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Schluss mit kleinen Unebenheiten von junger und schöner Haut. Gelée Eclat du Jour ist reich an pflanzlichen Aktivstoffen wie Kurkuma, Frauenmantel und Gingko Biloba – das unschlagbare Trio für eine perfekt mit Feuchtigkeit versorgte, makellose Haut. Einfach strahlend schön! Clarins, Europas Nr. 1 in pflegender Luxuskosmetik.* *Quelle:
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auftakt land of the free: die amerika-ausgabe
Lieber Leser. Die ‹West Side Story› ist ein Relikt der Vergangenheit, Las Vegas nur noch als Online-Poker lustig und selbst John Wayne nicht mehr das, was er mal war. Amerikas Hochglanzlack ist längst am Abblättern. Selbst hehre Ziele von ambitionierten und ethnisch begünstigten Präsidenten wenden das Ende der Supermacht a. D. nicht mehr ab: Finanzkrise, Kriegstreiben und das marode Sozialsystem steuern die ehemals stolze Nation zielsicher in Richtung Abgrund. Trotzdem – oder vielleicht gerade deshalb – lieben wir Amerika! Lasst uns Uncle Sams Schwermut beiseite schieben und an die Zeiten zurückerinnern, in denen das Land der Cowboys noch handfeste und liebenswerte Klischees am Fliessband produzierte: Hollywood, McDonald’s, Harley Davidson, Tony Hawk, Coca Cola, Tommy Hilfiger, Winchester, Ronald Reagan, Marlboro, Marilyn Monroe – die Liste geht endlos weiter. Schlägt der Puls da nicht höher? Vergesst Osama und Afghanistan, vergesst Deepwater Horizon und New Orleans, vergesst Trailer Parks und die Todesstrafe: Ich bin – nein ... kein Berliner – ein Amerikaner! Deine sterngestreifte kinki Redaktion
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2011
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inhalt
standard
Auftakt 03 Inhalt 10 Neuzeit 12 kinkimag.ch 18 Klagemauer 20 Umfrage 21 Kopfkino 88 Maske 96 Abo / Impressum 110 Henry & Paul 114
82 72
report
Long Way from Home 32 Wortlaut: Jello Biafra 38 Auswandern im Namen Gottes 40 Curiosity kills the Cat 48 Querschläger: Turi Garofalo 52 Good Cop, Bad Cop 94
musik
Vorspiel: Little Dragon 60 Interview: William Fitzsimmons 62 Verhör 64 Interview: We Loyal 66 Lieblingslieder: Yours Truly 68 Interview: Imaginary Cities 70
5th ave
98 Juventino Mateo
mode
‹Shine lika a Star› von Zoë Zimmer 24 ‹Hugh!› von Johanna Ruebel 44 ‹Where are we going ...› von Rachel de Joode 72 Hit the Road! 78 ‹5th ave› von Juventino Mateo 82 Hail and Farewell 90
Where are we going ...
62 Rachel de Joode
kunst
‹Hot.hot.heat.› von Neil Krug 54 Potpourri: USA 98 Portland of the free 106 Schauplatz: ADN Galería 112
Potpourri: USA
In unserem Potpourri zeigen uns diesen Monat die Fotografen Peter Sutherland, Michael Sharkey und Stefan Giftthaler ihren ganz eigenen Blick auf die USA.
kooabaisiert [ Ergänzungsmaterial auf kooaba.com ]
kinki inhalt
10
Interview: William Fitzsimmons
Songwriting als Selbsttherapie: William Fitzsimmons erklärt unserer Redaktorin Katja Fässler im Interview, warum es so gut tut, sich die Probleme von der Seele zu singen.
48 Curiosity kills the Cat
Ihr Mann sammelt Links, sie sammelt genetische Informationen: Sergey Brins Gattin bietet uns mit ihrer Firma 23andMe die Möglichkeit, unser Erbmaterial entschlüsseln zu lassen. Doch wozu genau soll das gut sein? Natalie Gyöngyösi ging der Frage nach.
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zugabe
Pablo Haller
Diana Moro
Pablo Haller hat einiges um die Ohren. Der Luzerner ist auf ganz unterschiedlichen Plattformen aktiv: als Theater- und Literaturredaktor bei ‹041 – Das Kulturmagazin›, als Chefredaktor und Kritiker bei kulturteil.ch und als Beteiber des Blogs gasolinconnection.wordpress.com, der sich deutscher Untergrundliteratur verschrieben hat. Doch der 22-Jährige widmet sich nicht nur fremder, sondern gerne auch der eigenen Literatur, betätigt sich als Schriftsteller, Verleger und vieles mehr. Die meisten seiner Tätigkeiten stehen dabei im Zeichen seiner grossen Leidenschaft – der Beat Literatur. Für diese Ausgabe verfasste Haller deshalb einen Nachruf auf den US-amerikanischen Beat Literaten Ira Cohen. – S. 90
Nach ihrem Studium der Freien Kunst in Stuttgart zog es die gebürtige Spanierin Diana Moro nach Berlin, wo sie bis heute als Künstlerin und freie Journalistin tätig ist. Für diese Ausgabe warf sie einen Blick auf die junge Kunstszene Portlands: ‹Ich habe das Gefühl, die Künstler dort nehmen sich selbst und den Kunstbegriff nicht so ernst wie in Europa. Daher habe ich auch letztes Jahr ein paar Monate an der Westcoast verbracht, um die Kunstszene zu erleben. Das Thema ist für mich persönlich auch deshalb so interessant, weil ich als Künstlerin in einer ähnlichen Situation stecke wie das Appendix Kollektiv aus Portland, das sich gerade seinen eigenen Weg in die Kunstwelt bahnt.› – S. 106
Neil Krug und Joni Harbeck
Bene Rohlmann
Der Fotograf Neil Krug und das Model Joni Harbeck stammen beide aus dem Mittleren Westen der USA. Seit geraumer Zeit realisieren Neil und Joni verschiedenste Fotostrecken, Filme und Bücher für ihr gemeinsames Projekt ‹Pulp›. Ihre Kollaboration mündete aber nicht nur in diversen Publikationen und Ausstellungen, sondern trug auch auf privater Ebene Früchte: Vor einem Jahr kam ihre gemeinsame Tochter Gray zur Welt. – S. 54
Für unsere Amerikaausgabe setzte sich die Autorin Martina Messerli mit einem dunklen Kapitel der Schweizer Geschichte auseinander: die Vertreibung der Mennoniten. Und nicht nur die Berner Autorin, sondern auch der Deutsche Bene Rohlmann tauchte zur Bebilderung des Artikels ins Thema ein. Der 26-Jährige wurde in Münster geboren, wo er Illustration studierte, bevor es ihn 2010 schliesslich nach Berlin verschlug. Freie Arbeiten und Kollaborationen des Künstlers sowie seine Ausstellungsliste kann man online unter pearpicker.de bestaunen. – S. 40
Long Way from Home
Manchmal sehnen wir uns doch alle danach, einfach in ein Auto zu steigen und abzuhauen. Und nirgendwo kann man das besser als in Amerika. Paula Kohlmann über den Mythos Roadtrip. 11
neuzeit
dreh den bass auf! Dubstep und cineastischen Soundlandschaften bastelt. Und da uns Bit-Tuners neues Werk so wunderbar gefällt, verlosen wir fünf exklusive Vinyl-Platten der ‹Drome›EP! Wenn ihr also eine der bis zum Bersten mit Bass gefüllten Scheiben haben wollt, schreibt schnell eine Mail mit dem Betreff ‹Bit-Tuner› und eurer Adresse an wettbewerb@ kinkimag.ch. Und wischt schon mal den Staub von den Boxen und warnt die Nachbarn vor! (ah)
Im Dunkeln schleppen sich die Beats durch den Raum, die Melodie dreht eine Pirouette, um der angerollten Basslinie Platz zu machen. Dass die Tracks von Bit-Tuner auch im Tanztheater und bei Kurzfilmregisseuren Anklang finden, spürt man auf seiner neusten ‹Drome›EP. Der aus St. Gallen stammende Produzent lebt und arbeitet in Zürich, wo er mit einer MPC, verschiedenen Synthesizern, Bassgitarre und dem Computer futuristische Bass-Hymnen irgendwo zwischen
bit.tuner.net
instrumental techno
agenda
08
16.06. – 21.08. ausstellung: ‹neue welt – view over autocenter› Salts, Birsfelden 15.07. – 20.08. young at art Zürich 06.08. kosheen, fm belfast Poolbar, Feldkirch 09.08. dillinger escape plan Bad Bonn, Düdingen 25.08. neon party feat. egyptrix und the stereo youth hive Club, Zürich 26.08. timber timbre Exil, Zürich 27.08. – 28.08. winterthurer musikfestwochen feat. archive, hot water music, anna calvi uvm. Diverse Locations, Winterthur
09
Clubmusik, die ganz ohne Konserve auskommt: das Brandt Brauer Frick Enselmble beehrt diesen August die VisioNight11.
näre Performances ein, die Visuals und Musik verschmelzen lassen. Dabei wird der musikalische oder der visuelle Part stets live vor Ort produziert. Ein clubtaugliches LiveKonzert werden danach auch die Herren des Brandt Brauer Frick Ensembles geben. Das zehnköpfige Ensemble aus Deutschland spielt mit orchestraler Instrumentierung Tanzmusik und erzeugt mit Schlagzeugen, Streichinstrumenten und Klavieren ähnlich präzise und treibende Beats wie Synthesizer und Co. Wer sich das kaum vorstellen kann, überzeugt sich am besten selbst. kinki schickt zweimal zwei Personen zum visuellen und akustischen Musikerlebnis der besonderen Art. Schreib einfach eine Mail mit dem Betreff ‹VisioNight11› an wettbewerb@kinkimag.ch. Weitere Info und Tickets gibt‘s unter lucernefestival.ch. (fr)
Wer das Lucerne Festival mit klassischer Philharmonie, dem KKL, Sinfonien und Streichquartetten assoziiert, liegt nicht falsch. Jedoch findet sich in der Sommerausgabe des Lucerne Festivals neben der klassischen Klangwelt auch Raum für experimentelle Klänge und audiovisuelle Performances. Am 12. August findet in Zusammenarbeit mit dem KKL im Luzerner Saal die ‹VisioNight11› statt, die mit einem künstlerischen Abendprogramm und einem zugänglichen Konzert auch ein jüngeres Publikum in die Hallen des Luzerner Kulturund Kongresszentrums lockt. Präsentiert wird ein musisches Projekt, das mit Studierenden der Hochschulen Luzern, Basel, Bern und Zürich aus den Bereichen Mediale Künste, Film, Animation, Style und Design sowie Musik erarbeitet wurde. Zum Festivalthema ‹Nacht› studierten sie interdisziplikinki neuzeit
12
03.09. – 13.11. shirana shabazi: ‹much like zero› Fotomuseum Winterthur 03.09. – 13.11. ausstellung: tatsuo miyajima Lokremise, St. Gallen 04.09. hans op de beeck: ‹sea of tranquility› Kunstmuseum Thun 08.09. – 11.09. artyou Ackermannshof, Basel 14.09. die! die! die! Gaswerk, Winterthur 22.09. meg stuart / damaged goods: ‹violet› Gessneralle, Zürich 22.09. – 02.10. filmfestival zürich Diverse Locations, Zürich
welcome aboard the ms dockville
hang loose, win, win! Was gibt es im Sommer Schöneres, als sich ins kühle Nass zu stürzen? Darauf zu surfen natürlich! Und da das im Meer viel mehr Spass macht als in den hiesigen Flüssen, verlost kinki zusammen mit Sudden Rush ‹The Boardtravel Company› zweimal eine Woche Surfferien in Corralejo auf Fuerteventura! Dort kommt ihr nicht nur in den Genuss von 300 Kilometern Sandstrand, mehr als einem Dutzend Surfspots und perfekten Wellen, sondern werdet in einem Surfkurs während vier Stunden pro Tag von Profis euren persönlichen Voraussetzungen entsprechend unterrichtet. Und da wir uns sicher sind, dass spätestens nach diesem Trip auch ihr voll und ganz dem Wellenreiten verfallen sein werdet, legt surfboutique.ch by Cloud 9 sogar noch zwei Surfboards der australischen Marke ‹7S› oben drauf! Um zu gewinnen, musst du uns nur beweisen, dass du eine wahre Wasserratte bist. Sei es mit einem Foto, Text oder einer Videoaufnahme: schick deinen Beitrag einfach bis zum 30. August 2011 mit dem Betreff ‹Surfcamp›, deinem Namen und deiner Adresse an wettbewerb@kinkimag.ch. Weitere Info findest du unter kinkimag.ch. (rb) suddenrush.com
Wellenreiten all inclusive? Sudden Rush und surfboutique.ch verlosen zweimal eine Woche Surfferien plus Brett!
Es gibt viele Festivals diesen Sommer. Sehr viele! Doch nur ein paar ausgesuchte sind wirklich innovativ und stellen nicht jedes Jahr mehr oder weniger dieselben Bands auf die Bühne. Eines davon ist das MS Dockville Festival, das vom 12. bis 14. August im Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg stattfindet: Eine kunterbunte Mischung aus ausgewählten Bands, Live-Performances und jeder Menge Kunst. Das Dockville-Team hat auch dieses Jahr wieder ein schmackhaftes Programm zusammengestellt: Über neunzig Bands und sechzehn Künstler und Kunstkollektive sorgen für ein kreatives musikalisches und visuelles Spektakel. Dabei steht das kollektive Erlebnis im Vordergrund: Auch die Besucher werden aufgefordert, an den verschiedenen Kunstaktionen aktiv teilzunehmen. kinki wird auf jeden Fall auch dieses Jahr wieder mit dabei sein und für die, die es nicht in die Hansestadt schaffen, ganz viele Fotos schiessen, Interviews führen und euch von den Highlights des Festivals berichten. (ah)
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urbane kunst vereint
stadtnetz urbanpeople.com nennt sich die grösste urbane Online Shopping Mall der Schweiz. Entstanden durch die Vereinigung verschiedener Onlineplattformen und Boutiquen, bietet der Webshop eine breite Auswahl verschiedenster grösserer und kleinerer Labels wie 5preview, Adidas, Boxfresh, Erfurt, Nike, Nümph, Sessun, Crooks & Castles, Urbanears, Obey, Havaianas oder Wemoto. Geliefert wird innerhalb der Schweiz übrigens kostenlos und ‹wi dä Blitz›. Und da urbanpeople.com scheinbar auch Spendierhosen im Sortiment hat, verlosen sie diesen Monat unter der kinki Leserschaft je ein Oberteil für Mann und Frau. Für die Jungs wird ein Shirt des Londoner Brands Dephect verschenkt, für Girls das Modell ‹Luna› von Nümph. Schreibe uns einfach eine Mail mit deinem Namen, deiner Grösse, Adresse und dem Betreff ‹Urban People› an wettbewerb@kinkimag.ch. Als ‹Trostpreise› gibt’s ausserdem eine stylishe iPhone-Hülle
Das alles könnte bald euch gehören – und vieles mehr! urbanpeople.com hat nämlich noch einige interessante ‹Trostpreise› in petto.
in Form einer Musikkassette sowie eine Ermässigung von CHF 20.− (ab einem Einkauf von CHF 100.–)
zu gewinnen. Mitmachen lohnt sich also gleich vierfach! (aa) urbanpeople.com
men at work
AXE hat sich schon öfter der existenziellen Probleme der Männer angenommen. Und auch diesen Sommer lassen sie uns nicht im Stich: Auf axe.ch können Schüler und Studenten sich noch bis 31. Oktober für einen ‹AXE Hot Job› bewerben und sich in der Ferienzeit 500 Franken dazuverdienen. Das Tückische an der Sache: Zwar handelt es sich bei den Jobausschreibungen wie ‹Zeugwart der Damenvolleyballmannschaft›, ‹Modelshootingwindmacher› oder ‹Dessousmodenschauanziehhelfer› um äusserst lehrreiche und vor allem traumhafte Ferienjobs, doch könnte die geballte Ladung Testosteron, welche Mann bei diesen Tätigkeiten produziert, sintflutartige Schweissausbrüche zur Folge haben. Um diese Gefahr zu bannen, hat der grosszügige Arbeitsvermittler auch für diesen potentiellen Nebeneffekt der reizvollen Jobs eine Lösung parat. Mit dem 48h-Anti-Transpirant ‹AXE Dry full control› bleiben Männerachseln nämlich auch in noch so heissen Situationen angenehm trocken. Denn wer möchte schon einen solchen Job verlieren? (rb)
AXE versucht sich als Stellenvermittler. Und lockt Männer mit traumhaften Sommerjobs.
axe.ch
kinki neuzeit
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Urbane Kunst ist enorm vielfältig und in ihrer Dimension nur schwer fassbar. Die ‹Artyou› in Basel hat es sich zur Aufgabe gemacht, etwas Überblick zu schaffen und auf einem jährlichen Ausstellungsfestival junge urbane Kunst zu präsentieren. Vom 8. September bis zum 11. September findet dieses Jahr zum sechsten Mal die ‹Artyou› in der Ackermannshof Druckereihalle statt – einer der ältesten Druckereien der Welt! Ausgestellt werden individuell interpretierte Formen von Streetart in verschiedenen Facetten. Ein kreatives Rahmenprogramm mit Performance, Musik und After-Party sorgt für inspirierende Atmosphäre. Man darf also vermuten, dass auch die diesjährige Artyou eine spannende Angelegenheit wird. Und gleichzeitig kann man dabei den Sommer mit viel Kunst in Gesellschaft kreativer Menschen ausklingen lassen. Was will man mehr? Weitere Info zum Event sowie die Künstlerliste findest du unter artyou.ch. (ah)
Wer einmal den Löffel abgibt, bekommt ihn nicht mehr wieder.
© BEN&JERRY’S HOMEMADE, INC. 2009
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Das Leben ist nicht immer fair – Ben & Jerry‘s schon.
Was uns fair macht: www.benjerry.ch
neugierige blicke im seefeld Wenn der Sommer weiterhin hält, was der warme und sonnige Frühling versprochen hat, dann brauchen wir gar nicht erst mit dem Strom Richtung Süden zu treiben, sondern können in der Schweiz Ferien machen. Teil unseres kulturellen Programms wird einmal mehr die ‹young at art – Raum für junge Kunst› in Zürich sein. Zum vierten Mal präsentiert die young at art in der Galerie ArtSeefeld fünf Wochen lang die Werke von nationalen und internationalen Kreativschaffenden und bietet jungen Künstlern und Kunstinteressierten eine Plattform zum Gedankenaustausch. In drei aufeinanderfolgenden Ausstellungen werden vom 15. Juli bis zum 20. August ausgewählte Arbeiten aus den Bereichen Mode, Malerei, und Medienkunst gezeigt. Wie in den vergangenen Jahren werden die Teilnehmer aus den Bereichen Malerei und Medienkunst von Vertretern der Zürcher Hochschule für Künste ausgewählt. Einen Einblick in die Modewelt bietet die young at art unter
wake up! Wake the Lake? ‹So was gab es doch bereits›, denkt ihr euch vielleicht. ‹Genau›, sagen wir. Das war letztes Jahr, dieses Jahr kommt’s gleich noch mal. Einfach grösser und noch spektakulärer. Denn ihr wisst ja: Wenn etwas wirklich gut war, dann will man das unbedingt nochmal erleben. In Weesen am Walensee können die Besucher vom 5. bis 7. August auch dieses Jahr viel erleben: Instrukteure, massenhaft Testmaterial aus dem Bereich Wakeboarding und Mountainbike stehen für die Besucher bereit. Zudem wurde eigens für diesen Event ein Bike-Parcour konzipiert und für musikalische Untermalung ist natürlich auch gesorgt. Das gesamte Programm könnt ihr euch unter cablewakeboardweesen.ch ansehen. Zu Gewinnen gibt es 2 Sessions am Lift. Schreibt einfach eine Mail mit dem Betreff ‹Wake the Lake 2011› und eurer Adresse an wettbewerb@kinkimag.ch. Also nichts wie rein in die Badehose (oder für alle ‹Gfrörlis› halt in den Neoprenanzug) und ab nach Weesen! (aa) kinki neuzeit
Adam Cruces wird an der Young at Art als Teilnehmer in der Kategorie Medienkunst vom 2. bis 20. August in der Galerie Seefeld vertreten sein.
gemütlich gefrühstückt und zelebriert. Zwei Musikkonzerte bereichern die young at art ausserdem mit weiterem musischem Amüsement. Genug Möglichkeiten also, während fünf Wochen im Seefeld zahlreich das Glas im Namen der
anderem mit einer Modenschau. Eine weitere Dimension des Kunstund Designkosmos eröffnen auch die beliebten ‹Art Breakfasts› mit Vorträgen und Führungen von Fachleuten. Freitags wird also Vernissage gefeiert und samstags
jungen Kunst zu heben, Cervelats vom Grill zu verschlingen und schöne Kunst und nette Menschen zu treffen. Das Programm und weitere Info findest du auf youngatart.ch. (fr)
das nagellackorakel
Der Dollar steht so tief wie noch nie und der fast zehn Jahre lang wegen Desinteresse versäumte Fahrausweis ist endlich im Sack: Klar geht es diesen Sommer auf den langersehnten Road-Trip durch Amerika. Das Cadillac Cabrio steht bereit, die Freiheit fährt mit und der Wind frisiert. Den Weg weisen die Damen aber nicht etwa, indem sie den Fin-
ger über die Landkarte kreisen lassen, sondern durch die Wahl der Nagellackfarbe. OPI, der weltweite Marktführer in Sachen Nagelpflege, lädt mit der kommenden Herbst- / Winterkollektion ‹Touring America› zum Road-Trip durch die Staaten ein. Jeder Nagellack ist von einer der zwölf schönsten und bekanntesten Städte der USA inspiriert. 16
So lenkt die Lust auf Aubergine ‹Honk if You Love OPI›, Nachtblau ‹Road House Blues› oder Olive ‹Uh-Oh Roll Down the Window› den Trip etwa Richtung Baltimore, Clarksdale und New York City. In der America-Kollektion sind alle Farbnuancen zu finden, die wir uns schon immer für unsere Nägel gewünscht haben und die ausserdem perfekt auf die internationale Laufstegmode der kommenden Saison abgestimmt sind: Farben wie Latte Macchiato, Greige (eine elegante Mischung aus Grau und Beige), schwarzes Violett oder ‹junges Altrosa› treffen genau ins Ziel. Möchtest du dieses Farbrepertoire auf Händen tragen und beim Cabriofahren durch die Luft sausen lassen? Gewinne eines von fünf Mini Kits mit jeweils vier Nagellackfläschchen. Schreib einfach eine Mail mit deiner Adresse und dem Betreff ‹Touring America› an wettbewerb@kinkimag.ch. Die Kollektion ist ab dem 3. August bei Nail Studios, Amarita und Douglas erhältlich. (fr)
nixonnow.com/santigold nixonnow.com
kinkimag.ch
seashore Diesen Monat bekennt der in Iowa geborene Fotograf Harper Smith auf kinkimag.ch/magazines Flagge! Und zwar mit der wunderschönen und unverwechselbar amerikanischen Modestrecke ‹Seashore›. Zusammen mit Stylistin Kelley Ash fuhr ‹Harpoon› Smith mit zwei Models ans Meer. In seinen Bildern präsentiert Harper uns nicht nur die Schönheit des amerikanischen Kleidungsstils, sondern ebenso eine eindrückliche Landschaft, die sich im wahrsten Sinne des Wortes gewaschen hat.
visitors from venus In einer Welt der säuberlich gepflegten und gestutzten Kopf- und Gesichtsbehaarung tut es gut zu sehen, dass auch verfilzte Bärte und verschwitzte Frisuren überzeugen können. Zum Beispiel jene der US-amerikanischen Gitarren-
virtuosen Valient Thorr. Dass es den sympathischen Herren ihres Äusseren wegen an Selbstsicherheit mangelt, kann man jedenfalls nicht behaupten. Im Videointerview verrieten uns Leadsänger Valient Himself und Gitarrist Eidan
Thorr, was sie selbst mit dem Begriff Schönheit verbinden. Und warum Männer vom Planeten Venus so unglaublich viel Charme versprühen.
all the buildings in new york Den Versuch, alle Gebäude New Yorks auf Papier kunstvoll festzuhalten, hat der Künstler James Gulliver Hancock in Angriff genommen. Überhaupt scheint der aus Australien stammende Illustrator Stift und Pinsel nicht mehr aus der Hand legen zu wollen, bevor er alle existenten Dinge mindestens einmal abgebildet hat. Autorin Nuria Furrer hat James in New York getroffen und ihn gefragt, wie sein Zeicheneifer auf die Architektur der Metropole übergesprungen ist, wie er in Brooklyn lebt und wie sein eigenes Zuhause aussieht. Das Interview und 1001 Gebäude NYs gibt es unter kinkimag.ch/magazines zu entdecken.
on top Bei kinki gibt es natürlich nicht nur das turmhohe Erdbeer-VanilleSoft-Ice, sondern noch die Smarties, die Schokoflakes und die kunterbunten Streusel on top. Diese kinki kinkimag.ch
findet ihr diesen Monat in Form von weiteren Reportagen, Künstlerporträts, Blogs und Wettbewerben auf unserer Website. Und natürlich halten wir euch auch während der 18
Heftpause online bei Laune und füttern euch mit zahlreichen News, mit Kunst und Mode sowie den besten Ausgehtipps für die Daheimgebliebenen.
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klagemauer Ist dein neuer Kashmir-Pulli eingegangen? Der Joghurt im Kühlschrank zu neuem Leben erwacht? Setzen sich die Psychopathen im Bus immer neben dich? Egal was dich gerade stresst oder nervt: Auf kinkimag.ch unter ‹Klagemauer› kannst du Dampf ablassen. Die besten Einträge werden hier veröffentlicht.
delf schriftlich, verschonhe mich! bitte keine bewerbung schreiben müssen | dass ich doch einen brief schreiben musste. delf | dieser blaue kleine balken links oben bei der google startseite...ein unnützer kleiner farbklecks. und jedes mal frage ich mich wieder was der soll! und anklicken kann man ihn auch nicht...ja der nervt mich. blauer farbbalken | @blauer farbbalken: klick mal auf bilder oder videos oder so. und (oh, wunder) der schöne blaufarbene balken verschiebt sich zum ausgewählten menu. klugscheisser | mich nerven menschen die früh morgens sich neben mir in den zug setzen, reden, ein energiedrink öffnen (dieser gestank ist grauenhaft) oder sonst irgendwie komisch riechen. Lasst mich bitte in ruhe! ich möchte doch nur meine ruhe und 40 minuten lang schlafen! danke! mistake | die psychopathen setzten sich im bus nicht ständig neben mich, ich bin der psychopath, der sich ständig neben die anderen setzt. hallo sitznachbar | war ja klar dass ich mich am heissesten tag des jahres aussperre, glücklicherweise hatte ich ja sonst niiiichts zu tuun coco | im Sommerkleidchen ne verschwitze Unterbüx anhaben. WIESO schwitzt frau da?!! kula | ganz viel knoblibrot habe ich gegessen, jaa, ganz viel. und zwei verschiedene zahnpastas und ein fishermansfriend später ists noch nicht besser. aber fein wars! bratwurst zum zmorge | dieser schwarze Balken bei Google der seit heute da ist... Anonymous | habe gerade aus versehen meine unterwäsche ins klo geschmissen anstatt in den wäschekorb. ich bin einfach zu MÜDE | mein ex ist schwul. autsch. fuckfuckfuck | mein ex ist auch schwul, jetzt aber wieder mit seiner Ex zusammen, mit der er vor mir zusammen war. noch autschier. fuck | wie alt muss man eigentlich sein um nicht mehr ‹fräulein› genannt zu werden ??!! fräulein | man muss einfach sex gehabt haben, dann ist man kein fräulein mehr. frau | ‹kitty› möchte mit dir befreundet sein ! ICH ABER NICHT! legt euch gefälligst mal normale namen an henry | einmal glitzerpuder bitte. und dann alles wegpudern, was nervt. man, würde mein tag heute glänzen. und meine mitbewohnerin ganz besonders. pünktchen | wieso bringe ich immer männer dazu mit mir ins bett zu wollen, um mich dann in sie zu verlieben und mich dann zu wundern, dass es zeit braucht bis sie selbst so empfinden oder gar nie so empfinden? wieso muss bei mir alles immer jetzt passieren? guarana83 | weil Du die falsche Reihenfolge hast. Erst empfinden, dann Zeit, dann verlieben, dann Bett. So ist es richtig. Keine Widerrede! Leo | jetzt hat auch noch die letzte gemerkt wie cool man ist wenn man sich selbst mit seiner kamera im spiegel fotographiert chas nüm ha mann | oder die mit der sonnenbrille und im hintergrund die badezimmerkacheln und man fragt sich, blendets? Anonymous | kinki klagemauer
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umfrage
kinki will’s wissen! Seit über drei Jahren versuchen wir unsere Leser mit diesem Heft, unserer Website und diversen Events zu beglücken. Damit uns das in Zukunft noch besser gelingt, möchten wir nun gerne deine persönliche Meinung hören. Schicke uns bitte den folgenden Umfragebogen bis zum 15. September an die Redaktionsanschrift oder fülle ihn gleich online unter kinkimag.com/blog/umfrage/ aus. Natürlich ist die ganze Sache auch nicht ganz selbstlos: unter allen Teilnehmern verlosen wir einen Gutschein von German Wings im Wert von 100 Franken sowie 50 kinki Jahresabos (beziehungsweise Aboverlängerungen). Ausserdem erhalten alle Teilnehmer von urbanpeople.com einen Rabattgutschein von 20 Franken (einlösbar bei einem Einkauf ab 100 Franken) geschenkt. Wir freuen uns auf eure Anregungen und danken bereits im Voraus fürs Mitmachen! Alle Angaben werden selbstverständlich vertraulich behandelt, am Wettbewerb nehmen nur vollständig ausgefüllte Umfragebogen teil.
Über dich … Deine Mailadresse: Geschlecht:
Mann
Frau
Alter:
18 – 21
22 – 26
27 – 32
über 32
Tätigkeit:
Schüler
Auszubildender
Student
Berufstätiger
Bildung:
schulische Ausbildung
Einkommen:
bis 3 000 CHF
Wohnort:
Dorf unter 5 000 Einwohner
Kleinstadt bis 30 000 Einwohner
Stadt bis 150 000 Einwohner
Stadt ab 150 000 Einwohner
(du kannst mehrere Felder ankreuzen)
Lehre
bis 5 000 CHF
Studium bis 8 000 CHF
über 8 000 CHF
1. Wie bist du auf das kinki magazin gestossen? über diese Suchmaschine:
über den Verkauf an Vertriebsstellen
über kinkimag.ch
über ein kinki Event
über die kinki Facebook- / Twitter- / MySpace-Seite
über die kinki Bag
über eine kinki Werbung / Kampagne
über einen Freund
das kinki magazin war in einem Lokal ausgestellt
über die Magazinlounge einer Messe
weitere:
2. Wie nutzt du das kinki magazin hauptsächlich? als Printausgabe:
im Abonnement seit:
im Einzelkauf an den Vertriebsstellen seit:
als Onlineausgabe:
über kinkimag.ch unter ‹Magazin› (Zusatzbeiträge) seit:
über issue.com (Onlineansicht der Printausgabe) seit:
3. Welche anderen Magazine liest du regelmässig?
4. Kreuze bitte deine drei Hauptinteressen an.
Mode
Beauty
Politik
Wohnen
Musik
Sport
Kunst (Fotografie etc.)
Technik / Elektronik
Reisen
Games
Auto
Ausgehen (Bars, Restaurants, Partys etc.)
weitere: 21
Kultur (Film, Literatur)
umfrage 6. Wie oft meldest du dich pro Woche auf Facebook an? mehrmals täglich
täglich
alle zwei Tage
zweimal pro Woche
weniger
nie
7. Hast du auf Facebook schon auf für dich interessante Anzeigen geklickt? noch nie
ja, manchmal
häufig
8. Welche Online-Suchmaschine benutzt du regelmässig?
9. Wärst du daran interessiert, dich bei kinki mit redaktionellen Beiträgen zu beteiligen? ja
nein
Wie findest du das kinki magazin? 10. Bewerte bitte folgende Heftrubriken sehr gut
gut
mittel
Neuzeit Klagemauer Fotostrecken Reportagen Wortlaut (Kurznterview) Modebeiträge Querschläger Lieblingslieder Musikinterviews Vorspiel (Musiker erklären ihre Songs) Verhör (Musikreviews) Kopfkino (Buch- und Filmkritiken) Kunstbeiträge Maske (Beauty) Schauplatz (Galerien) Henry und Paul
Wie findest du kinkimag.ch? 12. Wie oft besuchst du kinkimag.ch? täglich
mehrmals
einmal
wöchentlich
mehrmals
einmal
mehrmals
einmal
monatlich seltener
13. Wie greifst du auf kinkimag.ch zu?
kinki umfrage
über meinen PC
über mein Smartphone
über mein Tablet (z.B. iPad)
weitere:
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schlecht
sehr schlecht
umfrage 14. Bewerte bitte unsere Online-Rubriken. sehr gut
gut
mittel
schlecht
sehr schlecht
Blog Magazin Art Videos Klagemauer
15. Welche anderen Websites besuchst du regelmässig?
16. Wenn du in deinen Lieblingsrubriken auf online verfügbares Zusatzmaterial hingewiesen wirst, besuchst du dann anschliessend unsere Onlineplattform? immer
oft
selten
nie
17. Wenn deine Lieblingsrubriken öfter auf kinkimag.ch behandelt werden würden, würdest du unsere Onlineplattform dann regelmässiger nutzen? ja
nein
meine Lieblingsthemen werden bereits ausreichend auf kinkimag.ch behandelt
18. Würdest du einen Onlineshop mit erlesenen Produkten im kinki Stil nutzen? ja
nein
19. Würdest du für einen Member-Zugang auf kinkimag.ch bezahlen, um exklusive Inhalte (z.B. mehr und grössere Wettbewerbe, Vergünstigungen im kinki Onlineshop etc.) einsehen zu können? Für Abonnenten wäre die Gebühr bereits im Abonnementspreis enthalten. ja: nein
bis 1 CHF pro Jahr
bis 5 CHF pro Jahr
bis 7 CHF pro Jahr
mehr
20. Würdest du für eine kinki App, mit der du das Magazin abonnieren kannst, bezahlen? ja: CHF
nein:
weil ich kein Tablet (z.B. iPad) besitze
weil
kinki Bags und Events 21. Hast du schon mal ein kinki Event besucht? ja:
22. Hast du schon mal eine kinki Bag erhalten?
es hat mir sehr gut gefallen
ja:
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es hat mir gut gefallen
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der Inhalt war eine absolute Katastrophe
nein
nein
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Shine like a Star
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ZoĂŤ Zimmer
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Leather jacket: Vintage Jumper: Paul Smith Hot pants: Primark Boots: Kurt Geiger Sunglasses: American Rag
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Sunglasses: Topman
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Jumper: Buy Sell Trade Tube socks: American Apparel Shoes: Converse
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T-shirt: James Pearce Jacket: Jet Rag
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Star print leotard: Armani exchange Belt: Beyond Retro Hot pants: Primark Hat: Wasteland
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Shirt and jacket: Nicole Farhi Shorts: Wasteland
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Shirt: Cath Kidson Braces: Vintage Jeans: Diesel
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Shorts: Wasteland American Flag: Vintage Photographer Zoë Zimmer Styling Clementine King Hair & Make-up Lucie Oliver Photographer’s assistant Katy Davies
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Long Way from Home Ein alter Thunderbird, endlose Highways entlang der Rocky Mountains, billige Motels, zerrissene Jeanshosen und Johnny Cash im Radio. Wer hat nicht schon einmal von einem Roadtrip durch Amerika geträumt? Aber woher kommt der Mythos, der das Bild des wilden und abenteuerlichen Amerikas geprägt hat? Paula Kohlmann machte sich auf die Suche. Fotos: Diana Scheunemann
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et’s get out of here. Das ist der anscheinend meist benutzte Satz in US-Filmen seit 1953. Auf YouTube kann man sich einen knapp drei Minuten langen Zusammenschnitt ansehen, in dem er von Schauspielern aus über 70 Filmen ebenso oft wiederholt wird. Das Motiv des Abhauens ist allgegenwärtig. Es ist die Sehnsucht nach einer besseren Welt, die Suche nach Freiheit. Der Wunsch, unabhängig zu sein. Und wo kann man das besser als unterwegs? Bewegung bedeutet Freiheit. Die Reise entlang der unzivilisierten Natur dient als Erlösung von Zwängen und Einschränkungen. Man läuft vor Problemen davon und löst sie dadurch, dass man sich selbst verändert. Man lernt neue Menschen kennen, neue Ansichten, neue Herangehensweisen. Oder aber man vergisst den ganzen Selbstfindungsquatsch und tut genau das, was man im Alltag so oft vergisst: Man lebt.
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Always on the run
Etliche Filme und Romane erzählen die Geschichte des Abhauens, des Unterwegsseins. Mark Twains Tom Sawyer und Charlie Chaplins ‹Tramp›-Serie sind frühe Stationen dieses amerikanischen Leitmotivs. In den 50er- und 60erJahren wurde der Roadtrip zur Lebenseinstellung einer ganzen Generation. Jack Kerouacs 1957 erschienener Roman ‹On the Road› verkörpert par excellence den Stil der Beatniks: Abenteuerlustig, sexuell überladen, unkonventionell, spontan, kreativ und chaotisch. Kerouac erzählt, wie er und ein paar Freunde per Anhalter auf Güterzügen und Trucks durch Amerika reisen, von New York über Chicago, Denver, Kalifornien, New Orleans bis nach Mexiko. Bei Kerouac bedeutet Unterwegssein vor allem rastloses Suchen: nach dem nächsten Gelegenheitsjob, gutem Gras, schönen Mädchen, intellektuellen Konversationen, neuem Jazz oder einfach einem Platz zum Schlafen.
Linke Seite: Somewhere in America Oben: Golden Gate Bridge, San Francisco
Oben: Navajo Reservat, New Mexico Rechts: Nashville, Tennessee
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Diese Seite: Phoenix, Arizona Rechte Seite, oben: Hopi, Arizona Rechte Seite, unten: Brownsville, Tennessee
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Breaking the law
Einen weiteren Aspekt dieses Sujets zeigt der Kultfilm ‹Easy Rider› von 1969 auf: die Flucht vor dem Gesetz. Wyatt und Billy, gespielt von Dennis Hopper und Peter Fonda, reisen auf ihren Choppern Richtung Osten – die Taschen voller Geld aus Drogengeschäften. Die freiheitssuchenden Hippie-Rocker und deren konservative Gegner werden brutal kontrastiert. Der Mythos Amerikas als Land der grenzenlosen Möglichkeiten wird in Frage gestellt, und dennoch bestätigte der Film eine ganze Generation in der Idee des individuellen Lebensentwurfes am Rande der Gesellschaft. Oft sind es Aussenseiter, die sich auf die Reise machen, um ihren Platz in der Welt zu suchen oder die ihn vielleicht sogar gar nicht finden wollen. In Arthur Penns ‹Bonnie and Clyde› von 1967 ist der Trip eine Hetzjagd zwischen Polizei und Gangsterpärchen, in der es
Eine Parallelwelt, in der man sich die Spielregeln selber ausdenkt. Und sobald etwas schiefgeht, haut man einfach wieder ab. nur noch ums pure Überleben geht. Bonnie und Clyde überfallen Banken und töten Polizisten: Wenn man nichts zu verlieren hat, kann man sich alles erlauben. Wie bei ‹Easy Rider› stösst der wilde Drang nach Freiheit an die Grenzen unserer Gesellschaft: Das Gesetz gewinnt. Analog dazu kann auch Ridley Scotts ‹Thelma and Louise› von 1991 gesehen werden. Zwei elegante Frauen erschiessen aus Notwehr einen Mann. Während sie in einem alten 1966 Thunder-
bird Richtung Mexiko fliehen, erkennen sie, dass sie sich lebendiger fühlen als je zuvor. ‹I always wanted to travel but never had the chance›, ruft Thelma vom Beifahrersitz im Whiskey-Rausch und Louise antwortet ihr: ‹You have it now!› Auch wenn zwei Frauen hier den sonst männlich dominierten Part des ‹lonesome travellers› übernehmen, ist das Motiv dafür umso typischer: Zwei gegen den Rest der Welt. Bevor die Autorität am Ende gewinnt, wählen die beiden mit Vollgas die absolute Freiheit – bis in die Ewigkeit. Stets sind es die Gegensätze Chaos und Ordnung, die gegeneinander kämpfen. Auch in Westernmovies geht es um den Kontrast von wilder Natur und Zivilisation. In der rohen Prärie gelten Gesetze, die kein Sheriff versteht, geschweige denn verteidigen kann. Hier ist es der umherziehende Aussenseiter, der zwischen Gut und Böse vermittelt, die Welt wieder ins Gleichgewicht bringt und dabei noch
die absolute Freiheit verkörpert. Ein Muster zieht sich durch zahlreiche Filme fort: Selbst wenn ein Zuhause, eine Geliebte, ein warmes Bett gefunden wurden, muss es weiter gehen. Deshalb reitet der einsame Cowboy auf seinem Pferd dem Sonnenuntergang entgegen. Um es mit den Worten Lucky Lukes zu sagen: ‹I’m a poor lonesome cowboy, and a long way from home.› Denn nur unterwegs kann die Freiheit vom Momenterlebnis zum Dauerzustand werden. Das Roadmovie adaptiert dieses Prinzip: die Cowboys tauschen ihre Pferde hier gegen rasante Karossen ein. Die Liste dieser Filme ist endlos: Wim Wenders ‹Paris, Texas›, Frank Kubrics ‹Lolita›, Terence Mailks ‹Badlads›, Godards ‹Pierrot le fou›, Spielbergs ‹Sugarland Express› oder – etwas aktueller – Sean Penns ‹Into the Wild›, um nur einige Klassiker zu nennen. Sucht man in all diesen Filmen die prägenden Elemente, erhält man das ultimative Roadmovie-Rezept: Man nehme zwei gesellschaftliche Aussenseiter, eine grosse Portion Sehnsucht, eine Prise Übermut, eine Autoritätsperson als Gegenpart, den passenden Soundtrack und als wichtigstes Accessoire natürlich ein cooles Auto, in dem sich alles abspielt. Das Auto ist elementar, denn es symbolisiert sozusagen den ‹Zwischenort›, in dem alles möglich ist. Nichts ist fest, nichts ist sicher, alles in Bewegung. Eine Parallelwelt, in der man sich die Spielregeln selber ausdenkt. Und sobald etwas schiefgeht, haut man einfach wieder ab. Obgleich diese Themen nicht nur Amerikaner bewegen, sind die USA zweifelsohne das Ursprungsland des Roadtrips. Eine ‹Autoreise› von Zürich nach Genf hätte diesen Mythos wohl kaum begründen können.
Love American Skin
Dass der Mythos auch heute lebt, beweist die Fotografin Diana Scheunemann. Acht Wochen reiste sie mit ihrem Partner im Uhrzeigersinn durch die USA. Start und Ende war New York, wo Diana derzeit lebt und arbeitet. Die Bilanz ihres 35
Diese Seite, oben: Knoxville, Tennessee Diese Seite, unten: Military Graveyard, Virginia Rechte Seite: Route 1, California
Roadtrips: 10 128 Meilen, 21 Staaten, Temperaturen von 2 bis 48 Grad Celsius. Ihr Freund wurde auf halbem Weg zu ihrem Mann und der Motor des Autos wurde hin und wieder als Herd benutzt. Spontanität, Freiheit, Exzentrik und Entdeckungs-
‹So viel Land, das ist unvorstellbar. Man kann oft stundenlang fahren, ohne ein Haus zu sehen.› freude sind die Worte, mit denen sie die Reise betiteln würde. Doch sie hat nicht nur sich selbst, sondern auch Amerika besser kennengelernt und ihre Eindrücke in einem Dokumentarfilm festgehalten. ‹Love American Skin› zeigt das heutige Amerika, wie es Scheunemann auf ihrer zweimonatigen Reise erlebt hat, seine Landschaften, seine Menschen. Die Vorurteile des mittleren Westens werden herausgefordert und hinterfragt. Geplant wurde die Reise nur in ihren gröbsten Zügen. Das Treibenlassen gehört schliesslich dazu. Für sie ist es ein Klischee, dass der Roadtrip nur innerhalb Amerikas funktioniere. Dennoch gibt auch sie zu: ‹Die breiten Strassen geben einem ein extremes Gefühl von Weite und Freiheit. So viel Land, das ist unvorstellbar. Man kann oft stundenlang fahren, ohne ein Haus zu sehen.› kinki report
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Ein wichtiger Part des Roadtrips war es, fremde Menschen in ihrem persönlichen Umfeld kennenzulernen. Die Fotos und der Film dokumentieren diese Reisebekanntschaften. Oft sind die Begegnungen absurd, mal lustig, mal erschütternd, aber vor allem spannend. Da wäre zum Beispiel das Mädchen, das sich nach dem Tod ihrer Mutter keinen Grabstein leisten konnte und sich stattdessen ein Tattoo hat stechen lassen. Oder ein Obdachloser, der seit 17 Jahren unter der Brücke lebt, aber ein Handy besitzt, um mit seiner Familie in Kontakt zu bleiben. Des weiteren eine Burlesque-Tänzerin mit Psychologie-Diplom, Rodeo-Cowboys, Truckfahrer und natürlich auch ein paar Gewehre. Das Projekt macht deutlich, dass der Mythos Roadtrip vermutlich ewig leben wird. Vielleicht deshalb, weil wir uns darin unseren Ängsten und Vorurteilen stellen. Ohne dabei Angst haben zu müssen, von konservativen Südstaaten-Einwohnern erschossen zu werden wie in ‹Easy Rider›. Ohne dass es nötig ist, eine Bank zu überfallen, um abzuhauen, wie bei Bonnie und Clyde. Und ohne Thelmas Whiskeyrausch am Steuer ausleben zu müssen. Und dennoch warten jede Menge schäbige Motels, verrückte Menschen, endlose Strassen und Sonnenuntergänge auf uns – selbst wenn wir es nur bis Frankreich schaffen sollten. Alle Bilder stammen aus dem Projekt ‹Love American Skin› von Diana Scheunemann. Weitere Info findest du unter loveamericanskin.com.
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wortlaut das 10 minuten interview
Jello Biafra: ‹Das digitale Zeitalter hat uns völlig neue Möglichkeiten der Sabotage eröffnet!› Interview kinki magazin: Was ist das grösste Problem Amerikas? Jello Biafra: Die Korruption. Wenn die Wirtschaft zusammenbricht, betrifft das nicht nur die Banken. Es geht um Menschen, die ihre Häuser und ihre Jobs verlieren. Oder um Firmen, die sich einen feuchten Dreck um den Klimakollaps kümmern − von ‹Klimaerwärmung› oder ‹Klimawandel› zu sprechen, ist mittlerweile nämlich reine Schönrederei.
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ahrscheinlich hätten wir uns auch nach dem Wetter erkundigen können, Jello Biafra hätte es trotzdem geschafft, das Gespräch auf seine Lieblingsthemen Zensur, Korruption und Umweltschutz zu lenken. Als Begründer und Kopf der US-Punkband Dead Kennedys trat Biafra Ende der 70er in Erscheinung, um der korrupten Regierung Amerikas mit viel Ironie und Satire die Meinung zu sagen. Bis heute ist er engagiertes Mitglied der Grünen Partei und mischte sich so im Jahr 2000 erfolgreich in die Präsidentschaftswahlen ein. Die Dead Kennedys
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Hat sich etwas verändert, seit Obama zum Präsidenten gewählt wurde? Nicht so viel, wie ich gehofft hätte, nicht halb so viel, wie mir als Wähler versprochen wurde. Vieles läuft noch immer wie zu Zeiten der BushAdministration. Aus den beiden Kriegen, die Bush angezettelt hat, sind wir immer noch nicht draussen. Und in Guantanamo Bay werden immer noch Menschen festgehalten, obwohl Obama versprochen hatte, das Gefängnis innert Jahresfrist zu schliessen. Das Schlimmste ist aber, dass nichts unternommen wird, um die Kriegsverbrecher der Bush-Regierung zur Rechenschaft zu ziehen. Sie warten nur darauf, dass die Republikaner wieder an die Macht kommen, um noch schlimmere Verbrechen zu begehen. Ich habe keine Angst vor Leuten wie Bush, sondern vor denen, die im Hintergrund die Fäden ziehen.
hingegen sind für Jello Biafra ein Reizthema. Nicht zuletzt, da die ehemaligen Kollegen ohne ihn, aber mit seinen Songs auf Tour sind. Sogar auf Plakaten werben sie noch mit Jellos Gesicht. Gegen den totalen Ausverkauf seines Erbes laufen derzeit Klagen. Jello ist seinerseits derzeit mit seiner Band ‹The Guantanamo School of Medicine› unterwegs, um ‹auf die menschenverachtenden Zustände im Gefangenenlager Guantanamo aufmerksam zu machen›. Der kritische Musiker und Politiker verrät uns im Interview, was sonst noch faul ist in den Staaten von Amerika − und wie man das System sabotieren kann.
Engagierst du dich weiterhin für die Grünen? Ja, ich bleibe natürlich grün, aber die ganze Bewegung entwickelt sich nicht so, wie ich es mir erhofft hatte. Es fehlt uns vor allem das Geld, womit wir wieder bei der Korruption wären. In Amerika bestimmen die Öl-Milliardäre, wer regiert. Grosskonzerne stecken unvorstellbare Summen in die Wahlen, also müssen die Kandidaten den Besitzern dieser Konzerne den Schwanz 38
lutschen. Wahlen werden heute durch TV-Spots und Fernsehauftritte entschieden. Um dich dort einzukaufen, brauchst du einen finanzkräftigen Sponsor im Rücken. Die Grüne Partei konnte sich keinen einzigen TV-Spot leisten. 1986 hatten die Dead Kennedys Probleme mit der Zensurbehörde aufgrund eines Posters von H.R. Giger, das dem Album ‹Frankenchrist› beilag. Womit kann man die Wächter der Moral heute noch schocken? Der korrupte rechte Flügel versucht auch heute noch seine Ansichten allen anderen aufzudrängen. Sie zensieren heute nicht mehr Kunst, sondern bezahlen die Hersteller von Schulbüchern, damit Themen wie beispielsweise die Evolution nicht erwähnt werden oder immer mehr Bibelstudien Einzug in wissenschaftliche Publikationen halten. Was empfiehlst du Europäern, die in die USA reisen möchten? Die Leute kommen nach New York oder Los Angeles und glauben dann, sie hätten das wahre Amerika gesehen. Das ist Bullshit. Am besten mietest du dir ein Auto oder kaufst einen Rail Pass. So kann man sich die USA in ihren verschiedenen Facetten anschauen. Was ich aber allen Menschen empfehlen würde, egal ob sie in die USA reisen oder sonst wohin: Gebt den amerikanischen Grosskonzernen so wenig Geld wie möglich, kauft ihre Produkte nicht mehr, lasst euch nicht von ihnen ausbeuten. Sie verdienen euer Geld, eure Zeit, eure Energie und euer Wissen nicht. Und wenn ihr für sie arbeiten müsst, denkt daran: Das digitale Zeitalter hat uns völlig neue Möglichkeiten der Sabotage eröffnet. Text und Interview: Martina Messerli Foto: Promo
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Auswandern im Namen Gottes Schweizer Täufergemeinden wurden über Jahrhunderte an der Ausübung ihres Glaubens gehindert, ihre Mitglieder verfolgt und hingerichtet. Einige von ihnen versuchten ihr Glück in der Ferne und verliessen die Schweiz, um in Nordamerika ein neues Leben zu beginnen. Martina Messerli über ein düsteres Kapitel Schweizer Geschichte. Illustration: Bene Rohlmann
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ans Haslibacher wurde im Jahr 1500 in Sumiswald geboren, wo er Zeit seines Lebens als Prediger einer Täufergemeinde im Emmental wirkte. Als einflussreicher Täuferlehrer, der Prinzipien wie Gewaltlosigkeit, die strikte Trennung von Kirche und Staat und die bewusste, vom erwachsenen Menschen getroffene Entscheidung für ein Leben mit Gott predigte, war Haslibacher wichtiger Teil einer Gemeinschaft, die stets von Verfolgung, Enteignung und dem Tode bedroht war. Aussprachen zwischen der Reformierten Kirche und den Machthabern waren von wenig Erfolg gekrönt. So etwa die Berner Täuferdisputation im Jahr 1538. Bei der Versammlung versuchten die Kirchenvorsteher mit den Täufern die Differenzen in Glaubenssachen zu besprechen und beizulegen. Der Vermittlungsversuch scheiterte jedoch. Aufgrund seines Engagements drohte man Haslibacher stets mit Verhaftung und Auswei‑ sung. Der Täuferlehrer widersetzte sich der Obrigkeit, hielt unbeirrt an seinem Glauben fest und wurde schliesslich 1571 in Bern enthauptet. Es war gleichzeitig die letzte historisch belegte Hinrichtung eines Täufers im Kanton Bern. Bis heute steht Haslibacher als Märtyrer im Zentrum der Geschichte der Täufer und ist Sinnbild für ein grausames Kapitel Schweizer Geschichte, das in mancher Hinsicht an die Verfolgung der Juden im Zweiten Weltkrieg erinnert.
Protestbewegung der ersten Stunde
Die Täuferbewegung kann als eine Art interne Protestbewegung gegen die Reformation angesehen werden. Die verschiedenen Abspaltungen von der katholischen Kirche entstanden zur Zeit der Bibelübersetzung, in Deutschland durch Martin Luther, in der Schweiz durch
Huldrych Zwingli. In Zwinglis Umfeld lebten Konrad Grebel, Felix Manz und Jörg Blaurock, drei der bekanntesten Täufer der ersten Stunde. In der Zwingli-Stadt entstand dann zunächst in kleineren Haus- und Gebetskreisen um 1525 auch die Täuferbewegung. Sie kritisierte in erster Linie die enge historische Verknüpfung der reformierten Kirche mit der weltlichen Obrigkeit der Stadt Zürich. Die Täufer verpflichteten ihre Mitglieder zwar,
Kirche und Staat gingen gemeinsam gegen die abtrünnigen Schäfchen vor. ein Leben nach der Bibel zu führen, sie lehnten jedoch die Taufe von Unwissenden ab. Stattdessen führten sie die Erwachsenentaufe ein, die sie als aktives, persönliches Bekenntnis zum Glauben und zu einem christlichen Leben verstanden. Weitere Grundsätze der Täufer waren eine strikte Trennung von Kirche und Staat sowie ein märtyrerischer Pazifismus. Die Konsequenz daraus, nämlich die Ablehnung der Militärpflicht und des Eides, wurden von der Regierung als Gehorsamsverweigerung angesehen und dementsprechend geahndet. Die Kirche ihrerseits sah die Festigung der Reformation in Gefahr. So gingen Kirche und Staat gemeinsam gegen die abtrünnigen Schäfchen vor. 1527 wurde der Glaubensführer Felix Manz in der Limmat ertränkt. Er war der erste Märtyrer der Täuferbewegung, dem später viele hunderte folgten. Wer trotz der Repressalien an seiner Religion und seinen Prinzipien festhielt, wurde etwa als Sklave auf venezianische Galeeren gebracht, was einer Hinrichtung gleichkam. Den Täufern 41
wurde ein Versammlungsverbot auferlegt, die Beherbergung der Abtrünnigen wurde mit hohen Geldstrafen geahndet. Sogenannte ‹Täuferjäger› fahndeten unverdrossen nach Gläubigen, um sie einzusperren und ihres Vermögens zu enteignen. Dennoch blieben die drastischen Strafen ohne die erwünschte Wirkung. Nachdem die Gefängnisse bereits überfüllt waren, suchte die Regierung nach weiteren Lösungen ihres ‹Täuferproblems›. 1671 griff der Kanton Bern zur Ultima Ratio und liess rund 700 Berner Täufer im Verlauf des Jahres in die Pfalz deportieren. Etwa 1 000 namentlich erfasste Schweizer Täufer liessen im 16. und 17. Jahrhundert aufgrund ihres Glaubens ihr Leben.
Land of the free ...
Wer der massiven staatlichen und kirchlichen Verfolgung entkommen konnte, liess sich in weiten Teilen Europas, insbesondere dem Elsass und Süddeutschland nieder. Ausgehend von den geflüchteten Schweizer Täufern entwickelten sich so mit der Zeit diverse Gemeinden in den USA, Süddeutschland und dem Elsass. Nach einem ihrer Anführer, dem ehemaligen katholische Priester Menno Simons, nannten sie sich ab 1544 ‹die Mennoniten›. Aus den gemeinsamen Wurzeln entstanden bald unterschiedliche Strömungen. Ende des 17. Jahrhunderts spalteten sich etwa die Anhänger Jakob Ammanns von der Gemeinschaft ab. Für den Gründer der Amischen interpretierten die Mennoniten die Bibel nicht streng genug. Die Anhänger dieser Glaubensrichtung verzichten noch heute beispielsweise auf individuelle Kleidung und technischen Fortschritt. Verstreut in weite Teile Europas, waren die Mennoniten auch hier unerwünschte Gäste und wurden verfolgt, misshandelt, eingesperrt und hingerichtet. Im 18. Jahrhundert begann deshalb die Auswanderung in die ‹Neue Welt›,
die damals – mehr noch als heute – Freiheit und die Erfüllung grosser Träume versprach. Ab 1710 entstand in der Gegend der heutigen Stadt Lancaster in Pennsylvania eine kleine Siedlung schweizerischer Täufer. Diese zog immer mehr Berner und Zürcher an, die meist nach einem langjährigen Aufenthalt in Südwestdeutschland nach Amerika auswanderten. Oft waren die Flüchtlinge bitterarm und ihres gesamten Vermögens beraubt worden, so dass sie sich die Überfahrt im Dampfschiff nicht leisten konnten und auf Baumwollschiffen den Atlantik überquerten. Die Siedler Nordamerikas steckten mitten im Unabhängigkeitskrieg gegen die britischen Kolonialmächte. Um den Krieg zu finanzieren, vertrieben sie die indigenen Völker, die vorwiegend in Indiana und Ohio ansässig waren, steckten die Indianer in Reservate und verkauften die weiten Landstriche im Osten an die Neuankömmlinge aus Europa. Konnten sich die europäischen Vertriebenen die Ländereien der indigenen Vertriebenen nicht leisten, liessen sie sich auf unerschlossenem Gebiet nieder, das niemand haben wollte, da der Boden zu sumpfig war. Allein zwischen 1850 und 1914 verliessen so rund 400 000 Schweizer Bürgerinnen und Bürger ihre Heimat.
Die Dekoration könnte aus hiesigen Souvenirläden stammen. Geranien hängen an den Balkonen der Pseudo-Chalets, Schweizerfahnen wehen stolz im Wind, die Traditionen vermischen sich. Da macht es auch nichts, dass sich eine bayerische Blaskapelle in den Umzug zu Ehren Bernes verlaufen hat. Das Bild der Schweiz, das hier konserviert wurde, wirkt genauso altertümlich wie der Dialekt. Auf jemanden, der heute in der Schweiz lebt, wirkt diese Welt fremd und kitschig. Und doch ist es ein Wunder, dass über die Jahrhunderte und über tausende Kilometer hinweg die Verbindung zu der einstigen Heimat erhalten geblieben ist. Nach Angaben der Mennonitischen Weltkonferenz zählten zu den Täufern im Jahr 2009 weltweit etwa 1,6 Millionen Menschen. Nur vier Prozent davon leben in Europa. In den 14 Schweizer Gemeinden sind es lediglich 2 500 Mitglieder. Eine erstaunlich geringe Zahl, wenn man bedenkt, dass hier die Wurzeln der Mennoniten liegen. Erst im Juli 2010 formulierte die Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes ein Schuldbekenntnis gegenüber den Täufern und bat die mennonitischen Christen um Vergebung für die brutale Verfolgung im 16. und 17. Jahrhundert.
Die Schweiz aus der Konserve
Weitere Info findest du unter mennonitica.ch und taeufergeschichte.net.
Im Dokumentarfilm ‹Im Leben und über das Leben hinaus› aus dem Jahr 2005 greift der Schweizer Regisseur Peter von Gunten die Geschichte der Schweizer Täufer auf. Er besuchte nicht nur Täufergemeinden im Berner Jura, sondern stattete auch den Nachkommen der vertriebenen Täuferfamilien in Berne, Indiana, einen Besuch ab. Die meisten Einwohner der Stadt sind direkte Nachfahren der Auswanderer aus dem 18. Jahrhundert. Sie sprechen noch immer Dialekt, jedoch gespickt mit englischen Ausdrücken. Die Kinder lernen Deutsch aus Büchern. Die Schweizer Wurzeln sind noch heute in der Stadt, vor allem aber auch im örtlichen Altersheim von Berne allgegenwärtig. Denn was bleibt,
Geranien hängen an den Balkonen der Pseudo-Chalets, Schweizerfahnen wehen im Wind, die Traditionen vermischen sich. wenn körperliche und geistige Fähigkeiten langsam nachlassen, ist die Bindung zur eigenen Kultur. Diese wird in Form von schweizerdeutschem Liedgut, Kinderreimen und Sprichwörtern aufrechterhalten. Auf den Aussenstehenden macht die Szenerie einen stark befremdlichen Eindruck.
Obwohl die Mennoniten aus der Schweiz vertrieben wurden, schlägt ihr Herz trotzdem für die ferne Heimat.
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Jacket: Anntian Jewellery: Anntian Necklace: Elena Ruebel
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Jacket: Vintage Body: American Apparel Earrings: Vintage Bracelet: Monki
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Top and Skirt: Anna Jazewitsch Necklace (worn as a belt): COS Earrings: Vintage Rings: H&M Jacket: Butterflysoulfire Dreamcatcher (worn as earring): Stylist’s own Earring: Vintage Photography and Artwork Johanna Ruebel, johanna-ruebel.com Styling Aude Jamier, audejamier.com Hair and Make-up Mo Oturak @ Blossom Management using Chanel cosmetics Model Lola @ Seeds Management
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Nicht nur Google versucht sich als Vermesser der Welt, sondern auch Sergey Brins Ehefrau sammelt fleissig Daten: Ihre Firma 23andMe bietet uns nämlich die Möglichkeit, unser Erbmaterial entschlüsseln zu lassen. Was uns das bringt? Gute Frage! Text: Natalie Gyöngyösi, Illustration: Michael Willis – ‹The Garden› kinki report
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otherscenes.com
Curiosity kills the Cat
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affael macht sich Sorgen. Sein Grossvater hatte Alzheimer. Sobald er einmal vergisst, den Herd abzustellen oder die Haustür abzuschliessen, denkt der 35-Jährige, die heimtückische Demenzkrankheit breche bei ihm aus. Der Arzt hatte ihm zwar bestätigt, dass er kerngesund sei, aber die Diagnose seines momentanen Zustandes reichte ihm nicht. Er wollte wissen, was ihm die Zukunft bringt, welches seine vererbten Krankheitsrisiken sind. Deshalb entschloss er sich zu spucken. Und zwar in den Behälter, den er von 23andMe erhalten hatte. Die amerikanische Biotechnologie-Firma versprach, ihm mittels einer Analyse seines Erbmaterials etwas über sein Schicksal zu verraten. Das Prinzip dieser Dienstleistung basiert auf dem Urwunsch der Menschheit, in die Zukunft sehen zu können. 23andMe ist wie ein modernes Orakel. Die Firma ist darauf spezialisiert, genetische Daten anhand einer Speichelprobe auszuwerten und die Informationen zu Krankheitsrisiken, aber auch zu Charaktereigenschaften, persönlichen Neigungen und Begabungen oder Schwächen auszuwerten. Eine Tabelle zeigt die Prozentangaben der zutreffenden Wahrscheinlichkeiten. Das individuelle Erbmaterialprofil wird mit einem eigenen Passwort übers Internet abgerufen. Die meisten Kunden sind ‹Hobbypatienten›, das heisst, sie sind zumindest bislang noch völlig gesund.
Jäger und Sammler
Doch wer steht hinter diesem DNA-Business? Startups, die Gentests für Privatpersonen anbieten, spriessen im kalifornischen Silicon Valley seit einigen Jahren wie Pilze aus dem Boden. 23andMe ist nur ein Beispiel davon. Das Unternehmen existiert seit 2006 und beschäftigt 45 Mitarbeiter. Im Verwaltungsrat sitzen acht Professoren verschiedener US-amerikanischer Hochschulen. Der Firmenname steht zum einen für die 23 Chromosomenpaare, welche den DNA-Basisstrang eines jeden Menschen ausmachen, zum anderen für die individuelle Neugier (‹and me›), für die es ganz bestimmt auch ein Gen gibt. Die Gründerinnen von 23andMe sind Linda Avey und Anne Wojcicki, letztere Biotechnologie-Analystin – und Frau von GoogleMitbegründer Sergey Brin. Das erklärte Ziel von dessen Suchmaschinenunternehmen ist es bekanntlich, alle Informationen dieses Planeten zusammenzutreiben und ‹für alle zu jeder Zeit zugänglich und nützlich› zu machen. Brin hat in das Unternehmen seiner Frau zur Gründung 2,6 Millionen Dollar Risikokapital hineingebuttert, seine Finanzbeteiligung beträgt über vier Millionen Dollar. Während er mit Google mittlerweile gigantisch viele Informationen über diese Welt gesammelt hat, hilft ihm nun seine Gattin, eine weitere, bisher verwehrt gebliebene Informationsquelle auf einer elementaren Ebene zu erschliessen: das menschliche Erbgut. Eine offensichtlich praktische Partie für Mister Google.
heiten und weitere Veranlagungen untersuchen lassen. Bei der Analyse werden über 500 000 Abschnitte des menschlichen Erbguts unter die Lupe genommen, welche sogenannte Single Nucleotide Polymorphism, kurz SNP, ausweisen. Diese Variationen einzelner Basenpaare in einem DNA-Strang sind verantwortlich für die Ausprägung der Persönlichkeitsmerkmale eines Menschen. Eine Untersuchung kostet derzeit 99 Dollar plus Lieferung, in die Schweiz sind es insgesamt etwa um die 150 Franken. Nach Registrierung und Überweisung des Betrags erhält man ein Kit zugesendet, in dem sich ein Kunststoffröhrchen befindet, in das man mindestens 2,5 Milliliter Speichel spucken muss, um es dann an 23andMe zurückzuschicken. Dies zu tun, fällt heute inzwischen durchschnittlich jeden Tag mindestens einem Menschen auf dieser Welt ein. Tendenz steigend.
Das Geschäft mit der Angst
Aber was sagt so ein Test aus? Durch eine Genanalyse wird in erster Linie abgeklärt, ob bei jemandem Tendenzen zu gewissen Krankheiten bestehen, sprich wie gross die Wahrscheinlichkeit ist, dass sie bei ihm ausbrechen. Raffael wollte unter anderem wissen, ob er, wie es bei seinem Grossvater der Fall war, zur Alzheimervariante prädestiniert sei. Sein Risiko liegt laut Test bei 9,8 Prozent, das Durchschnittsrisiko beträgt 7,1 Prozent. Er weiss jetzt, dass er stärker gefährdet ist als der Durchschnitt – um 2,7 Prozent mehr. Doch was bringt ihm diese Zahl? Genau hier liegt für Oliver Matthes, studentischer Hilfswissenschaftler am Institut für Biomedizinische Ethik in Zürich, das Problem der Online-Gentests. Matthes studiert momentan in Oxford am Uehiro Centre for Practical Ethics und arbeitet an einem Projekt zum Thema Ethik und Hirnstimulation. Er hat sich im Rahmen einer Wahlfacharbeit im Medizinstudium näher
Zahlen und spucken
Wenn man sich auf der Webseite von 23andMe registriert, kann man sich gegen Bezahlung sein Erbgut auf etwa 100 genetisch bedingte Krank49
mit dem Thema befasst. ‹Wäre Raffael zu einem Spezialisten gegangen, um sich untersuchen zu lassen, hätte dieser ihn im Rahmen eines Gesprächs beruhigen können. Zum Beispiel hätte er ihm wohl gesagt, dass man normalerweise erst einmal alt genug werden muss, um an Alzheimer zu erkranken. Gleichzeitig hätte er ihn vermutlich darauf hingewiesen, dass er sein Risiko aktiv senken kann.› In der Online-Auswertung steht hingegen nirgendwo, dass eine vorbeugende Lebensweise die Chance auf ein gesundes Altwerden erhöht.
‹Der Patient wird mit seinen Ergebnissen alleine gelassen.› Statt Panikmache durch prozentuale Risikoangaben, empfiehlt ein Arzt konstruktives Handeln: gesunde Ernährung, reichlich Bewegung, ein reges soziales Leben. Matthes hält nichts von solchen ‹Direct to Customer›-Strategien von 23andMe und Co: ‹Ich empfinde dieses Angebot als unseriös, weil die Möglichkeit für eine direkte Rücksprache nicht gegeben ist. Der Patient wird mit seinen Ergebnissen alleine gelassen. Auch der Qualitätsstandard dieser Tests ist meiner Meinung nicht gewährleistet.› Für Raffael überwiegen die Vorteile dennoch die Nachteile: ‹Wenn ich Bescheid weiss, dass ich in gewissen Belangen genetisch veranlagt ein explizit erhöhtes Risiko habe, kann ich immer noch einen Arzt aufsuchen und die Sache mit ihm besprechen.›
Vergiftetes Wissen
Präventive Abklärungen ermöglichen gewiss eine frühzeitige Erkennung von Krankheiten und damit einhergehend gezielte Vorbeugungsmassnahmen. Nicht ausgebrochene Krankheiten können so gegebenenfalls vollständig verhindert werden. Aber soll nun jemand, dem der Gentest in einigen Punkten ein überdurchschnittliches Risiko attestiert hat, in ständiger Angst leben? Was tun, wenn man weiss, dass man mit 34-prozentiger Wahrscheinlichkeit an Diabetes erkranken wird? ‹Einen medizinischen Laien solchen Fakten auszuliefern, ist problematisch›, meint Matthes. ‹Denn es ergeben sich daraus keine direkten Handlungskonsequenzen. Die vorhersagende Medizin bringt etwas, so lange sie als konkretes Werkzeug verwendet wird, um eine Krankheit zu verhindern. Kann man die Genesung medizinisch jedoch nicht beeinflussen, ist diese Prophezeiungsmedizin meiner Meinung nach moralisch nicht vertretbar. Ich selbst würde nie so einen Test machen – ich berufe mich auf mein Recht auf Nichtwissen.› Ausserdem wird laut Matthes das Risiko für bestimmte Krankheiten nicht allein durch die genetische Disposition bestimmt, sondern auch – oftmals sogar überwiegend – durch die Lebensweise. Auch der Arzt und Publizist Linus Geiser sieht Nachteile für die Patienten: ‹Der positiv Getestete, der noch ohne Symptome ist, hat bereits seine Unschuld verloren. Er ist verbannt in das Niemandsland zwischen Gesundheit und Krank-
heit, eine medizinische Vorhölle.› Zwar sei nichts einzuwenden gegen Verfahren, welche etwa eine raschere Diagnose von Infektionskrankheiten ermöglichen. Anders sähe es aber bei der genetischen Diagnostik aus. Es sei nahezu die Regel, dass momentan gesunde Menschen auf Krankheiten getestet werden, für die es gar keine zufriedenstellende medizinische Lösung gibt. Dieses kostspielige Glasperlenspiel produziere letztlich nichts als ‹vergiftetes Wissen›.
Erbgut bringt Bargeld
Ein weiteres Thema bei 23andMe ist der Datenschutz. Oder eben gerade nicht. Denn was geschieht mit den DNA-Daten, die 23andMe generiert? Sie werden an Pharma-Unternehmen und Forschungsinstitute weiterverkauft, welche damit wiederum ertragreiche Medikamente entwickeln. Ein bombiges Geschäft. Werden Erbinformationen so freizügig umher geschoben, ist es auch kein allzu abwegiger Gedanke, dass sie früher oder später an Arbeitgeber oder Versicherungen gelangen könnten. Das Szenario, das uns dann blühen würde, kennt man aus
Daten.› Dass man den Genorakeln nicht uneingeschränkt vertrauen kann, zeigte zuletzt das wissenschaftliche Fachmagazin Nature. Es deckte auf seinem Blog auf, dass bei 96 Kunden die DNA-Proben verwechselt worden waren.
‹Ich hoffe einfach, niemand missbraucht ausgerechnet meine Daten.› Ob es sich bei 23andMe in erster Linie um eine profitable Spielwiese von Miss Google handelt oder eher um ein nicht abschätzbares Spiel mit dem Feuer, wird sich zeigen. Immerhin hat Raffael dank seines Gentests auch sehr nützliche Informationen über seine Veranlagungen erhalten, die ihn bestimmt auch auf die eine
oder andere Art weiterbringen. Er weiss jetzt zum Beispiel, dass er ein typisches Heroinabhängigkeitsrisiko in sich trägt, zu langsamem Kaffeemetabolismus neigt, zu nassem Ohrenschmalz statt trockenem prädestiniert ist, seine Augenfarbe eigentlich genau so gut hätte blau werden können, er von seiner Muskelperformanz her wahrscheinlich nicht zum Sprinter geboren ist, er wie die Mehrheit der Menschheit leider nicht HIV-resistent ist, dafür über ein gutes Gedächtnis verfügt und überdurchschnittlich intelligent ist, sehr effektiv von Fehlern lernt und über einen bitteren Geschmackssinn verfügt. Glücklicherweise ist es bis jetzt aber immer noch dem einzelnen überlassen, ob er für diese Informationen seine genetischen Daten zur Verfügung stellen will. Wie die Amerikaner sagen: Curiosity kills the cat.
Kritiker befürchten, dass diese Technik einer Art Sozialdarwinismus die Tür öffnen könnte. Science Fiction Filmen: Menschen werden wegen ihrer genetischen Veranlagung aus spekulativen Gründen diskriminiert. Zumindest bislang ist ein obligatorischer Gentest vor einem Vertragsabschluss noch unzulässig. Nicht nur um in die eigene Zukunft zu schauen, werden Gentests eingesetzt. Auch das Schicksal zukünftiger Kinder wird durch sie analysierbar. Mit den bereits erwähnten Risiken. In Kulturkreisen, in denen männliche Neugeborene ein höheres Ansehen geniessen als weibliche, könnte die vorgeburtliche Bestimmung des Geschlechts etwa zur künstlichen Selektion eingesetzt werden. Kritiker der Präimplantationsdiagnostik befürchten zudem, dass diese Technik einer Art Sozialdarwinismus die Tür öffnen könnte. Babys mit weniger guten Erbanlagen würde so das Recht auf Leben abgesprochen.
‹So läuft es heute eben.›
Raffael ist froh darüber, den Test gemacht zu haben: ‹Ich habe jetzt das Gefühl, besser zu wissen, wo ich im Leben stehe. Meine Resultate sind recht gut.› Mit einem ironischen Grinsen fügt er hinzu: ‹Das heisst, ich kann weiterhin unbekümmert ungesund leben.› Dass seine Daten unüberwacht im Internet herumschwirren, findet er zwar leicht beunruhigend, sieht aber keine Alternative: ‹So läuft es heute eben im Zeitalter von Facebook, E-Mail und Smartphones. Entweder man geht in die Wüste, schottet sich ab und hält sich dort ein paar Ziegen, oder man akzeptiert die Globalisierung. Ich hoffe einfach, niemand missbraucht ausgerechnet meine kinki report
23andMe versucht sich als genetisches Orakel.
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DER VIDEOCLIP ZUM RADIO-SONG LIVE AUF: WWW.105.CH RADIO 105 EMPFÄNGST DU AUCH IM KABELNETZ IN DER GANZEN DEUTSCHSCHWEIZ: BS 103.9, BE 105.6, LU 101.7, SG 105.3, ZH 105.1 ODER AUF UKW 93.0 FM
querschläger alles, ausser angepasst
Jeder Zürcher kennt wohl Turis von unten bis oben gefüllten Truckershop an der Weststrasse. Oder besser gesagt: kannte. Turi ist jetzt nämlich nach Brüttisellen gezogen. Wir besuchten die Zürcher Stadtlegende ein letztes Mal in seinem alten Ladenlokal. Text: Rainer Brenner, Foto: Daniel Tischler
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reissig Jahre lang stauten sich Tag für Tag vor Turis Tür deutsche, holländische, englische Lastwagen, Autos und Motorräder auf dem Weg Richtung Süden. Waren die Fernfahrer im Stress, so funkten sie Turi ihre Bestellung auch mal durch und liessen sich die Ware dann direkt durchs Autofenster reichen. Doch seit einem Jahr ist es ruhig geworden im Quartier: Die Weststrasse wird saniert und umgestaltet, aus Zürichs hässlicher Westtangente ist ein attraktives Wohnquartier geworden. Deshalb ist der inzwischen auf seinen Sohn Roger überschriebene Laden Anfang Juni nach Brüttisellen gezogen, wo das Sortiment nicht nur ein neues Zuhause, sondern auch ein bisschen mehr Luft zum Atmen gefunden hat. Geboren in Mittelitalien, zog es Turi Garofalo als Jüngling in die Schweiz, wo er als Stromer arbeitete. ‹Ich wollte schon immer etwas Eigenes machen, habe eh schon damals vieles selber gemacht: Alarmanlagen in Autos eingebaut, Funkgeräte und so.› Bis schliesslich ein kleiner Laden daraus wurde. Und dieser wurde immer voller und voller, bis er aus allen Nähten platzte. Denn die Trucker, Töfffahrer und Countryfans verlangten nicht mehr nur nach Funkgeräten und sonstigen Elektroartikeln, sondern immer mehr auch nach allem möglichen Schnickschnack. Und diesen bestellte Turi aus allen Ecken und Enden der Welt, vor allem aber aus den USA. Heute hat sich der Laden in erster Linie auf Massanfertigungen von Gürtelschnallen für Privatpersonen, Vereine und Ladenketten spezialisiert. Und auch wenn der ‹Old Cowboy von der Weststreet› sich ja eigentlich schon vor vier Jahren zur Ruhe gesetzt hat, kann er es dennoch nicht lassen. Zu Hau-
kinki querschläger
Was gefällt dir denn an den USA so gut, Turi? Naja, die USA gelten als freies Land. Sie sind riesig, und die haben dort halt schöne Sachen. Ich muss aber nicht unbedingt selbst nach Amerika, um …
se in seinem ‹Atelier› arbeitet er an Spezialanfertigungen für seine Kunden. Oder er packt die letzten Sachen, die noch im alten Ladenlokal liegen geblieben sind, in Kartonschachteln. Dort treffen wir den kleinen Mann mit dem grossen Cowboyhut und dem verschmitzten Lächeln. Turi redet viel, macht oft schwer nachvollziehbare Gedankensprünge. Immerzu rauchend erzählt er von seinem Töff (natürlich eine Harley: ‹Ghört dezue im Business, weisch …›), seiner Liebe zu Zürich (von der auch seine Gürtelschnalle zeugt), von Brüttisellen (‹Döt isch es mega schön!›), von der silbernen Hochzeit mit seiner geliebten Frau, seiner Kaffeesucht und natürlich immer wieder von seinen heiss geliebten Gürtelschnallen. Manchmal gibt’s High Five und ein lautes ‹Yeeehaa!› dazu. Dann fährt Turi uns mit einem zufriedenen Lächeln nach Brüttisellen. Aus dem Autoradio dröhnen Dance-Remixes von Countrysongs, die er sich runtergeladen hat.
… was? Du warst noch nie in Amerika? Nein. Ich bin beim Reisen eher Italien-orientiert. Dort habe ich Verwandtschaft, mir gefällt die Gegend dort. Hast du Angst, dass Amerika vielleicht nicht deinen hohen Erwartungen standhalten würde? Nein, eher, dass ich dem George W. Bush über den Weg laufe (lacht). De Typ, ich säge dir! Wir haben mit dem echt eine hundsmiserable Zeit durchlebt. In seiner Amtszeit gingen extrem viele Country Clubs und Vereine dieser Art unter, einer um den anderen. Fast zwei Jahre lang habe ich ausserdem fast keine Cowboyhüte mehr verkauft.
Interview kinki magazin: Turi, du siehst ja eigentlich aus wie ein richtiger Amerikaner. Wurdest du erst durch deine Arbeit zum Ami-Fan, oder warst du das schon vorher? Turi Garofalo: Das hat sich halt einfach irgendwie ergeben. Wir haben uns so sehr in diese Sache vertieft. Was meinten deine Verwandten zu deiner Verwandlung? (Lacht) Die Kinder meiner Schwester nannten mich immer ‹il zio pazzo› – der verrückte Onkel. Dort unten kennt man das halt weniger. Die interessieren sich weniger für amerikanische Gürtelschnallen und dergleichen.
Tennessee. Elvis, oder? Da kommen mir dann natürlich die ganzen Elvisund Marilyn Monroe-Schnallen in den Sinn, die wir gemacht haben. So eine habe ich übrigens vor etwa zehn Jahren mal bei dir gekauft. Alaska? Dort ist’s mir zu kalt. Ohio. Kenne ich weniger. Nun verrate mir doch bitte zum Schluss noch, warum ein eingefleischter Ami-Fan wie du einen Citroen fährt. Deine Truckerfreunde würden dich dafür erschiessen, kann ich mir vorstellen. Hey, hey (lacht)! Hatte ich alles auch schon. Früher, mit meinen vier Kindern, hatten wir schon auch grosse Ami-Wagen. Heute reicht die Zitrone aber völlig.
Würdest du selbst denn den Republikanern oder den Demokraten deine Stimme geben, wenn du Amerikaner wärst? Den Demokraten. Auch wenn ich nicht sonderlich viel von Politik verstehe.
Bedeutet das Auto denn immer noch Freiheit für dich? Ja, irgendwie schon.
Lass uns doch noch ein kleines Assoziationsspiel machen. Ich nenne dir einen US-Bundesstaat und du sagst mir, was dir dazu einfällt. Nevada! Hm … (überlegt lange) Von dort habe ich nie etwas importiert.
In seinem Portemonnaie trägt Turi stets 100 Dollar mit sich rum. Manchmal auch mehr, ‹zum Verschenken, als Gag, weisch›. Kulinarisch zieht Turi sein Heimatland den USA dennoch vor: ein Teller Farfalle al Limone ist ihm lieber als ein saftiges Steak.
Kalifornien. Von dort habe ich früher massenweise Hüte importiert. Texas. Natürlich denke ich da sofort an Gürtelschnallen. Revolver und 52
Cowboys kommen mir auch noch in den Sinn.
Cowboy oder Indianer? Cowboy!
‚Ich bin eher Italienorientiert.›
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vorspiel diesen monat auf kinki tunes
Little Dragon: Ritual Union 01 ‹Ritual Union›
Yukimi: Ein Song, zu dem man weinen, mitsingen oder tanzen kann. Erik: Es geht um dieses ‹Duu-iii› (singt).
02 ‹Little Man›
Yukimi: Der Song ‹Little Man› handelt von einem Mann mit einem sehr vollen Bankkonto. Und sehr leerem Herzen … Erik: Ausserdem ist der Song ein richtiger ‹Hipshaker›!
03 ‹Brush The Heat›
Yukimi: Ein richtiger Dancefloor-Track mit schwerem Bass und ganz viel Power! Erik: Es geht um Feuer! Yukimi: Ja, ums innere Feuer sozusagen.
04 ‹Shuffle A Dream›
Yukimi: Hier geht es eigentlich auch wieder um Reichtum. Vor allem aber darum, wie Geld einen Menschen verändern kann. Erik: ‹Shuffle A Dream› ist wohl auch der softeste Song, den wir bisher geschrieben haben.
05 ‹Please Turn›
F
ür fleissige kinki Leser und Freunde der guten Musik sind Yukimi Nagano, Erik Bodin, Fredrik Källgren und Håkan Wirenstrand natürlich schon fast ‹alte Schweden›. Was in den 90ern als Schülerband begann, wurde nämlich nach dem selbstbetitelten Debütalbum im Jahr 2007 auch ausserhalb Skandinaviens mit offenen Ohren empfangen. Irgendwie wollte niemand so recht glauben, dass eine derart soulige Stimme so hoch im Norden zu finden sei. Der Zweitling ‹Machine Dreams› bescherte Little Dragon zwei Jahre später dann auch eine ganze Horde namhafter Fans wie zum Beispiel GorillazFrontmann Damon Albarn, der die kleinen Drachen gleich als Support für seine Tour buchte, oder Raphael Saadiq, Big Boi und DJ Shadow,
kinki vorspiel
Yukimi: ‹Please Turn› handelt vom Wunsch, alles kontrollieren zu können. Man denkt vielleicht, dadurch mehr Macht zu erlangen, doch eigentlich ist das einzige, was man daraus gewinnt, Frustration.
die allesamt die Band zu Features in ihre Studios luden. Little Dragon hatten ihren warmen Sound auf ‹Machine Dreams› um eine elektronische, poppige Note erweitert, ohne dadurch die Schönheit von Stimme und Melodie zu erdrücken. Mit ‹Ritual Union› ist es der Band schliesslich gelungen, gleichzeitig bei ihren Leisten zu bleiben und sich dennoch weiterzuentwickeln: Tanzbare Beats und nachdenkliche, zerbrechliche Melodien geben sich auf ‹Ritual Union› sozusagen die Klinke in die Hand, stets getragen von Yukimis unverwechselbarer Stimme. Wir nutzten einen kurzen Zwischenstopp der Band in Mitteleuropa, um Erik, Fredrik, Håkan und Yukimi kurz vor dem Check-in ein paar ‹Insiderinformationen› zu ihrem neuen Album abzuluchsen.
06 ‹Crystalfilm›
09 ‹Summertearz›
Yukimi: Ein sommerlicher Song, sanft und mit einer leichten Brise. Teilweise aber auch ziemlich schwer und … Erik: … groovy (lacht)! Yukimi: Ja, eine Art Trance.
10 ‹When I Go Out›
Yukimi: Ziel dieses Songs ist es, dass man ihn sich auf seinen Kopfhörern anhört und alles um sich herum vergisst. Ein Lied, zu dem man sich ‹wegträumen› kann. Fredrik: Genau das ist es auch, was im Video dazu thematisiert wird. Die Leute werden buchstäblich darin versinken.
11 ‹Seconds›
Yukimi: Ein süsses, kleines Liebeslied. Endlich mal ein richtiger Lovesong von uns! Fredrik: Mit ‹Insekteneinlage›. Yukimi: Ja, genau, eine Grille haben wir mit aufgenommen.
kinki tunes on kinkimag.ch Das Vorspiel-Album gibt’s auf kinkimag.ch monatlich zum Hören, Abschweifen und sogar zum Herunterladen – die Schnellsten unter euch können jeden Monat GratisDownloads ergattern. kinki tunes wird euch diesen Monat präsentiert von Nivea pure effect.
Yukimi: Eigentlich ein ziemlich simples Liebeslied. Aber sehr traurig, melancholisch und irgendwie niederschmetternd.
07 ‹Precious›
Yukimi: Wieder ein ziemlicher DancefloorTrack! Håkan: Mein Bruder meinte, ‹Precious› erinnere ihn an diesen Song von Black Sabbath, wie ging der doch gleich … (summt) ‹Iron Man›! Yukimi: (Lacht) Darauf wäre ich glaube ich nie gekommen.
08 ‹Nightlight›
Yukimi: ‹Nightlight› ist eine Art Pop-Hit aus dem Mittleren Osten. Erik: Ja, ein ‹fiebriger› Bass in der Wüste. Fredrik: Den haben wir geklaut … Yukimi: … und in unseren eigenen Früchtekorb gepackt (lacht).
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Little Dragon – ‹Ritual Union› (Peacefrog) ist bereits erschienen. Text: Rainer Brenner Interview: Robin Hofmann Foto: Promo
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Dark Side
Sein Leben war alles andere als einfach. Trotzdem hat William Fitzsimmons auch auf düsteren Pfaden nie das Licht aus den Augen verloren. Mehr noch: Er lernte die Dunkelheit als Muse zu schätzen. Text und Interview: Katja Fässler, Fotos: Erin Brown
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ank seiner ehrgeizigen Eltern begriff William früh, dass das Leben einem nicht immer wohlgesinnt ist und man sein Glück oftmals selber schmieden muss. Und noch eine entscheidende Sache wurde ihm beigebracht: Die Liebe zur Musik. Vater und Mutter sind beide Musiker und seit ihrer Kindheit blind. Ihr Leben findet deshalb fast ausschliesslich in einer akustischen Welt statt, in der die Musik alles dominiert. Diese tiefe Verbundenheit und musische Begabung wird auch in Williams Leben ein zentraler Bestandteil. Erst nach seinem Therapiestudium und seinem Job als Psychotherapeut startet die Erfolgsgeschichte des in Pittsburg, Pensylvania, geborenen Sängers. 2005 produziert er sein Debüt ‹Until when we are Ghosts›, im darauf folgenden Jahr erscheint bereits die zweite Platte ‹Goodnight›. So unmittelbar es angefangen hat, so zügig ging es auch weiter in Williams Musikerlaufbahn. Eine Platte jagte die nächste. Nun steht seit Kurzem sein fünftes Album mit dem Titel ‹Gold in the Shadow› in den Plattenläden. Wie schon die Vorgänger hüllen uns die Klänge in einen sanften Schleier der Melancholie. Der Singer / Songwriter haucht herzerwärmende Zeilen ins Mikrofon, die uns beim Hören und Dahinschwelgen leichte Stiche ins Herz versetzen. Die äusserst persönlichen Tracks verarbeiten den Seelensturm des Künstlers und wir werden Zeugen seiner eigenen Therapie. Die Trennung von seiner Frau und die Scheidung der Eltern prägten mitunter sein Schaffen. Wir sprachen mit William über die Leiden und Freuden des Lebens, darüber, wie man am besten Trübsal bläst und über seine markante Gesichtsbehaarung.
kinki musik
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Interview kinki magazin: William, deine Musik ist wunderschön, aber auch traurig und melancholisch. Worüber singst du denn am liebsten? William Fitzsimmons: Das variiert, aber ich singe schon gern über die dunklen Seiten des Lebens. Ich suche immer nach neuen Möglichkeiten, Dinge zu verarbeiten, die schief gelaufen sind. Liebe zum Beispiel? Ja, Beziehungen natürlich und der ganze Kram in meinem Kopf, meiner Psyche. Mein Ziel ist es dabei nicht, die Leute zu deprimieren. Ich zeige einfach nur Möglichkeiten auf, mit solchen Dingen umzugehen. Ich mag es, wenn ich verstehe, warum ich mich schlecht fühle. In diesem Zustand steckt auch sehr viel Reinheit. Was ist mit den schönen Dingen im Leben? Sind die weniger inspirierend? Natürlich bin ich nicht nur eine traurige Person, aber ich fokussiere mich halt am liebsten auf das, wovon ich am meisten verstehe. Das ist meine persönliche Motivation, Musik zu schreiben. Ich mag fröhliche Lieder wie jeder andere auch. Aber manchmal muss man durch den Schmerz, um wahre Freude und Glück verspüren zu können. Was ist deiner Meinung nach besser: Richtig traurige Musik zu hören und den ganzen Schmerz und die Tränen rauszulassen
William Fitzsimmons bläst nicht einfach laut Trübsal, sondern lässt uns an seiner Selbsttherapie teilhaben.
oder fröhliche Musik, die dich deine Sorgen vergessen lässt? Das ist eine sehr interessante Frage. Ich denke, es hängt von der Situation ab. Ich persönlich tendiere zu beiden Varianten. Manchmal braucht es wirklich diese extrem fröhliche Musik, die Beach Boys zum Beispiel. Dann muss es wieder etwas sehr Dunkles sein. Deine Eltern sind beide blind. Wie hat sich das auf dein Leben ausgewirkt? Durch meine Eltern habe ich die Schönheit der Musik entdeckt. Gerade für Blinde ist Musik äusserst wichtig, denn diese Menschen hören viel intensiver als wir. Melodien werden zu einer Sprache. Sie sind mehr als das Gedudel im Radio.
‹Manchmal muss man durch den Schmerz, um wahre Freude und Glück verspüren zu können.› Natürlich ist es nicht immer leicht, mit einer solchen Behinderung zu leben. Als ich klein war, hab ich mal etwas ausprobiert, um mich besser in die Situation meiner Eltern versetzen zu können. Ich schloss meine Augen und liess mich von einem guten Freund herumführen – etwa zehn Minuten lang. Als ich die Augen
öffnete, hatte ich keine Ahnung wo ich war und wie ich dort hinkam. So erhielt ich eine minimale Vorstellung davon, wie es sich anfühlen muss, blind zu sein.
in meiner Familie tragen einen Vollbart. Als ich klein war, habe ich immer die Bartpracht meines Vaters bestaunt und konnte es kaum erwarten, mal selbst so einen zu haben.
Du hast einmal gesagt, dass es dir nicht darum geht, auf Magazincovers zu prangen, sondern darum, Menschen zu erreichen … Manchmal wird der Mensch von den falschen Dingen verführt: Geld, Macht und Ruhm. Natürlich bin auch ich nicht immun dagegen. Mir ist es dennoch lieber, einen gewissen Grad an Berühmtheit nicht zu überschreiten. So kann ich meine Musik an diejenigen richten, die sie als persönlich und ehrlich empfinden.
Möchtest du damit vielleicht auch einen Teil von dir verstecken? Interessante Frage. Vor ein paar Jahren hätte ich das wahrscheinlich noch bestritten, aber jetzt ist mein Bart für mich tatsächlich eine Art Schutz. Ich singe über sehr persönliche Sachen, stehe auf der Bühne und erzähl meinem Publikum von meinen Beziehungen und meinen Gedanken. Da ist es gut, eine kleine Schutzmauer zu haben.
Deine Songs wurden aber schon für TV-Serien wie Grey’s Anatomy oder Life of Ryan verwendet. Hast du da nicht Angst, deine Musik könnte zum Mainstream werden? Ich weiss nicht, ich denke, beim Musikschreiben ist es einfach wichtig, dass du nur das sagst, von dem du denkst, dass es auch wirklich gesagt werden muss. Das wird dich wohl immer davor bewahren, richtig gross rauszukommen. Nicht dass ausserordentlich populäre Musiker gleich schlechte Musiker wären. Man sollte eine gesunde Balance zwischen Bekanntheit und Diskretion finden. Ich will, dass die Leute wegen meiner Musik zu meinen Konzerten kommen, nicht weil ich gerade in bin.
Weitere Info findest du unter williamfitzsimmons.com.
Dein Bart ist dein Markenzeichen. Wie kamst du auf die Idee, ihn dir wachsen zu lassen? Tja, das ist eine Art Familientradition. Mein Vater, mein Onkel, mein Bruder, alle Männer 63
verhör essentielle alben für jede lebenslage
Dass unser ‹Reviewnator› auf der Suche nach klangvollen Neuerscheinungen gerne über den grossen Teich äugt, ist selbstverständlich. Geografische Fesseln lässt er sich allerdings nicht anlegen. Eine Amerikaausgabe ist also noch lange kein Grund, Jamaika, Berlin und Island ausser Acht zu lassen. One world! Sonniger Soundclash
Data MC – Daily Mirror Glücklicherweise haben sich Data MC vom Erfolg der vorherigen Platte ‹Data Invasion› nicht verrückt machen lassen. Entspannt liefern sie mit ‹Daily Mirror› eine Scheibe ab, die sich zwischen der Pflege des musikalischen Erbes und neuen Zielen bewegt. Die Berliner Band, bestehend aus Sänger Ono, Produzent Walera und DJ San Gabriel, verbindet Hip-Hop-Rhythmen mit wohl dosierter Elektronik und jeder Menge Funk. Dazu kommen noch Anleihen aus dem Dub und Reggae, die der Platte ein sonniges Gemüt bescheren. Dieser Mix hatte, wie bereits erwähnt, vor vier Jahren so viel Suchtpotential, dass Data MC schnell zur Spitze des schnell erfundenen Genres ‹New Sound of Berlin› auserkoren wurden. Was folgte, waren ausgedehnte Tourneen, bei denen man sich als Support für Bands wie The Roots, Talib Kweli oder Dizzee Rascal feiern liess. Die scheinbar unmögliche Aufgabe, den einstmals neuen Sound weiterzuentwickeln, ohne sich dabei zu sehr zu wiederholen, hat das Trio famos gelöst. Entstanden ist ein musikalischer Crossover, der auf der Suche nach neuen Einflüssen immer wieder fündig wird. So ist beispielsweiseder Song ‹Fever› eine wahre Shanty-Hymne geworden, kinki verhör
‹Arabian Horse› bereits regelmässig den Passagieren der isländischen Fluggesellschaft Icelandair als kostenlose Unterhaltung über den Wolken zur Verfügung gestellt. Wie sich durch diese weltweit erste ‹fliegende Platten-Premiere› die Passagierzahlen des Anbieters verändert haben, weiss man nicht, doch die Anzahl der Fans im Club wird mit der neuen Scheibe sicher nicht geringer werden. GusGus erfinden sich darauf nicht neu, doch das Mass an Perfektion ihres Sounds wird noch einmal nach oben geschraubt. Vielleicht liegt es ja an der Wiedervereinigung der Band mit ihrer einstigen Sängerin Earth, dass die Platte so harmonisch und in sich stimmig wirkt. Nach über zehn Jahren im ElektroBusiness sind GusGus alte Hasen, doch beweisen sie mit ihrer bereits achten Platte, dass innovative Sounds kein Privileg der Jugend sind. Beeindruckend wie es die dreiköpfige Band schafft, das eigene Musikuniversum noch einmal zu vergrössern. Die Kernkompetenz im elektronischen Urban-Soul wird auf ‹Arabian Horse› um zahlreiche Pop- und Minimal Techno-Elemente ausgebaut. Selbst kleine GypsyAnleihen lassen sich entdecken, nachzuhören in dem Introstück der Platte ‹Selfloss›. Abwechselnd setzt die Band ansonsten in den leicht melancholischen Songs längere instrumentale Passagen und Gesangsabschnitte ein. Letztere werden besonders gut, wenn sich wie im Stück ‹Be with me› die Stimmen von Earth und Daníel Ágúst gegenseitig ergänzen. Wobei speziell die hypnotischen Vocals von Ágúst auch allein wunderbar funktionieren, unter anderen in den Strophen des tollen Tracks ‹Over›, der von einer nicht aufzuhaltenden Bassdrum und entrückten Flächen
die mit den rhythmischen Bläsern den Sommer herzlich umarmt. Nicht nur die Musik, sondern auch die Texte sind äusserst hörenswert. So beschreibt Sänger Ono in eben jenem ‹Fever› etwa seine Liebe als Schwarzafrikaner zu einer weissen Frau und die Probleme, die solche Partnerschaften leider immer noch hervorrufen können. Der Titel des Stücks ist von Spike Lees Film ‹Jungle Fever› inspiriert, in dem es ebenfalls um die Thematik gemischter Partnerschaften geht. Mit Tracks wie ‹Turn it up› oder ‹If I gave you my digits› zeigt die Band aber auch ihr ungebrochenes Talent für Up-Tempo und DiscoFunk-Stücke, die die Statik vieler Clubs in den kommenden Monaten auf eine harte Probe stellen werden.
Sunset im Club
GusGus – Arabian Horse Die Isländer von GusGus waren schon immer für ihre musikalische Experimentierfreudigkeit bekannt. Speziell die in den 90er-Jahren bis dahin unerreichbare coole Verbindung von ruhigerem House und düsterem Soul darf sich die Band als musikalische Erfindung auf die Fahnen schreiben. Nun dürfen sie sich aber auch noch mit dem Titel für die lässigste Vorabveröffentlichung schmücken. Denn einen Monat vor dem eigentlichen Releasedatum wurde die Platte 64
dominiert wird. Erschienen ist die Scheibe beim renommierten Kölner Label Kompakt, das hier einmal mehr sein goldenes Händchen beweist.
Immergrüner Altmeister des Dubs
Lee ‹Scratch› Perry – Rise Again Es gibt nicht viele, die sich mit der Ikone Bob Marley messen können. Lee ‹Scratch› Perry ist dank seines jahrzehntelangen Einsatzes für Reggae und Dub einer von ihnen. Sein spannendes Leben böte dabei Stoff für Musikdokumentationen in zweistelliger Stundenlänge. Legendär sind vor allem die Geschichten aus den Jahren, als er mit Marley im heftigsten Clinch lag. Die Versöhnung bescherte der Musikwelt dann viele kreative Kooperationen der beiden Musiker. Mittlerweile ist der Miterfinder des Dub 75 Jahre alt geworden. Das hindert Perry aber noch lange nicht, so gut wie jedes Jahr eine neue Platte herauszubringen. ‹Rise Again› heisst die neueste Scheibe und das musikalische Genie ihres Machers lässt sich auch diesmal in den Stücken mühelos heraushören. Der Albumtitel verspricht also nicht zuviel. Perrys Leidenschaft für den Dub ist ungeschmälert. Elf energetische Songs sind auf der Scheibe zu entdecken – produziert von einer weiteren Legende:
Bill Laswell. Zu seinen Referenzen zählen Platten für Herbie Hancock, Miles Davies oder George Clinton sowie zahlreiche bekannte DubMixes für Bob Marley & The Wailers. Nebenbei hat er auch noch Iggy Pop jahrelang abgemischt. Die Zusammenarbeit von Liswell und Perry führt zwei Giganten des Musikhimmels zusammen, deren addierte Schwerkraft keinen Liebhaber des Dubs und Reggaes still sitzen lässt. Musikalisch erhielt Perry noch weitere illustre Unterstützung. So wirken beispielsweise Tunde Adebimbe, der Frontmann von TV on the Radio, oder der in P-Funk-Kreisen fast heilige Bernie Worrell auf der Platte mit. Besonders Worrell, der in seiner Vita die Jobs als legendärer Keyboarder bei den Bands Parliament und Funkadelic stehen hat, verleiht der Platte mit seinen unnachahmlichen Funky-Licks einen coolen Groove. Die Platte, ansonsten geprägt von einer tiefen psychedelischen Rastafari-Atmosphäre und schweren echolastigen Bass-Sequenzen, sollte in keiner gut sortierten DubSammlung fehlen.
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mer mit dem Hang zu eingängigen Melodien, kann man der Scheibe schon jetzt eine grosse Zukunft prophezeien – ohne die Diskokugel dafür zweimal zu reiben. Kalkbrenner schafft es in angenehm ruhiger Art und Weise, in den zehn Tracks seine bisherigen Auskopplungen musikalisch fast komplett abzudecken und sie in die rund 60 Minuten Spielzeit der Platte zu verdichten. Immer wieder fühlt man sich an frühere Stücke von ihm wie ‹Altes Kamuffel› oder ‹Gebrünn Gebrünn› erinnert, die diesen typischen relaxten und gleichzeitig latent euphorisierenden Kalkbrenner-Sound in sich tragen. So gesehen darf sich die globale Clubgemeinde auf neue tolle Stücke freuen, die für leuchtende Augen und feinstes Körperzucken sorgen werden.
Calling again
Paul Kalkbrenner – Icke Wieder Der Erfolg des Soundtracks zu ‹Berlin Calling› vor drei Jahren war phänomenal. Der Film zeigt die Höhen und Tiefen im Leben eines DJs. Komponist und Hauptdarsteller war in gelungener Personalunion der Berliner Elektro- und Houseproduzent Paul Kalkbrenner. Der Hype um seine Person, der auf den Film folgte, sprengte sicherlich alle Erwartungen. Nach noch mehr weltweiten Live-Konzerten als zuvor fand Kalkbrenner aber irgendwann zum Glück die Ruhe, um die neue Platte ‹Icke Wieder› zu produzieren. Das Werk ist geprägt von einer Vielzahl an intensiven Stimmungen. Nie kommerziell und doch im-
Musiker ausgespuckt. Ob gut oder schlecht, keiner weiss es mehr. Als letzte Instanz gibt es aber zum Glück noch unseren furchtlosen ‹Reviewnator› Mathias Bartsch. Mit einem dreifachen Rittberger ist er erneut in den Pool der Neuerscheinungen gesprungen und mit mehr als nur einer musikalischen Perle im Haar wieder daraus aufgetaucht!
Plattenberge bis zum Horizont, den Server vollgeladen mit Terrabytes an neuer Musik … Die Industrie kennt kein Erbarmen und täglich werden Heerscharen echter und falscher
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06.01.11 17:40
Back from Brooklyn Hellwach zu sein ist besser als Träumen? Statt auf die Erfüllung des Amerikanischen Traums zu warten, widmen sich die drei Jungs von We Loyal ganz der Realität. Text und Interview: Stephi Meyer, Foto: Pierre Tschopp und Ivan Hänggi
Zuhause ist’s am schönsten? Nicht für die drei Basler Ben, Fabian und Sandro von We Loyal.
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assist Ben ist gross und kräftig. Ganz im Kontrast zum etwas kleineren Sänger Sandro und dem langen, auffällig schmalen Drummer Fabian. Die optischen Differenzen innerhalb der Band We Loyal verschmelzen auf der Bühne allerdings zu einer ausdrucksstarken Einheit. Mit düsterem und doch schwebendem Sound dringt das Trio aus Basel in die Tiefen elektronischer Klangwelten: Helle Glockenspiele, Bläsermelodien und dezent eingebaute Chöre bringen etwas Licht ins Dunkel. Eine unglaubliche Dichte und Direktheit sind das Ergebnis ihres ausgereiften Arrangements. Die Aufnahmen zur EP ‹Obstacles› sind im vergangenen Jahr in Liverpool und Basel entstanden. Letzten Februar spielten We Loyal einige Konzerte in New York. Dabei ist die Band dem ‹American Way of Life› ganz nahe gekommen. Im Interview ziehen Sandro und Ben nun Bilanz. Amerika vs. Schweiz. Oder eben: Traum vs. Realität.
Interview kinki magazin: Die Schweizer belächeln ihre Musikszene oft selbst. Wieso ist das eigentlich so? Sandro: Es gibt viele Bands, die nicht weit über den Tellerrand schauen. Sie machen es sich zu einfach hier. Das prägt das allgemeine Bild. Uns war es wichtig, unseren Horizont zu erweitern. Denn wir wollen interessante und international relevante Musik machen. Wenn man immer zu Hause bleibt, muss man sich nicht wundern, wenn man sich irgendwann nicht mehr weiterentwickelt. Warum ging’s für euch ausgerechnet nach New York? Sandro: Viel Musik, die uns inspiriert, kommt im Moment aus New York. Das hat uns angezogen. Dass wir schliesslich selbst dort spielen konnten, verdanken wir verschiedenen Leuten. Einige Bands, die wir hier in der Schweiz supportet haben, haben uns schliesslich die entscheidenden Club-Tipps gegeben. Mit anderen Künstlern in Kontakt zu sein, ist uns sehr wichtig. Das hat uns schon viel gebracht und gibt uns immer wieder zu denken. Zum Beispiel wenn wir sehen, wie gerne viele Bands in der Schweiz auf Tour sind. Manche schwärmen davon, dass sie hier warmes Essen bei einem Gig bekommen. Das sind einfach ganz andere Massstäbe. Apropos Massstab: Braucht man nicht verdammt viel Mumm oder vielleicht sogar einen gewissen Grad an Selbstüberschätzung, sich gerade in Brooklyn behaupten zu wollen? Ben: Selber dort zu spielen, war schon tough. Da gibt es Hunderttausende, die ihr Glück versuchen. Amerika ist keine goldene Welt, wo wir Europäer schnell mal unsere Träume verwirklichen können. Amerika ist Reality. Diese Erfahrung hat uns als Band sicher gut getan. Einmal spielten wir an einem völlig zusammengewürfelten Konzert. Zuerst kam ein Typ aus
Baltimore, der den zweiten Teil seines Sets nicht spielen konnte, weil sein Effektgerät kaputt war. Dann folgte eine experimentelle Cellistin aus Österreich. Schliesslich spielten wir erst um halb eins am Morgen vor einer leeren Bar … Da fragst du dich schon, warum du das eigentlich machst. Ja, genau: Warum macht ihr das? Sandro: Vielleicht weil wir nicht anders können, weil das von innen kommt. Und wir hatten ja auch sehr tolle Shows in New York! Und der Moment auf der Bühne ist sowieso immer wieder anders. Unabhängig davon, wie das Publikum reagiert. Ich verstehe Bands nicht, die nur von der Publikumsreaktion leben. Uns ist auch das Drumherum wichtig, besonders die Begegnungen mit anderen Musikern. Welche Vorteile bietet Amerika in punkto Selbstverwirklichung? Warum lohnt es sich als Musiker, dorthin zu reisen? Ben: Du bist nie allein unter all den anderen Musikern. Dadurch wird es einfach normal und natürlich, dass du Musik machst. Es wird ein bisschen echter. Und du musst dich nicht ständig dafür rechtfertigen. Es spielt keine Rolle, wie alt jemand ist oder was man sonst machen will. Man muss sich nicht erklären. Musik zu machen, ist ein Lebensweg, der einfach akzeptiert wird. Sandro: Und in Amerika spielen die geilsten Indie-Bands in den geilsten Late Night Shows! Das ist der Wahnsinn. Bei Benissimo spielen Robbie Williams oder Lea Lu … Warum gibt es in der Schweiz keine so lebendige Musikszene wie etwa in Brooklyn? Ben: Der Unterschied liegt wohl im kulturellen Hintergrund. Da spielen die Medien eine grosse Rolle. Und natürlich auch das Publikum. All das prägt die Akzeptanz für populäre Musik, so wie wir sie machen. Sandro: In der Schweiz gibt es eben viel weniger Leute. Wenn hier ein Prozent der Leute auf unserem Dampfer sind und in Amerika ist’s auch ein Prozent, so sind das dort einfach verdammt viel mehr! Gibt es eurer Meinung nach so etwas wie den American Dream? Ben: Nein. Wie ein Freund von uns so schön sagte: ‹It’s a fucking lie!› Aber in den USA hast du einfach andere Strukturen als hier in der Schweiz. Das ganze Umfeld trägt dich mit, es fordert dich heraus und bringt dich weiter. Einen so intensiven Austausch wie in New York findest du hier nicht. Sandro: Der Karriereverlauf in New York ist nicht so ‹one way› wie hier. Die Leute haben viel Verschiedenes am Laufen. Dafür verdient man hier besser, oder? Sandro: Klar, die Schweiz ist schon nice und fine und safe und warm. Aber der Schatten der gutbürgerlichen Gesellschaft verfolgt dich auf Schritt und Tritt. Status und Geld: das alles ist doch eine Zwickmühle. Ich glaube, dass du Freiheit nur im Verzicht finden kannst. Das ist in 67
unserer modernen Gesellschaft nicht angelegt: Zufrieden zu sein mit Immateriellem. Mehr bei sich selbst zu sein. Momentan seid ihr wieder in Basel. Was habt ihr von New York mitgenommen? Ben: Meinen neuen Bass. (Sandro lacht.) Auch Immaterielles? Ben: Eine gewisse Menschlichkeit dem ganzen Business gegenüber. Das Wissen, dass es anders sein kann. Eine Dankbarkeit für das, was wir hier haben. Um das zu realisieren, musste ich weg. Wir haben eine weitere Realität entdeckt, die uns weitere Schritte ermöglichen kann.
‹In Amerika muss man sich als Musiker nicht ständig rechtfertigen.› Sandro: Das, was ich mir zuvor nur vorgestellt habe, ist erlebbar geworden. Zwar war die Realität schliesslich gar nicht so weit entfernt von meiner Vorstellung, das aber wirklich zu erleben, war schon etwas anderes. Es war herausfordernd. Und zugleich auch eine Bestätigung für unsere Einstellung und unseren Weg. Werdet ihr denn nun in Basel bleiben? Sandro: Wir hatten einen guten Start hier, aber wir wollen weiter. Wir gehen für eine Weile fort, aber es ist noch nicht ganz klar wohin. Wir wollen unterwegs sein, weiter in die Musik eindringen und so viel wie möglich spielen. Auch mit neuen Sachen. Vielleicht geht’s für die nächsten Aufnahmen wieder nach Liverpool, aber das steht noch nicht fest. Auf alle Fälle wollen wir relevante und eigenständige Musik machen, die im internationalen Kontext steht.
Weitere Info findest du unter weloyal.com.
lieblingslieder jedem das seine
Hinter der Musikplattform Yours Truly steht eine kleine Familie bekennender Musikverrückter aus San Francisco, die einfach nicht anders können, als die musikalischen Schätze, die sie entdecken, mit uns zu teilen. Will ist einer der Gründer und hat für uns eine Liste seiner Lieblingssongs zusammengestellt. Inspirieren liess er sich dabei vor allem von seinem Vater. Famous, als all die Bandmitglieder im Bus Elton Johns ‹Tiny Dancers› singen, ist eine meiner Lieblingsfilmszenen überhaupt.
The Ghost Town DJ’s ‹My Boo›
1996, als die Ghost Town DJ’s den Song ‹My Boo› herausbrachten, war ich einen Kopf kleiner als die anderen Achtklässler. Ich pflügte mich damals durch beschissene Top 40 Mixshows, hörte Dru Hill Monica und Coolio Songs an Schuldisco-Abenden. Ich dachte mir, wenn ich die Songs gleich erkenne, hätte ich mehr Zeit, um die Mädchen zum Tanzen aufzufordern. Das klappte eigentlich eher schlecht. Doch der einzige Song, zu dem ich nie alleine tanzte, war ‹My Boo›.
The Notorious B.I.G. ‹Everyday Struggle›
Als ich in die High School kam, war Biggies ‹Ready to Die› das erste Hip-Hop-Album, das es schaffte, meine elitäre ‹Classic Rock Kid›-Fassade zu durchbrechen. Vor diesem Album habe ich nie verstanden, wie Musik ein Ausdruck von Qual und Kampf sein kann. Zu hören, wie Biggie bei ‹Everyday Struggle› so überzeugt über den Tod spricht, war etwas total Neues für mich.
Will von Yours Truly wagt mit uns einen Abstecher in seine Kindheit. Und lässt uns dabei am Soundtrack teilhaben.
James Taylor ‹Sweet Baby James›
gen – vor allem ‹What’s the Frequency Kenneth›. Heute höre ich den Song nicht mehr, aber seit diesem Tag macht mir nichts mehr Freude als ein Live-Konzert.
Als Kind hatte ich wahnsinnige Angst vor Hexen. Als ich fünf wurde und wir nach Kalifornien zogen, wurde ein Mädchen in unserer Nachbarschaft gekidnappt. Ich hatte deshalb schlimme Albträume, in denen ich gegen die Entführer kämpfte. Als ich in der Nacht schweissgebadet aufwachte, beruhigte mich immer mein Vater, indem er mir ‹Sweet Baby James› vorsang. Er sang es langsam und entschlossen, als würde er eine Geschichte vorlesen. Und kurz bevor ich einschlief, änderte er die letzte Zeile des Songs auf ‹… and rockabye sweet baby Will›.
Sam Cooke ‹Chain Gang›
Früher sangen mein Vater und ich diesen Song immer im Duett. Er sang mit seiner tiefen Stimme das ‹Oh› … ‹Ah› … ‹Oh› … ‹Ah› … und ich den Lead: ‹Gimme water, I’m thirsty.› Und dann wir beide gemeinsam: ‹Oh don’t you know that’s the sound of the men, working on the chain gang.› Damals checkte ich noch nicht, wie cool mein Vater war, und auch nicht, dass im Auto herumzufahren und alte Platten anzuhören, mich dermassen verändern würde.
R.E.M. ‹What’s the Frequency Elton John Kenneth› ‹Tiny Dancer› In der vierten Klasse holte mein Dad mich
In der sechsten Klasse bekam ich Hausarrest an Halloween. Ich musste mir mit meinem Vater ‹Almost Famous› anschauen. Ich muss wohl so etwa zwölf oder dreizehn gewesen sein, denn ich stand damals total auf die Rolling Stones und Lester Bangs und deren Lifestyle auf Tour. Die Szene in Almost
und meine Freunde von der Schule ab, um R.E.M.’s ‹Monster Tour› zu sehen. Das war mein erstes Konzert überhaupt. Wir sassen auf der Wiese und ich trug ein ‹Automatic for the People›-Shirt, das mir viel zu gross war. Ich hatte mir die Texte der Songs ausgedruckt und konnte darum alles mitsin-
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Van Morrison ‹Crazy Love›
‹Moondance› von Van Morrison war das erste Tape, das ich mir mit meinem eigenen Geld gekauft hatte. Ich ass in der Schule einen Monat lang das Mittagessen meines Freundes, um für einen rot-grünen Walkman zu sparen. Der Song ‹Crazy Love› war wie ein Schlag in die Magengrube und hielt mich nächtelang wach!
Blackstar ‹Respiration›
Der Song, der meine Liebe zu Hip-Hop für immer zementierte, war Blackstars ‹Respiration›. Als ich damals Blackstar hörte, verstand ich zum ersten Mal, dass Hip-Hop Poesie ist und dass jeder Satz in ‹Respiration› nicht willkürlich gewählt ist, sondern aus einer Mission heraus entstand. Ich wollte fortan den Leuten von dieser Musik erzählen. Ich musste es einfach tun. Das war vielleicht auch der Beginn meines stetigen Verlangens, neue Musik zu finden und sie mit anderen Menschen zu teilen … Text: Antonio Haefeli Foto: Promo
I love Winnipeg! Mit einer Durchschnittstemperatur von -10 Grad ist Winnipeg einer der kältesten Orte auf dem nordamerikanischen Kontinent. Kaum zu glauben, dass die Hauptstadt der kanadischen Provinz Manitoba derart soulige Musik wie die von Imaginary Cities hervorbringt. Im Interview stellte Martina Messerli fest, dass die unwirtliche Winnipeger Kälte keinesfalls auf die Menschen dort abfärbt. Foto: Promo
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n der lokalen indianischen Sprache bedeutet ‹Win› schlammig und ‹nipee› Wasser. Aufgrund des schlammigen Sees, der rund 50 Kilometer weiter nördlich von Winnipeg liegt, kam die Stadt so zu ihrem Namen. Glaubt man John K. Samson und seiner Ode an diese ‹One Great City› Kanadas, präsentiert sich auch der Himmel über Winnipeg selten in Klarheit. Wie auch, wenn die Durchschnittstemperatur während rund fünf Monaten des Jahres deutlich unter -10 Grad Celsius liegt? Umso klarer ertönt jedoch an allen Ecken und Enden, in allen Bars und Clubs der künstlich erschaffenen Stadt Musik. Immer wieder bringt Winnipeg bedeutende Musiker hervor, die grossartige, berührende, herzerwärmende Musik schreiben. Zu den Söhnen und Töchtern der Stadt zählen etwa Neil Young, The Weakerthans oder eben Imaginary Cities. Imaginary Cities machen puren Soul, der sich von dem Zwang löst, ständig das Gefühl der 60er-Jahre heraufbeschwören zu wollen. Die grosse Stimme von Sängerin Marti Sarbit beschert dem Zuhörer stellenweise die schönsten Gänsehaut-Schauer – die ausnahmsweise einmal nichts mit dem Wetter in der kanadischen Prärie zu tun haben. Multi-Instrumentalist Rusty Matyas, der seit Jahren die Weakerthans live unterstützt, sorgt mit seinen folkigen Indie-Arrangements für die nötige Abwechslung und Vielfalt. Mit ihrem aktuellen Album ‹Temporary Resident› beschwören Imaginary Cities eine Wärme herauf, die einem ein Lächeln auf die Lippen zaubert. Ebenso ergeht es einem im Gespräch mit Marti Sarbit, die sich wenig von den widrigen meteorologischen Umständen beeindrucken lässt. Herzlich und fröhlich beschreibt sie ihre Musik und ihre Stadt, so dass bald der Wunsch aufkommt, die warme Daunenjacke einzupacken, sich bei der Stadtverwaltung Winnipegs kurzerhand als ‹Temporary Resident› anzumelden, sich in eine der fünf lokalen Bars zu setzen, ein Bier zu trinken und über die Unterschiede zwischen der kanadischen und der amerikanischen Lebensweise zu diskutieren.
Vom Barpersonal zur Bühnengemeinschaft? So läuft das in Winnipeg! Rusty Matyas und Marti Sarbit alias Imaginary Cities.
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Interview kinki magazin: Was hältst du vom Statement ‹Kanada ist das bessere Amerika›? Marti Sarbit (lacht): Nun ja, was soll ich dazu sagen. Ich glaube nicht, dass das so stimmt, Amerika hat sicher auch eine Menge zu bieten. Aber ich liebe Kanada nun einmal wirklich, und ich möchte nicht, dass die Leute mich später wegen meiner Aussage aufhängen, deshalb versuch ich mich, wie du sicher merkst, jetzt mal sehr diplomatisch aus der Affäre zu ziehen ... Akzeptiert. Aber weshalb spricht man immer von der schwierigen Beziehung zwischen Kanadiern und US-Amerikanern? Die Beziehung ist im Alltag nicht wirklich schwierig. Ich mag diese Leute, wir machen uns nur gerne gegenseitig übereinander lustig. Es macht Spass, die Amerikaner manchmal etwas aufzuziehen. Da gibt es all diese kleinen, aber wichtigen Unterschiede, die zur Identität eines Landes beitragen, mit denen man sich bestens gegenseitig ärgern kann. Aber ernsthaft: Ich glaube nicht, dass eine ernstzunehmende Rivalität zwischen den beiden Ländern existiert. Lass uns über eure Heimat sprechen. Die Weakerthans singen inbrünstig ‹I hate Winnipeg›. Was ist so schlimm an dieser Stadt? Hmm, schlimm ist eigentlich nichts, ausser dass es im Winter wirklich verdammt kalt wird. Aber ansonsten kann man hier gut leben. Also, anders gefragt: Was ist das Tolle an Winnipeg? Winnipeg ist ein grossartiger Ort. Die Stadt ist nicht gerade gross, eigentlich gibt es nur fünf Bars, wo du hingehen kannst. Die Leute kennen sich also untereinander, man trifft sich ja immer wieder an der Theke. Die Bars und Clubs sind eine gute Plattform für Bands. Es entwickeln sich viele Kooperationen und spannende Projekte in diesem Umfeld. Und so haben auch Rusty und ich zusammengefunden. Genau, lassen wir die geografischen Aspekte und sprechen über eure musikalische Herkunft. Wie seid ihr zur Musik gekommen? Ich hätte nie gedacht, dass ich mal professionelle Musikerin sein würde, obwohl ich schon immer viel gesungen habe. In der High-School trat die Musik sogar eine Zeit lang in den Hintergrund. Dann trat ich aber vor ein paar Jahren dieser Motown-Coverband bei. Das war mein erstes ernsthaftes Projekt und ich merkte, wie sehr mir das Singen vor Publikum gefällt. Rusty hingegen hat ja schon immer Musik gemacht, bei den Weakerthans und The Waking Eyes, und auch vorher schon mit anderen Bands. Rusty und ich haben uns in der Bar ‹The Cavern›, in der wir beide auch heute noch gelegentlich arbeiten, kennengelernt. Er war für den Sound verantwortlich und ich hab mit meiner Coverband wie jede Woche dort gespielt. Irgendwann einmal hat er für mich einen Motown-Song geschrieben, den ich live gesungen habe. Nach dem Auftritt feilten wir noch ein bisschen am
Song und seither gibt es Imaginary Cities. Was wir heute machen, würde ich am ehesten SoulRock oder Soul-Pop nennen. Es fühlt sich exakt nach einer Mischung unserer Wurzeln an: Rustys Rockmusik und mein Motown-Soul. Wie seid ihr auf den Namen Imaginary Cities gekommen? Das war eigentlich ganz zufällig. Auf der Suche nach einem Bandnamen haben wir jede Menge Bücher angeschaut. Eines hatte den Titel ‹Imaginary Beings› und ein anderes hiess ‹Invisible Cities›. Als ich die beiden Titel neu zusammensetzte, hatte ich sofort das Gefühl: Wow, Imaginary Cities, das ist es! Ich frage, weil es in der Tate Modern Gallery in London momentan eine Ausstellung mit dem Namen ‹My Imaginary City› gibt, in der Kinder in Zusammenarbeit mit Künstlern Orte erschaffen, die so nur in ihrer Fantasie existieren. Wow, das ist ja cool, da will ich hin! Wie würde denn deine imaginäre Stadt aussehen? Hmm … Das wäre wahrscheinlich ein Ort mit vielen Bars (lacht), in denen viele Leute meines Alters herumhängen. Ich stelle mir auch altmodische Architektur mit Gebäuden aus Backstein vor, und wenn es irgendwie möglich ist, hätt ich gerne auch fliegende Autos in meiner Fantasie stadt. Gibt es einen Ort, der dieser Vorstellung nahe kommt? Vielleicht ohne die fliegenden Autos. Winnipeg kommt dem eigentlich schon ziemlich nahe. Ich liebe alles an Winnipeg – ausser dem Wetter. Sonst ist es aber der beste Ort, an dem ich sein könnte. Imaginary Cities spielen am 19. Oktober im Abart, Zürich. Weitere Info findest du unter imaginarycities.ca.
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‹Zwischen den USA und Kanada gibt es all diese kleinen, aber wichtigen Unterschiede, mit denen man sich bestens gegenseitig ärgern kann.›
Rachel de Joode
where are we going and why are you dancing? ‹Eagles of Africa› by Koudlam
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Pizza slice bag: Yummy Pockets
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Bodysuit: Vintage Shoes: Chloe Sunglasses: H&M
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Hit the Road!
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kopfkino vom umschlag bis zum abspann
Man kann es drehen und wenden, wie man will: Amerika fasziniert auch heute noch. Trotz des ausgeträumten American Dream, Politik, SUVs und der Omnipräsenz von McDonald’s. Die schöneren und inspirierenden Seiten und Streifen der USA haben wir für euch diesen Monat in unserer Buch- und Filmauswahl zusammengestellt. Buch family album
ker Deitch Projects. Es werden eine Vielzahl von Porträts von Ikonen der ‹Counterculture› aus Kunst, Musik und Politik präsentiert. Der Künstler möchte das Publikum durch diese Vorbilder zu politischen Veränderungen und sozialem Handeln aufrufen. Zu den Porträtierten gehören Musiker wie Bob Dylan, Künstler wie Jasper Johns oder Jean Michel Basquiat und politische Aktivisten wie Subcommandante Marcos. Daneben behandelt Fairey in seinen Plakaten Themen wie den allgegenwärtigen Überwachungsstaat oder die Klimaerwärmung. Anleihen bei sowjetischen Propagandapostern und der Pop Art sind offensichtlich. Die Arbeiten entstehen oft aus ‹mixed media›, einer Kombination aus Schablonentechnik, Spray, Malerei und Collage.
eines geschlossenen und intimen Kosmos. Es ist ein fotografisches Tagebuch, das einen ebenso natürlichen und unbefangenen Blick auf Bekanntheiten wie Jimi Hendrix, Jim Jarmusch oder Kate Moss ermöglicht wie auf Paul, die Kinder und ihren Alltag. Linda McCartney verstarb 1998 an Brustkrebs. Die vorliegende Retrospektive entstand in enger Zusammenarbeit mit ihrer Familie, was sich in der liebevollen Auswahl der Bilder bemerkbar macht. Erschienen bei Taschen, ca. CHF 60.–
Linda McCartney: Life in Photographs Wenige wissen, dass Linda McCartney ursprünglich aus den USA stammt. Im Vereinigten Königreich und den USA dokumentierte sie als eine der ersten Fotografinnen die Pop- und Rock’n’RollSzene der 60er-Jahre. Ihre Karriere startete mit Bildern der Rolling Stones, erste grosse Erfolge feierte sie, als sie es mit ihrem Porträt von Eric Clapton als erste weibliche Fotografin auf das Cover des Rolling Stone schaffte. Als Linda die Beatles auf Film bannen wollte, verliebte sie sich in Paul McCartney und heiratete ihn 1969. Ihre Passion für Musik und Fotografie setzte sie auch während der Erziehung ihrer vier Kinder Heather, Mary, Stella und James fort. Ihre Fürsorge und ihre grosse Natur- und Tierliebe sind in den Bildern ebenso spürbar wie zuvor die Hingabe an die Musik, die ihre Bilder so zugänglich und ungezwungen macht. Der grossformatige Bildband wirkt trotz unzähliger Starporträts nicht wie eine thematische Monografie einer hervorragenden Fotografin. Vielmehr vermitteln die aussergewöhnlichen Fotografien das Gefühl kinki kopfkino
pencil propaganda
Erschienen bei Gingko Press, ca. CHF 30.–
filmstill life ANDY DENZLER PAINTINGS / THE HUMAN NATURE PROJECT
Mayday – The Art of Shepard Fairey Letzten Mai hatte ich das Glück, während eines Parisaufenthaltes der Vernissage ‹Obey, The Print Show› beizuwohnen. Ein Grossteil der gezeigten Drucke aus Shepard Faireys Werk findet sich auch auf den Seiten von ‹Mayday – The Art of Shepard Fairey› wieder. Fairey ist neben Banksy der wohl bekannteste Streetart-Künstler der Gegenwart. Noch grössere Aufmerksamkeit erreichte er zuletzt durch die Kreation seines ikonischen Hope Plakats für Barack Obamas Präsidentschaftswahlkampf im Jahr 2008. ‹Mayday› umfasst die Bilder seiner letztjährigen, grossen Ausstellung in den populären New Yor-
Andy Denzler : Paintings / The Human Nature Project Vor einem Jahr tauchten wir im kinki magazin 27 erstmals in die bewegenden, malerischen Welten des Schweizer Künstlers Andy Denzler ein. Im Artikel ‹Distorted Fragments› wurden auch zahlreiche Bilder aus der Serie ‹The Human Nature Project› gezeigt, die zwischen Stillstand und Fluss, Natur und Figur navigieren. Seither haben 88
wir seine Arbeiten in weiteren Magazinen und vor allem in der Blogosphäre immer wieder gesichtet. Jüngst ist sein Buch erschienen, das sowohl die konzeptuelle Serie ‹The Human Nature Project› als auch Porträtarbeiten, Interieurs und sogar Skulpturen umfasst. Denzler malt klassisch mit Öl auf Leinwand und belebt und bewegt die statischen Bilder, die sich von neuen Medien, eigenen Filmen und Fotos inspirieren, mit seiner einzigartigen Verwischtechnik. So zeigen alle Bilder dieses charakteristische Moment einer eingefrorenen Bewegung oder eines Filmstills auf. In The Human Nature Project beeinflusst dieses ‹Rauschen› beispielhaft die formale und die inhaltliche Ebene der Arbeiten. Figürlichkeit und Raum werden dadurch abstrahiert, während die dargestellte Bildwelt durch die Verwischung lebendig wird. Man sieht etwa das Wasser fliessen und den Wind wehen. Durch die Unschärfe bleibt zudem die Interpretation der Bilder dem Betrachter überlassen. ‹Die Serie vertieft die zentrale Frage nach der menschlichen Natur und ihrer Verortung in Gesellschaft und Umwelt›, bringen es die Herausgeber auf den Punkt. Besonders spannend ist es, auch die umgekehrte, künstlerische Aktion zu sehen: die Entfesslung des Objektes aus dem (malerischen) Umfeld, und die Übertragung der charakteristischen Verwischung auf eine dreidimensionale Skulptur. Das Buch liefert einen eindrucksvollen Einblick in Andy Denzlers Arbeit, an der Besichtigung einer Ausstellung der meterhohen Werke führt jedoch kein Weg vorbei. Erschienen im Hatje Cantz Verlag, CHF 49.90
society portrait
bislang immer im Schlaf. Doch Schlafstörungen bringen dieses geregelte Leben aus den Fugen. Eines Nachts sieht er gar einen Mann im Morgenmantel durch sein Haus wandeln. Wild entschlossen, diesen Mann wiederzufinden, verliert sich Jacobo in seinen Wahnvorstellungen. Im Laufe des Films wird der Blick frei für eine Dreiecksbeziehung während des spanischen Franco-Regimes. Die spanischschweizerische Co-Produktion wurde hauptsächlich in SchwarzWeiss gedreht. Die szenische und technische Darstellung erinnert an diverse Klassiker der Filmgeschichte. Gleichzeitig erschafft das Trio spannende Nahaufnahmen und wagt interessante Blickwinkel. Drehbuch-Konventionen werden gebrochen, so dass der Film den geregelten Plot mehr und mehr unterläuft. Nebenbei steckt auch noch jede Menge Lebensweisheit in dem Streifen.
Kino
abgehoben
Robert Frank: The Americans Der Zürcher Robert Frank gehörte zu den ersten Fotografen, die ich in meiner künstlerischen Erziehung wirklich zur Kenntnis nahm. Damals war ich beeindruckt vom starken und doch weichen Schwarz-Weiss-Kontrast, den ausdrucksstarken Bildkompositionen und dem bestimmenden, vielleicht auch etwas prätentiösen Titel. Die Namenwahl erklärt sich aus dem Kontext der Erstpublikation 1958 in Paris. Die Aufnahmen aus den Jahren 1955 und 1956 sollten als Bestandteil der ‹Encyclopédie essentielle›-Serie dem französischen Publikum nämlich das Bild der amerikanischen Gesellschaft vermitteln. Ergänzt wurden die 83 ästhetischen Fotografien von atmosphärischen und leeren Strassen, wehenden Flaggen, Begräbnissen, der Working Class oder dem öffentlichen Verkehr durch Texte über die politische und gesellschaftliche Geschichte Amerikas. In der amerikanischen Ausgabe wurden diese dann durch eine Einleitung von Jack Kerouac und Notizen Robert Franks ersetzt. Kürzlich fiel mir das Werk, das ‹die Ästhetik des Fotobuchs revolutionierte› wieder in die Hände und ich wundere mich keineswegs, dass es noch genauso zu faszinieren vermag wie damals. Die Edition von Steidl wurde 2007 gedruckt und in Zusammenarbeit mit dem Fotografen mit neu angefertigten Scans erstellt.
Martin Capbell: Green Lantern Superman, Batman, Wonder Woman − und Green Lantern. DC Comics, der grösste Konkurrent des Marvel Verlags, spielt im Kampf der Comicverfilmungen einen seiner letzten Trümpfe aus. Die Story: Hal Jordan wird vom ‹Ring der guten grünen Smaragdenergie der Willenskraft› auserwählt um gegen die böse ‹gelbe Energie der Angst› zu kämpfen. Das Setting auf dem unsterblichen Friedensplaneten Oa erinnert dabei an Avatar. Ryan Reynolds ist als Hauptdarsteller definitiv Geschmackssache, der fesche grüne Helden-Neoprenanzug steht ihm aber ausgezeichnet. Green Lantern ist vermutlich einer der letzten Kinosuperhelden seiner Art − zumindest für die nächste Zeit. Schlicht und einfach weil die amerikanischen Comicverlage den Grossteil ihrer ‹Rekruten› in den letzten Jahren bereits vermarktet haben. Wieder geht es um die löbliche Moral und um das Gute im Menschen. Ideal als leichte Kost für einen Abend mit Riesenpopcorntüte und Coca Cola.
Seit dem 14. Juli im Kino.
DVD
abgefahren
Dev Benegal: Road, Movie In einem Cadillac sitzend, irgendwo auf der Route 66, die weite Prärie vor Augen – das Roadtrip-Genre ist ein Klassiker des amerikanischen Films. Mit ‹Road, Movie› gelingt Dev Benegal eine unkonventionelle Neuinterpretation der amerikanischen Langstreckenfahrt-Romantik. Vishnu (Abhay Deol) flüchtet vor dem einengenden familiären Kleinbetriebsalltag. Mit einem alten ChevyBus, der gleichzeitig als wandelndes Kino fungiert, fährt er ins Blaue und sammelt auf seinem Trip widerwillig verschiedenste Passagiere auf. In der Einöde der indischen Wüste, hungernd und mit der Wassermafia kämpfend, findet Vishnu, was ihm bislang fehlte: Freundschaft, Gemeinschaft, Leidenschaft. Wen Gesang und Tanz bis jetzt davon abgehalten haben sollten, sich der indischen Filmkultur zu widmen, der sollte mit ‹Road, Movie› unbedingt den Einstieg wagen. Dev Benegal verzichtet auf künstliche Inszenierungen des Bollywood-Klischees. Und dennoch übersetzt
Seit dem 28. Juli im Kino.
ausgeschlafen
Erschienen bei Steidl, ca. CHF 48.90
Amerika haben unsere Rezensenten William S. Blake und Florence Ritter noch nie gemeinsam bereist. Ein Ausflug an die Westcoast und Beat’sche Roadtrips stehen aber weit oben auf der To-Travel-Liste.
Olivier Pictet, Marc Recuenco, Pablo Martin Torrado: Lo más importante de la vida es no haber muerto Das absolute Gegenteil einer typisch neuzeitigen Hollywoodproduktion hat das Regisseuren-Trio aus Olivier Pictet, Marc Recuenco und Pablo Martin Torrado geschaffen. ‹Lo más importante de la vida es no haber muerto› handelt vom Klavierstimmer Jacobo. Wie durch ein Wunder erledigte sich seine Arbeit 89
er das uramerikanische Thema gekonnt in den indischen Kontext. Ein wirklich sehenswerter Film über rastlose Reisende und die wundervolle Macht von Filmen, den Zuschauer in andere Welten eintauchen zu lassen. Bereits auf DVD erschienen.
ausgenutzt
Lars von Trier: Manderlay Es gibt wenige Regisseure, deren Name stets für wirklich gute Filme bürgt. Der Däne Lars von Trier ist einer davon. Wem ‹Dogville› gefallen hat, der wird ‹Manderlay› lieben. Wieder ist es ein schlichtes Setting, das genügt, damit die schauspielerische Intensität in dieser Symbiose aus Film und Theater ihre volle Geltung entfalten kann. Der zweite Teil der Amerika-Triologie schliesst direkt dort an, wo ‹Dogville› aufhört. Statt mit Nicole Kidman nun mit Bryce Dallas Howard, die Herrn Mulligans Tochter Grace mimt. Nach der Zerstörung von Dogville, kommt Grace durch einen Zufall nach Manderlay, einen Ort in Alabama, in dem die Sklaverei nie abgeschafft wurde. Geschockt von der vorherrschenden Situation bemüht sich Grace um Aufklärung und Gerechtigkeit, strauchelt aber in ihrer Rolle als ‹Weisse›. Lars von Trier formuliert hier gewagte Thesen. Zum Beispiel dass Freiheit nicht nur gute Seiten und gesellschaftliche Normen nicht nur schlechte Seiten haben. Die Sklaverei und der Umgang damit werden auf vielschichtige Art kritisiert. Der Zuschauer muss dabei nicht nur einmal leer schlucken. Bereits auf DVD erschienen.
Seit Jahren beschäftigt sich unsere Rezensentin Franziska Stieglitz mit amerikanischer Literatur- und Filmkultur und entwickelte so auch eine fragwürdige Vorliebe für die düsteren Südstaaten und Iced Topping. Ganz nach ihrem Geschmack beäugt sie diesen Monat Neuzugänge der Unterhaltungsmedien speziell im Zeichen der Sterne und Streifen.
Hail and Farewell
‹Me and my Eagle – Zarathustra›: Ein Geschenk Cohens an seinen Schweizer Freund Florian Vetsch.
Cohen zusammen mit dem deutschen Autor Jürgen Ploog.
Ira Cohen im Zürcher Niederdorf.
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Sie waren sexuell experimentierfreudige Freaks und Junkies. Sie revolutionierten mit ihrem Leben und Werk Literatur und Gesellschaft, legten den Grundstein für die heutige Slam- und Spoken-Word-Bewegung: die Beatniks. Kürzlich verstarb in New York Ira Cohen, einer ihrer letzten Dichter. Ein Nachruf auf die Beat Generation. Text: Pablo Haller, Fotos: Ira Cohen und Florian Vetsch
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enn von der ‹Beat Generation› die Rede ist, denkt man vielleicht an Jack Kerouac und seine moderne Odyssee ‹On the Road›. Der Roman liess einst eine ganze Generation aufbrechen. Quer über den amerikanischen Kontinent, rund um den Globus. Oder man denkt an Sex, Drogen und Jazz, die damals in einer bisher nicht gekannten, schonungslosen Authentizität Einzug in die Literatur hielten. An die Hipster, die Vorläufer der Hippies, die vorzugsweise dunkel gekleidet mit avantgardistischen Kunstund Lebensformen das biedere Nachkriegsamerika erschreckten. Vielleicht denkt man auch an Allen Ginsberg, wie er mit wallendem Haar und Bart am Harmonium ‹Hare Krishna› chantet oder Gedichte zum Besten gibt. An William S. Burroughs’ Jahrhundertwerk ‹Naked Lunch›, das die Form des Romans revolutionierte und mit seinen expliziten Gewaltdarstellungen auch an der Grenze der harten Pornografie nicht Halt machte. Als eines der letzten Bücher überhaupt in den USA wurde es wegen Obszönität angeklagt, erstinstanzlich verboten und im Berufungsprozess dann doch legalisiert. In einem Artikel, der 1952 in der ‹New York Times› erschien, wird die Beat Generation folgendermassen charakterisiert: ‹Ihre eigene Gier nach Freiheit und die Fähigkeit, in einem mörde‹Your favourite lesbian›: Geschenk Cohens an Florian Vetsch.
Cohen während seines Schweizbesuchs in einem Zürcher Restaurant.
rischen Tempo zu leben, führte zu Schwarzmärkten, Bebop, Drogen, Promiskuität, Hausiererei und Jean-Paul Sartre.›
Underground Poet
Einer, der in der Beat-Rezeption oft übergangen wird, ist der jüngst verstorbene Ira Cohen. ‹Ira flew away today at approx. 6.30 PM.› Diese kurze Nachricht eines Freundes erreichte mich am frühen Morgen des 26. April. Ira der psychedelische Zauberer von Oz. Ira der Multi-MediaSchamane, Ira der Majoon Traveler ist weitergereist. Obschon man um seinen schlechten Gesundheitszustand wusste, bestürzt sein Tod. Mails mit Gedichten zu seinen Ehren zirkulieren. Ira Cohen war ein Tausendsassa: Poet, Verleger, Fotograf, Produzent, Filmemacher, Performer, Reisender, Psychedeliker, Mystiker. Für Gewisse ein Erleuchteter, gar ein Erleuchter, was Hand in Hand geht. ‹Ira Cohen ist unterwegs auf der Milchstrasse›, schrieb der deutsche Cut-upAutor Jürgen Ploog über ihn und seine Dichtung. Im deutschen Sprachraum hat der Schriftsteller und Herausgeber Florian Vetsch Ira Cohens Poesie zugänglich gemacht. Drei Gedichtbände 91
von ihm hat Vetsch übersetzt, Cohen in diversen Literaturzeitschriften untergebracht und auch biografische Texte über ihn verfasst. 1935 wurde Ira als Sohn jüdischer Eltern in der New Yorker Bronx geboren. Mitte der 50erJahre kam er mit Gras, Jazz und Literatur in Berührung. Ab 1961 lebte er für vier Jahre in Tanger, der marokkanischen Stadt, die von manchem Beat-Autor besucht und bewohnt wurde. Dort machte Cohen die Literaturzeitschrift ‹Gnaoua›, produzierte Aufnahmen einer musikalischen Trancebruderschaft und gab unter dem Titel ‹Panama Rose› ein Haschisch-Kochbuch heraus. Zurück in New York entwickelte Cohen die MylarTechnik, eine filmische und fotografische Zerrspiegeltechnik, und porträtierte so Persönlichkeiten wie John McLaughlin oder Jimi Hendrix, aber auch die psychedelische Band Spirit für das Plattencover von ‹The Twelve Dreams of Dr. Sardonicus›. Daneben spielte er in Filmen mit und produzierte selbst welche. In den 70ern brach Cohen nach Kathmandu in Nepal auf, wo er eine Künstlerkolonie gründete und auf einer Reispapier-Handpresse amerikanische Literatur in Erstausgaben druckte.
einer Lesung, wo er noch darüber scherzt, das sei wie ein Schauer, wie eine Hirndusche gewesen. Doch der dritte hat ihn ziemlich heftig getroffen. Danach konnte er nicht mehr so leben, wie er wollte.›
Journey to Switzerland
Ira in seiner New Yorker Wohnung.
Der Luzerner Autor und Journalist Pirmin Bossart erinnert sich: ‹Da war dieser Laden in der Freak Street – einer schmalen Gasse, wo all die Hippies lebten – der Reispapierdrucke verkaufte. Rundherum hatte es viele andere kleine Shops, die Kleider feilboten, tibetische Tankas und Reispapierdrucke mit Götterbildnissen drauf.› Es folgten weitere ausgedehnte Reisen, während New York bis zu seinem Lebensende Cohens Homebase blieb, zu der er stets wieder zurückkehrte.
Letters to St. Gallen
Brief an Florian Vetsch, entstanden während Cohens Schweizbesuch im Jahr 2000.
kinki report
Ich fahre nach St. Gallen, um mich mit Iras deutschem Übersetzer zu treffen. Florian Vetsch empfängt mich in seinem Arbeitszimmer. Auf dem Pult liegen Stapel marokkanischer Ledermappen, die die Korrespondenz mit dem Dichter beinhalten. Vetsch erzählt, wie es zu dieser Verbindung kam: ‹Nachdem mir die Zürcher Künstlerin Lisa Schiess 1997 Iras Telefonnummer gegeben hatte, rief ich ihn noch am selben Abend an. Ein exorbitantes Gespräch, gefolgt von einer ersten überwältigenden Postsendung mit diversen Materialien. Ich beschaffte mir daraufhin alle Publikationen von ihm und sah, was Ira Cohen für ein brillanter Dichter und Raconteur ist. So wuchs in mir das Interesse, sein Werk ins Deutsche zu übersetzen. Gleichzeitig arbeitete ich in dieser Zeit am «Tanger Telegramm», einer Anthologie mit über 60 Beiträgen, für die mir Ira sehr viel Input gab: Fotografien, Stoff, Gedichte, das Haschisch-Kochbuch, Hinweise auf Schreiber und Adressen. Wir hatten einen enorm reichen Austausch bis zu dem Zeitpunkt, wo es Ira nicht mehr so gut ging. Er erlitt drei Hirnschläge. Von der Zeit nach dem zweiten gibt es eine CD von 92
In den Jahren 2000 und 2005 war Ira Cohen in der Schweiz zu Besuch. Im Jahr 2000 wurden im Kino Xenix seine Filme gezeigt und er las über zwei Stunden vor 200 Leuten. Eine weitere Lesung fand im Lyrik-Kabinett in München statt. Vetsch erinnert sich: ‹Kaum hatten wir die deutsche Grenze überfahren, begann er auf die Leute zu zeigen: Was hat wohl der im Krieg gemacht, was sein Vater? Er stellte die ganze Zeit Bezüge zum Dritten Reich her, was auf der Rückfahrt darin mündete, dass er auf dem Rücksitz des Cadillacs den «Stauffenberg-Cycle» vortrug, weil er das Gedicht unbedingt einmal auf deutschem Boden lesen wollte. So hat er eine 20minütige Performance gegeben. Auf dem Rücksitz des Cadillacs, wo er sass und sein ganzes Zeug verstreut war, in einem gigantischen Durcheinander. Ira war bekannt dafür, dass er nie aufhörte zu reden. Der Schriftsteller Paul Bowles sagte über ihn deshalb: «If he said we talked it
‹Dazu kam, dass Ira an Schlaflosigkeit litt. Er redete und redete und schlief nie.› meant he talked.» Und seine Tochter Lakshmi meinte einmal zu ihm: «Dad you’re talking the brain out of my head.» Das ging bei Ira praktisch nahtlos über in seine Lesungen. Als er von der Bühne kam, ging’s weiter. Dazu kam, dass Ira zu dieser Zeit an Schlaflosigkeit litt. Er redete und redete und schlief nie.› Angesprochen auf Ira Cohens literarische Relevanz holt Vetsch aus: ‹Ira Cohen war eher ein Autor für Autoren. Ein Fluidum, eine Art «Sein», das weiterwirkt, übers Werk hinausgeht. Eine Essenz. Cohen hat Brion Gysin sehr geschätzt. Bei ihm ist ebenfalls das Werk das eine, das andere aber seine Persönlichkeit, sein Wirken, das extrem viel auslöste.›
Von Beat zu Slam
Nach Vetschs Meinung lebt die Beat Generation auch in der Gegenwartsliteratur weiter: ‹Da wurde ein ganzer Strom freigesetzt. Eine Mündlichkeit hat Einzug in die Literatur gehalten.› Als Fackelträger nennt er beispielsweise Jan Off. ‹Ich denke aber, es gibt noch jüngere Leute, die aus der Slam-Szene herauskommen, deren Literatur dann nicht mehr viel mit Slam zu tun hat, die aber doch weiter in diesem BeatStil schreiben, der einerseits offen ist für diverse künstlerische Ausflüge und andererseits auch die ganz direkte Alltagssprache beinhaltet.› Beat sei mit Sicherheit ein Vorläufer der Social-Beat-, Slam- und Spoken-Word-Szene gewesen, wahrscheinlich ohne dass es die Slammer wirklich wussten. ‹Bei den Performan-
ces waren die Beats Pioniere. Natürlich lesen die Slammer nicht mehr Poesie zu Bebop, doch das Andocken an die Musik, das begann dort›, meint Vetsch. Einer der ganz frühen Dichter, der seine Poesie zu Livemusik zum Besten gab,
‹Ein ganzer Strom wurde freigesetzt. Eine Mündlichkeit hat Einzug in die Literatur gehalten.› war übrigens der Schweizer Urban Gwerder, der Anfang der 60er-Jahre in Küsnacht als Performance-Poet debütierte – unter anderem begleitet von Irené Schweizer – und später mit ihr die legendäre Poëtenz-Show veranstaltete.
Auf Deutschlandtour mit Peter Eigenmann und Florian Vetsch.
‹Ira flew away today at approximately 6.30 pm.›
Die Reise geht weiter
Schaut man sich heute in der Szene um, entdeckt man Anzeichen für ein Revival: Vor kurzem erschienen erweiterte Übersetzungen von ‹Naked Lunch› und ‹On the Road›, aber auch Filme über ‹Howl› und Burroughs’ Vita sorgten für Furore. Im deutschsprachigen Raum ist der Bukowski-, Burroughs- und Ginsberg-Übersetzer Carl Weissner unter die Literaten gegangen – als nächstes erscheint im Herbst ein New York Tagebuch aus den 60ern. In Zürich hat der neu gegründete SIC!-Verlag als eines seiner ersten Bücher ‹Unterwegssein ist alles› von Jürgen Ploog herausgebracht. Auf die Frage, warum gerade Ploog, antwortet der junge SIC!-Verleger Daniel Ketteler: ‹Mir gefiel das Kompromisslose an seiner Haltung. Überhaupt die Selbstironie, der Versuchscharakter, das Unabgeschlossene. Das fasziniert mich am Beat und Cut-up. Die Suche, das Unterwegssein.› Reader wie der von Florian Vetsch editierte ‹Ploog-Tanker› oder Websites wie realitystudio.org und gasolinconnection.wordpress.com machen vergriffene Texte wieder zugänglich und ziehen die Aufmerksamkeit eines jungen Publikums auf sich. Die neue Generation findet sich in den teilweise doch recht assoziativen, experimentellen Texten besser zurecht als ihre Vorgänger. Sie ist nämlich in moralisch neutraler Multimedialität aufgewachsen und interkulturellen Austausch gewohnt. Wie sang Robert Earl Keen so treffend: ‹The road goes on forever and the party never ends ...› Am 27. April wurde Ira Cohen neben seinen Eltern und Grosseltern auf dem Mt. Lebanon Cemetery in Queen beerdigt. Während der Beerdigung stieg ein majestätischer Habicht über dem offenen Grab immer höher in den Himmel auf. Dies berichteten verschiedene Personen aus der Trauergemeinde. Auf kinkimag.ch findest du umfassende Literaturempfehlungen zu Werken der Beat Generation. Auf dem Weg nach München legen Cohen und Vetsch einen Zwischenstop beim Bikershop ein.
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Good Cop, Bad Cop Amerikanische Filmhelden sind öfter mal Polizist von Beruf. Und das mit einer Coolness, die lange schon Klischee geworden ist. John Wayne, Clint Eastwood, Steve McQueen, Brad Pitt … Sie alle spielten und spielen Fahnder. Hollywood und die Cops – eine Lovestory. Text: Sandra Schweizer Csillany, Illustration: Sean Morris
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in Mann im beigen Trenchcoat packt den Bösewicht, der gerade im Gewühl der Strasse unauffällig türmen will, unsanft am Kragen. Er nimmt seine verspiegelte Sonnenbrille ab und rattert für hiesige Ohren unverständliche Dienstgrade und Zugehörigkeiten herunter wie ‹Chief Deputy NYPD›. Blitzschnell lässt er vor der Nase des Bösewichts seinen Polizeiausweis tanzen, als handle es sich um ein Schmetterlingsmesser. Dabei schwitzt er trotz der Verfolgungsjagd zu Fuss um ein paar Blocks herum nur gerade soviel, dass der Ansatz des nachlässig frisierten, aber stets exakt geschnittenen Haares ein wenig schimmert. Willkommen im Einsatz. Willkommen in Hollywood. Doch wieso sind amerikanische Cops so viel cooler als die der restlichen Länder dieser Erde? Erstens: Der Vergleich ist natürlich ungerecht. Auch amerikanische Strassenpolizisten hinken in Sachen Coolness ihren Fahnder-Kollegen in Zivil meilenweit hintendrein. Man denke nur an ‹Police Academy›. Zweitens: Die US-Filmpolizisten sind immer dann am einnehmendsten, wenn sie sich ein bisschen gegen die Norm auflehnen und über ihr ‹Polizisten-Ich› hinauswachsen. Und diese Freiheit nehmen sie sich ziemlich oft. Drittens: Amerikanische Filmpolizisten sind total lässig, weil Hollywood in Amerika liegt und nicht anderswo.
Alles muss man selber machen: der amerikanische Cop als Wächter der Werte und knallharter Verfechter der Selbstjustiz.
Eine fruchtbare Liebesgeschichte
Der supercoole Cop in unseren Köpfen ist nämlich ein Klischee, das Hollywood dorthin gepflanzt hat. Begonnen hat dies schon sehr früh. Anfang des 20. Jahrhunderts, als in den USA eine Polizei im heutigen Sinn entstanden ist, etablierte sich etwa zur gleichen Zeit auch die Filmindustrie. Vorher war die Durchsetzung von Recht ebenso Glückssache wie die Projektion von kinki report
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Filmen. Aber die Filmtechnik verbesserte sich, die Zuschauer verlangten nach längeren Filmen und vor allem nach einer zusammenhängenden Story. Ausserdem erfand Hollywood den modernen Filmstarkult. Vielleicht lieben sich Polizeigeschichten und Kino deshalb so sehr, weil sie sich gegenseitig so wunderbar ergänzen: Die reale Fahnderwelt versorgt Hollywood mit Geschichten und Heldenrollen, die seine Stars so richtig zum Aufblühen bringen, und das Kino
Die US-Filmpolizisten sind immer dann am einnehmendsten, wenn sie sich ein bisschen gegen die Norm auflehnen. macht aus dem Polizeidienst ein Heldentum. Filmhistoriker wie M. Ray Lott datieren die ersten Krimis der Filmgeschichte auf das Jahr 1913. Seither sind Tausende von Streifen über Polizisten und ihre Abenteuer gedreht worden.
Bullitt, der coole Hund
Polizisten als Helden im Film gibt es in unterschiedlichen Genres: ‹Bullitt›, ein Klassiker des modernen Actionfilm-Genres, führte uns 1967 den wortkargen, abgebrühten Idealisten Frank Bullitt vor. Dieser lässt sich nicht einmal in einer ‹todsicheren› Verfolgungsjagd unter Druck setzen. Wir schiessen mit ihm über die steilen Strassen San Franciscos und spüren das flaue Gefühl im Magen, wenn die Schwerkraft den Wagen aus der Höhe wieder zurück auf den Asphalt der Strasse wuchtet. Frank Bullitt ist ein cooler Hund. Wird er vom undurchsichtigen Staatsanwalt Chalmers mit Sätzen wie ‹Frank, wir müssen alle Kompromisse machen›, angegangen, sagt er einfach: ‹Bullshit!› Der Film wirkt unterkühlt und liefert pure 60er-Jahre-Ästhetik. Vor allem aber war er als Actionfilm genrebildend, und McQueen wurde durch ihn zum Superstar.
Die Polizei in allen Gassen
Dagegen quatschen die zwei Fahnder Starsky und Hutch im gleichnamigen Krimi-Klamauk von 2004 ohne Ende, feiern ausgelassene Partys und müssen einige Niederlagen einstecken, bevor sie mit mehr Glück als Verstand den Bösewicht entlarven. Der Streifen ist ein Prequel der erfolgreichen Cop-Serie ‹Starsky & Hutch›, die von 1975 bis 1979 produziert wurde. Er schildert, wie Starsky und Hutch (in der ursprünglichen Serie gespielt von Paul Michael Glaser und David Soul) gemeinsam ihren ersten Fall lösen. Zahlreiche TV-Serien haben am Cop-Image mitgebastelt: In den 1970er-Jahren etwa waren Michael Douglas und Karl Malden ‹In den Strassen von San Francisco› unterwegs. Und in ‹Miami Vice›, der Serien-Ikone aus den 80ern, brausten Don Johnson und Philip Michael Thomas mit Marken-Sonnenbrillen auf der Nase, Armani-Jackets am muskulösen Körper
und Lederslippern an den nackten Füssen durch ein pastellfarbenes Art-Déco-Miami. Der Western kennt ebenso seine Sheriffs (John Wayne in ‹Rainbow Valley›, 1935) wie der Science Fiction Film (Will Smith in ‹I, Robot›, 2004). Im Serienkillerfilm ‹Seven› von 1995 jagt Brad Pitt in der Grossstadt im Dauerregen dem Mörder in nie gekannte Abgründe nach. Was viele der Polizei-Helden tatsächlich verbindet, ist, dass sie im Grunde idealistisch sind, sich aber ihre eigenen Regeln zusammengeschustert haben. Sie sind zum Beispiel gegen ihren Willen mit einem Fall betraut, verbeissen sich aber dann in die Nachforschungen, weil sie sich selbst treu bleiben müssen. Sie sind nonkonformistisch und verhalten sich öfter mal nicht ganz nach den Regeln (Clint Eastwod in ‹Dirty Harry›, 1971) oder haben Laster (Owen Wilson in ‹Starsky and Hutch›). Je weniger der Polizist Polizist ist und je mehr eigenmächtiger Ermittler, desto besser. Ein Hoch auf die Selbstjustiz!
Bullenschweine
Doch wo viel Licht ist, da ist auch Schatten. Deshalb gibt es in Hollywood neben den guten natürlich auch die schlechten Cops. Und oft treten die guten und schlechten im selben Film auf, denn der böse Vorgesetzte eignet sich hervorragend dazu, den Helden noch etwas vorteilhafter erscheinen zu lassen. Oder aber die Polizisten müssen einen Fall gemeinsam lösen: Das Duo findet anfänglich nur mühsam zusammen, weil es einfach zu verschieden ist und sich konkurriert. Dann nehmen sich die Individualisten zurück, und der Weg ist frei für eine wunderbare Polizistenfreundschaft. Und diese Freundschaften halten bekanntlich wie
Die Polizei-Helden sind im Grunde idealistisch, schustern sich aber ihre eigenen Regeln zusammen. Pech und Schwefel. Die Traumfabrik besetzt die Rollen der guten Cops mit Stars wie Al Pacino, Brad Pitt oder eben Clint Eastwood, während die Bösen zwar schauspielerische Höchstleistungen vollbringen – aber wer bitteschön würde sich schon ein Poster von Tommy Lee Jones an die Wand hängen?
Gesellschaftlich relevant?
Das gilt zwar nicht unbedingt für die mittlerweile inflationär am Serienabend einfallenden TVPolizeiserien wie ‹CSI› oder ‹The Closer›, aber: Polizeifilme sagen etwas über die Gesellschaft aus. Entweder über die, in der sie ihre Handlungen ansetzen, oder über jene der Entstehungszeit selber. Weil sie zeigen, wie mit Recht und Gerechtigkeit umgegangen wird. Oder zumindest, wie damit umgegangen werden könnte. Beispiele lassen sich ohne weiteres finden. Die zweite Hälfte der 60er-Jahre, eine Zeit des Umbruchs, wartete mit Sternstunden des 95
Polizeifilm-Genres auf. Im selben Jahr wie McQueen in ‹Bullitt› traten in ‹In the Heat of the Night› weitere ungewöhnliche Fahnder auf. Im provokativen Thriller von 1967 bekommen wir es als Zuschauer mit zwei Cops zu tun. Einerseits mit dem unsympathischen, rassistischen und zynischen Chief Bill Gillespie (Rod Steiger), andererseits mit einem Polizisten der Mordkommission Philadelphias, Virgil Tibbs (Sidney Poitier). Tibbs: schwarz, gutaussehend, entschlossen und unglaublich lässig. Gillespie: endlos Kaugummi kauend, übergewichtig, man sieht ihm seinen Bluthochdruck deutlich an. Sheriff Gillespie bittet den zufällig anwesenden Tibbs um Mithilfe bei der Aufklärung eines Mordfalls. Aber Tibbs ziert sich – aus verständlichen Gründen. Denn zuvor hatten ihn die Männer des Sheriffs ohne Verhör und lediglich aufgrund seiner Hautfarbe als Verdächtigen in eben diesem Mordfall verhaftet. Darauf meint Gillespie: ‹Es wäre mir ein Vergnügen, dich auszupeitschen.› Der schwarze Mann aus dem Norden lässt sich aber nicht provozieren, sondern lacht seinem ungeliebten Kollegen höhnisch ins Gesicht. Der von Ray Charles stammende Titelsong sowie die Bilder von ‹In the Heat of the Night› erzählen von einer Südstaaten-Welt, der es egal ist, dass es Gesetze der Gleichberechtigung gibt. Und in der in heissen Nächten auch sonst so einiges aus dem Ruder läuft. Gut, dass es da Männer wie Virgil Tibbs gibt. Der ist ebenso wie Frank Bullitt ein einsamer Wolf, aber integer, mutig und stark. Entschlossen, die Schuldigen zur Rechenschaft zu ziehen. Beide sind letztlich nicht mehr nur Gesetzeshüter, sondern Verfechter der Moral. Gut also, dass es die Cops aus Hollywood gibt. Wer sonst sollte auf dieser Welt für Ordnung sorgen? Ein gottverdammter Bulle natürlich!
maske art must be beautiful
Jeden Monat setzen an dieser Stelle Schweizer Künstler drei Beauty-Produkte in Szene. Alex Schauwecker stellten wir die Landesfarben der USA zur Verfügung. Und unbegrenzte Möglichkeiten! NARS: Long Wear Eyeliner ‹Larger than Life›
Lancôme: French Manhattan CosmeTouch Absolu Liptics: M Collection penstift ‹Rouge 29› Nail Polish ‹12D›
Seit dem 1. August gibt es diesen Long-Wear Eyeliner der Herbst- / Winterkollektion von NARS zu haben! Er malt weich und cremig, und besticht durch sein intensives und lang anhaltendes Nachtblau. Ca. CHF 40.–
Der verführerische ‹Rouge 29›-Lippenstift von Lancôme steht mit seinem wunderschönen Vintage-Design ganz im Zeichen der 40erJahre. Ein Muss für jede Frau mit Vorliebe für französisches Flair. CHF 6.50.–
‹Mahattan› steht nicht nur für New Yorks überteuertes Business District, sondern auch für einen der beliebtesten Make-up Hersteller. Diesen cremefarbenen Nagellack mögen einige von euch bereits aus unserer kinki Goodiebag kennen … CHF 48.–
Alex Schauwecker Alex Schauwecker ist nicht nur als Zeichner, Illustrator und Maler tätig, sondern ebenso als Kleiderlabel- und Verlagsgründer von Hakuin Airlines. Inspiration zu seinem Bild war die Auseinandersetzung mit weiblichen Schönheitsidealen: ‹Beim Zeichnen habe ich mir überlegt, wie genau mein eigenes Frauenbild eigentlich aussieht. Welches FrauenSchönheitsideal kann ich mit gutem Gewissen vertreten? Was ist überhaupt ein «menschliches» Frauenbild? Was für Ideen und Werte von Schönheit soll ich zeichnen?› Entschieden hat sich Alex schliesslich für eine Miss kinki Anwärterin – schön! Text und Realisation: Nicola Fischer
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Portland of the Free
Während im vergangenen Jahrhundert New York City als Stadt der unbegrenzten Möglichkeiten galt, macht sich nun eine junge Generation amerikanischer Künstler auf, Neuland zu entdecken. Dabei entwickelt sich das alternative Portland mehr und mehr zu einem Zentrum junger innovativer Kunst. Diana Moro López traf fünf Künstler, die in der Szene mitmischen. Fotos: Appendix kinki kunst
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ünf Boroughs, 8,3 Millionen Einwohner, 200 Museen, 500 Galerien: New York ist in den USA der Brennpunkt für Kunst. Das Metronom des Zeitgeistes schlägt hier schneller als irgendwo sonst, unzählige Ausstellungsorte zeigen jede noch so kleine Bewegung der zeitgenössischen Kunst. Seit den 50er-Jahren, als mit den abstrakten Expressionisten die erste bedeutende amerikanische Avantgarde entstand, ist die Metropole ein Magnet für Künstler aus aller Welt. Wichtige Strömungen des 20. Jahrhunderts wie Pop, Happening und Minimal Art sind in der Megacity verankert. Es ist ein pulsierender Motor, der die Kunstwelt in Gang hält, ein herausfordernder, anstrengender Ort. Selbst als Manhattan für die amerikanische Avantgarde an Bedeutung verlor,
Ein Raum, in dem man leben und arbeiten kann, ist für die meisten jungen Kreativen in New York unbezahlbar. gelang es Bezirken wie Williamsburg oder Greenpoint in Brooklyn, weltweite Aufmerksamkeit mit jungen talentierten Künstlern und Musikern auf sich zu ziehen. Der Platz in New York wird indes immer knapper – und teurer. Ein Raum, in dem man leben und arbeiten kann, ist für die meisten jungen Kreativen unbezahlbar. Obwohl New York immer noch als der beste Ort gilt, um sich als Künstler einen Namen zu machen und sich die Türen zum internationalen Markt zu öffnen, ziehen viele junge amerikanische Künstler weiter, auf der Suche nach freiem Raum zum Leben und Arbeiten sowie nach einem anderen Lebensstil.
auf Gleichgesinnte. Unter ihnen Maggie Casey, 27, und Benjamin Young, 26, beides aufstrebende Künstler, die ihre Arbeiten landesweit in Galerien ausstellen. Eine gemeinsame Installation an der State University of Oregon legt den Grundstein für ihre Arbeit als Künstlerkollektiv. Zunächst zeigen sie nur eigene Arbeiten in ihrer Garage, später kuratiert ein Freund eine Ausstellung, und schliesslich entsteht daraus ‹Appendix›, ein Raum für Installation und Performance. Bald stösst Travis Fitzgerald, 23, ebenfalls Absolvent der WesleyanKunstfakultät, dazu. In dieser Konstellation kuratieren die fünf jungen Künstler nun seit drei Jahren regelmässig Ausstellungen.
Künstler als Kurator
Travis Fitzgerald erklärt den Charakter des Appendix-Showrooms so: ‹Wir sind weniger am tatsächlichen Endprodukt eines Künstlers interessiert als vielmehr daran, mit ihm in einen Dialog zu treten. Deswegen laden wir unsere Künstler ein, drei Wochen bei uns zu verbringen, um mit uns gemeinsam Ideen auszutauschen, die Arbeit zu besprechen und zu entwickeln.› Und so finden projektorientierte, experimentelle Arbeiten den Weg in die Appendix-Räume. Etwa die Klangperformance der Oregon Painting Society, bei der das Kollektiv aus Kunststudenten und Musikern selbstgebauten Instrumenten Töne in einer sechsstündigen Performance entlockte. Oder die Arbeiten von Laura Hughes, die während ihres Aufenthaltes bei Appendix die Schatten im Raum verfolgte und mit fluoreszierender Farbe nachmalte, um so eine Verbindung zwischen Licht, Zeit und Architektur herzustellen.
Less money, less problems
So zum Beispiel Josh Pavlacky und Zachary Davis, beide 25, die es nach dem Kunststudium an der berühmt-berüchtigten Talentschmiede Wesleyan University in Connecticut nach Portland zog. Die Stadt im nordwestlichen Bundesstaat Oregon verfügt über eine halbe Million Einwohner, ein knappes Dutzend Museen und die höchste Dichte an Brauereien in den USA. Portland ist in Europa vorwiegend für ihre vielfältige Musikszene bekannt: Bands und Musiker wie Dead Moon, Dandy Warhols, Portugal. The Man und Courtney Love sind hier beheimatet. Ausserdem gilt die Stadt als ein Zentrum liberaler Lebensentwürfe und ist seit den späten 60ern eine Alternative zur überlaufenen HippieHochburg San Francisco. Portland ist eine arme Stadt, bevölkert von jungen Leuten, die ohne finanziellen Druck ihre Ideen verwirklichen möchten. Josh und Zack mieten dort 2008 ein Haus und nutzen dessen Garage als Arbeits- und gelegentlichen Präsentationsraum. Die ansässige Kunstszene ist lebendig, gleichzeitig aber klein und überschaubar. Die beiden Weggefährten treffen schnell 107
Linke Seite: Aussenansicht des Appendix Art Space während Garry Robbins’ Ausstellung im vergangenen Frühjahr. Oben: Kunst statt Kommerz, Freiheit statt Stress: die Macher des Appendix Artspace geniessen die Vorzüge Portlands. Unten: Carlos Gonzalez zeigte im Februar die Performance <4More> im Appendix Art Space.
Installationen, Skulpturen oder Performances bestimmen den Grossteil der Ausstellungen, dennoch möchte sich das Team nicht auf eine bestimmte Richtung festlegen. Der Grundgedanke ist komplexer und breiter gefächert: ‹Wir laden Künstler ein, von denen wir etwas lernen können, mit denen wir uns austauschen möchten. Unsere kuratorische Arbeit findet aus der Perspektive eines Künstlers statt – daher wissen wir oft selbst nicht, wo uns der Prozess hinführt. Aber das macht für uns das Innovative am Projekt aus›, erklärt Ben Young. ‹Da wir anfangs nicht viel über Performance wussten, entschieden wir uns, in unserem Hof einen Raum dafür einzurichten, und so eine Plattform für die lokale Performance-Szene zu schaffen. Wir wollten mehr über diese Kunstform erfahren, um so unsere eigenen Ideen zu entwickeln und diese zu präsentieren›, ergänzt Travis. Das Kollektiv sieht das eigene Schaffen im direkten Zusammenhang zur Wahlheimat. Dass vorwiegend Künstler aus Portland bei Appendix ausstellen, ist nur ein Aspekt. Ben schätzt vor allem die Offenheit der Stadt als sehr inspirierend. Auch Zachary Davis sieht Portland als Magnet und neu entstehende Plattform für junge Kunst: ‹Es gibt eine Energie hier, die etablierte Regeln bewusst bricht. Wir haben das in anderen Städten in den USA noch nie so erlebt.›
Made here
Nach und nach reagieren auch grössere Institutionen auf die explodierende Kunstszene. Das Portland Institute for Contemporary Art, kurz PICA, etwa fördert mit einem jährlichen Festival die nachwachsende Künstlergeneration. Ende der 90er gegründet, begann es mit Shows in leer stehenden Fabrikhallen und organisiert nun regelmässig Lesungen, Performances und Ausstellungen in der ganzen Stadt. Das PICA präsentierte in diesem Frühjahr ‹Made Here›, eine Dokumentation über Künstler in Portland und New York City. Wie sieht das Appendix-Kollektiv die Beziehung beider Städte? ‹New York und Portland unterscheiden sich sehr›, ist sich das
Team einig. ‹In NYC herrscht die alte Idee des Kapitalismus vor, auch und vor allem in der Kunst. Die Szene ist durch und durch institutionalisiert, es wird einem vorgemacht, dass man alles erreichen kann, wenn man nur hart genug dafür arbeitet. Die momentane Wirtschaftskrise in den USA hat uns gezeigt, dass das ein Irrtum ist›, erklärt Ben. ‹An einem Ort wie Portland haben wir die Möglichkeit, ohne jegliche Hilfe von Institutionen unsere Ideen in die Tat umzusetzen.›
Home of the brave
Travis erzählt, dass es hier viel leichter sei, Leute kennenzulernen. ‹Die Leute, die ich in New York kenne, erzählen mir, es sei dort ungemein schwierig, Kontakte zu knüpfen, weil niemand Zeit hat. Jeder ist ständig im Stress, kämpft ums Überleben. In Portland ist es nicht so hart, weil es günstiger hier ist. Wir können es uns zum Beispiel leisten, ein ganzes Haus zu mieten und haben so genügend Platz, um uns im Atelier und im Ausstellungsraum zu entfalten.› Appendix ist bewusst als nichtkommerzieller Raum konzipiert worden. Das Team finanziert sich selbst, einzige Einnahmequelle war eine selbstorganisierte Tombola, bei der Kunstwerke verlost und 1 500 Dollar sowie ein Kasten Bier eingenommen wurden. Das musste für die nächste Zeit reichen. Zack sieht sich mit diesem Ansatz nicht alleine: ‹Es werden momentan viele Projekte gemacht, bei denen es nicht darum geht, Geld zu machen. Man geht zwar Risiken ein, zugleich ist man aber auch viel fokussierter auf das Wesentliche.› Entgegen dem Klischee des ‹American Dream› zeigt Portlands Kunstszene ein neues Gesicht der USA, fern von Grössenwahn und Profitgier. Dem zunehmend industriell anmutenden Kunstmarkt zum Trotz bildet sich hier eine Avantgarde heraus, die konsequent ihre Ideen auslebt. Dies zeigt, dass der Spruch ‹Land of the free, home of the brave› seine Bedeutung noch nicht ganz verloren hat.
Garry Robbins Installation ‹Fan Death›.
kinki kunst
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‹Es gibt eine Energie hier in Portland, die etablierte Regeln bewusst bricht. Wir haben das in anderen Städten in den USA noch nie erlebt.›
schauplatz die besten adressen für kunst
Nach ausgiebigen Aufenthalten in nördlichen Gefilden zieht es uns diesen Monat in die mediterrane Stadt der Tapas und bunten Mosaike: nach Barcelona. Auf der Suche nach einer Galerie, die der farbenfrohen Natur ihrer Stadt gleichkommt stiessen wir dort auf die ADN Galería. Text: Franziska von Stieglitz
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n Eixample, dem verworrenen Häuserviertelkonstrukt des Stadtplaners Ildefons Cerdà, befindet sich die ADN Galería. Sie wurde 2003 gegründet, um eine Plattform zwischen kommerzieller Vermittlung und kultureller Verbreitung für Künstler zu schaffen. Ziel der Galerie ist es, die Ideen und Trends zeitgenössischer Künstler aus aller Welt zu präsentieren. Dabei fügen sich die ausgestellten Werke erstaunlich gut in das Stadtbild: Sie sind jung, farbenfroh, poppig, humorvoll und verspielt. Den Verantwortlichen Miguel Ángel Sánchez und Susanna Corchia ist es besonders wichtig, in den turbulenten Zeiten der Zeitgenössischen Kunst einen ‹Background› für kreative Talente zu schaffen. Eine Basis, auf der sie sich entwickeln können. Miguel und Susanna begleiten die jungen Künstler auf ihrem Weg zum Erfolg und vertreten sie auch auf internationalen Kunstmessen wie der
kinki schauplatz
Bruno Peinado, Virginie Barré und andere beschäftigen sich mit der Ikonografie der Massenmedien, dem Chaos als kreativem Prinzip und der Geschichte der Popkultur. Bis Ende Juli ist die Partnerausstellung ‹Wild Angle› von Bruno Peinado und ‹Close Up› von Virginie Barré zu sehen. Während Barré in ‹Close Up› die Technik der Nahaufnahmen adaptiert und Protagonisten aus Cartoons und Film in Installationen und Zeichnungen neu in Szene setzt, nimmt Peinado den ‹Wild Angle› ein, um in seinen Objekten humorvoll Werke der Popart zu verarbeiten. Im September wird eine gemeinsame Ausstellung von Abdelkader Benchamma, der für seine verzerrten Wandmalereien bekannt ist, und Ulrich Vogl zu sehen sein. Im November wird Kendell Geers mit neuen Werken, die er extra für die ADN Galería erarbeitet hat, in Barcelona präsent sein. Ein Grund mehr, die katalonische Stadt zu besuchen.
ArtBRUSSELS, der LOOP oder − gerade kürzlich − der VOLTASHOW 7 in Basel.
Wilde Winkel
Die ADN Galería verfolgt eine klare Linie. So interessieren sich Miguel und Susanna etwa für Künstler, die einer ‹persönlichen und intellektuellen Mythologie› nachgehen − wie zum Beispiel Tobias Bernstrup aus Schweden, Shiro Masuyama aus Japan oder Carlos Aires aus Spanien. Der Umgang mit urbanen Flächen und der heterogene Gebrauch dieser Flächen als Rückzugsort sind weitere bevorzugte Themen. Ausserdem werden Werke ausgestellt, die den öffentlichen Diskurs und den Begriff der Visualität kritisch hinterfragen. Diesen Ansatz verfolgen zum Beispiel die spanischen Künstler und Kollektive Concha Pérez, Santiago Cirugeda, Chus Garcia-Fraile und Democracia. Eine weitere Sparte der Galerie widmet sich der Post-Pop Art. 112
Oben links: Die ADN Galería, Ausstellung von Bruno Peinado Oben rechts: Ulrich Vogl Unten: Abdelkader Benchamma ADN Galería c/ Enrique Granados, 49 08008 Barcelona Spanien Dienstag – Freitag: 10 – 14 und 16.30 – 20 Uhr Samstag: 11 – 14 und 17 – 20.30 Uhr Montag: nach Vereinbarung Weitere Info findest du unter adngaleria.com.
AM T Z T E J KIOSK
ISSUE
henry und paul
Von unfreiwilligen Schmerzen. Und Mammuts. Und Sturmgewehren. Text: Roman Neumann, Foto: Philippe Sir? Sprich, Henry. Wie war Ihr Ausflug, Sir? Ah, Henry. Im schönen Emmental entzückt mich die psychologisch raffinierte Art und Weise, mit der die Einheimischen miteinander kommunizieren. Wie meinen Sie das, Sir? Im Restaurant Bahnhof konnte ich einige Gespräche am Nebentisch mitverfolgen. So ging es vordergründig zwar zum Beispiel um Onkel Alfreds Bein, hintergründig jedoch prüfte man geschickt, ob das Gegenüber noch Bescheid wusste über die Geschehnisse im Dorfe. Warum das? Ach, ein alter Gemeinschaftssinn. Wer sich nicht einfügt in das gesellschaftliche Gefüge, wird rausgeschmissen. War ja schon immer so. Wer sich bei den Neandertalern während des fröhlichen Mammutfestessens als Vegetarier outete, wurde ja auch umgehend exekutiert. Sie wollen doch Emmentaler nicht als Neandertaler bezeichnen, Sir? Um Himmels Willen, nein! Wobei die Vegetarier-Quote im Emmental wohl unterirdisch ist. Aber Henry, so lass mich zu Ende berichten. Am Nebentisch wurde fleissig übers Dorfleben diskutiert. Lästereien, Sir? Warte, Henry. Wir profillosen Städter lauschten angestrengt, wollten teilhaben an diesem wundervollen Gebräu an Rassismus und zärtlicher Nächstenliebe. Nächstenliebe, Sir? Ja, Henry! Denn so gerne der Einheimische über Neues und Unbekanntes schimpft, so loyal verhält er sich als guter Nachbar. Wenn zum Beispiel ein Einbrecher im Haus nebenan zuschlägt, so würde er kein Sekündchen zögern, die Heugabel oder das Sturmgewehr zu ergreifen, um dem Rabauken ein paar Löcher mehr zu verpassen! kinki henry und paul
Grauenhaft, Sir. Wieso denn, Henry? Die Waffenwahl ist eine reine Abwägungssache. Beim Sturmgewehr ist positiv anzumerken, dass bereits ein Streifschuss einen Blutschock auslöst, welcher dem Getroffenen übel mitspielen kann. Jeder Freund der raschen Exekution wird nun bemängeln, dass zuvor noch die Ladebewegung ausgeführt werden muss, was so einen auf Stille bedachten Menschen, wie es der Einbrecher naturgemäss nun mal ist, ziemlich schnell in die Flucht treiben kann.
Degen gleich zugestossen, und es pfeift und zischt aus dem Brustkorb des unfreiwillig perforierten kleptomanisch veranlagten Mitbürgers. Und der kann sich ja nicht wehren, da er Stereoanlagen, Halsketten und Eheringe in seinen diebischen Fingern hält. Schrecklich, Sir. Nun prasselt das ganze ungebremst zu Boden, was bei der Bodenbeschaffenheit im Emmental zu einem weiteren Schaden führen kann. Ein verzwickter Versicherungsfall! Mach da mal eine Schadensskizze!
Fürchterlich, Sir. Nun würde sich für einen erfolgreichen Angriff die gut in der Hand liegende, mit drei Zinken versehene Heugabel anbieten. Einem 114
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