Prosit Neujahrsblatt Seite 10
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S�LOTHURNER FILMTAGE
25.1. —1.2. 2018
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EDITORIAL Januar 2018
Liebe Leser_innen
Eine gute Lektüre mit dem Januar-KOLT wünsche ich euch! Nathalie Bursać
IMPRESSUM VERLAG / HERAUSGEBER Verlag 2S GmbH, Leberngasse 17, 4600 Olten, verlag@v2s.ch, www.v2s.ch VERLAGSLEITUNG Yves Stuber (ys) REDAKTIONSLEITUNG Nathalie Bursać (nb), redaktion@kolt.ch FINANZEN Matthias Gubler INTERNETAUFTRITT Roger Burkhard LAYOUT / SATZ Christoph Haiderer REDAKTIONELLE MITARBEIT Kilian Ziegler, Marc Gerber, Daniel Kissling, Pierre Hagmann, Ueli Dutka (ud), Isabel Hempen, Martin Bachmann ILLUSTRATION Petra Bürgisser, Anna-Lina Balke FOTOGRAFIE Janosch Abel, Ellen Mathys, Remo Buess KORREKTORAT Mirjam Läubli, Karola Dirlam LESERBRIEFE leserbriefe@kolt.ch, www.kolt.ch/leserbriefe AGENDA agenda@kolt.ch, www.kolt.ch/agenda ABO Jahresabonnement CHF 99.—(inkl. MwSt), Gönnerabonnement CHF 170.— (inkl. MwSt), abo@kolt.ch, www.kolt.ch/abo INSERATE inserate@kolt.ch, www.kolt.ch/inserieren KONTAKT www.kolt.ch, hallo@kolt.ch AUFLAGE 1'800 ISSN 1664-0780 DRUCK Dietschi AG Druck und Medien, Ziegelfeldstrasse 60, CH-4600 Olten. © 2018, Verlag 2S GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung. Die Urheberrechte der Beiträge bleiben beim Verlag. Keine Gewähr für unverlangt eingesandte Manuskripte, Fotos und Illustrationen.
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Cover fotografiert von Remo Buess
Frohes Neues Jahr allerseits! Dieses Heft entstand im etwas hektischen Dezember, des wohl gesellschaftlich ereignisreichsten Monats im Jahr. Nun wird es hoffentlich etwas ruhiger in der Stadt. Die beiden grossen Reportagen, die ihr in diesem Heft findet, sind es auch. In Zürich dürfen alle, die sich dafür interessieren, an einer Führung im städtischen Krematorium teilnehmen. «Wie lange dauert eine Kremation? Wie hoch ist die Temperatur im Ofen? Kann eine Einäscherung begleitet werden?», auf diese Fragen erhält man dort Antworten. Und zu sehen gibt es einiges. Ich erinnere mich an meinen ersten Besuch im Krematorium. Ich war im Vorfeld ordentlich nervös. Doch meine Aufgeregtheit legte sich, als der Feuerbestatter routiniert mit seiner Arbeit begann und ganz offen über seine Arbeit redete, die gar nicht so traurig ist, wie Aussenstehende vielleicht meinen könnten. Isabel Hempen hat für KOLT das Krematorium auf dem Friedhof Meisenhard in Olten besucht und dem dortigen Feuerbestatter bei der Arbeit zugeschaut. Auf Seite 24 lest ihr die lehrreiche Reportage über den Besuch bei Peter Kempf, dem Feuerbestatter von Olten. Es war kurz vor Redaktionsschluss im Dezember, als der Verein Akademia Olten als Herausgeberschaft der Oltner Neujahrsblätter zum grossen Nachtessen einlud. Gefeiert wurde dort – wie jedes Jahr – die Erscheinung der neusten Neujahrsblätter. Wer sind die Menschen, die in unzähligen Stunden an dieser Publikation mitarbeiten? Warum gibt es diese Oltner Neujahrsblätter überhaupt? Und ist es fair, dass ungefähr 3000 Exemplare davon jedes Jahr im Altpapier landen? Ich muss gestehen: Die Menschen hinter den Oltner Neujahrsblättern haben so verschiedene und lange Lebensbiografien, ein Text allein wird ihnen nicht gerecht. Lest auf Seite 10 unsere Reportage aus einem ganz besonderen Oltner Gesellschaftskreis – demjenigen der Stadtweisen.
INHALT
6 Im Gespräch Yoga geht auch mit Lachen, Birgit Klause weiss wie
GENUSS 20
KOLUMNEN 32 NaRr «Vorschau»
Kilian Ziegler
Film Für alle Fans von «The Lobster»
10 Die Stadtweisen
Sie sind die älteste Redaktion der Stadt und bringen jedes Jahr die Oltner Neujahrsblätter heraus – ehrenamtlich. Gefeiert wird die neuste Ausgabe immer gleich. KOLT war dabei.
21 Musik
Vielleicht helfen ja Schafe
Die Romands haben es drauf
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22
Petra & donogood
Literatur
«Spiel-Satz-Sieg»
Das, was passieren könnte
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STADT
Der koltige Monat Offener Brief von KOLT
9 Meinung «Das ominöse Ranking»
24 Kein trauriger Beruf
Seit 100 Jahren ist das Krematorium auf dem Friedhof Meisenhard in Betrieb. Ein Blick in den Ofenraum.
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DAS GESPRÄCH
«Wie wenn man bei einem Oldtimer den Motor mit einer Kurbel anschmeisst» Yoga ist en vogue. Lachyoga hingegen weniger. Vielleicht liegt es daran, dass man währenddessen ziemlich lustig aussieht. Birgit Klause weiss, wie man gesund lacht, und bringt andere dazu, es ihr gleich zu tun. Interview von Martin Bachmann Foto von Janosch Abel
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irgit Klause, was bringt Sie zum Lachen? Ganz einfach, wenn man mich anlacht. Das genügt eigentlich schon. Oder wenn jemand etwas Witziges erzählt und die Geschichte mit der entsprechenden Gestik unterstützt. Besonders anregend wird es, wenn mehrere Leute dabei zusehen und -hören und man die verschiedenen Reaktionen miterleben kann. Daraus entsteht dann eine Situationskomik, die ich persönlich sehr lustig finde. Oder gute Komödien, vor allem französische wie «Bienvenue chez les Stis», die ich wahnsinnig komisch finde. Aber natürlich bringen mich auch Kinder zum Lachen.
Wie sieht dieses Motoranschmeissen bei Ihnen im Lachyoga-Kurs aus? Ich führe die Leute zum Lachen hin. Das geht mit einfachen Übungen wie mit einem Hüftschwung in der Form einer Acht. Oder mit einer meiner Lieblingsübungen, dem Pinguin! (steht auf) Sehen Sie: Dabei presst man die Arme gegen den Körper und spreizt die Hände von den Hüften ab und wackelt durch den Raum. So kommen die Leute in Bewegung, und das Lachen kommt dabei fast von selbst. (lacht und setzt sich wieder an den Tisch) Sie glauben gar nicht, wie viele Leute das Lachen verlernt haben. Vielen ist es tatsächlich peinlich. Dann sage ich: «Hey, du hast
Man hört oft, dass Erwachsene über Kinder lachen können. Warum denken Sie, ist das so? Kinder sind unvoreingenommen, neugierig und offen. Deshalb können sie einen zum Lachen bringen, denke ich. Später im Leben lernen sie dann schnell, sich anzupassen und verlieren einen Teil ihrer Unvoreingenommenheit.
«Sie glauben gar nicht, wie viele Leute das Lachen verlernt haben. Vielen ist es tatsächlich peinlich.»
Der Volksmund sagt, lachen ist gesund. Beim Lachyoga geht es darum, grundlos zu lachen, um gesund zu bleiben. Anhänger des Lachyogas in Übersee sprechen gar von «fake it, until you make it». Kann man so lange künstlich lachen, bis ein echtes Lachen daraus wird, und bleibt man so auch noch gesund? Wollen Sie es ausprobieren? (lacht) Schauen Sie, beim Lachen kommt zuerst die Lachphrase «Hohohahaha!» zum Einsatz. So bringen Sie die Stimmbänder in Bewegung, aktivieren ihre Atmung und ihre Gesichtsmuskulatur. Das bewirkt, dass Ihr Körper Botenstoffe wie das Glückshormon Dopamin aussendet. Lachen dient damit nicht nur der geistigen, sondern auch der körperlichen Gesundheit. Wer lacht, der lacht, der Grund spielt für den Körper keine Rolle. Das Gedankenkonstrukt «ich tu so als ob» ist hilfreich, um zu beginnen. Meine Rolle ist es, wie bei einem Oldtimer den Motor mit einer Kurbel anzuschmeissen. Mit der Zeit wird er warm und läuft wie von selbst.
ein schönes Lachen!» Bereits das hilft bei manchen schon. Manchmal übernehme ich auch klassische Yogaübungen wie den Adler. Da breitet man die Arme aus, und ich sage dann so etwas wie: «Stell‘ dir vor, die fliegst über die Berge.» Wie stark ist Lachyoga von der klassischen fernöstlichen Philosophie des Yogas beeinflusst? Der Einfluss des klassischen Yogas ist gering. Der indische Arzt Doktor Madan Kataria war fasziniert von einem Bericht über den amerikanischen Journalisten Norman Cousins, der sich selbst mit Hilfe von Lachen von einer schmerzhaften und normalerweise tödlich verlaufenden Wirbelsäulenentzündung heilte. Kataria traf sich daraufhin regelmässig mit Leuten auf der Strasse, um mit ihnen zu lachen. Um es geschlechter- und sprachunabhän-
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gig zu machen, mussten Alternativen für Witze her. So entstand das Lachyoga. Inzwischen gibt es über 7000 Lachyogaclubs weltweit. Dann hat Lachyoga also nichts mit dem lachenden Buddha zu tun, der einen zum Beispiel im Eingangsbereich chinesischer Restaurants in Form einer dickbäuchigen, vergoldeten Statue angrinst? (lacht) Nein, überhaupt nicht. In der asiatischen Kultur gehört Lächeln natürlich dazu, sei es aus Höflichkeit, um zu gefallen, sich zu entschuldigen, Unsicherheiten zu verbergen oder einfach, damit sich das Gegenüber wohl fühlt. Daher der lächelnde Buddha. Zu lächeln lernen wir hier heute offenbar nicht mehr. Und das, obwohl auch die westlichen Weisen schon aus griechicher Zeit vom Lachen und seinen Vorzügen für Geist und Körper schrieben. Wahrscheinlich taten sie es auch: lachen. Was für Menschen kommen zu Ihnen in den Lachyoga-Kurs? Die 30-jährige Angestellte, 50-jährige Männer, 80-jährige Rentnerinnen. Einige bringen nach ein, zwei Besuchen ihre Verwandte oder Freundinnen mit. Auf jeden Fall spazieren hier alle mit einer total anderen Haltung hinaus. Sowohl körperlich, also mit erhobenem Kopf und geradem Rücken, als auch psychisch.
2013 entdeckte Birgit Klause das Lachyoga. Sie hat im Bereich der Persönlichkeitsentwicklung Ausbildungen zum Experiential-Coach und den Master Hypnose-Practitioner absolviert. Die gelernte Designerin arbeitete seit 2007 bei Vögele in Olten als Teamleiterin. Ihr Spezialgebiet war das Design von Jeans. Geboren und aufgewachsen ist Birgit Klause im deutschen Leverkusen. Sie mag das satte Grün der Aare im Sommer, radelt regelmässig zum Sälischlössli hinauf und hält im Quartierzentrum Cultibo Lachyoga-Kurse ab. Das Lachen hat mittlerweile seine eigene Wissenschaft, die Gelotologie, die den positiven Effekt des Lachens auf Körper und Geist erforscht.
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LESERPOST
OFF THE RECORD
Achtung, Newsflash! «Einzelne Passagen reizen bestimmt bzw. hoffentlich zum Widerspruch. Vielleicht ist Olten etwas schlechter weggekommen, als ich es meist persönlich empfinde. Ein Korn Wahrheit steckt auf jeden Fall in meiner kritischen Bemerkung. Olten ist trotzdem eine lebenswerte Stadt. Auswärtigen gegenüber lobe ich jeweils die Vorzüge des Städtchens.»
Erich Huber, Pfarrer in Pension, in einem Mail an die Redaktion als Reaktion auf sein Gespräch in der Dezemberausgabe von KOLT.
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er Stadtpräsident schreibt in den Neujahrsblättern unter dem Titel «Stadtrat arbeitet am Erlebnis Olten», es gehöre auch Mut zur Lücke und somit zum Verzicht auf ein «nice to have». Das Leitbild heisst «Erlebnis Olten»! Der Stadtrat benennt die nächsten vier Jahre, respektive die Ziele seines Regierungsprogrammes, „Erlebnis Olten“. Aber hallo! Der Präsident schreibt: In der neuen Legislaturperiode (2017-2021) plane der Stadtrat die Attraktivierung des Bahnhofplatzes, die auch den Aarezugang wesentlich verbessert. Moment, Moment! Die Planung des Bahnhofplatzes fand vor der letzten Legislaturperiode statt und «Andaare» nannte sich das Projekt, welches den Aarezugang verbessern wollte. War da nicht Mut zur Lücke angebracht und das Projekt dann nach Zustimmung des Volkes trotzdem «nice to have»? Grundlage sei übrigens auch der nun umzusetzende Mobilitätsplan. Der Mobilitätsplan, geschätzte Damen und Herren! Der Mobilitätsplan. Der kommt jetzt. Jetzt, seit 2012. Und ebenfalls zum Zweck der Weiterentwicklung der Stadt Olten würde auch die Ortsplanung revidiert und neuen Anforderungen wie Höherbauen und Verdichten angepasst. Neue! Anforderungen! Verbessert werden müsse übrigens nach Ansicht des Stadtrates auch die sichere Anbindung des neuen Quartiers Olten SüdWest an die Innenstadt, um die mit dem neuen Masterplan aufgezeigte Entwicklung zu fördern. So ist das. Damit meint der Stadtpräsident die Verbindung zum Bahnhof Olten Hammer, die im Auftrag und im Wettbewerb über lange Zeit vor einigen Jahren entworfen wurde, deren Projekt aber 2016 vom Parlament zurückgewiesen wurde mit der Begründung, dass die-
se Investition nicht Priorität habe. Als «nice to have» eingestuft, quasi. Mit Mut zur Lücke. «A propos Entwicklung» fährt der Stadtpräsident in seinem Text weiter und endet damit, dass die «in den letzten Jahren erarbeiteten Grundlagen» ... «integrale Strategie Olten Ost» und «die Energie- und Klimastrategie nutzbringend für die Bevölkerung umzusetzen». Noch stünden die Zeichen schlecht, aber.... wie gesagt, ...jetzt kommt der Teil mit dem «Mut zur Lücke» und dem «nice to have». Am Ende des Textes wird es ganz kurz sehr konkret, denn da heisst es deutlich: «Das Regierungsprogramm... zeigt unter den Schwerpunkten Gesellschaft und Umfeld, Mobilität, Angebot und Infrastruktur...», Achtung, jetzt kommts: «Die breite Palette reicht von einer neuen Alterspolitik...» – ah ja? – «...über die Erstellung von neuem Schulraum...» – hier haben wir’s! – «...nach Bedarf bis hin zur Realisierung von...» – Achtung! – «...zwei sichtbaren Investitionsprojekten...» – das Ende des Satzes ist grandios: «...und zum Gleichgewicht zwischen dem vorhandenen Angebot und dem Preis in Form von Gebühren und Steuern».
«Der Stadtrat benennt die nächsten vier Jahre, respektive die Ziele seines Regierungsprogrammes, „Erlebnis Olten“. Aber hallo!»
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Unter dem Strich heisst es da, dass die Regierung bis 2021 sehr gerne ein neues Schulhaus bauen möchte. Es reicht wahrscheinlich für nicht viel mehr. Aber «nice to have» wären noch zwei weitere Dinge, die man erst finanzieren und dann sehen kann. Der Text endet dann mit «jetzt» und «nachhaltiger Politik», wobei das allerletzte Wort «Zukunft» ist.
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MEINUNG
Das ominöse Ranking
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mmer im Sommer ist es ein Thema: das Städteranking des Schweizer Wirtschaftsmagazins Bilanz. Dabei werden 162 Schweizer Städte anhand von 11 Themen, die sich jeweils aus mehreren Variablen (2017: 116 Variablen) zusammensetzen, bewertet. In jedem Themenbereich ergibt sich eine Platzierung von 1 bis 162, und alle Platzierungen ergeben zusammengezählt die Schlussposition im Ranking. So gut, so einfach. Doch was hat das mit Olten zu tun? Ganz einfach: Olten taucht in einem Themenbereich ganz weit vorne auf. Im Bereich «Kultur & Freizeit» liegt die Stadt Olten nach 2016 nämlich auch im Jahr 2017 hinter Baden und vor Neuenburg auf Rang 2! Super, oder? Der Stadtrat liess es sich jedenfalls nicht nehmen, im Regierungsprogramm 2017 – 2021 vom Oktober 2017 auf diesen zweiten Platz im Bereich Kultur und Freizeit zu verweisen. So sei die Attraktivität der Stadt Olten in den letzten Jahren nicht schwerwiegend beeinträchtigt worden, «wie auch die gute Platzierung im Bilanz-Städteranking, unter anderem mit Platz 2 aller Schweizer Städte in Kultur und Freizeit, zeigt». Auch im Oltner Stadtparlament verweisen Parteien in ihren Argumenten gegen mehr städtische Gelder im Bereich der Kultur gerne auf diesen zweiten Platz.
Nils Loeffel (28) arbeitet als Sozialarbeiter in Solothurn und veranstaltet daneben regelmässig Kultur im Coq d’Or.
Doch wie ist dieser zweite Platz zustande gekommen? Wer sich die Mühe macht, die Variablen für das Jahr 2017 ausfindig zu machen, wird leider nicht fündig. Auf der Webseite der Bilanz sind nur die Variablen für das Jahr 2011 zu fin-
«Den zweiten Platz im Bereich Kultur & Freizeit hat die Stadt Olten in erster Linie ganz vielen Freiwilligen zu verdanken.» den, und diese lassen sich grob in drei Kategorien aufteilen. Kategorie 1 ist die Anzahl von Angeboten im Bereich Kultur & Freizeit in der Stadt. Kategorie 2 ist die Anzahl von Angeboten pro 1000 Einwohner, und Kategorie 3 ist die Anzahl der Angebote, die in 15 Minuten vom Stadtzentrum aus erreichbar sind. In die Bewertung fliessen ausserdem die kommunalen Ausgaben für
Kultur und Freizeit pro Kopf ein. Das Städteranking wird also auf der Grundlage von quantitativen Daten erstellt. Qualitative Kriterien fliessen nicht in die Beurteilung ein. So ist weder die Diversität des Angebots ein Kriterium noch die Fragen, auf welcher Basis diese Angebote überhaupt existieren, wer sich diese Angebote leisten kann oder inwiefern die städtische Politik zur Existenz der Angebote beiträgt. Es ist unumstritten, dass die Stadt Olten für ihre Grösse über ein breites Kultur- und Freizeitangebot verfügt. Für fast jeden Geschmack gibt es etwas; sei das ein Museum, ein Theater, das Kino, Bars, Clubs, Konzertlokale oder Sportvereine aller Art. Damit lässt sich auch die gute Platzierung erklären. Aus eigener Erfahrung weiss ich aber, dass ein Grossteil dieser Angebote ohne Freiwilligenarbeit nicht existieren würden. Den zweiten Platz im Bereich Kultur & Freizeit hat die Stadt Olten in erster Linie ganz vielen Freiwilligen zu verdanken. Sie sind es, welche sich für die vielen Angebote zuständig zeigen. Will die Stadt diesen zweiten Platz halten, dann muss sie zu ihren Freiwilligen Sorge tragen. Sie muss die geleistete Arbeit wertschätzen. Sie muss die Kulturschaffenden und die Sportbegeisterten in ihrer Arbeit unterstützen. Macht sie das nicht, reden wir schon bald nicht mehr über diesen zweiten Platz.
THOMAS MÜLLER Inhaber/CEO
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Die Oltner Neujahrsblätter gibt es seit 76 Jahren. Die Oltner und Oltnerinnen, die das Blatt jedes Jahr mit grossem Einsatz herausbringen, kennen Geschichten über Olten und seine Menschen, die man nirgends nachlesen kann – ausser eben vielleicht in den Neujahrsblättern. Ein Besuch im innersten Kreis.
Text von Nathalie Bursać Fotos von Remo Buess
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n diesem Montagabend anfangs Dezember im Oltner Restaurant Aarhof sitzt Peter André Bloch wie jedes Jahr am besten Platz im Saal, mit dem Rücken zur Wand, den ganzen Raum im Blick und alle Anwesenden in akustischer Hörweite, zumindest theoretisch. Er wird durch den Abend führen. Denn er ist – auch wenn er viel zu bescheiden ist, um das über sich selbst zu sagen – die wichtigste Person im Raum, der, der alle Fäden zusammenhält. Das tut er schon seit 39 Jahren. Die Gäste sitzen verteilt an sechs grossen Tischen. Unter ihnen ich, die Journalistin, die von Peter André Bloch kurzerhand hierher eingeladen wurde, weil sie ein Porträt über eine etwas ungewöhnliche Publikation schreiben will: die Neujahrsblätter. Eine Kollegin antwortete mir ein paar Tage zuvor per SMS mit «ächz», als ich ihr mitteile, dass ich diesen Text plane. Ächz. Zugegeben, ich kann ihre Unmutsbekundung ein wenig nachfühlen. Oltner Neujahrsblätter. Dieses Heft, das immer Ende Jahr mit beigelegtem Einzahlungsschein in meinem Briefkasten landete und das ich nicht ein einziges Mal durchblätterte. Wollte ich den Heftpreis von zehn Franken trotz freundlicher Aufforderung nicht bezahlen, verlangte es der Anstand, dass ich das Neujahrsblatt mindestens retourniere und im Stadthaus in den Briefkasten werfe. Ich gebe zu, das gelang mir nicht immer. Und wie ich später erfahren werde, bin ich damit nicht alleine. Rund 3000 Stück der 10 000 gedruckten Neujahrsblätter landen im Altpapier. Ich fühle mich schlecht. Einige Jahre später bin ich nun also hier, am alljährlichen Nachtessen anlässlich der Erscheinung der Oltner Neujahrsblätter 2018. Zugege-
ben, ich komme mir etwas fehl am Platz vor unter all diesen mir unbekannten Ur-Oltnern und -Oltnerinnen – die meisten aus der Generation meiner Grosseltern und Eltern. Ich beobachte und notiere. Zwischendurch schicke ich SMSNachrichten an die Aussenwelt und lasse mir bei jeder Gelegenheit Aargauer Rotwein nachschenken. Mit beidem bin ich die Ausnahme heute. Noch ahne ich nicht, dass ich den Saal an diesem Abend als eine der Letzten verlassen werde. Gerührt irgendwie. Doch dazu später mehr. Alle, die heute hier sind, stehen in irgendeiner Verbindung zu den Oltner Neujahrsblättern. Entweder wurde darin über sie geschrieben oder sie haben Ideen, Texte oder Bilder beigesteuert, redigiert, gelayoutet, gesetzt oder die Buchhaltung gemacht – alles ehrenamtlich selbstverständlich. Das Abendessen, so Bloch, sei der Lohn dafür. Einige Gäste sind zum ersten Mal da: Sie sitzen still auf ihren Stühlen und studieren intensiv die Menü-Karten. Der Grossteil hingegen ist relativ entspannt. Man realisiert an diesem Abend wieder einmal: Olten ist eine kleine Stadt, man kennt sich in gewissen Kreisen zu gut, um sich gegenseitig mit Smalltalk langweilen zu müssen. Die Galeristin, der Kulturveranstalter, die Museumsdirektorin, der Jodlerklub-Präsident, der pensionierte Forstverwalter, der Architekt, der Stadtarchivar, die Lehrtochter der Druckerei – sie sind heute Abend Teil der Neujahrsblätter-Familie. Und so beginnt dann später auch der Gruss der Stadtregierung, spontan vorgetragen von der anwesenden Stadträtin Iris Schelbert, die erst gerade erfahren hat, dass sie einspringen muss, weil der Stadtpräsident wegen einer Fraktionssitzung heute fernbleibt. Schelbert ist wie jedes Jahr als Ehepartnerin des Gestalters der Neujahrsblät-
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«Man realisiert an diesem Abend wieder einmal: Olten ist eine kleine Stadt, man kennt sich in gewissen Kreisen zu gut, um sich gegenseitig mit Smalltalk langweilen zu müssen.» ter sowieso zu diesem Abend eingeladen. «Liebe Neujahrsblätter-Familie», beginnt sie, «einmal mehr danke ich, die Neujahrsblätter sind der Hammer geworden!» Was folgt sind lobende Worte, gekonnt locker vorgetragen, wie alle Reden an diesem Abend. «Es ist schön zu sehen, dass es bei euch Veränderungen gibt, die Neujahrsblätter werden ein wenig jünger», sagt die Stadträtin zum Schluss. Die Ironie hier war wohl nicht beabsichtigt. Im Mai verstarb nämlich der 99-jährige Karl Frey, ein Stadtoriginal, berühmt für seine Wetteraufzeichnungen und sein meteorologisches
Peter André Bloch Als wäre 1979 gestern gewesen. Der emeritierte Germanistik-Professor, ehemalige Kantilehrer, Mäzen, Kunstkenner und Autor hat bisher 39 Ausgaben der Neujahrsblätter gestemmt. Deren Leitung übernahm der 81-Jährige von seiner Hausärztin Maria Felchlin, die die Oltner Neujahrsblätter 1943 zum ersten Mal herausgab. Peter André Bloch leitet das Nietzsche-Haus in Sils Maria und schreibt Bücher. Das neuste erschien eben erst im Wallstein-Verlagund handelt von Dürrenmatt, den er persönlich kannte.
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Roland Weiss Wenn die Zeitungen über die Oltner Neujahrsblätter berichten, dann gehört er mit auf das Bild: der Mann aus der Druckerei, der «Hüne», wie er von der Redaktionskommission liebevoll genannt wird. Unglaublich geduldig und liebenswert sei er. Wenn einer den Überblick über die Neujahrsblätter hat, dann Roland Weiss.
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Madeleine Schüpfer Lyrikerin, Kulturjournalistin, Deutschlehrerin und Vizepräsidentin der Oltner Neujahrsblätter, in denen sie 1980 zum ersten Mal schrieb. Aktuell beträgt die Anzahl ihrer Beiträge in den Neujahrsblättern stolze 98. Die heute 79-Jährige widmet sich mit Vorliebe den Kunstthemen.
Fachwissen, das er gerne in die Neujahrsblätter einbrachte. Er schrieb Texte mit Titeln wie «Der Klimawandel in Olten» oder «Das Oltner Weihnachtswetter 1871 – 1990» (1992), «Föhnstimmung auf der Frohburg» (1984), «Sibirische Kälte in Olten» (1986). Im Juli verschied dann der berühmte Hans Hohler im stolzen Alter von 102 Jahren, Autor von 24 Artikeln zum Oltner Kulturerbe. Es ist das Jahr, in dem die Neujahrsblätter ihre beiden ältesten Charakterköpfe verloren hat. Ich habe sie verpasst, denke ich mir. Und dann wäre da noch Irène Zimmermann, die langjährige Aktuarin der Neujahrsblätter. Wäre sie noch da, würde sie mit Peter André Bloch und den anderen fünf Mitgliedern der Redaktionskommission am Tisch sitzen. Sie war die gute Seele, welche die Tische im Säli immer weihnachtlich schmückte, vor ein paar Wochen noch hatte sie wie jedes Jahr die Kartothek – geschrieben mit Schreibmaschine – mit den Adressen der auswärtigen Abonnements kontrolliert. Als ich einige Tage zuvor Bloch bei sich zu Hause zum Gespräch traf, hatte er gerade von ihrem Tod erfahren. «Das arme Meitschi», sagte er. Peter und Irène kannten sich seit der Primarschule. Die kleinen Aufgaben bei den Neujahrsblättern bedeuteten ihr viel. Ein wenig vergesslich sei sie zwar gewesen, sagt Bloch, aber das sei ja das Schöne an den Neujahrsblättern: Alle, die wollen, dürfen mitmachen. An diesem
Abend im Säli des Aarhofs zittert Blochs Stimme, als er die Anwesenden über das Dahinscheiden der 80-Jährigen treuen Wegbegleiterin informiert. «Und denkt daran, wenn ihr etwas habt, geht zum Doktor!», ermahnt er, und kurz bevor seine Stimme endgültig bricht, bittet er darum, dass wir alle kurz aufzustehen. Vier Sekunden lang ist es ganz still im Säli.
Rückblende, gleicher Abend, 17 Uhr, im Oltner Stadthaus, oberstes Stockwerk, «Empfangsraum»: Wie immer findet hier die offizielle Presse-Präsentation der Neujahrsblätter statt. Der Epesses ist vorgekühlt, Chips und Salzstängeli liegen zum Knabbern bereit. Der Stadtanzeiger und das Oltner Tagblatt haben jemanden geschickt, die fünf Hauptmitglieder der Redaktion sind da, der Chef der Druckerei, der Stadtschreiber und der Stadtpräsident ebenso. So verlangt es die ungeschriebene Tradition. Eine Stunde lang geht Peter André Bloch die 120 Seiten starke Ausgabe durch, fasst jeden Artikel zusammen und bietet Einblicke in die Entstehungsgeschichte. Später am Abend wird er genau das gleiche noch einmal vor der versammelten Neujahrsblatt-Familie machen. Heidi Ehrsam rapportiert das Budget (Einnahmen: 85 975 Franken, Ausgaben: 84 934 Franken) und die Abonnementszahlen (700
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Ich wundere mich heute nicht zum letzten Mal über die überschwappende Herzlichkeit, das kreative Lob, das in Richtung der Redaktion geschickt wird. Auswärtige), Sibylle Scherrer erzählt etwas zur News des Jahres schlechthin: Alle Ausgaben der Oltner Neujahrsblätter sind dank der Internetplattform «E-Periodica» der ETH ab sofort im Internet abrufbar. Nach genau einer Stunde ist die offizielle Präsentation vorbei. Der Kollege von der Tageszeitung
Christoph Schelbert Er gestaltet die Neujahrsblätter schon fast sein halbes Leben lang und hat dabei den digitalen Wandel wohl am meisten zu spüren bekommen. Der 61-Jährige ist der Künstler im Bunde und Professor für Kunst und Gestaltung. Er ist auch der, der nicht selten mit dem Fotoapparat loszieht, um ein Neujahrsblatt-Bild noch einmal zu schiessen, damit es es im Heft dann auch wirklich gut aussieht.
verlässt eilig den Raum. Zwei Tage später wird seine Zeitung «Neujahrsblätter sind da» titeln. Wie das Jahr davor. Und das Jahr davor. Wie eigentlich alle die Jahre davor. Im 11. Stockwerk des Stadthauses dankt der Chef der Druckerei für «diesen wunderschönen Auftrag» und holt bei Schriftleiter Bloch eine persönliche Widmung für seine Ausgabe der Neujahrsblätter ab. Zum Schluss spricht der Stadtpräsident. Martin Wey hält sich das Heft vors Gesicht und lässt das Papier flattern: «Diese wunderbare Schrift da, die riecht gut, und sie riecht vor allem nach Olten.» Ich wundere mich heute nicht zum letzten Mal über die überschwappende Herzlichkeit, das kreative Lob, das in Richtung der Redaktion geschickt wird. Die Stadt Olten unterstützt die Neujahrsblätter mit jährlich 15 000 Franken und spendiert ein paar Flaschen Epesses für die Präsentation. Einst betrug der städtische Zustupf 24 000 Franken. Die Sparmassnahmen machten jedoch auch vor den altehrwürdigen Neujahrsblättern nicht Halt. Einmal konnte sich die Stadt Olten nicht einmal die drei Flaschen Weisswein leisten. Peter André Bloch bezahlte das Apéro dann kurzerhand aus der eigenen Tasche. «Weisst du, die gingen ja alle zu mir in die Schule», sagt Bloch. Und meint damit den Stadtrat. Eigentlich halb Olten, alle berühmten Söhne (viele!) und Töchter (ein paar)
«Mein Vater sagte immer, die Neujahrsblätter seien ein Füdlibürgerblatt». Eine Jahresschrift von den alten Oltner Familien für die anderen alten Oltner Familien quasi. der Stadt durften beim Lehrer Bloch Deutsch oder Französisch lernen. Seit 1979 ist der heute 81-jährige emeritierte Professor für Germanistik der sogenannte Schriftleiter der Neujahrsblätter. 39 Ausgaben hat er zu-
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stande gebracht. Er kann es selber kaum fassen. «Als Maria Felchlin mich fragte, ob ich ihr Nachfolger werden wolle, sagte sie, es gebe gar nicht so viel zu tun.» Bloch lacht und schaut mich über seine Brillenränder hinweg mit zusammengekniffenen Augen an. «Stell dir mal vor, jetzt mache ich das seit fast 40 Jahren! Und dabei dachte ich, ich tu ihr einen Gefallen, ein, vielleicht zwei Jahre lang. Und jetzt bin ich als Chefredaktor hängen geblieben.» Mehr als seine Vorgängerin, die Oltner Ärztin Maria Felchlin, wollte Bloch das Blatt für die ganze Bevölkerung öffnen. «Mein Vater sagte immer, die Neujahrsblätter seien ein Füdlibürgerblatt». Eine Jahresschrift von den alten Oltner Familien für die anderen alten Oltner Familien quasi. Bloch holte unter anderem die arrivierte Kulturjournalistin Madeleine Schüpfer als Vizepräsidentin ins Boot und veranlasste die Senkung der Heftgebühr von 25 auf 10 Franken. Die Neujahrsblätter durften von nun an auf allen Oltner Neujahrsgabentischen liegen. Aus der Sicht der Herausgeberin Felchlin sollten die Neujahrsblätter «ein lebendiges Band zwischen Heimat und Fremde, ein sprudelndes Quell und würdiger Hort der stets wachen Erinnerung an unser Städtchen» sein, so steht es im Vorwort der ersten Ausgabe geschrieben. «Mitten in schwerster Zeit», so schreibt sie, gab sie die ersten Oltner Neujahrsblätter 1943 heraus. Und
Heidi Ehrsam Sie kennt alle Zahlen. Die 62-Jährige CVP-Stadtparlamentarierin und Amtsrichterin erledigt als Rechnungsführerin die Buchhaltung der Neujahrsblätter.
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Max Affolter Der pensionierte Logopäde ist seit zehn Jahren Mitglied der Redaktionskommission. n der aktuellen Ausgabe schrieb der 70-Jährige über Kegelbahnen. Das Recherchieren und Schreiben hat er im Ruhestand entdeckt. Die Themen für seine Neujahr-blätter-Texte, so sagt er, fliegen ihm manchmal einfach so zu, wenn er durch die Stadt spaziert.
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Sibylle Scherrer Sie ist seit zwei Jahren Mitglied in der Redaktionskommission. Sibylle Scherrer arbeitet als Bibliothekarin in der Stadtbibliothek Olten und hat die Digitalisierung der Oltner Neujahrsblätter vorangetrieben. Auf Plattform «E-Periodica» der ETH sind alle bisher erschienenen Oltner Neujahrsblätter abrufbar. www.e-periodica.ch
«Wir haben zwar oft unterschiedliche Wurzeln, aber gemeinsame Interessen, mit dem Ziel einer gesicherten Zukunft, in Frieden und Freiheit», schreibt Bloch. Dass überhaupt jemand sein Vorwort liest, das glaubt er nicht. Und er meint es wirklich so.
im aktuellsten Vorwort klingt ein wenig Felchlin an, wenn Peter André Bloch schreibt: «Die Weltpolitik spielt verrückt. Auf allen Kontinenten scheint es nur noch um Macht und wirtschaftliche Vorherrschaft zu gehen, um Krieg und Unterdrückung». Die Neujahrsblätter, das ist der hehre Vorsatz, sollen verbinden durch Erzählen, sie sollen das Schöne aufzeigen, eine mögliche Zukunft entwerfen. «Wir haben zwar oft unterschiedliche Wurzeln, aber gemeinsame Interessen, mit dem Ziel einer gesicherten Zukunft, in Frieden und Freiheit», schreibt Bloch. Dass überhaupt jemand sein Vorwort liest, das glaubt er nicht. Und er meint es wirklich so. Aber immerhin im Säli des Restaurants Aarhof erreichen seine feierlichen Worte die Leute. Er ist durch mit dem Heft. Der Kaffee wurde soeben serviert, in der Luft hängt noch immer der Geruch von geschmortem Hühnchen. Die weiblichen Redaktionsmitglieder bekommen einen Blumenstrauss überreicht, der Schriftleiter zwei Flaschen Alkohol, alle anderen eine Papiertragtasche mit je 25 Postkarten einer Drohnenaufnahme der Oltner Altstadt. «Drei Stunden lang habe ich heute mit meiner Frau die Karten abgezählt und verpackt», sagt Bloch ganz bescheiden. Auf diese drei Stunden kommt es wohl auch nicht mehr drauf an. Um halb zwölf sind die meisten Gäste gegangen. Ich setze mich an den Tisch der Redaktionskom-
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mission. Peter André Bloch sieht zufrieden und zugleich ein wenig erschöpft aus. Er hat viel geredet heute. Jemand tritt an den Tisch und verabschiedet sich von ihm. «Du, ich habe da eine tolle Geschichte in petto, aber die verrate ich dir erst in zwei Jahren», sagt die Person und kichert geheimnisvoll. «Oh ja, da bin ich gespannt», antwortet Bloch und winkt müde zum Abschied. Als er im Smalltalk zwischen mir und einem anderen Gast den Nachnamen meiner Familie mütterlicherseits aufschnappt, ist er plötzlich hellwach. «Ach wirklich! So heisst deine Familie? Ich kannte deinen Grossvater, der wohnte in der Hombergstrasse!» Ich bin etwas überrascht. Bloch winkt erneut ab, «ich habe einfach ein gutes Gedächtnis», um dann fortzufahren: «Und deine Urgrossmutter! Das war ja eine Frauenfigur, sag‘ ich dir.» Und weil ich so gut wie nichts über meine Urgrossmutter weiss, schaue ich ihn neugierig an. «Aber was ich dir jetzt erzähle, das bleibt unter uns, gell?»
SERIE
FILM
Griechischer Wahnsinn Der Regisseur von «The Lobster» kennt auch in seinem neuen Film keine Grenzen. von Pierre Hagmann
«Vanilla»
ist ein herablassender Ausdruck aus dem Munde von Menschen, die glauben, dass sie sich in der Liebe und im Bett interessanter verhalten als der bünzlige Durchschnitt. Emma und Jack Trakarsky sind seit zehn Jahren verheiratet, Mitte 30, beruflich erfolgreich und leben im hippen Portland. Die beiden inklusive ihres sozialen Umfelds sind nicht hip, da alt (thirtysomethings) und eben: vanilla. Emma und Jack sind eigentlich wie zwei beste Freunde, die einmal im Monat miteinander schlafen, weil sie ein Kind wollen. So richtig spannend wird es erst, als Jack die Psychologie-Studentin Izzy als EscortGirl anheuert, sich in sie verknallt, Emma sich daraufhin aus Rache auch mit Izzy verabredet und sich – oh, Überraschung – auch in sie verknallt. Was dann folgt, ist eine anstrengendlustige Geschichte über ein HeteroPärchen, das sich auf das Gebiet der Polyamorie vorwagt. Klingt nach Klischee. Doch wir lernen: Mehrfachbeziehungen sind ein verdammt anstrengender Spass. «You Me Her» ist für alle, die nach gefühlt 30 Staffeln Marvel-Serien Bock auf etwas Beziehungskiste haben. Scharfsinnige Dialoge voller Witz, eine gefühlsechte Story und eine brave Dosis nackte Haut – passt. (nb)
You Me Her
2016, 2+ Staffeln, 20 Episoden, Dramedy, Netflix
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anthimos ist zurück! Seine Fans werden ihn dank «The Killing of a Sacred Deer» noch mehr lieben, seine Kritiker noch mehr verschmähen. Fakt ist: Der griechische Regisseur Yorgos Lanthimos hat ein eigenes Genre kreiert, das er mit seinem neuesten Film weiter kultiviert: Er übersetzt die griechische Tragödie in die Moderne und handelt grosse Themen mit unendlicher Lust am Absurden ab. Die blutrünstigen Geschichten der griechischen Mythologie erschrecken uns nicht mehr, weil sie in ihrer Erzählung und bodenlosen Göttlichkeit fern von unserer Wirklichkeit erscheinen. Die Parabeln von Lanthimos hingegen sind in ihrer Inszenierung so kühl wie der Kapitalismus des 21. Jahrhunderts. Unerklärliches, Grauenhaftes ereignet sich in der nüchternsten aller Welten, nämlich dem Hier und Jetzt, und aus diesem Kontrast, diesem mysteriös Nüchternen, schafft Lanthimos die Kraft und den Schrecken seiner Filme. Sein Fach ist kein leichtverträgliches, aber er ist ein grosser Meister seines Fachs, und so kommt es, dass der 44-jährige Grieche mit seinen verrückten Filmen Stammgast in den Wettbewerben der wichtigsten Filmfestivals der Welt geworden ist und das Schauspieler-Ensemble von Film zu Film prominenter wird.
ALBEN MEINES LEBENS
Bob Dylan Blonde on Blonde Die krächzende Mundharmonika und die näselnde Stimme von Bob Dylan haben mich tausend und einmal in den Schlaf begleitet.
Nach «Dogtooth» (2009) und «The Lobster» (2015) jetzt also «The Killing of a Sacred Deer». Colin Farrell spielt darin den Familienvater und Herzchirurgen Dr. Stephen Murphy, der von der Vergangenheit eingeholt wird. Eine frühere Operation lief schief, der Patient verlor dabei sein Leben, und wie sich herausstellt, hatte Dr. Murphy vor der Operation getrunken. Nun kreuzt Martin, der Sohn des Verstorbenen, in seinem Leben auf, und das mysteriöse Unheil nimmt seinen Lauf. Der Film bezieht seinen Namen aus der Saga Iphigenie in Aulis, in der Agamemnon im Trojanischen Krieg zum Überleben der restlichen Familie seine Tochter opfern muss. Ein ähnliches Schicksal blüht nun Dr. Murphy. Colin Farrell überzeugt wie schon in «The Lobster» als seltsam mechanische Figur, genauso wie seine Frau Anna (Nicole Kidman) und seine beiden Kinder Kim und Bob. Einer aber überragt sie alle: Barry Keoghan als verstörend-gruseliger Martin. Dem 25-Jährigen aus Irland gelingt eine schlicht sensationelle Leistung. Er macht es einem sehr schwer, ihn zu mögen, aber wie für Lanthimos gilt: Man muss ihn nicht mögen, aber man sollte ihn würdigen.
von Adrian Kübler von Baba Shrimps
Wizo Uuaarrgh! Der Soundtrack meiner Pubertät. Als ich die Schule und irgendwie auch mich selbst ziemlich unerträglich fand, kam der Deutsch-Punk mit seiner Botschaft «Alles ist scheisse!» gerade recht.
Amos Lee Supply and Demand Dieses soulig-folkige Album habe ich so oft gehört wie kein anderes. Angebot und Nachfrage stimmen hier seit Jahren perfekt überein.
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Patent Ochsner Trybguet So klang mein erster Kuss, mein erster Freudentanz und mein erster Liebeskummer. Alles in Mundart.
Bon Iver 22, A Million Schon das erste Album von Bon Iver gelangte ohne Umweg direkt in mein Herz. Die dritte Platte geht noch tiefer. Ich verstehe nach wie vor nicht so genau, was Justin Vernon singt, aber ich spüre in jedem Takt, dass er mich versteht.
MUSIK
Die graue Ente unter den Schweizer Bands
ICH TRAGE B A RT L O M E .
Diesen Monat gibt es Rock made in Genève. von Marc Gerber
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ch weiss, das Wortspiel im Titel oben ist mehr als lahm. Aber wer zur Hölle tauft seine Band schon Duck Duck Grey Duck? Ein graues Entlein ist diese Band aus der Romandie aus meiner Sicht nämlich nicht. Viel eher ist sie ein bunter Pfau oder ein regenbogenfarbiger Schwan. Irgendwie ist die Musikszene im Welschen schon etwas komisch. Vielleicht liegt es daran, dass ich kein einziges Wort Französisch verstehe und deshalb an den Konzerten nichts vom Smalltalk, der auf der Bühne gesprochen wird, verstehe. Vielleicht liegt es auch daran, dass wir Leute aus der Deutschschweiz wenig bis nie für Konzerte nach Lausanne oder Genf gehen. Fakt ist: In diesem mysteriösen Welschland gibt es grandiose Bands, die einfach keine Sau kennt. Bis vor Zwei Jahren war Duck Duck Grey Duck auch so ein Fall, doch die Romands müssen gehört werden. Würde Dave Grohl noch in der Garage seiner Eltern Musik machen, ich schwöre, er wäre nicht zu Nirvana gegangen, sondern zu Nelson Schaer (Schlagzeug, Vokals), Pierre-Henri Beyrière (Bass-Gitarre) und Robin Girod (Gitarre, Vokals), den drei Mitgliedern der Band.
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Die Jungs zelebrieren die Rockmusik in all ihren Facetten. Sie grooven bei einem Song 70ies-Style- mässig und verhauen beim nächsten die Gitarre à la Nirvana. Brauchen wir noch ein bisschen New Order? The Doors? Led Zeppelin? Oder noch ein ganz klitzeklein wenig Blur? Für mich ist die neue Scheibe von Duck Duck Grey Duck so etwas wie ein Best-of des Alternativ-Rocks, einfach nur geil! Das Album «Traffic Jam» kommt zwar erst am 2. Februar raus, trotzdem muss ich es euch schon im Januar präsentieren. Der Grund: Auf dem Album sind 22 – ja, 22! – Songs auf vier Vinylseiten gepresst. Wenn ihr diese Zeilen lest, sollte auch schon die eine oder andere Singleauskopplung zu hören sein. Also könnt ihr euch schon jetzt auf eine geballte Ladung Rock freuen. Ich durfte das Album zum Glück schon als digitale Version hören. Richtig geniessen könnt ihr Duck Duck Grey Duck aber wirklich nur ab Vinyl, solche Musik muss einfach kratzen!
duckduckgreyduck.bandcamp.com
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Jonathan Rufer Brille von DITA
Bartlomé Optik AG Brillen und Kontaktlinsen Hauptgasse 33 - 4600 Olten www.bartlome-optik.ch
BUCH
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von Daniel Kissling
Was auf dem Spiel steht
MODERN ROMANCE von Aziz Ansari
von Philipp Blom
Aziz Ansari, US-amerikanische Stand-Up-Comedian und SerienStar (u.a. «Master of None» auf Netflix), hat das moderne Dating-Verhalten untersucht und zeigt, dass er nicht nur humorvoll schreiben kann, sondern auch etwas zum Soziologen taugt. Kilian Ziegler, KOLT-Kolumnist
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igentlich wollte ich dieses Buch nicht zum Buchtipp machen. Aus zwei Gründen: Erstens, weil ich wieder mal einen Roman ans Herz legen wollte, eine grosse Geschichte mit Spannung und Drama und überraschenden Wendungen. Empfehlungen gäbe es da genug, «Qualityland» von Marc-Uwe Kling, dem Vater des kommunistischen Kängurus zum Beispiel, eine dystopische Satire auf unsere digitalisierte Gesellschaft. Oder «Prinzessin Insomnia», das neue Werk von Walter Moers.
DER SCHNEESTURM von Vladimir Sorokin
Ein grotesker Trip in die Zukunft, der sich liest wie ein russischer Roman aus dem 19. Jahrhundert, eigentlich aber die frostige Gegenwart beschreibt. Ein Wintermärchen der anderen Art. Isabel Hempen, Journalistin
Doch dann fiel mir «Was auf dem Spiel steht» von Philipp Blom halt in die Finger. Ansonsten in seinen Büchern auf vergangene Zeiten zurückblickend, geht es dem promovierten Historiker und Schriftsteller dieses Mal um das Hier und Jetzt. Beziehungsweise um das, was bald passieren könnte, eben um das «Was auf dem Spiel steht». Und das ist, so macht es Blom schon auf den ersten Seiten seines Essays, den man auch als Mahnung verstehen kann, deutlich: verdammt viel.
LOGISCHES ARGUMENTIEREN von Wolfgang Weimer
Ein blaues Reclam-Büchlein für alle, die es satthaben, in Diskussionen zu unterliegen, obwohl sie genau spüren, dass in der Argumentation des Gegenübers der Wurm drin ist. Macht übrigens auch das Schauen der Arena spannender. Nathalie Bursać, KOLT-Chefredaktorin
Überraschend ist diese These nicht: Ressourcenknappheit und Klima-Erwärmung, die Digitalisierung und Automatisierung, ein neuer Populismus, vielleicht auch Totalitarismus und Fake News – so richtig sicher und gesund fühlt sie sich nicht an,
die Welt, in der wir leben. Doch ist es nicht einfach ein Gefühl? Kommt am Ende nicht doch alles irgendwie gut? In «Was auf dem Spiel steht» erteilt Blom diesem Zweckoptimismus eine klare Absage, indem er anhand unangenehm drastischer (hin und wieder natürlich auch von der Geschichte inspirierter) Beispiele aufzeigt, in was für Umwälzungen wir uns gerade befinden, mit welchen Problemen unsere Gesellschaft in den nächsten Jahren und Jahrzehnten konfrontiert werden wird. Ob und wie wir diese meistern werden, das wird heute entschieden. «Was auf dem Spiel steht» ist zweifellos ein wichtiges Buch. Doch nicht nur deshalb sollte man es lesen, sondern auch, weil Blom nicht nur ein kluger Kopf ist, sondern einer, der auch schreiben kann, sodass aus einer Analyse der Gegenwart und ihrer Probleme plötzlich eine grosse Geschichte wird, mit Spannung und Drama. Und hoffentlich einer überraschenden Wendung am Schluss hin zum Guten – wofür dann aber wir verantwortlich wären.
Philipp Blom
Was auf dem Spiel steht Hanser Berlin, 2017. 224 S. ISBN: 978-344-625-664-4
Planen Sie Ihre nächsten Kabarett-Besuche: BUNDESORDNER 2017, SATIRISCHER JAHRESRÜCKBLICK
Schützi Olten Di, 30. Januar und Mi, 31. Januar 2018
7. OLTNER KABARETT-CASTING
Schwager Theater Di, 27. Februar / Di, 27. März / Di, 24. April 2018 Finalabend: Mo, 28. Mai 2018 (während des Festivals)
www.kabarett.ch
WO SPIELT DIE MUSIK? AM TRESEN MOST WANTED In einer fast vergessenen Gasse bei den Klostermauern liegt die einzige Bar, wo man an einem Sonntagabend sehr spät noch einkehren kann (bis vier Uhr in der Früh!).
Hekuran Krasniqis Superhit «Ajo me mbyti» (danke, Shazam!) tönt hier zwar etwas gar laut aus den Musikboxen, und allgemein scheint alles ein wenig zu viel. Die Farben auch. Rot und Grün und Gelb und so weiter. Nur die
Popcorn-Maschine funktioniert heute nicht, sagt die Bedienung, Popcorn gibt’s üblicherweise zur Shisha, scheint zu passen. Süsse, kühle Dämpfe wabern aus dem Fumoir herüber. Ice Lemon, Doppelapfel, Traube, Vanille oder alles zusammen gemischt, make your choice! Der Dart-Automat steht einsam in der Ecke und macht Geräusche. Die Stange Bier kostet 4.50, der Cappuccino sagenhafte 6 Stutz, denn der wird hier frühmorgens um vier Uhr sicher des Öfteren über den Tresen gereicht, Koffein vertreibt den Nebel im Kopf.
Atlas Shisha Bar Baslerstrasse 30a
Es wird energiegeladen mit der Band Corners aus Los Angeles. Ganz im Stil von Joy Division machen die vier Jungs Post-Punk vom Feinsten. Ihre Musik ist leicht industriell, geprägt von grellen Gitarren-Riffs und durchzogen von warmen VintageSynthesizern. Die Band war auch schon im Zürcher Gonzo zu Besuch und überzeugte mit einer satten LivePerformance; im Klub brodelte es. Die Bandmitglieder sind ambitionierte Musiker und betätigen sich in diversen eigenen Projekten, so beispielsweise Corners Frontmann Tracy Bryant in seinem empfehlenswerten Solo-Projekt, bei dem er unter seinem eigenen Namen Musik veröffentlicht. Seine Musik hat eine etwas wärmere Note, vor allem durch den häufigen Gebrauch seiner Akustikgitarre, die dem Sound einen Hauch von Folk verleiht. Vielleicht ist dieser Stil ja gerade gegenwärtiger Los AngelesDowntown-Folk? Finde es heraus! (ud)
Jugendbibliothek «Khörsch das? Ich han Angscht!» sagt Gian, der Steinbock. Und Giachen, sein Kumpel, antwortet «Jo... i au. Mini Hörner hän schu Hennahut!» Brauchts noch mehr Belege dafür, dass das Bilderbuch
«Gian und Giachen und der furchtlose Schneehase Vincenz» , illustriert von Amélie Jackowski den ersten Platz
auf der Liste der beliebtesten Bücher in der Jugendbibliothek mehr als verdient hat?
Stadtbibliothek Aus der Stadtbibliothek hingegen gibt’s nichts Neues zu berichten, daran ändert auch das neue Jahr nichts.
«Die Perlenschwester» von Lucinda Riley ist immer noch der Überflieger. Gerüchten zufolge liegt allerdings der Krimi von knapp hinter dem Podestplatz. Vielleicht wird’s doch noch spannend in der Stadtbibliothek. Vielleicht. (nb)
«Verfolgung» David Lagercrantz
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Text von Isabel Hempen Fotos von Ellen Mathys
Wo das Leben ausglĂźht Ein Besuch im Krematorium bei Peter Kempf, dem Feuerbestatter von Olten.
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Die Temperatur des Ofens fällt das ganze Jahr über nicht unter 650 Grad. Im Winter macht es das Arbeiten im Ofenraum angenehm. Im Sommer weniger.
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ie Abdankungshalle im Oltner Waldfriedhof Meisenhard ist menschenleer, der kahle Raum in Dämmerlicht getaucht. 320 Stühle stehen hier, säuberlich zu Reihen angeordnet, ein Rednerpult mit Mikrofon, ein Trauerkranz aus weissen Rosen. Sonst keine Bezugspunkte, nichts, woran der Blick hängen bleibt. Schnell schweift er über die karge Szenerie hinweg und fällt unwillkürlich durch die offene Verbindungstür in den angrenzenden Raum, auf den schwarzen Schlund des deckenhohen Verbrennungsofens. Es ist Donnerstagmorgen, halb zehn Uhr. Jetzt, im Winter, ist der Ofenraum angenehm warm. Im Sommer jedoch herrschen hier schweisstreibende 40 Grad. Die Temperatur des Ofens, der etwa drei Meter in der Länge und zwei in der Breite misst, fällt das ganze Jahr nie unter 650 Grad. Peter Kempf macht das nichts aus. Der 56-Jährige, schlank, verheiratet, zwei Kinder, wohnhaft in Neuendorf, Wanderer, Skifahrer, Mitglied im Kirchenchor Neuendorf und im Jodlerklub
«Der Tod ist hier unsichtbar, geräusch- und geruchlos.» Wolfwil, Vize-Präsident des Natur- und Vogelschutzvereins Neuendorf und Trainer der Korbballerinnen Neuendorf, ist seit sieben Jahren Feuerbestatter im Krematorium Meisenhard. Mit seiner unaufgeregten Art kann er es gut mit den Leuten, den toten wie den lebenden. Auf einem Wägelchen hat er einen schlichten, unveredelten Holzsarg aus dem zwei Etagen tiefer liegenden Kühlraum geholt. Kempf platziert den Sarg auf der hochgefahrenen Einführschiene vor dem Ofen. Es wird heute Morgen die dritte Kremation sein. In der Steuerung gibt er die erforderlichen Daten ein: Name, Jahrgang und Wohnort der verstorbenen Person; war sie männ-
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lich oder weiblich, das Körpergewicht leicht, mittel oder schwer, der Sarg Standard oder lackiert? Oder handelt es sich um die monatliche Spitalkiste voller Körperteile? Dem ausgedruckten Auftragsblatt entnimmt er, dass der Leichnam ein Mann war, Jahrgang 1937, aus einem Nachbarsdorf, normale Körpermasse. Kempf stösst das Wägelchen unter dem Sarg weg, fährt die Schiene auf Einfahrtshöhe herunter und drückt auf der Steuerung die Start-Taste. Das schwarze Ofentor fährt hoch. Hinter jedem Toten steht ein Termin. Kempf und sein 27-jähriger Kollege Beda Wernli teilen sich die Arbeit im Krematorium. In der Regel beginnen sie ihre Arbeit um halb acht Uhr morgens. Bei maximal fünf Kremationen am Tag sind sie damit spätestens um halb drei Uhr nachmittags fertig. Jede Einäscherung wird vorgängig vom Bestatter im Oltner Bestattungsamt angemeldet und landet so direkt in ihrer digitalen Agenda. Denn ohne offiziellen Auftrag geht gar nichts. Nachdem der Bestatter den Sarg im Kühlraum deponiert hat, darf die verstorbene Person erst 48
Nicht alles brennt. Künstliche Gelenke, andere medizinische Prothesen oder Sargnägel zum Beispiel.
Stunden nach ihrem Ableben kremiert oder erdbestattet werden. Die Angehörigen könnten eine Obduktion verlangen. Die Einführschiene befördert den Sarg auf den dunkelorange glühenden Schamotterost im Ofeninnern. Er ist 700 Grad heiss, von den Seiten her wird Luft eingeblasen. Als sich das Ofentor schliesst, entzündet sich der Sarg sofort. Nach rund acht Minuten ist er zu Holzkohle zerfallen, der tote Körper trocknet nun aus und verbrennt. Die weisse Asche, die gar keine Asche ist, sondern Kalk und Knochenreste, fällt durch den Steinrost auf den Ofenboden. Peter Kempf und Beda Wernli wechseln sich in ihren Aufgaben monateweise ab. Während einer drinnen den Ofen bedient, hat der andere im Büro oder draussen zu tun, bereitet Gräber für Beisetzungen vor, putzt Urnennischen heraus, schmückt die Abdankungshalle, geht nach der Abdankung mit der Urne voraus zum Ort der Beisetzung. Immer sind Angehörige in der Nähe. Hektik ist da fehl am Platz. Manchmal möchte die Familie der
«Das Gemeinschaftsgrab ist die günstigste Art der Bestattung und wird häufig für Verstorbene gewählt, die über wenig Geld und keine Angehörigen verfügen. Die Gemeinde zahlt.» Kremation beiwohnen, dann arbeiten Kempf und Wernli zu zweit. Man muss mit allem rechnen. Bei hinduistischen Kremationen drängten sich schon zwanzig Leute im Ofen-
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raum: zu gefährlich. Heute dürfen höchstens vier Angehörige zugegen sein. Denn wenn das Tor offen steht, kann eine Hose in Ofennähe schnell Feuer fangen. Vom Feuerlöscher musste Kempf aber noch nie Gebrauch machen. Die Einäscherung dauert eine Stunde. Durch das Guckloch hinten am Ofen ist wenig auszumachen. Ab und zu erhascht man einen flüchtigen Blick auf den geschwärzten Leib, aber meistens versperren die Flammen die Sicht. Hätte der Körper Übermass, 150 Kilo und mehr, würde er rund anderthalb Stunden brennen. Heutzutage sei das zunehmend der Fall, sagt Kempf. Die jeweilige Todesursache erfahren er und Kollege Wernli meist vom Bestatter. Viele Unglücksfälle haben sie, Personen, die vor den Zug oder in die Aare gesprungen sind. Die Kantonspolizei hat im Krematorium einen behelfsmässig eingerichteten Raum, wo sie die Toten identifiziert und dann an die Gerichtsmedizin weiterschickt. Die meisten der Toten aber starben an Krebs, durchschnittliches Todesalter: zwischen 50 und 65 Jahren. «Das fällt beim
Ein alltäglicher Handgriff im Krematorium: Ist die Asche ausgekühlt, wird sie zu feinem Staub zermahlen und in die Urne gefüllt.
«Auf Regalen stapeln sich in Kartonschachteln die offiziellen Urnen der Stadt Olten. Sie sind aus Stahl, Farbe altkupfer patiniert, Höhe 45 Zentimeter, Volumen vier Liter, Preis 32 Franken.» Brennen auf», sagt Kempf. Bis zu zwei Stunden kann die Kremation eines Krebstoten dauern. Der Körper ist im Ofen dann gut erkennbar. Die vielen Medikamente, sie brennen schlecht.
Dass Peter Kempf heute Feuerbestatter ist, hat sich so ergeben. Eine eigentliche Ausbildung zum Feuerbestatter gibt es nicht, der Schweizerische Verband für Feuerbestattung gibt jedoch Regeln vor. Bis vor sieben Jahren leitete Kempf die SBB-Schreinerei in Olten. Er habe sich nicht mal viel dabei gedacht, als er sich auf die ausgeschriebene Stelle beim Oltner Werkhof meldete, sagt er. Mit dem Alter wollte er es beruflich etwas ruhiger angehen. Dass er den Tod nicht fürchtet, weiss er seit der Schreinerlehre. 1978 streifte er einem Verstorbenen im Spital Niederbipp zum ersten Mal das zu der Zeit übliche Totenhemd über. Damals erledigte das Einsargen noch der Schreiner Kempf betätigt in der Steuerung die «Reinigen»-Taste. Die Ofentüre schiebt sich nach oben, die Schamottesteine werden durch einen Luftstrom abgesaugt. Ein Hüftknochen ist auf dem Steinrost liegengeblieben. Kempf wischt ihn mit einem langstieligen Besen hinab. Dann begibt er sich einen Stock in die Tiefe, zum unteren Boden des Ofens. Darin glimmt im hinteren Teil die fri-
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sche Asche. Vorne, unter dem Dach, liegt die ausgeglühte Asche von der vorherigen Kremation. Kempf kehrt sie in den Auskühleimer. Knochenstücke, Sargnägel, eine Hüftprothese aus Titan. Die Asche aus dem hinteren Ofenende fegt er nun nach vorne, unter das Dach. «Wenn du nichts sehen willst, dann siehst du auch nichts», hatte Peter Kempf gesagt. Der Tod ist im Krematorium unsichtbar, geräusch- und geruchlos. Zwar ist es Kempf schon passiert, dass er die Asche zu früh herausholte. Er hatte den schwelenden Klumpen darin übersehen, wohl eine Leber oder eine Niere. Der Gestank von verbranntem Fleisch stach ihm in die Nase. «Äusserst unangenehm», sagt Kempf. «Aber das passiert dir nur einmal.» Tatsächlich trifft man im Krematorium nicht den Tod an, sondern, was vom Leben übriggeblieben ist. Wenn die Asche nach einer Stunde ausgekühlt ist, werden die Knochenteile in der schrankgrossen Knochenmühle zu feinem Staub zermahlen und danach in eine Urne geschüttet. Das Metall wandert in zwei grüne Plastiktonnen. Die
Er weiss, wie er mit dem Tod umgehen muss: Peter Kempf, 56, gelernter Schreiner, seit sieben Jahren Feuerbestatter.
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Er ist der Jüngere im Bund: Beda Wernli, 27, Friedhofwart und Mitarbeiter im Krematorium.
eine quillt vor Sargnägeln über, die andere ist mit Implantaten gefüllt. Heute, sagt Kempf, sterbe fast keiner mehr ohne. Er greift in die Tonne und hält eine künstliches Kniegelenk in die Luft: «Alte Machart, das ist noch ganz aus Titan», sagt er mit Kennerblick. Er lässt es wieder in den Kübel fallen und fischt eine moderne Hüftprothese mit Keramikkopf heraus. Eine Recyclingfirma holt das Material regelmässig ab. Das Krematorium auf dem Friedhof Meisenhard ist seit 1918 in Betrieb. Die erste Kremation fand am 1. August statt, aber es blieb die einzige in jenem Jahr. Wer eingeäschert werden wollte, musste Mitglied des Feuerbestattervereins sein. Als 1963 die katholische Kirche das Feuerbestattungsverbot aufhob, nahm die Zahl der Kremationen rasch zu. Peter Kempf und Beda Wernli führen heute rund tausend Kremationen im Jahr durch. Bestatter bringen Leichname aus den Gebieten Olten, Niedergösgen, Oensingen, Attisholz, Sissach, Egerkingen, Safenwil und sogar Basel Stadt zu ihnen. Denn die Bevölkerungszahl steigt, jene der Krematorien
«Wenn Leute die Vermutung äussern, dass er einen traurigen Beruf habe, lädt er sie ein, einmal im Krematorium vorbeizuschauen.» aber nicht. Die Dreitannenstadt verzeichnet pro Jahr durchschnittlich 150 Todesfälle und lediglich vierzehn Erdbestattungen. Interessant zu wissen: Der Friedhof Meisenhard verfügt über ein Grabfeld für muslimische Gläubige da diese ihre Verstorbenen nicht kremieren. Bei hinduistischen Ritualen entfacht oft das jüngste Familienmitglied des Verstorbenen das Feuer. Entsprechend
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drückt es im Krematorium am Ofen die StartTaste. Das Verstreuen der Asche in der Natur ist in der Schweiz erlaubt, in zahlreichen anderen Ländern aber untersagt. Und: Von einer einzigen Feuerbestattung bleibt in der Filteranlage ein Einmachglas voll mit dunklem, giftigen Feinstaub hängen. Sondermüll. In einem Nebenraum reihen sich an der Wand sechs Kübel mit Asche, jeder fasst schätzungsweise zwanzig Liter. Sind zehn dieser Kübel voll, wird der gesammelte Knochenstaub im Gemeinschaftsgrab beigesetzt. Er verschwindet dann in einem grossen Tank im Boden, abgedeckt durch eine Steinplatte. Das Gemeinschaftsgrab ist die günstigste Art der Bestattung und wird häufig für Verstorbene gewählt, die über wenig Geld und keine Angehörigen verfügten. Die Gemeinde zahlt. Auf Regalen stapeln sich in Kartonschachteln die offiziellen Urnen der Stadt Olten. Sie sind aus Stahl, Farbe altkupfer patiniert, Höhe 45 Zentimeter, Volumen vier Liter, Preis 32 Franken. Auch eine biologisch abbaubare Bio-Urne ist erhältlich. Edlere und individuellere Modelle hat der Bestatter
im Sortiment. Kempf holt aus einem Schrank ein wuchtiges grünes Tongefäss hervor. Die alte Oltner Stadturne mit Drei-Tannen-Relief ist voluminöser als der heutige Standard – die Asche wurde früher nicht gemahlen. Dann packt Kempf eine winzige, 12 Zentimeter hohe Stahlurne aus. «Wir haben ziemlich viele Totgeburten», bemerkt er. Eine etwas grössere Urne, für Kinder im Alter von etwa 12 Jahren, habe er zum Glück erst einmal gebraucht. Wenn man den ganzen Tag lang von Toten umgeben ist, dann macht das etwas mit einem. «Der Tod gehört halt zum Leben», sagt Kempf. Früher, da habe er sich jeweils viel schneller aufgeregt. Heute könne er auch mal fünf gerade sein lassen. Die Trauernden sind ihm dankbar für die Ruhe und Gelassenheit, die er ausstrahlt. Ältere Leute kommen manchmal extra für einen Schwatz auf den Friedhof. Für Peter Kempf ist das selbstverständlich, das gehört zum Beruf dazu. Regelmässig finden deshalb Dankeskärtchen und Selbstgebackenes den Weg in das Büro der Feuerbestatter.
Wenn Kempf Verwandte oder einen Jahrgänger kremiert, lüpft er kurz den Sargdeckel und verabschiedet sich. «Dass du das kannst», meinte sein Umfeld bewundernd, als er seine eigene Mutter den Flammen übergab. Aber in seinen Augen war es das Letzte, was er für sie tun konnte. Wenn Leute die Vermutung äussern, dass er einen traurigen Beruf habe, lädt er sie ein, einmal im Krematorium vorbeizuschauen. Er liebt seine Arbeit, beruflich möchte er nichts anderes mehr machen. Aber abends, wenn er nach Hause fährt, lässt er das Geschehen des Tages im Krematorium zurück. «Das ist wichtig», sagt er mit Nachdruck. Weil er weiss, wie er mit dem Tod umgehen muss. Und – nicht unwesentlich – wie mit dem Leben.
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KILIAN ZIEGLER
NaRr von Jonida Thaqi
Das Schlaf-, oder eben Schaf-Zimmer
Vorschau Der Wecker klingelt, Tom haut drauf, steht auf, obwohl er gerne liegen bleiben würde. Er tritt ans Fenster. Man muss der Welt ins Gesicht blicken, um mit ihr fertig zu werden, hatte er sich vor ein paar Wochen gesagt. Seither bleibt er nicht mehr liegen, den Snooze-Knopf hat er abgeklebt, um der Versuchung zu widerstehen, sicherheitshalber. Er steht auf, tritt ans Fenster und fällt sein Urteil über den Tag. Manchmal braucht er dafür ein paar Minuten, doch heute ist er sich sogleich sicher: Das wird nichts. Er sieht es den zerknirschten Orangen an, die der Türke gerade aufs Trottoir stellt, den gereizten Vögeln über dem Dach, dem «A.C.A.B.»-Tag auf dem Strassenschild, das am Wochenende jemand hingeschmiert hat. Heute wird nichts. Dieser Tag bringt nichts, keinen Fortschritt und nicht mal einen Rückschritt, ein wenig Verdruss und Langeweile, sonst nichts. Würds regnen, wär der Himmel grau, würd das Wetter wenigstens passen, doch die Vögel, wahrscheinlich Amseln, kreisen vor Blau. Schwarz auf Blau, vielleicht ist es das, denkt Tom. Auf jeden Fall könnt man den Tag streichen, denkt er, und geht in die Küche Kaffee machen. Jonida Thaqi (*1996) wohnt in Bern, studiert in Biel literarisches Schreiben, ist Teil der Autorengruppe «Die Familie» und schreibt u.a. fürs Narr. www.dasnarr.ch
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r kannte die Zimmerdecke auswendig. Jede Unebenheit, alle Fugen, die Lampe – alles konnte er im Schlaf aufzählen. Aber genau das war sein Problem: der Schlaf. Wäre er nicht jede Nacht wach geblieben, hätte er seine Decke nicht so lange studiert – eine Faszination für Zimmerdecken ist nichts, das man sich aussucht. Was hätte er dafür gegeben, nur einen einzigen Tag ausgeruht zu sein, schon mit vier oder fünf Stunden Schlaf wäre er zufrieden gewesen. Müde hatte er Ratgeber gelesen, Blogs durchforstet und versucht, zu meditieren. Hatte auf Kaffee, sogar auf Fernsehen am Abend verzichtet. Nichts nützte. Selbst sein Hausarzt hatte nicht mehr vermocht, als seine Ratlosigkeit murmelnd in Allgemeingültiges zu verpacken. In einer Nacht, die besonders lang erschien, er unter der Decke lag und deren Namensvetter an der Zimmeroberseite anstarrte, zog er die albernste aller Methoden in Erwähnung, gegen die er sich bisher aufgelehnt hatte, von der er immer wieder las und wusste, dass sie Humbug war: Schäfchen zählen. Tief im Stolz gekränkt, löste er seinen Widerstand und schwor sich, dass keiner seiner Freunde davon erfahren durfte. Na gut. Widerwilligt lullte er sich ein, schloss die Augen, aber Schafe wollten ihm nicht erscheinen. Seine Vorstellungskraft schien verkümmert. Ob es an der Müdigkeit lag, die ihn schmerzhaft in die Schläfen und Glieder drückte? So schwer konnte das mit den Schäfchen nicht sein. Doch es wollte ihm nicht gelingen.
Zermürbt bestellte er am nächsten Tag – und es war weit einfacher, als er es sich vorgestellt hatte – im Internet ein Dutzend Schafe. Wenn er sie sich schon nicht vorstellen konnte, dann mussten halt echte her. Nur zwei Wochen später standen neun weisse und drei schwarze Schafe in seinem Schlafzimmer. Im Lieferumfang inbegriffen: ein Hirte. Die Tiere konnte er besonders günstig erwerben, da sie für Plakatkampagnen der SVP Modell gestanden waren, gewisse Abnutzungsspuren aufwiesen (vor allem psychisch) und sowieso nicht mehr gebraucht wurden. Mittlerweile hatte er sich im Baumarkt einen Zaun und bei einer auf Landwirtschaft spezialisierten Tierhandlung Schaffutter besorgt. Nachdem alles aufgestellt und die Schafe gefüttert worden waren, konnte es losgehen. Wieder eingelullt, blickte er auf die Schafsherde und hoffte. Tatsächlich! Die Schafe sprangen, unter dem strengen Blick des Hirten und dem erleichterten des Mannes, über den Zaun. Immer und immer wieder. Da er mit Zählen kaum folgen konnte, machte er sich Notizen, einen Strich für jeden Sprung. Dies ermüdete ihn so sehr, dass er, trotz Krach, Gestank und Tumult, kurz darauf endlich einschlief. Er träumte von Wolldecken und Lamm-Koteletts.
«Die Schafe sprangen, unter dem strengen Blick des Hirten und dem erleichterten des Mannes, über den Zaun.»
Schlafen Sie gut Kilian Ziegler PS: Blöken wäre ein guter Name für ein Ikea-Möbel.
www.bijouterie-maegli.ch
AnziehungskrAft
liegt in unserer nAtur.
PETRA & donogood
Spiel-Satz-Sieg
von donogood (Text) und Petra Bürgisser (Illustration)
K
aum zu glauben: donogood gibts schon länger als Google! Was fängt man mit einer solchen Information an? Kann man den unvergleichlichen Siegeszug einer Suchmaschine in der Erfolgsgeschichte von donogood wiederfinden? Vielleicht bei Yahoo? Nein. donogood war ganz und gar analog. Da musste man bei schlechtem Wetter und bequemem Fernsehprogramm raus in die Kulturstuben der Welt. Billag hin oder her. Und da sind dann auch noch andere Menschen. OMG. Zudem hat donogood im Gegensatz zu Google zwei Os zu viel im Namen. Deshalb hatte uns damals unser Artdirector „Doodle“ vorgeschlagen. Wir hatten uns aber terminlich vertan, und schon war der Name weg. donogood ist im Netz hängen geblieben. So sind auch einige Programmtitel entstanden. Mit dem Käscher im Trüben gefischt und an Bord geholt. Keine noch so doofe Werbeagentur könnte sich solche Titel ausdenken: «Die blauen Brüder», «Eintüten – der Mann, den sie Pferd nannten», «Auspacken – die Wüste lebt» usw. Spiel-Satz-Sieg?
Beim Spielen mit Worten gibt‘s keinen wirklichen Sieg. Denn nur Geschichte wird bekanntlich von Siegern geschrieben. Geschichten, wie sich herausstellt, von guten Verlierern. Oft ist Verlieren sowieso viel besser. Vor allem, wenn es um die Kontrolle der Lachmuskeln geht. Humor ist das beste Training für ein Spiel, das wir letztlich alle verlieren. That's life! Nun gut. Lachen ist natürlich keine besondere Leistung, da die Kontraktion des Zwerchfells vom vegetativen Nervensystem gesteuert wird. donogood hat lediglich ein wenig im Hirn gekitzelt. Diese intime Berührung hat die schöns-
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ten Geräusche, die es gibt, ausgelöst. Da war Bewegung drin. «Me too», möchte man da sagen. Wir waren nicht allein. Für dich, Publikum, haben wir das gemacht. Und natürlich, zugegeben, vor allem für uns. Veni – vidi - vici. Damit gehen wir alle als Gewinner vom Platz. Und nur so nebenbei: Es gibt auch nach uns noch viel zu gewinnen. Gehet fürderhin immer wieder hinaus an Veranstaltungen jeglicher Couleur, kauft weiterhin die Katze im Sack und bleibet neugierig. Denn, wie Karl Valentin zu sagen pflegte: Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit. Amen.
Das Spoken-Word-Trio donogood mit Raphael Burri, Walter Millns und dem Oltner Rolf Strub verabschiedet sich nach 15 Jahren von der Lesebühne. «Spiel-Satz-Sieg» ist eine gekürzte Version des Eröffnungstextes der finalen Lesung, die letzten Dezember in der Oltner Vario Bar über die Bühne ging.
DER KOLTIGE MONAT
Spielball der Politik Da unser Verlag bis jetzt noch keine Entschuldigung erhalten hat, publizieren wir folgende Zeilen. Letzten Monat hat KOLT eine Frechheit erlebt. KOLT wurde ohne sein Wissen wesentlicher Bestandteil einer dringlichen Motion der FDP Olten. Unser Verlagsleiter musste reagieren und hat am 13. Dezember folgenden Brief geschrieben:
Geschätzte Damen und Herren, sehr geehrtes Gemeindeparlament
Am Montagmittag haben wir durch unseren Literatur-
habe: uns nicht zum Spielball der Politik zu machen
kolumnisten (und OltenJetzt-Gemeinderat) Daniel Kiss-
und unseren Namen nicht gegen die Kultur-Fachstelle
ling von der dringlichen Motion der FDP zum Thema
zu verwenden.
der Kultur-Fachstelle erfahren und sehr überrascht feststellen dürfen, dass unser Magazin KOLT sowie unser
3. Unser Verlag gibt unter anderem zwei Publikationen
Veranstaltungskalender «Ausgehen in Olten» wesent-
heraus: - Das eine ist das KOLT-Magazin, ein unabhän-
liche Bestandteile des Gegenvorschlags zur Volksiniti-
giges journalistisches Produkt, das wir gerne auch so
ative Fachstelle Kultur sind.
beibehalten möchten. - Das andere ist «Ausgehen in Olten», der regionale
Wir teilen Ihnen kurz die Fakten mit, verabschieden
Veranstaltungskalender, der eine reine Dienstleistung
uns aus der Diskussion und werden danach den Polit-
darstellt.
betrieb wie üblich aus der Distanz, kritisch und unabhängig betrachten und beschreiben.
4. Tatsächlich beabsichtigten wir, nächstes Jahr einen Versuch zu starten, für «Ausgehen in Olten» eine Leis-
1. Wir wurden vorab nicht bezüglich dieses Gegenvor-
tungsvereinbarung mit der Stadt Olten zu finden. Wir
schlags respektive dieser dringlichen Motion angefragt
bedauern es, dass wir nun zum Spielball der Politik wer-
oder informiert.
den und unser seriöser Plan einer finanziellen Unterstützung nun eher negativ beeinflusst wird.
2. Im Gegenteil: Ich wurde privat als Herausgeber von KOLT Mitte Oktober von der FDP um meine persönliche Meinung zur Kultur-Fachstelle gefragt und auch, ob
Mein Team und ich wünschen Ihnen fröhliche Streite-
KOLT respektive «Ausgehen in Olten» nicht schon die
reien und tolle politische Kompromisse am Donnerstag-
Aufgaben einer solchen Fachstelle erfülle, was ich klar
abend und frohe Festtage mit viel Erholung und vor
verneint und dabei nur eines ausdrücklich gewünscht
allem: Entspannung.
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100 Franken für Ihr Gesicht Falten weg, Fettpölsterchen weg und 100 Franken geschenkt. Gönnen Sie sich eine Frische-Behandlung bei den Schönheitsexperten der Pallas Kliniken. Einfach bis Ende Februar 2018 anmelden. Die Pallas Kliniken schenken jedem 100 Franken, der seinem Gesicht etwas mehr Frische verleihen möchte. Der 100 Franken-Gutschein gilt für die sanften Eingriffe, ganz ohne Skalpell. Wählen Sie zwischen folgenden Frische-Behandlungen:
3. CoolSculpting zur Auflösung von überschüssigem Fettgewebe durch Kälte Wirkt dort, wo Sport und Diäten nicht helfen. Das Fettgewebe wird nach der Behandlung vom Körper selber abgebaut.
1. Faltenbehandlungen mit Hyaluronsäure, Botulinumtoxin oder plättchenreichem Plasma (PRP) Mit diesen Behandlungen lassen sich kleine Falten glätten und tiefe Mimikfalten aufpolstern. Im Gegensatz zur Faltenaufspritzung mit Hyaluronsäure oder Relaxation der Muskeln bei Botulinumtoxin wird bei der PRP-Behandlung (Vampir-Lifting) ein Plasmaextrakt aus Eigenblut sanft unter die Haut gespritzt.
Für jeden Typ und jede Problemzone gibt es eine geeignete Auffrischung. Es sind keine chirurgischen Eingriffe und keine Schönheitsoperationen, sondern ganz sanfte Frische-Behandlungen. Wer sich bis zum 28. Februar 2018 zur Behandlung anmeldet, kann den 100-Franken-Gutschein in den Pallas Kliniken Zürich, Winterthur, Olten oder Grenchen einlösen.
2. Fadenlifting (feine Straffungen mit Milch- und Zuckermolekülen) Bei dieser Methode werden feine Fäden schmerzlos unter die Haut gezogen. Mit dem Faden kann man die Haut punktgenau straffen.
Anmeldung Terminvereinbarung unter Tel.-Nr.: 058 335 35 53 Codewort: Kolt Oder online auf: www.pallas-kliniken.ch/100Franken Dieser Gutschein ist nur einmalig einlösbar.
Zeit hat man nur, wenn man sie sich nimmt. Sprichwort
COVER wünscht Ihnen im 2018 viele zauberhafte Momente !
SIO AG COVER Generalvertretung Schweiz Rötzmattweg 66 CH-4601 Olten T +41 62 207 07 07 F +41 62 207 07 00 info@cover.ch cover.ch
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