Internasjonaleklipp 2010 Festspillene i Bergen

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So oft regnet

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es gar nicht Es ist eine alte Hansestadt mit jugendlich-studentischem Flair, das norwegische Bergen. Seit 1953 wird dort Norwegens ältestes und größtes Musikfestival veranstaltet: die Festspillene Bergen, die jedes Jahr mit einer Vielfalt an hochrangigen Konzert- und Theateraufführungen aufwarten können. Mario-Felix Vogt hat das Festival besucht und sich in Bergen und der reizvollen landschaftlichen Umgebung umgesehen.

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Fotos S. 102: Wikipedia

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Foto: Gerd A. T. Mueller/Wikipedia

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das einzige Komponistenhaus, in dem way-Flügel.“ Die intimen Konzerte auf Musik zu hören ist, auch in den ehemadem Trollhügel – nichts anderes heißt ligen Häusern des „norwegischen PagaTroldhaugen auf Deutsch – zählen zweinini“ Ole Bull und des Komponisten felsohne zu den Höhepunkten des BerHarald Sæverud werden Konzerte vergen-Festivals. anstaltet. Direkt neben der viktorianischen Villa Wer eher das Sinfonische bevorzugt, des Komponisten, heutzutage ein Muwird die Veranstaltungen seum, befindet sich der in der Grieg-Halle besuTroldsalen, ein KammerDas mittlere musikgebäude mit 200 Deckensegment chen. Der 1978 erbaute wuchtige Betonbau im Plätzen, das durch die verder Grieg-Halle Zentrum der Stadt bildet glaste Bühnenrückwand ebenfalls einen wunder- sieht aus wie eine die Heimstatt der Bergener Philharmoniker und baren Seeblick offeriert. riesige Zunge fasst gut 1.500 Zuhörer. 2009 begann man in ZuAuffällig ist die Farbgestaltung des sammenarbeit mit der Londoner RazuAuditoriums, das gesamte mittlere Segmovsky Academy, Meisterkurse für mument der Saaldecke ist blutrot gehalten sikalisch hochbegabte Jugendliche im und sieht aus wie eine riesige Zunge, die Troldsalen zu etablieren. Unter den sich bis in den Bühnenbereich erstreckt. Dozenten finden sich international be2009 konnte man hier etwa Strawinskys kannte Künstler wie Leif Ove Andsnes „Sacre du printemps“ mit einem für oder Oleg Kogan, und es ist beachtlich, dieses Werk produzierten Stummfilm auf welchem hohen musikalischen erleben. Niveau die Teenager in den Konzerten Von der Grieg-Halle aus gelangt man agieren. Troldhaugen ist jedoch nicht rasch zu „Den Nationale Scene“, zu Deutsch „Die Nationale Bühne“, Norwegens ältestes Theater. Dessen VorFestival-Highlights Bergen 2010 läufer wurde 1850 von Ole Bull ins Leben In diesem Jahr werden die Festspiele Bergen vom 26. Mai bis zum 9. Juni die westnorgerufen, der dort in den 1850er Jahren den wegische Stadt in Schwingungen versetzen. Der Pianist Leif Ove Andsnes ist ebenso damals noch unbekannten Henrik Ibmit von der Partie wie der Geiger Henning Kraggerud sowie die Trompeter Tine Thing sen als Bühnenbildner, Regisseur und Helseth und Nils Petter Molvær, Letzterer wird gemeinsam mit der Bergen Big Band zu hören sein. Unter den internationalen Künstlern finden sich der Geiger Nicolai Znaider, Hausautor beschäftigte. Das Nachfoldie Pianisten Gabriela Montero und Saleem Abboud Ashkar, das Faust-Quartett und gegebäude wurde 1909 feierlich eingeLes Musiciens du Louvre unter Marc Minkowski. Die zentrale Musiktheaterproduktion weiht, nach einigen Renovierungen wird 2010 bildet das Stück „Anne Pedersdotter“ des norwegischen Komponisten Edvard der Spielbetrieb dort bis heute aufrechtFliflet Bræin (1924-1976), das einen Hexenprozess thematisiert. Weiterhin wird der erhalten. 2009 etwa wurde mit großem 200. Geburtstag des „norwegischen Paganini“ Ole Bull mit einer Hommage von Vadim Repin begangen, Phil Glass mit seinem Ensemble auftreten und der katalaniErfolg Brechts „Dreigroschenoper“ in sche Avantgarde-Regisseur Calixto Bieito eine moderne Fassung der Passionsgeder Inszenierung von Starregisseur Roschichte mit Bach’scher Musik aufführen. Tanzveranstaltungen der Kompanien Paul bert Wilson aufgeführt. Im Sommer ist Taylor und Jo Strømgren runden das Programm ab. Karten und mehr Informationen die Wiese vor dem Theater ein beliebter gibt es unter Tel. +47/55 21 06 30 oder www.fib.no. Treffpunkt für Schüler und Studenten.

oeben schickt die Maisonne ihre letzten Strahlen über den See Nordåsvatnet, auf den man vom Wohnzimmer aus einen besonders schönen Blick genießt. Dort sind bereits die Kerzen auf den silbernen Kandelabern angezündet worden, und knapp zwei Dutzend Zuhörer sitzen dicht an dicht in gespannter Erwartung, wie er wohl klingen wird, der Flügel von Edvard Grieg. An diesem Abend wird er unter den Händen der Pianistin Signe Bakke der Sopranistin Hilde Haraldsen Sveen klangliches Fundament bieten. Auf dem Programm stehen Grieg-Lieder. Was bedeutet es für die Musikerinnen, in seinem ehemaligen Wohnhaus zu musizieren? Hilde Haraldsen Sveen: „Es ist schon ein ganz besonderes Gefühl, diese Lieder in seinem Wohnzimmer zu Gehör zu bringen.“ Und wie klingt Griegs Steinway? Signe Bakke: „Dafür, dass er über 100 Jahre alt ist, befindet er sich in einem sehr guten Zustand. Er hat einen wärmeren Ton als die heutigen Stein-

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Das Hanseviertel Bryggen ist das Wahrzeichen Bergens. Es gehört mit seinen 280 Holzhäusern zum Weltkulturerbe der UNESCO.

nate die Schiffe im Hafen bis Mitternacht in rotgoldenes Licht taucht. Nun ist es nur noch ein Katzensprung zur Festung Bergenhus, die von der Stadt aus gesehen den Schlusspunkt des Hafens bildet. Sie gehört zu den ältesten Festungsanlagen Norwegens, einige Teile stammen aus dem 12. Jahrhundert. Zum Bergenhus gehört auch die gotische Håkonshalle, die während des Festivals mit Konzerten im „Name-der-Rose“Ambiente lockt. Norwegens prominentester Klavierexport Leif Ove Andsnes weiß die archaische Atmosphäre dieses Saals zu schätzen, 2009 führte er in dem kirchenartigen Gewölbe Kammermusik von Schumann auf. Wenn man nach einem Hafenrundgang schließlich das Bedürfnis nach einem exquisiten Kaffee verspürt, sollte man das Cacti Art Café aufsuchen, das sich in einer Parallelstraße zu den Bryggen befindet. Kunst, Kaffee- und Teekultur

gehen in diesem Etablissement eine gelungene Synthese ein, und auch die Kuchen entpuppen sich als ausgesprochen lecker. Die Einrichtung ist bunt und unkonventionell, und an den Wänden hängen Bilder junger Künstler. Der Besitzer des Cacti ist Nils E. Friis, ein Hüne mit Glatze und Vollbart und ein echtes Bergener Original. Gerne schließt er einem seine Kellerräume auf, in denen Gemälde und avantgardistische Fotografie auf Kunstinteressierte und potentielle Käufer warten. Es zeigt sich, Bergen hat kulturell einiges zu bieten. Doch die Bergener Festspiele sind europaweit gesehen immer noch ein Geheimtipp. Per Boye Hansen ist seit 2005 Festival-Leiter in Bergen. Der studierte Opernregisseur würde gerne den sinfonischen Bereich des Festivals weiter ausbauen: „ Wir haben es hier in den ersten zwei Jahren versucht, indem wir Zyklen mit Werken von Jean Sibelius Fotos: Mario-Felix Vogt

Von dort aus läuft man etwa zehn Minuten bis zum Hafen, dem pulsierenden Mittelpunkt von Bergen. Hier gibt es einen gut sortierten Fischmarkt, auf dem man von Wildlachs bis hin zu geräuchertem Walfleisch alles erwerben kann, was das Herz begehrt. Direkt am Wasser reihen sich eine Bar und ein Café an das andere, und am Wochenende feiert die Bergener Jugend trotz hoher Bierpreise mit reichlich Alkohol die kurzen Nächte durch. Einen Großteil der östlichen Hafenseite nimmt das Wahrzeichen Bergens ein, die Bryggen, Kontore aus hanseatischen Tagen, die heute zum Weltkulturerbe der UNESCO gehören. Auch wenn hier vieles ziemlich touristisch geprägt ist, sollte man es nicht versäumen, zwischen den bunten Holzhäusern mit den knorrigen Balken ein wenig umherzuspazieren, am besten in der Abendsonne, die während der Frühlingsmo-

Auf dem bei Troldhaugen gelegenen See ruderte Edvard Grieg gerne zu seinen Nachbarn. Rechts: seine viktorianische Villa.

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Fotos: Mario-Felix Vogt

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Von Bergens Hausberg Fløyen aus hat man einen herrlichen Blick auf Stadt, Hafen und vorgelagerte Inseln (l.). Gebirgslandschaft bei Gudvangen (M.). Die frühgotische Vangskirche in Voss wurde 1277 eingeweiht.

breiten Nærøyfjord, der von bis zu 1.800 einer Nussschale“, die einem vielfältige Meter hohen Felswänden umrahmt wird, Eindrücke von den Schönheiten der nach Gudvangen, dem einzigen Ort des norwegischen Landschaft vermittelt. Nærøytals. Unterwegs kann man mit Man startet von Bergen aus frühmorein bisschen Glück auf Schweinswale gens mit dem Zug, die erste Station ist oder Seehunde treffen. Von der ehemaliMyrdal, 866 Meter hoch gelegen. Von gen Wikingersiedlung Gudvangen aus dort führt eine der großartigsten begibt man sich mit dem Bus auf die Eisenbahnstrecken Europas steil abStalheimskleiva, die steilswärts in das Örtchen te Straße Norwegens. In Flåm, das am Endes des In dreizehn Aurlandfjordes auf MeeHaarnadelkurven dreizehn engen Haarnadelkur ven schraubt sie resspiegelhöhe liegt. Die schraubt sich die sich den Berg hinauf, oft über 800 Höhenmeter Straße den Berg hängt das Ende des Busses werden auf einer Strecke über der Asphaltkante; von nur 20 Kilometern hinauf unterwegs kann man imüberwunden, an mehreren mer wieder pittoreske Wasserfälle bespektakulärsten Aussichtspunkten hält staunen. Ziel der Busfahrt ist das Städtder Zug, damit man die Möglichkeit hat, chen Voss. Obwohl man sich hier aufFotos zu schießen, etwa von Wasserfälgrund der schneebedeckten Berge wie im len, die an steilen Bergwänden zu Tale Hochgebirge fühlt, liegt es gerade einstürzen, oder von einsamen Berghöfen, mal 50 Meter hoch. Von dort aus geht es die an steilen Hängen kleben. Die Steimit dem Zug zurück nach Bergen. gung beträgt an einigen Stellen bis zu 55 Wenn man eine solche Tour scheut, Prozent (!), fünf Bremssysteme garansollte man sich jedoch zumindest auf tieren die notwendige Sicherheit. den 400 Meter hohen Fløyen begeben, In Flåm wechselt man auf das Schiff Bergens Hausberg. Von hier aus genießt und fährt über den malerischen Aurlandsman einen grandiosen Panoramablick fjord und den teilweise nur 250 Meter über die Stadt, schönes Wetter vorausgesetzt. Das gibt es in Bergen übrigens gar nicht so selten, wie oft behauptet wird. (Böse Zungen behaupten, in BerCD-Hinweis gen sei einst der Regenschirm erfunden Millom Rosor – Lieder von Edvard Grieg; Hilde Haraldsen Sveen, worden.) Gerade zur Festivalzeit präSigne Bakke (2008); sentiert sich die Sonne gerne einmal mit LAWO CD 7090020180069 sommerlichen Temperaturen. Dann Aufgenommen in Griegs Wohnzimmer auf seinem Flügel. (Erhältlich über www.amazon.com) schlüpfen die Bergener in kurze Hosen, und die Trolle bleiben zu Hause. ■

und Carl Nielsen aufs Programm gesetzt haben. Dafür brauchen wir allerdings mehr Besucher von außerhalb.“ Woher kommen die meisten nicht norwegischen Festivalgäste? „Das ist gut verteilt. Einige aus Deutschland, einige aus England sowie ein paar Spanier und Italiener. Aber sehr viele Ausländer sind es noch nicht. Früher gab es hier viele Gastspiele und wenige Neuproduktionen, deshalb war das Interesse am Festival eher vage. Das hat sich allerdings mittlerweile geändert.“ Eine Besonderheit sind die Tanzund Musikveranstaltungen der hinduistischen Ganesh-Feierlichkeiten, die 2009 erstmals in das Festival integriert wurden. Wie kam das zustande? „Es gibt in Bergen eine große hinduistische Minderheit, und ich finde es wichtig, das Festival auch für neue Publikumsgruppen zu öffnen.“ So interessant und vielfältig die Konzert- und Theateraufführungen des Festivals auch sind, wer nach Bergen kommt, sollte auf jeden Fall zumindest einen Tagesausflug mit einer Fjordfahrt einplanen. Zu Recht sehr beliebt ist beispielsweise die Rundreise „Norwegen in

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NDR-Kultur Sendung am 27.5.2010, 17.40 Red. Christiane Glas Autor: Oliver Kranz

FESTIVALAUFTAKT IN BERGEN, Norwegen

Ansage: Das internationale Festival in Bergen (Norwegen) ist hierzulande wenig bekannt, aber man könnte es durchaus als „Salzburg des Nordens“ bezeichnen. Es bietet Kunst in allen möglichen Formen – vor allem Oper, klassische Musik und Theater – aber Ausstellungen, Lesungen und ein Zirkusprogramm. Gestern ist das Festival feierlich eröffnet worden. Oliver Kranz war dabei.

Musik / Koyaanisqatsi Einblenden, kurz stehen lassen, dann leise zum Übersprechen

Die europäische Erstaufführung der von Philip Glass neu geschriebenen Orchesterfassung seiner Filmmusik „Koyaanisqatsi“ war die erste große Premiere des Festivals. Glass und sein Ensemble spielten gemeinsam mit dem Orchester und dem Chor der Bergener Philharmonie, das norwegische Königspaar war anwesend, es gab stürmischen Applaus. Doch die eigentliche Festivaleröffnung fand gestern im Freien statt – zur Mittagszeit bei Hagel und Regenschauern…

Hansen: Es ist kein sehr trockenes Klima. … sagt Festivaldirektor Per Boye Hansen. Trotz des schlechten Wetters waren 3200 Zuschauer gekommen, um die Eröffnungsreden zu hören, kurze Ausschnitte aus Produktionen des Festivals zu sehen und einer Militärkapelle zu lauschen.

Hansen Also wir sind relativ robust, weil es hier immer so viel regnet. … und daher wird auch die größte Produktion des Festivals im Freien gespielt – die Oper „Anne Pedersdotter“ des zeitgenössischen norwegischen Komponisten Edward Fliflet Braein. Die Musik klingt wie eine Mischung aus Benjamin Britten und Carl Orff. Viel Eigenes hat sie nicht. Der Regisseur Knut Hendriksen mag das Stück trotzdem sehr.


Knut Hendriksen Ich finde, eine Reihe von zeitgenössischen Opern sind so unszenisch. Die sind wie Oratorien. Und dieses Stück ist Oper mit Handlung und szenischer Dramaturgie. Das Stück erzählt von der Hexenverfolgung in Norwegen im ausgehenden 16. Jahrhundert und in gewisser Weise auch über fundamentalistische Tendenzen der Gegenwart. Festivaldirektor Per Boye Hansen passt die Oper gleich doppelt ins Konzept. Zum einen will er nordeuropäische Werke ins Rampenlicht rücken, zum anderen hat er dem Festival in diesem Jahr das Motto „Fright and Deligth“ gegeben – die Produktionen sollen das Publikum also schockieren und erfreuen.

Musik / Svartediket Einblenden, kurz stehen lassen, dann leise zum Übersprechen Fürs wohlige Schaudern sollte gestern die Produktion „Svartediket“ sorgen – das erste Black Metal Musical der Welt. Über das Stück wurde schon vor der Premiere heftig gestritten, weil einer der beteiligten Sänger – Kristian Espedal – sich vor ein paar Jahren öffentlich für das Niederbrennen christlicher Kirchen ausgesprochen hat. Auf der Bühne kamen die Black Metal Musiker eher exotisch daher – kostümiert als Dämonen eines Sees, in dem ungewollte Kinder ertränkt wurden. Die basslastige Musik brachte das ganze Theater zum Beben, doch provoziert fühlte sich niemand. Da einer der Schurken des Stücks ein Priesters ist, der junge Mädchen erst schwängert und dann die Babys umbringt, könnte man die Geschichte auch als Kommentar zur aktuellen Missbrauchsdebatte verstehen. Doch die Bergener Inszenierung betont den Horror- und Fantasyaspekt. Sie bleibt also ziemlich weltfern.

Und das dürfte auch bei anderen Produktionen der Fall sein. Das Festival prunkt mit einem vollen Programm – vor allem mit Konzerten klassischer Musik. Aktuelle Probleme, wie die globale Finanzkrise, werden hingegen nicht zur Kenntnis genommen. Vielleicht liegt das ja daran, dass Norwegen nicht zur Euro-Zone gehört.

Absage: Oliver Kranz aus Bergen, wo gestern die 58. Internationalen Festspiele begonnen haben. Das Festival läuft bis zum 6. Juni.






Deutschlandfunk Corso Sendung am 28.5.2010, 15.05 Autor: Oliver Kranz

DAS ERSTE BLACK METAL MUSICAL DER WELT IN BERGEN/NORWEGEN

Ansage: Black Metal ist eine Musik, die ziemlich martialisch klingt. Man würde sie kaum auf einer Musical-Bühne vermuten. Doch genau dort ist sie jetzt angekommen. Im norwegischen Bergen hatte gerade „Svartediket“ Premiere, das erste Black Metal Musical der Welt. Oliver Kranz hat sich das Stück angesehen.

Musik Einblenden, kurz stehen lassen, dann leise zum Übersprechen

Wenn es in dieser Produktion blitzt und donnert vibriert der ganze Zuschauerraum. Das Bergener Nationaltheater hat für die Aufführung eine neue Soundanlage angeschafft und direkt unter der Zuschauertribüne einen großen Subwoofer platziert. So wird die Musik körperlich spürbar.

Song / Anfang Einblenden, kurz stehen lassen, dann leise zum Übersprechen

Ein Mann mit einem Baby im Arm irrt durch einen finsteren Wald. Das Kind soll bei einem Priester am See Svartediket aufwachsen.

Song Svartediket Einblenden, kurz stehen lassen, dann leise zum Übersprechen

In dem See, der die Stadt Bergen mit Trinkwasser versorgt, sollen früher ungewollte Kinder ertränkt worden sein. Das Stück basiert auf Tagebuchaufzeichnungen aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Es erzählt von einem Mann, der sein Baby nicht weggeben will, von seiner Frau, die an die moralische Autorität der Kirche glaubt, und von einem Priester, der Frauen erst vergewaltigt und dann die Kinder tötet.

Song Svartediket Einblenden, kurz stehen lassen, dann leise zum Übersprechen


Arild Brakstad, der Frontmann der Black Metal Band Gatelangs, hat das Musical geschrieben.

Brakstad Übersetzung des englischen O-Tons Das Stück erzählt am Beispiel einer alten Geschichte, wie das Christentum Menschen zur Strecke bringt. … Die Kirche – und heute auch der Staat - schreiben den Leuten vor, was sie denken sollen. Dagegen wendet sich das Stück. Es ist hat also auch eine politische Botschaft. Black Metal Musiker haben schon immer gegen das Christentum gewettert. Einige riefen sogar dazu auf, Kirchen niederzubrennen – was in Norwegen nicht ohne Folgen blieb. In den 90er Jahren wurden in dem Land mehr als 50 Gotteshäuser angezündet – einige davon historische Baudenkmäler von unschätzbarem Wert.

Nicht zuletzt deshalb brandete in Bergen ein Sturm der Entrüstung auf, als bekannt wurde, dass im Musical Kristian Espedal mitspielt. Der Gründer der Black Metal Bands Trelldom und Gorgoroth, hat die Brandanschläge damals gutgeheißen. Und das tut er noch heute.

Espedal Übersetzung des englischen O-Tons ich finde das hat einen guten Symbolwert. … Das Christentum hat sich mit Gewalt über die ganze Welt ausgebreitet. Das kann ich nicht akzeptieren. Dann müsste man ja auch zustimmen, wenn Europa eines Tages vom Islam beherrscht wird. Das hier ist Odins Land und wird es wieder sein. Man kann darüber lächeln – doch für die Black Metal Szene ist der Bezug zu nordischen Göttern, wie Odin sehr wichtig. Arild Brakstad will dem Musical auch Aufklärungsarbeit leisten.

Brakstad Übersetzung des englischen O-Tons Auf den alten Black-Metal-CDs findet man zwar Musik, aber kein Konzept. Daher erzählen wir jetzt hier in der Hauptstadt des Black Metal diese alte Geschichte. Wir wollen von den düsteren Seiten Norwegens berichten, die die Bands in die Musik gepackt haben. Allerdings ist unter den Mitgliedern der Szene umstritten, ob man das Musical überhaupt als Black Metal bezeichnen kann. In „Svartediket“ wird nicht nur zu grollenden Sounds geschrieen. Es gibt auch Songs, die an klassische Rockballaden erinnern.

Song / Toekeferd Einblenden, kurz stehen lassen, dann leise zum Übersprechen


Was hartgesottenen Black Metal Fans zu weit geht, ist für die Theaterproduktion goldrichtig. In dem Stück wird nicht nur Wut herausgeschrieen, sondern auch in sanften Tönen von Liebe und Hoffnung berichtet. Die Geschichte des Mannes, der gegen den mörderischen Priester aufbegehrt, geht ans Herz und begeisterte bei der Premiere in Bergen auch das ganz normale Theaterpublikum. „Svartediket“ wird ganz bestimmt nicht das letzte Black Metal Musical bleiben.

Musik endet

Absage: … sagt Oliver Kranz, der in Bergen die Premiere von „Svartediket“ gesehen hat. Das Stück wird am dortigen Nationaltheater bis zum Sommer gespielt – wo ja auch das „Hole in the Sky“-Festival stattfindet.




RBB-Kulturradio Sendung am: 29.5.2010, 8.10 Autor: Oliver Kranz NORDISCHE IMPULSE Auftakt der Internationalen Festspiele in Bergen

Ansage: Das internationale Festival in Bergen (Norwegen) ist hierzulande wenig bekannt, aber man könnte es durchaus als „Salzburg des Nordens“ bezeichnen. Es bietet Kunst in allen möglichen Formen – vor allem Oper, klassische Musik und Theater – aber Ausstellungen, Lesungen und ein Zirkusprogramm. Am Mittwoch ist das Festival feierlich eröffnet worden. Was bisher zu sehen war, weiß Oliver Kranz

Musik/Koyaanisqatsi (Kutt1) Einblenden, kurz stehen lassen, dann leise zum Übersprechen

Zur Eröffnung musste ein großer Name her. Philip Glass und sein Ensemble präsentierten eine neue Orchesterfassung der Musik zum Film „Koyaanisqatsi“. Ansonsten geht es bei den Bergener Festspielen sehr skandinavisch zu. Und das ist gewollt, sagt Festivaldirektor Per Boye Hansen.

Hansen Das Wichtigste für uns ist ein Treffpunkt zu werden, wo die wichtigsten Künstler aus dem nordischen Raum sich treffen und die Möglichkeit haben, sich gut zu präsentieren. Doch ganz ohne internationale Stars geht es auch in Bergen nicht. Die venezuelanische Konzertpianistin Gabriela Montero spielt Beethoven-Sonaten, die Musiciens du Louvre aus Paris die Brandenburgischen Konzerte von Bach. Der Katalane Calixto Bieito hat mit einem dänisch-norwegischen Ensemble ein Stück über den Tod inszeniert. Geräusche / „Voices“ Einblenden, kurz stehen lassen, dann leise zum Übersprechen

Am Anfang des Stücks murmeln hunderte Stimmen aus einer Wand übereinander gestapelter Lautsprecherboxen. „Voices“– ist auch der Titel der Produktion – auf Deutsch „Stimmen“. Bieito hat – ganz anders als man es von ihm gewohnt ist – auf Sex und Gewalt verzichtet. Sechs Schauspieler treten einer nach dem anderen aus einer Gruppe hervor und


sprechen ihre Texte – Abschiedsgedanken einer Selbstmörderin, die Lebensbilanz eines Krebskranken, die Beschreibung eines Unfalls, bei dem ein Jugendlicher ertrinkt. Und dann wird gesungen. Song „You just take my breath away“ aus „Voices“ Einblenden, kurz stehen lassen, dann leise zum Übersprechen

Das Stück soll durch die ausgiebige Schilderung körperlicher und seelischer Qualen wie eine moderne Passion wirken. Doch das gelingt nur an wenigen Stellen. Zu holzschnittartig ist das Spiel, zu beliebig die Zusammenstellung der Texte. Bieitos Produktion ist eine Enttäuschung. Gelungen hingegen ist ein Abend, von dem man es kaum vermutet hätte. Jonas Digerud hat am Nationaltheater Bergen das erste Black Metal Musical der Welt in Szene gesetzt. Song „Svartediket“ Einblenden, kurz stehen lassen, dann leise zum Übersprechen

Svartediket ist der Name eines Sees in der Nähe von Bergen, in dem ungewollte Babys ertränkt wurden. Dort spielt das Musical. Es erzählt von einem Mann, der sein Kind bei einem Geistlichen zur Pflege geben soll, der – wie sich später herausstellt – ein Schurke ist, der Frauen vergewaltigt und deren Kinder umgebracht hat. Die Black Metal Musik illustriert sowohl die Grausamkeit der Verbrechen, als auch die Wut darüber. Sie hat eine große theatrale Kraft. Und das kann man auch der Oper „Anne Pedersdotter“ attestieren, die gestern als Open-AirProduktion Premiere hatte. Geschrieben 1971 vom norwegischen Komponisten Edward Fliflet Braein ist sie die zentrale Aufführung des Festivals. Musik „Anne Pedersdotter“, Vorspiel 3. Akt Einblenden, kurz stehen lassen, dann leise und folgenden O-Ton drauf

Knut Hendriksen Dieses Stück ist Oper mit Handlung und szenischer Dramaturgie. … schwärmt der Regisseur Knut Hendriksen. Im Stück geht es um eine junge Frau, die ihrem Ehemann den Tod wünscht, weil sie einen anderen liebt. Als der Mann stirbt, wird sie der Hexerei angeklagt und verbrannt – eigentlich eine spannende Geschichte, doch sie wird in der Inszenierung derart altbacken und ideenlos auf die Bühne gebracht, dass davon kaum etwas zu merken ist. Immerhin sind die Sänger gut – vor allem Ingela Brimberg in der


Titelpartie. Und auch das Wetter spielte gestern mit. Nachdem es am Nachmittag kräftig geregnet hatte, schien abends die Sonne. Dunkel wird es in Bergen zurzeit nämlich erst um 23 Uhr. Es gibt eine lange Abenddämmerung, die die Stadt in ein herrlich oranges Licht taucht. Auch das ist eine Attraktion dieses Festivals.

Absage: Oliver Kranz aus Bergen, wo bis zum 6. Juni das Internationale Festival läuft. Es gibt halt auch andere Dinge in Norwegen als den Grand Prix…





Kultur

NR. 129 · MONTAG, 7. JUNI 2010

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HANNOVERSCHE ALLGEMEINE ZEITUNG

Spiel mit Verlierern

INITIAL

er Bundestrainer ist derzeit viel mit Diagrammen und Taktiktafeln beschäftigt. Bei jeder Gelegenheit redet Joachim Löw über „Spielsysteme“ und wie man „Leistungen abruft“ und all das Zeugs. Was ein Bundestrainer eben so erzählt, wenn die Weltmeisterschaft noch gar nicht begonnen hat und die Nachfrage nach Interviews groß ist. Aber wenn die deutsche Mannschaft wirklich etwas reißen sollte in den nächsten Wochen in Südafrika, dann hat die Elf das zwei anderen Sportsfreunden zu verdanken: Matt Damon und Clint Eastwood. Löw, Lahm und Co. haben zur Einstimmung vor ihrem Abflug ans Kap „Invictus – Unbezwungen“ (DVD erscheint am 18. Juni) gesehen, Eastwoods Drama rund um die Rugby-Weltmeisterschaft 1995 in Südafrika. In dem Film geht es im Kern darum, wie sich Weiße und Schwarze zusammenraufen, den Hass aus ApartheidTagen niederringen und gemeinsam ihr Land nach vorn bringen. Die Gastgeber, klare Außenseiter, wachsen über sich hinaus und holen den Titel. So was kann inspirieren, sogar dann, wenn man gar nicht Rugby spielt, Rassismus sich zu Hause in müden Ossi-Witzen zeigt und der eigene Präsident gerade seinen Amtssitz Damon als Piennar, Freeman als Mandela fluchtartig verlassen hat. Lahm als Lahm Hinterher haben dann alle was Kluges zum Film gesagt, Löw, Bierhoff, Schweinsteiger und natürlich auch Kapitän Philipp Lahm: „Mich hat vor allem die Szene begeistert, in der Nelson Mandela und SpringboksKapitän François Pienaar das sportliche Ereignis auf eine gesellschaftliche Ebene heben“, so Lahm. Dank Eastwood dürfte Lahm noch einmal die ganze Dimension des Unternehmens WM 2010 klar geworden sein. Welche Last auf seinen Schultern ruht! Welche Verantwortung er gegenüber den Fans hat! Aber das wird schon. Man muss nur mal kurz die Augen zusammenkneifen und sich den südafrikanischen Rugbyund den deutschen Fußballkapitän vorstellen. Plötzlich überlagern sich die beiden Gesichter und werden eins. Und vielleicht kann Lahm ja bald auch so wie einst Pienaar mit seinem Präsidenten trinken. Gesprächsthemen gäbe es: Christian Wulff ist bekennender Mandela-Fan. sto

Fußballdrama gewinnt Emder Filmpreis Fußball und Aids in Südafrika: Mit ihrem bewegenden Drama „Themba“ über das Schicksal eines aidskranken Nachwuchskickers hat die Regisseurin und Drehbuchautorin Stefanie Sycholt den begehrten Bernhard-Wicki-Preis des 21. Internationalen Filmfestes Emden-Norderney gewonnen. Er ist mit 10 000 Euro dotiert. „Ich will mit dem Film etwas in Gang setzen. Denn es ist immer noch ein großes Problem vieler Aidskranker, über ihre Krankheit zu sprechen“, sagte Sycholt am Sonntag nach der Premiere ihres Films im ostfriesischen Emden. In dem Film spielt auch Torhüter Jens Lehmann eine kleine Rolle, bei der er einen FIFA-Trainer verkörpert. Den Drehbuchpreis (10 000 Euro) bekam Agnes Schruf für den Kinderfilm „Der Käfersommer“. dpa

Gottschalk und Broder ehren Reich-Ranicki Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki ist am Sonntag in Frankfurt mit der erstmals verliehenen Ludwig-Börne-Ehrenmedaille ausgezeichnet worden. Vier Tage nach Reich-Ranickis 90. Geburtstag ehrte ihn die Ludwig-Börne-Stiftung für sein Lebenswerk. In der Paulskirche würdigten vier Laudatoren den Preisträger: der Herausgeber der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, Frank Schirrmacher, der Publizist Henryk M. Broder sowie die TV-Entertainer Harald Schmidt und Thomas Gottschalk. Reich-Ranicki sagte in seinen Dankesworten: „Ich habe immer wieder versucht, die Literatur lesbar zu machen für ein möglichst großes Publikum.“ dpa

K U LT U R N O T I Z Goethe und die Natur „Die Metamorphose der Pflanzen“ heißt ein Vortrag, für den die Goethe-Gesellschaft den hannoverschen Germanistikprofessor Martin Rector gewonnen hat. Der Titel bezieht sich auf ein Gedicht Goethes, vor dessen Hintergrund der Referent eine philosophische und naturwissenschaftliche Betrachtung des Dichterfürsten anstellen sowie dessen Seh- und Denkweise beleuchten will. Der Vortrag beginnt morgen um 19 Uhr im Logenhaus in der Lemförderstraße 7.

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Thilo Sarrazin bei den Herrenhäuser Dialogen VON M A RINA K ORM BAK I

Kraftvoller Einsatz im Heimspiel: Eivind Gullberg Jensen mit der NDR Radiophilharmonie in Bergen.

Skrede

Hochspannung pur Heimatbesuch: Eivind Gullberg Jensen und die NDR Radiophilharmonie werden in Bergen gefeiert VON R A IN ER WAGN ER

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ür die Mannschaft war es ein Auswärtsspiel, für ihren Trainer zugleich auch ein Heimspiel. Und für beide ein eindeutiger Sieg, der zwar nicht ganz unerwartet kam, in dieser Höhe aber doch sehr eindeutig ausfiel. Nun sind Auslandseinsätze auch für die NDR Radiophilharmonie nichts Neues. Gerade erst war man in Österreich und Italien unterwegs. Übernächste Woche geht es nach Südamerika, ehe eine reiche bis übervolle Saison zu Ende geht. Aber etwas Besonderes ist es schon, wenn ein ausländischer Chefdirigent sein hannoversches Orchester in seine Heimat mitnimmt. So wie es Eiji Oue, der langjährige Chefdirigent, zweimal mit Japan gemacht hat. Und wie es sein norwegischer Nachfolger Eivind Gullberg Jensen jetzt mit seiner Heimatstadt Bergen vorgeführt hat. Wobei in Bergen noch eine spezielle Prüfung zu meistern war, denn hier stand Edvard Griegs Klavierkonzert auf dem Programm. Und das gehört zum nun auch schon traditionsreichen Bergen International Festival wie das Amen in der Kirche. Jahrzehnte lang war es als Programmpunkt für das Auftaktkonzert gesetzt, bis der derzeitige Festspielintendant Per Boye Hansen den Spiel-Platz für das hier so überaus populäre Konzert des in Bergen geborenen Edvard Grieg freigab. Seitdem ertönt es gerne auch

zum Ende des Festivals. Boye Hansen scheute im Schumann-Jahr beim 58. Bergen Festival nicht einmal den direkten Vergleich zum Schumann-Konzert, das ebenfalls in a-Moll steht und dem Schumann-Bewunderer Grieg offenbar als Vorbild diente. Für alle Fälle hatten die Hannoveraner mit der Pianistin Gabriela Montero eine Solistin dabei, die solch harte Nüsse knacken kann. Danach hörte es sich bei der Probe noch nicht an, denn die temperamentvolle Argentinierin stocherte in ihrem Steinway-Flügel herum, als wollte sie herausfinden, wie ihre Grifftechnik denn nun zu diesem Instrument passen sollte. Was stellenweise wie eine jener Improvisationen klang, für die Montero berühmt ist. Auch die NDR Radiophilharmonie, die erst gegen 13 Uhr mit einer Chartermaschine im ausnahmsweise sonnigen, aber kühlen Bergen eingetroffen war, musste sich an die Akustik in den ebenfalls kühlen Grieg-Hallen erst gewöhnen. Dieser Konzertsaal klingt zwar doch nicht ganz so spröde, wie er des Betoncharmes der frühen siebziger Jahre wegen aussieht. Die Orchestergruppen hören sich sogar sehr gut, aber die tänzerische Lockerheit von George Enescus Rumänischer Rhapsodie Nr. 1 wirkt doch zu einstudiert, bei der Berlioz-Sinfonie hakt es an Stellen, die man am Donnerstagabend in Hannover bestens gemeistert zu haben glaubte. Nur Gabriela Montero strahlt am Klavier alle

Souveränität dieser Welt aus. Und sollte das am Abend auch einlösen. Zunächst aber zeigt dann die NDR Radiophilharmonie, wie präzise sie ihre Leistung abrufen kann. Und Gullberg Jensen serviert die Enescu-Rhapsodie mit entwaffnendem Draufgängertum. Viele Dirigenten verkleiden deren folkloristische Elemente gerne sinfonisch, weil sie (wie Gullberg Jensen hinterher im Gespräch erklärt) das Zigeunerhafte verstecken wollen. Hier aber wird getanzt und getänzelt. Gullberg Jensen bremst ab und zieht an – und das Orchester geht fabelhaft mit. Manchmal gibt er dem sprichwörtlichen Affen so viel Zucker, dass Diabetiker im Saal akut bedroht sein müssten, man fährt volles Risiko, aber das alles funktioniert glänzend. So ist das Orchester dann auch ein geistesgegenwärtiger Partner für eine pracht- und kraftvolle Pianistin. Montero sieht nicht nur aus wie eine junge Martha Argerich, sie spielt auch ähnlich. Das ist molto maestoso, doch die Argentinierin beherrscht nicht nur den packenden und zielsicheren Zugriff, sie findet auch Inseln der Traumverlorenheit. Sie legt Läufe wie matte Perlenketten zwischen die immer kontrollierten Affektausbrüche: Hochspannung pur, die sich in Begeisterung entlädt. Für die sich Gabriela Montero mit ihrer Spezialität revanchiert: Sie lässt sich aus dem Publikum Melodien zurufen und improvisiert darüber. Hier stimmt das Berge-

ner Publikum textsicher die BergenHymne an, deren Melodie Montero dann zu einer bravourösen Bach-Piece macht. Und aus einem Kinderlied zaubert sie eine Etüde nach Liszt-Manier. Das ist fabulös. Und hat seinen Preis. Denn nach der Pause ist die innere Spannung erst einmal weg. Das Orchester geht die „Sinfonie fantastique“ zwar hoch konzentriert an, das ist alles richtig, aber es stimmt noch nicht ganz. Manches wirkt noch zu gehetzt, zu (über-)inszeniert. Doch in der Ballszene entwickelt sich Lockerheit. Und spätestens die drogenrauschhaften beiden letzten Sätze entfalten Sogkraft. Die Holzbläser demonstrieren, wie plastisch sie artikulieren, das Blech tönt sicher und stark, das Schlagzeug feuert punktgenau, die Streicher glänzen. Die Begeisterung kann erst mit dem zugegebenen Nachtstück – natürlich vom Ortsheiligen Edvard Grieg – ein wenig beruhigt werden. Es war ein langer Abend in Bergen. Und ein großer Abend. Die Hannoveraner und ihr neuer Chef haben zum Abschluss ihrer ersten gemeinsamen Saison allen gezeigt, wo der Hammer hängt. Oder wie man in Hannover neuerdings sagt: verdammte Axt. Das NDR Fernsehen zeigt vom 14. Juni an in der Sendung „Niedersachsen 19.30“ eine fünfteilige Serie über das Jubliäum der NDR Radiohilharmonie – inklusive Bergen-Gastspiel.

Leichtfüßig

Ausgeschreckt

Das Gedenkkonzert für Mike Gehrke in der Marktkirche

Rapper Kool Savas im Capitol Hannover

VON B ERND S CH WOPE Es war sein Kind. Eines von vielen. Aber wie jedes Kind einzigartig: Die Konzertreihe „Jazz & Church Organ“ in der hannoverschen Marktkirche. Jazz auf der für Jazz untypischen Kirchenorgel schafft das, was Jazz auszeichnet: den Brückenschlag zwischen zwei Musikwelten. Abendländische Schwermut trifft auf afroamerikanische Lebenslust: Das gefiel dem 2004 verstorbenen JazzClub-Chef. Zu seinem sechsten Todestag ehrten nun auserwählte Musiker die „Seele des Jazz“ (wie Albert Mangelsdorff ihn einmal genannt hat) mit einem Konzert „in Erinnerung an Mike Gehrke“. Das Geschehen findet im Rücken der Zuhörer auf der Empore statt. Dank eines Kamerateams ist auf einer großen Leinwand alles zu sehen. Marktkirchenkantor Ulfert Smidt und Trompeter Daniel Schmahl finden mit dem JazzKlassiker „Nature Boy“ stimmungsvoll

in den Abend. Auch schön zu sehen, was Organist Jürgen Grimm mit seinen Beinen alles anstellt. Leichtfüßig flitzen diese im Zusammenspiel mit Trompeter Matthias Bergmann über die Pedale und bringen so in „Cheam 1“ das rhythmische Element des Jazz zur Geltung. Vladimir Khomyakov wiederum schafft es, barocke Klangarchitektur und lässige Sambafiguren zu verbinden. Und dann der Wechsel: von der Empore auf die Bühne, von der Kirchen- zur Hammondorgel. Die bedient in Stefan Abels bluesiger Souljazzband Lutz Krajenski mit großer Leidenschaft. Mit Sängerin Janice Harrington und Klassikern wie „Unforgettable“ oder „Sweet Georgia Brown“ bringt Abels Band die beiden Sets des Abends zum vitalen, bejubelten Abschluss. Zweieinhalb Stunden dauert das Konzert. Kleine Orgel, große Orgel, Jazzband und Solisten, schwerfälliges Instrument, leichtfüßige Behandlung – ein Wechselspiel, das Mike Gehrke gefallen hätte.

VON JANINA WALLBAUM Wenn es nach ihm geht, ist Kool Savas der König des deutschen Raps. Fest steht, dass er die neuere deutsche Hip-HopWelle mit losgetreten hat. Mit Texten der besonders harten Sorte ist er vor über zehn Jahren als Erster in die Gangsterpose geschlüpft und hat deutschsprachigen Porno-Rap produziert, während sich Bands wie Blumentopf, Deichkind und Freundeskreis gesellschaftskritisch gaben und die Fantastischen Vier oder Fettes Brot einfach nur Wortspaß machen wollten. Savas hat seine Pose länger durchgehalten als andere aus der Berliner Szene. Mittlerweile ist aber auch der 35-Jährige vom Chauvi-Trip abgekommen. In seinen alten Songs hallt er nach, doch man ahnt längst, dass Savas eigentlich ein netter Kerl ist. Seinen Fans ist’s egal. Das Capitol ist ausverkauft. Und Savas ruft: „Wir kommen gerade aus Köln, aber ich glaube ihr habt mehr Potenzial.“

Savas, der auf der Bühne Unterstützung von DJ Sir Jai und seinen Rapkumpanen Mo Mitchell und Franky Kubrick bekommt, aber sonst im Alleingang unterwegs ist, setzt die Songs seines jüngsten Albums „John Bello Story III“ druckvoll um. Manchmal versteht man die Sprechchöre aber besser als den Mann am Mikro. Zwischen den Tracks lässt sich Savas zu banalem und langweiligem Geplauder hinreißen und erntet prompt ein paar Buhrufe. Mit Musik kann er wesentlich besser. Da gehen die „Oldschool-Elefanten“, wie er sein junges Hannover-Publikum nennt, begeistert mit. Vor allem Texte älteren Datums enthalten die üblichen sexistischen Phrasen. Nach einem solchen Text beschwichtigt er flugs sein weibliches Publikum, das sich zahlreich in den ersten Reihen drängelt, um den Mann zu feiern. Was vor allem eines signalisisert: Als Kinder- oder Mädchenschreck geht Kool Savas heute nicht mehr durch.

Um die freie Marktwirtschaft und den in ihr waltenden Homo oeconomicus geht es vordergründig, als Thilo Sarrazin am Rednerpult steht und über den allzu menschlichen Hang zum Spiel mit der Gefahr referiert. Ja, bekräftigt der Bundesbankvorstand, der Mensch liebe es, mit Risiko zu spielen. Auch wenn Sarrazin in diesem Moment aufgekratzte Börsianer im Sinn hat, wie sie in ihr Handy skandieren und dabei die Finger verrenken – ein bisschen meint er damit wohl auch sich selbst. Mit diversen Auslassungen über Hartz-IV-Empfänger und Migranten hat der routinierte Provokateur Sarrazin seine Karriere mehrmals aufs Spiel gesetzt. Ein ums andere Mal haben seine Gegner in der Gewissheit moralischer Überlegenheit Sarrazins Rücktritt gefordert – damals, als er Berliner Finanzsenator war, und heute, da er dem Vorstand der Bundesbank angehört. Sarrazins Ruf als Enfant terrible der Finanzszene wird seinen Beitrag dazu geleistet haben, dass gestern zum Auftakt der Herrenhäuser Dialoge kaum ein Stuhl im Arne-Jacobsen-Foyer unbesetzt blieb. „Brot und Spiel – vom Liberalismus zur Casino-Mentalität der modernen Wirtschaft“ war das Thema. Aber neben dem zweiten geladenen Referenten, dem Wirtschaftsethiker Karl Homann, saß nicht der Pulloverpöbler Sarrazin, sondern ein bemerkenswert aufgeräumter Bundesbanker. Fast schon wie erwartungskonforme, müde Pflichtstücke nahmen sich Sarrazins gelegentliche Pauschalplattitüden aus. Zum Beispiel seine zeitgemäße Übersetzung des römischen Sozialkompromisses „Brot und Spiele“: „Hartz IV und Privatfernsehen“. Für solches nahm Sarrazin denn auch einen arg überspannten Bogen zu seinem Kernthema, dem Marktrisiko, in Kauf. Die Funktion des Risikos auf den Finanzmärkten sei eine produktive. „Gefährlich wird es erst, wenn man Dinge tut, die jenseits des eigenen Erkennungsvermögens liegen“, sagte Sarrazin. International greifenden Regulierungsmechanismen räumt er kaum Chancen auf Verwirklichung ein, genauso wenig wie solchen zur Eindämmung der Klimakrise. „Die Welt wird sich bis zum Ende der Menschheit von Katastrophe zu Katastrophe hangeln“, sagt Sarrazin. Sein Gesprächspartner Homann weiß auch keinen Optimismus zu verbreiten. Er hält es wiederholt mit dem Verelendungskurs von Franz Josef Strauß: „Es muss alles noch schlimmer kommen, bevor es besser wird“, zitierte Homann. Im Wettbewerb gebe es nun mal Gewinner und Verlierer. Solche, wie Glaubenssätze daherkommenden Statements siedelten die von Paul Hoyningen-Huene moderierte Diskussion auf einem merkwürdig abgehobenen Niveau an, fernab der Lebenswirklichkeit jener, die von der ökonomischen Krise getroffen sind – der „Verlierer“. Vielleicht ist es Realismus, der die Diskutanten zu solchen Äußerungen veranlasst. Vielleicht ist es aber auch allzu marktgläubiger Fatalismus.

Landeskunstpreis für Blume und Madlowski Die diesjährigen Preisträger der niedersächsischen Landeskunstausstellung sind Renate Ruck aus Oldenburg sowie Rolf Blume und Klaus Madlowski aus Hannover. Sie wurden am Wochenende vom Bund Bildender Künstlerinnen und Künstler (BBK) in der Auricher Stadthalle bei der Eröffnung der Schau ausgezeichnet. Die Ehrung ist mit je 4000 Euro dotiert. Renate Ruck wurde für ihre monumentale Eisenplastik „Julianen-Tor“ ausgezeichnet, die den heute verlandeten Hafen Aurichs und das ehemalige Stadttor verbindet. Rolf Blume erhielt den Preis für seine hängende Raumskulptur „Nordische Landschaft oder das Prinzip Boje (52 Seh-Zeichen)“. Klaus Madlowski wurde für sein Bildobjekt „Koordinatensystem – Strand“ ausgezeichnet. Die Landeskunstausstellung gibt mit 106 Werken von 62 Künstlerinnen und Künstlern einen Überblick über das Kunstschaffen in Niedersachsen. Die Schau ist noch bis zum 2. Oktober in Aurich zu sehen. epd

Ein Fuß im Sand, der andere im Schnee Henning Mankell spricht über Kurt Wallander, das Altwerden, die Situation des Kriminalromans – und sein Verhältnis zu Israel VON H EIN RICH T HIES

H

urra! Die Fans des schwedischen Krimiautors Henning Mankell können aufatmen: Nach Wallanders letztem Fall soll Linda, die Tochter des so beliebten wie betagten Kommissars, die Ermittlungen fortführen. Dies und manches mehr verriet der Bestsellerautor am Sonnabend vor 600 Besuchern in der ausverkauften Congresshalle in Braunschweig zum Abschluss einer dreitägigen Lesereise, bei der es eigentlich nur um Wallanders letzten Fall gehen sollte – den „Feind im ‚Schatten“. Da Mankell in den Tagen zuvor aber fast ausschließlich wegen seiner Beteiligung an der Gaza-Hilfsflotte in Erscheinung getreten ist, lässt sich dieses Thema natürlich nicht ausblenden. Die Wut scheint verraucht. Mankell hält den Israelis zwar immer noch Piraterie vor und bekräftigt, dass sie ihn elf Stunden gefangen gehalten haben, schlägt aber schon versöhnlichere Töne an. „Ich bin

Henning Mankell

ap

traurig, dass ich nun wegen der Ausweisung nicht mehr nach Jerusalem fahren kann“, sagt er. „Ich habe dort gute Freunde – Juden und Araber.“ Und dann erzählt der Schwede, der seit Jahrzehnten auch in Mosambik lebt, dass sich aus der schlimmen Sache auch Erfreuliches ent-

wickelt habe. „Eine israelische Zeitung hat mich um ein Interview gebeten, und Obama hat erklärt, dass er wegen des Zwischenfalls die Israel-Politik der USA überprüfen will. Das ist doch sehr gut.“ Der 62-Jährige scheint sich von den Strapazen erholt zu haben. Mankell plaudert und scherzt als Gast der Braunschweig Classix im Gespräch mit 3satModerator Gert Scobel und beweist, dass er ein guter Geschichtenerzähler ist. Als er den letzten Satz des Wallander-Buches geschrieben habe, habe er seine Frau aus dem Garten gerufen, erzählt er. „Damit sie den Punkt macht.“ Sein Verhältnis zu Wallander? „Ich denke nicht, dass wir Freunde werden würden. Er hat Charakterzüge, die ich ganz und gar nicht mag. Die Art, wie er Frauen behandelt zum Beispiel.“ Außerdem trinke sein Held zu viel und interessiere sich viel zu wenig für Politik. Stolz berichtet Mankell indessen, dass sich mit dem griesgrämigen Kommissar seit 20 Jahren Leser in der ganzen Welt identifi-

zieren. Allein in Deutschland erreichten die Wallander-Krimis eine Gesamtauflage von 20 Millionen – auch, weil sein Held ein durchschnittlicher Mensch ist, glaubt der Autor. „Nehmen Sie seine Diabetes. Können Sie sich James Bond vorstellen, wie er kurz auf die Toilette geht, um sich eine Insulinspritze zu setzen?“ Beim letzten Fall kreist nahezu das gesamte Denken des Kommissars um die Angst vorm Sterben und den Verlust der Geisteskräfte. Ob er die Ängste teilt? „Mit sechzig wird man philosophisch, da denkt man immer mehr über den Tod nach“, sagt Mankell. Er habe schon Angst davor, „einen Teil meines Verstandes zu verlieren. Zum Glück habe ich mit dem Problem noch nicht zu tun. Aber wir dürfen es nicht verdrängen.“ Mankell schreibt nicht nur Krimis, sondern auch Kinderbücher, Romane über Menschen in Lebenskrisen wie „Die italienischen Schuhe“ und vor allem Bücher, in denen sich seine Afrika-Erfahrungen widerspiegeln. „Ich stehe mit ei-

nem Fuß im Schnee und mit einem Fuß im Sand“, sagt er. „Afrika hat mir geholfen, Europa besser zu verstehen. Die Distanz hat mir einen neuen Blick auf Schweden eröffnet.“ Die eigentliche Lesung an diesem Abend übernimmt der Fernsehjournalist Michail Paweletz, der diese Aufgabe solide bewältigt, aber keinen Draht zum Publikum findet. Alle scheinen darauf zu warten, dass der Autor wieder persönlich das Wort ergreift – und vor allem die Frage beantwortet, ob er seinen Kommissar nun wirklich endgültig in den Ruhestand geschickt hat. Schon vor zehn Jahren hatte er die Wallander-Serie eigentlich mit der „Brandmauer“ abgeschlossen. Doch diesmal will er hart bleiben – und Wallanders Tochter Linda hat sich bereits mit einem Fall bewährt. „Sie ist jetzt verheiratet und hat ein Kind, das sind doch beste Voraussetzungen“, sagt Mankell. Vielleicht könnte der alte Vater seiner Tochter ja künftig als Berater zur Seite stehen.




Seite 10 / Süddeutsche Zeitung Nr. 139

Montag, 21. Juni 2010

FEUILLETON

Alles unter einem Dach

Dieser Mann geigte auf der Cheops-Pyramide

Das neue Kölner Museum ist ein gediegener Zweckbau

Die norwegischen „Festspiele in Bergen“ feiern den Musiker und Patrioten Ole Bull, der vor 200 Jahren geboren wurde

Wenn etwas schon zu lange dauert, dann kann man das Ende des Wartens als frohe Botschaft verkünden: Kölns Kulturdezernent Georg Quander hat vergangene Woche den 22. Oktober als Tag der Eröffnung des Museumskomplexes genannt, an dem, unweit des zentralen Neumarkts seit acht Jahren gebaut wird und in dem sich derzeit das Rautenstrauch-Joest-Museum und das Schnütgen-Museum, ein Junior-Museum und die Volkshochschule einrichten. Es ist eine gute Nachricht – obwohl viele Bürger über der langen Bauzeit schon fast vergessen hatten, dass da ein neues Museum emporwächst: Die fast einhundert Meter lange Baulücke wirkt seit Monaten eher geschlossen denn gestaltet. Hohe glatte Mauern ragen entlang der Cäcilienstaße auf, eine mit gebrannten Ziegeln verkleidete Stahlbeton-Konstruktion wird unterbrochen von vertikalen Glasriegeln, unter dem breitesten liegt der Eingang; zwei mit Milchglas verkleidete Kuben verbinden den Bau mit dem Schnütgen-Museum für mittelalterliche Kunst – dem Passanten erschließt sich das Gewürfel nicht unbedingt als Einheit. Es erstaunt, dass dennoch verzichtet wurde, sich der Stadt als Areal zu öffnen, dort, wo vormals ein Kulturforum um die Haubrich-Kunsthalle stand, das sich für alle erreichbar zeigte. Doch auch der neue Bau lege die Schwelle niedrig, sagt Jutta Engelhard, die stellvertretende Direktorin des Rautenstrauch-Joest-Museums, schließlich führten die dunkelgrauen Gehwegplatten vom Bügersteig aus fugenlos direkt ins Foyer, wo sich eine 21 Meter hohe, gläserne Halle zwischen Verwaltungstrakts und Museums-Riegel schiebt. Wer eintritt, wird dort auf zwei ältere Architekturen stoßen: Hinter den Seitenfenstern liegt die im Jahr 1160 entstandene Westfassade der Kirche St. Cäcilia, rechts, mitten in der Halle, thront ein Reisspeicher von der indonesischen Insel Sulawesi, elf Meter lang, mehr als sieben Meter hoch. Die exotische Anmutung des kleinen Speichers und die romanische Kirchenfassade ergänzen sich zum Bild, ersetzen die mangelnde Attraktivität der zeitgenössischen Architektur, die hier in langweiliger Düsternis aus Klinker und tiefbraunem Holz ausläuft. Auch die schmuck- und einfallslose Fassade verfügt erst über einen Blickfang, seit ein Trobriand-Yamspeicher wie ein gigantischer Lampion hinter dem großen Fenster hängt, das im rechten Block über mehrere Etagen die Wand aufreißt. Köln soll sich auf einen gediegenen Zweckbau freuen – das ist nicht aufregend in einer Zeit, die Museen als die öffentliche Bau-Aufgabe schlechthin begreift. Gerade die Domstadt hat so elegante Beispiele wie das von Peter Zumthor geplante Kolumba-Museum zu bieten, während in Paris Star-Architekt Jean Nouvel mit dem Musée Quai Branly beweist, dass man, wenn nur das Museum aufregend genug ist, auch für ethnologische Exponate Massen begeistern kann. Nun galt es im Kölner Stadtzentrum, viele Bedürfnisse unter ein Dach zu bringen. Das Rautenstrauch-Joest-Museum, das seit dem Jahr 1905 am Ubierring in der Nähe des Rheins in einem historisierenden Prachtbau residierte, den der Kölner Kaufmann Eugen Rautenstrauch dort für die 3500 Mitbringsel seines Schwagers, dem Expeditionsreisenden Wilhelm Joest, gebaut hatte, war vom Hochwasser beschädigt worden; ein Neubau sollte auch das Forum der Volkshochschule beherbergen und das Schnütgen-Museum vergrößern. Die Braunschweiger Architekten Uli Schneider und Heiner Sendelbach gewannen 1996 den Wettbewerb und das Großprojekt

mit Baukosten von 61,3 Millionen Euro entstammt deswegen sichtbar den neunziger Jahren. Nun müssen die Direktoren der drei Häuser – auch ein Junior-Museum zieht mit einer der Kinderoper vergleichbaren kleinen Architektur und eigenem Programm dort ein – Sponsoren finden, sowohl für die Jubiläumsausstellung des Schnütgen-Museums als auch für ambitionierte Schauen wie „Leben und Kunst in den Städten Afrikas“. Der wuchtige Bau ragt in die Eiszeit einer verarmten Kulturlandschaft, deren Prestige-Wahn zuletzt durch die Vernunft der Bürger ausgebremst wurde: Der Neubau des Opernhauses wurde in Köln ausgesetzt wie der Abriss des Schauspielhauses. Die Bürger sind nicht länger bereit, teure Neubauten zu finanzieren, wo die Etats für Ausstellungen, Ankäufe und Theaterproduktionen heruntergefahren werden und sogar die Kunst- und Museumsbibliothek dem Sparwillen geopfert werden soll. Pikanterweise hatte sich am Abriss des alten Kulturforums der Widerstand der Szene erstmals formuliert, Künstler und Kulturschaffende hatten für dessen Erhalt gekämpft, die offene Baugrube wurde als „das Loch“ zum Symbol. Dennoch: Vor allem die beiden großen Museen können nun wieder ambitioniert arbeiten. Es gibt ausreichend Depot-Flächen, Restaurierungswerkstätten, eine gemeinsame Bibliothek. Das Rautenstrauch-Joest-Museum, dem inzwischen 65 000 Objekte gehören, kann sich auf 3600 Quadratmetern präsentieren, wobei die Ausstellung „Der Mensch und seine Welten“ mit allen Konventionen des Fachs bricht und die Schätze nicht nach Regionen, sondern nach zwölf Themenschwerpunkten ordnet. Das Schnütgen-Museum ist stiller Gewinner des Umbaus: Eigentlich wurde es nur um zwei opak verglaste Kuben ergänzt, kann aber schon im durchlichteten Verbindungsgang und dem kleinen Anbau Steinskulpturen und Buntglasfenster in seltener Schönheit präsentieren. Es könnte sein, dass der Riesenkomplex an der Kirche zu seinem schönsten Finale findet, wo Direktorin Dagmar Täube einen von Hecken eingefassten Garten anlegen wird, in dem mittelalterliche Kräuter, Blumen und Arznei-Pflanzen blühen, die so sprechende Namen tragen wie Maßliebchen. CATRIN LORCH

Wenig ambitionierte Architektur: Blick in das Foyer des neuen Museumskomplexes in Köln. Foto: Rheinisches Bildarchiv Köln / Wolfgang F. Meier

Der erlauchteste Gast bei den 58. Festspielen in Bergen, die dieses Mal auch zu Ehren Ole Bulls stattfanden, war nicht aus Fleisch und Blut, sondern aus diversen Hölzern: Es ist die berühmteste Geige der Welt, gebaut von Giuseppe Guarneri del Gesù, die ihre magische Aura dem Geiger aller Geiger, Niccoló Paganini verdankt, der diese Violine besonders liebte und sie „Il Canone“ nannte wegen der Tonstärke und Durchsetzungskraft. Also schwebte im Bergener „Museum Permanenten“ tatsächlich Paganinis „Kanone“, die er einst seiner Geburtsstadt Genua vermacht hatte, und die so gut wie nie das Rathaus von Genua verlässt, in einer Glasvitrine. Rundherum waren weitere bedeutende Meistergeigen im Raum gruppiert, darunter Instrumente von Gasparo de Salo, Guadagnini, Vuillaume, Rogeri und Ruggeri, und auch jene Violine, die „der nordische Paganini“ Ole Bull besonders schätzte, ebenfalls eine Guarneri del Gesù, von 1744. Die mittäglichen Gratiskonzerte im Ausstellungssaal mit Musikstudenten wurden begeistert wahrgenommen. An diesem Tag stand nun Norwegens derzeit international bekanntester Geiger auf dem Podium, Henning Kraggerud. Er nahm einen interessanten Instrumentenvergleich vor: Ole Bulls Guarneri von 1744, seine eigene, eine Leihgabe der norwegischen Dextra-Musica-Sammlung, „Terminator“ genannt und auch 1744 von Guarneri gefertigt, und eine neue, ganz junge Geige, die, während der Präsentation von sieben Geigenbauern aus verschiedensten Ländern gemeinsam binnen sechs Wochen gebaut wurde. Kraggerud spielte zuerst Ole Bulls „Melancho-

Für Robert Schumann war Bull der größte Geiger lie“ mit jener schwermütigen Eleganz, mit der einst wohl Bull selbst ganz Europa, später Amerika, die Karibik und Nordafrika bezauberte. Danach bot Kraggerud mit leidenschaftlicher Hingabe César Francks A-Dur Sonate. Obwohl die neue Geige schon überraschend vielfarbig klang und die „Terminator“ in schönsten Geigenglanz leuchtete, es war am Ende Bulls Guarneri, die den tiefsten Eindruck hinterließ: eine Violine mit geradezu Bratschenfülle auf den tiefen Saiten, ein in dunklen und dunkleren Farben glühender Klang. Ole Bull sei der größte von allen, hat Robert Schumann einmal über den Geiger gesagt. In der Tat wurde er der erste Weltstar der Musik. Was für ein Mann, was für ein Künstler, was für ein Abenteurer! Die Geschichte Ole Bulls, der in Bergen – wie seine Freunde Frederic Chopin und Robert Schumann vor 200 Jahren – geboren wurde, könnte Stoff für mehrere Romane und Filme liefern. Die Eltern wollten keinen Musiker, sondern einen Pastor aus ihm machen. Ole Bull aber, mehr oder weniger ein Violin-Autodidakt, zog über Dänemark und Deutschland nach Paris, wo er fast zugrunde gegangen wäre, hätten ihn nicht die blutjunge Felicie, seine spätere erste Frau, und deren Großmutter gerettet. Von Paganini habe er erfahren, was Phrasieren heiße. Er lernte in Paris die Großen des europäischen Musiklebens kennen, umgekehrt schätzten diese den blendend aussehenden Jungstar aus dem Norden: etwa Chopin, Berlioz, Liszt, mit dem er später in London Beethovens Kreutzersonate aufführte. In Deutschland waren es Mendelssohn, Schumann und Wagner, den Bull allerdings wegen dessen Antisemitismus nicht mochte. Als er die Opern-

SZ-Rätsel Schwedenrätsel, Str8ts leicht, Sudoku mittelschwer

Manche Probleme lösen sich garantiert nicht von allein.

Ole Bornemann Bull (1810-1880) diva Maria Malibran gehört hatte, ging er nach Italien, die Sängerin eine Zeit lang begleitend, an deren Kunst er sein Spiel orientierte. Das ist „nur“ die Virtuosenseite dieses Außergewöhnlichen. Bull, überzeugter Anhänger St. Simons, verstand sich auch als Patriot und Revolutionär. 1848 fand man ihn auf den Pariser Barrikaden mit norwegischer Fahne, aus der er die schwedische Krone getilgt hatte – seine Heimat wurde erst 1905 souverän. Und er ernannte sich knapp sechzig Jahre vor der Staatsgründung zum ersten norwegischen Botschafter! Später gründete er in Bergen das erste Norwegisch sprechende Theater und entdeckte Henrik Ibsen. Er sorgte auch dafür, dass Edvard Grieg in Leipzig ausgebildet wurde. Ole Bull, bei dessen Konzerten die Damen gleich reihenweise in Ohnmacht fielen, war auch ein Vermarktungsgenie. Vor seiner ersten Amerikatournee ließ er dort Seife mit seinem Namenszug verkaufen. Bei seinem Eintreffen kannte ihn ganz New York, ohne zuvor einen Ton von ihm gehört zu haben. So häufte er ein Riesenvermögen an, das er dann in eine utopische Idee steckte: Er gründete in Pennsylvania eine Kolonie, New Norway genannt. Doch die zur Auswanderung animierten Norweger waren rasch ent-

täuscht, es war nur unwegsames Urwaldland. Da er für alle Missgeschicke haftete, war das Vermögen nach 18 Monaten aufgebraucht. Bull musste erneut mit der Geige Geld verdienen. Zu solchen Projekten kamen noch Exzentrik und Abenteuerlust. 1876 kletterte er auf die Cheopspyramide und spielte auf ihrer Spitze bei Sonnenaufgang! Er heiratete trotz zahlloser Affären als Sech-

Als Geschäftsmann brillierte Ole Bull und verspielte doch sein Vermögen zigjähriger noch eine vierzig Jahre jüngere Amerikanerin. Aus dieser zweiten Ehe ging eine Tochter hervor. Für die erste Familie baute er ein Holzhaus im Schweizer Chalêt-Stil in Valestrand. Für die amerikanische Ehe errichtete er eine Phantasie-Villa, gleichsam sein Neuschwanstein, mit orientalisch-russischen Anklängen auf der Insel Lysøen nahe Bergen. Zentrum beider Häuser bilden die Musiksalons. Besonders der in Lysøen für etwa 120 Zuhörer, verfügt über eine dichte, geradezu körperlich spürbare Akustik. Vilde Frang, Norwegens größtes

Sudoku war gestern. Heute spielt man STR8TS. Dabei steht es seinem japanischen Vorgänger in nichts nach, sondern entwickelt den Klassiker fort. STR8TS – das neue Zahlenrätsel mit Suchtpotenzial jetzt für 9,90 Euro im Handel oder bestellen unter www.sz-shop.de.

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Lösungen vom Wochenende

Die Ziffern 1 bis 9 dürfen pro Spalte und Zeile nur einmal vorkommen. Zusammenhängende weiße Felder bilden eine Straße, sie enthalten also eine lückenlose Menge von Zahlen, können aber in beliebiger Reihenfolge eingetragen werden. Schwarze Felder trennen die Straßen und werden nicht ausgefüllt. Weiße Ziffern geben Orientierung, sie gehören aber selbst zu keiner Straße. Beispiele im Internet: www.str8ts.de © 2010 Syndicated Puzzles Inc.

SZdigital: Alle Alle Rechte Rechte vorbehalten vorbehalten –- Süddeutsche Süddeutsche Zeitung Zeitung GmbH, GmbH, München München SZdigital: Jegliche Veröffentlichung Veröffentlichungexklusiv exklusivüber überwww.sz-content.de www.diz-muenchen.de Jegliche

Foto: picture-alliance/newscom/Pi

Jungtalent, befeuerte hier mit Überschwang die Violinsonate des damals ebenfalls jungen Richard Strauss. Es war, als säße man ihm Klangstrom der Violine. Die Geigerin hatte zwei Tage vorher ein großartiges Konzert in der gotischen Håkonshallen gegeben, wo sie besonders mit einer konzentrierten, kompromisslos eigenwilligen Darbietung von Bartóks Solosonate beeindruckte. Per Boye Hansen, Opernregisseur und nun Festivaldirektor, hat in den ersten vier Jahren seiner Amtszeit dafür gesorgt, dass sich das Gesicht des Festivals, das als nördlichste Promisolisten-Abwurfstelle im Musikzirkus galt, verändert hat. Hier inszeniert Calixto Bieito regelmäßig, werden Aufträge an skandinavische Komponisten erteilt und junge Begabungen dieser europäischen Region vorgestellt. Bei der launig vom Violinaltmeister Arve Telefsen moderierten Ole Bull-Gala in der Grieghallen traten die attraktiv Violine spielenden und aussehenden Hemsing-Schwestern auf, Henning Kraggerud zeigte einmal mehr, wie sehr er Musik, in diesem Falle den langsamen Satz aus Mozarts A-Dur-Konzert, mit leidenschaftlicher Sehnsucht erfüllen kann. Natürlich wurde auch Hardanger-Fidel gespielt. Stargast Vadim Repin gab mit einer souveränen Darstellung des d-Moll Konzerts des jungen Mendelssohn dem Ganzen noch internationalen Glanz. Ein ganz anderer Spielort ist Domkirken, vielleicht zu groß für altfranzösische Gambenmusik von Monsieur de Saint Colombe und Marin Marais. Doch wie Paolo Pandolfo seine Mitspieler anfeuerte und mit dem Geist der mal rauen, mal kantilenenweichen Klangsprache seiner siebensaitigen Gambe zu aufregendem Ensemblespiel animierte, war ein Ereignis. „Wir müssen hier die skandinavische Welt zeigen in ihrer musikalischen, theatralischen und künstlerischen Vielfalt“, sagt Per Boye Hansen, der unermüdlich von Veranstaltung zu Veranstaltung eilte, Künstler begrüßte und für das nächste Festival einlud. Dazu gehören auch Ausstellungen. So verstörte und berührte die über die Stadt verteilte und dann in Bergens alter Leprastation kulminierende Präsentation „Miss Landmine“ des norwegischen Fotografen Morten Traavik, in der Kambodschanerinnen, Opfer von Landminen, nun gleichsam als Schönheitsköniginnen mit ihren Verstümmelungen posieren. Wenn sich die Sonne gegen Mitternacht endlich senkt und ganz Bergen auf den Beinen zu sein scheint, dann beginnt im Belle Epocque-Theater Logen das Improvisieren. Die Hemsing-Schwestern spielten Hardangerfidel oder brillierten mit der berühmten Halvorsen-Passacaglia für Geige und Bratsche. Andernabends bezauberte bis tief in die helle Nacht hinein Paolo Pandolfo mit seiner vierhundert Jahre alten Gambe das junge, mitgehende Publikum und den fabelhaften norwegischen Jazzmusiker Stian Carstensen, gleich stark auf Banjo, Ziehharmonika, elektronischer Hawaii-Zitter und Flöte und ermunterte ihn zu originellsten Klang- und Melodieeinfällen. Morgens treffen sich die Nimmermüden dann draußen an Edvard Griegs Villa Troldhaugen und hören im kleinen Saal zum Beispiel die großartige Mezzosopranistin Angelica Voje. Sie sang einen Liederzyklus von Grieg, in dem es viel ums Flimmern des Wassers geht. Die Wand hinter dem Podium ist aus Glas. Während vorne Griegs Lieder erklangen, konnte man hinaussehen auf sein Komponierhäuschen direkt am Fjord. Und die Wasser flimmerten wie die Musik. HARALD EGGEBRECHT

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La vida y la muerte como la misma cosa Agustín Blanco Bazán

Bergen, 27/05/2010. Teatro Nacional de Bergen. Voces: una Pasión moderna. Collage dramático musical ideado por el teatro Betty Cansen de Copenhague con texto y música de J. S. Bach, Fritz Zorn, Blaes Bukki, Cormac Mc.Carthy, PJ Harvey, Jaewer Jaev, Chris Cleave, Nick Cave, Bruno Pisek, Anderson & Ulvaeus, Jaime Gil de Biedma, Trent Reznor, Joel Dubai, Jeffrey Litke, Adrian Liberty, Cesare Pavese, John Philip Baptiste, George Khoury, Tom Kristensen, Thomas Bernhard, Anja Gabarek, Gavin, Bryars, Gabriel Fauré, Primo Levy, Anders Brixen, Victor-M. Amela, y Julio Gómez. Puesta en escena y montaje de textos de Calixto Bieito. Dramaturgos: Marc Rosich Karsten Johansen y Kim Soeborg. Escenografía: Rebecca Ringst. Vestuarios: Ingo Krügler. Iluminación: Fabián Carvallo. Arreglos musicales: Peder, Sofus Forsberg, Pert Soerensen. Reparto: Flemming Enevold, Tammi Oest, Kaya Brüel, Morten Eisner, Ane Trolle, Blaes Bukky. Coro de niños file:///F|/ARKIVERT/ARKIV%20PRESSEKLIPP/PRESSEKLIPP/2010%20PRESSEKLIPP/INTERNASJONALE%202010/20100527_monduclassico_sedettemennesket.htm (1 av 5) [24.06.2010 14:57:27]

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MC :: La vida y la muerte como la misma cosa

del Gymnasium Sankt Annae de Bergen. Coproducción del Festival de Bergen y el Betty Cansen Teatret. Festival de Bergen 2010

Un E-MAIL fondo IMPRIMIR COMENTARIOS de monitores de televisión y equipos altoparlantes, uno encima del otro, encierra a personajes enfrentados con la muerte. El Cristo de Bach es aludido de vez en cuando mientras un enfermo de cáncer, una suicida, un drogadicto, o la madre de un asesinado en un atentado terrorista reconocen, sin demasiada convicción algunos refranes de la Pasión Según San Mateo o Jesús, alegría del mundo. Pero esta es una pasión sin Jesús, aún cuando el sufrimiento universal por él representado está expandido en los sufrientes protagonistas, que frecuentemente asocian su desconcierto con baladas, pop y rock de agobiante banalidad. El único desbalance de esta original propuesta teatral es, a mi juicio, que la música es a veces demasiado banal en su confrontación con textos de gran calidad, inteligentemente elegidos y hábilmente insertados en una acción dramática implacable en su intención de confrontar al público con el miedo supremo. Al público del Festival Internacional de Castilla y León (Facyl) en Salamanca le será ahorrado lo que tuvo que afrontar el de Bergen, esto es, enfrentarse con la inminencia de la muerte en el propio idioma. Es de esperar que Voces se llegue a cantar en español, catalán, gallego, inglés, francés o alemán, para que otros públicos puedan apreciar la fuerza del espectáculo. Y es de esperar que los sobretítulos, esenciales para seguir la concatenación de números hablados y cantados, puedan leerse bien en todo el file:///F|/ARKIVERT/ARKIV%20PRESSEKLIPP/PRESSEKLIPP/2010%20PRESSEKLIPP/INTERNASJONALE%202010/20100527_monduclassico_sedettemennesket.htm (2 av 5) [24.06.2010 14:57:27]


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auditorio. Finalmente, ¡que útil sería para cada espectador contar con una transcripción de todos los textos en el programa de mano! Como premio por asistir a esta Pasión laica y danesa, el público de Salamanca podrá apreciar excelentes cantantes actores entregados a un Bieito siempre extremo pero, en esta oportunidad, nunca excesivo en la representación de una parábola trascendental y bien contada, que en las palabras del dramaturgo Rosich, pretende ser “un enjambre de voces, una corriente de gritos desarticulados en un vibrante magma destinados a representar el sufrimiento del hombre moderno” Los gritos están a cargo de personajes diversos: un casi ahogado en una piscina que a su vuelta a la vida confiesa no haber visto a Dios, el clásico drogadicto de tantos espectáculos bietianos, una suicida y una madre que describe y llora la muerte de su hijo en un atentado terrorista para luego tratar de consolarse cantando, sin demasiada convicción “Ich will dir mein Herze Schenken” Pero, ¿a quién rendir este corazón en una pasión sin Cristo como protagonista fundamental? Inevitablemente, la ausencia de un Mesías como figura aglutinante del sufrimiento universal impone la necesidad de un personaje capaz de sostener algún tipo de narrativa. La tarea recae en Flemming, el canceroso que vemos progresar en su rebelión y sus dudas hasta el momento en que sólo quedan de él zapatos y ropas prolijamente ordenados sobre una silla. También está Katia que, como el Gurnemanz de Parsifal, comparte el sufrimiento a la distancia para poder comentar sobre él. Un tercer hilo conductor en este constante deambular de este desahuciado es la presencia de niños como alternativa de sanidad en contraste a las neurosis de los adultos. Son ellos quienes tendrán la palabra final en este conciso espectáculo de cien minutos, donde el tormento perpetuo es aplacado con ocasionales agrietamientos de la torre de parlantes y monitores del file:///F|/ARKIVERT/ARKIV%20PRESSEKLIPP/PRESSEKLIPP/2010%20PRESSEKLIPP/INTERNASJONALE%202010/20100527_monduclassico_sedettemennesket.htm (3 av 5) [24.06.2010 14:57:27]


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fondo que permite la filtración de una luz clara, de calidez solar. Sobre el final, una niña sentada en el proscenio se coloca junto a los demás personajes la máscara de una vejez que, luego de lo vivido en texto, música y acción teatral, sale como la convencida serenidad de lo inevitable. Al descarnado sufrimiento nihilista de su Rapto en el Serrallo, Bieito opone con Voces una tesis de aceptación que evita amaneramientos pietistas para incluir una paradójica rebeldía vital. Aceptación y rebeldía conviven así como las dos caras opuestas y al mismo tiempo complementarias de la vida y la muerte. Luego de habérselas visto con Amfortas en Stuttgart, el catalán confiesa sus afinidades con Schopenhauer, pero advierto algo de Feuerbach en esta Pasión contestataria y sin otra solución que una visión inexorable pero trascendente de un ser humano empeñado en enfrentarse a la muerte no con resignación sino con desafiante inteligencia y humor. Después de todo, Bieito también reconoce en Voces resabios de sus experiencias con La casa de los muertos, Le grand macabre, y las dos Lulu (de Wedekind y Berg). Es así que final incluye un magnifico diálogo donde dos niños, con la típica despreocupación de quienes solo viven el presente, formulan preguntas personales a Katia, que termina confesando su propia experiencia: “Mi hija murió con tres años y ocho meses. Nacida con grave discapacidad, estaba hipercapacitada para generar cambios a su alrededor: despertó la ternura en mí, eso me hizo mejor médico. Yo la cuidé, ella me doctoró.” Ante la pregunta de cómo enfrentará ella su propio final, Katia responde con el único deseo posible: “¡cuando venga la muerte, que me encuentre bien viva!”. Esta radical aceptación de la vida y la muerte como la misma cosa es subrayada con un final donde las ropas del canceroso son respetuosamente retiradas mientras un coro de niños se encarga de transmitirnos la visión de Fauré de esa Jerusalén irreal file:///F|/ARKIVERT/ARKIV%20PRESSEKLIPP/PRESSEKLIPP/2010%20PRESSEKLIPP/INTERNASJONALE%202010/20100527_monduclassico_sedettemennesket.htm (4 av 5) [24.06.2010 14:57:27]


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y metafórica, insertada en la psique occidental como un equivalente al Nirvana en 'premio' para quién sepa alcanzar la aceptación de sí mismo. Este artículo fue publicado el 11/06/2010

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Referencias: Calixto Bieito

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Zoë Anderson journeys north to Norway for the

2010 Bergen International Festival

Hanne Gjerstad Henrichsen in Jo Strømgen Kompani’s The Experiment. Photograph by Knut Bry.

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orway from the air: flying into Bergen, you pass over the country’s intricate coastline, with fjords cutting deep into the mainland and islands dotted across the sea. Even in June, there’s snow on the mountaintops. Inland lakes are navy blue in the sunshine, their colour a deep contrast to the milky green waters of the sea. I was travelling to Bergen for its International Festival, which is building up a lively dance strand alongside its music programming. The city makes a very attractive home for a festival. It grew up around its harbour, where the traditional wooden houses and warehouses are now a UNESCO world heritage site. Bergen has spread out along its narrow valley, houses creeping up the steep, wooded mountainsides. The centre is compact enough to be easily walkable, with a nice range of venues. Some of the music concerts are held at Troldhaugen, the summer home of the composer Edvard Grieg, just outside the city. His villa stands by a ravishing lake, with walks leading down to the shore, where Grieg worked in his small composing hut. (I’m envious:

I wish dance critics had lakeside writing huts.) A modern concert hall has been cleverly tucked into a fold in the landscape: performances have a backdrop of the lake and the hut. When I visited, Eilif Løtveit guided me around the house and grounds, brimming over with knowledge and enthusiasm for Grieg’s works and life. This year’s dance programme is varied in scale and style, though focused on contemporary work. The Paul Taylor Dance Company, celebrated international visitors, appeared at the Grieghallen, Bergen’s grand concert hall. There was dance theatre at Den Nationale Scene, an art nouveau theatre with a traditional proscenium arch stage. The first performance I saw was by Carte Blanche, the Bergen-based Norwegian National Company of Contemporary Dance.

This 14-strong troupe presented two new works at the Bergen Studio, a large, well-focused black box theatre. It was well-attended, by an international audience; foyer conversations were in French, English and German as well as Norwegian. The internationalism continued onstage, too. Carte Blanche’s last programme, NyNORSK, concentrated on Nordic choreographers. This time, the company turned to overseas creators. MAD, by German-born Arco Renz, starts with dancers divided and isolated. As Marc Appart’s music crackles its way from static to beats, a series of dancers arch and contort themselves. The solos are separated by blackouts, the dancers framed by Lawrence Malstaf’s set design, a moving curtain of rods. Indrani Balgobin dresses the dancers in grey gauze shifts. They wear painted

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This page above, Nuria Guiu Sagarra in Carte Blanche’s MAD; below left, Carte Blanche in Stalk, photographs by Eric Berg. Below right, a publicity shot for Carte Blanche. Photograph by Yaniv Cohen.

green tattoo patterns, suggesting leaves or branches, on limbs, necks and torsos. Nuria Guiu Sagarra is outstanding in Renz’s muscular steps. She dances with tremendous weight and projection, every shape given bold definition. During one solo, she lies with her toes flexed against the ground, her torso reared up as she reaches behind her. It’s a fierce, focused moment. As a whole, MAD is too long. A late section of unison deep pliés feels like a natural ending. Then the dancers fall to the floor, pick themselves up and emote vaguely at us. Even so, MAD has a distinctive atmosphere, with a taut performance from a confident company. Stalk is choreographed by La Intrusa Danza, the project-based company of Virginia García and Damián Muñoz. It’s built around couples and relationships; they tend to sneak up on rather than

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“stalk” each other, though there are certainly power games going on. Partnering is full of tugging and pulling. In one sequence, couples take turns to pull each other upright, one sinking down as the other bounces up. Each time, the upright partner treads on the other. Jo Strømgren Kompani’s The Experiment, at Den Nationale Scene, shows four female volunteers at an unnerving research centre. They speak in what Strømgren calls “nonsensical Russian”, a made-up language with some recognisable words. One by one, they open the cupboards of a the lab bench, take out a flask and drink from it. A male voice – the captain, or as one of the women unwisely calls him, “Sergei” – gives orders, which they resent but obey. Their reactions to the experiment go from surrealism to everyday office

politicking. Ingrid Bolsø Berdal, whose headscarf and boilersuit suggest a heroine of the revolution, mocks her colleagues by pretending to drop dead. Then she’s overtaken by genuine shudders, frothing at the mouth. Hanne Gjerstad Henrichsen, a nerdy girl in kneesocks, casts off her inhibitions. Ulla Marie Broch, having admitted she knows “Sergei”, summons up memories of him, taking her skirt off and dancing to Swan Lake music. Marte Stolp seems to have a miscarriage – a moment of grotesque comedy that doesn’t quite work: it’s too extreme an image to fit into the story, since everybody gets over it pretty quickly. But all four women are strongly characterised, the relationships sharply drawn. Under the stress of the experiment, they bicker, sympathise, jeer behind each other’s backs and get embarrassed at being found out. Strømgren produces some memorably surreal and funny images, but The Experiment’s greatest strength is its believable human behaviour.

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he Grieghallen is Bergen’s grandest venue, a concert hall with muchadmired acoustics. For the Paul Taylor company, it was arranged with a temporary proscenium arch, making a more conventional dance stage.

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This page, Paul Taylor Dance Company in Spindrift. Photographs by Magnus Skrede.

Alas, the acoustics weren’t much tested: the company danced to taped music. Taylor’s Spindrift is danced to Schoenberg’s String Quartet Concerto after Handel: baroque sunniness with spiky overtones. Santo Loquasto’s backdrop suggests William Blake or Samuel Palmer to me, a visionary scene with livid clouds – though it also has a shaft of sunlight illuminating a beach parasol. The work is a day at the beach, with unexpected sharp edges. Dancers group together in perky attitudes, then step aside to reveal Michael Trusnovec lying on the ground, as if he had just crawled out of the sea. Spindrift is full of implied backstories, suggested relationships. In one scene, the dancers spin in concentric circles – with Trusnovec at the centre, held upside-down. In another, a man falls at Trusnovec’s feet, arching and undulating.

It’s a big, bold, ambiguous moment. What are they saying to each other? Elsewhere, Taylor sets his cast dancing, skipping and skimming down diagonals. At the end, a line dance passes Trusnovec, each person clasping his hand in turn. The tone is brisk, but then they leave him behind. Beloved Renegade, danced to Poulenc’s Gloria, was inspired by the life and work of the poet Walt Whitman. Whitman’s celebrations of the body are in Taylor’s Laudamus te for young couples, a skipping dance full of light pats to foot, groin, heart. Trusnovec’s Whitman mourns soldiers, who sink to the floor – but it’s Trusnovec himself who is carried out as if dead. Annmaria Mazzini, in white body tights, is a death figure, which Taylor makes both weighty and matter-of-fact. A dancer pushes between Mazzini and Trusnovec, and falls. Mazzini simply steps over the body into Trusnovec’s arms. She may be an angel of death, but she’s also, very definitely, one of two

dancers dancing. Taylor’s symbolism is surprisingly far from heaviness. It’s there again when Mazzini leads Trusnovec off, the corps around them as a procession. Trusnovec is the only one not walking in step: it’s his funeral. Brandenburgs is a bouncy closing number to Bach, with some wonderfully distinctive footwork. In one step, dancers pull one foot up in front of the knee, with a hasty shift of weight as they put it back down again. It has a near-tripping effect, giving the dancers a skittish quickness. Taylor’s company are lively throughout. Bergen is a friendly, appealing festival, busy but relaxed. For southern visitors, it also has the charm of the north’s white nights. When I walked back to the hotel after performances, the air was clear and the sun still shining: enough light to read by, even at midnight. n The 2011 festival will run from May 28 until June 8. Visit fib.no/en/ for further details and how to book tickets. Dancing Times August 2010

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