kinki magazin - #33

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nr. 33 februar / märz 2011 chf 6,00 (schweiz) eur 4,00 (deutschland) eur 4,50 (Üsterreich) eur 8,00 (nederland)


1”: Startsequenz am Kicker

13”: Alley Oop mit Überblendung

29”: Schuss auf unverspurten Lines als Freeze

42”: Zoom auf Manu, sexy lächelnd

60”: Powder pur mit Tiefenschärfe

DEIN VIDEO. DEIN CONTEST.

FILM YOUR STYLE. STYLE YOUR FILM: Zeige uns in Deinem eigenen Video, was Du an der Kamera drauf hast. Lade Deinen Film (60 Sekunden) bis zum 31. März 2011 auf die Online-Plattform und stelle Dich dem Auswahlverfahren. Zu gewinnen gibt es ein exklusives Video-Camp mit den Filmprofis Patrick Armbruster und Charles Michel sowie eine Video-Ausrüstung von Sony. Check it out: www.snowlive.ch


auftakt essen fassen / essen lassen

Lieber Leser. Der ‹Individuelle Genuss› scheint sich beim Rangeln um die besten Plätze des menschlichen Wertesystems mal wieder in Ellbogenmanier weit vorne positioniert zu haben – sei es der Konsum von Klängen, Bildern, Erlebnissen, Emotionen, Anerkennung oder Nahrung. Um letzteres wollen wir uns in dieser Ausgabe kümmern, nicht ohne im Auge zu haben, dass es in Zeiten von Allyou-can-eat vs. Himalaya-Gourmet-Salz gar keine vorbelastete Beziehung zum Essen geben kann: Wir stopfen uns voll, geniessen in Massen, verzichten auf Kohlenhydrate, erfinden neue Essstörungen, kaufen nur noch beim Erzeuger und halten BSE für eine gerechte Strafe. Dann sich doch lieber mit Sahne einsprühen und ablecken lassen! Orale Sinnlichkeit muss längst mehrdimensional gedacht werden. Schliesslich fängt Nahrung nicht erst auf der Gabel an und hört längst nicht bei der CO2 -Diskussion auf. Das grosse Fressen ist Lust und Laster, Wurst und Zaster. Alles Käse? Quatsch mit Sosse! Deine mundwässrige kinki Redaktion

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[LI F E A F T E R S KATE]


2011

WeActivist CHRIS PASTRAS SHOT BY CHERYL DUNN www.wesc.com


STOP

WHALE

G N I L KIL Die rücksichtslose Überfischung der Ozeane hat verheerende Ausmasse angenommen und gefährdet unsere maritimen Ökosysteme. Alleine durch Beifang werden jährlich fast eine Million Wale, Delfine, Robben und Meeresschildkröten sinnlos getötet. Trotz internationaler Abkommen werden Walfangverbote bis heute ignoriert, viele Arten sind inzwischen vom Aussterben bedroht. Seit über 30 Jahren kämpft Greenpeace für die Einrichtung von weltweiten Schutzgebieten und für ein Verbot der Waljagd. Unterstützen Sie uns mit einer SMSSpende und helfen Sie uns, unsere kostbare Umwelt zu schützen.

Jetzt handeln!

Für eine SMS-Spende «GP STOP» und «Betrag» an 488 senden. (Beispiel für CHF 20.-: GP STOP 20)


www.greenpeace.ch/spenden


inhalt

standard

Auftakt 03 Inhalt 08 Neuzeit 10 kinkimag.ch 16 Klagemauer 18 Abo / Impressum 108 Kopfkino 110 Maske 112 Henry & Paul 114

20

40

report

Geschmacklos 30 Wortlaut: Stevan Paul 34 Immer der Nase nach? 46 Barfliegen 50 Querschläger: Zeynel Demir 54 Die letzte Waffe 64 Sweet Zeitgeist 88

musik

Interview: Chairlift 68 Vorspiel: Cult of Youth 70 Interview: HGichT 72 Lieblingslieder: Adrian Hoenicke 74 Verhör 76

mode

‹La grande bouffe› von Maxime Ballesteros 20 Vom Schuster an die Leisten 28 ‹I want candy› von Núria Rius 78 Das Innere als Regenbogen 86

kunst

La grande bouffe

98 Maxime Ballesteros

The Eatmes Olaf Breuning

56

Les arts de la table 36 ‹The Eatmes› von Olaf Breuning 40 ‹You are what you eat › von Mark Menjivar 56 ‹Exessive waste› von Lee Price 90 Interview: Ian Anüll 96 ‹Like every day› von Shadi Ghadirian 98 Schauplatz: White Trash Contemporary 106

Like every day kooabaisiert [ Ergänzungsmaterial auf kooaba.com ]

kinki inhalt

Shadi Ghadirian

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You are what you eat Mark Menjivar


90

Excessive waste Lee Price

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zugabe

Jens Dierolf

Núria Rius

Schon mehrfach ist unser Autor Jens Dierolf in den Hungerstreik getreten. Für ein Abendessen mit seiner Lieblings-Fadosängerin oder für einen Studienplatz als Luft- und Raumfahrtingenieur. Er wurde immer ignoriert und brach ab. Neidisch blickt er auf prominente Nahrungsverweigerer. Sein Trauma hat der gelernte Ethnologe und Politikwissenschaftler in einem Beitrag über Hungerstreiks verarbeitet. Dass Jens keineswegs Nahrung verschmäht, sondern diese sogar ganz gut selber zuzubereiten weiss, beweist sein leckeres Rezept für eine ‹Tommy-ToeSpinny-Orzo-Suppe›, das er auf kinkimag.ch mit euch teilt. – S. 64

Alles begann im Alter von 14 Jahren in der Metzgerei von Núrias Mutter in Barcelona. Hier fand nämlich Núrias erster Kontakt mit dem Berufsleben statt, und als die heute 31-Jährige die Kunstschule besuchte, war sie bereits in der ganzen Stadt für ihre unverwechselbaren Burger bekannt. Nach der Kunstschule folgte Núria ihrem Traum und studierte Fotografie. Heute arbeitet sie als selbständige Fotografin und lebt in London und Barcelona. Ihr Rezept für eine richtig deftige Tortilla de Patatas findet ihr diesen Monat auf kinkimag.ch, ihr Talent als Fotografin beweist sie mit einer wunderschönen Modestrecke in diesem Heft. – S. 78

Rita Preuss

Olaf Breuning

Rita Preuss kam vor vier Jahren aus dem hohen Norden in die Schweiz und ist leidenschaftlicher Dessert- und Schokoladenfan. Nach ihren Erfahrungen in der Berliner Kultur- und Zeitungslandschaft arbeitet sie als freie Redaktorin in Zürich. Für uns unterhielt sie sich mit dem Künstler Ian Anüll und steckte ihre Nase in die Welt des Geruchsdesigns. Ihr Leibgericht ist übrigens die Avocadocreme. Wie man die am besten zubereitet, verrät sie euch auf kinkimag.ch. – S. 96

Die Ausstellungsliste des in Schaffhausen geborenen Künstlers Olaf Breuning ist lang und vielseitig. Seit über 15 Jahren stösst Breuning nämlich dies- und jenseits der Landesgrenzen mit seinen Installationen, Fotografien, Skulpturen, Zeichnungen und Filmen auf interessiertes Publikum. So fanden auch seine ‹The Eatmes›, welche uns Breuning in dieser Ausgabe vorstellt, bereits 2007 im Mori Museum in Tokio erste Freunde. Und auch wenn sich über den wahren Geschmack dieser kulinarischen Truppe vielleicht streiten lässt: gefallen werden sie wohl überall. – S. 40

Geschmacklos Was, wenn man praktisch über Nacht seinen Geschmacksinn verliert? Und zu allem Übel auch noch als Koch arbeitet? Laura Studer traf sich mit dem Mann ohne Geschmack. 9


neuzeit

holz holz zeiger Dänisch-britisches Bündnis zieht an die Onlinefront.

agenda

02 21.02. tu fawning Marienberg, Rorschach

29.01. – 12.03. ausstellung: tarek abu hageb Galerie Daeppen, Basel 22.02. hercules and love affair Abart, Zürich 24.02. – 27.02. ausstellung: katrin wegemann Gastatelier Altes Spital, Solothurn

Frontline macht’s möglich: Dank des deutschen Onlineshops kommt die Kollaboration zwischen dem britischen Schuhlabel Pointer und dem dänischen Designer-Trio Wood Wood an unsere Füsse und beschert uns eine Neuauflage des Pointer Cargos für das Herrenschuhregal: handgemacht in Portugal, verbindet der weiche Wildlederschuh das Beste beider Brands. Wood Woods Aufgabe war es, dem traditionellen Design des Schnür-

schuhs eine frische Note zu verpassen. Deswegen kommt der neue WW Cargo in den Farben Purple und Racing Green zum ersten Mal mit einer frechen Kreppsohle aus dem Schuhkarton. Verschiedene Schnürsenkel aus Cord verleihen den Tretern zudem das besondere Tüpfelchen Farbe. Das limitierte Modell ist ab Anfang Februar 2011 exklusiv im Frontline Shop und in Wood Wood Stores erhältlich. (fs) frontlineshop.com

nichtigkeiten auf dem teller Auch der ortskundige Berner muss ein bisschen danach suchen. Zwar liegt das neue ‹Café & Canaperia Fariboles› in unmittelbarer Nähe der spärlich gesäten Sehenswürdigkeiten der Hauptstadt, nur eben etwas versteckt, so dass man den Eingang des kleinen Lokals im Vorbeigehen glatt übersehen könnte. Dennoch ist das Ende Oktober eröffnete Lokal im Herzen der Altstadt längst kein Geheimtipp mehr, sondern geniesst den Ruf eines gemütlichen Cafés und einer fabelhaften Canaperia, die für den schnellen Hunger am Mittag ebenso wie für das gemütliche Verweilen im Lokal kulinarisch immer das Richtige bereithält. Ja, ‹Verweilen› kinki neuzeit

ist das richtige Stichwort, denn obwohl die Ladenfläche klein ist, gehört zu der stilvollen Einrichtung ein langer Tisch, der geradezu zum Plaudern einlädt – zum Austausch von ‹fariboles› eben, was umgangssprachlich für ‹Belanglosigkeiten› oder ‹Geschwätz› steht, wie der gewissenhafte Blick in das Französisch-Wörterbuch verrät. Und das schmeckt eben bei reichhaltig belegten Canapés mit Zutaten aus der Region, bunt gemischt mit Ingredienzien, die einem gedanklich schon in den Sommerferien wähnen lassen, doppelt so gut. (mm) fariboles.ch

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25.02. eternal tango, henchman, slag in cullet KiFF, Aarau 26.02. ‹liebling›: ein unterhaltungsabend präsentiert vom büro destruct Dampfzentrale, Bern 26.02. this is tigerr (feat. caitlin rose) Komplex, Zürich 28.02. the hundred in the hands Mascotte, Zürich

03 02.03. joan as policewoman Palace, St.Gallen

03.03. neon party feat. the sexinvaders, mumdance Hive, Zürich 08.03. those dancing days Mascotte, Zürich 17.03. insane festival feat. leeroy thornhill, smash hifi uvm. Kofmehl, Solothurn 17.03. neon party feat. you love her cause she’s dead (kitsuné), ryan riot uvm. Hive, Zürich 18.03. the do Komplex 457, Zürich 31.03. neon party feat. la riots uvm. Hive, Zürich


kinki präsentiert: the vaccines Klingen manchmal ein bisschen wie von vorgestern, sind aber auch übermorgen ihrer Zeit noch um Längen voraus: The Vaccines touren durch Deutschland.

Die Diskussion über Sinn und Unsinn diverser Schutzimpfungen ist seit dem Ausbruch der Schweineund Vogelgrippe in aller Munde. Dass man sich Impfstoff neuerdings auch auditiv zuführen kann, ist keine bahnbrechende Entwicklung der Pharmaindustrie, sondern der Verdienst der britischen Band The Vaccines. The Vaccines sind retro. So retro, dass als Referenzpunkt für allfällige Vergleiche weit, weit hinten in der Plattenkiste ge-

gekochte kleider

wühlt werden muss, um die Band schliesslich den Ramones gegenüberzustellen. Doch der Sound der Vaccines ist vielschichtiger. Da ist das schnelle, straighte Schlagzeug von Pete Robertson, Árni Hjörvars solider Bass, wavige Gitarren-Riffs von Freddie Cowan und der verträumte Gesang von Frontmann Justin James HaywardYoung aka Jay Jay Pistolet. Obwohl das erste Album der vier Londoner, die übrigens immer die gleichen Schuhe tragen, um ihre gegenseitige Verbundenheit zum Ausdruck zu bringen, erst am 21. März erscheinen wird, stehen The Vaccines ganz oben auf der BBC Longlist fürs Jahr 2011, und bereits im vergangenen Oktober mussten an einem Konzert in London gut 200 Fans aus Platzgründen abgewiesen werden. Gut möglich also, dass auch die hiesigen Clubs aus allen Nähten platzen werden, wenn die Band diesen Frühling durch Deutschland und hoffentlich bald auch durch die Schweiz touren wird. The Vaccines impfen uns mit einer Dosis Rock’n’Roll, nicht immer ganz schmerzfrei, Nebenwirkungen unbekannt. (mm)

Die Auberginen schlängeln sich lasziv über die Schultern und um die Hüften. Ein Kleid, hergestellt aus Essen. Schon bald wird es ‹verwelken›, denn seine Schönheit ist nur von kurzer Dauer. ‹Zubereitet› wurde es von der jungen koreanischen Künstlerin und Fotografin Yeonju Sung. Aus verschiedenen Lebensmitteln stellte sie für ihr Projekt ‹Wearable Foods› vergängliche Kleider her, die sie im Moment ihrer Blüte fotografierte. Als ‹Stoff› für ihre Kollektionen verwendete sie teils exotische Gemüsesorten und Früchte, aber auch Fleisch, Shrimps, Kaugummi, Brot oder Eier. Der Künstlerin geht es darum, in ihren Bildern die Illusion zu erzeugen, die Kleider seien tragbar, ihre Fantasien für kurze Zeit real werden zu lassen. Gleichzeitig möchte Sung damit Sieht zum Anbeissen aus und überzeugt auch geschmacklich: die Kleider der koreanischen Künstlerin Yeonju Sung.

27.2. Molotow, Hamburg 7.3. Comet, Berlin 8.3. Studio 672, Köln thevaccines.co.uk

experimente statt kino Die Lust am Experimentieren kann im Kino auch vor der Leinwand ausgelebt werden. Das wird am Zürcher Filmfestival der EWZ vom 16. bis 27. Februar im EWZ-Unterwerk Selnau und im Arthouse Le Paris einmal mehr unter Beweis gestellt. Auch dieses Jahr haben sich die Macher einiges einfallen lassen, um uns zu überraschen, zu irritieren und natürlich köstlich zu unterhalten. Im ewz.stattkino verschmelzen Film und Vorführung zum Gesamtkunstwerk. Leinwandklassiker werden live neu synchronisiert und vertont, Coppolas Trilogie ‹Der Pate› wird zu einem patchworkartigen Remix zerschnipselt und Tarzan johlt in astreinem Schweizerdeutsch durch die Häuserschluchten New Yorks. Doch das ist noch lange nicht alles: Es gibt Filme mit DJ, mit Lesungen, mit

Livemusik oder mit aromatischer Untermalung. Und weil dieses Programm so unglaublich vielfältig ist und man sich fast nicht entscheiden kann, was man sich denn nun zu Gemüte führen soll, verlosen wir gleich dreimal zwei Eintritte ins ewz.stattkino. Folgende Vorführungen stehen euch zur Auswahl: ‹Der Pate I-III Remix› (18.2.), ‹Barbarella› − der total unterschätzte Kultfilm aus den 80ern (23.2.), und der Stummfilm ‹prix de beauté› mit Live-Vertonung von DJane Tarnover (24.2.). Also hopp, hopp, schreibt uns eine Mail mit eurer Adresse, dem Betreff ‹stattkino› und eurem Wunschfilm an wettbewerb@kinkimag.ch und mit etwas Glück seid ihr an diesem synästhetischen Erlebnis ganz umsonst dabei! (ah) ewz.stattkino.com

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begriffliche Konventionen hinterfragen: ‹Ich erzeuge meine eigene Realität, indem ich ein völlig fremdes Set von Bildern erzeuge, das die konventionellen Begriffe «Essen» und «Kleidung» aufbricht›, meint Sung. Das Spiel mit der Realität ist ein Thema, das die 25jährige, in Seoul geborene Künstlerin sehr zu beschäftigen scheint. ‹Meine Arbeit oszilliert zwischen Realität und ‹‹Unrealität››. Sie erzählt von Dingen, die substanzlos sind, und von Dingen, die ihre Essenz verloren haben.› Das Medium Fotografie benutzt sie dazu, diese Substanzlosigkeit glaubhaft und real erscheinen zu lassen. Das Resultat sind wundersame Abbildungen von in höchstem Masse vergänglichen Objekten. (ah) yeonju.me


guess who’s next Mit einem lachenden und einem weinenden Auge blicken wir kommenden Monat ins Zürcher Niederdorf. Dort hat mittlerweile nämlich eine der bestsortierten Adressen für Kunst-, Design- und Architekturbücher, die Orell Füssli-Filiale ‹Krauthammer› an der Marktgasse, ihre Tore geschlossen. Doch wer sein Ohr dicht an den mit Plastikplachen verdeckten Bau hält, der wird bemerken, dass hinter den altehrwürdigen Mauern keineswegs Stille eingekehrt ist, sondern fleissig gehämmert und gebohrt wird. Seit der Übernahme Anfang des Monats werkelt nämlich das kalifornische Modelabel Guess an seinem bislang grössten Schweizer Flagstore. Seit bald 30 Jahren steht das als reine Jeansmarke gegründete Unternehmen für schön geschnittenes Beinkleid und hat sein Sortiment seit mehreren Jahren auch auf Schuhe und Accessoires sowie Uhren und

Schöne Aussichten: Guess eröffnet diesen März seinen Flagstore im Zürcher Niederdorf.

Store Opening übrigens am 17. März mit einem gross angelegten Gala Event. Bis dann hat das weinende Auge seinen Schmerz überwunden und das lachende freut sich ja

Schmuck ausgeweitet. Statt um Buchseiten geht’s ab Mitte März also an der Marktgasse 12 fortan um die mindestens ebenso schönen Seiten der Mode. Gefeiert wird das

mmmmusic …

Der Event m4music hat sich seit seiner Gründung vor 14 Jahren zu einem der wichtigsten Treffpunkte der Schweizer Indie- und Popmusikszene entwickelt. Jeden Frühling treffen sich im Zürcher Schiffbau und neu auch in Neuchâtel die Fachleute der Szene, also Musiker, Labels, Veranstalter, Medienschaffende und Vertreter der wichtigsten Organisationen, um die neuesten Entwicklungen und Trends zu diskutieren, Kontakte zu pflegen und zukunftsträchtige Newcomer zu entdecken. Ziel von m4music ist die Förderung von Pop- und Clubmusik mit speziellem Augenmerk kinki neuzeit

schon jetzt auf einen ersten Augenschein im zweistöckigen Label Store. (rb) guess.com

schmuck-veggies

auf Independent-Strukturen. So wird an der ‹m4music Conference› dank anregender Paneldiskussionen, spannenden Gästen und illustren Referenten die reflexive Auseinandersetzung mit Popmusik gepflegt und in die Öffentlichkeit getragen. Mit der ‹Demotape Clinic› beherbergt m4music auch einen der grössten und ältesten Bandwettbewerbe der Schweiz. Jährlich senden über 850 Bands und Solokünstler ihre Demos ein, um diese von Experten fachkundig beurteilen zu lassen. Die Besten werden von der Jury in den vier Kategorien Pop, Rock, Electronic und Urban mit dem ‹SUISA-Foundation-Award› ausgezeichnet. Nicht zuletzt kommt am m4music Clubfestival das Publikum in den Genuss etablierter Grössen, lokaler Bands und interessanter Newcomer, die auf den verschiedenen Bühnen des Schiffbaus zeigen, dass über Musik nicht nur gesprochen werden kann, sondern diese in erster Linie gespielt sein will. Das nächste m4music findet vom 24. – 26. März 2011 in Zürich und Neuchâtel statt. Das detaillierte Programm und weitere Info findest du demnächst unter m4music.ch. (mm)

Junges Gemüse für zarte Hälse. kvast bringt den Brokkoli von der Suppenschüssel in die Schmuckschatulle.

In unseren jugendlichen Tagen der Stilsuche hängten wir von HipHop- bis Hippie-Schmuck alles Mögliche an unsere Ohren, heute ist wieder das Dekolleté ‹the place to be› für feine Schmuckstücke. ‹Man ist, was man auf seiner Brust trägt› – das wiederum wussten auch schon die Hippies und HipHopper. Im Falle des Berliner Schmucklabels ‹kvast› isst man auch, was man um seinen Hals trägt: zum Beispiel Brokkoli und Erbsen. Die Designerinnen Verena Kern und Britta Knüppel tunkten nämlich ganz unbefangen Rohkost in den Silber- und Goldtopf und erhoben Erbse und Brokkoli zum kulinarischen Halsgeschmeide. Statt mit goldigen Schriftzügen, verstaubten 12

Traumfängern oder dem gewöhnlichen Brimborium an Anhängermotiven kann man sich nun mit filigranen und individuellen Einzelstücken, designt von Mutter Natur, schmücken, und garantiert verwunderte und entzückte Blicke auf sich ziehen. Und wer sich vegan oder vegetarisch verköstigt, kann mit den Silber- oder Gold-Veggies gleich noch ein Statement abgeben. Im Hause kvast gibt es übrigens ebenso einzigartige, kurze und lange Feinstrümpfe mit fotorealistischem Druck von handgearbeiteten Motiven wie Aquarellen und Stickereien. Auf diese ausgefallenen Ideen muss man erst mal kommen! (fr) kvast.de


film your style Werte Hobbyfilmer, Videokünstler, Freunde bewegter Bilder, Snowboardcracks und Schneebegeisterte, eure Aufmerksamkeit ist gefragt, denn seit kurzem läuft der Snowlive Video Contest. Ins Leben gerufen durch die Charles Michel Videoacademy und Sony, soll der Wettbewerb Skifahrern und Snowboardern die Freude am Filmen vermitteln. Also, nichts wie los und mit der Kamera ab auf die Piste. Bannt die Werke ganz nach dem Motto ‹film your style – style your film› auf eure Speicherkarten und reicht sie spätestens bis zum 31. März 2011 unter snowlive.ch ein. Die Filme werden auf dieser Onlineplattform veröffentlicht und dem strengen Auge des Publikums sowie einer Jury zur Bewertung vorgelegt. Das Voting läuft während des ganzen Monats März. Insgesamt sechs Auserkorenen winkt neben viel Ruhm und Ehre ein Videocamp, das vom 26. April bis zum 1. Mai 2011 mit den

Ganz genau, diesen Flash Camcorder von Sony gibt’s bei uns zu gewinnen. Deshalb renkt schnellstens euren Kiefer wieder ein und macht euch schleunigst an die Arbeit!

Starfilmern Patrick Armbruster und Charles Michel während der ‹Pleasure Spring Session› in Laax stattfinden wird. Zudem erhalten alle Gewinner jeweils eine hochwertige Videoausrüstung. Mehr Info dazu unter snowlive.ch. Ihr braucht jetzt

schon eine Kamera, um überhaupt am Wettbewerb teilnehmen zu können? Kein Problem, kinki verlost einen Sony CX700VE High Definition Flash Camcorder mit Weitwinkel-Objektiv, dem auch die weitesten Sprünge nicht entgehen.

Schreibt uns eine Mail mit Betreff ‹Sony Video Award› und eurer Adresse an wettbewerb@kinkimag.ch und lasst uns wissen, weshalb genau ihr diese Kamera gewinnen solltet. (mm) snowlive.ch

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flip-flops mit keilabsatz

dear reader … … wer bist du eigentlich? Wie siehst du aus? Was machst du den ganzen Tag? Und wo machst du, was du machst? Welche Rolle spielt das kinki magazin für dich dabei? Wie du siehst, wissen wir noch immer viel zu wenig über dich. Doch das soll sich schleunigst ändern! Lass uns deshalb an deinem Alltag und deinen Eskapaden teilhaben: schicke uns hochauflösende Fotos aus deinem spannenden, lusti-

gen, langweiligen, schönen oder traurigen Leben und eine kurze Erklärung zum Bild an info@kinkimag.ch. Das Leserfoto des Monats findet sich dann jeweils in den Reihen der Redaktion, gleich unter dem Impressum. Eine Auswahl weiterer Fotos wird auf unserem Blog vorgestellt. Wir freuen uns, dich kennenzulernen! Mit freundlichen Grüssen, deine kinki Redaktion.

Vorfreude, Frühlingserwachen, Blumenspriessen und überall schon luftige Frühlingsmode in den Boutiquen, die unseren Körper nach wohligen Temperaturen lechzen lassen. Nein, dieses Jahr kriegen sie uns nicht, die vorfreudigen, hibbeligen Frühlingsgefühle im Bauch, die dann doch vom Schneefall im März wieder niedergewälzt werden. Dieses Jahr wird alles anders, wir halten uns bedeckt, zügeln den Sonnenanbeter in uns und nehmen das Frühjahr dann, wenn es wirklich da ist. Hilfreich sein wird uns in dieser Zeit der ‹City Hiker›-Boot von flip flop. Seit 2004 produziert das deutsche Unternehmen flip flop – Hersteller unserer legeren Fussbekleidung von Frühling bis Sommer – nämlich auch ansehnlichste und bequemste Winterschuhe, die sich auffallend ansprechend von den gewöhnlichen Bootdesigns abheben. Verliebt haben wir uns in den City Hiker, der sich optisch am Oldschool-Wanderschuh orientiert und diesen mit einem urbanen Keilabsatz kombiniert. Aber auch das vom klassischen Schlittschuh inspirierte

Zeigt euch! Und bewundert euch (wie diese Leserin) schon bald selbst auf diesen Seiten.

paperboy Dank kooaba könnt ihr jeden Beitrag, der im Inhaltsverzeichnis mit dem kleinen Dreiecksymbol gekennzeichnet ist mit euerm Smartphone fotografieren, und erhaltet in Sekundenschnelle Hintergrundinformationen sowie zusätzliche Inhalte wie Videos und Musik. Zudem könnt ihr den Artikel via Facebook und E-Mail weiterempfehlen. Dazu müsst ihr euch lediglich die kostenlose App ‹kooaba Paperboy› runterladen und schon kann’s losgehen: Einfach die Paperboy-App installieren, in der Applikation ein Foto der Heftseite knipsen, und schon liefert euch Paperboy mittels Bilderkennungsprogramm automatisch digitale Extras zu der entsprechenden Seite. (ah) kooaba.com

kinki neuzeit

Modell ‹Ice Princess› ist reizend, ebenso wie die Modelle ‹Gama› oder ‹Kent› – ein eleganter Desert Boot für Frauen mit Absatz. In diesen schnieken Modellen scharren wir also mit trockenen Füssen dem Frühlingserwachen entgegen und wagen uns bei den ersten Sommerstrahlen gut besohlt durch die munter werdende Natur auf Wanderung oder flanieren durch die Stadt, bis die klassischen FlipFlops wieder zum Zug kommen. kinki verlost einmal das Modell ‹City Hiker› in Dunkelblau in der Grösse 38, schreibt einfach eine Mail mit Betreff ‹City Hiker› und eurer Adresse an wettbewerb@ kinkimag.ch. (fr) flip-flop.de

edition populaire no. 5 Für jeweils 2 Wochen werden im Edition Populaire an der Zürcher Lagerstrasse alltägliche DesignStücke ins richtige Licht gerückt.

Unser Alltag ist beherrscht von schlechtem Design. Es verfolgt uns vom Büro in die Einkaufszentren, macht selbst vor unseren eigenen vier Wänden nicht Halt und schleicht sich scheinbar mühelos auf unsere Nachttische und Regale. Die In-

terior Stylistin Aleli Leal und der Gastronom und Kulturmanager Kaspar Fenkart schaffen mit ihrem Projekt ‹Edition Populaire› nun aber Abhilfe und eröffnen vom 8. bis zum 19. März bereits zum fünften Mal ihr kleines Ladenlokal an der 14

Lagerstrasse in Zürich, um dort ausgewählte Gebrauchsgegenstände des alltäglichen Lebens feilzubieten. In ihr kleines und sorgfältig ausgewähltes Sortiment schaffen es qualitativ hochwertige Gegenstände mit klarer Formsprache wie beispielsweise der klassische Braun-Wecker von Designlegende Dieter Rams, eine Milchpfanne aus dem Hause Riess oder Unterwäsche von The White Briefs. Doch Achtung: ‹Äs hät, solang’s hät› und wenn der Laden diesen März nach zwei Wochen seine Pforten wieder für einen Monat schliesst, werden Bett, Schere und das heiss ersehnte Jasper Morrison-Telefon nur noch solange der Vorrat reicht online erhältlich sein. Weitere Info zu diesem aussergewöhnlichen Projekt findet ihr unter editionpopulaire.ch. (rb)


scanwiches for lunchtime Das Sandwich ist in der heutigen, von Take Away und Fast Food geprägten Esskultur das, was früher die Kartoffel war: ein Grundnahrungsmittel. Vom Znünibrot der Kinder zum Eingeklemmten für den Picknick-Ausflug bis hin zum Subway-Sandwich des gestressten Grossstädters − das Sandwich ist einfach die praktischste Form portablen Essens. Und obwohl sich Sandwichs aus den einfachsten Bestandteilen zubereiten lassen, eröffnen sich dennoch Tausende Kombinationsmöglichkeiten und entsprechende geschmackliche und qualitative Unterschiede. Visuelle Inspiration für die Vielfalt an Zutaten, die zu leckeren Sandwichs verarbeitet werden können, liefert die Website ‹Scanwiches›. Für sie hat sich der Designer, Scan-Addict und Sandwich-Liebhaber Jon Matthew Chonko tatsächlich über die belegten Brötchen dieser Welt hergemacht, sie halbiert und von seinem Scanner erfassen lassen. Tag ein, Tag aus gibt es auf scanwiches.com durchaus ansprechende Querschnitte von Sandwichs, belegt mit Lobster, Prosciutto di Parma, Roast Beef, Kresse, Erdnussbutter oder Marshmallows, zu sehen. Natürlich ist auch immer die Herkunft des Brötchens vermerkt, damit New Yorker die bestaussehenden Stücke auch selber kosten oder

sich von den ‹Homemade›-Versionen inspirieren lassen können. Bald bringt ‹powerHouse Books› übrigens eine Sammlung der Scans in Buchform heraus. Da uns gerade das Wasser im Mund zusammenläuft, haben wir beschlossen, das Projekt in der Schweiz fortzuführen: frisch zubereitete, vollmundige Brötchen können jeweils um die Mittagszeit in der kinki Redaktion abgegeben werden. (fr)

HOT SHOT.*

scanwiches.com

So sieht es aus, wenn das Mittagessen zum Arzt muss. Das CT ist in diesem Falle der Scanner und die Ergebnisse sind erfreulich …

… das Sandwich ist vollauf gesund.

* Hot Shot: 2 cl Molinari Sambuca Extra, 2 cl Marie Brizard Cranberry Liqueur, 2 cl SVEDKA Vodka, Shot anzünden (vor Genuss Flamme löschen). Drink responsibly. Molinari Sambuca Extra ist bei Coop, Globus, Manor, Denner und im guten Fachhandel erhältlich.

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kinkimag.ch

salt is in the air Über den Wolken soll die Freiheit ja grenzenlos sein. Ganz bestimmt aber nicht der Geschmack. Poulets müssen doppelt und dreifach gesalzen werden und süsse Schoggi ist nicht wirklich süss. Die Ess-, Trink- und Würzgewohnheiten in

luftiger Höhe sind ungewöhnlich bis fragwürdig. Warum trinken da oben auf einmal alle so gern Tomatensaft? Warum dürfen Piloten nicht dieselben Menüs wie die Passagiere essen? Und darf man eigentlich sein eigenes Picknick mit

an Bord nehmen? Ist es die Höhe? Der Druck? Die Flugangst? Wir stecken unsere Nase für euch in die Geheimnisse der Flugzeug-Küche und lüften diese auf kinkimag.ch.

jellymongers Dass man sich auch architektonisch an Essen auslassen kann, zeigen ‹Bompas & Parr›, die behände skulpturale Werke aus Nahrungsmitteln schaffen – nicht etwa aus festen, leicht formbaren Materialien, sondern aus Jelly, dem durchsichtigen, englischen Wackelpudding. Mit den neuesten Technologien schneiden, giessen und konstruieren Bompas und Parr essbare Installationen, die mal farbenfrohe Fantasiekonstrukte, mal (konkrete) architektonische Werke darstellen. So designten sie auch schon eine leuchtende Puddinginstallation oder ein farbenprächtiges Blumenund Jelly-Buffet für die London Fashion Week. Zahlreiche ihrer Skulpturen gibt es jetzt im Buch ‹Jelly with Bompas & Parr› und auf unserer Website zu bestaunen.

tiefgekühlte akte Die Meinungen zu tiefgekühlten Lebensmitteln gehen weit auseinander. Während Anhänger von frischem Gemüse niemals den Griff ins Tiefkühlregal wagen würden, schwört die andere Seite auf die Vorteile von gefrorenem ‹Convenience Food›. Nun, der Fotografin Milena Gysin dürfte diese Diskussion wohl egal gewesen sein, als sie für die Bilderserie ‹FoodAkt› den Vorratsschrank plünderte und dessen Inhalt in die Tiefkühltruhe verfrachtete. Vielmehr geht es Gysin darum, die schöne

Fassade der Verpackungsindustrie niederzureissen, die darin versteckten Nahrungsmittel zu entblössen und das Innere nach Aussen zu kehren. Übrig bleiben Lebensmittel, zum Teil zu so grotesken Formen gepresst, dass nur mehr schwer zu erraten ist, wonach es schmecken mag. Milena Gysins Arbeit regt zum Nachdenken an und wirft Fragen auf wie etwa: Was ist Hülle, was Nacktheit? Welche Schicht dient dem Schutz und welche nur dem schönen Schein?

rezeptschlacht und dem köstlichen ‹fotobuch›. Speziell gibt es diesen Monat kulinarische Anleitungen, nämlich die Lieblingsrezepte von zahlreichen Mitwirkenden dieser Ausgabe

Zu all diesen vollmundigen Zusatzartikeln servieren wir online auch das gewöhnliche Spitzenmenu mit folgenden Gängen: ‹gehört›, ‹agenda›, ‹kinki hitparade›, ‹le shop› kinki kinkimag.ch

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sowie dem ganzen kinki Team. Also, holt euch auf kinkimag.ch Kochinspiration und kulturelle Information.


LITTLEBIGPLANET 2 PEOPLE ALL OVER THE WORLD PLAY,

CREATE AND SHARE ANYTHING THEY CAN IMAGINE.

LITTLEBIGPLANET.COM

THE GAME IS JUST THE START.

«‰» and «PlayStation» are registered trademarks of Sony Computer Entertainment Inc. Also, «PS3» is a trademark of the same company. LittleBigPlanet™ 2 ©2010 Sony Computer Entertainment Europe. Published by Sony Computer Entertainment Europe. Developed by Media Molecule. «LittleBigPlanet», «LittleBigPlanet logo», «Sackboy» and «Sackgirl» are trademarks or registered trademarks of Sony Computer Entertainment Europe. All rights reserved.

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*Number based on levels uploaded globally to date. Levels can be downloaded via PlayStation®Network. PlayStation®Network subject to terms of use and not available in all countries and languages. See eu.playstation.com/legal for details. Broadband Internet service required. Users are responsible for broadband access fees. Charges apply for some content. Users must be 7 years or older and users under 18 require parental consent.

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klagemauer Ist dein neuer Kaschmir-Pulli eingegangen? Der Joghurt im Kühlschrank zu neuem Leben erwacht? Setzen sich die Psychopathen im Bus immer neben dich? Egal was dich gerade stresst oder nervt: Auf kinkimag.ch unter ‹Klagemauer› kannst du Dampf ablassen. Die besten Einträge werden hier veröffentlicht.

Heute auch schon min. 5x ‹Barbra Streisand› & ‹I need a dollar› im Radio gehört??? Als gäbe es nur 2 bis ALLERHÖCHSTENS 20 verschiedene Lieder auf dieser Welt ... Vielen Dank an all die elenden Radiosender mit diesem jämmerlichen Einheits-Gesööse! Totes Ohr | insider (nicht die personen, sondern die sprüche) ich | Früher hab ich den Lieferschein unterschrieben, wenn ich die Ware erhalten habe. Heute gehe ich ins SAP, mit der Funktion E25S5 komme ich in den EasyAccess, dort kann ich auf dem BusinessWorkplace das Cockpitdocument öffnen und dann den BANF-Workflow abschliessen. Vorausgesetzt, ich finde den Zettel, wo ich mir das alles notiert habe. So einfach ist das heute. Ich sags ja, die Computer nehmen uns die ganze Arbeit ab, alles geht so schnell heute ... Leo | Habe genug von vernarbten Pickelgesichtern, Gekreische in 4 Oktaven und Mächen die das Diddlheft mit Dr. Sommer getauscht haben. Bitte, Bitte nicht noch eine stinkende, laute Realklasse aus St. Gallen in meinem Pendlerzug. Gnade | Was haben Lampions mit Waffen zu tun? Hier werden Tatsachen vertauscht liebe SVP. Risi | All die Babyfotos im Facebook ... Bei allem Respekt für meine lieben Freundinen, die wie abgesprochen alle gleichzeitig schwanger wurden ... Kann ich eure Gesichter wenigstens noch auf dem Profilbild sehen?? smooches | die männliche eigenwillige isolation. redet, männer! es ist nicht schwer guckt doch einfach wie ich das mache! Lola | was habt ihr verdammten perversen davon getragene bikinis in der sauna zu klauen? meatme | 70% aller frauen wollen einen mann der sie führt .........wtf??? dann ist wohl das einzige, was bei einer frau heutzutage noch modern ist, ihr iphone. schneckentempo | dieser green hornet werbeflash da nebnean. einfach zu schnell. wie vieles, einfach zu schnell. heidifuchs | Gefühlsnichtzeigephase seinerseits. lomo | dass das model auf dem cover der aktuellen kinki zwar halb nackig ist, aber brüste wie ein elfjähriger junge hat. und dann die hutdingens als nippelschutz? evita | dass es jeden monat irgendjemand gibt der sich über das kinki cover aufregt. Lola | Der Pickel unserer Supporterin. Wie ein Vulkan vor dem Ausbruch schreit er nach Erlösung. Wie das aufgeblähte Glied eines brünstigen Hengstes. Ich kann den Blick nicht abwenden. Ich zittere. Die Salatgurken in meinem Magen tanzen einen heftigen Walzer. HÄLP! thisistheend | i feel like a worm, i think i have become mad. worm | Ich weiss nicht, wie die anderen darauf kommen mich als legatseniker zu betiteln. Anonymous | man schreibt Legastheniker und nicht legatseniker failed | kinki klagemauer

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DAS PARFUM

FÜHLEN, TEILEN, TRÄUMEN A U F W O M A N I T Y. C O M


Maxime Ballesteros

La Grande Bouffe

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MERLE Jacke: Reality Studio Body: Jen’s Wardrobe Schuhe: Rupert Sanderson

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CELYN Kleid: Bernhard Willhelm @ Happy Shop Weste: Dont Shoot The Messengers MERLE Kleid: Clarissa Labin

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MERLE Jacke: Reality Studio Body: Jen’s Wardrobe Schuhe: Rupert Sanderson BJÖRN Smoking: Herr von Eden Hemd: Bernhard Willhelm @ Happy Shop Socken: Falke Schuhe: Stylist’s own

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MERLE Kleid: Clarissa Labin

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CELYN Kleid: Dont Shoot The Messengers Schmuck: Gogo Philip Handschuhe: Stylist’s own BJÖRN Anzug: Bless MERLE Schuhe und Strümpfe: Jen’s Wardrobe Top: Dont Shoot The Messengers

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BJÖRN Anzug: Bless CELYN Kleid: Dont Shoot The Messengers Halskette: Esther Perbandt MERLE Schuhe und Strümpfe: Jen’s Wardrobe Handschuhe: DSTM

Fotografie: Maxime Ballesteros, maximeballesteros.com Assistent: Jen Gilpin Styling: Pamela Büttner, pamelabuettner.com Styling Assistent: David Dörrast Models: Merle Winter, Celyn Smyth, Björn Schroeder Location: HBS Wir danken Müller & Zenone, Arne Eberle und Jen’s Wardrobe für die Unterstützung. 27


Vom Schuster an die Leisten Wenn neue Brands wie Unkraut aus dem Boden spriessen und sich dennoch gegenseitig kaum voneinander unterscheiden, wenn modische Plagiate und Einheitsbrei die Regale der Kaufhäuser überwuchern, sehnen wir uns nach Originalen. Nach etwas, das wir kennen, mit einem bestimmten Gefühl verbinden, das sich auf natürliche Art und Weise in unsere Garderobe einfügt, ohne altbacken zu wirken. Adidas hat es mit seiner Originals Blue-Kollektion geschafft, all diese Eigenschaften unter einen Hut zu bringen. Text: Rainer Brenner, Fotos: Adidas

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ie beschriebene Philosophie hat sich wohl das Traditionsunternehmen Adidas auf die Fahnen geschrieben, als es sich an die neue Originals Blue-Kollektion (früher unter dem Namen Originals A.039 bekannt) wagte, die dieser Tage die Läden erreicht. Seit über vierzig Jahren fertigt das Label mit den drei Streifen nebst Schuhen auch Textilien – und das mit grossem Erfolg. Bedenkt man, dass vor gut 60 Jahren Adi Dassler schon in der elterlichen Waschküche an ersten Turnschuhentwürfen tüftelte, so blieben die ‹Schuster› der neuen Generation auch jetzt bei ihren Leisten und verbarrikadierten sich einmal mehr in der Waschküche. Diesmal allerdings mit Jeans statt Wildleder. Die Kollektion umfasst nämlich jeweils zwei Jeansmodelle für Männlein und Weiblein in klassischen und dennoch modernen Farben und Schnitten: das Männermodell ‹Conductor› fällt eher relaxed aus, während beim Schnitt der ‹Rekord›-Pant Freunde der engeren Fraktion auf ihre Kosten kommen. Und auch für die Damen der Schöpfung wurden mit der Skinny-Jeans ‹Cupie› und dem Boyfriend-Cut des Modells ‹Winneta› mehrere Silhouetten und Vorlieben bedacht. Erhältlich sind die guten Stücke bislang in jeweils drei bis fünf verschiedenen Waschungen. Das Angebot wird jedoch laufend erweitert. Da man mit Jeans alleine zwar immer passend, jedoch nicht unbedingt vollständig bekleidet ist, bedachte Adidas in seiner Originals Blue-Kollektion auch den Rest des Körpers mit einer breiten Auswahl an Espadrilles und Sneakers, Gummistiefeln und Chinos, Parkas, Shirts, Tanktops, Cardigans und vielem mehr. Besonders erwähnt seien an dieser Stelle auch kinki mode

die vier wunderschönen Taschenmodelle, die von Weekender über Rucksack bis hin zu NylonTragetasche und Laptop-Bag reichen und die Kleider- und Accessoirekollektion abrunden. Wer sich also in den kommenden Tagen von oben bis unten im Adidas Originals Store einkleidet, der kann das neuerworbene Gut auch gleich standesgemäss nach Hause transportieren. Fernab von dreigestreiften Trainerjäckchen und Adiletten hat Adidas mit dieser Kollektion vielleicht gerade das geschafft, an dem viele andere Brands zuvor gescheitert sind: Gemeinsam ist allen Produkten der Originals BlueLinie nämlich, dass sie auf elegante Art und Weise moderne Mode und liebevoll verspielte Details verbinden, ohne dabei den Style und die Tradition von Adidas aus den Augen zu verlieren. Der sportliche Touch zieht sich durch die gesamte Kollektion, doch das steht bekanntlich nicht nur Muskelprotzen und Konditionsfetischisten äusserst gut, sondern passt sich mindestens ebenso geschmeidig dem verwöhnten CouchpotatoKörper an. Die Produkte der Originals BlueKollektion sind ab sofort in den Adidas Originals Stores und in ausgewählten Geschäften erhältlich. Weitere Info findest du unter adidas.com.

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Der sportliche Touch zieht sich durch die gesamte Kollektion, doch das steht bekanntlich nicht nur Muskelprotzen und Konditionsfetischisten äusserst gut, sondern passt sich mindestens ebenso geschmeidig dem verwöhnten Couchpotato-Körper an.

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Geschmacklos

Nach einer missglückten Ohrenoperation im Jahr 2005 verliert der damals 39-jährige Markus Schnaider* nicht nur rund 60 Prozent seines linken Gehörs, sondern auch die Hälfte seiner Geschmacksnerven. Allen Schwierigkeiten zum Trotz wagt er ‹das Unmögliche› und behält denselben Beruf, welchen er seit über 12 Jahren ausübt: Koch. Über eine Odyssee zwischen Arztpraxis und Anwaltskanzlei, und über den flüchtigen Genuss des Geschmacks. Text: Laura Studer, Fotos: Grant Cornett

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s ist das Jahr 1998, als Markus Schnaider bemerkt, dass sein rechtes Ohr an Hörkraft verliert. Erst wenig, dann immer stärker vom akustischen Defizit belastet, sucht der junge Mann schliesslich einen Arzt auf. Dieser hat ihm nichts Gutes zu berichten: Schnaider leidet an Otosklerose, einer seltenen Erkrankung des Ohrs, bei deren Fortschreiten das Gehör des betroffenen Patienten innerlich ‹verkalkt› und somit an Hörkraft verliert. Von guten Ärzten in einem guten Krankenhaus beraten, wagt der junge Mann den Eingriff. Und wacht nach der Narkose mit einem geflickten Gehör auf. Sieben Jahre geniesst Markus nun wieder jeden Ton, bis ihm kinki report

im Jahr 2005 das Hören erneut Anlass zu Besorgnis gibt. Doch diesmal ist es das andere Ohr, das nicht mehr mitspielt. Nach einer weiteren Analyse ist klar: Links dasselbe Spiel wie rechts. Zum zweiten Mal legt sich Schnaider unters Messer. Was sein Leben für immer verändern wird.

Der Fremdkörper

Während der heiklen Operation passiert dem behandelnden Arzt ein gravierender Fehler: Er durchtrennt aus Versehen einen Nervenstrang in Markus’ Kopf. Nach dem Eingriff wird dessen linke Zungenseite weder Geschmack noch Tastsinn mehr haben und zum 30

‹tauben Fremdkörper› für den jungen Mann werden. So beginnt für den damals 39-Jährigen noch im Spital das Hoffen auf Heilung, von welcher für ihn nicht nur ein grosses Stück Lebensqualität, sondern auch seine berufliche Existenz als Koch abhängt. Laut Schätzungen leidet nur ein sehr kleiner Teil der Bevölkerung unter einem partiell oder gänzlich zerstörten Geschmackssinn. Wogegen der Anteil der Patienten mit Behinderungen eines anderen Sinnes (mit Ausnahme des Tastsinns) wesentlich höher liegt. Vielleicht kennt Markus deshalb keine anderen ‹Geschmacksgeschädigten›. Nur von einem einzigen anderen Mann mit ähnlicher Leidensge-


schichte weiss er, hat ihn aber nie kontaktiert. Warum auch. Das Bedürfnis, mit einem ‹Mitleidenden› über Probleme, Sorgen oder einfach nur über den veränderten Alltag zu sprechen, hat Markus nicht. Es bringt ihm seinen Geschmackssinn ja doch nicht zurück. Mit seinem Defizit ist und bleibt er allein.

Ausgekocht

Der Familienvater hadert nicht mit seinem Schicksal. Doch fragt er sich oft, wie seine berufliche und finanzielle Zukunft aussehen soll. 18 Jahre ist er schon im gleichen Betrieb tätig, 12 davon als Koch. Nur dank seiner langjährigen Anstellung und der Unterstützung seines Chefs hat Schnaider nach seiner zweiten Operation und dem damit verbundenen ‹Tod› seiner linken Zungenhälfte den Job behalten können. Er liebt seine Arbeit, ist nach wie vor gerne Koch. Aber sein Alltag wirft Probleme auf. So muss der Chef des heute 44-Jährigen jedes Gericht vorkosten, bevor Markus es seinen Gästen vorsetzen darf. Oft überwürzt er das Essen. Verständlich, verrichten doch nur halb so viele Geschmacksknospen wie bei einem gesunden Menschen die gesamte Arbeit. Ganz besonders heikel sei es, die Saucen zu kosten, betont Schnaider, bleibe doch die probierte Messerspitze davon immer hartnäckig auf der falschen Zungenseite haften. Dann muss der Koch den Kopf schräg halten, damit die Sauce an die richtige Stelle fliesst und auch seine gesunde Gaumenseite zum Zuge kommt. Trotz seines verständnisvollen Chefs belastet den Workaholic seine Arbeit: Unselbständig sei er durch sein Defizit geworden, erklärt er,

angewiesen auf das rosa Weichteil im Schlund eines anderen. Und trotz aller Bemühungen dieses anderen gibt es immer mal wieder Beschwerden von unzufriedenen Kunden. Zu denen muss Markus dann an den Tisch treten und sich erklären. Schnaider gehe nicht gerne mit seinem Manko hausieren. Ausser dem Küchenchef und dem Restaurantbesitzer wisse niemand vom Personal davon. Ist deren Mittagessen versalzen, ist Markus halt ‹wieder mal verliebt›. Eine taube Zunge hat keinen Blindenhund, man sieht sie ihrem Besitzer nicht an. Jedoch genau darüber wird sich Schnaider in naher Zukunft Gedanken machen müssen: Sein langjähriger Arbeitgeber geht nächstes Jahr in Pension, Markus’ Stelle existiert bald nicht mehr. Und dann? Wird der begnadete Koch zu suchen beginnen, nach einem Wunder wohl, denn in der schnelllebigen Realität des Gastrogewerbes ist kein Platz für einen kulinarischen Künstler mit halbtoter Zunge. Markus Schnaider wird seinen Traum, weiterhin in diesem Metier zu arbeiten, wohl endgültig begraben müssen.

Das Ende des Hoffens

Doch es geht nicht nur um die beruflichen Wünsche des 44-jährigen: Finanzen und Familie rufen, vier Mäuler gilt es zu stopfen. Viel Geld hat ihn sein Gaumen bereits gekostet: Anwalts- und Anfahrtskosten, dazu ein juristisches Gutachten von mehreren tausend Franken. Ein Geschädigter hat Anrecht auf Entschädigung, dafür ist Schnaider bereit zu kämpfen. Viel zu wenig habe ihm seine Versicherung zu Beginn angeboten. Wäre er auf dieses erste Angebot eingegangen, hätte der Familienvater weniger

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Doch wie verändert sich das Essverhalten eines Menschen, wenn dieser plötzlich nur noch die Hälfte wahrnimmt?


kassiert, als er nun allein schon für Anwalt und Co. ausgegeben habe. Er gibt nicht auf, weiss was ihm zusteht. Sein Fehler sei es nicht gewesen, der ihm vor sechs Jahren einen halben Sinn geraubt hat, so Markus. Das Informationsgespräch über allfällige Risiken, das das Spital im Vorfeld der Operation mit ihm geführt hat, sei mangelhaft gewesen. Lange noch hat ihm der behandelnde Arzt Hoffnungen gemacht. Über ein Jahr lang ist das Ehepaar Schnaider nach der missglückten Operation fast jeden Monat in die Klinik gefahren, hat Zeit und Geld geopfert. Bis ihnen der Arzt eröffnete, dass die linke Zungenhälfte des Kochs ihren Geschmacks- und Tastsinn nun doch für immer verloren habe. Und das Hoffen ein Ende fand. Das Spital hat seinen Fehler eingesehen. Aber entschuldigt hat sich der behandelnde Mediziner nie. Einzig der Oberarzt hat sein Bedauern ausgedrückt.

ist von wesentlich mehr Stolpersteinen gesäumt als derjenige eines Menschen ohne Geschmackssinn. Für Markus gibt es keine Barrieren wie Stufen oder Strassenschilder, die beispielsweise einem Sehbehinderten das Leben schwer machen. Doch leider ‹sieht› dadurch auch der Familienvater nicht mehr alles so rosig, ihm fehlt die ‹Farbe› in seinem Leben. Markus lebt in einer ‹halben› Welt. Denn der ehemals passionierte Gourmet hat etwas verloren, das mit Worten nicht so einfach zu beschreiben ist. Nur eine ‹halbe Zunge› zu haben, Geschmack und Konsistenz der Speisen nur auf der einen Hälfte wahrzunehmen, raubt einem Menschen den simpelsten und trotzdem wohl schönsten Genuss, den es gibt: das Essen selbst. * Name von der Redaktion geändert.

Unsichtbare Behinderung

Doch wie verändert sich das Essverhalten eines Menschen, wenn dieser plötzlich nur noch die Hälfte von all dem wahrnimmt, was er isst? Nicht gross, meint Martin, er esse immer noch gerne ein Stück Torte, auch wenn er die feinen Nuancen einer Confiserietorte vom Massenprodukt nicht mehr unterscheiden kann. Nur im Restaurant essen die Schnaiders nicht mehr. Warum auch? Markus schmeckt die teure Kost ja sowieso nicht richtig. Zuhause kocht er praktisch nie. Wenn er es tut, überwürzt er gemessen am Geschmack seiner Familie auch hier alles. So stehen Salz und Pfeffer, Aromat und allerlei andere Gewürze immer griffbereit auf dem Esstisch. Zugegeben, der Alltag eines Blinden oder Tauben kinki report

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Frame: MYKITA NO2 SUN Audrey | Photography: Mark Borthwick

MYKITA SHOP BERLIN Rosa-Luxemburg-Strasse 6, 10178 Berlin, Germany, + 49 (0)30 67308715 MYKITA SHOP VIENNA Neuer Markt 14, 1010 Vienna, Austria, + 43 (0)1 5128852 MYKITA SHOP ZURICH Langstrasse 187, 8005 Zurich, Switzerland, + 41 (0)43 8182730 MYKITA SHOP PARIS 2 Rue du Pas de la Mule, 75003 Paris, France, + 33 (0)1 42714819 MYKITA SHOP TOKYO 5-11-6 Jingumae, Shibuya-ku Tokyo 150 0001, Japan, + 81 3 6427 5232 MYKITA SHOP MONTERREY Jose Vasconcelos 150 PB-6D, 66257 San pedro Garza Garcia NL, Mexico, + 52 (0) 818 378 2547


wortlaut das 10 minuten interview

Stevan Paul: ‹Satt ist nur, wer kein Mass findet.› Interview kinki magazin: Was ist Ihre Leibspeise, Herr Paul? Stevan Paul: Ein perfektes Wiener Schnitzel oder ein Tafelspitz in duftender Bouillon machen mich willenlos. Ich bin im Dreiländereck der Bodenseeregion aufgewachsen und schätze die Österreicher, die Schweizer und die deutsche Regionalküche grundsätzlich sehr, das ist echtes Seelenessen, so schmeckt Heimat. Sie sind gelernter Koch, arbeiten als Foodstylist, Produktioner, Journalist und Autor. Welches Betätigungsfeld ‹schmeckt› Ihnen denn am besten? Es ist wie bei einem gelungenen Eintopf: Die Mischung macht’s. Immer aber geht es um die Kulinarik. Ich bin dankbar, dass ich meine Leidenschaft zum Beruf machen konnte, das ist ein grosses Lebensglück.

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er 42-jährige Stevan Paul hat gleich auf mehreren Platten ein Süppchen am Kochen. Den gelernten Koch, der sich seine Sporen in verschiedensten edlen Küchen der Bundesrepublik abverdiente, lockten nämlich vor 16 Jahren einige weitere Aufgaben im Bereich der Kulinarik hinter dem Herd hervor. So arbeitete Paul seit 1995 als Foodstylist und setzte für Magazine, Zeitschriften und Kochbuchverlage sowie für Werbekampagnen und Verpackungen Speisen aller Art vor der Kamera ins richtige Licht. Dass dies nicht immer eine einfache Angelegenheit ist, kann sich jeder vorstellen, der sein Essen nicht nur bei schummrigem Licht verspeist. Und dass Stevan Paul

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Wie muss man Essen drapieren, damit es zum Anbeissen aussieht? Gibt es da bestimmte Regeln? Symmetrie scheint zum Beispiel ziemlich wichtig zu sein, wie es scheint … Eine harmonische Bildaufteilung ist die Basis, alle Zutaten sollten zusätzlich auf einen Blick erfassbar sein. Bei einem Eintopf verwende ich beispielsweise unauffällige kleine ‹Zutaten-Inseln›, um das Durcheinander zu ordnen und sofort lesbar zu machen. Am allerwichtigsten ist aber die Authentizität. Früher wurde sehr streng und sauber angerichtet, wie im Restaurant. Heute streuen wir absichtlich noch ein paar Krümmel ins Bild, verwischen die Saucen, legen Kräuterblättchen auch mal auf den Rücken. Diese – natürlich streng durchkomponierte – Zufälligkeit macht Appetit. Artdirektoren sprechen in diesem Zusammenhang gerne mal von der ‹Livehaftigkeit› der Gerichte. Ein Nebeneffekt dieser natürlichen Fotoauffassung ist der, dass potenzielle Nachkocher nicht verschreckt werden; das Rezept sieht ‹machbar› aus.

nebst dem Suppenlöffel auch mit dem Schreibstift umzugehen weiss, beweist er in regelmässigen ‹kulinarischen Kolumnen› für Buchverlage, Werbeagenturen und verschiedene Hefte. Ausserdem versuchte Paul sich als Autor, und dies mit beachtlichem Erfolg. Sein Buch ‹Monsieur, der Hummer und ich – Erzählungen vom Kochen› vereint eine Sammlung witziger Anekdoten aus der Welt der Kulinarik und erscheint diesen Frühling bereits in der dritten Auflage. Gemeinsam ist all seinen Betätigungsfeldern aber vor allem eines: eine unglaubliche Leidenschaft für kulinarische Genüsse. Und genau darüber sprachen wir mit ihm.

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Manch ein Gericht sieht ja abscheulich aus, schmeckt aber super. Wie setzt man zum Beispiel ein Spanferkel oder Tintenfisch ins richtige Licht? Wenn Jamie Olivers Hausfotograf David Loftus ein Spanferkel fotografiert, sieht der Braten aus, als wäre Jamie damit vorher erst noch die Treppe runtergefallen: das weisse Fleisch mehr zerfallen als in Scheiben geschnitten, hier und da hat sich die goldbraune Kruste schon vom saftigen Fleisch gelöst, das ist die eben angesprochene Authentizität – mundwässernd fotografiert als extreme Nahaufnahme mit viel Unschärfe. Schwänzchen und Öhrchen des Ferkels sind natürlich nicht im Bild. Tintenfisch hingegen, den muss man mögen, sonst kann da auch David Loftus nicht mehr helfen. Was macht Ihrer Meinung nach denn ein gutes Rezept aus? Persönlich schätze ich beim Kochen einen gewissen Minimalismus, wenige hochwertige Zutaten, die sich ergänzen, dabei aber schmeckbar für sich bestehen. Je älter ich werde, desto mehr schätze ich das Einfache, beispielsweise frische Erbsen, selbst aus der Schote gepult, nur kurz gegart und dann in schäumender Butter geschwenkt, mit feinem Meersalz gewürzt – das ist eine Offenbarung! Jetzt noch eine dampfende Kartoffel dazu und ein paar dünne Scheiben Tiroler Speck, fertig. Langweilt Sie denn das Thema Essen nie? Ganz im Gegenteil, ich habe sogar die begründete Befürchtung, dass ein Leben zu kurz ist, um alle Köstlichkeiten probiert und alle Möglichkeiten erkocht zu haben. Die Kulinarik erfindet sich ja immer wieder neu, es gibt so viel zu entdecken, zu erschmecken. Satt ist nur, wer kein Mass findet. Text und Interview: Rainer Brenner Foto: Stefan Malzkorn


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Les arts de la table 1

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Das weisse Gold, das früher jede Tafelrunde an königlichen und kaiserlichen Höfen veredelte, hat längst an Noblesse und Kostbarkeit eingebüsst und ist zum nützlichen Alltagsgegenstand geworden. Porzellan befindet sich heutzutage meist unauffällig als Service im Küchen- und Haushaltsbereich. Doch bereits ein geringes Mass an Innovation weckt auch dieses Material aus dem Dornröschenschlaf und verleiht ihm ein besonderes Kunst- und Designflair. Text: Florence Ritter, Fotos: Promo

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ir kennen die Teesets aus weissem Porzellan mit kobaltblauer Malerei aus China, gleichermassen bekannt sind uns reich verziertes Tischgedeck und kitschige Figuren aus Barock und Rokoko aus dem europäischen Raum. Dem ein oder anderen sind auch traditionelle Marken wie das Meissener, Nymphenburg oder Höchster Porzellan ein Begriff. Solche Manufakturen entstanden im 18. und 19. Jahrhundert unzählige in Europa, nachdem Weltenbummler und Kaufleute die Erfindung der asiatischen Hochkultur ins Abendland eingeführt hatten. Längst liegt auf diesen glorreichen Jahren, in denen das Silbergedeck durch kostbares Porzellanservice ersetzt wurde und der Besitz des weissen Golds Reichtum für eine Familie bedeutete, eine dicke Staubschicht. Denn auch der Holzteller der Unadligen wurde durch Porzellan erneuert und so stieg das hochwertige Keramikerzeugnis – bestehend aus den drei wesentlichen Bestandteilen Kaolin, Feldspat und Quarz – innert Jahrhunderten vom hohen Ross der Gutbetuchten in die Alltagsküche ab und bedeckte fortan Tisch statt Tafel.

La belle au bois dormant

Die Auffassung von Porzellan verkörpert heute zwei Extreme: auf der einen Seite das nützliche und elegante Alltagsgeschirr, auf der anderen unnütze Nippes und verstaubte Zierteller im Brockenhaus sowie geschichtsträchtige Services und Statuetten im Museum. Könnte eine zeitgenössische Interpretation nicht sowohl die Verspieltheit der Figürchen als auch die Nützlichkeit der Geschirrs aufnehmen? Auf der Suche nach modernen Porzellankreationen, welche die altbackene Form überwinden und dem Dogma der Funktionalität folgen, ist kinki auf Porzellanerzeugnisse gestossen, die dem Edelmaterial Tribut zollen und die Küchenausstattung nützlich und stilvoll ergänzen.

Le design pratique

Das Unternehmen ‹imm Living› aus Toronto stellt brauchbare Einrichtungsgegenstände aus Porzellan her, welche von jungen Designern aus der ganzen Welt entworfen werden. Bedingung ist, dass die Designer die Sprache funktioneller, moderner und kultureller Designprodukte mit Flair für Hausdekor sprechen. Im Angebot von kinki kunst

imm Living gibt es zum Beispiel Prinzessinnenschuhe als Flaschenöffner und zum Tischgebet geformte Porzellanhände, die das Mahl mit Salz und Pfeffer segnen. Oder die ‹Primary Shakers›, welche schlicht und einfach Kugel, Pyramide und Kegel imitieren und als getarnte Salz- und Pfefferstreuer dennoch ästhetische Blickfänger sind. Ein Zückerchen sind auch die ‹Hidden Animal Cups›, welche die biedere Teekultur erheitern, indem plötzlich Bär, Fuchs und Eule aus dem Schwarztee emportauchen. ‹Seletti›, das italienische Unternehmen für Haushaltsprodukte, hat sich einer noch einfacheren Idee angenommen und leichthin weitere Küchen- und Haushaltsgeräte in Porzellan umgewandelt und hochstilisiert. Unter dem Namen ‹estetico quotidiano› wird das gewöhnliche Geschirrangebot durch schlichte, porzellanene Eierkartons, Kaffeekannen, Sardinenbüchsen, Pappteller, Plastikkisten, Brotkörbe oder ‹Etagères› ergänzt – so schlicht und alltäglich kann überzeugendes Design sein. Eine etwas sonderliche Umhüllung durch den Porzellanmantel erlebt der tragbare Kaffeebecher. Das Unternehmen ‹I am not a paper cup› ermöglicht es nämlich, den ‹Coffee-To-Go› ganz urban und umweltbewusst im ‹Eco Cup› aus stilechtem Porzellan durch die Stadt zu tragen.

La porcelaine artistique

Und auch unter den Künstlern und Kreativen erfreut sich Porzellan grosser Beliebtheit. Die Pariser Designer ‹La tête au cube› produzieren Tassen, Vasen sowie Salz- und Pfefferstreuer aus Porzellan und kombinieren das edle Weiss mit leuchtenden Neonfarben. Das Kollektiv kreiert auch schwarze Rohrschachtests auf Porzellantellern oder gestaltet formvollendete kleine Panzer, die neben dem Tafelgeschirr geschmeidig als ‹Tank you›-Vasen defilieren und zum Denken anregen. Ein weiteres, besonders ausgeklügeltes Objekt stammt von der Produktdesignerin Sigrid Ackermann, und ist einer gesellschaftlichen Eigenart entsprungen. Das ‹Anstandsstück› ist eine Tortenplatte, welche die Tischsitte, immer ein Stück übrig zu lassen, humorvoll und ästhetisch interpretiert. Dabei ist das aus Anstand verbleibende Tortenstück vorausschauend aus edlem Porzellan verdinglicht und regt vielleicht zum Fertigessen, bestimmt aber zu mehr Diskussionsstoff an. 38

Allein der Einfallsreichtum der vorgestellten Objekte zeigt, dass Porzellan weder veraltet noch aus der Mode gekommen ist. Im Gegenteil: das ästhetische Weiss und das edle Material wird immer wieder dazu auffordern, es künstlerisch oder praktisch in die jeweilige Zeit zu integrieren – ob glasiert, dekoriert, reichlich bemalt oder einfach ganz natürlich weiss. Mehr Designs und Info findest du unter iamnotapapercup. com, imm-living.com, lateteaucube.com, seletti.com, sigrid-ackermann.de.

1 La caffeteria – estetico quotidiano, Seletti, seletti.com 2 Amen, imm Living, imm-living.com 3 Crane, imm Living, imm-living.com 4 Set: 2 bicchierini da caffè, 2 palettine, 1 vassoio Coffee – estetico quotidiano, Seletti, seletti.com 5 Hidden Animal Teacup, imm Living, imm-living.com 6 L’alzata – estetico quotidiano, Seletti, seletti.com 7 Tank You, La tête au cube, lateteaucube.com 8 Il barattolo – estetico quotidiano, Seletti, seletti.com 9 Primary Shakers, imm Living, imm-living.com 10 Flying cups and saucers, La tête au cube, lateteaucube.com 11 Anstandsstück, Sigrid Ackermann, sigrid-ackermann.de 12 Dancing Princesses Bottle Opener, imm Living, imm-living.com 13 Il bricco – estetico quotidiano, Seletti, seletti.com 14 Il portauova e salatini – estetico quotidiano, Seletti, seletti.com 15 Il cesto – estetico quotidiano, Seletti, seletti.com


nixonnow.com


The Eatmes Olaf Breuning

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Plastiken, Courtesy of Mori Museum Tokyo, 2007


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Immer der Nase nach? Wem heutzutage der Geruch von frischen Lebensmitteln in die Nase steigt, der sollte seinen Nüstern nicht in jedem Fall trauen. Denn ausgeklügelte Werbestrategien führen uns auch hier an der Nase herum und schleichen sich selbst über die Atemwege ins Unterbewusstsein. Text: Rita Preuss, Illustration: Nadja Abanin

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s gibt eine Überzeugungskraft des Duftes, die stärker ist als Worte, Augenschein, Gefühl und Wille. Die Überzeugungskraft des Duftes ist nicht abzuwehren, sie geht in uns hinein wie die Atemluft in unsere Lungen, sie erfüllt uns, füllt uns vollkommen aus, es gibt kein Mittel gegen sie.› Dies ist kein Testimonial der Duftindustrie, sondern ein Zitat aus dem von Tom Tykwer verfilmten Roman ‹Das Parfum›. Und Patrick Süskind hat Recht: Ich sitze in einem nagelneuen Auto und wundere mich über den fabrikneuen, synthetischen Duft, der mich auch noch Wochen später begleitet. Ortswechsel: Unterwegs im Bahnhof strömt mir der Duft von frischen Backwaren in die Nase. Doch wird an den Brotständen nicht frisch gebacken, sondern Brote und Gipfeli werden dort in der Regel fertig angeliefert. Woher aber kommt dann der Duft? Vom Produkt schon mal nicht.

Geruchlich überzeugt

Duftmarketing ist ein noch relativ neues Phänomen, doch warum gibt es ‹CorporateIdentitiy-Düfte› überhaupt und wie werden sie heute eingesetzt? Um mehr Konsumenten für Marken und deren Produkte zu gewinnen, musste die Werbebranche neue Strategien entwickeln. Denn gegen TV-Werbespots waren viele Konsumenten längst ‹resistent›. Die dort verbreiteten, klassischen Werbebotschaften wurden schlichtweg nicht mehr geglaubt, das Duftmarketing kam da gerade recht. Die Nase wurde entdeckt. Schnell stellte sich heraus, dass sich mit dem gezielten Einsatz von Düften in Supermärkten, Banken und Boutiquen die

Verweildauer von Kunden nachweislich verlängerte. Tests in Zusammenarbeit mit Chemikern und Psychologen bestätigten, dass unsere Nase direkt mit dem Gefühlszentrum im Gehirn verbunden ist. Von ihr werden wir ständig beeinflusst – ob wir wollen oder nicht. Riechen gilt

Unsere Nase ist ein tausendfacher Geruchsfänger, noch dazu äusserst subjektiv, emotional und erinnerungsfähig. als der emotionalste aller unserer Sinne. Unsere Nase ist ein tausendfacher Geruchsfänger, noch dazu äusserst subjektiv, emotional und erinnerungsfähig. Der Erfolg gibt dem Duftmarketing Recht. Bestes Beispiel dafür ist ein gross angelegter Test in Schweizer Getränkemärkten, in denen der Umsatz von Softdrinks mithilfe von Duftmarketing um 22 Prozent gesteigert werden konnte. Und 22 Prozent entscheiden in der Branche über Sein oder Nichtsein.

Beruf: Synästhesist

Um mehr über das Phänomen Duftmarketing zu erfahren, treffe ich mich mit einem Duftpionier. Beat Grossenbacher ist mittleren Alters und trägt einen Designeranzug mit Reissverschlusstasche. Sofort wird klar: Beim Thema Duft ist er mit voller Leidenschaft dabei. Trotz einer Erkältung kommt er zum Interview und erzählt: ‹Als ich 1993 meine Firma in Wangen im Oberaargau eröffnete, schüttelten viele verständnislos den Kopf oder erklärten mich 47

gar für übergeschnappt.› Die ‹Macht der Düfte›, das hielt man damals für komplett absurd. Doch seit einigen Jahren boomt die Branche. Er habe Auftraggeber in der Schweiz, in Deutschland und Österreich. ‹Darunter sind Lebensmittelfirmen und Jeansläden ebenso vertreten wie der Gesundheitsbereich.› Doch wie kam Grossenbacher überhaupt auf die Idee eine ‹Duftfabrik› zu gründen? ‹Ich habe mich schon immer für Düfte interessiert und ich bin Synästhesist. Das heisst, für mich sind Farben und Düfte untrennbar miteinander verbunden. Sobald ich Farben sehe wie zum Beispiel hier im kinki magazin, ordne ich sie sofort einem Duft zu.›

Der Duft des Geldes

Alles begann damit, dass Grossenbacher gemeinsam mit einem Chemiker eine Essenz entwickelte, mit der man Gerüche neutralisieren konnte. Wie das in der Praxis funktioniert, zeigt er mir in einem einfachen Versuch. Zuerst hält er mir eine Serviette mit einem stechenden Duft unter die Nase: ‹Das ist Ammoniak, darauf reagiert sofort jeder mit Abwehr.› Anschliessend neutralisiert er zuerst den stechenden Duft und sprüht ein bisschen Orangenduft darauf. Das ist schon gleich angenehmer. Doch als er, ohne zu neutralisieren, einfach den Ammoniakduft mit Orange mischt, bleibt der Geruch unangenehm, da er sich einfach nur mischt. Seine neutralisierende Essenz ist ein Verkaufsschlager in Altersheimen. Zurzeit gibt es in seiner Firma über 90 Essenzen. ‹Und so werden demnächst die Schalterhallen einer bekannten Schweizer Bank riechen!› meint Grossenbacher und hält mir eine kleine


Flasche unter die Nase. Ein angenehmer und sehr dezenter Duft. Was da drin ist, verrät er natürlich nicht. Auch eine weitere grosse Bank habe er als Auftraggeber, die setzen ihren speziellen Corporate-Identity-Duft sogar an den Bankautomaten ein. Doch wie wirkt das Duftmarketing eigentlich, das Grossenbacher lieber als ‹olfaktorisches Neuromarketing› bezeichnet. ‹Als Kunde merkt man sicher eine positive Veränderung beim Besuch der Bank, aber man riecht nichts, sollte nichts riechen. Und wenn doch, hat das olfaktorische Neuromarketing keine gute Arbeit gemacht.› Wie unheimlich, denke ich, wenn man gar nichts mehr von der Manipulation des Unterbewusstseins merkt …

Aus der synthetischen Backstube

Ich frage Grossenbacher, was er selbst von Düften hält, die flächendeckend an Bahnhofsbackshops verströmt werden oder sich über Wochen in einem Neuwagen halten. ‹Gar nichts!› antwortet er sehr bestimmt. Es gäbe seiner Meinung nach einfach keinen guten Brotduft, der künstlich hergestellt wird. ‹Düfte müssen Gefühle und Emotionen wecken können. Aber eben nicht dem Kunden irgendwas vormachen, was gar nicht da ist!› Der einzige Brotduft, der wirklich Appetit anregen kann, sei eben der Originalduft aus dem Backofen. Denn: ‹Mit künstlichen Duftstoffen erreicht man hier sogar das Gegenteil: wird ein synthetischer Brotduft verwendet, erzeugt das bei uns ein Völlegefühl. Riecht man vor dem Essen daran, hat man deutlich weniger Appetit, das wäre dann eher eine Strategie zum Abnehmen.›

‹Der leicht säuerliche Geruch des Apfels regt den Speichelfluss an.› Bestes Beispiel für den gezielten Einsatz von natürlichen Essenzen sei die schon kurz erwähnte Untersuchung im Getränkehandel 2010, bei der sein Unternehmen eng mit der Universität St. Gallen zusammenarbeitete. ‹Wir trinken hier gerade Apfelmost. Der Apfel gehört in den Bereich der Zitrusdüfte. Doch der leicht säuerliche Duft regt bei uns den Speichelfluss an. Soll jedoch das Durstgefühl in einem Getränkemarkt geweckt werden, muss man mit Gewürzen und Kräutern wie Thymian beduften.› Denn das bewirke das Gegenteil: Unser Mund trocknet aus und wir verspüren Durst. Und tatsächlich stieg damit der Umsatz, wie bereits oben erwähnt, um 22 Prozent in einem Schweizer Getränkemarkt.

Olfaktorische Gefühle

Selbstverständlich spielt das Unterbewusstsein eine grosse Rolle beim Einkaufen. Mithilfe von EEG und Computertomographie wird genau erforscht, welche Teile des Gehirns bei kinki report

einer Kaufentscheidung aktiv werden. Gerade Gerüche werden sehr schnell im Gehirn verarbeitet. Unsere Nase ist da viel schneller als unser Ohr und an die Dauerberieselung mit Musik haben wir uns längst gewöhnt. Wie fein unser Geruchsempfinden reagiert, wird während des Gesprächs klar. Wir sitzen uns im Restaurant gegenüber, können aber selbst den Mann am Nebentisch riechen. Nur wenige Moleküle reichen dafür aus. Je ruhiger der Luftstrom, umso besser kommt der Geruch bei uns an. Auch ungeübte Nasen schnappen alles auf. Das Zuordnen von Duftstoffen kann jeder wie

Neue Foschungserkenntnisse greift die Werbebranche dankbar auf. Der Konsument wird durch den Einsatz von Düften gezielt beeinflusst. eine Technik lernen. Grundsätzlich gibt es das objektive und das subjektive Riechen. Lavendel zum Beispiel empfinden wir als frischen Duft. Die subjektive Wahrnehmung von Lavendel kann mit Erlebnissen verbunden sein. Wenn wir die Ferien oft bei der Oma verbracht haben und es dort stark nach Lavendel gerochen hat, ist entscheidend, ob wir sie gerne besucht haben oder nicht. Die subjektive Bedeutung eines Duftes ist mit Erinnerungen und Erfahrungen verbunden. So bleibt das Parfum eines Menschen, mit dem wir schlechte Erfahrungen gemacht haben, für immer ‹stigmatisiert›. Ein Grund, warum Bewerbern bei Vorstellungsgesprächen geraten wird, nur neutrale Deodorants und besser kein Parfum zu benutzen. Vor kurzem ist es Forschern gelungen, den Duft von Tränen zu analysieren. Weint eine Frau, wird über den Duft der Tränen signalisiert, dass die Frau vom Partner getröstet werden und zum Beispiel gerade keinen Sex möchte. Schon länger bekannt ist hingegen, dass der Geruch bei der Wahl des Partners entscheidend ist: ob er zu meinen Genen passt oder nicht, wird über den Geruch entschieden. Dabei lässt sich die Lust auf Sex heute zumindest bei Schweinen schon perfekt steuern. Um die Paarungswilligkeit anzuregen, werden Pheromone in Zuchtbetrieben im Stall versprüht. Zum Glück ist man von der Entschlüsselung der Pheromone des Menschen jedoch noch weit entfernt. Neue Forschungserkenntnisse greift die Werbebranche dankbar auf. Der Konsument wird durch den Einsatz von Düften gezielt beeinflusst. Noch geht es ab und zu schief, wenn wir den Einsatz künstlicher Duftstoffe bemerken und uns über den nach Gummibärchen riechenden neuen Computer wundern. Aber mit dem Duftmarketing werden zuneh48

mend ausgeklügelte Werbestrategien entwickelt, die von Forschungsergebnissen untermauert werden.

Angenehm bis aufdringlich

Doch wie beurteilt der Duftexperte Grossenbacher selber seine Arbeit, das Duftmarketing? ‹Ich setze das olfaktorische Neuromarketing ein, um für Leute im Kaufhaus eine angenehme Atmosphäre zu schaffen.› Beim Einkaufen sollen sie in Ruhe aussuchen können und in geruchsneutralen Umkleidekabinen Kleider anprobieren können. ‹Manipuliert werden sie ja auch beim Schnäppchenkauf und anschliessend ärgern sie sich über den Fehlkauf.› Aha: also doch Manipulation und das auch noch direkt ins Unterbewusstsein. Vielleicht würde Grossenbacher deshalb auch mit einigen Branchen nicht kollaborieren: ‹Spielcasinos und die Alkohol- und Zigarettenindustrie sind für mich absolut tabu.› Bisher konnten wir davon ausgehen, dass uns die meisten Botschaften der Werbung auf bewusster Ebene über Bilder, Sounds und Sonderangebote erreichten. Neuerdings werden sie aber – im gelungenen Falle ohne von uns bemerkt zu werden – direkt in unser Unterbewusstsein geschickt.


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Barfliegen Hier treffen Einsamkeit und Hoffnung aufeinander, Geschäftsmänner warten auf Traumfrauen und nur der Barkeeper kennt die Geschichte: Hotelbars haben ihren ganz eigenen Reiz. Und ihre eigenen Regeln. Roman Neumann tauchte ein in die Welt, in der sich alle Klischees bewahrheiten, und zog durch Zürichs Hotelbars. Illustration: Frank Höhne

A

lena ist nur ein Jahr älter als der Whisky, der vor mir auf dem dunklen Holztisch steht. Die ungarische Kellnerin hat sich auf der gepolsterten Bank niedergelassen, umgezogen nach getaner Arbeit, die blonden Haare hochgesteckt, sie trägt jetzt eine silberne Halskette – vom Exfreund bekommen, seufzt Alena. Aber der arbeitet ja jetzt beim Coop, weisch. Alena versucht, schön zu sein. Es ist ein grauer Montag. Wir sitzen in einer Zürcher Hotelbar. Ich könnte jeder sein, heute Abend. Nicht greifbar. Ein Gast. Austauschbar. Die schwere Schwingtür hinter mir schabt immer wieder über den roten Samt. Leute werden hineingespült. Drinnen ist alles gedämpft, wie im Winter, wenn ein Schneeteppich das Geschwätz und das Kreischen des Lebens verschluckt. Es ist eine Oase in der wüsten Grossstadt. Niemals kommt Hektik auf, denn die hat hier keinen Platz. Ich lernte Alena kennen, weil sie behauptete, auf den Zug warten zu müssen, der fahre eben erst in einer Dreiviertelstunde, eine derart blöde Verbindung, mühsam sei es, seufzt sie. Ob es mir etwas ausmache, wenn sie sich zu mir setze? Alena knabbert an Salzgebäck, erzählt von den beiden Herren, die ihr einst viel Trinkgeld gegeben hätten, uh viel Trinkgeld, weisch. Sie habe eben, also, das sei blöd gelaufen, mit der Bluse an diesem dekorativen Teil da drüben, da sei sie hängen geblieben, ja wirklich! Und dann sei die Bluse aufgerissen, vorne. Alena kichert schrill. Sie flüstert: Und jetzt trage ich halt darunter immer einen BH, weisch. Ich erzähle ihr auch eine Anekdote aus meinem Leben, aber sie versteht die Pointe nicht. Die Gäste in einer Hotelbar sind anonym

und sie bleiben anonym. Der Barkeeper ist diskret und er bleibt diskret. Leder. Holz. Polster. Glas. Ein Piano. Oh kommet, ihr Klischees, hier ertränken wir Herzen. Die Zeit schleppt sich vorwärts.

Whisky

In einer anderen Bar in Zürich, ein schmales Oval. Der Flügel schimmert schwarz in der Ecke, die Bardame ist blass. Ich setze mich an die in sterilem Metall gehaltene Bar, vermisse das Holz. Einen Bruichladdich bitte, 18-jährig. Er schmeckt nach Vanille, süsslich, bleibt am Gaumen hängen. Eiswürfel? Frevel! Blasphemie! lärmt die Bardame. Für Leute ohne Ahnung, sagt sie und taut langsam auf. Einen guten Whisky, dessen Geschmack spüre man

Man lacht kaum, Belustigung ist billig. Belustigung ist Grosszügigkeit, wie die Champagner-Flaschen, die verteilt auf dem Tisch stehen. Die jungen Mädchen rundherum langweilen sich. am nächsten Morgen noch beim Zähneputzen. Es gäbe sogar Hotelgäste, die sich nachts in die Bar geschlichen hätten, um eine gute Flasche zu klauen, Tatsache. Erwischt habe man die, als sie sich gerade zum Regal hochgereckt hätten, kein Scherz. Jetzt sei der Zugang von der Treppe zur Bar nachts immer verschlossen. Ist schon einige Zeit her. Sie ist müde. Leise 51

schlurft der Swing aus den Lautsprechern, hinter dem Tresen wischt die Bardame Gläser sauber. Sie hat nichts zu tun, muss dennoch Haltung bewahren. Einsam scheint sie, genau wie die Herren, die auf Geschäftsreise in der Bar nach Gesellschaft suchen. Gemeinsam ist Alleinsein einfacher. Heute sind sie nicht da. Manchmal blieben die halt im Zimmer, erzählt die Dame. Wie dieser Mann damals in seinem Zimmer im Parterre, der eigentlich gar nicht ‹so› ausgesehen habe. Stehend, nackt, die Vorhänge geöffnet, der Pornokanal eingeschaltet – das Personal stand im Garten und kicherte. Man amüsierte sich göttlich, damals. Holte den Lehrling aus der Küche, um es ihm zu zeigen, kein Scherz.

Champagner und Gin Tonic

Zürich, berühmte Hotelbar, mächtig scheint sie, wie der Türsteher, der mich eingehend mustert. Drinnen herrscht Reichtum, doch der ist hässlich. Die Jünglinge in der Ecke haben einen Tisch reserviert. Das Studium gerade begonnen, vielleicht auch erst das Gymnasium, die Kanti, Söhne grosser Männer, das rosafarbene Hemd gehört dazu, ebenso die halblangen Haare, und der um die Schultern geknotete Pullover. Nach hinten gekämmt, geklebt, schnittig, schnell. Geld verleiht dieser Armut Uniformen. Man lacht kaum, Belustigung ist billig. Belustigung ist Grosszügigkeit, wie die Champagner-Flaschen, die verteilt auf dem Tisch stehen. Die jungen Mädchen rundherum langweilen sich. Das Fussvolk darf an den Stehtischen ausharren, neidisch blicken zwei junge Männer, gebügeltes Hemd, grosse Uhren, zu den Reichen rüber. Sie betreiben Konversation,


ohne einander zuzuhören. Alena, die mit der Bluse (heute trägt sie Grün), nippt an ihrem Gin Tonic, Hendrick’s, Achtzehnfrankenfünfzig. Alena hat ihre Nägel gemacht und redet nicht gern von sich. Alena erzählt lieber von der Dame damals in diesem schönen Ballkleid. Die habe in Herrenbegleitung an der Bar gesessen, hübsch und schlank, wie ihr Täschchen, das den Namen dafür nicht verdient. Eigentlich sei es ein Beutelchen gewesen, kichert Alena. Und dann, prustet sie, sei die Dame plötzlich blass um die Nase geworden, weisch, doch statt auf die Toilette zu rennen, drehe die dumme Gans sich um, öffne das Beutelchen und ja, man könne sich ja vorstellen, was sie dann gemacht habe! Und, Alena reisst jetzt die blauen Augen auf, dann habe die Dame im Ballkleid sich wieder umgedreht und weiter mit dem Mann geredet, als wäre nichts passiert. Als wäre nichts passiert!

Chardonnay und Epesses

Kay ist Barkeeper. Er ist mein Barkeeper. Alles sitzt tadellos. Der schwarze Anzug. Das professionelle Lächeln. Es sitzt perfekt, keine Spur unterwürfig, keine Spur herablassend. Kay arbeitet in einem kleinen Hotel mit einem grossen Namen, mit einer grossen Geschichte, es ist alt. Kay ist weder alt noch jung. Er verschwindet im Interieur, verschmilzt mit dem dunkelgrünweissen Hintergrund. Als ich meinen Chardonnay, 14 Franken, schlürfe, will ich Zapfen und gleichzeitige Kopfschmerzen festgestellt haben. Ich wende mich an Kay, welcher meine gemurmelten Rechtfertigungen gelassen entgegennimmt. Er vermeidet gekonnt den Fehler, an meinem Glas zu riechen, ja es gar anzufassen, sondern schenkt sich dafür selbst einen kleinen Schluck aus der beschuldigten Flasche ein, dreht sich dabei um, damit ich seinen Gesichtsausdruck nicht beobachten kann. Er bedauert anschliessend, mir mitteilen zu müssen, dass ich mich leider irre, aber es könne vorkommen, dass man den Wein einfach nicht gern habe, sagt er diskret, damit es die anderen Leute an der Bar nicht hören. Er empfiehlt mir einen Epesses, er wird mir das neue Glas später nicht verrechnen. Dass ich es gewagt habe, die ungeheuerliche Behauptung aufzustellen, es sei möglich, dass er, Kay, mir einen verdorbenen Wein eingeschenkt haben könnte, das erwähnt er mit keiner Silbe. Beschämt gebe ich ihm später ein grosszügiges Trinkgeld.

Zigarren oder Zigarette

Ein einzelner Herr mit Hornbrille und schlecht sitzendem Anzug hat sich am Tisch neben mir niedergelassen. Er will nicht reden, er will zuhören. Dem Frack am Piano, der sich durch die Klassiker kämpft, mit rauer Stimme über Sehnsucht, Elend und Vergeltung singt. Herr Hornbrille hat den Kopf in die Hand gestützt, sitzt einfach nur da, bewegt sich nicht. Er lauscht. Er scheut die Gesellschaft, mustert die anderen Anwesenden kein einziges Mal. Warum sitzen Männer alleine in Hotelbars? Es ist die Einsamkeit als Zeremonie. Der Einsame zelebriert. Er seufzt vielleicht, wenn er kinki report

auf den Barhocker rutscht. Er blickt vielleicht verdrossen in sein Glas. Er zählt vielleicht die Flaschen hinter der Bar. Es gehört alles dazu. Der einfache Geschäftsreisende: Er ist ungefähr zweimal die Woche in einem Hotel. Er geht hinunter, setzt sich an die Bar, weiss, dass auch heute seine Traumfrau nicht erscheinen wird. Er geht trotzdem, er ist alleine, ein Fünkchen Hoffnung ist da. Heute, genau heute, könnte es doch mal anders sein, genau so wie im Film. Doch Mal für Mal geht er kurz vor Mitternacht langsam zum Lift, wartet, steigt ein, betrachtet

Er geht hinunter, setzt sich an die Bar, weiss, dass auch heute seine Traumfrau nicht erscheinen wird. Er geht trotzdem, er ist alleine, ein Fünkchen Hoffnung ist da. sich nachdenklich im Spiegel. Im Zimmer sieht er noch etwas fern, masturbiert und schläft schliesslich ein. Er hat es immerhin versucht. Früher, da gehörte die Zigarette noch dazu. Oder eine Zigarre. Eine Cohiba Robusto, für 28 Franken, vielleicht. Der Rauch schmiegte sich an Schultern oder an einen Macallan, 25-jährig, 44 Franken das Glas. Der Rauch schwebte durch das gedämpfte Licht über dem Tresen, Rauchzeichen in der weiten Steppe. Die Zigarette gab den einsamen Herzen Halt. Wenn sie sich an niemanden klammern konnten, wenn es nichts zu klammern gab. Heute stehen Blumen auf dem Tresen. Und Erdnüsschen. Hände suchen Halt an Gläsern.

Caipi

Zürich, eine Hotelbar wie ein Vergnügungspark. Der weisshaarige Pianist hat elektronische Unterstützung, es scheppert, knistert, rauscht, doch er nickt dazu vergnügt, als einziger in der Bar. Sie hat keine Seele, zu viele Menschen spült das Warten auf den Zug hinein. Vor der Türe ein Schild: Caipi-Wochen. In der Ecke ein Mann mit Glatze, Mitte 40, er schwankt. Seine Gesichtszüge entgleisen, während er jeden Handgriff der Bardame kommentiert, welche selbiges mit stoischer Ignoranz honoriert. Daneben sitzt ein Pärchen. Der Herr trägt einen schwarzen Rollkragenpulli, rosa Finger, nie im Dreck gegraben. Der Ehering ist abgelegt. Eine Asiatin hat sich zu ihm gesellt, trägt ein mit Notenschlüsseln verziertes Oberteil. Sie zupft daran, verliert nie ihr Lächeln. Der Pianist spielt Route 66, nickt mir zu. Hinter mir sitzen drei englische Geschäftsmänner. Sie scheinen zufrieden, doch distanziert. Wie das Zimmer denn so sei, so der eine. Gut, sagt der 52

andere. Pause. Der dritte meint: Herrliche Aussicht. Alle greifen nach ihren Gläsern.

Die Rechnung

Psychologen lieben Hotelbars. Soziale Interaktion. In der Masse der Fussgängerzone können Menschen kaum im Umgang mit anderen beobachtet werden. Im Zug kann selten beobachtet werden, wie sich ein Pärchen streitet, liebt, beschimpft, flirtet. Einsame Menschen werden in Hotelbars zu Voyeuren. Zu akzeptierten Voyeuren. Dasitzen und beobachten. Nur beobachten. Sie dürfen schauen, mustern, erkennen. Nach einigen Minuten, spätestens beim zweiten Glas, gehören sie zum Inventar. Die Hotelbar ist eine Flucht. Ein Kosmos für sich, ein Ort des Vergessens. Ein befreundetes Pärchen hat sich einst in ihrer Heimatstadt ein Wochenende in einem Hotel gegönnt, die eigene Wohnung in Sichtweite. Nur um ihren Freunden zu entfliehen, dem Alltag ein Schnippchen zu schlagen. Zurück bei Alena. Sie ist mittlerweile beschwipst und zeigt Handyfotos von ihrem Rückentattoo, ein Stern mit langen Schlaufen und Schnörkeln. Ich versuche, ihr lange in die Augen zu sehen, doch sie weicht aus. Sie ist aus irgendeinem Grund wütend auf ihren Exfreund, kaut auf ihrer Unterlippe. Aber der arbeitet ja jetzt beim Coop, und sie lacht, aber es klingt unecht. Sie habe auch einen Hund, der sei uh schön, weisch. Ich trinke meinen Whisky aus. Ich fühle mich schrecklich einsam.



querschläger alles, ausser angepasst

Zeynel Demir, Chef der Firma Royal Döner, ist der Kebabkönig der Schweiz. Innerhalb weniger Jahre hat sich der kurdische Flüchtling hier ein Fleischimperium aufgebaut, welches ihn weit über die Landesgrenzen hinaus zu einer kleinen Berühmtheit gemacht hat. Wir haben den schweigsamen Mann in seiner Produktionsstätte in Winterthur getroffen. Text: Rainer Brenner, Foto: Daniel Tischler

E

igentlich hat Herr Demir ja gar keine Zeit. Denn eigentlich wartet bereits der Fahrer auf ihn, der ihn nach Thun fahren wird, wo wichtige Geschäfte auf ihn warten. Und so steht er unschlüssig in seinem Grossraumbüro, wo junge Männer und Frauen mit Headsets auf dem Kopf vor Computern sitzen. Wir befinden uns im Industriegebiet von Winterthur-Grüze. Von hier aus beliefert der unscheinbare kleine Mann mit dem sanften Lächeln über 700 Kebabläden und -ketten und deckt somit mehr als 60 Prozent des Schweizer Markts mit seiner Firma ab. Dabei liest sich seine Biografie ein bisschen wie ein modernes Märchen: Als kurdischer Flüchtling, der in Griechenland Asyl suchte, verschlug es ihn schliesslich über einige Umwege 1987 in die Schweiz, wo er sich als Tellerwäscher und Bauarbeiter und was sonst gerade so anfiel, durchschlug. 1993 bot sich Zeynel Demir schliesslich die einmalige Chance, eine kleine Quartiermetzgerei zu übernehmen, die sich immer mehr auf die Produktion von Kebabfleisch zu spezialisieren begann. Heute arbeiten in Demirs ständig expandierendem Betrieb über 80 Mitarbeiter. In weissen Gewändern und mit Plastikmützchen auf dem Kopf laufen sie durch die Gänge des Industriebaus, und manche von ihnen halten wirklich einen Kebab in der Rechten, wenn sie kauend von der Kantine zum Raucherbänkchen schlurfen. Yavuz Celik, Marketing- und Verkaufsleiter von Royal Döner, räumt uns schliesslich 20 Minuten ein und Herr Demir setzt sich an den Tisch und rührt in seinem Schwarztee. Nach unserem Gespräch wird kinki querschläger

uns der gepflegte junge Mann in die Kantine führen, eine grosse Halle mit einem kleinen Tisch, vor welchem fünf Kebabspiesse in ihren Grills brutzeln. ‹In der Türkei ist Zeynel Demir ein richtiger Held›, erklärt Yavuz begeistert und redet von den wohltätigen Projekten und dem guten Arbeitsklima, bevor er uns eine Mappe mit Plänen eines Architekturbüros vorlegt. Royal Döner werde nämlich bald schon erste eigene Läden eröffnen − ‹allerdings nicht so Ali-mässig›, sondern in cleanem Design und modern. Yavuz hat uns ein paar Tomaten geschnitten und Salat gebracht. ‹Weisst du, wir wollen den Leuten nicht nur das Essen, sondern auch die Kultur vermitteln›, erklärt Yavuz. Wir nicken beide eifrig und versuchen gleichzeitig, das heisse Fleisch ins Fladenbrot einzuwickeln.

türkische Kebab besteht eher aus Lammfleisch, das mögen hierzulande allerdings auch viele Leute nicht. Man isst lieber Kalbfleisch und Poulet. Der Geschmack des türkischen Kebabs ist ‹stärker› als jener eines Schweizer Kebabs. Ihr Start hier in der Schweiz lief ja nicht gerade sehr einfach, oder? Ja, wissen Sie, ich wollte immer schon selbständig arbeiten. Innerhalb der zehn Jahre, in denen ich in der Schweiz Asyl beantragt hatte, habe ich dieses Geschäft aufgebaut. Das war natürlich illegal, ich hätte nicht in diesem Quartierladen arbeiten dürfen. Obwohl ich das Geschäft gekauft habe, überschrieben wir es auf einen Schweizer, der uns dann ‹anstellte›. Anfangs verkauften wir so etwa 60 bis 70 Kilo die Woche, mit der Zeit wurden es immer mehr. Damals verkaufte übrigens erst Mövenpick in Pfäffikon im Kanton Schwyz Kebabs.

Interview

Wie denken denn die Leute in Ihrer Heimat über Ihren Erfolg hier? Ist man eher eifersüchtig oder bewundert man Sie? Die freuen sich schon über den Erfolg. Wir machen auch viel soziale Arbeit, helfen armen Menschen in der Türkei, nehmen hier in der Schweiz Leute mit schwieriger Vergangenheit in unserem Betrieb auf. Ich denke, das wird schon geschätzt.

kinki magazin: Sie haben für die Schweiz ein eigenes Fleischrezept entwickelt. Inwiefern unterscheidet sich das von der Rezeptur für andere Länder? Zeynel Demir: Einerseits in der Qualität des Fleischs, andererseits in der Mischung der Gewürze. In Deutschland wird beispielsweise mehr Truthahn benutzt, in der Schweiz wird das nicht gegessen.

Wo kriegt man denn den besten Kebab hier in der Schweiz? Das ist relativ. Wissen Sie, wir produzieren ganz viele verschiedene Fleischsorten, das ist Geschmacksache. Ausserdem müssen im Laden selbst natürlich die hygienischen Standards, das Personal und

Wieso nicht? Keine Ahnung, man mag es einfach nicht. Wir haben auch schon Versuche gemacht, in denen wir die Truthahn-Kebabs gratis verteilten, aber die Leute hier mochten das einfach nicht. Der 54

die Qualität der restlichen Produkte stimmen. Hygiene und Qualität, das ist sicherlich das Wichtigste beim Kebab, wir bei Royal Döner legen darauf auch sehr viel Wert. Der Rest ist Geschmacksache. Was ist denn eigentlich Ihre persönliche Leibspeise, Herr Demir? (Lacht) Mein Lieblingsessen? Eigentlich mag ich fast alles, ich esse gerne Gemüse, Fleisch mag ich auch sehr gerne … Und Kebabs? Kebabs mag ich natürlich auch. Aber man kann nicht jeden Tag Kebab essen. So ist das ja eigentlich mit allem. Aber ich mag auf jeden Fall sehr gerne Fleisch. Und was wollten Sie als kleiner Junge werden? Lehrer! Ich habe in der Türkei das Gymnasium absolviert, habe die Aufnahmeprüfung für die Uni abgelegt, mich sogar eingeschrieben. Allerdings waren mir dann andere Sachen wichtiger. Ich wollte nicht studieren, sondern andere soziale Aufgaben übernehmen. Eines der neusten Produkte aus dem Hause Royal Döner nennt sich ‹Hayal – der Trank deiner Träume›. Der Inhalt der roten Dose schmeckt zwar wie ein herkömmlicher Energy-Drink, doch durch das spezielle Verpackungsdesign, auf welchem ein Minarett friedvoll neben einer christlichen Kirche und einer jüdischen Synagoge steht, soll vor allem eine politische Message transportiert werden: ‹Der Himmel ist gross genug für uns alle.›


‚Man kann nicht jeden Tag Kebab essen.›

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you are what you eat Mark Menjivar

kinki kunst

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Street Advertiser / San Antonio, Texas / 1-Person Household / Lives on $432 fixed monthly income. 57


Short Order Cook / Marathon, Texas / 2-Person Household / She can bench-press over 300 lbs. kinki kunst

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Owner of Defunct Amusement Park / Alpine, Texas / 1-Person Household / Former WW II prisoner of war. 59


Midwife/Middle School Science Teacher / San Antonio, Texas / 3-Person Household (including dog) / First week after deciding to eat all local produced. kinki kunst

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Retired Train Conductor / Jackson, Mississippi / 1-Person Household / Started Meals on Wheels in his community. 61


Community Volunteer / San Angelo, Texas / 1-Person Household / Completely blind and lives alone. kinki kunst

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Bar Tender / San Antonio, Texas / 1-Person Household / Goes to sleep at 8AM and wakes up at 4PM daily. 63


Die letzte Waffe

Der Hungerstreik ist auch nicht mehr das, was er einmal war. Kinderschänder und Kriegsverbrecher bringen eine einst ehrbare Protestform in Verruf. Text: Jens Dierolf, Illustration Benedikt Rugar

S

eine Wangen waren eingefallen, sein Körper abgemagert, der Hungerstreik hatte Spuren hinterlassen. René Osterwalder, 1,80 Meter gross, wog nur noch 50 Kilogramm. Mit seiner Essensverweigerung protestierte der als Babyquäler bekannt gewordene Thurgauer gegen die Trennung von seinem Freund, einem Mithäftling. Dieser war in ein anderes Gefängnis verlegt worden. In einem verzweifelten Brief an eine Boulevardzeitung begründete Osterwalder sein Handeln: ‹Ohne Liebe kann und will ich nicht leben.› Er, der Babys folterte, kleine Kinder auf unvorstellbare Weise missbrauchte, bettelte um Milde und setzte seine letzte Waffe ein: den eigenen Körper. Das Mitleid hielt sich in Grenzen. In den Leserbriefspalten der Zeitungen und in den Internetforen hagelte es Beschimpfungen. Die Wut war ja auch verständlich: Darf sich ein Schwerverbrecher wie Osterwalder tatsächlich als Opfer der Justiz sehen und aufbegehren?

Gewaltloser Widerstand

Lange galt der Hungerstreik als gewaltloser Widerstand der Entrechteten gegen die Tyrannei des Staates, für das Gemeinwohl, für ehrbare Motive. In den 30er- und 40er-Jahren verweigerte der indische Volksheld Mahatma Gandhi wochenlang die Nahrungsaufnahme, um sein Volk von einem Bürgerkrieg und von gewaltsamen Aufständen gegen die Besatzungsmacht Grossbritannien abzuhalten. Der französische Pazifist Louis Lecoin hungerte Anfang der 60er erfolgreich, um die Legalisierung der Kriegsdienstverweigerung durchzusetzen. Und heute machen selbst Schwerstkriminelle vor dieser Protestform nicht halt. Die Geste der langsamen, kinki report

öffentlichen Selbstauslöschung ist längst kein exotisches Mittel mehr, wie ein Blick in die Zeitungsarchive zeigt. Auch die Motive sind völlig unterschiedlich – und längst nicht immer uneigennützig.

Täter machen sich zu Opfern Aus Protest gegen die Haftbedingungen verweigerte der belgische Kinderschänder und verurteilte Mörder Marc Dutroux das Essen. Ein makabrer Hilfeschrei – zwei seiner Opfer hatte Dutroux schliesslich selbst grausam verhungern lassen. Der einstige irakische Diktator Saddam Hussein verfolgte mit seinem Hungerstreik immerhin ein selbstloseres Ziel: Er wollte dadurch strengere Sicherheitsvorkehrungen für seine Anwälte erzwingen. Terroristen hatten zuvor den Verteidiger eines Mitangeklagten erschossen. Husseins Cousin, Ali Hasan al-Madschid, war bereits zum Tode verurteilt, als er sich als letzte Rebellion ins Krankenhaus fastete – als Aufbegehren gegen die Haftbedingungen und die ‹Siegerjustiz der Amerikaner› nach dem Irakkrieg. Al-Madschid, besser bekannt als Chemie-Ali, war sonst nicht gerade als Feingeist bekannt. Ende der 80er-Jahre

Die Geste der langsamen, öffentlichen Selbstauslöschung ist längst kein exotisches Mittel mehr. soll er als Gouverneur im Nordirak mit dem Einsatz von Giftgas einen kurdischen Volksaufstand niedergeschlagen haben. Was während der Herrschaft Saddam Husseins mit Gefange64

nen geschehen wäre, die Nahrung verweigert hätten, lässt sich leicht ausmalen. So viel ist sicher: Öffentliche Diskussion darüber, ob man sie zwangsernähren lassen sollte, hätte es nicht gegeben. Eigentlich ist die Essensverweigerung höchst paradox. Denn der Protestierende quält sich vor allem selbst, um anderen seinen Willen aufzuzwingen. Ein geradezu anmassender Erpressungsversuch, vor dem selbst Machthaber nicht zurückschrecken. Dem bolivianischen Staatschef Evo Morales gelang es 2009 mit einem tagelangen Hungerstreik eine Wahlrechtsreform zu erzwingen, die seine Wiederwahl ermöglichte. Der Senat, in dem die Opposition die Mehrheit hatte, gab schliesslich seine Blockade auf. Verzweifelt und absurd zugleich wirkte das Aufbegehren einer 93-jährigen Belgierin: Die Heimbewohnerin wollte die aktive Sterbehilfe erzwingen, indem sie damit



Das Nein zur Nahrung als Widerstand gegen die zum Bersten gefüllten Gefängnisse ist in Südamerika nichts ungewöhnliches und selbst Geistliche nutzen das Druckmittel. begann, sich in den Tod zu hungern. Das Nein zur Nahrung als Widerstand gegen die zum Bersten gefüllten Gefängnisse ist in Südamerika nichts Ungewöhnliches und selbst Geistliche nutzen das Druckmittel. Im Fall des brasilianischen Bischofs und Umweltaktivisten Luís Flávio Cappio war es immerhin überaus erfolgreich. Cappio setzte so den Plänen zu einer Flussumleitung ein Ende.

spätestens ab dem 50. Tag um Leben und Tod, schätzen Mediziner. Die allermeisten brechen den Hungerstreik nach wenigen Tagen aber schon wieder ab. Der Kindermörder Marc Dutroux etwa hielt gerade mal zwei Tage durch, Saddam Hussein elf. Manche Mediziner sind indes davon überzeugt, dass einige Aktivisten bei der Nahrungsverweigerung nicht allzu konsequent sind. Andernfalls, so glauben Ärzte, hätten sie nicht teilweise mehr als 100 Tage überleben können. Als vor fast 40 Jahren die inhaftierten deutschen Terroristen der Roten Armee Fraktion in den Hungerstreik traten, liess sich Andreas Baader, einer der Anführer, heimlich Essen von seinen Anwälten in die Zelle bringen. Sein Kampfgenosse Holger Meins blieb hingegen standhaft – und bezahlte den Hungerstreik nach 58 Tagen mit seinem Leben. Auf kinkimag.ch findet ihr diesen Monat ein Interview mit Dr. Julian Mausbach vom Kompetenzzentrum Medizin – Ethik – Recht Helvetiae der Universität Zürich.

Kampf um den Hanf

Hier in der Schweiz sorgte bekanntlich vor Kurzem der Walliser Hanfbauer Bernard Rappaz mit seinem Essensstopp für Schlagzeilen. Monatelang beschäftigte er Ärzte und die Justiz. Er ist indes nicht der einzige sogenannte Hanfaktivist, der derart gegen ein Gerichtsurteil protestierte. Nach seiner Verurteilung wegen des Besitzes von Cannabis trat auch Jürgen Hahnel aus dem süddeutschen Tübingen 2009 in einen – wie er es nannte – ‹drogenpolitischen Hungerstreik›. In westlichen Demokratien ist den Aktivisten eines sicher: die Aufmerksamkeit der Medien. Doch auch wenn der Widerstand gewaltfrei ist, wenn die Hungerstreikenden nur ihren eigenen Körper malträtieren: Ist er wirklich ein legitimes Mittel? Muss der Steuerzahler dafür aufkommen, wenn sich ein Verurteilter ins Spital fastet? Soll sich ein Rechtsstaat erpressen lassen, weil sich Kinderschänder, Terroristen, selbsternannte Weltverbesserer oder Helden selbst zum Opfer machen?

Irreparable Schäden

Voyeuristisch betrachtet das Publikum die öffentliche Selbstauslöschung. Der körperliche Verfall geht schliesslich langsam vonstatten. Wer nur noch trinkt, aber keine Nahrung mehr zu sich nimmt, dem drohen etwa ab dem 30. Tag irreparable gesundheitliche Schäden. Je nach körperlicher Konstitution geht es kinki report

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Hühnersuppe, Jelly Beans und Popmusik Chairlift hatten keine Lust mit uns über die Aufnahmen zum neuen Album zu sprechen. Viel lieber widmete sich Drummer und Produzent Patrick Wimberly unseren Fragen zu den bisweilen speziellen Essgewohnheiten seiner Band. Text und Interview: Martina Messerli, Foto: Promo

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ragen zum neuen Album sowie Fragen zum Erfolgsalbum «Does You Inspire You» aus dem Jahr 2008 wurden bereits oft genug gestellt und werden aus diesem Grund nicht mehr beantwortet.› Dies die knappe und doch aussagekräftige Erklärung des Managements von Chairlift, eine der derzeit erfolgreichsten Bands aus dem eigenwilligen Pop-Biotop Brooklyn, dem unter anderem auch MGMT, Yeasayer, Boy Crisis, Mixel Pixel oder auch Apache Beat entsprungen sind. Offenbar ist dieser Stadtteil New Yorks mit seiner lebendigen Kulturszene und den dort gestrandeten kulturellen Einflüssen aus aller Welt eine grosse Inspiration für junge Bands, deren musikalische Sozialisierung in den 80ern stattfand und die den Hang zu exklusiver Kostümierung teilen. Es ist schwer zu beschreiben, was da locker aus den Boxen tröpfelt. Mal erinnert die Musik von Chairlift ein bisschen an The Cure, dann aber ist der verträumt-spacige Popsound dafür wieder zu sehr dem Mainstream verhaftet. Verglichen wurden die drei Mittzwanziger schon mit The Cocteau Twins, aber auch mit Björk und The Knife – die Liste ist lang. Doch wo auch immer Chairlift ihre Inspiration zu ‹Does You Inspire You› gefunden haben, das Resultat ist vielschichtig. Zuckersüsse Poptunes wechseln sich mit Ambient Rocksongs ab, Polacheks dunkle, zeitweise fast schon gleichkinki musik

gültige Stimme kontrastiert Aaron Pfennings Gesang. Die langsamen, atmosphärischen Songs bringen die Songwriter-Qualitäten des Trios am besten zur Geltung, aber Chairlift greifen auch gerne mit vollen Händen in die 80er-Jahre Kiste, um eine Power-Ballade hervorzuzaubern. Die Band selbst nennt ihr Schaffen übrigens ‹25th century folktronica›, also eine Art retro-futuristischer Sound, immer offen für gewagte Kombinationen, doch dazu später mehr. Werfen wir erst einen Blick zurück: Gegründet wurde Chairlift bereits im Jahr 2005 von Caroline Polachek und Aaron Pfenning. Damals noch als Duo und zuhause in Boulder, Colorado. Nachdem die beiden zum Studium nach New York übergesiedelt waren, trafen sie Patrick Wimberly wieder, der früher schon mit Polachek die Bühne geteilt hatte. Wimberly wurde als Schlagzeuger und Produzent Teil des Trios. Der bisher zweifellos grösste Hit von Chairlift ist die bezaubernde Liebeserklärung ‹Bruises›, die 2008 den Werbespot zu Apples neu aufgelegtem iPod nano untermalte – eine bessere Plattform zur Steigerung der Popularität kann sich eine junge Band wohl kaum wünschen. Innert kürzester Zeit summte die halbe Welt den bitter-süssen Text zu ‹Bruises› vor sich hin. Die Erwartungen an das darauf folgende Album waren riesig. Und sie wurden mehr als erfüllt. Aber eben wie bereits 68

erwähnt, das alles gehört der Vergangenheit an, lieber blickt man nach vorne, aufs neue Album, an dem sie derzeit arbeiten und das im Frühjahr 2011 erscheinen wird. Das Album sei auf gutem Wege, lässt die Band ausrichten, allzu viel möchten sie aber nicht verraten. Viel lieber widmete sich Schlagzeuger Patrick Wimberly unseren Fragen zu den Essgewohnheiten der Band. Und siehe da, auch die Schweiz hat – zumindest kulinarisch – bei Chairlift einen bleibenden Eindruck hinterlassen.

Interview kinki magazin: Kann man ein gutes Essen in irgendeiner Weise mit Musik vergleichen? Patrick Wimberly: Ich hab das noch nie so gesehen und auch in dieser Weise noch nie wirklich drüber nachgedacht. Aber ich glaube, ich kann beides, gute Musik wie auch ein nettes Essen in ähnlicher Weise geniessen. Die Unterschiede sind allerdings weit einfacher zu benennen: Ich brauche zum Beispiel jeden Tag frische Lebensmittel; was Musik anbelangt, so muss ich nicht jeden Tag was Neues entdecken. Mein Herz schlägt sehr für alte Musik, für altes Essen kann ich mich hingegen weniger begeistern. Wenn euer Erfolgsalbum ‹Does You Inspire You›


‹Alle sechs Jelly Beans gleichzeitig in den Mund stecken und gut kauen, daraus ergibt sich der beste Banana Split aller Zeiten.›

aus dem Jahr 2008 für einen reichhaltigen Dreigänger stehen würde, was käme bei Chairlift auf den Tisch? Der erste Gang würde aus Mixed Pickles, umhüllt von geräuchertem Cheddar-Käse, bestehen. Danach würde ein Taco-Eintopf garniert mit einer Sauce aus geschmolzener, schwarzer Schokolade serviert, und zum Dessert ein Sorbet aus Lauch das Gericht abrunden. So stelle ich mir den Geschmack von ‹Does You Inspire You› in etwa vor. Probiert es aus, ihr werdet überrascht sein! Würdest du uns dein liebstes Rezept verraten? Mein derzeitiges Lieblingsrezept besteht aus folgenden Zutaten: 1 Jelly Bean ‹Banane›, 1 Jelly Bean ‹Schokolade›, 1 Jelly Bean ‹Ananas›, 1 Jelly Bean ‹Erdbeermarmelade›, 1 Jelly Bean ‹Very Cherry›, 1 Jelly Bean ‹French Bourbon Vanille›. Zubereitung: Alle sechs Jelly Beans gleichzeitig in den Mund stecken und gut kauen, daraus ergibt sich der beste Banana Split aller Zeiten! Das klingt nicht sehr gesund, ist das derzeit eure Studio-Verpflegung, oder was steht sonst so auf dem täglichen Menuplan? Im Moment essen wir häufig Suppe: Rübensuppe, Butternut-Kürbis-Suppe, Pho – das ist eine traditionelle vietnamesische Nudelsuppe –, Tomatensuppe, Schoko-Tintenfisch-Suppe, Hühnercreme-Popcorn-Suppe, Entensuppe. Du siehst, alles mögliche eben, Hauptsache Suppe. Das sind zum Teil sehr gewagte Kombinationen, an denen du uns da teilhaben lässt. Gibt es etwas, das gar nicht geht? Das wohl ekligste Essen überhaupt wurde uns auf Tour im englischen Dover vorgesetzt. Wir haben da eine Weile auf unsere Fähre warten müssen und ich erinnere mich zum Glück nur noch dunkel an das schlimmste English Breakfast aller Zeiten. Andererseits werden wir auf Tour auch immer wieder sensationell verköstigt und lernen viele neue Menus kennen. Eines meiner liebsten Essen auf Tour hatten wir lustigerweise in der Schweiz, in Düdingen. Wir haben im Club gegessen, ich glaube der hiess Bad Bonn. Zauberhafte Leute und wirklich tolles Essen gibt es dort! Weg vom Essen, zurück zu eurem neuen Album, was wird das Jahr 2011 in dieser Hinsicht bringen? Derzeit sind wir im Studio, die Aufnahmen sind fast fertig, das ist alles, was ich jetzt schon verraten kann. Und wir freuen uns, in einigen Monaten auf Tour gehen zu können. An anderer Stelle waren Chairlift auskunftsfreudiger, was das neue Album anbelangt, und verrieten immerhin, dass der eine Song aus der Perspektive zweier verliebter Kannibalen geschrieben sei. Womit sich der Kreis schliesst. Weitere Info findest du unter myspace.com/chairlift.

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vorspiel musiker erklären ihre songs

Cult of Youth: Cult of Youth 01.

07.

Der neuste Song auf diesem Album, ausserdem ist das mein Lieblingstext. Ich kam eine Woche vor der Aufnahme mit zwei Akkorden und ein paar Kritzeleien zur Probe. Aber als wir den Song zusammen spielten, kamen die Lyrics wie von selbst.

Obwohl ich diesen Song geschrieben habe, fühlt es sich an, als gehöre er irgendwie zu Micki. Er liebte die Demoversion und drängte uns, den Song fürs Studio zu bearbeiten.

New West:

02.

The Dead Sea:

Dieser Song ist ziemlich simpel und straight, so wie das früher unser Stil war. Die Lyrics haben eine verborgene Bedeutung, auf die nie jemand kommen wird und die ich bislang nur einem Menschen verraten habe, weil ich das Geheimnis nicht für mich behalten konnte.

03.

Monsters:

Die Originalversion dieses Songs hatte ungefähr acht Strophen. Ich nahm vor etwa zwei Jahren eine Demoversion davon auf; die war zwar charmant, aber einfach viel zu lang. Also kürzte ich alles auf drei Strophen runter, das klang schon viel besser. Die Lyrics funktionierten zwar besser, als der Song noch länger war, doch musikalisch gesehen war die Kürzung sicher die richtige Entscheidung.

04.

Casting Thorns:

A

us Brooklyns musikalischer Küche werden uns seit einiger Zeit fast im Minutentakt neue Bands und Solokünstler aufgetischt. Dass die meisten von ihnen geschmacklich auf derselben Wellenlänge liegen und deshalb leider immer öfter im Einheitsbrei des grossen Alternative-Topfs untergehen, ist der schale Nachgeschmack dieser eigentlich erfreulichen Entwicklung. Doch einige schaffen es dennoch, durch rein musikalische Qualitäten aufzufallen. Cult of Youth ist eine dieser Bands. Ihren Sound zu beschreiben, fällt schwer: Eine tiefe durchdringende Stimme, die sich über treibende Gitarrenriffs, einen düsteren Bass und Geigeneinlagen legt, entführt uns in ein undefinierbares Reich zwischen Rock, Wikingergesängen, Violin-

kinki vorspiel

Das war der erste Song, den ich für das momentane Line-Up der Band geschrieben habe. Dass Christiana zu unserer Band gestossen ist, war wie ein Geschenk Gottes. Ich konnte nicht verstehen, dass so eine begabte Musikerin mit einem Haufen Trottel wie uns (abgesehen von Micki, der war immer schon elegant und ‹sophisticated›) zusammenspielen wollte.

arrangements, türkischen Einflüssen, Neofolk und Punk. Liest sich nicht besonders appetitlich? Hört sich dafür aber umso besser an! Begonnen hatte alles mit Frontmann Sean Ragon, der im Alleingang unter dem Namen Cult of Youth bereits einige Home Records in Eigenregie produziert hatte. Das aktuelle Album – das natürlich stilgerecht auf Vinyl erscheint – darf dennoch zweifelsohne als Debüt der nun vierköpfigen Band betrachtet werden. Zur aktuellen Besetzung gehören der Bassist (und nebenbei noch als PerformanceKünstler, Maler sowie Okkult-Schüler aktive) Micki Pellerano, der Drummer Glenn Marynaski und die Violinenvirtuosin Christiana Key. Sean Ragon kommentierte für euch die Songs des Albums.

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Through The Fear:

Zweifelsohne mein Lieblingslied auf diesem Album. Das Schreiben dieses Songs markierte ziemlich drastisch einen grossen Fortschritt in meinem Songwriting. Das Gefühl der Weite, das mit der Einführung des Instrumentalthemas in der Mitte des Songs einhergeht, verfügt über zeitlose und romantische Qualitäten.

The Pole-Star:

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Cold Black Earth:

Diesen Song habe ich schon auf dem ersten Album veröffentlicht, allerdings auf eine ganz andere Art. Als die Band dann grösser wurde, legten wir die älteren Songs immer mehr zur Seite, das ‹Home-Recording-Format› liess sich einfach nicht gut auf die grössere Band übertragen. Dieser Song funktionierte aber aus irgendeinem Grund in der neuen Besetzung, also beschlossen wir, ihn zu überarbeiten. Und ich bin froh, dass wir das getan haben.

09.

Lorelei:

Auf diesem Album haben wir uns eindeutig von den Neofolk-Einflüssen getrennt, die man früher raushören konnte. Ich betrachte das als wichtigen Teil unseres Werdegangs und bin stolz, dass wir uns immer weiter und weiter entwickeln, unsere eigene Nische, unseren eigenen Sound finden. Trotz allem: das hier ist ein simpler und ehrlicher NeofolkSong, beeinflusst von dem, was ich fühlte, als ich mir ein Gemälde des Rheins anschaute.

10.

The Lamb:

Unser ‹Martial Pop / Turkish Psych / Cosmic Freakout›-Song. Mehr fällt mir dazu nicht ein. Jess von Effi Briest besuchte uns für diesen Song im Studio und legte ein paar Hammer-Percussions hin!

11.

Lace Up Your Boots:

Haha, ich hasse diesen Song! Nein, natürlich nicht, ich habe mich an ihn ‹gewöhnt›, aber anfangs fühlte es sich seltsam an, einen Rocksong auf dem Album zu haben. Als wir die Aufnahmen zu diesem Album hier planten, sprachen wir darüber, eine etwas postpunkigere, wavigere Version des Songs aufzunehmen. Ich wollte das am Anfang echt überhaupt nicht, aber die anderen überredeten mich einfach. Natürlich war es eine gute Entscheidung und im Nachhinein finde ich es doof, dass ich mich so dagegen gesträubt habe …

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Weary:

Der erste Song, den ich nach meinem Entzug schrieb. Ich hatte eine harte Zeit, vor allem im ersten Monat, und fürchtete mich davor, meinen kreativen Drive zu verlieren. Dann kam mir dieser Song, obwohl ich eigentlich gerade gar keine Zeit dafür hatte. Doch ich liess alles stehen und liegen und arbeitete an diesem Lied.

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Text: Rainer Brenner, Foto: Sebastian Mlynarski Cult of Youth – Cult of Youth (Sacred Bones Records / Irascible) erscheint am 22. Februar. sacredbonesrecords.com


GRAPHIC DESIGN BY FELIX PFÄFFLI


Bad Taste for Life Ihre Videos sind zusammenhangsloser Nonsens, ihre Musik eine endlose Assoziationskette, die über lieblos wummernde Techno-Beats gelallt wird. So gesehen ist das Hamburger Kollektiv HGichT vielleicht einfach eine ganz normale Popband … Text und Interview: Rainer Brenner, Foto: Dennis Dirksen

HGichT lassen sich ihren Erfolg schmecken. Und Karla Knies (ganz rechts) Magen hat sich Gott sei dank auch wieder erholt.

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och ganz so einfach ist das Ganze natürlich nicht. Vielmehr sind ‹HGichT› (die Abkürzung für ‹Heute geh’ ich tot›) ein YouTube-Phänomen, das den Leuten trotz strengster Sinnentleerung und minimalem musikalischen Aufwand genau das bietet, nach dem sie auf Internetportalen eigentlich ständig suchen: pure Unterhaltung. Ihre Videos, welche den Protagonisten Tutenchamun (meistens in Bauweste und Babywindeln) und Konsorten in verschiedenste, nicht nachvollziehbare Situationen zwingen, erfreuen sich nämlich reger Klickraten von bis zu einer Million. Und ihr Debütalbum mit dem unverwechselbaren Namen ‹Mein Hobby: Arschloch› setzte dem Hype um kinki musik

den grellbunten Mikrokosmos der Truppe das Krönchen auf. Doch was genau tun diese Leute da eigentlich? Ist das Kunst? Oder Musik? Oder einfach nur grandios platter Trash? ‹Manchmal wäre es doch so viel einfacher, wenn man nicht immer Antworten haben wollen würde. Unser ganzes Leben lang suchen wir nach irgendeinem Sinn und sind schlussendlich frustriert, wenn wir keinen finden›, fasst Karla Knie – fürs Tamburin und die Pressearbeit zuständig – zu Ende unseres einstündigen Gesprächs mit wenigen Worten zusammen. Denn HGichT lassen sich nicht fassen, sind in scheinbar ständig wechselnder Besetzung 72

unterwegs. Die Aufgabenverteilung ist breit: Vom Sänger (ein unscheinbarer junger Mann namens Anna-Maria Keiser) über den Keyboarder ohne Anschlusskabel (Dr. Diamond) und einen Action Painter (Maike Schönfeld) bis hin zu Gedichtrezipienten findet sich im dadaistisch anmutenden Kollektiv aus der Hansestadt ein Platz für so ziemlich jede künstlerische und nichtkünstlerische Selbstverwirklichung. So gesehen ist HGichT vielleicht doch etwas mehr als ‹nur› eine Popband. Und gleichzeitig auch deutlich weniger. Das klingt widersprüchlich? Na und!


Interview kinki magazin: Wie geht’s dir, Karla? Karla Knie: Ganz gut eigentlich. Ein bisschen Magenschmerzen habe ich. Ich habe nicht so gut gegessen. Was gab’s denn? Alles! Es wundert mich sehr, dass ihr überhaupt Interviews gebt. Das passt doch irgendwie überhaupt nicht in euer Konzept, oder? Wieso? Wir reden doch, wir haben doch Münder! Das stimmt schon, aber es macht die ganze lustige Verwirrung, die ihr aufbaut, kaputt. (Lacht) Ist Verwirrung nicht ein etwas komisches Konzept? Das mit dem Konzept würde ich jedenfalls gerne mal so dahingestellt lassen. Wieso? Wie würdest du es denn bezeichnen? Ich hab’s noch nie irgendwie benannt. Aber wie nennst du denn das, was ihr da macht, wenn dich jemand danach fragt? Musik? Ich sag dann halt einfach ‹Ich fahr mit HGichT nach Berlin›, oder so. Und alle wissen Bescheid … Das kann ich mir vorstellen, ihr habt ja mittlerweile eine ziemliche Berühmtheit erlangt. Ja, also nicht auf dem Niveau von John F. Kennedy oder so, aber schon ein bisschen. Was ist denn euer Erfolgsrezept? Warum denkst du, dass sich all diese Leute eure komischen YouTube-Filmchen anschauen und lauthals ‹Hartz Four› singen? Das weiss ich auch nicht so genau. Ich kann dir nur sagen, warum ich mir die angucke: Weil ich die Leute darin kenne und es witzig finde, was die da tun. Ich mag aber nicht für andere sprechen. Das tun schon zu viele. Wie komponiert ihr denn eure Songs? Wir sitzen beisammen und sammeln Ideen, Sachen, die man sich halt den ganzen Tag so überlegt. Wir machen genau dasselbe wie du oder jeder andere auch. Wir bündeln unsere Gedanken danach einfach. Wobei, so ein Gedanke, der muss ja auch nicht für alle verständlich sein. Oder es ist jetzt verständlich und dafür später Quatsch … Ich will nicht immer alles so begrenzen und einschränken, das macht doch alles immer viel komplizierter und anstrengender, als es ist. Aber das Gegenteil ist auch extrem anstrengend, finde ich. Das tut mir leid! (Lacht) Nein, ich erlaube dir einfach, die Dinge ohne Grenzen anzusehen und dir deine eigenen Gedanken dazu zu machen. Wie sieht denn euer Publikum aus? Sind das Performancefans und Kuratoren oder eher eine

Horde Flatrate-Säufer? Das müsste ich die mal fragen! Werde ich nächstes Mal machen. Ist allerdings schwierig, weil’s halt immer so laut ist. Aber ich verspreche dir, ich frage nach und mache eine kleine Studie. Wir sind ja schliesslich sehr interessiert. Nicht nur an uns, sondern auch an allen anderen. Seid ihr das? Es sieht ja eher so aus, als bliebe trotz Publikumskontakt euer Mikrokosmos erhalten. Die Leute stehen zwar betroffen da, haben aber nicht wirklich Lust mitzumachen. Aber warum denn, Rainer? Erklär mir das mal! Wenn ich irgendwo hingehe, dann mag ich ja wahrscheinlich die Leute, die dort auftreten und mache mit. Und dann freue ich mich doch zum Beispiel auch, wenn die mich umarmen. Ich denke, die Leute wollen unterhalten werden, nicht berührt. Das ist doch total traurig! Klar möchte ich auch nicht immer von fremden Leuten angefasst werden, in der U-Bahn zum Beispiel, aber dort mag ich ja auch die Leute nicht. Aber wenn ich zum HGichT-Konzert gehe, dann mag ich das ja wahrscheinlich. Euch wird immer wieder ein reger Drogenkonsum vorgehalten. Stört euch das? Ja, das ist traurig. Wenn man nicht bedenkt, dass man seine Fantasie und Kreativität schweifen lassen kann, auch ohne Drogen zu konsumieren.

‹Ich würde sagen, wir sind nicht unbedingt Hippies. Obwohl … ein kleines bisschen vielleicht.› Aber hast du vielleicht ein besonders leckeres Spacecake-Rezept auf Lager? Spacecake? Nein, leider nicht. Aber Scharmein macht total leckeren Yogi-Tee. Ihr seid aber schon ziemlich auf diesem Hippie-Trip, was? Ihr sitzt gerne im Kreis, benehmt euch wie eine Sekte, trinkt Yogi-Tee … (Lacht) Naja, Yogi-Tee ist halt einfach leckerer als Kräutertee. Aber lass mich mal überlegen: Doktor Diamond hat ziemlich lange Haare … … Maike trägt Rastazöpfe … Ja, und dann kommt noch die ganze Umarmerei dazu und dieser Liebesgedanke … Ich würde sagen, wir sind nicht unbedingt Hippies. Obwohl … ein kleines bisschen vielleicht. Ein paar von euch sind ja an der Kunsthochschule? Ja, das ist ja kein Geheimnis, dass einige von uns kunstaffin sind. Scharmein zum Beispiel malt ja wirklich die tollsten Bilder, Maike auch …

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… die malt auf der Bühne immer Pimmel, wenn mich nicht alles täuscht, oder? Ja, die sind doch prima! Aber Scharmein malt keine Pimmel, sondern andere Sachen, richtig tolle Sachen! Und DJ Kacke malt auch. Wovon lebt ihr denn? Abgesehen von HGichT? Also die Maike ist Imkerin. Ein toller Beruf. Und irgendwie auch voll süss. Doktor Diamond macht Horoskope, davon kann man gut leben. Und ich – da ich ja gerne rede und auch schreibe – versuche mir gerade als Verfasserin von Schicksalsgeschichten ein Standbein zu schaffen. Schicksalsgeschichten? Naja, wenn du dir so eine Zeitschrift kaufst, wo vorne ein Adliger drauf ist, blätterst du einfach über die Sektion rüber, in der es um Hämorrhoiden und solche Dinge geht, dann kommst du in den Bereich der Schicksalsgeschichten aus dem wahren Leben. Zum Beispiel ‹Mein Mann hat mich für einen Astronauten sitzen gelassen, dann habe ich aber zum Glück meine wahre Liebe in meinem Nachbarn gefunden, der gerade aus China zurückgekehrt ist und die Grippe hat.› Die fangen immer ganz traurig an, haben aber ein schönes Ende. Wovon handelt denn dein neustes Werk? Ich bin noch nicht fertig. Aber natürlich geht’s um Liebe und Beziehung. Und dann passiert was ganz schlimmes, Unfall, Krankheit, Verlust oder so, danach wendet sich dann alles zum Guten. Ich dachte mir, ich kann die Schicksalsgeschichten vielleicht als Sprungbrett nutzen, irgendwann schreibe ich dann Drehbücher für den Sonntagabendfilm beim ZDF. Ich schreibe heute noch weiter daran. Obwohl, erst gehe ich wahrscheinlich mal zum Arzt wegen dieser Bauchschmerzen. Hast du eigentlich nicht das Gefühl, dass jeder Interviewer nur darauf aus ist, euch irgendwie zu entlarven oder aus der Rolle zu werfen? Euch als normal zu entlarven? Nö, Interesse zu haben ist besser als das Gegenteil. Aber oft werden schon dieselben Fragen gestellt, das stimmt. Ich fürchte mich aber öfter davor, dass die Leute das Gefühl haben, dass ich ihnen ihre Zeit rauben will, oder mir einen Spass aus den Antworten mache. Aber ich meine das wirklich nur gut. Wir meinen es ja prinzipiell alle nur gut, ist mir wichtig, dass du das auch so siehst, Rainer. Weitere Info zur Band sowie Tourdaten und natürlich zahlreiche Videos findest du unter hgicht.de, das Interview in voller Länge auf kinkimag.com/magazines.


lieblingslieder jedem das seine

Adrian Hoenicke 4:56

3:56

Kochen ist ja irgendwie wie DJen: Man mischt verschiedene, bestehende Zutaten, um etwas eigenes und neuartiges zu kreieren. Dabei sollte man sich auch immer auf Standards verlassen können, die immer und überall funktionieren. ‹No Way Back› ist bestimmt so einer. Schmeckt auch nach dem tausendsten Mal noch immer extrem frisch und knackig.

Und nochmals etwas Italienisches aus oben genannten Gründen und weil ich von diesem Song noch immer nicht satt werde. Auch gut passen würde ‹Pane Caldo› von Marcella Bella.

Adonis – No Way Back

4:10

A Tribe Called Quest – Jazz (We’ve Got)

Kochen soll Spass machen. Und beim vielen Gemüse-Rüsten lenkt mich dieser Hip-HopKlassiker ganz gut ab. Besonders dann, wenn Phife Dawg einsetzt und endlich seine Skills beweist. Zum Mitrappen.

4:20

Vangelis – Let It Happen

L

isten sind eine schöne Sache. Man kann so gut wie alles auflisten, einordnen oder akribisch ablegen. Dabei kann man – gerade wenn es wie hier um eine musikalische Playlist geht – unzählige Perspektiven einnehmen. Denken wir an das durchdachte Mixtape, das wir für unsere erste grosse Liebe aufgenommen haben, an die Songs, die bei unserer Beerdigung gespielt werden sollen oder an passende Tracks für den verkaterten Sonntagsbrunch. Der Zürcher Werbetexter, DJ und Plattensammler Adi Hoenicke ist wahrscheinlich der König der Playlists. Er verschickte während fünf Jahren Fragebögen an Favoriten der internationalen Kultur- und Musikszene mit der Frage nach ihren musikalischen Favoriten – für ihre eigene Hochzeit, um die Nachbarn zum Ausrasten zu bringen oder fürs Zertrümmern eines Hotelzimmers. Daraus entstand das Fingermag, ein Magazin, das zweimal pro Jahr unter dem Motto ‹Our favourite’s favourites› erscheint. Von dieser Idee ist Adi so sehr überzeugt, dass er sein Mag kurzerhand selbst zum ‹mit Abstand besten Magazin aller kinki lieblingslieder

Ein Song, der eigentlich zu jeder Beschäftigung gut passt. Ein Song, der für mich alles etwas einfacher erscheinen lässt. Dazu könnt ich selbst eine Forelle filetieren. Oder müsste man dazu einen echten griechischen Zaziki machen?

Zeiten› krönte – mit einem Grinsen im Gesicht versteht sich. Das Fingermag geht aber noch einen Schritt weiter und publiziert nicht nur Lieblingssongs, sondern auch Lieblingsbücher, Lieblingsfilme oder Lieblingsorte zu den unterschiedlichsten Themen. Die definitive Idee zum Fingermag, die auch als Orientierungshilfe und Guide im Konsum- und Kulturdschungel dienen soll, ist in den letzten Jahren entstanden. Hoenicke liess sich dabei vom französischen Romancier Marcel Proust inspirieren, der seine Freunde vor über hundert Jahren in den Salons des damaligen Paris mit verschrobenen Sinnfragen durchlöcherte. Wir wollen den Spiess nun mal umdrehen, und den lieben Herrn Hoenicke mit Fragen nach Musikstücken belästigen. Und da wir uns diesen Monat intensiv mit dem Zubereiten und Verzehren von Speisen beschäftigt haben, haben wir den König der Playlists gebeten, uns zu verraten, was er hört, wenn er am Herd steht und sein Essen in der Pfanne brutzelt – Songs zum Kochen, serviert von Adrian Hoenicke.

3:58

Lucio Battisti – Questo Amore (Lexx Edit)

Selbstverständlich muss ich auch italienische Musik zum Kochen hören. Denn in Sachen Küche ist für mich Italien die klare Nummer Eins. Und auch musikalisch gibt es einige Leckerbissen aus dem Bel Paese. Signore Battisti war einer, wenn nicht der beste Cantore überhaupt. Auch empfehlenswert zum Beispiel: ‹Amarsi Un Po›.

8:34

Chic – I Want Your Love (Todd Terje oder Dimitri From Paris Edit)

Stellvertretend für guten Discosound steht diese Hymne von Chic auf der Speisekarte. So locker und doch virtuos wie Bernard Edwards seinen Bass spielt, so sollte man sich auch um sein Menü kümmern. It’s about timing! Der Edit vom Norweger Todd Terje und auch der von Dimitri From Paris holen das Ganze in die Neuzeit.

2:31

Jacob Miller – Baby I Love You So

Auch dieser Song steht exemplarisch für ein ganzes Genre: guten Roots Reggae oder auch Rock Steady. Nicht viel nachdenken, einfach den Gefühlen freien Lauf lassen und alles von Herzen machen. Und das am besten alles noch ohne Kochbuch! Aus der Dub-Hexenküche von Augustus Pablo.

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Loredana Berte: In Altro Mare

1:45

Charles Sheffield: It’s Your Voodoo Working Beim Kochen brauch ich nun mal Musik, die gute Laune macht. Bestimmt nichts Affektiertes wie zum Beispiel klassische Musik. Nichts gegen Klassik, aber die hört wohl nur jemand beim Kochen, der nicht kochen kann. Also Achtung wenn ihr bei jemandem zum Essen eingeladen seid, und ihr hört J.S. Bach aus der Küche!

3:24

Gordon Lightfoot – Beautiful

Würd ich wohl am ehesten hören, wenn ich ein Candlelight-Dinner vorbereite. Einer der schönsten, romantischsten Songs aller Zeiten. Hab ich aber, ehrlich gesagt, einfach auch schon mal so beim Kochen gehört.

3:29

Can – I Want More

Eigentlich passt alles von Can ganz gut zum Kochen. Dieser jammigen, experimentellen und nonstop-groovenden Musik folgt man am besten bei einer monotonen Tätigkeit, die aber trotzdem volle Konzentration erfordert. Wie zum Beispiel auch Autofahren, Häkeln, Wohnung-Streichen, Listen-Verfassen ... Text: Antonio Haefeli Foto: Adrian Hoenicke Weitere Info findest du unter fingermag.com.


DER VIDEOCLIP ZUM RADIO-SONG LIVE AUF: WWW.105.CH RADIO 105 EMPFÄNGST DU AUCH IM KABELNETZ IN DER GANZEN DEUTSCHSCHWEIZ: BS 103.9, BE 105.6, LU 101.7, SG 105.3, ZH 105.1 ODER AUF UKW 93.0 FM


verhör essentielle alben für jede lebenslage

Übersättigung ist für unseren nimmersatten ‹Reviewnator› ein Fremdwort. Heisshungrig auf süsse Klänge, gesalzene Arrangements, bodenständige Beats und luftige Gitarrenwände stürzt er sich allmonatlich in ein Schlaraffenland aus Silberlingen. Aber teilen kann er, das muss man ihm lassen. Zumindest mitteilen. Tanz den Linguismus

The Indelicates – Songs for Swinging Lovers Die hohe Kunst der Ironie beherrscht die Band ‹The Indelicates› wie aktuell kaum eine andere Formation. Auch auf dem neuen Album ‹Songs for Swinging Lovers› beweisen die beiden Musiker Simon Clayton und Julia Clark Lowes aus Sussex ihr Gespür für eigenwillige und bittersüsse Texte. Im BandSpind hängen dabei Bilder von Morrissey oder den Dresden Dolls, denn in dieser Tradition werden gesellschaftliche Lügen und zwischenmenschliche Grausamkeiten gnadenlos auseinander genommen. Musikalisch ist die Band weiterhin schwer einzutüten, Noiserock, Folk und Indiepop sind drei gern bemühte Genres. Doch den wahren Kern trifft keine dieser Bezeichnungen, denn der Mix aus den Stilen entwickelt sich in den Songs stets zu einer einzigartigen und zugegebenermassen nicht immer leicht zugänglichen Mischung. Auch durch den inflationären Einsatz unterschiedlicher Tempi erreicht die Platte eine Vielfalt, die schwindelig macht: Rockige Stücke wie ‹Your Money› wechseln sich immer wieder mit Mid-Tempo-Tracks wie ‹We Love You, Tania› ab. Daneben werden zum Durchatmen aber auch noch vorzügliche Balladen gestreut, wie etwa das untröstliche Stück ‹Flesh›. Besonders die Stimme des kinki verhör

Doch dem Projekt Joan as Police Woman, hinter dem sich die Musikerin Joan Wasser sowie immer wieder wechselnde Bandmitglieder verbergen, gelingt mit der aktuellen Platte ein wirklich tiefes und berührendes Stück Musik, das den Titel dann eben doch rechtfertigt. Die Sängerin verbindet in ihrem souligen Indie-Sound ganze Jahrzehnte an Musik. So erkennt man Einflüsse aus dem amerikanischen R’n’B wie von Isaac Hayes, und nicht weniger deutlich haben Künstler des New Waves wie Siouxsie Sioux ihre musikalischen Spuren bei der Sängerin hinterlassen. Aufgenommen wurde die Platte in ihrer Wahlheimat New York und die Anzahl der beteiligten Freunde und Musiker weiss sie wahrscheinlich selbst nicht mehr – nicht weniger als fünf Bassisten sind beispielsweise im Booklet der CD verzeichnet. Doch von überfrachteter Musik keine Spur, stattdessen Soul und Funk mit einer lässigen Indie-Attitüde, die man ansonsten leider viel zu selten entdeckt. Die Songs, obwohl bis ins kleinste Posaunensolo durchkomponiert, wirken durchgehend leicht und spielerisch. Joans Stimme transportiert die Texte dazu in einer Wärme und spürbaren Ehrlichkeit, dass man ihr sofort alles glauben möchte, was sie singt. Noch dazu, da die Sängerin auf der Scheibe diesmal vor allem hoffnungsfrohe Botschaften verbreitet, statt ihrer bisherigen Kernkompetenz, der Melancholie, zu frönen. So fallen beispielsweise Songs wie ‹The Magic› oder ‹Human Condition› unerwartet fröhlich, ja fast schon naiv für die 40-jährige Musikerin aus. Einen Fremden einfach einmal anzulächeln, gibt sie beim letztgenannten Stück als heilsames Rezept für eine bessere Welt an. So etwas

ehemaligen Pipettes-Mitglieds Julia Clark Lowes trägt zum oft hymnenartigen Charakter der Lieder bei. Produziert wurde die Scheibe von Ed East, der vor allem mit seiner Elektro-Pop-Band Chikinki bisher auffiel, und die Scheibe auch gehörig in Richtung Pop geschoben hat. Statt nur auf Gitarre und Klavier zu setzen, dem Kennzeichen früherer Stücke, wird der Instrumentenfundus zum Beispiel um Trompeten oder Drums erweitert. Dies tut der Band gut, denn so verliert sie ein Stück ihrer elitären Aura und öffnet sich einem breiteren Publikum. War die Band bislang speziell dank ihrer Texte eine erste Adresse, so startet sie mit diesem Album ebenfalls musikalisch durch.

Miss Universum aus New York

Joan as Police Woman – The Deep Field Der Albumtitel ‹The Deep Field› bezieht sich auf eine Himmelsregion, die das gute alte Hubble-Teleskop vor Jahren aufnahm. Nicht irgendein Ausschnitt des Kosmos, nein, vielmehr handelt es sich um den – bis heute zumindest – sichtbar ältesten Teil unseres Universums. Das tiefste Bild des Alls ist als Metapher für ein Album natürlich ein schwer selbstgefälliger Titel. Unter normalen Umständen würde man ihn sofort als ein paar Etagen zu hoch gegriffen ablehnen. 76

kann man zwar auch in jedem Lebenshilfebuch nachlesen, doch von Joan Wasser und ihrer verführerischen Altstimme gesungen, macht es einfach mehr Spass. Auch die kontrastreiche Unterstützung durch den Bariton des Sängers Joseph Artur auf der Platte, beispielsweise in ‹Flash› oder eben ‹Human Condition›, funktioniert auf den Punkt. Also, wer bei Feist oder PJ Harvey nicht Nein sagen kann, sagt bei Joan as Police Woman mal ganz laut: Yeah!

Geburtstagsständchen aus Berlin

V.A. – Werkschau BPitch Control 12 Jahre BPitch Control! Das elektronische Label gratuliert sich selbst und bringt mit dem Werkschau-Album einen abwechslungsreichen Rückblick in die aufregende eigene Geschichte heraus. Während andere Plattenfirmen in solchen Momenten schon einmal eine schnöde Best-of-Scheibe raushauen würden, ist man beim Berliner Label natürlich schlauer. Hier greift man lieber zu einem emotionalen Mix aus Haudegen der ersten Stunden wie Sascha Funke und neuen Künstlern wie Dillon, deren Tinte unterm Plattenvertrag noch trocknen muss. Die musikalische Vielfalt, die das Label über all die Jahre auszeichnete, spiegelt sich auch beim Blick auf die Herkunft der Künstler wider. Wie eine


globale Konferenzschaltung in Sachen elektronischer Clubmusik kommt die Scheibe daher, wenn sich Musiker aus Europa mit Acts aus Nord- oder Südamerika auf dem Album fröhlich antanzen. Gemeinsam ist allen die Liebe zu elektronischer Musik, gepaart mit der Courage, stets ganz eigene Wege zu beschreiten, um so die Vielschichtigkeit des Elektros immer wieder neu auszutesten. Ein progressiver Anspruch, den man als Hörer dankbar – weil nie gelangweilt – in jedem der 17 Tracks spürt. Alle Songs sind bisher unveröffentlicht und zwei Top-Hits der Platte sind sicherlich ‹Plätscher› von Paul Kalkbrenner, der nicht ganz ernst gemeint straighte Tech-HouseBeats auf eine wild gewordene Hammond-Orgel prasseln lässt, und der Song ‹Sinphony› von Mr.Statik, der darin ein wahres CroonerVocals-Gewitter abliefert. Herzlichen Glückwunsch!

Kanadisches Windspiel

Kyrie Kristmanson – Origin of Stars Dass die frühkindliche Musikerziehung manchmal eben doch Sinn macht, lässt sich anhand der Kanadierin Kyrie Kristmanson beweisen. Die heute 20-Jährige wuchs von der ersten Minute mit Musik auf. So besass Daddy ein gut laufendes Heimstudio und mit neun Jahren begann sie, Gitarre zu spielen. Kurz darauf folgte als nächstes eine Trompete im persönlichen Instrumentenfundus und fortan schrieb sie auch ihre eigenen Songs. Die Wunderkindkarriere erreichte ihren ersten Höhepunkt dann mit süssen 17 Jahren, als das erste Album entstand. Mit ‹Origin of Stars› erscheint deshalb nun auch schon der sage und schreibe dritte Longplayer. Kyrie Kristmanson vermischt hier gefühlvoll amerikanischen Folk mit einer Fülle an instrumentellen Jazz-Facetten. Ihr Songwriting zeichnet sich durch eingängige Melodien und einen Hang zur Melancholie aus. Textlich geht es eher esoterisch zu; so

‹Rain› macht Chaim zudem klar: ach ja, Melodien habe ich auch dabei, so knapp 100 für jeden von euch ... Tracks wie ‹Naturalness› oder das mit Snax produzierte ‹Wish› stossen die Clubtür auf, und mit flächigen Stücken à la ‹Everything› schlurft man schon direkt auf den Dancefloor. Chaim mixt ansonsten am liebsten geradlinige Snaredrums, lässt die Finger kaum von der Claptaste und würzt regelmässig mit orientalischen Melodiefetzen. Gesang wird freudig eingebaut, beispielsweise von der Sängerin Meital De Razon, und ohne ordentlichen Bass geht es schon mal gar nicht erst los. Auch hier zeigt sich seine musikalische Offenheit, wenn die Bassline mal verspielt wie in ‹U & Eye› oder straight wie in ‹Popsky› zum Einsatz kommt. Letztgenanntes Stück erinnert übrigens stark an den House-Pionier Marshall Jefferson und ist damit sowieso sakrosankt. Kurzum, Chaim ist für die noch kommenden kalten Monate wohl mit die beste Exit-Option: einfach Augen schliessen und sich mit der Musik schon einmal auf das nächste Sommer-Festival wegträumen.

drehen sich die Lieder meist um Naturgewalten wie Feuer und Wind, dazu auch noch gern um vermeintliche Naturgeister. Man bemerkt als Stadtmensch neidisch, dass sie als waschechtes Mädchen vom Niemandsland bei Ottawa mit den Elementen der Natur einfach stärker verbunden ist – bis hin zur Auflösung in ihnen. In diesen Urstoffen findet sie die Melodien, die wie sie selbst sagt, seit Millionen von Jahren vom Wind getragen um die Welt reisen. Kyrie besitzt also anscheinend das Talent, diese Töne zu hören und sie in ihre träumerische Musik zu transportieren. Gut so! Ihre Stimme setzt sie gekonnt als zusätzliches Instrument und Rhythmuselement ein. Beispielsweise in dem Lied ‹Birdsong›, in dem sie für ein paar kurze Sequenzen gleich ganz in die Rolle des Singvogels schlüpft und mutig drauflos trillert. Das Markenzeichen ‹verschrobenes Wunderkind› wird dazu immer noch gepflegt, so performt sie am liebsten mit einer Kindergitarre und trägt zu gross geratene Hüte. Die Kraft und Energie, die sie aber jedes Mal mit dem ersten Akkord und Ton ihrer Stimme erzeugt, machen schnell klar, dass sie sich in punkto musikalischer Klasse spätestens im Alter von 30 mit Grössen wie Leonard Cohen oder Björk messen dürfen wird. Als besagte Überfliegerin wird sie sicher aber auch dafür wieder ein paar Jährchen weniger brauchen ...

Erste Hilfe für den Post-Rock

Refresh Your Ears Codes in the Clouds – As the Spirit Wanes Codes in the Clouds werden auf der britischen Insel von allen Seiten als Retter des schon tot geglaubten Post-Rock gefeiert. Minutenlange Gitarrenwände, die gern auch einmal in halbstündige Songlängen durch stetige Wiederholungen ausgedehnt werden, sind sicher das prägnanteste Merkmal des musikalisch entrückten Genres. Bands wie die kanadischen Godspeed You! Black Emperor oder die Schotten von Mogwai brachten dem Post-Rock vor noch nicht allzu langer Zeit auch beträchtliche Popularität ein. Zwischenzeitlich ebbte die Begeisterung aber wieder ab. Doch Codes in the Clouds stemmen sich mit ihrem neuen Album ‹As the Spirit Wanes› diesem Abwärtstrend

Chaim – Alive Chaim Avital erzeugt in seinen Tracks eine Wärme, die man im sonst permafrostigen Minimal House selten antrifft. Der Musiker wuchs in Tel Aviv auf, wodurch sich der deepere Sound schnell erklärt. Fernab roher Entwicklungen im europäischen Techno der 1990erJahre erlebte die elektronische Musik hier eine leichtere, irgendwie sonnigere Entwicklung. Mit ‹Alive› liefert der DJ nun ein Erstlingswerk ab, das als echter Referenzpunkt im aktuellen Minimal-Spektrum anzusehen ist. Gleich im Opener 77

mutig entgegen und werden einmal mehr dem erwähnten HeilsbringerImage gerecht. Opulent wie eh und je, entwickeln sich die einzelnen Songs sorgsam zu Soundgebilden, die den Hörer nicht mehr loslassen. Da die zehn Stücke ohne Gesang auskommen, wirkt die Musik umso eindringlicher. Eine Art cineastischer Untermalung, die sich im Kopf sofort zu persönlichen Bildern zusammenfügt. In den ausufernden Sound-Landschaften des Quintetts wird es selten langweilig, so geht es ständig wechselnd mal schneller oder langsamer, mal lauter oder leiser in den Liedern zu. Die LP ist musikalisch hörbar an die Debütscheibe ‹Paper Canyon› aus dem Jahr 2009 angelehnt. Insgesamt wirkt sie aber glücklicherweise weniger dramatisch. Stücke wie ‹The Tragedian› oder ‹Look Back, Look Up› sind eben nicht nur ambitionierte Klangwerke, sondern versprühen auch grossflächigen Pop-Appeal. Ihr Heimatstädtchen Dartford, unweit von London, sollte zudem ein gutes Omen für den weiteren Erfolg sein. Stammen doch von dort auch schon die Jungs einer nicht ganz unerfolgreichen Band namens The Rolling Stones ... Grammys? Lachhaft. Goldene Schallplatten? Ach nö. Um es in das Verhör zu schaffen, braucht es schon mehr. Leidenschaft. Mut. Ekstase. Idealismus. Alles Dinge, die natürlich auch unseren Reviewnator Mathias Bartsch auszeichnen. Auf der Suche nach der perfekten Platte, kommt er dem Ziel mit sechs brandneuen Anwärtern auch diesen Monat wieder einen gehörigen Schritt näher.


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Jacket: Martin Lamothe Sweater: American Apparel

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Jacket: Martin Lamothe Shirt: Martin Lamothe Shorts: Surface 2 Air, customized by the stylist Jumpsuit: Henrik Vibskov @ Paco Rueda

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Blouse: Damir Doma @ Doshaburi Leggins: Anne Demeulmeester Shoes: H by Hudson

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Shirt: Luis Iglesias

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Jeans: American Apparel Shirt: Damir Doma @ Doshaburi Vest: Vintage @ Le Swing Shoes: H by Hudson

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Jacket: Martin Lamothe Shirt: Luis Iglesias

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Jacket: Martin Lamothe Shirt: Martin Lamothe Shorts: Surface 2 Air, customized by the stylist

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Blouse: Damir Doma @ Doshaburi Leggins: Anne Demeulmeester Shoes: H by Hudson

Photography: NĂşria Rius, nuriarius.com Styling: Ivona Yvon Grooming: Erick Herrera using MAC products Model: Elias Cafmeyer @Uno BCN 85


Das Innere als Regenbogen Mode ist manchmal schön, sogar wenn sie zum Kotzen ist. Die Modedesignerin Martina Spetlova bewies das in ihrer Zusammenarbeit mit der Performerin Millie Brown und dem Filmemacher Piotr Opak so deutlich, wie es nur geht. Noémie Schwaller traf das Trio in London und sprach mit ihm über Zufall, Schönheit und die Farben in Millies Magen. Filmstills: Piotr Opak

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nnerlichkeit ist so eine Sache. Das Essen verfolgen wir höchstens vom Supermarkt bis in den Mund. Alles andere passiert zum Glück im nicht sichtbaren Bereich. Und wenn sich das Innere doch mal nach aussen kehren sollte, ist das zwar ebenfalls ein natürlicher Prozess, jedoch meist kein angenehmer. Eigentlich wollen wir ihn nicht erwähnen, denken oder gar sehen. Doch heutzutage ist unser visuelles Verständnis grösser als unser verbales. Im September 2010 haben die Designerin Martina Spetlova, PerformanceKünstlerin Millie Brown und Filmemacher Piotr Onak ein visuelles Erlebnis erschaffen, das eines der einprägsamsten Beispiele von Zufall und Verdautem als Designprozess zeigt. Das Innere nach aussen kehrend, entstand eine starke künstlerische Arbeit, die weit über das eigentlich Thema der Mode hinausgeht. An der ‹Pedigree›, einem Off-Event der London Fashion Week, waren sie mit einem Film vertreten, der wie schon lange kein Fashionfilm mehr zum Nachdenken anregt. Das Werk schreit nach verdrängter sozialer Verantwortung und schafft eine fast unausstehliche Spannung. Die Trennung zwischen Mode, Performance und visueller Kunst verwischend, entschleiert er Dinge, die wir zu ignorieren tendieren: Auf eine grosse Leinwand wird projiziert, wie ein Model in weissem Kleid Buntes auf das farblose Textil erbricht und dabei die wunderbarsten Musterungen kreiert. Die Grenzen zwischen Innerlichkeit und Äusserlichkeit, Subjekt und Objekt, Organischem und Anorganischem überschreitend. Das mag sehr wohl nicht jedermanns Sache sein. Der Akt mag eher unangenehme Gedanken an Anorexie statt an die Schönheit

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in der Mode hervorrufen. Wir haben die Mitwirkenden in Dalston, einem heruntergekommenen, aber aufkommenden Bezirk Londons, getroffen, um mehr über ihre interdisziplinäre Zusammenarbeit zu erfahren.

Interview kinki magazin: Was bedeutet Zufall für euch? Piotr: Der grösste Teil unseres Lebens ist ein Zufall: wen du treffen, was du lernen wirst, welche Bilder in deinem Kopf entstehen werden. Alles ist eine Sammlung eben dieser Dinge. Es gibt Menschen, die sprechen von Glauben, 86

andere von Zufall oder Vertrauen. Für mich ist alles, was ich kreiere, zufällig. Eine Idee an sich ist ein Zufall. Du weisst nie, was auf dich zukommen und dich inspirieren wird. Dieser Faktor wird vergrössert, wenn man hinter den Kulissen filmt, weil man dann nie weiss, wie sich jemand bewegen wird. Du versuchst also, den Moment einzufangen, in dem sich das Model bewegt, um eine Cola zu holen. Millie: Wenn ich auftrete, insbesondere in Filmen, bin ich mir sehr bewusst, wie es aussieht, aber weniger, wie ich mich fühle. Man kann seinen Körper nicht immer kontrollieren, er mag zucken oder zittern, er reagiert einfach. Nicht zu wissen, was passieren wird, kann aber auch ziemlich beängstigend sein. Piotr: Zu einem gewissen Zeitpunkt sind dir die Tränen gekommen, nur ein paar wenige, aber man sieht sie. Ganz ruhig hast du da gestanden, versuchtest sie zu stoppen, aber das hat wunderschön ausgesehen. Du warst im Kampf mit deinen inneren Gefühlen und mit dem, was mit dir passierte. Ich fand, das war ein unglaublich starker Moment. Wie ist die Idee zu eurem interdisziplinären Projekt entstanden? Piotr: Ursprünglich war die Idee etwas völlig anderes, der Film sollte unter anderem ein Fahrrad involvieren. Als ich Martinas Masterkollektion sah, welche, wie sie sagte, von Legos inspiriert ist und zerstört und wieder zusammengesetzt werden kann, dachte ich mir, es würde etwas Stärkeres hervorbringen, ein paar ihrer Kollektionsteile in einem einzigen Stück zu kombinieren. Ausserdem dachte ich, dass es toll wäre, wenn Millie Teil davon sein und die


Entstehung des Kleides zeigen könnte. Martina: Ich wollte schon immer mal mit Piotr arbeiten. Wir trafen uns auf einen Kaffee und da kam er mit dieser Idee. Es war eine schöne Art, meine Arbeit, nicht aber meine Kollektion zu zeigen. Das Kleid habe ich speziell für den Film gefertigt und dabei ganz verschiedene Materialien benutzt, denn wenn die gekotzte Farbe darauf stösst, reagieren die verschiedenen Textilien unterschiedlich. War die Farbwahl konzeptuell oder intuitiv? Millie: Ich plane und mische die Farben immer im Voraus. Mein erster Auftritt war in Berlin und ich wusste nur, dass ich etwas Leuchtendes und Buntes machen wollte. Plötzlich kam mir die Idee, einen Regenbogen zu kotzen. Es war alles ‹learning by doing›, zum Beispiel es zu schaffen, dass sich die Farben in meinem Magen nicht mischen. Als Veganerin benutze ich Sojamilch, um die Farben anzurühren und leere meinen Magen vollends, bevor ich zur nächsten Farbe übergehe. Martina: Während den drei Tagen vor dem Auftritt isst Millie nicht. Demzufolge ist bei der Performance kein Essen involviert. Viele Leute ekelt es an, dabei ist es ausschliesslich Farbe! Weil kein Essen dabei ist, gibt es auch keinen Geruch und keine Stückchen, was auch aus ästhetischer Betrachtung mehr Sinn macht. Projiziert hat es allerdings ganz anders ausgesehen als am Bildschirm: rot statt pink, als hätte Millie Blut erbrochen. Das war mir egal, denn eigentlich sah es sehr schön aus. Millie sollte die Farben meiner Kollektion erbrechen, was wiederum den Bezug zu meiner Arbeit hervorgehoben hätte. Bei den Lebensmittelfarben jedoch ist die Auswahl ziemlich reduziert, es sind bloss sehr elementare Farben erhältlich. Während des Drehs realisierte ich, dass es nicht darauf ankam. Hier kam der Zufall ins Spiel und ich genoss es, während des Prozesses die Zügel aus der Hand zu geben. Und es funktionierte: Es war super; obwohl es mutmasslich nicht hätte ‹schön› sein sollen, wurde es wunderschön.

‹Blau mag ich sehr, denn es ist so unnatürlich. Es ist die letzte Farbe, welche du aus deinem Mund erwarten würdest.›

Wenn nicht schön, was hätte es denn dann werden sollen? Martina: Provokativ. Mich interessierten die Reaktionen, denn es war ein unglimpfliches Stück, sogar die Musik war unangenehm. Manche fanden es fantastisch, waren richtig angetan, andere dagegen offensichtlich angewidert oder empört. Wieder andere konnten gar nicht glauben, dass es echt war und dachten, es sei alles gespielt.

ziemlich herben Grüntöne. Auf dem Kleid waren sogar Stücke des Puders erkennbar. Es war wunderschön – jedoch nicht im Hinblick auf ein schönes Objekt. Dieses zusätzliche Element machte es einfach noch besser.

Was bedeutet denn eurer Meinung nach Schönheit? Martina: Wenn ich an Schönheit im Design denke, dann sehe ich Schönheit als mutig und harsch. Auf dem Kleid im Film waren Orange und Pink, zwei leuchtende, schöne Farben, vertreten. Doch dann benutzten wir eine dritte, die war genial: sie kam in Form eines Puders, nicht flüssig wie die anderen, und war grün. Als die Farbe auf dem Stoff trocknete, entstand daraus ein Gelbton und diese verschiedenen,

Für die Fashionsite ‹SHOWstudio› hast du eine Performance gegeben, in welcher du Leinwände als Ziel deiner Sojamilch-Flüssigkeit eingesetzt hast. Planst du noch mehr dieser dauerhafteren, erstaunlichen und abstossenden Werke? Millie: Es macht mir unglaublich Spass, im Film zu arbeiten und ich arbeite für ein paar wirklich interessante Regisseure. Performances sind cool, sie sind an den Moment gebunden und unkontrollierbar. Beim Film kann man eine

Millie, welche Farbe kotzt du denn am liebsten? Blau mag ich sehr, denn es ist so unnatürlich. Es ist die letzte Farbe, welche du aus deinem Mund erwarten würdest.

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weitere Ebene hinzufügen und mit Set und Posen spielen. Wenn man etwas über eine lange Zeit plant, verwickelt es sich in der Idee, die du vom Endprodukt hast. Lässt man dies weg, entsteht das Kunstwerk von selbst, es wird mächtiger und interessanter, als du es dir vorstellen könntest. Martina, Millie und Piotr wollen auch in Zukunft wieder zusammenarbeiten. In der Zwischenzeit schneidert Martina aber erst mal ihre nächste Kollektion, Millie performt zweimal wöchentlich mit gefärbter Sojamilch und Piotr arbeitet in Afrika bei einer Wohltätigkeitsorganisation. Wir hoffen, sie an der nächsten London Fashion Week im Februar wiederzusehen. Weitere Info zu Martina, Piotr und Millie sowie Bilder und Videos zur Performance findet ihr auf kinkimag.ch/magazines.


Sweet Zeitgeist

Der Cupcake ist das s체sse, verspielte ItAccessoire der mond채nen Frau und sieht dementsprechend nach Mode, Design und Kitsch aber einfach nicht nach Essen, aus.

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Von der amerikanischen Kindergeburtstagsparty in die Analen der Popkultur: Das Cupcake-Gebäck ist auch hierzulande omnipräsent und wertet visuell jeden Apéro und jedes hippe Fest auf. Salzige Snacks bleiben aussen vor, dafür werden Tee, Kuchen und Prosecco mit Modemädchen-Charme kredenzt. Was treibt uns an, das tassenförmige Konfekt mit dem ausschweifend drapierten Zuckerhut in unsere kulinarische Breitengrade und unseren Lifestyle aufzunehmen? Text: Florence Ritter, Illustration: Niky Roehreke

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ie sind in allen Bereichen unseres Lebens angesiedelt, diese popkulturellen Phänomene, die eines Tages ganz unbemerkt ihr Entree feiern und plötzlich allgegenwärtig und unabdingbar sind. Ob Yoga, Sushi, Starbucks, Kochsendungen oder Ed Hardy – der Ursprung eines Trends bleibt meistens verborgen. Ebenso die Antwort darauf, warum sich eine indische Meditationsform genauso durchsetzt wie unansehnliche, farbige Tattoo-Motive. Auch die Cupcakes sind auf dem Vormarsch und wandeln sich im deutschsprachigen Raum vom In-Gebäck eingeweihter Kreise zum mehrheitsfähigen Happen mit ‹Design Appeal›. Wird sich diese Essmode durchsetzen oder flaut sie bald schon wieder ab? Und wer isst eigentlich solch künstlich anmutende Kreationen?

Grandma eats Cupcakes

Cupcakes waren mir schon ein Begriff, bevor sie hierzulande jedes Fest einschlägiger Szenen begleiteten und als It-Gebäck gehandelt wurden. Ich erinnere mich, dass meine amerikanische Grossmutter – obwohl seit Jahrzehnten in der Schweiz, gedanklich und träumerisch stets in den Staaten – mit schelmischem Lächeln erzählte, dass es schon in ihrer Kindheit Cupcakes gab. Sie mochte diese besonders, weil sie viel grösser waren als der von ihrer Mutter streng rationierte ‹Cakeslice›. Der Cupcake kam laut Grandma selbstredend von den Engländern, schliesslich stammen die ersten amerikanischen Siedler ursprünglich aus England. Jedoch wurden sie in Amerika süsser und kitschiger, was nach Grossmutters pauschaler Erklärung mit dem Zuckerrohrimport aus Kuba zusammenhängt. De facto ist der zur Zuckerbombe stilisierte Einmannkuchen heute sowohl in Amerika als auch in England in eigens ihm gewidmeten ‹Bakeries› und Cafés erhältlich. Weniger süss hingegen ist ein formverwandtes Gebäck: der Muffin. Dieser unterscheidet sich durch einen etwas zäheren, schweren Teig sowie das Fehlen der prächtigen Cremehaube. Mit der Anekdote, dass der Begriff Cupcake in ihren Jugendjahren gar zum liebevollen Kosenamen wurde, sie aber eigentlich immer ‹my little cookie› gerufen wurde, beendet meine Grandma mit einem Strahlen in den Augen ihre CupcakeMemoiren. hhhhhhhhhhhhhhhhh

Millenium Comeback

Nachdem der Cupcake in den USA jahrelang ein Dasein als ‹normales› Gebäck für Kindergeburtstage oder Hochzeiten gefristet hatte, gelang ihm in den 00er-Jahren ein aufsehenerregendes Comeback in der glamourösen Welt des Lifestyles. Auslöser war eine Szene aus ‹Sex and the City›, wo Carrie und Miranda vor der berühmten Magnolia Bakery in New York genüsslich einen Cupcake verschlingen. Geschichtlich findet sich der Begriff ‹Cupcake› erstmals Ende des 18. Jahrhunderts in einem Backbuch. Für die Namensgebung gibt es zwei Herleitungen: eine Keramiktasse wurde als Backform benutzt oder ein Rezept wurde anhand des amerikanischen Masses in ‹Cups› angegeben. Darauf folgten Papierförmchen, die in einer Art Muffinbackform ausgelegt wurden, und immer aufwendigere Toppings aus Frischkäse oder Buttercreme mit zusätzlichen Zucker- oder Marzipandekorationen. Die Kreationen und Kombinationen wurden exquisiter und heute gibt es Geschmacksrichtungen wie Karamell-Fleur de Sel, Zitronen-Rosmarin, Lavendel oder Ingwer mit Zimtbuttercreme. Während der Aufschwung der Cupcakes in den USA und dem Vereinten Königreich nostalgisch begründet ist, reichten in Europa eine Szene von Carrie & Co., die zahlreichen folgenden Auftritte in Mode- und Hochglanzmagazinen sowie der Hype in der Blogosphäre, um den globalen Trend zu lancieren.

Everyone likes Cupcakes

Nachvollziehbar ist dieser Hype eigentlich nicht, weil Cupcakes visuell schon mal die Hälfte der Gesellschaft ausgrenzen: die Männer. Die Frauen hingegen erliegen garantiert dieser Verniedlichung von Essen sowie dem modischen und mädchenhaften Charme der Minikunstwerke. Andrerseits sind es wiederum die Frauen, die genau auf ihre Ernährung achten und den kleinen Kuchen (der so viele Kalorien wie eine Mahlzeit mit sich bringt) nicht haltlos vertilgen werden. Folgende drei Hypothesen sollen den Erfolg des Cupcakes hierzulande schmackhaft oder seine Allgegenwart irgendwie verständlich machen: Erstens steht der Cupcake für Eskapismus und Romantik. Weg von Wirtschaftskrise, Massenkonsum und Terrorismus, zurück in die Backküche, wo mit Leidenschaft gebacken und liebe89

voll dekoriert wird. Er ist eine Hinwendung zum Kleinen und Süssen, zum Romantischen, Häuslichen und Selbstgemachten. Zusätzlich erwecken die mädchenhaften Farben und das Miniaturformat die Nostalgie in der weiblichen Hälfte der Gesellschaft. Für den Mann hingegen symbolisiert er unterbewusst Mamas Brustersatz und vermittelt im Idealfall Geborgenheit oder das Gefühl, ‹bebackt› und umsorgt zu werden. Zweitens vergegenständlicht der Cupcake den Kampf zwischen Natur und Künstlichkeit. Während das Gesundheitsdiktat und die Rückbesinnung zum Natürlichen in den letzten Jahren immer mehr Boden gewonnen haben, kristallisiert sich im Cupcake das Gegenteil: künstlerische Künstlichkeit in pastellen Farben, die visuell praktisch nichts mit einem natürlichen Nahrungsmittel gemein hat. Vielmehr gleicht der Cupcake einem modischen Accessoire, einem dekorativen Designobjekt. Vielleicht lohnt es sich aus Frauensicht gerade deswegen, für ihn zu sündigen oder sich damit zu belohnen. Umgekehrt eröffnet sich dadurch die Möglichkeit, sich mit dem reizenden Gebäck zu umgeben – ganz ohne es essen zu müssen. Eine dritte Erklärung für den Erfolg des amerikanischen Importschlagers könnten die unaufgeregten Dessertkarten unseres Landes sein, die dem Vergleich mit meisterlicher Patisserie oder kreativen Nachtischen im Ausland nicht standhalten. Wem ist beim Anblick von Coupe Dänemark, Banana Split, Fruchtsalat oder Pingu-Glacé in den klassischen Geschmacksrichtungen Schokolade und Vanille nicht schon das Gesicht eingeschlafen? Die Cupcakes werden diese Lücke mit ihrem atemberaubenden Auftritt füllen, sodass es sich auch für die Helvetier wieder lohnt, den Hunger fürs Dessert aufzusparen. Nur beim Apéro wollen wir der süssen Verführung nicht auch noch begegnen, denn da langen Mann wie Frau herzhaft zu Würstchen und salzigen Petit Fours … Auf kinkimag.ch/magazines findest du diesen Monat ausführliche Interviews mit ausgewählten Schweizer CupcakeBäckern.


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Excessive waste.

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There are two threads that my paintings follow: One being a discussion on women’s relationship with food, the other being a discussion on compulsive behavior. At times the two threads intertwine. The overhead perspective emphasizes the fact that the women are watching their own actions; watching themselves in the middle of their out of control behavior but unable to stop. The settings are private spaces, spaces of solitude, and mainly, unusual places to find someone eating. The private space emphasizes the secrecy of compulsive behavior and the unusual settings emphasize its absurdity. The solitude / peace of the setting is a good juxtaposition to the frenetic, out of control feel of the woman’s actions. One of the most potent messages these pieces deliver is that of excessive waste. Not just material waste but the waste of time and energy that is used up in obsession. Energy that could be directed towards productive endeavors, through our compulsive activity, is instead being used to wrap us in a cocoon. Where we could be walking forward, we instead paralyze ourselves. For the women in these paintings, even with an excess of food, there is no nourishment. Unable to sit with the discomfort / unease of the present moment, these women take in excessive amounts and in the process are shutting out the possibility of being truly nourished. Women are still brought up to be givers. To nurture others at the expense of our own needs. We hide our appetites, not just for food but in many areas of our lives, and then consume in secret. In my most recent works the women seem to be coming out of the closet. Eyeing the viewer – not censoring their hunger. My paintings ask what is it that truly nourishes us and how truthful can we be about the size of our hunger? Lee Price

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Von der Schokoladenseite

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Der Schweizer Konzeptkünstler Ian Anüll zählt zu den interessantesten, wenn auch zurückhaltenden Figuren der Kunstszene. Uns zeigte der charismatische Künstler beim Treffen seine Schokoladenseite – im wahrsten Sinne des Wortes. Text und Interview: Rita Preuss, Fotos: Ellin Anderegg

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chokolade muss fein und frisch sein – die bekannteste Schweizer Confiserie vernichtet ihre Produktion von Schokopralinen sogar am Abend, damit morgens auch ja nur frische Ware im Laden liegt. Bei Schokolade in jeglicher Form werden die meisten von uns schwach und lassen sie sich mit Genuss auf der Zunge zergehen. Ganz anders dagegen geht der Schweizer Künstler Ian Anüll damit um: Er setzt dunkelbraune Schokoladentafeln als Material in seiner Kunst ein, er malt mit Schokolade. Mehr über die ungewöhnliche Technik, seine Serie von ‹Schoko-Paintings› und den Künstler selber, erfahre ich bei einem Atelierbesuch in der Zürcher Roten Fabrik. Vor unserer ersten Begegnung höre ich von Kuratoren und Journalisten: Ein Interview mit Anüll – das sei nicht so einfach. Er sei eher schwierig im Umgang und sehr wortkarg. Doch gleich beim ersten Treffen atme ich nach wenigen Sekunden auf. Obwohl der auf Anhieb sympathische Künstler mitten im Aufbau seiner Ausstellung ist, nimmt er sich sofort Zeit. Beim Rundgang erklärt er mir anschaulich und spannend seine zentralen Themen und seine Arbeitsweise. Anüll trägt schulterlanges Haar, das er lose zu einem Pferdeschwanz gebunden hat. Er lebt und arbeitet in Städten wie Paris, Peking und Berlin. Seit kurzem erst hat er seinen Schwerpunkt wieder nach Zürich verlegt. Er interessiert sich leidenschaftlich für Popmusik, besitzt eine riesige Sammlung seltener Aufnahmen auf Vinyl und hat ein eigenes Label namens ‹Ultimative Records›. Ausserdem arbeitet er mit berühmten Bands wie Embryo zusammen, deren letzte CD er produziert hat. Kaum zu glauben, dass der Mann schon Anfang 60 ist.

‹Süsse› Gesellschaftskritik

Wir stehen jetzt mitten in seinem Atelier und er zeigt mir seine neue Serie von Schokoladenbildern. ‹Als Malgrund für meine Schoko-Paintings wähle ich eine Zeitungsseite mit einem spannenden Artikel aus, die ich auf Leinwand kaschiere.› Anschliessend erwärmt er dunkle Schokoladentafeln, bis sie die richtige Konsistenz haben und trägt die süsse Masse wie Farbe mit einem Pinsel auf. ‹Das Ergebnis lässt sich nicht planen, ist kaum kontrollierbar. Aber das ist ja gerade das Spannende. Für mich ist das eine grosse Herausforderung.› Damit nicht genug, denn je nach Konsistenz der Schokolade und je nach Raumtemperatur ändert sich die Textur oder die Oberfläche der Bilder auch noch Jahre später. Mal bilden sich schrundige Risse, mal kommen

plötzlich fleckenartige Strukturen zum Vorschein. Um die Schoko-Paintings vor hungrigem Ungeziefer zu schützen, hat vor kurzem ein Sammler das frisch erworbene Werk mit Plexiglas versiegeln lassen. Was mir bei der neuen Serie im Atelier sofort ins Auge springt, sind tagespolitische Themen, die Anüll in seinen Schoko-Paintings meisterhaft aufs Korn nimmt. Er setzt mit der vermeintlich braunen Farbe überraschende Akzente und experimentiert mit Schrift, Zeichen und Pressefotos. So bilden Hammer und Sichel den Rahmen für ein Porträt des Kremlgegners Michail Chodorkowski, der von der russischen Regierung Ende 2010 zum zweiten Mal zu jahrelanger Haft verurteilt wurde. Sei es der Castortransport oder das beklemmende Bild eines an Cholera erkrankten Mädchens in Afrika – die Schoko-Paintings überzeugen mit ihrer ungewöhnlichen Ästhetik. Kein Zufall, denn mit Schokolade arbeitet Anüll schon seit dreissig Jahren als Künstler und tritt mit seinen Installationen, Objekten, Bildern, Videos und Fotografien weit über die Grenzen der Schweiz in Aktion.

Made in China, made in Switzerland

Seit Anfang der 80er-Jahre ist Anüll einer der bekanntesten Konzeptkünstler der Schweiz. 1948 in der Nähe von Luzern geboren, ging er bereits als Student an der Kunstgewerbeschule Basel eigene Wege. Statt sich dem klassischen Aktzeichnen zu widmen, liess er sich schon damals von gesellschaftskritischen und politischen Themen inspirieren. Ob Glasnost in der ehemaligen Sowjetunion oder die Lebenssituation von Obdachlosen in Grossstädten – der weitgereiste Anüll ist ein brillanter und kritischer Beobachter, der auch international mit seinen ungewöhnlichen Installationen und Kunstaktionen überzeugt. So startete er im letzten Jahr die Aktion ‹Made in China›: In Peking bat er rund 70 Passanten einfach den Schriftzug Made in China jeweils auf eine kleine, mit Leinwand bespannte Tafel zu schreiben. Als Gegenleistung bekamen die Beteiligten ein Stück Schweizer Schokolade. Die Schrifttafeln und die per Film dokumentierte Kunstaktion waren in Anülls Einzelausstellung im Zürcher Helmhaus 2010 zu sehen.

Registered Trademark

Gerade das in der Schweiz allgegenwärtige Genussmittel Schokolade bekommt in seiner Kunst eine komplett andere Bedeutung: Anüll setzt es als experimentelles Malmaterial ein, 97

‹Als Malgrund für meine Schoko-Paintings wähle ich eine Zeitungsseite mit einem spannenden Artikel aus, die ich auf Leinwand kaschiere.› das sich noch Jahre später verändern kann. Was den Künstler reizt und was ihn immer wieder neu herausfordert, ist die Auseinandersetzung mit Materialien, Zeichen und Logos. So greift er Slogans in unterschiedlichen Sprachen auf, kehrt sie um oder führt sie ad absurdum. Bestes Beispiel ist sein Projekt ‹1000 M›, in dem er zeigt, welch erstaunliche Vielzahl von Bedeutungen allein in der Verwendung des Buchstabens M steckt. ‹M› wird in der Schweiz sofort mit dem Migros-Konzern assoziiert. Weltweit jedoch verweist das M auf McDonald’s oder die Metro. Wie wenig Anüll seine eigene Person von der künstlerischen Arbeit trennt, wird übrigens deutlich sobald er lächelt: Auf seinem Schneidezahn wird das Trademarkzeichen ‹®› in Schwarz sichtbar, das ihm 2004 ein Zahntechniker bei hoher Temperatur auf die Keramikkrone eingebrannt hat. Weitere Info zu Ian Anüll findest du auf der Website seiner Zürcher Galerie mai36.com.


Like every day

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Auch wenn sie an der Elbe liegt, mit dem Strom zu schwimmen ist nicht das Ziel der Hamburger NewcomerGalerie White Trash Contemporary. Aus New York in die Hansestadt gezogen, fördert sie provokative Kunst der ‹schwierigen› Art und überrascht mit extravaganten Vernissagen. Text: Dinah Brunner

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twas verkohlt und dem Zerfall geweiht blickt die alte Nicolai Kirche über die Dächer der Hafenstadt. Vor Jahren ist die ehemalige Hauptkirche dem grossen Hamburger Brand zum Opfer gefallen und steht heute für Vergangenheit und Zerstörung. Ganz anders als die unmittelbar daneben liegende Galerie White Trash Contemporary, welche sich der künstlerischen Zukunft und Schöpfung widmet. Vor bald sechs Jahren ist der Besitzer Nils Grossien mit ihr aus New York in den hohen Norden Deutschlands gezogen, um in der Hansestadt junge und wenig repräsentierte Kunst und Künstler zu fördern. White Trash Contemporary ermutigt zur Verletzung und Übertretung jeglicher Grenzen und legt ihren Fokus auf die ‹schwierige› Kunst: Installation, Skulptur und Video. Eine 200 Quadratmeter umfassende Ladenfront verrät, dass die Galerie Grosses vorhat. Ein aussergewöhnliches Programm will sie bieten – und das gelingt ihr durchaus. Vielleicht gerade weil ihr Besitzer früher selbst Künstler war, kinki schauplatz

Glasmosaike kreierte und damit seine Brötchen verdiente. Grossien hat auf jeden Fall ein Auge für besondere Kunst. So blickt die WTC auf Ausstellungen von Oliver Ross zurück, welcher die Galerie komplett bemalte und mit seinen schrägen Installationen füllte. Auch Mariella Moser gastierte mit ihren naturverbundenen Skulpturen bei WTC, und Jerry Berndt stellte hier seine emotionsgeladenen Fotografien aus. Eingeläutet wurden diese Ausstellungen nicht etwa mit steifen Cüpli-Vernissagen, sondern mit Konzerten oder – wie die von Jerry Berndt – mit eigener American Bar bei dumpfem Licht und viel Bier.

Vanitas mundi

Soeben ist die Ausstellung von Tom Schmelzer zu Ende gegangen. Knapp drei Monate konnten die Installationen des studierten Mediziners bestaunt werden. Darunter der Pavian im Bischofsornat, ein Verweis auf den Erzbischof von Canterbury, welcher erst 2008 die Lehren Charles Darwins anerkannte. Vorher galt es in der anglikani-

schen Kirche offiziell als Ketzerei zu behaupten, der Mensch stamme vom Affen ab. Der Pavian musste die Hallen der WTC nun räumen, mitsamt seiner Seifenblasen-Maschine, welche mit den platzenden Blasen das Vanitas-Motiv der Barockzeit symbolisierte. Vergänglichkeit durchzog auch das gesamte Konzept der Ausstellung, die selbst wiederum vergehen musste. Nur die Kunst, die bleibt: Für die nächsten zwei Monate in Form von Eddy De Vos’ politischen Zeichnungen zum Thema ‹into violence ...›.

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Ganz oben links: ‹Homo Bulla› von Tom Schmelzer Ganz oben rechts: Ausstellung Oliver Ross Oben: Ausstellung Seok Lee Mittwoch bis Freitag, 13 – 19 Uhr Samstag, 12 – 16 Uhr White Trash Contemporary Neue Burg 2 20457 Hamburg Deutschland Weitere Info findest du unter whitetrashcontemporary.com.


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kopfkino vom umschlag bis zum abspann

Damit ihr nicht vor reichlich belanglosen Koch- und Restaurant-Sendungen vor dem TV verblödet, haben wir euch leicht und schwer verdaulichen Brainfood in den Bereichen Film und Literatur zusammengestellt, mit dem ihr eure kulinarische und literarische Expertise praktisch vertiefen könnt – 20 Gault Millau-Punkte!

antipasti

Erschienen bei KiWi, CHF 11.50

kinki kopfkino

heisse küche

Erschienen bei Macmillan Publishing, erhältlich auf Amazon, CHF 20 bis 250.–

Federspiel nennt seine Erzählung, die den Stoff eines ausgewachsenen Romans umspannt, in düsteren Anekdoten verweilt, dann grinsend davonhüpft, Ballade – und beweist sich damit erneut als brillanter Erzähler. Christoph Neidhart, DIE ZEIT

David Thorpe / Pierre Le Poste: Rude Food Folgendes ‹Kochbuch› gehört in die Kategorie ‹möglichst weit oben oder einfallsreich verstauen, so dass weder Kinder noch dahergelaufene Gäste darüber stolpern›, oder eben ‹exponieren und Lust verbreiten›. Der Inhalt aus dem Jahre 1979 muss zwar alles andere als versteckt werden, jedoch dürfte die leicht frivole und anrüchige Kochkunst, oder eher der erotische Tanz mit Nahrungsmitteln nicht jedem munden. Die JahrhundertAssoziation von Essen und Geschlecht wird darin in allen Varianten dekliniert: Die Salatsauce wird über dem ungestümen Busch der Frau angerichtet, das Objekt der Begier-

Jürg Federspiel Die Ballade von der Typhoid Mary

henkersmahl Jürg Federspiel Die Ballade von der Typhoid Mary

ISBN 3-518-38483-X

9 7 83 5 18 3 8 48 3 1 € 7,00 [D]

1983

David Foster Wallace: Am Beispiel des Hummers In ‹Am Beispiel des Hummers› (‹Consider the lobster›) stellt sich David Foster Wallace die Frage, inwiefern das Töten eines Tieres zum eigenen Genuss gerechtfertigt werden kann. Vorgegebenes Thema ist ein Essay über das Maine Lobster Festival für die Zeitschrift ‹Gourmet – The Magazine of Good Living›. Das Festival findet in Rockland statt, das in Maine, dem nordöstlichsten Bundesstaat der Vereinigten Staaten, liegt. Während der vier Festivaltage werden mehr als 10 Tonnen Hummer lebendig gekocht und verspeist. Kein Wunder stürmen alljährlich nicht nur mehr als 100 000 hungrige Besucher, sondern auch PETA-Aktivisten das Festivalgelände. Die Organisatoren vertreten den Standpunkt, dass Hummer keine Schmerzen empfinden und somit auch ohne Gewissensbisse lebend ins kochende Wasser geworfen werden können. Wallace selber, angetrieben von seinem Gewissen oder zumindest von einem gewissen Unbehagen, wagt jedoch einen differenzierten Blick auf das Geschehen in Rockland. Wallace’ zumeist ethischen Fragestellungen wirken dabei nie

Suhrkamp

Buch

de mit Spaghetti an den Tellerrand gefesselt und Spargel oder der Banana Split werden mit allen Sinnen ausgekostet. ‹Rude Food – Photographed as never before by David Thorpe› ist für die einen obszöne Lebensmittelverschwendung, für die anderen eine sinnliche Mischung von Erotik und Essen par excellence. Deshalb gehört das Buch auch zu den Klassikern der erotischen Fotografie. Ein Thema, das noch heute etwas gesitteter, aber stets mit viel Haut und Sexappeal in Mode-Editorials zitiert wird. Übrigens wurde 1983 ein weiterer Band, ebenfalls mit englischen Texten von Pierre Le Poste publiziert: In ‹Vin Rude› wird dasselbe Spiel der Verführung mit edlen Weintropfen weitergeführt.

moralisierend. ‹Am Beispiel des Hummers› war nach ‹Schrecklich amüsant – Aber in Zukunft ohne mich› die zweite Reportage von Wallace, die auch in Buchform veröffentlicht wurde. Wobei dieses Buch mit gut 60 grossbeschriebenen Seiten schnell verschlungen, aber schwer verdaulich ist, und nicht denselben Post-Gonzo-Charme zu versprühen vermag. Anhänger von David Foster Wallace werden es sich aber auf jeden Fall nicht nehmen lassen, sich auch dieses kleine Bijou ins Regal zu stellen.

st

Jürg Federspiel: Die Ballade von der Typhoid Mary Mary Mallon ist Köchin aus Leidenschaft, jedoch besiegelt ihre Liebe zum gefühlvollen Zubereiten von Nahrung das Schicksal anderer: Wer Marys Kochkünste geniesst, der stirbt an den Leiden des TyphusVirus, den die immune Trägerin ihren Gästen versehentlich auftischt. Im Zeitalter von Schweinegrippe, Epidemieprävention und geldgierigen Pharmakonzernen ist eine 110

solch leichtfertige und zielsichere, da quasi im Schöpflöffel servierte Ansteckung unvorstellbar. Der Schweizer Schriftsteller Jürg Federspiel weiss uns in seinem Roman jedoch eine ganz andere Geschichte zu den Gesellschafts- und Gesundheitsverhältnissen des 19. Jahrhunderts zu erzählen. Auf einfühlsame Weise schildert er die unaufhaltsame Schickung seiner Protagonistin ‹Typhoid Mary›, deren Geschichte angeblich auf wahren Begebenheiten beruht. Mary trifft als 14-Jährige mit dem Schiff aus Hamburg in New York ein und gibt sich als Tochter des Kochs aus, der wie zahlreiche andere Emigranten während der Überfahrt an Typhus verendet ist. Als Köchin oder Küchenhilfe tingelt sie von einer gehobenen Familie zur nächsten und reiht mysteriöse Todesfälle aneinander, welche mit ihrer Präsenz zusammenhängen zu scheinen. Dass sie – ohne selbst daran zu erkranken – einen Typhus-Virus überträgt, scheint zu gegebener Zeit unvorstellbar. Die Angelegenheit wird für Mary zum moralischen Zwiespalt: Die Todesfälle in ihrem Umfeld kann sie nicht länger von sich weisen, doch ihre grosse Leidenschaft, das Kochen sein zu lassen, kommt auch nicht in Frage. Federspiels Ballade ist packend, leichtfüssig und eindringlich erzählt und wirft Themen wie die Schuldfrage auf, die heute beispielsweise im Zusammenhang mit der HIV-Übertragung genauso aktuell erscheint wie zu Marys Zeiten. Erschienen im Suhrkamp Verlag, CHF 11.50


patisserie

dem schon seit längerem Grosses zugetraut wird. Die dokumentarische Machart des Films wirkt ziemlich schonungslos und lässt die Suburbs und Sozialwohnungen, in denen sich die Handlung abspielt mehr als trist wirken. Als der neue Mann in das Leben der Mutter und damit auch in die Leben von Hauptfigur Mia und ihrer kleinen Schwester tritt, keimt so etwas wie Hoffnung in Form von menschlicher Wärme auf, aber der nächste emotionale Absturz lässt nicht lange auf sich warten. Ausgezeichnet mit dem Preis der Jury in Cannes und trotzdem eine Art Geheimtipp.

DVD

slow food

Murielle Rousseau: La vie en rose Dass manche Menschen mehr zu Süssem als zu Salzigem tendieren ist eine verbreitete Typisierung der Gaumenvorliebe. Ob das Geschlecht dabei ein prägender Faktor ist oder ob sich daraus auch ableiten lässt, ob man ein Back- oder ein Kochtyp ist, habe ich in meiner kleinen Studie noch nicht erfasst. Nur so viel: Ich bin ein Back- und ein Süsstyp, weiblich und französisch. Die optimale Voraussetzung dafür, mich kopfüber in das Backbuch ‹La vie en rose› von Murielle Rousseau zu verlieben. Während ich also mit Kochgerichten hadere, gelingen mir riskante Kuchenrezepte aufs Beste. Und Anweisungen zu solch köstlichen Verführungen von Murielles französischer Familie sind allerlei im Buch versammelt. Untermalt werden die Tartelettes-, Kekse-, Dessert-, Marmeladenund Geleerezepte von Illustrationen, Fotos und Collagen der Illustratorin und Grafikerin Stefanie Roth. So zelebriere ich Edith Piaf singend das französische Savoir-vivre mit dem Backhandschuh an den Fingern und dem Macaron auf der Zungenspitze. Fest steht, dieses Buch gehört in die Küche jedes Backtyps und bringt auch allen anderen feinste Süssspeisen ins Haus, so dass sogar die salzigen Typen schwach werden.

Anton Corbijn: The American Nicht immer kommt etwas Gutes dabei heraus, wenn ein Videoclip-Regisseur ins Spielfilmfach wechselt. Dass es sich bei Anton Corbijn aber trotzdem so verhält, hat er schon 2007 mit ‹Control› bewiesen, als ihm selbst in einem oft abgeschmackten Genre mit der Joy-Division-Biopic Bemerkenswertes gelang. Mit ‹The American›, in dem George Clooney einen undurchsichtigen und introvertierten Killer gibt, der seinen Beruf nach einem letzten Auftrag an den Nagel hängen möchte, hat Corbijn jetzt nachgelegt. Vor ländlicher, italienischer Kulisse entfaltet sich die Geschichte eher gemächlich und mit viel Sinn für Details. Ein Film, in dem Bilder und Stimmungen wichtiger sind als Handlung und Dialoge und der sich damit ganz dicht an den eigentlichen Stärken des Mediums Kino entlang arbeitet. Kein Actionthriller, sondern ein Drama, das kein Problem damit hat, auf Distanz zu seinen Protagonisten zu gehen.

Erscheint am 25. Februar auf DVD.

Kino wässrig

Clint Eastwood: Hereafter Sein zehnter Film in zehn Jahren, und der alte Hollywood-Haudegen Clint Eastwood denkt nicht im Entferntesten daran, ruhiger zu treten. Dass sich der 80-Jährige mit der Frage nach dem Leben nach dem Tod beschäftigt, kann man ihm verzeihen. Dabei ist immerhin ein für Eastwood’sche Massstäbe recht ungewöhnlicher Film herausgekommen, dem die gewohnte Bodenständigkeit des Regisseurs mitunter abgeht. Die wuchtige Eröffnungssequenz lässt eine junge Reporterin (die wunderbare Cécile de France) einen Tsunami erleben, bei dem sie dem Tod direkt ins Auge blickt. In einer weiteren tragenden Rolle ist Matt Damon als geplagtes Medium zu sehen, das zwar sein Leben nicht auf die Reihe kriegt, aber dafür mit dem Jenseits Kontakt aufnehmen kann. Nach dem Effektgewitter zu Beginn schlägt die Geschichte dann leisere – manchmal etwas langatmige – Töne an. Ob der Film gefällt, wird stark davon abhängen, ob man bereit ist, sich auf sein Thema einzulassen. Nicht Eastwoods bestes Werk, aber ein interessantes Experiment mit fähigen Schauspielern.

Erscheint am 24. Februar auf DVD.

junges gemüse

Erschienen im Gerstenberg Verlag, CHF 30.50

Unsere Rezensenten William S. Blake und Florence Ritter duellieren sich in der Küche mit ihren Koch- respektive Backkünsten. Das Essen wird geteilt, der Film danach gemeinsam und das Buch einsam verschlungen. Nur abwaschen will niemand ...

Andrea Arnold: Fish Tank Eine Coming-of-Age-Geschichte, die (fast) ohne Klischees auskommt, ist der britischen Regisseurin Andrea Arnold (‹Red Road›) mit ihrem zweiten Spielfilm gelungen. Als Hauptdarstellerin brilliert die dauerfluchende Katie Jarvis in ihrer ersten Rolle − Arnold soll die Newcomerin streitend auf einem Bahnsteig gefunden haben. Als neuer Freund der alleinerziehenden und überforderten Mutter glänzt in diesem urbanen Drama Michael Fassbender (‹Inglorious Basterds›),

Seit 27. Januar im Kino.

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nachschlag

Joel und Ethan Coen: True Grit Irgendwie war ‹No Country for Old Men› ja auch schon ein 80erJahre-mässig verkleideter Western. Mit ‹True Grit› – praktisch ein Remake des John-Wayne-Klassikers ‹Der Marshall› – steigen die CoenBrüder aber richtig tief in das Genre ein. Eins gleich vorweg: das Remake ist dem Original in allen Belangen überlegen, was schon was heissen will. Das Drehbuch ist perfekt und die Charaktere sind durchweg interessant. Jeff Bridges, zum ersten Mal seit ‹The Big Lebowski› wieder in einem CoenFilm, steigt mit Augenklappe in die Fussstapfen von John Wayne und hilft als der versoffene Marshall Rooster Cogburn einem jungen Mädchen bei der Jagd auf den Mörder ihres Vaters. Klingt todernst, ist aber häufig ziemlich witzig. Man könnte behaupten, dies sei der bislang beste Film der Coens, wären da nicht ihre beinahe unübertrefflichen Meisterwerke aus den 90ern. In der internen Coen-Bestenliste gehört ‹True Grit› aber auf jeden Fall in die Top Fünf. Ab 24. Februar im Kino.

Unter Einfluss von Kamillentee und IngwerAufguss ist unser neuer und grippegeplagter Rezensent Kai Eisele bei seiner Aufgabe trotz Rotznase und Reizhusten offensichtlich doch noch cineastisch zu besänftigen. Wehe allerdings dem Film, der jetzt mit stroboskopartigem Effektgewitter die Reizung seiner Kopforgane unnötig verschärft!


maske art must be beautiful

Jeden Monat setzen an dieser Stelle Schweizer Künstler drei Beauty-Produkte in Szene. Der St. Galler Beni Bischof beschäftigte sich für uns mit dem treuen Begleiter einer jeden Frau: dem Lipgloss. Laura Mercier: Chanel: Lip Plumper (Peach Extrait de Gloss Glow) (Insolence)

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Der Lip Plumper von Laura Mercier verleiht den Lippen nicht nur aprikosenfarbenen Glanz, sondern lässt sie gleichzeitig auch voller erscheinen. Erhältlich sind die Produkte von Laura Mercier in der Schweiz unter anderem bei Globus. CHF 54.–

Ein Lipgloss, der nicht nur gesundes Aussehen verleiht, sondern den Lippen auch noch etwas Gutes tut: der Water Flash spendet durch seinen hohen Wasseranteil Feuchtigkeit, klebt nicht und sorgt für einen glänzenden Look. CHF 6.80

Dieser rosarote Lipgloss aus der Serie ‹Rouge Allure› hält, was die Farbbezeichnung verspricht. Ein frühlingshaftes und freches Rosa mit unverschämter Wirkung. CHF 48.–

Beni Bischof Topmodels mit Fingern als Nase? Burgen ohne Fenster und Türen? Behinderte Autos? Willkommen in der herrlich skurrilen Welt des Künstlers Beni Bischof. Mit seinen Installationen, Gemälden, Illustrationen, Fotos und Kritzeleien macht der 35-Jährige im In- und Ausland schon seit einigen Jahren von sich reden. Und zeigt uns dabei in winzig kleinen, aber auch in Raum füllenden Werken, dass Kunst nicht immer eine bierernste Angelegenheit sein muss, sondern durchaus auch zum Schmunzeln anregen darf. Wer selbst einen kleinen Einblick in das Schaffen des extrem produktiven Künstlers erhalten will, oder wer einfach schon immer mal wissen wollte, wie ein transsexuelles Quadrat aussieht, der sollte unbedingt auf seiner Website benibischof.ch stöbern. Text: Rainer Brenner, Realisation: Nicola Fischer

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henry und paul

Die mit den 10 Geboten. Und Rinderbrateneintopf. Und glücklichen Menschen. Text: Roman Neumann, Foto: Philippe Sir? Sprich, Henry. Was tun Sie da? Ich sinniere, Henry. Ohne mich mit dem Fernsehen oder einem Buch zu befassen, welche mir die Gedanken anderer aufzwingen. Sinniert wird viel zu wenig, Henry. Zu oft übernehmen wir ungefiltert die Pampe, die anderen aus der Hirnrinde quillt. Wir übernehmen sie, bauen sie in unser Vokabular ein und verschreien sie auf der Strasse als eigene Meinung. Genau wie diese Bibelverkäufer. Bibelverkäufer, Sir? Exakt, Henry. Die Heilige Schrift mag ja für andere ein Fels in der Brandung sein, ein rettendes Messer, wenn man bereits am Strick hängt, aber weshalb muss es so krampfhaft als einziges Buch gelten, das auf der Strasse anderen nahegelegt wird? Ich verstehe nicht, Sir. Es geht ja um den Glauben. Nicht darum, die Bibel zu lesen. Jaja und was, wenn für mich ‹55 Wege einen Rinderbrateneintopf zu kochen› das einzige Buch ist, und ich bei jedem Satz darin laut ausrufen möchte: ‹Ja! Genau so! Hildegard, komm mal her und lies das! Hab ich’s nicht immer gesagt!› Vielleicht ist ein Kochbuch hier ein etwas merkwürdiges Beispiel, aber ich mein ja nur. Nun, Sir, dann könnten sie es Ihren Freunden empfehlen. Nein, Henry, ich will mich aber auf die Strasse stellen und es laut hinausrufen. Eine kleine Kiste würde ich mir besorgen, mich darauf stellen, kleine Prospekte mit Bildern von leckerem Rinderbrateneintopf in der Hand halten und schmetternd würde ich die eben gelernten Weisheiten der Welt kundtun. ‹20 Minuten bei 180 Grad und keine Minute länger, Leute, und nehmt Alufolie, dann trocknet das Teil nicht aus!› So würde das klingen und vergnügt würde ich nach Hause gehen, in Gedanken daran, wie viele Menschen an diesem Abend einen guten Rinderbrateneintopf essen. kinki henry und paul

Glück und wohlriechende Düfte würden aus den Ritzen dieser Häuser strömen! Die kleinen Bälger würden freiwillig aus ihren Kinderzimmern geschlichen kommen, beim Kauen entzückt die Augen schliessen und ‹Mmmmmh Mama!› sagen. ‹Daf ift abner gnuud›, würden sie mit vollem Mund plappern und die Mama würde die Augen niederschlagen und still erfreut an ihrem Rock zupfen und wenn die Kinder im Bett sind, würde der Mann ganz zufrieden mit kugelrundem Bauch seine Frau in den Arm nehmen und die neu entfachte Liebe mit ihr auf dem Sofa zelebrieren.

die Türe öffnet, würde ich den Hut lüften, und ‹Guten Tag, darf ich mit Ihnen über Ihren Backofen sprechen?› sagen. Ich hab’s verstanden, Sir. Aber die Bibelverkäufer lesen die Bibel, und glauben jedes Wort darin. Mir ist noch kein Autor begegnet, der nicht nach der Lektüre eines Textes, den er selbst verfasste, seine Stirn in tiefe Falten gelegt hätte. ‹Oje›, murmeln die so gepeinigten Schriftsteller, ‹was habe ich mir denn dabei gedacht?› So wird’s auch bei der Bibel sein. Ich kenne den Autor nicht, wohl aber seine Worte, wenn er die Bibel heute lesen würde: ‹10 Gebote? Du meine Güte, viel zu viel. Ein einziges Gebot müsste eigentlich reichen: Du sollst denken.›

Sir ... So Henry, so würde ich die Welt verbessern! Auf Hausbesuch würde ich gehen, und wenn sich 114



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