweekend oder vampireweekend.com.


Baile Charme D

er Wiener Walzer ist die verträumte Romanze unter den Tanzstilen, der Discofox eine leichte Komödie und der Baile Funk ein ziemlich schamloser Pornostreifen, der seinen Ursprung in den Armenvierteln Brasiliens hat. Wer in den Favelas lebt, ist an Gewalt und illegalen Gelderwerb gewöhnt. Einen Ausweg zu finden ist schwierig und selten – nur die Wenigsten sind talentierte Strassenfussballer und können ihr Glück in Europa versuchen. In den Neunzigern verhiess eine Karriere als MC im Baile Funk zumindest den Aufstieg zum anerkannten Szenestar. Ausgehend von den Millionenmolochs Rio de Janeiro und São Paolo verbreiteten sich die rauhen Sounds mit aggressiven Texten im ganzen Land: Eine neue Form des Hip-Hop war geboren, und mit ihr eine neue Form der rücksichtslosen Gewalt.

Blood on the Dancefloor

Beim Baile Funk werden auf tiefe, schnelle und elektronisch-energetische Beats im Stile des US-amerikanischen Miami Bass brasilianische Percussionrhythmen und Samples aller Art gepackt, kombiniert mit Rhymes in ihrer derbsten Form. Die Lyrics handeln von Armut, Sex, Drogen, Kriminalität, Gewalt – dem unheilbringenden Teufelskreis, der den Alltag der Zuhörer bestimmt und auch im Leben der MCs nach wie vor eine Rolle spielt. Zur Imagesteigerung trägt der Favela-Rap durchaus bei, zum Gelderwerb nicht. Was der MC auf der Bühne detailgetreu beschreibt, wird in den Reihen der Zuschauer in die Praxis umgesetzt. In den berühmt-berüchtigten Bailes de Corredor entlädt sich die Spannung zwischen der hektischen Musik auf der vollen Tanzfläche und dem trostlosen Leben, das einen bei Sonnenaufgang erwartet. Rivalisierende Lager bilden einen Gang, um dann in einem explosionsartigen Ausbruch von Gewalt aufeinander einzuschlagen. Sicherheitskräfte greifen erst nach einiger Zeit ein oder überlassen den tobenden Mob sich selbst, während die aggressivsten Hits von der Bühne peitschen. Binnen Minuten wird aus der Party eine Massenschlägerei, tödliche Zwischenfälle sind kinki musik

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Musik als Bindeglied zwischen Arm und Reich, als gemeinsamer Bezugsrahmen für Generationen und Gruppen, als integrative Brücke für soziale Aussenseiter – nicht beim brasilianischen Baile Funk. Die hektischen Beats entladen sich, gepaart mit trostlosen Lebensperspektiven, schon seit Jahren in Massenschlägereien. Die sanfte Gegenbewegung, der Charme Funk, entwickelt die Rhythmen weiter: Anstelle von Gewalt und Sexismus steht hier die Party im Vordergrund. Text: Bastian Steineck, Fotos: Pino Gomes

an der Tagesordnung, hauptsächlich inmitten der Korridore, obwohl diese 1992 offiziell verboten wurden. Angeblich führt alleine die Polizei von Rio de Janeiro 6000 Tote auf den FavelaRap zurück – pro Jahr. Doch die jungen Brasilianer strömen zu Tausenden auf die Partys, die ganz bewusst nicht im Club stattfinden, sondern in der Turnhalle oder auf dem Fussballplatz.

‹Die Party-Nacht wird zum besonderen Ereignis, in das junge Brasilianer durchaus ihr gesamtes Wochengehalt investieren.›

Erotik statt Porno

In den letzten Jahren hat sich der Baile Funk in die Favelas zurückgezogen, als Konsequenz auf die stärkere Polizeipräsenz an den zentraleren Orten. Dort regiert mittlerweile der Charme Funk. Die Beats sind geblieben, doch ihre Aussage ist eine andere: Die sexuelle Energie und die aggressive Spannung sind einer unbekümmerten Begeisterung gewichen, es geht jetzt um Soul, um Liebe und um den Swing, der den Rhythmen innewohnt. Aus dem schamlosen Porno ist ein Erotikfilm mit Niveau geworden, denn schnell und sexy sind die Tanzbewegungen nach wie vor: Ohne die derben Texte und mit einer traditionelleren musikalischen Note orientiert sich der Tanzstil eher am klassischbrasilianischen Samba als am Miami Bass. Die Energie ist noch da, wird aber sinnvoller entladen, zum Beispiel in spektakulären Choreografien, bei denen Hunderte Körper sich parallel bewegen – der Charme Funk als sanfte Gegenbewegung für Jung und Alt, Arm und Reich, Männer und Frauen. Miteinander statt gegeneinander tanzen. Die Rückbesinnung auf die Herkunft findet auch in Äusserlichkeiten ihren Ausdruck: Die Partygäste sind sich ihrer südamerikanischen Wurzeln bewusst und stolz, schwarz und sexy zu sein – und doch erinnern Kleidung, Styling und Haltung an die aktuelle US-amerikanische Hip-Hop-Kultur. Das aufwändig und liebevoll gestaltete Outfit ist Teil des positiven und intensiven Lebensgefühls, das der Charme Funk transportiert. So wird die Partynacht zum besonderen Ereignis, in das junge Brasilianer durchaus auch ihr gesamtes Wochengehalt investieren. Der Eintritt ist dafür etwas günstiger, seit die Veranstaltungen vom Staat gefördert werden. Denn arm sind die Partyfans aus den

Favelas noch immer: Auf dem riesigen Parkplatz in der Nähe der Location steht meist nur eine Handvoll Autos, und es ist nicht unwahrscheinlich, dass der Grossteil davon im Laufe des Abends aufgebrochen wird. Photos: Pino Gomes, pinogomes.com Production: Bianca Jahara and Verena Sanchez Special thanks to: Organization of the Baile Charme do Viaduto Negrao de Lima, Regiane Alves, Mauricio, Jose Luis Monteiro, Wilson and Tv Multishow (Programa Sex shake)

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‹Die Energie ist noch da, wird aber sinnvoller entladen, zum Beispiel in spektakulären Choreografien, bei denen Hunderte Körper sich parallel bewegen.›

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‹Die Rückbesinnung auf die Herkunft findet auch in Äusserlichkeiten ihren Ausdruck.›

Charme statt Prügeleien: Der Charme Funk fördert eher neue Verhaltensweisen als Tanzschritte zu Tage.

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Angriff auf den Club Dass Tricky, als Teil der Bristoler Musikszene zu Beginn der Neunzigerjahre seine Musik am schwärzesten einfärbte, kann auch ohne Abschluss in Psychologie aus seiner Familiengeschichte erklärt werden. Eine solche gibt es nämlich so gut wie gar nicht. Seinen Vater hat er nie kennengelernt und die Mutter nahm sich das Leben, da war er gerade vier Jahre alt. Text und Interview: Mathias Bartsch, Foto: Jack Dante

Laid back trotz Up tempo: Tricky kommt auch im ‹Mixed Race› nicht ins Schwitzen.

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ricky, bürgerlich Adrian Thaws, schien all dies in seinen stets düsteren und melancholischen Elektrostücken zu verarbeiten. Für die damals entstehende Musikrichtung Trip-Hop war er dadurch einer der wichtigsten Geburtshelfer. Seine Arbeit bescherte dem neuen Musikstil einen ungeheuren Erfolg und vor allem seine Zusammenarbeit mit Massive Attack brachte den weltweiten Durchbruch, für die langsamen, von Hip-Hop und Dub inspirierten Stücke dieser Zeit. Nach dem massiven Zuspruch für das erste Album ‹Maxinquaye› - benannt nach seiner Mutter - zog er sich bewusst aus dem Rampenlicht zurück. Produzierte eher lautlos die nächsten Meisterwerke, wie ‹Angels with Dirty Faces› oder ‹Juxtapose›. Nun aber kommt mit ‹Mixed Race› ein Album in die Läden, mit dem Tricky unerwartet auch den Club erobern könnte, denn es wird schneller und direkter in den Songs. Mit kinki sprach der Brite über die kommende Platte und berichtete, warum er zwar von Massive Attack enttäuscht ist, man sich aber ‹vielleicht› trotzdem auf ein gemeinsames Album freuen kann!

Interview kinki magazine: Der Titel deiner neuen Platte lautet ‹Mixed Race›. Was verbindest du mit der Bezeichnung? Adrian Thaws: Der Titel ist ein passender Begriff für mich als Person und damit auch für meine Musik. Ich bin schon als Jugendlicher mit unterschiedlicher Musik in meinem Umfeld in Berührung gekommen. Durch den Kontakt zu sogenannter weisser oder schwarzer Musik habe ich mich ständig weiterentwickelt. Für die Platte bedeutet der Titel, dass ich möglichst viele musikalische Einflüsse gesucht habe, sie in mich eingesaugt und neu interpretiert habe. Die Musik auf ‹Mixed Race› bewegt sich immer zwischen den Kulturen. Auf dem Album gibt es eine Menge Kollaborationen. Eine sehr gelungene Zusammenarbeit ist das Stück ‹Really Real› mit Bobby Gillespie von Primal Scream. Wie kam es dazu? Wir kennen uns schon sehr lang, sind auch gut miteinander befreundet. Die Idee, dass wir zusammenarbeiten sollten, hatte ich schon ewig. Cool, dass es nun endlich geklappt hat. Der Song wurde ziemlich schnell produziert, er kam nach Paris und wir haben ihn sofort zusammen aufgenommen. Die Musik stammt von Bobby und die Lyrics sind von mir. Es geht um diesen surrealen Zustand, den man als bekannter Musiker oftmals durchlebt, wenn einen die Menschen als Prominenten wahrnehmen. Etwas, das wir gut kennen und bei dem man echt darauf achten muss, dass man diese Art der Betrachtung auf einen selbst nicht ernst nimmt und denkt, es wäre ‹real›. Du bist im Musikgeschäft längst eine Legende und seit knapp 20 Jahren aktiv. Was würdest du sagen, hat sich in deiner Arbeitsweise beim Produzieren oder Schreiben der Musik über die Jahre verändert?

Eigentlich nichts. Ja, wirklich nichts. Ich gehe immer noch naiv an die Musik heran. Das ist total wichtig, damit erhält man sich den Zauber der Musik. Mich interessieren theoretische Notensachen und Tempobeschreibungen nicht. Auch mein Studio-Equipment hat sich über all die Zeit nie verändert, ich halte es bewusst klein. Alle Sachen, die ich für die Produktion erst einmal brauche, kriege ich locker in meiner Wohnung unter. Das heisst, ‹Mixed Race› ist auch wieder bei dir zu Hause in Paris entstanden? Genau, ich mag es in den eigenen vier Wänden zu produzieren. Ich fühle mich in diesem privaten Umfeld am wohlsten. Ich bin sehr frei im Ablauf des Produzierens, kann mir nebenbei Pizza bestellen oder auch selber kochen. Ich kann nur so arbeiten. Lediglich das finale Mastern der Platte geschieht in einem grösseren Studio. In Paris bist du ja noch nicht lange, hat die Stadt trotzdem einen musikalischen Einfluss auf das neue Album genommen? Absolut nein, wie gesagt, ich produziere bei mir zu Hause und bin da auf mich gestellt. Ich gehe in Paris auch nicht in irgendwelche Läden, nur weil sie gerade angesagt sind und dort angeblich die heissesten DJs auflegen. Wenn ich ausgehe, bin ich an Plätzen, die mir einfach gefallen, wo ich die Leute mag. Aber die Musikszene in Paris kenne ich nicht, für meine Arbeit als Musiker ist das unwichtig. Es fällt auf, dass die Musik auf ‹Mixed Race› recht schnell geworden ist für ein Album von dir. Eine Nummer wie ‹Time to Dance› hat man jetzt nicht wirklich von dir erwartet. Stimmst du dem zu? Unbedingt, diesmal sollten es auch Stücke werden, die im Club funktionieren könnten. Ein Anspruch, den ich bisher nicht hatte, denn Clubs waren mir immer ziemlich egal. Keine Ahnung, es muss in mir geschlummert haben, dieser Wunsch nach schnelleren Tracks. Es hat sich beim Aufnehmen aber auch einfach so ergeben, ich wusste eigentlich nur, dass die Stücke sehr direkt werden sollen und deshalb ist es wohl ein Up tempo-Album geworden. Okay, kein Tricky-Interview, ohne eine Frage zu Massive Attack. Man liest, dass es ein neues Album geben soll, mit dir wieder an Bord – Gerücht oder ist was dran? Das stimmt schon, die Jungs haben mich immer wieder gefragt und ich habe in der Vergangenheit immer abgelehnt. Doch irgendwann letztes Jahr habe ich es mir anders überlegt und ihnen gesagt, dass ich es machen würde. Allerdings ist seitdem nicht viel passiert, keine Ahnung, ob und wann es nun etwas wird. Um ehrlich zu sein, ich bin auch ein wenig irritiert, dass die Jungs damit an die Presse gehen, aber noch keine wirklichen Pläne haben. Ich würde es genau andersherum machen. In der Vergangenheit hast du hin und wieder auch als Schauspieler gearbeitet, unter ande87

rem in dem Film ‹Das fünfte Element› von Luc Besson. Können wir dich auch in der Zukunft auf der Leinwand sehen? Mal sehen, alle Rollen, die ich gespielt habe, waren aus dem Bauch heraus. Mir wurden Drehbücher angeboten und ich habe sie danach ausgewählt, ob mir der Plot gefällt, es mich auf irgendeine Art und Weise berührt. Ich gehe aber nicht zu Castings für Rollen, ich kann so etwas nicht. Also, wenn ich wieder etwas lese, was spannend ist, dann mache ich es.

‹Ich stelle grundsätzlich keine musikalischen Vergleiche auf. Tut mir leid, aber ich analysiere Musik nicht in theoretischen Kategorien.› Du hast ein eigenes Label mit dem Namen ‹Brown Punk›. Wer ist da so drauf und wie suchst du die Musiker aus? Es ist musikalisch bunt gemischt, beispielsweise Franky Riley, die ja auf meiner Platte auch viele Songs gesungen hat. Ich liebe ihre Stimme, denn sie entspricht genau meiner Musik. Marlon, einer meiner Brüder ist auf Brown Punk, der beim Song ‹Bristol to London› ebenfalls auf ‹Mixed Race› zu hören ist und dieses Jahr sein erstes Hip-Hop-Album rausbringt. Wie gesagt, ziemlich unterschiedlicher Stuff, ich habe aktuell auch noch eine Sängerin aus Peking und eine Band aus Weissrussland gesignt. Solche Musiker lerne ich während des Tourens kennen, mir gefallen plötzlich Stücke, die ich an diesen Orten höre und ich komme dort oft auch mit Musikern ins Gespräch. Dubstep ist als Musikstil derzeit sehr populär und weist ja musikalisch durchaus Parallelen zu den Anfängen des Bristol-Sounds auf (der Begriff Trip-Hop wird an dieser Stelle besser vermieden, da Tricky immer betonte, wie sehr er diese Bezeichnung ablehnt, Anm. des Autors). Wo siehst du Überschneidungen zu euren Anfängen, rund um dich oder das Musikkollektiv The Wild Bunch, die den Sound damals prägten? Ich stelle grundsätzlich keine musikalischen Vergleiche auf. Tut mir leid, aber ich analysiere Musik nicht in theoretischen Kategorien. Ich kenne natürlich viele sogenannte DubstepSachen, aber mehr kann ich dazu nicht sagen. Ich interessiere mich einfach nicht genug für solche Begriffe, also ich weiss oft bei Songs gar nicht, ob die Presse das jetzt gerade Dubstep oder irgendwie anders nennt. Weitere Info zu Tricky und Brown Punk findet ihr unter trickystyle.com und brownpunk.tv.


lieblingslieder jedem das seine

Reverend Beat-Man 02:12

04:20

Er ist eh mein All Time Favourite und die meisten seiner Songs gehören auf meine Lieblingsliste. Aber ich habe diesen Song gewählt, weil er alles sagt, was es zu sagen gibt. Natchez war die Stadt, in welcher die Schwarzen aufgehängt und dann verbrannt wurden, nur weil sie schwarz waren. Der Song ist so enorm dynamisch, gewaltvoll, schön und traurig, alles gleichzeitig. Ich habe ihn das erste Mal anfangs der Achtziger gehört und bin ihm seitdem komplett verfallen.

DAF hat mich auch sehr geprägt. Minimal in Musik und Text, alles auf einen Punkt gebracht. Sie waren exotisch und gegen alles. Das war es, was ich als Teenager brauchte und heute in der Musik vermisse.

Howlin’ Wolf – Natchez Burning

04:08

East St. Louis Gospelettes – He’ll Take Care of You

Das ist eine Scheibe, die ich schon sehr lange suche. Vielleicht hilft mir dieser Text hier ja, sie zu finden. Ich habe diesen Song mal in einer Gospelshow auf WFMU gehört und nie wieder vergessen. Es ist ein Remake vom Bobby Blands Song ‹I Take Care of You›. Aber diese Version hat’s in sich. Die Sängerin sieht eindeutig das Licht, wenn sie singt und das habe ich auch, als ich es zum ersten Mal hörte.

03 :54

Carmel – I’m Not Afraid of You

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er ehrenwerte Reverend Beat-Man, Chef des fast schon legendären Labels ‹Voodoo Rhythm›, ist musikalisch keineswegs festgefahren. In einem Interview hatte er uns einst verraten, dass er sich neben Blues und Rock ’n’ Roll genauso für Jazz, Klassik, Marschmusik, ‹Ländler› oder Drum ’n’ Bass begeistern kann. Als er in den Achtzigern als Sänger und Gitarrist der Garage-Band The Monsters durch die Welt tourte, verwandelte er sich, inspiriert von einem mexikanischen Wrestlingkampf in den USA, in den solomusizierenden Wrestler Lightning Beat-Man. Er wollte alleine Musik machen und gleichzeitig gegen sich selbst kämpfen. Aber es ging ihm auch darum, mit seiner chaotischen Show sein Publikum wachzurütteln und bis aufs Blut zu provozieren. In diesen Jahren arteten darum seine Auftritte des Öfteren in wüste Schlägereien aus. Als ihm sein Arzt eines Tages ins Gewissen redete – nachdem er Beat-Man einen gebrochenem Rücken und Gehörverlust prog-

kinki lieblingslieder

Das ist auch ein Song, der mich begleitet, seit er 1986 rausgekommen ist. Ich habe ihn damals am Jazz Festival Montreux gehört, als Carmel dort gespielt haben. Es hat mich umgehauen, dass eine Top-100-HitparadenBand so gut sein kann.

nostiziert hatte – dass er das nicht mehr lange heil überstehen werde, suchte Beat-Man nach einer anderen Möglichkeit, seine Message zu transportieren. Er liess sich erneut inspirieren, diesmal jedoch von körperlich weniger gewalttätigen amerikanischen Fernsehpredigern, die ihr Publikum mit mahnenden Phrasen in ihren Bann ziehen. Damals wurde denn auch der streng katholische Reverend Beat-Man geboren. Und so zieht er bis heute mit seiner Gospel-Blues-Trash-Predigt durch die Rock ’n’ Roll-Kathedralen im In- und Ausland, produziert und unterstützt andere Bands, ist noch immer Teil der Monsters und feilt nebenbei an seiner Überzeugungskraft als Reverend. Doch der mittlerweile 43-jährige Beat-Man ist nicht nur ein Rock ’n’ Roll-Trash-Haudegen. Genauso sehr ist er nämlich alleinerziehender Vater, Schauspieler und Grafikdesigner. Es gibt also wirklich genug Gründe, warum wir wahnsinnig auf seine zehn All Time Favourite-Songs gespannt sind – hell yes!

02:35

Suicide – Ghost Rider

Von denen könnte ich, glaube ich, auch jeden Song aufschreiben. Ich habe aber den gewählt, weil ich ihn in meinem DJ-Set am meisten auflege. Er ist immer noch, auch nach mehr als 30 Jahren, was Dynamik und Sex angeht, kaum zu übertreffen. Ein Geniestreich.

02:26

Gene Vincent – Cat Man

Gene Vincent ist gottähnlich. Wie der Beat und der Bass in diesem Song zusammenspielen, das ist höchste Klasse. Dieser Song gehört in jede Plattensammlung. Das ist Untergrund-Musik aus der Zeit, als es noch gar keine Untergrund-Musik gab.

02:49

Hasil Adkins – She Said

Mehr Punk als das hier geht überhaupt nicht. Und wenn man bedenkt, dass er diesen Song 1958 in Kirchen gespielt hat, dann ist eh alles gewonnen, was man nur gewinnen kann. Ich habe ihn mal besucht, als er noch gelebt hat und er war genau wie seine Musik – total Punk, frei von allen Verpflichtungen und naiv wie ein Kind.

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DAF – Ich und die Wirklichkeit

05:52

AC/DC – The Jack

Ich mag AC/DC nicht mit ihrem neuen Sänger. Aber die Sachen mit Bon Scott haben sich in mein Herz gebrannt. Diese Kombination war unschlagbar und Angus Young damals in Höchstform.

02:37

Mose Allison – V8 Ford Blues

Der Mann ist so was von entspannt und auf dem Punkt, dass man es kaum glauben kann. Jazz, der unkompliziert, mit wenig Hirn, aber mit viel Herz auskommt und enorm tanzbar ist.

02:16

The Cramps – Human Fly

Diese Band hat meine ganze Generation geprägt und Human Fly hat sich in mein Hirn gebissen und nie wieder losgelassen. Super primitive to the max! Text: Antonio Haefeli Foto: Promo Weitere Info unter voodoorhythm.com.


DER VIDEOCLIP ZUM RADIO-SONG LIVE AUF: WWW.105.CH RADIO 105 EMPFÄNGST DU AUCH IM KABELNETZ IN DER GANZEN DEUTSCHSCHWEIZ: BS 103.9, BE 105.6, LU 101.7, SG 105.3, ZH 105.1 ODER AUF UKW 93.0 FM


vorspiel musiker erklären ihre songs

Hjaltalín: Terminal 1.

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Das Medium ist die Botschaft, das widerspie­ geln die Zeilen ‹A theft of the eye, a theft of the breath›. Es ist ein Song über den Dieb des echten Lebens und seiner zerstörten Werte.

Hier wird die Geschichte eines seltsamen, lustigen Typen mit einer sehr interessanten Story erzählt, den wir in einer Pension in Hit­ chin, Hertfordshire, getroffen haben. Der Song stammt ursprünglich aus der Partitur, welche wir für den ältesten isländischen Stummfilm ‹Saga Borgaraettarinnar› ge­ schrieben haben.

Suitcase Man:

2.

Sweet Impressions:

Der Song ist in estnischer Landschaft ent­ standen und wurde von Örvar Smárason und Róbert Reynisson der Band múm mitge­ schrieben. Er enthält einige Besonderheiten, wie einen Knabenchor, ein Gitarrensolo und den Backgroundgesang von Björgvin Hall­ dórsson, der isländischen Legende der Sieb­ zigerjahre.

3.

Feels Like Sugar:

Eine Ode an die grossen Songproduktionen der Sechzigerjahre. Die Bedeutung des Stücks ist existenziell: Sie erklärt, dass die Dinge immer über mehr als eine einzige Di­ mension verfügen.

4.

Song From Incidental Music:

Die Erkundung einer unkonventionellen In­ strumentierung des Orchesters. Der Song dreht sich um die Wahrnehmung einer Hass­ liebe und hat einen sehr starken Bezug zur französischen Spektralmusik.

W

o die Vulkane brodeln und die Eisberge schmelzen, dort, in der märchenhaften Landschaft Islands, finden sich die Wurzeln zahlreicher bekannter Musiker. Ein vielversprechender FastNeuling ist die Band Hjaltalín aus Reykjavík. Die einzigartige Formation aus sieben Musikern komplettiert nicht nur mit Gitarre, Bass und Drums, sondern auch mit Piano, Fagott und Violine die vollen Vocals, welche sowohl von Högnis als auch von Siggas wunderschönen Stimmen getragen werden. Bereits das Debüt-Album ‹Sleepdrunk Seasons› (2007), produziert von Benni Hemm Hemm und Gunni Zynes der Band múm, brachte es in Island zu Gold. ‹Terminal› heisst der zweite Streich des Septetts und wurde mit aufwendiger Orchesterbesetzung teilweise in einem alten Kaufhaus in Reykjavík aufgenommen. Nach dem IslandRelease Ende 2009 gab es auch

kinki vorspiel

Sonnet For Matt:

9.

7 Years:

Ein Discosong über eine Kaffee trinkende Frau, die ihren Garten liebt und gute Rat­ schläge erteilt. Er hat dieses 70s­Feeling, welches man auch in einigen anderen Songs auf dem Album spüren kann.

10.

Water Poured In Wine:

Dieser Song ist entstanden, als unser Bas­ sist und unser Drummer die Plätze tausch­ ten und während der Probe rumgeblödelt haben. Daraus entstand eine Art ‹Urban­Gui­ tar­Techno­Song›.

11.

Vanity Music:

Das ist der längste Track auf dem Album. Er ist aufgeteilt in zwei Hälften: Die erste ist eine zerbrechliche Liebesgeschichte, die zweite Hälfte basiert auf dem letzten Kapitel der Ballettmusik aus ‹Der Feuervogel› von Igor Stravinsky.

5.

für ‹Terminal› wieder Gold. Dazu noch zwei Auszeichnungen an den Isländischen Music Awards. Vor kurzem wurde das Album in ganz Europa veröffentlicht. Terminal nimmt einen mit auf die Reise durch eine fulminante Welt von elf facettenreichen Tracks. Die voluminösen Stimmen bringen manch einen Song in Verbindung mit dramatischen Broadway-Musicals. In der nächsten Minute versetzen einen die exorbitanten Orchesterklänge in die Zuschauerreihen einer Zirkusvorstellung und bei ‹Feels like sugar› kommt man um den Vergleich mit ABBA’s Siebzigerjahre-Disco-Pop nicht herum. Genauso fantasievoll wie die Musik der sieben Isländer klingen übrigens auch ihre Namen: Axel Haraldsson, Gudmundur Óskar Gudmundsson, Hjörtur Ingvi Jóhansson, Högni Egilsson, Rebekka Bryndís Björnsdóttir, Sigrídur Thorlacius und Viktor Orri Arnason.

Montabone:

Der Titel des Songs bezieht sich auf ein klei­ nes Dorf im Piemont (Italien), wo wir am Al­ bum gearbeitet haben. Er wurde mit einem etwa 40­köpfigen Orchester live eingespielt, wie übrigens auch viele andere Tracks auf dem Album.

6.

Stay By You:

Das war einer der ersten Songs, den wir für ‹Terminal› geschrieben und aufgenom­ men haben. Die Lyrics wurden während der Fahrt von Manchester nach Edinburgh in einem Van geschrieben. Auf dem Weg ver­ passten wir einen Gig, den wir in Notting­ ham hätten spielen sollen. Unser Manager hat sich selber im hinteren Teil des Vans eingeschlossen (wo wir unsere Backline aufbewahrten) und ist deswegen total aus­ gerastet. Aber dann hat er sich beruhigt und Sigga und Rebecca beim Schreiben der Lyrics geholfen.

7.

Hooked On Chili:

Ein Song über eine verworrene Beziehung zwischen einem Mann und seiner Leiden­ schaft für Chili. Das Lied enthält ein Rezept für einen köstlichen Vodka­Drink, den ihr un­ bedingt ausprobieren solltet.

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Text: Dinah Brunner Foto: Promo Hjaltalín – Terminal (Kimi Records / Indigo) ist bereits erschienen.


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Mansfield Park

Photography: Edwin Tse 93


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Dress: Jose Duran

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Top & pants: Yigal Azrouel Leather do-rag: Alonzo Head piece: threeAsFour shoes: Vintage Vivienne Westwood

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Dress: Yigal Azrouel

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Coat: threeAsFour

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Hooded cape: Jane oh T-shirt: olaf Breuning for Pleasure Principle Pants: Comme des Garรงons

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Human hair braided bodysuit: shoplifter & Edda for VPL Gloves: Carel & rubio Earrings: Laruicci

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Fur vest: Northern Furs Fashion Top & shorts: VPL Boots: Alonzo

Photography: Edwin Tse, edwintse.com Styling: Edda Gudmundsdottir for Kate Ryan Inc. Assistant Stylist: Alonzo Ramos Hairstyling: Jamal Hodges for B Agency NY Make-up: Rika Shimada Model: Amanda Lopes @ One Management kinki mode

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maske art must be beautiful

Jeden Monat setzen an dieser Stelle Schweizer Künstler drei Beauty-Produkte in Szene. Die Fotografin Sarah Maurer und Make-up Artistin Nicola Fischer widmeten sich für diese Ausgabe dem Nagellack. essie: ‹Sew Psyched›

Dior: ‹706 Bronze Libertine›

OPI: ‹Lucerne-tainly Look Marvelous›

Es gibt Farbtöne, die sich nur mit vielen Bindestrichen beschreiben lassen: Dieser mint-grün-grau-blaue matte Nagellack ist einfach aufzutragen und bietet eine erfrischende Alternative für all jene, denen das allgegenwärtige kräftige Blau dieser Saison einen Tick zu knallig ist. 15 ml, CHF 22.–

Mit veränderter Formel und neuem Pinseldesign, von Diors Make-up-Star Tyen entwickelt, strahlt das ‹Bronze Libertine› mit jedem Pigment und Glanzpartikel in der Herbstsonne. 10 ml, ca. CHF 37.–

Mit der ‹Swiss Collection› bietet OPI einmal mehr eine gelungene Palette. ‹Lucerne-tainly Look Marvelous› – in diesem Sinne glitzert die silbergraue Interpretation unserer Innerschweizer Touristenhochburg bis Weihnachten. 15 ml, CHF 23.90

Sarah Maurer und Nicola Fischer Sarah und Nicola sind mittlerweile ein eingespieltes Team: Für verschiedenste Produktionen im In- und Ausland arbeiteten die Modefotografin und die Make-up Artistin schon zusammen. Auch dieses Bild entstand in harmonischer Kooperation der beiden, an einem sonnigen Herbstnachmittag, über den Dächern Zürichs (auf Sarahs Terrasse). Das Model Arina stammt übrigens nicht – wie das Foto vermuten lässt – aus Arkadien oder Mittelerde, sondern aus dem Herzen Russlands. Realisation: Nicola Fischer Text: Nicola Fischer, Rainer Brenner Model: Arina @ Visage

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Name: MBT Geburtsjahr: 1996 Typ: Anti-Schuh Besonderheit: konvexe Grundform der Sohle Text: Bastian Steineck Illustration: Adrian Riemann

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on der Norm abzuweichen, eröffnet drei Möglichkeiten: Man steht dazu, dass man anders ist, man kaschiert die Tatsache – oder man versucht, sie zu seinem Vorteil zu nutzen. Eindeutiger Einzelgänger im Schuhbusiness ist der MBT, der selbstbewusst unter dem Beinamen ‹Anti-Schuh› firmiert. Bereits ein kurzer Blick auf das Modell erklärt das freimütige Eingeständnis: Der MBT ist offensichtlich in der Lage, jeden Fuss dieser Welt in einen formlosen Klumpen zu verwandeln. Auf die geschundenen Füsse wartet hier keine weiche Sohle, sondern ein an Fersen und Zehen abgerundeter Schuhboden. Auch das eingefügte Fersenweichteil soll keinesfalls für Laufkomfort sorgen, sondern, so das Markenversprechen der Firma, für Instabilität anstelle von Stabilität auf Schritt und Tritt. Sollte sich der Clou der Schuhe noch nicht erschlossen haben, folgt nun die physiologische Offenbarung: Durch das ständige Gefühl

Die ‹Antithese zum Schuh›: Wer einen MBT sein Eigen nennt, muss Gehen und Stehen üben. kinki vertreter

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umzufallen, richtet sich der Oberkörper zwangsläufig auf, um den eigenen Schwerpunkt möglichst lotrecht und das Gleichgewicht zu halten. Angelehnt ist diese spezielle Form der Alltagsgymnastik an das kenianische Hirtenvolk der Masai, das MBT-Erfinder Karl Müller Anfang der Neunzigerjahre besuchte. Der Ingenieur aus der Schweiz war begeistert von der Angewohnheit der Afrikaner, barfuss über den weichen Boden der Reisfelder zu spazieren und führte darauf ihre Freiheit von Rückenschmerzen zurück.

Einstündige Einweisung vor der Erstbenutzung Zurück in Schweizer Gefilden, entwickelte Müller das Patent des MBT-Modells, benannt nach der Masai Barefoot Technology und heute auch unter dem Label ‹Swiss Masai› geläufig. Ab 1996 wurde der MBT kommerziell vermarktet und verspricht neben der reduzierten Kniebelastung eine gleichzeitige Kräftigung der Muskeln und Unterstützung beim Abnehmen. Die abgerundete Sohle sorgt für eine instabile Lage, die wiederum zu ständiger Bewegung auf der Suche nach dem Gleichgewicht führt – Training fürs Haltesystem, Fettreduktion, Knack-Po, weniger Cellulite. Wo so viel Wellness lockt, lassen freilich auch prominente Liebhaber nicht lange auf sich warten – allen abschreckenden Äusserlichkeiten zum Trotz. Madonna und sogar Model-Mama Heidi Klum nutzen die Schuhe zum kurzen WalkWorkout, auch Arnold Schwarzenegger soll ein Paar besitzen. Allerdings ist die Nutzung des MBT eine kleine Wissenschaft für sich: Bis Ende 2008 gab es beim Kauf einen Gutschein obendrauf, mit dem man eine einstündige Einweisung bei einem geschulten Physiotherapeuten in Anspruch nehmen konnte. Schliesslich ist fester Halt auf unebenen oder feuchten Untergründen und bei zügigem Gehen ein schwieriges Unterfangen. Billiger, sicherer und in aller Regel ästhetischer wäre da die kenianische Tradition: barfuss gehen.



kopfkino vom umschlag bis zum abspann

Wir sind Stars, Abenteurer, Anti-Helden, Tänzer, Kriminelle, Designer, Models, Jane und Brigitte, Johnny Depps Flamme oder Marie Antoinette; sind schwer verliebt, auf Weltreise oder in den 60ern, doch wenn die letzte Seite und der Abspann sich aufdrängt, werden wir abrupt aus unserer wohligen Parallelwelt zurück in die spannungsarme Realität geschubst. Buch Planetarium

täglichen Wahnsinns. Das Buch bietet eine lesenswerte Sammlung an Kurzgeschichten, gespickt mit einigen Goldperlen, übersetzt übrigens von keinem geringeren als dem ‹Ambassador of Irish Whiskey› Harry Rowohlt himself. Ruhe in Frieden Kilgore, wir sehen uns auf der anderen Seite des Regenbogens. Erschienen bei Kein & Aber AG, CHF 28.90

Insel Kurt Vonnegut: Ein dreifach Hoch auf die Milchstrasse Mit ‹Ein dreifach Hoch auf die Milchstrasse› releast der Zürcher Kein & Aber Verlag 14 bis anhin im deutschsprachigen Raum unveröffentlichte Kurzgeschichten und einen Brief von Kurt Vonnegut. Vonnegut – oder wenn man so will sein Alter Ego Kilgore Trout – ist ein Meister des Skurrilen und des an Wahnwitz grenzenden Humors, wie er in Romanen wie ‹Galapagos› und ‹Schlachthof 5› oder ‹Der Kinderkreuzzug› zu Genüge bewiesen hat. In seinen Short Stories beschreibt der Autor gekonnt Menschen, die auf den ersten Blick unscheinbar erscheinen, um uns im nächsten Moment aus der gefühlten Sicherheit des Gewöhnlichen in einen von pinken Plüschsoldaten bewachten Hochsicherheitstrakt der Absurditäten zu schubsen. Vonneguts Protagonisten sind genügsame Hausfrauen, ehrgeizige Erfinder, grössenwahnsinnige Mafiapaten, gefährliche Hypnotiseure, ausserirdische Winzlinge, rücksichtslose Herzensbrecher, sowjetische Myrmekologen und andere Figuren aus dem Reiche des allkinki kopfkino

Leah Gordon: Kanaval In der Küstenstadt Jacmel im Süden Haitis finden jährlich zum PreLenten Mardi Gras aussergewöhnliche Festivitäten statt. Tagelang treiben sich Wesen mit farbenprächtigen Pappmaschee-Masken, weisser Bemalung oder furchteinflössenden, diabolischen Hörnern mit Peitschen und abgetrennten Puppenköpfen durch Jacmel. Mit dem einzigartig-herrlichen ‹Kanaval›, einem Fest voll Strassentheater, Erzählungen und Satiren, verteidigt das Städtchen auch seinen Ruf als Haitis künstlerisches und kreatives Herz. Die leidvolle Geschichte Haitis und die gegenwärtigen Umstände sind indessen fester Bestandteil des Festszenarios und spiegeln sich in Schauspiel und Kostüm im Mix aus afrikanischen, europäischen und

indigenen Einflüssen wider. Der Buchuntertitel ‹Vodou, Politics and Revolution on the Streets of Haiti› bringt neben Politik, Sklaverei und Revolte auch die mythologischen, religiösen und indigenen Aspekte des in Haiti allgegenwärtigen Voodoos zum Vorschein. Über 15 Jahre besuchte die britische Fotografin und Filmemacherin Leah Gordon Jacmel zur Karnevalszeit. Abseits des turbulenten Geschehens hielt Gordon die Protagonisten des Kanavals posierend zwischen Privatperson und darstellendem Charakter fest. In Schwarz-Weiss gehalten, geben die ‹Porträtfotografien› eine uns fremde, aufwühlende bis groteske, aber auch prächtige Bildwelt wieder. Eine Serie von ‹Oral Histories› stellt die Bilder in ihren Kontext von Kultur und Geschichte. Die Fotografien ihrerseits zeugen von der lebhaften Natur und der zeitgenössische Kreativität Haitis, die es nach dem verheerenden Erdbeben erst recht in Erinnerung zu bewahren und wiederherzustellen gilt. Erschienen bei Soul Jazz Publishing, ca. CHF 27.–

Unsere Rezensenten Florence Ritter und William S. Blake flüchten sich nicht nur bei der Lektüre der obigen Bücher in andere Sphären, sondern sonnen sich auch gerne unter der frivolen Sonne ‹Californications› oder sympathisieren mit Nancy Botwin aka Nathalie Newman.

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DVD werben

Matthew Weiner: Mad Men, Serie Mit den kühlen Herbstabenden hat sich das Jazzradio wieder einen festen Sendeplatz im gemütlichen Zuhause ergattert. Dazu passt ‹Mad Men›, die mehrfach preisgekrönte Serie aus den USA. Madison Avenue im New York der frühen Sechzigerjahre: Don Draper ist der Held der Werbeagentur Sterling Cooper. Ein Mann mit Frau und Kindern, vielen Geheimnissen und noch mehr Affären. Der Alltag spielt sich ab zwischen Kennedys und Nixons Präsidentschaftskampf, Affären und Werbeslogans – dazu wird geraucht und Scotch getrunken. Keine Szene, die nicht vom weichen Qualm durchzogen wird. Der Zuschauer kann beobachten, wie aufkommende Emanzipation und Gesundheitsbewegungen langsam in diesen Mikrokosmos des Chauvinismus eindringen. Durch lange Einstellungen und wenige Schnitte in der Kameraführung fühlen wir uns tatsächlich in eine frühere Zeit zurückversetzt – und wem das WerbeagenturLeben zu langweilig ist, kann sich ob der kurvigen Damen in raffiniert femininer Mode entzücken lassen. Bereits auf DVD erschienen und ab Oktober zum ersten Mal auf ZDF neo.


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bewegen möchte, bleibt einem kein anderer Halt als die brillante Schauspielleistung von Sidibe und der sonstigen Ulknudel Mo’Nique, die hier das Scheusal einer Mutter porträtiert. Ein zutiefst erschütternder, nachdenklich stimmender und in seinen eigenen Massstäben seelenvoller Film. Bereits auf DVD erschienen.

Buchhalters. Als Hort der Querulanten und Genies fungiert das Familienhaus, in dem sich die Tenenbaums unfreiwillig nach Jahren der Trennung wieder zusammenfinden. Nebst liebevoll ausgearbeiteten Charakteren und detailversessenen Kulissen wird der Soundtrack in gewohnt naturtrüber Stimmung gleich mitgeliefert. Bereits auf DVD erschienen.

Lee Daniel: Precious: Based on the Novel Push by Sapphire Man müsste uns prügeln, um diesen Film ein zweites Mal anzusehen. Denn spurlos geht sie nicht an einem vorüber, diese Grausamkeit der menschlichen Existenz. Zu trostlos ist das dumpfe Leben der stark übergewichtigen Precious, das im allerengsten Kreis um Gewalt und Herzlosigkeit zirkuliert. IrWes Anderson: The Royal gendwo in diesem Moloch trotzt Tenenbaums Precious den Prügelattacken ihrer Ein jeder Wes Anderson-Film strotzt Mutter und dem jahrelangen Missnur so vor verschrobenen Charakbrauch durch ihren HIV-positiven Vater und vermag es, den geschock- teren, und so tummeln sich in ‹The Royal Tenenbaums› gleich drei ten Zuschauer ein wenig mit der am Leben gescheiterte Genies: der bescheidenen Wärme, die die vermeintlich sterbende, fehlgeSchauspieldebütantin Gabourey leitete Patriarch der Familie und Sidibe ihrem Koloss von Charakter die verblühte Übermutter mitsamt einhaucht, zu trösten. Wenn man ihrer neuen Liebe in Gestalt des sich in die Abgründe dieses Films Kinki | Deutsch | Sujet Black Berry | 203x129 mm | DU: 6.10.10

wundern

Kino wackeln

Jungschauspielern aus. Der scheue Kai schlägt sich die Nächte in einer Buchhandlung um die Ohren, um Französisch zu lernen, denn seine Geliebte ist nach Paris gezogen – für ihn eine unerreichbare Welt. ‹Sans vous, Taipei est très triste›, spricht er auf ihren Telefonbeantworter. Als ihm ein dubioser Herr ein Flugticket nach Frankreich anbietet, überlegt er nicht lange. Schliesslich muss er als Gegenleistung nur ein Päckchen transportieren … Von da an übernehmen Möchtegern-Ganoven, überforderte Nachwuchs-Polizisten und Susie, die hübsche Buchhändlerin, die Regie. Kai erkennt, dass das Gute manchmal so nahe liegt und die eigene Welt entpuppt sich einmal mehr als wahre Heimat. Ab 21. Oktober im Kino.

Arvin Chen: Au Revoir Taipei Dass ‹Au Revoir Taipei› der erste abendfüllende Spielfilm von Chen ist, zeigt sich in der einfachen Machart. An das Dogma-Genre angelehnt, kommt die Komödie ohne Kunstlicht, mit wackligen Einstellungen und einem Komplott aus

Da Cathrin Michael und Anja Mikula ihr Dasein als Journalistinnen wenig glamourös erscheint, flüchten sie sich für ihre famosen KolumnenFotos in Parallelwelten, wo sie sich dieses Mal als ungleiches Geschwisterpaar anhimmeln dürfen.

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06.10.10 15:09


media spezial haptische höhepunkte: shake your tree edition

Das Künstlerkollektiv ‹Shake Your Tree› zeigt mit seinen liebevollen Magazinen, was entstehen kann, wenn die Prosa sich mit der visuellen Kunst zum Abendessen trifft. Liebevolle Kollaborationen aus feinster Handarbeit oder kurz gesagt: ein Leckerbissen fürs Auge. Text: Bastian Steineck

SYT-Edition: Pflichtstücke für jede ambitionierte Magazinsammlung.

S

ich mit einem liebevoll gemachten Printprodukt für einige Zeit aufs Sofa zu verkrümeln, kommt bei all der Schnelllebigkeit dem kostbaren Zustand innerer Ruhe ziemlich nahe. Denn unsere Mobiltelefone werden smarter, schicker und schneller und das Internet testet mit flüchtig komprimierten Informationen unseren Geist auf seine Aufnahmekapazität. Einmal Durchatmen zum Mitnehmen, bitte. Auch das kreative Kollektiv ‹Shake Your Tree› (SYT) hat, sinnbildlich gesprochen, nicht mal eben hektisch am Baum geschüttelt, sondern die Obsternte zu einer kleinen und tiefgründigen Wissenschaft gemacht. Das hat sich gelohnt. Für die frisch produzierte ‹Shake Your Tree Edition›, die aus drei Einzelmagazinen besteht, haben die Macher nämlich selbst Hand angelegt: Umschlag und Bildteil wurden im Siebdruckverfahren hergestellt und hinterlassen einen sehens-, lesens- und begehrenswerten Eindruck. Jedes der drei Hefte ist ein Ergebnis aus Kollabos zwischen

kinki media spezial

‹best of both worlds› und spiegelt den Dialog zwischen Literatur und Gestaltung wider: Ein schreibender und ein visueller Künstler erarbeiteten bei einem Abendessen ein Thema, das sie anschliessend in einem Zusammenspiel von Lyrik und Fotografie, Prosa und Illustration, avanciertem Schreiben und Grafik zu Papier brachten. Frank Höhne und Juliane Liebert zeigen ‹Des Kaisers neue Frise›, die in Wirklichkeit eher eine Glatze ist. Tanja Kernweiss und Ulrike Almut Sandig produzierten ‹Zusammen sind wir ein Feuer›, das um die Themen Trauer und Verlust kreist. Das dritte Duo, Jörg Albrecht und SYT-Mitgründer Manuel Bürger, verbrachte für ‹Tendency Towards Complexity› einige Stunden in der New York Public Library und arbeitete dort einen idealen Studienreiseplan aus. Auf dem Gabentisch liegt somit ein liebevoll gemachtes, aufwendig produziertes Fanzine, eine Mischung aus Magazin und Künstlerbuch. Die SYT-Ausgaben sind aber nicht nur Leckerbissen für die Augen, sondern auch haptische

Höhepunkte. In einer Auflage von jeweils 250 Stück erfreuen die Magazine mit Rückstichheftung und Mockupbindung, können also von beiden Seiten durchblättert werden. Jede Publikation ist handgemacht und von den Künstlern persönlich signiert.

Über die Blätter hinaus Das Kollektiv Shake Your Tree beschäftigt sich seit 2003 mit der Magazinproduktion und entwickelte sich über die Jahre zu einem Netzwerk aus Künstlern, Fotografen und Illustratoren, Musikern und Schreiberlingen, das sich in Ausstellungen, Performances und Partys kreativ entlädt. Auf der Website der SYT-Edition zeigen die Macher aktuelle und geplante Entwicklungen, Making-of-Impressionen und alles, was im Heft selbst zu sehr von Text und Bild ablenken würde. syt-edition.net shakeyourtree.com

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impressum Oktober / November 2010 Cover Michael Bader Redaktionsanschrift kinki magazine Mööslistrasse 3, 8038 Zürich T +41 44 271 09 00 F +41 44 271 09 02 kinki magazine Büro Zürich Mööslistrasse 3 8038 Zürich Büro Stuttgart Falbenhennenstrasse 5 70180 Stuttgart Büro Berlin Wissmannstrasse 2 12049 Berlin Geschäftsführung mark.mirutz@kinkimag.ch Projektleitung melania.fernandez@kinkimag.ch Marketing cathrin.michael@kinkimag.ch Marketing Assistenz cynthia.hanimann@kinkimag.ch Aboservice kinkimag.ch/abo | abo@kinkimag.ch Online orange8 interactive ag, orange8.com Auflage 60 000 Druck Werk zwei Print + Medien GmbH Einzelverkauf /Abonnement Pro Ausgbe: CHF 6 (Schweiz) / 4 (Deutschland) / 4.50 (Östereich) 11 Ausgaben: CHF 58 (Schweiz) / 50 (Deutschland) / 60 (Österreich) Vertrieb Schweiz VALORA AG, valora.com Vertrieb International stella distribution GmbH Frankenstrasse 7 20097 Hamburg Schrift Suisse Sans von Ian Party ianparty.com

Chefredaktion matthias.straub@kinkimag.ch, (ms) Stv. Chefredaktion rainer.brenner@kinkimag.ch, (rb) Redaktion florence.ritter@kinkimag.ch, (fr) martina.messerli@kinkimag.ch, (mm) antonio.haefeli@kinkimag.ch, (ah) mathias.bartsch@kinkimag.ch, (mb) katja.mueller@kinkimag.ch, (km) paula.kohlmann@kinkimag.ch, (pk) bastian.steineck@kinkimag.ch (bs) dinah.brunner@kinkimag.ch (db) Art Direction anja.mikula@kinkimag.ch helena.dietrich@kinkimag.ch Fotografie Michael Bader, Linus Bill, Polly Borland, Jack Dante, Stephen Gill, Pino Gomes, Sarah Maurer, Philippe, Anja Schori, David Spaeth, Yves Suter, Daniel Tischler, Edwin Tse

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Illustration Anja Mikula, Adrian Riemann, Benedikt Rugar, Patric Sandri, Anne Vagt

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Bildbearbeitung, Grafische Gestaltung anja.mikula@kinkimag.ch helena.dietrich@kinkimag.ch ellin.anderegg@kinkimag.ch Chefredaktion Online florence.ritter@kinkimag.ch

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Onlineredaktion martina.messerli@kinkimag.ch antonio.haefeli@kinkimag.ch rita.greulich@kinkimag.ch daniel.lassak@kinkimag.ch

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Lektorat petra.moser@kinkimag.ch Promotion denise.buelow@kinkimag.ch franziska.bischof@kinkimag.ch

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Freie Mitarbeit Ramona Demetriou, Nicola Fischer, Tin Fischer, Cathrin Michael, Anja Mikula, Roman Neumann, Adrian Schräder, Noémie Schwaller, Laurence Thio, Rahel Zoller

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Die nächste Ausgabe gibt es ab dem 15. November!

foto des monats Cathrin Michael zeigte uns diesen Monat ihre sprichwörtliche Umsetzung des Begriffs ‹Augenbinde›, welche Ausdrücke wie ‹Tomaten auf den Augen› oder ‹Liebe macht blind› in ein ganz neues Licht rücken und Cathrin neue Ebenen der sinnlichen Erfahrung erkunden liess. Ausserdem erzählt dieses Bild nicht nur von Cathrins reichem Erfahrungsschatz, sondern bietet auch einen wunderbaren Vorgeschmack zum Heftthema der kommenden Ausgabe: Leidenschaft.

Ausschneiden und ab damit an: kinki magazine Mööslistrasse 3 8038 Zürich

Foto: Florences iPhone

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‹Man kann harmonische Gefühle zu einer Maschine empfinden.›

Robots don’t sleep Robert ‹Robot› Koch ist ein wahrer Tausendsassa: Als Mastermind von Jahcoozi, als Produzent und DJ, in früheren Jahren unter dem Pseudonym The Tape, Robot Koch und mit zahlreichen Projekten im Bereich Film-, Werbeoder Gamemusik ist das Berliner Multitalent mittlerweile ein gefragter Mann im internationalen ProduzentenKosmos. Text und Interview: Antonio Haefeli, Foto: Yves Suter kinki musik

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och angefangen hat für ihn, wie er selber sagt, alles mit dem beatorientierten Sound des beinahe schon legendären Labels ‹Ninja Tunes.› So fanden sich in seinen ersten Tracks als The Tape auch klare Referenzen zu Künstlern wie DJ Shadow oder The Herbaliser. 2005 debütierte er dann mit Rapper RQM zusammen auf dem Berliner Label ‹Kitty-Yo› mit seinem ersten Langspieler. Der Sound von Robot Koch entwickelte sich aber zügig weiter und fand in der Kollaboration mit der Londoner Sängerin Sasha Perera und Bassist Oren Gerlitz aus Tel Aviv unter dem Namen Jahcoozi einen Wendepunkt. Etwas weiter weg vom Hip-Hop und Downbeat der Neunzigerjahre wurden die Produktionen nun experimenteller, komplexer und individueller. Und so wurde Robert Koch zu dem vielbeschäftigten Mann, der er heute ist. Mittlerweile betreibt Koch nämlich sein eigenes Label mit dem bezeichnenden Namen ‹Robots don’t sleep› und hat allein in diesem Jahr die neue Jahcoozi-Platte ‹Barefoot Wanderer› auf Bpitch Control rausgebracht, seine EP ‹Listen To Them Fade› vollendet, für andere Künstler geremixed, was das Zeug hält und dann auch noch diverse Live-Gigs von Low End Theory in L.A. bis zum Sonar Festival in Barcelona gespielt. Und als ob da noch nicht genug los wäre (das Jahr ist ja auch noch nicht vorbei), kam im September auch noch sein zweites Robot Koch-Album ‹Songs For Trees And Cyborgs› auf seinem eignen Label raus. Als der wahnsinnig sympathische ‹Soundaholic› in Luzern Halt machte, schnappten wir

ihn uns und sprachen mit ihm am lauschigen Vierwaldstädtersee, in Gesellschaft von Enten und jungen Schwänen, über das Leben als Roboter, Schlaflosigkeit und Freundschaft zu Maschinen.

Interview kinki magazine: Bist du ein flexibler AllroundRoboter oder eher für eine Mission konzipiert worden? Robot Koch: Also irgendwie bin ich schon ein Allround-Musik-Produktions-Roboter. Aber ‹Mission› find ich auch schön. Das wird jetzt vielleicht etwas spirituell, aber ist ja egal. Beim Stichwort ‹Mission› denke ich eher daran, was mein Antrieb ist, das alles zu machen. Und wenn ich darüber nachdenke, dann ist mein Antrieb nicht, dass ich mit meinem Zeugs viel Geld verdiene – was natürlich schon auch schön ist, denn mittlerweile kann ich davon leben – sondern eigentlich denke ich da eher daran, was mich als Kind geflasht hat an Musik, und was sie in mir bewirkt hat. Um diese Energie – darum Spiritualität – geht es mir. Für mich ist mein Antrieb, die Energie weiterzugeben. Wenn ich es schaffe, mit meiner Musik heute das gleiche mit Menschen anzustellen, was andere mit mir angestellt haben, dann habe ich meiner Meinung nach diese Energie weitergegeben. Mal angenommen du wärst wirklich ein Roboter: Wie würdest du dann wohl aussehen? Wahrscheinlich wäre ich so etwas wie ein Tier-Roboter. Weisst du, so wie diese Transformers. Da gabs nämlich so eine Tape-Kassette, die sich in einen Panther verwandeln konnte. So eine Art Roboter wäre ich wahrscheinlich. Vielleicht nicht unbedingt ein Panther, der würde jetzt nicht so zu mir als Person passen. Dann wohl eher ein Fuchs oder so. Ein kleines Tier, schon auch ein Raubtier, latent gefährlich, aber eben nicht ganz so schlimm … (lacht) Also schon eine transformierbare Maschine, die unterschiedliche Dinge machen kann. Was wären denn deine speziellen Fähigkeiten als ‹Robo-Fuchs-Transformer›? Hm, also vielleicht wäre ich so etwas wie ein spiritueller Roboter, der dieses Energieding transzendiert, aber eben mit Musik. Zurück zu dir als Mensch. ‹Robots don’t sleep› ist so etwas wie ein Leitspruch von dir. Was hat es damit auf sich? Ich habe aus meiner Schwäche eine Stärke gemacht. Ich habe jahrelang unter Schlaflosigkeit gelitten. Ernsthaft, ich habe deswegen im Krankenhaus gelegen, Schlaflabor und das ganze Programm … Also kurz gesagt: Ich konnte einfach nie 111

schlafen. Ich bin auch heute noch jemand, der nicht in jeder Position und Kondition schlafen kann. Heute Abend werde ich bestimmt auch nicht schlafen, denn im Club, wo ich spiele, haben die so Feldbetten und da schlafe ich dann mit John Robinson, Lewis Parker und Gordon, drei Schwergewichte und Schnarchmeister. Ich habe vorhin schon während der kurzen Pause, die wir hatten, gemerkt, dass das wohl ein richtiges Schnarchkonzert wird heute Nacht. Dann bleiben wir mal noch in der Zeit vor dem Schlafengehen, und damit bei deinen Gigs. Ich habe mich gefragt, ob es eigentlich möglich wäre, dass ein Roboter dein Live-Set übernimmt? Klar, ich wünsche mir manchmal sogar, ich hätte so einen Roboter, der das alles für mich erledigt. Der einfach auf Automodus stellt, die Show rockt und mir dann in einem kleinen Klingelbeutel die Gage mit nach Hause bringt. Nein, ernsthaft, mein Ding ist tatsächlich eher die Arbeit im Studio. Also eher das Produzieren als das Live-Spielen. Nicht, dass ich es nicht geniessen würde auf der Bühne zu performen und direktes Feedback zu bekommen. Aber meine Leidenschaft ist das Musik-Herstellen, neue Musik zu erschaffen. Auf der Bühne ein Roboter, im Studio Robot Koch. Dann wärt ihr ja quasi ein Team. Denkst du, dass zwischen einer Maschine und einem Menschen Freundschaft möglich wäre? Ja, auf jeden Fall, das ist gar nicht abwegig. Denn Cyborgs existieren ja. In dem Sinne, dass es Menschen mit künstlichen Körperteilen gibt. Der prozentuale Anteil an Maschine und Mensch ist ja nicht definiert, also ab wann ist jemand ein Cyborg oder ein Roboter? Künstliches Hüftgelenk oder ein kompletter Hightech-Arm? Da kann man sich dann fragen, was macht eigentlich einen Menschen aus? Naja, ich dachte da eigentlich auch eher an Freundschaft zu richtigen, komplett aus Maschine bestehenden Robotern. Könnte denn ‹so etwas› beispielsweise ein Kumpel von dir sein, der beim Produzieren an deiner Seite sitzt und mit dir Kaffee trinkt? Schwer zu sagen, aber im Endeffekt glaube ich schon, dass ‹so etwas› ein Freund sein kann, in dem Sinne, dass man dieser Maschine freundlich gesinnt ist, weil sie hilfreich ist. Ich habe beispielsweise ein altes Keyboard, zu dem ich auch eine Art Verbundenheit empfinde, und es hilft mir, die Töne zu erzeugen, die ich brauche. Ich würde es vermissen, wenn ich es nicht mehr hätte – so wie man auch einen Freund vermissen würde. Natürlich geh ich nicht soweit, dass ich einen echten Freund mit diesem Keyboard vergleichen würde, aber man kann schon harmonische Gefühle zu einer Maschine haben. Weitere Info zu Robot Koch findet ihr unter robotsdontsleep.com und myspace.com/robotkoch.


schauplatz die besten adressen für kunst

Die Christophe Guye Galerie hat ihre Tore in Zürich eröffnet und präsentiert Künstler, deren Arbeiten in der Schweiz bislang untervertreten waren. Der Fokus liegt auf ausgewählten Künstlern der internationalen Gegenwartsfotografie und in der Förderung von Jungtalenten. Text: Dinah Brunner

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Oben rechts: Stephen Gill, Untitled (from ‹The New York Flower Series›), 2009 Oben links: Galerie Christophe Guye Unten links: Linus Bill, Untitled (from ‹Too Cool for School›), 2008

kinki schauplatz

m heutigen sogenannten ‹digitalen› Zeitalter nennt sich schnell mal einer Fotograf, weil ihm der letzte Ferienschnappschuss besonders gelungen ist, oder weil er mit seinem neuen iPhone jetzt auch HDR-Bilder knipsen kann. Doch gibt es sie noch: Die Szene der ‹professionellen› Fotografen, deren zeitgenössische Kunst die Aufmerksamkeit renommierter Galerien auf sich zu ziehen vermag. Und eine dieser Galerien ist die Christophe Guye Galerie. 2006 wurde sie in Los Angeles vom Zürcher Kunsthändler Christophe Guye gegründet. 2008 wurde diese geschlossen und als Onlinegalerie weitergeführt, während Guye die Geschäftsleitung der Galerie zur Stockeregg in Zürich übernahm. Zwei Jahre später eröffnet er nun seine erste eigene Schweizer Galerie. Damit erfüllt sich der ehemalige Werber einen Herzenswunsch: ‹Zürich spielt in der Kunst sowie in der Fotografie eine besondere Rolle. Hier ist ein Publikum von Kennern und

Liebhabern, für das es hochinteressant ist, Künstler zu entdecken, zu fördern und auszustellen.›

17 feste Fotografen aus der ganzen Welt Mitten im Herzen der Stadt, direkt hinter dem Opernhaus an der Dufourstrasse liegt sie, die Christophe Guye Galerie. Beinahe wäre ich an der unscheinbaren Hausnummer 31 vorbeigelaufen, wären da nicht die beiden Schaufenster, die den Blick auf 130 m2 moderne Fotografie lenken. Einmal drin, bietet viel weisse Wand Platz für die Werke etablierter Künstler, als auch für die der neuen Generation. Da hängen Bill Hensons neben Esther Mathis und Michel Comtes neben Linus Bills. Eine Leiter steht vor einer Fotografie des jungen Briten Stephen Gill. ‹Ein Kunde wollte sich das Werk aus nächster Nähe anschauen›, lautet die Begründung. Guye setzt auf ausgewählte Fotografen der internationalen Gegenwartsfotografie und auf eine 112

intensive Förderung von jungen Künstlern. Im Zweimonatsrhythmus werden auserlesene Werke von 17 festen Fotografen aus der ganzen Welt ausgestellt. Darunter auch Sam Samore, Ola Kolehmainen und Anthony Friedkin. Weiter werden dem Besucher Gastkünstler präsentiert sowie national und international ausgerichtete Ausstellungen von bekannten Kuratoren gezeigt, welche sich am Diskurs der zeitgenössischen bildenden Fotokunst beteiligen. Die Galerie bietet ausserdem eine Auswahl vergriffener oder limitierter Editionen von Fotokunstbüchern und -Magazinen. Montag bis Freitag, 11 – 19 Uhr Samstag, 11 – 18 Uhr Christophe Guye Galerie Dufourstrasse 31 8008 Zürich christopheguye.com



henry und paul

Die mit den Zitronen. Und Selbstmördern. Und Katholiken. Text: Roman Neumann, Foto: Philippe Sir? Sprich, Henry. Schmeckt es Ihnen? Jaja. Oh. Nur jaja? Willst du einen verdammten Orden dafür haben, Henry? Was zum Teufel ist eigentlich das gelbe Zeug hier? Hummer-Carpaccio mit Zitronensaft, Sir. Ach, den Hummer schmecke ich gar nicht. Die Zitrone hättest du dir sonst wohin schieben können. Mit Verlaub, das wäre tödlich gewesen, Sir. Was faselst du da, Henry? Sir. Der Darm ist basisch. Der Zitronensaft würde die Darmzotten daran hindern, Nährstoffe aufzunehmen. Man könnte soviel essen wie man wollte, würde dabei aber trotzdem verhungern. Was für ein Schwachsinn, Henry! Theoretisch ist das so, obwohl dazu Unmengen von Zitronensaft nötig wären. Soso. Ist das nachweisbar? Ich meine, nach dem Tod. Kann der Gerichtsmediziner Zitronensaft als Todesursache nachweisen? Weshalb wollen Sie das so genau wissen, Sir? Haben Sie Pläne? Ich dachte nur. Letztens gab es doch diesen Selbstmord in der Nachbarschaft.

wie er da gehangen habe, schrecklich sei’s gewesen. ‹Mein Beileid, Frau Meier› – sie stopfen sich die Mäuler am Buffet und verreissen sich das Maul, als ob es kein Morgen gäbe.

Ja, der arme Mann. Aber er hat sich aufgehängt, Sir, nicht etwa mit Zitronensaft … Und nun stell dir denjenigen vor, der ihn gefunden hat, z. B. seine eigene Frau. Ist das nicht schrecklich, Henry? Du kommst nach Hause und da hängt dein Mann am Balken.

Worauf wollen Sie hinaus? Wie schön wäre es, wenn sich die Zitronensaft-Suizidmethode durchsetzen würde. Keine Diskussionen. Niemand weiss, woran man gestorben ist. Kein Getratsche mehr. Und ein schönerer Anblick ist’s auch.

In der Tat, Sir, also ich möchte das nie erleben. Na siehst du. Und wie schrecklich ist es an der Beerdigung? Da tuschelt sie, die BeerdigungsGesellschaft, hat was zu tratschen,

Sir, bei allem Respekt, das ist makaber. Quatsch. Die Realität ist nun mal makaber. Wobei ich gelesen habe, dass sich Katholiken seltener umbringen als Konfessionslose.

kinki henry und paul

Wirklich, Sir? Ja, Henry. Hat irgendeine Studie ergeben. Vielleicht eignen sich Zitronen sogar mal als Drohmittel. Anruf bei der Dargebotenen Hand: ‹Ich habe Zitronen und ich werde sie benutzen!› Ach, Sir. Schon gut, Henry. Und jetzt gib mir noch was von dem HummerDings. Gerne, Sir. Ich mag Zitronen, Henry. Ich mag sie wirklich.

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