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Kommunalunternehmen und Krankenhausfusion

Das Klinikum wird Kommunalunternehmen

Im Mai 1997 traf der Nürnberger Stadtrat nach längeren, kontroversen Debatten mit großer Mehrheit eine wegweisende Entscheidung. Das städtische Krankenhaus, bis dahin als Eigenbetrieb geführt, wird ab 1999 in ein selbstständiges Kommunalunternehmen umgewandelt - als erstes großes Krankenhaus in Bayern. Das große Ziel des „Abnabelungsprozesses“: in Eigenverantwortung auf kürzeren Wegen wirtschaftlich handeln und für die Patient*innen trotz der immer knapper werdenden Mittel im Gesundheitswesen eine Versorgung auf höchstem Niveau zu gewährleisten. Dr. Günther Beckstein erinnert sich noch gut:

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Dr. Günther Beckstein

„Als ich bayerischer Innenminister geworden war, wurde gerade viel privatisiert. In zahlreichen Gesprächen, die ich damals geführt habe, hatten sich insbesondere Gewerkschaftsvertreter heftig gegen einen solchen Schritt gewehrt, weil befürchtet wurde, dass dann nicht mehr das öffentlich-rechtliche Tarifrecht gegolten hätte“,

Andere Tarife wären zum Beispiel in einer GmbH bezahlt worden, die rein privatrechtlich orientiert und zudem auf eine Gewinnerzielung ausgerichtet ist.

Ein Eigenbetrieb - wie es das Nürnberger städtische Krankenhaus war - kann aber Gemeinden teuer zu stehen kommen, denn als Träger müssen sie zahlen, wenn das eigene Unternehmen in finanzielle Schieflage gerät, und zwar ohne jede Haftungsbegrenzung. Ein Grund für Kommunen, über andere Rechtsformen nachzudenken, die die Freiheiten der privaten Wirtschaft ermöglichen, aber der Haftung Grenzen setzen.

Beckstein wollte eine Lösung: „Ich habe meinen Mitarbeitern gesagt, wir bräuchten etwas, das in der Mitte liegt. Eine Rechtspersönlichkeit, die immer noch öffentlich-rechtlich ist, die damit dem Tarifrecht unterliegt und auch die Ansprüche erfüllt, also zum Beispiel dem Wohle der Gesundheit dient und nicht in erster Linie auf Gewinn aus ist.“

Mit dieser Idee hat der gelernte Jurist das Kommunalunternehmen „erfunden“. Seine Mitarbeiter arbeiteten dazu ein Gesetz aus, das im Juli 1995 in Kraft trat und später mit einer Verordnung ergänzt wurde. „Wir in Bayern waren die ersten, die so etwas gemacht haben. Nach und nach griffen weitere Bundesländer die Idee auf. Ein Kommunalunternehmen kann auf dem Markt freier auftreten als ein Eigenbetrieb.“

Das Modell wurde auch vom Städte- und Gemeindetag sehr begrüßt. „Das war hilfreich, denn aus der Wirtschaft standen manche dem Kommunalunternehmen kritisch gegenüber – sie hätten eine richtige Privatisierung bevorzugt“, sagt Beckstein. Schreibt ein Kommunalunternehmen rote Zahlen, muss die Kommune den Verlust nicht zwingend ausgleichen. „Es ist aber zweckmäßig, weil ein stark überschuldetes Unternehmen nicht mehr handlungsfähig ist“, so Beckstein.

Nachdem sich der Nürnberger Stadtrat für diese neue Rechtsform entschieden hatte, setzte Klaus Wambach als Gründungsvorstand die Umwandlung um. Die große Mehrheit der Beschäftigten stand hinter dem Modell, auch weil die Tarife oder die Altersversorgung durch die Zusatzkasse des öffentlichen Dienstes erhalten blieben. Alle Mitarbeiter*innen wurden unter den gleichen Bedingungen in das neue Unternehmen übernommen.

Krankenhausfusion

Zwei moderne Krankenhausstandorte im Nürnberger Land und ein Haus der Maximalversorgung als starker Partner an der Seite: Seit 2006 gehören die Krankenhäuser Nürnberger Land zum Klinikum Nürnberg. Für die 170.000 Bürgerinnen und Bürger im Landkreis Nürnberger Land wurde durch die deutschlandweit einmalige Fusion die wohnortnahe medizinische Versorgung auf höchstem medizinischem und pflegerischen Niveau gesichert.

Der Verkauf der Krankenhäuser Nürnberger Land durch den Landkreis an das Klinikum Nürnberg war 2006 eine kleine Sensation: Noch nie zuvor hatte ein kommunales Krankenhaus ein anderes Krankenhaus übernommen. Der Landkreis wollte mit dem Verkauf die Weichen für die langfristige Sicherung der medizinischen Gesundheitsversorgung. Nach längeren Verhandlungen stimmte das Kartellamt der Fusion schließlich zu.

Seitdem das Klinikum Nürnberg als Muttergesellschaft für die Krankenhäuser Nürnberger Land verantwortlich zeichnet, sind über 15 Jahre vergangenen. Seither hat sich vieles getan: Viele medizinische Dienstleister und die Verwaltung der Krankenhäuser in Lauf und Altdorf sind mittlerweile ans Klinikum angebunden. Aber auch medizinische Fachbereiche folgen der Strategie der Integration in den Unternehmensverbund.

So wurde die Anästhesie der Krankenhäuser Nürnberger Land 2018 in die Anästhesie des Klinikums vollständig integriert. Die Allgemein- und Viszeralchirurgie sind mit der Allgemein-, Viszeral- und Thoraxchirurgie des Klinikums 2020 zu einem Zentrum zusammengeführt worden. Auch zukünftig wird die Strategie des „Zusammenwachsens“ fortgeführt, da sie für die Versorgung der Bürger*innen im Nürnberger Land viele Vorteile bietet. Mit den weiteren Fachabteilungen Innere Medizin, Unfallchirurgie und orthopädische Chirurgie, Gynäkologie und Geburtshilfe, Anästhesie und Intensivmedizin, Urologie und Physikalische Therapie steht ihnen eine breite wohnortnahe medizinische Versorgung offen.

700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den Standorten Altdorf und Lauf versorgen heute über 30.000 stationäre und ambulante Patient*innen im Jahr. Seit 2019 sind die Krankenhäuser Nürnberger Land zudem Lehrkrankenhäuser der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität. Zum Unternehmen gehört außerdem eine Krankenhausdienstleistungsgesellschaft, die für den Reinigungsdienst verantwortlich ist.

Die Krankenhäuser Nürnberger Land blicken auf eine lange Tradition zurück. Das Krankenhaus Altdorf wurde als Distriktkrankenhaus 1894 gegründet und mehrmals erweitert und saniert. Das Krankenhaus Lauf wurde als moderner Neubau im Jahre 1962 auf der grünen Wiese am Fuße des Laufer Kunigundenbergs errichtet. Ursprünglich gab es im Landkreis noch das Krankenhaus Schnaittach, das seit 2003 nicht mehr in Betrieb ist, und das Krankenhaus Hersbruck, das 2019 geschlossen wurde. 2011 wurde das Ärztehaus „Ärzte Campus“ eröffnet.

Seit 2006 investiert das Klinikum Nürnberg kontinuierlich in die Infrastruktur der Krankenhäuser in Lauf und Altdorf. Nach einem neuen Bettenhaus wird das Krankenhaus Lauf in einem weiteren Bauabschnitt um 48 Betten erweitert, die aus Hersbruck nach Lauf verlagert werden. Zwei OP-Säle werden neu errichtet, sodass zukünftig in Lauf fünf OP-Säle zur Verfügung stehen. Die Notaufnahme wird neu gebaut. Außerdem wird der Altbau generalsaniert. Er wird zukünftig eine Funktionseinheit der Inneren Medizin und Dienstzimmer für Pflege und Ärzte enthalten.

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