n e l l a t i m r e d , r Eine reden kann.
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Wer Kultur hat, wirbt im
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Fotografie: Marco Frauchiger | marcofrauchiger.ch
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EDITORIAL September 2018
Liebe LeserInnen
Ein wenig traurig, aber auch ein wenig froh: So lässt sich möglicherweise auch die Stimmung von Oli Krieg beschreiben. 16 Jahre lang war er der Geschäftsführer jenes riesigen Kulturzentrums in der Schützenmatte. Die Schützi war und bleibt hoffentlich Dreh- und Angelpunkt in der Oltner Kulturlandschaft. Das ist zu einem grossen Teil ihrem abtretenden Chef zu verdanken. Unser Autor Daniel Kissling hat Krieg daheim besucht und sich seine Lebensgeschichte erzählen lassen – sie ist zugleich eine kleine Geschichte von vier Jahrzehnten linker politischer Kultur in der Schweiz und auch in der Region. (Seite 10). In unserer zweiten grossen Story trefft ihr auf einen ebenso bekannten Oltner: Konrad Schibli, der Herr über die Oltner Kinos. Fabio Lüdi fuhr Anfangs August mit dem Zug ins Tessin an das Filmfestival Locarno, um den Kinounternehmer zum langen Gespräch zu treffen. Und die beiden haben kein Thema ausgelassen – lesenswert! Viel Spass mit der nicht ganz hundertsten Ausgabe von KOLT! Nathalie Bursać
IMPRESSUM VERLAG / HERAUSGEBER Verlag 2S GmbH, Leberngasse 17, 4600 Olten, verlag@v2s.ch, www.v2s.ch VERLAGSLEITUNG Yves Stuber (ys) REDAKTIONSLEITUNG Nathalie Bursać (nb), redaktion@kolt.ch FINANZEN Matthias Gubler INTERNETAUFTRITT Roger Burkhard LAYOUT / SATZ Christoph Haiderer REDAKTIONELLE MITARBEIT Kilian Ziegler, Marc Gerber, Daniel Kissling, Pierre Hagmann, Ueli Dutka (ud), Fabio Lüdi, Fabian Saner ILLUSTRATION Petra Bürgisser, Anna-Lina Balke, Jamie Aspinall FOTOGRAFIE Remo Buess, Michael Isler, Claude Hurni KORREKTORAT Mirjam Läubli, Jan Kohler LESERBRIEFE leserbriefe@kolt.ch, www.kolt.ch/leserbriefe AGENDA agenda@kolt.ch, www.kolt.ch/agenda ABO Jahresabonnement CHF 99.—(inkl. MwSt), Gönnerabonnement CHF 170.— (inkl. MwSt), abo@kolt.ch, www.kolt.ch/abo INSERATE inserate@kolt.ch, www.kolt.ch/inserieren KONTAKT www.kolt.ch, hallo@kolt.ch AUFLAGE 1'800 ISSN 1664-0780 DRUCK Dietschi AG Druck und Medien, Ziegelfeldstrasse 60, CH-4600 Olten. © 2018, Verlag 2S GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung. Die Urheberrechte der Beiträge bleiben beim Verlag. Keine Gewähr für unverlangt eingesandte Manuskripte, Fotos und Illustrationen.
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Cover fotografiert von Claude Hurni
Es kommt uns vor, als hätten wir euch eben erst die 50. Ausgabe von KOLT präsentiert (das war übrigens die mit der Cover-Story zur Oltner Fasnacht). Wie die Zeit vergeht. Mittlerweile ist der Stapel an KOLTs beachtlich gewachsen. Nun haltet ihr die Ausgabe 99 in den Händen. Und auch wenn wir das grosse Jubiläum erst im nächsten Monat feiern (lest übrigens unbedingt die koltige letzte Seite – da kriegt ihr die Gelegenheit, der KOLT-Redaktion alle Fragen zu stellen, die euch interessieren!), so findet ihr auch in der vorliegenden Ausgabe zwei Besonderheiten. In unserer Glosse «Off the record» switchen wir auf die Metaebene und erzählen, wie diese Rubrik entsteht und mit welchen Schwierigkeiten wir zu kämpfen haben. Auch in unserer Rubrik «Am Tresen» lüften wir den Schleier und ziehen ein Fazit – ein wenig traurig, aber auch ein wenig froh.
INHALT
6 Im Gespräch Denise Donatsch startete ihre Karriere mit Strassenmusik
GENUSS KOLUMNEN 32 Kilian Ziegler Früher war man noch nicht opti-ohnmächtig
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10 Krachmacher und Türöffner
Sich selber bezeichnet Oli Krieg als revolutionärer Marxist. In Olten ist er bekannt als Geschäftsführer der Schützi, der in den letzten 16 Jahren das Oltner Kulturleben prägte wie kein anderer.
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Film Terror an einem Stück
21 Musik Die absolute Lieblingsband
Petra & Lou «Lass uns»
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STADT
Literatur Die grosse Idee Grenze
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Off The Record
Der koltige Monat
Für ein Mal meta
Fragt KOLT!
9 Meinung use-go!
24 Der Koni vom Kino
Er wuchs quasi im Kinosaal auf. Heute besitzt Konrad Schibli nicht nur fast alle Lichtspielhäuser der Stadt, sondern arbeitet voller Tatendrang an seiner Idee eines «Culture-Plex». Kino-Koni im grossen KOLT-Interview.
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DAS GESPRÄCH
«Oft kommen mir die guten Songideen an den ungünstigsten Orten» Bis sie den Mut fand, ganz auf die Musik zu setzen, hat es eine Weile gedauert. Heute lebt Denise Donatsch als Singer-Songwriterin und Lehrerin von ihrer Kunst. Interview von Liliane Manzanedo Foto von Remo Buess
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enise Donatsch, als Musikerin hat man es in gewissen Bereichen bestimmt nicht immer leicht. Ist es nicht sehr hart, von diesem Job leben zu können? Ich kann nicht sagen, dass es im negativen Sinne hart wäre. Die Musik ist so sehr meine Welt, dass ich alles, was zum MusikerInnen-Dasein dazugehört, nicht werte. Sich mit seiner Kunst über Wasser halten zu können, ist bei allen KünstlerInnen das ewige Thema, da kommt man meistens um das Unterrichten nicht drum herum. Und zum Glück unterrichte ich ziemlich gerne. Bei meinen Konzerten erhalte ich nicht immer eine fixe Gage. Manchmal wird eine Kollekte aufgestellt, manchmal nicht. Nur durch Auftritte wird man nicht reich. Nur ein paar wenige Leute können davon leben. Musiklehrerin und Musikerin ist also eine fast unumgängliche Kombination. Die Schweizer Plattform «Instrumentor» vermittelt SchülerInnen an Musikschaffende, welche nebenbei auch unterrichten. Auch du bist als Lehrperson dort aufgelistet. Wie kam es dazu? Ich wurde von «Instrumentor» angefragt, ob ich bei ihnen mitmachen will. Ich habe zugesagt, da ich die Idee toll finde. Privatunterricht habe ich jedoch schon früher gegeben. Der Unterricht ist eine wichtige Einkommensquelle, dennoch bin ich selbstständig genug, mir mein Pensum selbst zu wählen. «Instrumentor» vermittelt uns zwar interessierte SchülerInnen, wir entscheiden dann aber unabhängig, wie viele wir unterrichten möchten. Gab es einmal eine Vermittlung der besonderen Art? Ja. Ein etwas älterer Mann, um die 70 Jahre alt, kam einige Male zu mir in den Gesangsunterricht. Er sang in einem Chor und tat das aus reinem Eigeninteresse sowie aus der Motivation heraus, sich gesanglich weiterzubilden. Das hat mich sehr beeindruckt.
Zurück zu dir. Du schreibst und singst deine Songs in Schweizer Dialekt. Warum? Meine Fremdsprachenkenntnisse sind zu schlecht (lacht). Natürlich hatten wir am Gymnasium Französisch- und Englischunterricht, ich habe jedoch nie ein ge-
nügend hohes Niveau erreicht, dass ich mich in diesen Sprachen wirklich gut hätte ausdrücken können. Das, was ich mit meinen Songs aussagen will, kann ich in einer Fremdsprache nicht auf den Punkt bringen. Es ist schon schwierig genug, Gedanken und Emotionen in der eigenen Sprache zu beschreiben und dann auch noch in ein Lied zu verpacken. Ich fühle mich einfach wohler damit, auf Schweizerdeutsch zu singen. Mit Dialektsongs erreiche ich ausserdem mein Zielpublikum. Ich möchte mit meiner Musik in der Schweiz bleiben und hatte auch nie den Wunsch, ins Ausland zu gehen.
«Ich möchte mit meiner Musik in der Schweiz bleiben und hatte auch nie den Wunsch, ins Ausland zu gehen.» Worüber singst du? Ich denke viel nach, zum Teil über banale Dinge. Über Begegnungen, über Gott und die Welt. Ich kann nicht sagen, ich hätte ein spezifisches Thema. Etwas, das jedoch immer wieder vorkommt, ist die Liebe. Als Songwriterin kann und will ich diesem Thema nicht ausweichen. Denn es berührt und bewegt die Leute zu sehr. Letztendlich sind es Situationen, die ich spontan erlebe oder sehe, die mir einen Impuls, eine Idee geben. Mein Aufnahmegerät habe ich praktisch immer und überall dabei. Oft kommen mir die guten Songideen an den ungünstigsten Orten wie auf der Autobahn oder unter der Dusche. «Wenn alles angersch wär» heisst dein Debütalbum. Erzähl mal, was wäre dann? Ich musste mir oft anhören, wie unsicher der Weg als Musikerin sei. Mir fehlte das Selbstbewusstsein, ihn entgegen der
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Meinung vieler Leute trotzdem zu gehen, also probierte ich viele andere Dinge aus, die ich immer wieder verwarf. Eines Tages musste ich mir eingestehen, dass es nicht weitergeht. Es zog mich immer wieder zur Musik zurück. Musik ist einfach mein Ding und deshalb habe ich mich voll und ganz für sie entschieden. Wie hat alles seinen Anfang genommen? Mein Vater hat früher mit uns gesungen, er spielte dabei Gitarre. Während meiner Zeit an der Kantonsschule trat ich dem Jugendchor bei und später taten sich meine beste Freundin und ich zusammen, um Strassenmusik zu machen. Wir spielten in der Bahnhofsunterführung in Olten. Damals sang ich noch auf Englisch! Einmal, als ich am Bahnhof Basel spielte, wurde ich von der Polizei verjagt. In Basel darf man überall musizieren, nur am Bahnhof nicht. Was ist dir neben der Musik auch noch wichtig? Meine Familie und meine Kinder. Lassen sich das Musikerinnenleben und Familie vereinbaren? Kommt ganz auf den Partner an. Mein Mann und meine Eltern unterstützen mich sehr. Im September starte ich mit der Band eine Tournee durch die Deutschschweiz, da weiss ich, die Kinder sind in guten Händen. –
NAME: Denise Donatsch (37), BANDPROJEKT: Denise Donatsch und Band. DEBÜTALBUM: «Wenn alles angersch wär», erschienen 2018, AUSBILDUNGSWEG: Matura am Wirtschaftsgymnasium Olten; Lehrerseminar; 3-jährige Ausbildung an der Musikschule Bern in Tanz, Gesang und Schauspiel, BERUFSBEZEICHNUNG: Diplomierte Musicaldarstellerin, INSPIRATION: Aretha Franklin, James Taylor, Norah Jones BISHER GRÖSSTE BÜHNE MIT BAND: Mahogany Hall Bern, GRÖSSTE MUSICALBÜHNE: Les Arènes in Avenches als Tänzerin beim Musical «La Traviata», TRAUMLOCATION FÜR EINEN AUFTRITT: Mühle Hunziker bei Rubigen oder das IMFLUSS Festival in Basel.
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LESERPOST
OFF THE RECORD
Aufruf zur Indiskretion «Machen Sie weiter so. Nicht nur, weil mir Ihr Artikel so gut gefallen hat. Auch weil ich das KOLT sehr schätze: top Layout, schöne Fotos, ansprechende Texte – Olten wird immer besser, auch in diesem Bereich.»
Ein Leser via E-Mail reagierte auf den Tresentest über das Restaurant Olivo in der KOLTSommerausgabe Feedback zu unserem Magazin nehmen wir übrigens gerne unter redaktion@kolt.ch entgegen.
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ieses «Off the record» handelt von «Off the record» – es ist also ein Metatext. Wie Du schon erfahren hast, wird sich KOLT erneuern und weiterentwickeln. Das koltige Team hat entschieden, dass es diese Rubrik fortsetzen wird. Denn «Off the record» wird gelesen und bietet Diskussionsstoff. Die Texte an dieser Stelle sind oft nur anrecherchiert und werden manchmal erst zu einem späteren Zeitpunkt die Grundlage für eine journalistische Aufbereitung mit entsprechenden Rückfragen und weiteren Nachforschungen. Die «Off the record»Themen entwickeln sich aus Beobachtungen des KOLT Teams, aus zugesteckten Insiderinformationen und manchmal aus sehr glaubwürdigen Gerüchten. In einer Kleinstadt investigativen Lokaljournalismus zu betreiben, ist nicht einfach. Die Verbandelungen finden überall statt. Alle kennen alle. Die einen sehen sich in einem Serviceklub, die anderen im Sportverein und der Rest trifft die Ersteren in der Fasnachtszunft oder in der Studentenverbindung. Private InvestorInnen, ProjektinitiantInnen und andere engagierte BürgerInnen sind oft auf den guten Willen und die offenen Arme der Stadtverwaltung angewiesen. Will KOLT kritisch über Politik, Verwaltung und städtische Institutionen berichten, so ist das Magazin für seriösen Journalismus darauf angewiesen, dass jemand uns nicht nur einen Tipp für eine Geschichte – «Off the record» eben – mitteilt, sondern dass die ProtagonistInnen sich auch beim Namen nennen und zitieren lassen. Sonst bleibt es bei Behauptungen, Mutmassungen und Vorwürfen. Deshalb hat die Redaktion vor geraumer Zeit entschieden, dieses Gefäss zu schaffen, um das Vakuum zwischen Meinung und seriösem Journalismus zu füllen; ein Gefäss, dessen Inhalte stets
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auf einem sehr grossen Wahrheitsgehalt beruhen – aber eben auch nicht mehr. Das bedeutet jedoch nicht, dass das Geschriebene per se nicht stimmt, sondern dass KOLT schlichtweg zu wenige der entscheidenden Aussagen auch mit einer bestimmten Person in Verbindung bringen darf. Anstelle dieses Textes sollte ursprünglich eine Posse über das städtische Hochbaudepartement stehen. Doch wir mussten zurückkrebsen. Nicht auf Bitte der Verwaltung, sondern weil unsere Quelle tatsächlich befürchtet, dass die betroffenen Personen im Baudepartement das Projekt, um welches es geht, in diesem Text erkennen könnten und allen Ernstes das Projekt unserer Quelle böswillig und bewusst verzögern könnten. Die betroffene Person befürchtet also trotz Anonymisierung, dass sie alleine durch die Wiedergabe der Tatsachen Schaden davontragen könnte. Dieses Szenario wiederholt sich seit jeher. Unsere Quelle ist nicht die einzige mit dieser Angst. Alleine diese erschreckende Tatsache ist Grund genug, «Off the record» beizubehalten. Und die Autorschaft ist auch aus diesem Grund anonym. Weil dies einerseits die Arbeit erleichtert und es andererseits nichts zur Sache tut, wer die Nachricht übermittelt. Don’t shoot the messenger! Zur Klarstellung: Die Autorschaft von «Off the record» legt die dafür Hand ins Feuer, dass der Inhalt dieser Rubrik und dessen Wahrheitsgehalt stets abgeklärt ist. Damit aber aus einer mündlichen Information unter der Hand ein journalistisch fundierter Text entstehen kann, ist KOLT darauf angewiesen, dass die ProtagonistInnen auch mit Namen im Text stehen und Klartext sprechen. Aber eben: Das kann schaden. In einer Kleinstadt um so eher. Deshalb: Hilf doch mit, KOLT zu informieren – anonym oder nicht.
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MEINUNG
Daniel Schneider (*1964) lebt seit jeher in Olten und betreibt ein Büro für Raumplanung und Städtebau.
use – go! N
ein, es geht nicht darum, dass wir nach draussen gehe, obwohl dies auch eine Kolumne wert wäre. Die kleinen bis mittleren Lädeli der USEGO sind den meisten über 40-Jährigen noch bekannt. Union Schweizerische Einkaufs-Gesellschaft Olten, so die ausgeschriebene Lesart der vor über 100 Jahren gegründeten Selbsthilfeorganisation von Schweizer DetaillistInnen, deren Ziel es ursprünglich war, mit grösseren Warenposten den Einkaufspreis lukrativ senken zu können. 1931 wurde das uns allen bekannte, schlossartige Gebäude auf die heutige Grösse verdoppelt. Das 140 Meter lange Büro- und Lagerhaus prägt den Strassenraum und die Fahrt mit der Eisenbahn seit jeher. Der in Olten mehrfach tätige Architekt Fritz von Niederhäusern zeichnet sich für den Bau verantwortlich.
Als Kinder haben wir für den Weg zum etwas ausserhalb der Stadt gelegenen Bau den uns unendlich belustigenden Spruch
«I d’Usego use go!» gebraucht. Vermutlich ist dieser so alt wie die Usego selber. Nun liegt ein neuer städtebaulicher Entwurf vor, zu dem sich, wer auch immer sich berufen fühlt, äussern kann. Das nennt sich öffentliche Mitwirkung und ist Teil der planungsrechtlichen Nutzungsplanung. Es ist dem Grossinvestor und Oltner Immobilien-Gigant «Swiss Prime Site» nicht zu verdenken, dass er dieses riesige Grundstück aktivieren, sprich besser (aus)nutzen will. Verständlich auch, dass mehr Volumen realisiert werden soll. Die künftige Situation kann man heute schon vor Ort ablesen, wenn man sich die Baugespanne als künftige Volumen vorstellt. Schade, dass das ehrwürdige Gebäude bei der strassenseitigen Fahrt nach Solothurn weitgehend von den neuen Volumen abgedeckt und schlussendlich nur noch als Fragment ohne Sockel lesbar sein wird. Tschüss Usego, tschüss vertrautes Stadtbild! So ist nun mal der Lauf der Geschichte einer Stadt. Ich selber hätte mir von der Hochhaus-erfahrenen Swiss Prime Site AG neben dem starken langen Körper der Usego ein starkes hohes Volumen gewünscht. Bei gleicher Ausnutzung notabene. Ob der gelobte Zwischen-
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raum im Areal wirklich «Teil der belebten Stadt» werden kann, bezweifle ich angesichts der Grösse der Stadt Olten und der Distanz zur Innenstadt. Ein einfacher, aber sattelfester Stadtauftakt tut’s an diesem Ort – hier beginnt Olten! Tatsächlich, ich bin kein Freund von aufwändigen und in der Regel sehr teuren Wettbewerbsverfahren. Es gibt heute andere bewährte Verfahren, um Qualitätssicherung zu betreiben. Bei guter Anwendung führen diese oft zu guten, robusten und umsetzbaren Lösungen. Selbstverständlich beweist die Ausnahme die Regel: das Resultat des Architektur-Wettbewerbs für das Gebäude neben dem Aarhof – ein tolles realisiertes Projekt! Der geplante Turm beim ehemaligen Turuvani-Werkhof dürfte auch spannend werden. Zudem haben junge Büros die Chance, sich zu messen und sich eventuell gar zu etablieren. Zwischen Städtebau und angewandter Architektur gibt es einen Unterschied, beides soll indes zu einer lebendigen, atmosphärisch hochwertigen Stadt führen. Das im Vorfeld grosser Planungen von der Oltner Verwaltung nichts zu hören ist, ist bedauerlich. Information und Kommunikation mit der Öffentlichkeit beschränken sich auf das gesetzlich notwendige Minimum. Schade! Es macht den Anschein, als sei die Stadtplanung von den privaten Planungen stets überrascht – das wird aber kaum so sein… oder?
Der pragmatische
Ein Marxist, der den TCS willkommen heisst. Ein AKW-Besetzer, der mit den Hells Angels zusammenarbeitet. Ein Genossenschafter, der dem ICF die Türen öffnet. Oli Krieg hat aus seinen Überzeugungen nie ein Geheimnis gemacht, als Betriebsleiter des Oltner Kulturzentrums Schützi aber keine Scheuklappen gekannt. Auch deswegen ist die Schützi in Olten so breit akzeptiert wie kaum eine andere Kulturinstitution in der Stadt. Nach 16 Jahren räumt Oli Krieg nun seinen Posten. Eine Begegnung mit einem, dessen stärkste Waffe es war und ist, mit allen an einen Tisch zu sitzen. KOLT
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Revoluzzer
Text von Daniel Kissling Fotos von Claude Hurni
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Hier will er alt werden: daheim in Oensingen, in der «Freien Republik Äussere Klus», wie die BewohnerInnen ihr WoGeno nennen, gegründet in den 80er-Jahren von Oli Krieg und seiner Partnerin Esti.
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ommer 1972: Wenn auch kein Zentrum der Studentenproteste, so weht der frische Wind der 68er doch auch bis in die Schweiz, sogar bis ins baselländische Diegtertal. Dort nämlich postiert sich eine handvoll Jungspunde, die sich selber stolz UJGD, «Unabhängige Jugendgruppe Diegtertal» , nennt, vor der einzigen Fabrik des Tals. Und macht bei der Arbeiterschaft mobil für die Volksinitiative «Rüstungskontrolle und Waffenausfuhrverbot». Vorne mit dabei: Ein langhaariger 17-Jähirger namens Oliver Krieg. Sommer 2018: Als ich in Oensingen ankomme, wartet Oli Krieg bereits auf mich. Aus dem Kofferraum seines runtergerockten, dunkelgrünen Kombis ragt ein Velo. Es gehört einer von Olis Nachbarinnen. Sie hat den Schlüssel zum Schloss verloren und ist dankbar für den Heimtransport. Als wir ein paar Minuten später auf einen Kiesplatz vor einem grossen, mit Schlingpflanzen bewachsenen Haus einbiegen, sagt Oli: «Willkommen in der Freien Republik Äussere Klus!» Und zu seiner Nachbarin gewandt: «Wir machen später noch ein Feuer. Also einfach auch kommen, wenn du mitessen willst.»
WOGENO Die meisten Oltnerinnen und Oltner kennen und schätzen Oli Krieg vor allem als langjährigen Geschäftsführer der Schützi, doch mindestens
genauso, wenn nicht noch wichtiger ist für ihn dieser Flecken Erde zwischen Oensingen und Balsthal, im Schatten der ersten Jura-Kette, die «Freie Republik Äussere Klus» eben. Diese heisst eigentlich «Wohngenossenschaft Dach», besteht aus drei Häusern, einem Gemeinschaftsraum und einem Wohnwagen, 1981 von Oli Krieg, seiner Partnerin Esti und Gleichgesinnten gegründet. Seither lebt er hier. «Ich war sogar der Allererste, der hier übernachtet hat, als es noch gar keinen Strom im Gebäude gab», schwärmt er und erinnert sich an die Anfangstage, als sie das vernachlässigte Haus mit Darlehen von Freunden und Familien kauften, und auf eigene Faust Stück für Stück bewohnbar machten, um darin zu schlafen, arbeiten, leben. Zuerst als eine einzige grosse WG, später in mehrere Wohnungen aufgeteilt. Regulär wäre Oli Krieg erst Ende 2019 von seiner Stelle als Schützi-Geschäftsführer pensioniert worden. Dass der verfrühte Abschied «nicht nur private Gründe» hat, wie das Oltner Tagblatt Krieg zitierte, mag stimmen, doch gehört die WoGeno eben auch dazu. Die Stimmung unter den BewohnerInnen sei selten so gut gewesen wie im Moment und um alt zu werden sei der Ort perfekt, ein richtiges Mehrgenerationenhaus von Kleinkindern bis Pensionierten. Das wollen Esti und Oli geniessen: «Wir werden auf die Kinder aufpassen und deren Eltern müssen dafür für uns einkaufen gehen.» Und als er das erzählt, rennt auch schon ein kleines Mädchen an uns vorbei und ohne zu zögern in die Einzimmerwohnung in einem Nebenhaus,
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«Ich glaube, ich hatte immer ein Händchen für Zahlen, aber immer mein ganz eigenes System. Gelehrte Buchhalter konnten damit manchmal rein gar nichts anfangen, aber am Ende ging es immer auf.» die Esti und Oli derzeit bewohnen, während ihre eigentliche umgebaut wird. So pragmatisch und praktisch das alles klingt: In den 70ern und 80ern waren alternative Wohnformen wie WGs oder Genossenschaften, wie sie heute überall zu finden sind, auch politische Statements. Statements gegen die bürgerliche Idealvorstellung von Karriere, Besitz und Ehe. Oder wie es Oli ausdrückt: gegen «die bünzlige Zweierkiste im Einfamilienhaus». Denn so ein Leben, das war für Oli Krieg schnell klar, kam für ihn nicht infrage.
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Ein Hippie ohne Berührungsängste: In der WoGeno hatte niemand «Bock auf Papierkram», also kümmerte sich Oli Krieg um das Ämtli des Buchalters.
JUGEND UND POLITIK Die Lehre als Radio-Elektriker habe er vor allem seinen Eltern zuliebe gemacht, danach noch drei Wochen auf dem Beruf gearbeitet und ab dann nur noch gejobbt. Denn für Oli Krieg gab es Wichtigeres zu tun. Das Leben zu geniessen einerseits, die Welt zu verändern andererseits. Aufs Flyerverteilen im Diegtertal erfolgte bald der Kontakt zur RML, der «Revolutionären Marxistischen Liga». In einem Haus am Oltner Wilerweg traf man sich mit Gleichgesinnten, diskutierte, plante Aktionen. «Damals haben wir wirklich geglaubt, dass nur eine Revolution die Verhältnisse verändern könnte. Wir verteilten am Bahnhof unsere Parteizeitung «Die Bresche», mit Hammer und Sichel vorne drauf und riefen zum Arbeiterkampf auf», erinnert sich Oli, ohne sich ein Lächeln über die linke Romantik dieser Tage verkneifen zu können. Was heute radikal klinge, sei damals aber ganz normal gewesen. Paradoxe Zeiten seien das gewe-
«Politische Aktionen ja, aber ein Sitz in einem Parlament oder so war für mich nie das Ziel. Ich hatte keine Lust auf die ganzen Spielchen und Intrigen.»
sen. Einerseits skeptische Blicke wegen langen Haaren, Überwachung durch den Staatsschutz, die Fichen-Affäre. Andererseits 10'000 Menschen an den Anti-Atomkraft-Demos. Und auch als Aktivist keine Probleme, einen Job zu finden. «Wenn du Geld gebraucht hast, hast du einfach die Zeitung aufgeschlagen, bei einer Firma angerufen und konntest am nächsten Tag anfangen. So haben wir uns durchgeschlagen. Während Kaiseraugst habe ich tagsüber bei Roche Mäuse für Tierversuche gezüchtet und nachts den Sicherheitsdienst bei der Besetzung gemacht.» Am Tag für die Pharmaindustrie arbeiten, nachts ein geplantes Atomkraftwerk verhindern. Paradoxe Zeiten eben. Auf die Frage, ob er damals auch Ambitionen auf eine politische Karriere gehabt habe, winkt Oli ab. «Politische Aktionen ja, aber ein Sitz in einem Parlament oder so war für mich nie das Ziel. Ich hatte keine Lust auf die ganzen Spielchen und Intrigen.» Selbstemanzipation statt Missionierung der Gesellschaft, das sei für sie immer stärker in den Fokus getreten: «Am Ende geht es doch immer um die Frage: Wie leben wir? Wie gehen wir miteinander um? Du kannst noch so hehre Überzeugungen vertreten. Wenn du am Ende dann doch einfach so weitermachst wie alle anderen, bringt das gar nichts.» Also konzentrierte sich Oli auf die Realisierung der WoGeno. Und jobbte daneben, um Geld zu verdienen, als Tankwart auf der Autobahnraststätte Gunzgen Süd, 11 Jahre lang. «Die längste Anstellung, die ich neben der Schützi je hatte. Und ein geiler Job, bei dem ich nebenher die Buchhaltung für die WoGeno und später auch für andere Projekte und Privatpersonen machen konnte.» Krieg brachte sich Buchhaltung bei, wie er sich auch die meisten seiner Kenntnisse aneignete
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(und wie er es auch auf seinem Lebenslauf ausweist): «on the job». Als sie die WoGeno gründeten, verteilten sie die Aufgaben und natürlich riss sich niemand ums Bezahlen von Rechnungen und Einordnen von Belegen. Oli übernahm den Part, liess sich von einem Kanti-Lehrer einen CrashKurs geben und als die Ämtli gewechselt werden sollten und wieder niemand Lust auf den Papierkram verspürte, meldete er sich wieder. Jedoch nur unter einer Bedingung: Die WoGeno musste einen Computer anschaffen und so kam es, dass 1983 einer der wahrscheinlich ersten Macs der Region, ein Apple 2, ausgerechnet in einer linken Bruchbude in Oensingen zu stehen kam und Oli Krieg ein eigenes Buchhaltungsprogramm programmierte. Liest man seinen Lebenslauf, so liegt die Idee nicht fern, dass Oli Krieg danach quasi zum linken Finanzexperten wurde. «Ich glaube, ich hatte immer ein Händchen für Zahlen, aber immer mein ganz eigenes System. Gelehrte Buchhalter konnten damit manchmal rein gar nichts anfangen, aber am Ende ging es immer auf.» So kümmerte er sich bald auch um die Buchhaltung anderer Projekte und Privatkunden, später kamen Mandate von weiteren Selbstverwaltungsbetrieben wie dem Weltladen in Trimbach.
DER LINKE FINANZEXPERTE Was Krieg bei diesen Jobs und auch als SchütziChef neben seinem Händchen für die Buchhaltung immer wieder zugute kam: Er kann auch mit Leuten ausserhalb des linken Spektrums reden. «Bei all meinen Überzeugungen wurde mir ziemlich schnell klar: Es gibt auf der linken wie rechten Seite Arschlöcher. Und es gibt auf beiden Seiten vernünftige Menschen.» So verwaltete er als
Erinnerungstücke: In der Schützi waren alle willkommen – egal, ob Punks, Fasnachtsvolk oder Chart-StürmerInnen.
Geschäftsführer der WoGeno Solothurn nicht nur 21 Liegenschaften, sondern subventionierte die in Schieflage geratene Genossenschaft vorher, indem er mit Banken erfolgreich freiwillige Forderungsverzichte von mehreren Millionen Franken aushandelte. «Irgendwie war das schon komisch. Da sprach ich Hippie plötzlich bei Banken mit dem Aktenkoffer vor und verhandelte über mehrere Hunderttausend Franken auf einmal», lacht Krieg, «Dafür hatte ich mir sogar einen Tschoope gekauft.» Doch nicht alle Rettungsversuche, die Krieg startete, endeten erfolgreich. Gleich mehrere Anläufe, die verschuldete Genossenschaftsbeiz «Isebähnli» in Olten wieder auf die Beine zu stellen, scheiterten. «Das Isebähnli startete etwa zur gleichen Zeit wie wir mit unseren Genossenschaft und teilweise waren die selben Leute involviert. Am Anfang lief es gut, dann immer weniger...» Es sei das passiert, was vielen Selbstverwaltungsbetrieben zum Schicksal wurde: Die ideologisch aufgeladene Anfangseuphorie, bei der man auch einen Hungerlohn in Kauf nahm, verschwand nach und nach. Es fehlten die richtigen Leute, die für wenig Lohn zu grossem Aufwand bereit waren. «Wir starteten einen letzten Versuch. Das Kreuz in Solothurn, ebenfalls eine Genossenschaftsbeiz, hätte die Patenschaft übernommen und Starthilfe gegeben, wenn sich 8 Personen für den Betrieb gefunden hätten. Weisst du, wie viele Bewerbungen wir erhalten haben? Keine einzige!» Eine Niederlage, die Krieg bitter traf, wie er heute unumwunden zugibt: «Ich war enttäuscht von Olten. Vor allem von den Linken, die grosse Töne spuckten, aber selber nichts machen wollten.» Er zog die Notbremse, organisierte den Verkauf der Liegenschaft und kehrte der Stadt den Rücken. «Danach setzte ich 10 Jahre lang keinen Fuss mehr nach Olten, vom Bahnhof abgesehen.»
«Bei all meinen Überzeugungen wurde mir ziemlich schnell klar: Es gibt auf der linken wie rechten Seite Arschlöcher. Und es gibt auf beiden Seiten vernünftige Menschen.» Ist Olten einfach kein gutes Pflaster für selbstverwaltete Betriebe? Während in anderen Städten, ob Zürich oder Solothurn, genossenschaftlich organisierte Beizen oder Wohnsiedlungen über Jahrzehnte bestehen konnten und derzeit sogar neue Projekte erfolgreich lanciert werden, herrscht in Olten in Sachen Selbstverwaltung nach wie vor Flaute. Oli Krieg will (zumindest heute) nicht so schwarzsehen: «Ich denke, wir waren damals einfach 10 Jahre zu früh dran mit unseren Ideen. Da tickt jede Stadt anders. Oft entste-
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hen alternative Lebensformen aus der Not heraus. Das siehst du heute in Ländern wie Griechenland oder Portugal. Den Oltnern geht es vielleicht einfach zu gut, als dass sie sich die Mühe machen würden, über andere Formen des Zusammenlebens nachzudenken.»
RÜCKKEHR NACH OLTEN Es mag diesem fast unerschütterlich wirkenden Glauben daran, dass Veränderung doch möglich ist, geschuldet sein, dass Oli Krieg dann eben doch wieder nach Olten zurückkehrte. Warum er sich genau auf den Posten als Schützi-Geschäftsführer bewarb, daran kann Oli sich nicht mehr wirklich erinnern: «Wahrscheinlich reizte mich einfach die Idee, was mit Kultur zu machen, das fehlte mir damals noch, obwohl diese mich eigentlich noch vor der Politik geprägt hatte.» Auch, warum er den Job dann tatsächlich gekriegt hat, fragt sich Oli bis heute: «Ich stelle mir aber gerne vor, es hätte was mit der Frage zu tun, die ich am Ende des Vorstellungsgesprächs dem Vorstand gestellt habe», lacht Oli, «Warum dort denn so wenig Frauen sitzen würden.» 16 Jahre sind seit diesem Vorstellungsgespräch nun vergangen. Während es in Sachen Frauenvertretung im Vereinsvorstand zwar immer noch nicht wirklich besser aussieht, kann niemand
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Trotz Ruhestand ist es mit dem Kulturmachen noch lange nicht vorbei, im Gegenteil: Krieg hat Lust auf etwas «richtig Lautes», etwas, das die Stadt ein bisschen aufmischt.
bestreiten, dass Oli Krieg als Geschäftsführer der Schützi einiges bewirkt hat. Kaum ein Kulturbetrieb ist in der Stadt heute breiter abgestützt als die ehemalige Turnhalle, die von PunkerInnen bis FasnächtlerInnen, vom 1. Mai-Komitee bis zur Feuerwehr als Veranstaltungsort geschätzt wird. Eigentlich erstaunlich bei einem Geschäftsführer, der sich auch heute noch stolz als revolutionären Marxisten bezeichnet. Doch Olis Erklärung dafür ist denkbar simpel: «Man muss einfach miteinander reden.» Natürlich habe er auch immer seine eigenen Vorlieben miteingebracht, habe Veranstaltungen unterstützt, die ihm wichtig waren, vor allem die Jugendkultur. Doch habe er immer versucht, die Schützi unabhängig von seiner eigenen Einstellung für alle offen zu halten. «Hells Angels? Freikirche? Der TCS? Nicht meine engsten Freunde», schmunzelt Oli, «Aber irgendwie muss der Betrieb ja finanziert werden. Irgendwie muss das Geld reinkommen, damit auf der anderen Seite Kultur-Events, die weniger abwerfen, möglich sind.» «Miteinander reden» – diese einfache Strategie setzte Krieg auch ein, wenn es mit der Schützi mal wieder Probleme gab. Mit der steigenden Anzahl Konzerte häuften sich auch die Lärmklagen. Und zwar der giftigen Sorte, mit Fluchwörtern und Anwaltsdrohungen, an jeden einzelnen Stadtrat verschickt. Krieg liess sich nicht aus der Ruhe bringen, suchte den Dialog, mit den Anwohnern einerseits, bei welchen er sich nachts um zwei Uhr schon mal ins Bett legte, um sich selber über die Lärmbelastung ein Bild zu machen, mit den Behörden andererseits, indem er sich mit ihnen und drei
«Oft entstehen alternative Lebensformen aus der Not heraus. Das siehst du heute in Ländern wie Griechenland oder Portugal. Den Oltnern geht es vielleicht einfach zu gut, als dass sie sich die Mühe machen würden, über andere Formen des Zusammenlebens nachzudenken.» Punks an einen Tisch setzte, um für alle Beteiligten gangbare Lösungen zu finden. Lange habe das gut funktioniert – bis irgendwann die Kommunikation auf der Strecke geblieben sei. Womit wir wieder bei den «nicht nur privaten Gründen» vom Anfang dieses Textes wären, die dazu führen, dass Oli Krieg seinen Posten auf Ende
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Jahr räumt. «Irgendwann hat der Stadtrat aufgehört, mit uns zu reden», bilanziert Krieg. Er erlebe immer öfter, wie das eine Departement nicht weiss, was das andere mache, wie Verantwortlichkeiten von einer Person zur anderen geschoben würden und Antworten wie «Jetzt jammert doch nicht so! Seid froh um das, was ihr habt!» würden immer mehr an die Stelle echter Diskussionsbereitschaft treten. «Es scheint, als würde sich niemand wirklich für die Schützi interessieren.» Er versucht gar nicht zu verheimlichen, dass auch solche Mühseligkeiten seine verfrühte Pensionierung begünstigt hätten. Von Frust will der 63-Jährige dann aber doch nichts wissen. Er freue sich auf seine letzten Monate als Geschäftsführer, auf die Einarbeitung seines Nachfolgers Thomas Knapp. Und dass er sich nicht mehr mit Leistungsvereinbarungen und PolitikerInnen rumschlagen müsse, sondern wieder vermehrt Konzerte und Events organisieren könne. «Vielleicht auch wieder mal was richtig Lautes, Kontroverses, die Stadt noch ein bisschen aufmischen», meint er, zieht an der selbstgedrehten Zigarette und grinst bei der Vorstellung, dass die Stadt ihn noch eine Weile nicht loswerden wird. Das passt zum letzten Eintrag in der Fiche, welche der Staatsschutz über ihn angelegt hat: «Charakterisierung des Kommunenbewohners K.: zwar weniger aktiv an Demos, aber kein Gesinnungswandel.»
SERIE
FILM
Der schlimme Soundtrack von Utøya Sieben Jahre nach dem entsetzlichen Angriff auf norwegische Jugendliche zeigt «Utøya 22. Juli» eine ganz eigene Perspektive des Attentats.
«Britain, Britain, Britain, land of... !» So beginnt das Intro von «Little Britain». Ja, Land of what eigentlich, mögen politisch interessierte Menschen sich seit einer Weile fragen. «Little Britain» lieferte vor 15 Jahren eine ziemlich fiese Antwort: England, das Land der selbstbewussten Anti-Grossartigkeit. Über diese Sketchshow lässt sich eigentlich nur eines sagen: böse, böse, bööööse! 26 Episoden lang reihen sich Sketch an Sketch aneinander und man will lachen und sich gleichzeitig das Lachen verkneifen – und scheitert natürlich. Genauso wie alle Charaktere, die dieser Serie ewigen Kultstatus verschafft haben. Meistens stehen sie zuunterst im gesellschaftlichen Gefüge, doch sie tun das mit einer solch souveränen Selbstverständlichkeit, dass man sich weder wünscht, in ihrer Haut zu stecken, noch irgendwann im Bus eine Begegnung mit ihnen zu haben – denn die wäre garantiert sehr, sehr verstörend. Die Figuren in «Little Britain» gehören zu den Gearschten und verarschen, verspotten und quälen alle um sich herum, so dass man echt nicht mehr weiss, ob man sie lieben oder hassen soll. Intelligente Satire at it‘s best! (nb)
Little Britain
3 Staffeln, 26 Episoden/ Comedy/BBC 3, England, 2003–2006
DIE
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von Pierre Hagmann
T
error ist selten sichtbar. Er nistet sich, Anschlag für Anschlag, tiefer in den Köpfen der Menschen ein, manchmal kursieren dann ein paar verwackelte Handy-Aufnahmen, die dem Schrecken ein Gesicht geben. Für Überlebende und Angehörige wird Terror real, für die meisten bleibt er Psychoterror. Nun hat sich der preisgekrönte norwegische Filmemacher Erik Poppe der eigentlich unmöglichen Aufgabe angenommen, den Anschlag von Utøya in einem Spielfilm festzuhalten. Am 22. Juli 2011 erschoss ein rechtsradikaler Norweger 67 Jugendliche, die auf der kleinen Insel nahe Oslo im Ferienlager weilten. Unmöglich, weil: Wie soll ein solcher Film aussehen, um keine Wunden von Angehörigen oder Überlebenden aufzureissen? Oder dem Vorwurf des Voyeurismus ausgeliefert zu sein? Wozu überhaupt ein solcher Film? Der Spielfilm dauert 87 Minuten, genauso lange wie das Massaker. Um 17 Uhr gelangte der Täter als Polizist verkleidet auf die Insel, um 18:27 Uhr wurde er von der Polizei festgenommen. Dazwischen hunderte
ALBEN MEINES LEBENS
The Dilinger Escape Plan Miss Machine Mathcore vom Feinsten. Die Platte für den Sonntagsbrunch. Danach ist man garantiert wach.
Schüsse – und kein Schnitt. In einer einzigen langen Einstellung verfolgt die Kamera die 19-jährige Norwegerin Kaja, eine fiktive Figur. Wie sie mit ihrer Mutter telefoniert, mit ihrer Schwester streitet, mit ihren Kollegen über die Explosion in Oslo diskutiert, als plötzlich erste Schüsse zu hören sind. Es dauert lange, bis sie realisieren, dass es Schüsse sind, dass sie fliehen und sich auf dieser winzigen Insel verstecken müssen. Die Schüsse kommen näher und verstummen wieder, doch der Schrecken geht stets wieder von vorne los, immer wieder zusammenzucken, weinen und rennen und Luft anhalten und nichts sehen, nur hören, die Schüsse und die Schreie als schrecklicher Soundtrack von Utøya. Einmal legt sich Kaja neben eine Verwundete, die in ihren Armen stirbt. Einmal sieht sie von Weitem auf einem Felsen die Silhouette des Mörders. Vor allem aber ist das purer Psychoterror: Die Gefahr ist unsichtbar und lauert überall, und wir können nicht einfach davonschwimmen. Damit gelingt Regisseur Poppe ein Film, der diesem perfiden Aspekt des Terrors ein Denkmal setzt. Die Frage bleibt: Ist das künstlerische Rechtfertigung genug, um reale Wunden aufzureissen?
von John Gailo von John Gailo
Aphex Twin DrukQs Obwohl mich andere ihrer Tracks mehr beeinflussten, war für mich «DrukQs» wegweisend hinsichtlich meiner Vorlieben für die mehrheitlich der Belanglosigkeit verfallenden Technowelt.
Skunk Anansie Post Orgasmic Chill Ein Rockalbum, das mit einem Jungle-Drum’n’BassIntro beginnt. Kann ja nur gut sein. Eine Stimme mit unglaublicher Range und Präsenz. Und dieser unanständige Kitsch! Nur noch gailo.
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Band of Skulls Sweet Sour Es gibt viel zu wenige Bands, die sich trauen, mehr als eineN SängerIn ihr Eigen zu nennen. Feinheit und simple Cleverness, welche die drei an den Tag legen – unaufdringlich, einfach zum Geniessen.
Die Aantwoord $O$ Kennst du die Abende, an welchen du mit schlechtester Laune deine Band zu Besuch hast? Und mit jedem Track, den du noch nie in Kombi mit dem Clip konsumiert hast, mehr und mehr in musikalische Träumer- und Grinsereien verfällst? Ich schon.
MUSIK
ICH TRAGE B A RT L O M E .
Indie-Götter Diesen Monat gibt‘s etwas aus der Kategorie «Teenie-Lieblingsband»!
von Marc Gerber
K
onzertfreundInnen geniessen die kleinen oder grossen Festivals in der Schweiz und im Ausland. Da alle Bands auf Tour sind, ist der Plattenmarkt so ausgetrocknet wie die Flüsse nach diesem Sommer. Darum gibt es in diesem Monat nix Neues, sondern etwas altes Geiles, das alle MusikliebhaberInnen kennen sollten: Favez! 1990 von Chris Wicky und Guy Borel in Lausanne unter dem Namen Favez Disciples gegründet, gehört die welsche Combo auch 30 Jahre später zu einer der einflussreichsten Indie-Bands, die unser Land je hervorgebracht hat. Vor Blur und den Smashing Pumpkins haben die Lausanner schon alternativen Rock gemacht, der bis heute nichts an Aktualität eingebüsst hat – Favez ist zeitlos. Das erste Album kaufte ich noch 1996 im CDLaden. Eigentlich wollte ich mir die neue Platte von Pearl Jam kaufen, der Verkäufer (er hatte grüne Haare, was 1996 sehr cool war) sagte mir aber, ich solle mal in die Favez-CD reinhören. Und am Ende kaufte ich nicht Pearl Jam, sondern «Arrogance», das zweite Album von Favez.
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Es dauerte aber noch ganze vier Jahre, bis ich Favez live erleben durfte. Sie spielten in der Berner Reitschule und wir mussten damals noch beim Alter schwindeln, damit mein Kollege Dinu und ich überhaupt ans Konzert durften. Die Lüge war’s wert: Favez lieferte ab – und das, nachdem sie auf grosser US-Tour gewesen waren und man hätte annehmen können, dass sie bald nicht mehr solche kleinen Gigs spielen würden. Doch es kam nicht soweit, denn Chris Wicky und seine Band entschieden sich gegen das Ausland und blieben in der Schweiz. Das letzte Album veröffentlichten sie 2011. Chris Wicky ist aber trotzdem nicht arbeitslos, er ist CEO beim grössten Indie-Musikvertrieb der Schweiz und pusht die Schweizer Musikszene wie niemand anderes. Nebenbei bilden die Schweizer Indie-Legenden mit The Company Of Men sozusagen eine Supergroup mit Mitgliedern von Favez, Chewy und Rosqo und spielen Folkmusik auf höchstem Niveau. Also Leute, falls euch der Name Favez noch nichts sagt: Es wird Zeit, dass sich das ändert!
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Pietro Mangarelli | Brille von VINYLIZE
Bartlomé Optik AG Brillen und Kontaktlinsen Hauptgasse 33 - 4600 Olten www.bartlome-optik.ch
BUCH
..................... KOLT liest .....................
von Fabian Saner
Sprechen und Fallen ESSBARE STADT – WILDWUCHS AUF DEM TELLER. VEGETARISCHE REZEPTE MIT PFLANZEN AUS DER STADT
Schlafgänger von Dorothee Elmiger
von Maurice Maggi
Während die Schweizer Städte ständig wachsen, übersehen wir oft, was so alles an Essbarem in unseren Städten wächst. Nicht so Maurice Maggi, der uns in seinem wunderbar illustrierten Kochbuch «Essbare Stadt» zeigt, in welchem Park und auf welcher Verkehrsinsel wir Holunder, junge Ahornblätter und Kornelkirschen finden und wie wir aus diesen Zutaten leckere Gerichte auf unseren Tisch zaubern. Jan Kohler, Korrektor
DAS ENDE VON EDDY
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chlafgänger teilen sich ein Bett, weil eben nur eines zur Verfügung steht und auch ausreicht, damit mehrere Körper ihre Arbeitskraft wieder aufbauen können. Aber die Unterlage, auf der müde Körper träumen oder schlafwandeln, ist für alle die gleiche. Und vielleicht ist Dorothee Elmigers Entscheid schlüssig, in ihrem zweiten Buch «Schlafgänger» auf abgrenzbare Figuren zu verzichten, wenn es darum geht, ein Lebensgefühl atmosphärisch einzufangen. Küchenpsychologie gilt nicht. Aber gibt es überhaupt einen Fall, ein Problem, eine abgrenzbare Erzählung?
von Édouard Louis
Für manche Menschen gibt es nichts Grausameres, als auf einem Dorf aufzuwachsen. Edouard Louis gehört zu ihnen. Ein schmerzhafter autobiographischer Roman eines schwulen Mannes und heutigen französischen Intellektuellen der jüngsten Generation.
Ein Logistiker, ein Journalist, eine Übersetzerin, eine Schriftstellerin, ein Vater werden in diesem Buch angezeigt. Manchmal überlappen sie sich mit Sprechpositionen, die Namen tragen: Fortunat, A.L. Erika, Esther und so weiter. Und doch treibt es sie als Gespenster schwebender Überzeugungen, angestossener Handlungen, der leisen Kritik, der Fragen, der Beschreibungen, der Reisen zwischen unklaren Identitäten um. Who’s there? – Hamlets Frage steht im Raum.
Nathalie Bursać, Chefredaktorin Was hingegen ganz unverstellt vor Augen tritt: Es handelt sich um eine Generation von 25- bis 40-jäh-
rigen «Einheimischen» auf einer Wohlstandsinsel namens Schweiz. Es gibt genug Zeit, Wahrnehmungen einzuüben und auf scharf zu stellen: ob Innenbild, Landschaftsprospekt oder eine kleine Strassenszene. Und hier kommt man dem Grund für dieses Buch vielleicht auf die Spur: Es geht um die grosse Idee der «Grenze». Eine Grenze gibt Halt und weist ab, ist unüberwindbar und durchlässig. Eine räumliche, emotionale, politische, vor allem aber: eine sprachliche Herausforderung. Und auch darin nicht für alle dieselbe. Ist die Sprache die Protagonistin dieses Buchs? Immer am Rand des Zusammenbruchs, wie der erste Abschnitt anzeigt. Elmiger formt Skulpturen. Ihr Medium ist die Leerzeile: ein melodisches Gewebe aus Sätzen, die abbrechen. Und doch kein Kopfgespinst: Haltungen, Sprechpositionen werden nachgebildet und damit entschieden benannt, nicht bloss denunziert. Mich hat es beeindruckt.
Dorothee Elmiger
Schlafgänger
DuMont-Buchverlag 2014 140 S.
AM TRESEN 51 Tests und noch kein bisschen müde? Schwer zu beantworten, findet der Tresentester, pardon, die Tresentesterin. Die Liste mit noch unbesuchten Tresen ist nicht abgearbeitet. Doch irgendwann ist es vorbei, auch mit so lässigen Rubriken wie der hier. Und was nehme ich mit? Viele Erinnerungen an spätabendliche Gänge in die Oltner Bars (manchmal noch am gleichen Tag, an dem wir das Heft in den Druck schickten), mit FreundInnen, Partner*innen, dem Chef und KollegInnen (alle mehr oder weniger freiwillig mit von der Partie), Stunden mit so einigen Stangen Bier, Gläsern Rotwein und etwas weniger Tassen Espresso. Was ich nun weiss? Es lässt sich an jeder Bar etwas aussetzen. Und doch ist jede trotz ihrer Schrulligkeit, Bünzligkeit oder Abgefucktheit ein Ort, an dem Stadtleben passiert. Und gerade wegen all meiner Rummotzerei und trotz all meiner Lobhudelei weiss ich: Meine persönliche Oltner Lieblingsbar gibt es noch nicht. Wie sie aussähe? Ich würde das ganz branchenfern und grossstadtverwöhnt so umschreiben: klein und
minimalistisch, mit sehr gutem Kaffee (Das kann doch nicht so schwer sein!), mit echten Croissants und perfekten Salznüssli (sehr salzig, nicht zu trocken), mit einem Tresen, an dem sich arbeiten lässt (mit Computer) und mit einer Lektüreauswahl, die über die Gratisanzeiger und langweiligen Grossverlag-Produkte hinausgeht (Sorry, die Tresentesterin ist auch diesbezüglich picky!). Ich habe auch schon einen ziemlich schlechten Barnamen, er ist perfekt (siehe unten). Ich verschenke ihn gerne, einfach melden!
Nathalie’s Coffee Shop An bester Lage
WO SPIELT DIE MUSIK?
MOST WANTED Ihr habt an dieser Stelle bereits einmal etwas über zwei texanische Festivals gelesen: das South by Southwest (SXSW) und das Levitation – zwei wunderbare Events für MusikliebhaberInnen. Es mag wohl nicht von ungefähr kommen, dass TexanerInnen so musikvernarrt sind. Vor allem ein Genre hat es ihnen angetan: Spätestens seit der Band The 13th Floor Elevators aus den 1970er-Jahren bringt Texas nämlich soliden Psychedelic Rock hervor, kann aber in diesem Genre kaum mit der Bekanntheit vieler heutiger kalifornischer Bands konkurrieren. Anders sieht es mit dem angesagten Neo-Psych aus. Gegenwärtig kann sich Texas mit einigen Juwelen schmücken. Von dort kommen Bands wie White Denim, Holy Wave, The Black Angels und natürlich Khruangbin. Und mit solchen Bands macht Psychedelic Rock heute genauso viel Spass wie damals. (ud)
Jugendbibliothek Das Minecraft-Virus hat einen langen Atem! Letzten April war
«Minecraft – Meister der Konstruktion» von Joey Davey das beliebteste
Buch in der Jugendbibliothek. Jetzt hat es sich wieder zurück auf den Podestplatz gekämpft. Baumhäuser, Wolkenkratzer und Achterbahnen lernt ihr mit diesem Buch bauen – natürlich nur virtuell. Wären doch alle Schulbücher so faszinierend!
Stadtbibliothek Langsam fällt es auf: Jeden September steht in der Stadtbibliothek hoch im Kurs, aktuell mit
Jean-Luc Bannalec
«Bretonische Geheimnisse. Kommissar Dupins siebter Fall». Woran das liegt? Vielleicht daran, dass die Sommerferien vorbei sind und die Leute bereits wieder wegwollen? Vielleicht in die Bretagne? Dass sich die Dupin-Romane wie spannende Reiseführer lesen, verleiht dieser wackligen These möglicherweise eine gewisse Plausibilität. (nb)
ELEKTROMOBILITÄT. HOME-LADESTATIONEN ECO-CHARCHE UND OPTI-CHARGE VON A.EN.
Strom. GaS. WaSSer. WWW.aen.ch
«Ich bin ein dramatischer Typ.»
Interview von Fabio Lüdi Fotos von Michael Isler
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Konrad Schibli ist in der Stadt auch bekannt als «Kino-Koni». mt Seine Familie ist seit knapp 100 Jahren im Kinogeschäft und bestim ist. bis heute, was auf den Leinwände der Oltner Kinosäle zu sehen KOLT traf den Unternehmer im sommerlichen Locarno am Filmfestival zum grossen Gespräch.
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An Filmfestivals wie demjenigen in Locarno kommt die Filmbranche zusammen. Also ist auch Kino-Koni auf der Piazza Grande anzutreffen – auch wenn seine Kinoprogramme von Blockbustern dominiert ist.
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onrad Schibli, wir sind hier am Locarno Filmfestival. Die meisten Filme, die hier gezeigt werden, schaffen es allerdings nie in Ihre Kinos.Was machen Sie hier? Ich komme nicht ans Festival, um mir FestivalFilme anzuschauen. Denn es stimmt, dass die meisten dieser Filme nie in meinen Kinos gezeigt werden. Ich besuche eine Tradeshow, die parallel zum Filmfestival läuft. Das ist ein Branchenanlass, an dem Filme vor dem Kino-Release angeschaut werden können, um zu entscheiden, ob sie in unser Programm passen, ob in unserem Markt ein Zielpublikum vorhanden ist. Sie finden es also schade, dass bei Ihnen vor allem «Popcorn»-Kino läuft? Ich kann kein Kino führen, das nur ArthouseFilme zeigt, das rechnet sich nicht. Im Capitol zeige ich bereits nur Originalfilme mit Untertiteln, aber sonst läuft Popcorn-Kino, ja. Natürlich gibt es Schattierungen, denn es existieren auch kommerzielle Arthouse-Filme oder anspruchsvolle Blockbuster. Ich werde demnächst eine Filmreihe lancieren, in der es um Nachhaltigkeit geht und um sinnstiftendes Unternehmertum, allenfalls mit Podiumsdiskussionen. Daran bin ich momentan auch persönlich sehr interessiert. Das ist aber nichts, womit man Geld verdienen könnte. Das Capitol-Konzept wird also nicht auf andere Kinos ausgeweitet? Nein. Im Capitol spreche ich ein Publikum an, das an Kino interessiert ist, aber auch ein Glas Wein zu schätzen weiss. Also Leute, die eher auf Gemütlichkeit aus sind und einen schönen Abend verbringen möchten.
«Das Kino ist eine Möglichkeit, sich ausserhalb der eigenen vier Wände unterhalten zu lassen. Daheim hat‘s ja auch eine Küche, und trotzdem geht man ins Restaurant.» Mit dem Lichtspiele-Kino hätten Sie so etwas ja gehabt. Dieses Kino haben Sie aber verkauft. Ich habe das Kino an einen Filmverein, den ich selber mitgegründet habe, abgegeben. Das Kino war für einen kommerziellen Betrieb nicht länger tragbar, da hätten grosse Investitionen getätigt werden müssen, ohne dass ich vom Vermieter Sicherheiten bezüglich der Mietdauer erhalten hätte. Sie haben allerdings beim Capitol investiert und einiges geändert, etwa dessen Farbe von Grün zu Blau. Wie lange haben Sie mit sich gehadert, bis Sie sich zum Farbwechsel entschieden haben? Kinos sind immerhin Fixpunkte einer Stadt, da hängen Erinnerungen dran. Ich habe länger mit der Frage gehadert, ob ich dort überhaupt noch ein Kino haben will. Da könnte man auch Büroräume draus machen. Aber das Capitol ist so ein markanter Ort, ich hätte es schade gefunden, hätte die Struktur nicht erhalten werden können. Das Kino wurde in einen multifunktionellen Raum für
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Kino, Meetings, Events und kulturelle Anlässe umfunktioniert. Und wie kam es zur Farbänderung? Meine Partnerin ist Designerin, sie hat für das Innere und Äussere des ganzen Gebäudes ein Farbkonzept erstellt, und zwar unter Einbezug der Umgebungsfarben. Das war wirklich professionell, das hätten wir nicht in diesem Umfang tun müssen. Dieses Konzept haben wir schliesslich der Stadt vorgelegt, die erst ein wenig skeptisch war, weil Blau eine dunkle Farbe ist. Mittlerweile kommen aber alle auf mich zu und sagen: Wow, das ist genial geworden, besonders mit der Gold-Komponente des alten «Tonfilm»-Logos. Sie haben eine mögliche Umnutzung eines Ihrer Kinos angesprochen. Kann das Geschäft mit dem Film heute nicht mehr gewinnbringend betrieben werden? Ein Einzelkino in der Stadt ist nicht mehr rentabel. Für das Kino Palace etwa werde ich in den nächsten zwei Jahren eine andere Nutzung finden. Ich betreibe Kino heute auf drei Säulen: Kino, Gastronomie und Meeting/Events. In Bezug auf das Capitol-Konzept kann ich mit Letzterem mittlerweile höhere Umsätze erzielen als mit den Filmvorführungen. Dann geht der Trend langfristig also weg vom Kinogeschäft? Nein, aber ich will neue Schwerpunkte setzen, etwa durch eine bessere Einbindung des FoodAngebots und die Vermietung der Räumlichkeiten, welche tagsüber meistens leer sind. Ein Unterhaltungskomplex mit mehreren Kinosälen und Gastronomie, wie das youcinema in Oftrin-
gen, funktioniert. Auch das youcinema in Olten wird mit den nötigen Umbau-Massnahmen für mehr Gemütlichkeit und Gastronomie wieder funktionieren. Ein bisschen mehr Food und der Laden läuft also? Generell geht es darum, ein Wohlfühlambiente zu erzeugen, einen Ort zu schaffen, den man gerne besucht. Ich will, dass die Leute dort zwei, drei Stunden ausserhalb ihres Alltags verbringen können. Vielleicht fühlen sie sich sogar ein bisschen wie die Stars, wenn sie den Film verlassen, weil sie das Geschehen auf der Leinwand auf ihr Leben übertragen. Sie träumen von der Zukunft. Ist das vielbesungene Kinosterben also offiziell vorbei, beginnt nun das grosse Fressen der Überlbenden? Solange die Medien über das Kinosterben schreiben, wird es nie vorbei sein. Und die Medien schreiben wirklich gerne darüber. Jedes Jahr – zu Anfang, Mitte und Ende – werde ich angerufen und gefragt: Und, seid ihr schon tot? Ich weiss ehrlich nicht, woher das kommt. Klar, das Thema Netflix und Digitalisierung scheint sich aufzudrängen. Aber wir, die KinobetreiberInnen, sind im Offlinebereich tätig. Das Kino ist eine Möglichkeit, sich ausserhalb der eigenen vier Wände unterhalten zu lassen. Daheim hat‘s ja auch eine Küche, und trotzdem geht man ins Restaurant. Restaurants wie Kinos können preislich schnell happig werden. Sie sind dreifacher Familienvater. Eine fünfköpfige Familie kommt mit Billetts und Popcorn auf gut über 100 Franken. Wie soll die sich das leisten können? Wir haben Vergünstigungsprogramme, da können etwa Kinder schon für 10 Franken ins Kino. Aber es ist natürlich eine Ausgabe, klar. Auf der anderen Seite ist das Kino darauf angewiesen: 200 Quadratmeter Leinwand und gute Sessel und gutes Tonequipment haben ihren Preis – dafür ist es ein Erlebnis. Die Erwachsenen und Kinder sind fasziniert von der Grösse, den Geschichten und vom Popcorn, das es dazu gibt. Es ist ein bisschen wie Europapark, einfach viel kleiner. Besitzen Sie eigentlich eine eigene, spezielle Eintrittskarte für Ihre Kinos? (lacht) Ich bin noch nicht so gross und weit weg vom Geschäft, dass mich meine Mitarbeitenden nicht mehr erkennen würden. Wobei, das ist auch schon passiert. Eine Platzanweiserin am Eingang bestand darauf, mein Billet zu sehen. Da musste ich sagen: Ich bin eigentlich dein Chef, aber froh, dass du hier stehst. An dir kommt keiner vorbei. Ich habe einst auch in einem Kino gearbeitet, wenn auch in keinem von Ihnen. Ich habe dort netto 16 Franken auf die Stunde verdient.
Damit hätte ich mir damals nicht mal eine Kinokarte leisten können. Wo geht das ganze eingenomme Geld der Kinos hin? In eine Reserve, die irgendwann aufgebraucht sein kann. Beispielsweise, wenn ein Kinosommer so schlecht läuft wie der momentane. Seit Mitte Juni verzeichnen meine Kinos praktisch keine Einnahmen mehr, und ich habe Kosten von über 700‘000 Franken im Monat. Dazu kommen immer wieder Investitionen in die Infrastruktur wie beispielsweise jetzt neue Sitzpolster im grössten Saal in Oftringen, die mit 120‘000 Franken zu Buche schlagen. Die Hälfte des Eintrittspreises geht übrigens an den Filmverleiher. Bleiben am Ende des Jahres fünf bis sechs Prozent der Einnahmen liegen, ist das schön.
«Ich betreibe Kino heute auf drei Säulen: Kino, Gastronomie und Meeting/ Events. In Bezug auf das CapitolKonzept kann ich mit Letzterem mittlerweile höhere Umsätze erzielen als mit den Filmvorführungen.»
Genug der Zahlen: Sind Sie eigentlich nur ins Kinobusiness eingestiegen, weil «Kino-Koni» so toll klingt? Nein, für mich war immer klar, dass ich entweder einmal das Familiengewerbe übernehmen oder aber Hotelier werde. Als meine Eltern Peter und Isabelle Schibli das Geschäft führten, konnte allerdings nur eine Familie davon leben, darum habe ich erst eine Lehre als Koch absolviert und bin anschliessend für drei Jahre in die USA, um Filmwirtschaft zu studieren. Danach habe ich drei Jahre in Deutschland MultiplexKinos geleitet. 1997 kam ich zurück nach Olten, mittlerweile konnten meine Eltern hier drei weitere Kinos übernehmen. Das waren die Kinos Lichtspiel, Rex und Capitol, die dem Cousin Ihres Grossvaters gehörten. Ihrem
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Grossvater Bruno Schibli gehörte das Kino Palace. Diese Übernahme klingt fast nach Familienfehde. Das Verhältnis zwischen den zwei Familien war nicht gut, wie weit das ging, kann ich nicht sagen. Über einige Umwege gingen die Kinos fünf Jahre nach dem Tod der Ehefrau dieses Cousins an meine Eltern. Für uns war das gut, weil wir als einzige Kinokette auf dem Platz eine viel bessere Verhandlungsbasis gegenüber den Filmverleihern hatten - nicht in Bezug auf die Filmmiete, sondern auf die Auswahl und den Einsatz der Filme. Wie kam es überhaupt dazu, dass gleich zwei Seiten Ihrer Familie ins Kinogeschäft eingestiegen sind? Keine Ahnung, was genau dazu geführt hat. Mein Grossvater jedenfalls war passionierter Hobby-Filmer. Er hat das Palace 1926 erbaut. Damals war das natürlich ein lukratives Geschäft, Zehntausende gingen jährlich dort hin. Das Kino war damals vor dem TV eine richtige Medienmacht, wie heute das Internet. Warum waren Sie immer so erpicht darauf, dieses Geschäft zu übernehmen? Ich bin selbst wahnsinnig gerne in der Kinowelt, ich lasse mich gerne in eine Film-Geschichte hineinziehen, in einem Kinosaal mit anderen Menschen. Angst, Trauer, Freude, Erleichterung mit andern zu spüren ist magisch und vibrierend. Zudem ist das Filmgeschäft einfach unglaublich spannend. Mehr als die Produktion fasziniert mich aber die unternehmerische Seite im Unterhaltungsbereich und der Gastronomie. Ich will Menschen zum Träumen anregen. Wie ist das in diesem wandlungsfreudigen Geschäft noch möglich? Der Gang ins Kino hat sich eigentlich nicht gross verändert, seit ich im Geschäft bin. Die Erwartungen haben sich gewandelt. Das ist genau ist die Herausforderung eines Kinobetreibers. Sie verlieren mich… Das fängt im Kleinen an: Ist der Mensch wirklich noch bereit, eine Armlehne zu teilen? In meinem neuen Konzept etwa soll es Sofas geben, damit die BesucherInnen zwei Lehnen haben. Da sitzt man nicht mehr so aufeinander wie jetzt. Das Kino muss sich mehr in Richtung Wohnzimmeratmosphäre verändern, damit die Leute auch wirklich gerne kommen. Sie sprechen in diesem Zusammenhang gerne davon, dass Kinobetreiber «innovativ» sein müssten. Ist das Ihre Auffassung davon? Ja. Natürlich muss die Technik stimmen, keine Frage. Aber die Digitalisierung durchzieht unser tägliches Leben mehr und mehr. Das führt dazu, dass sich die Menschen wieder mehr unters Volk mischen wollen. Dieses Sehen und Gesehen werden, damit will ich spielen, ich will das ins
Zentrum rücken. Heutige Multiplex-Kinos sind blosse Durchlauferhitzer. Die Leute kommen an einem Ort rein, am anderen wieder raus und zwischendrin passiert der Konsum ohne Rücksicht auf die soziale Komponente, die ein Kinobesuch ausserhalb des Kinosaales haben kann. Und wie sieht die Zukunft aus? Man muss die Menschen wieder mehr zusammenbringen und eine Plattform schaffen, auf der sie sich austauschen können. In Oftringen machen wir darum kein Multiplex-, sondern Cultureplex-Kino. Da hat man auch mal einen Ort, an welchem man einfach sein kann, ohne etwas konsumieren zu müssen. Trotzdem gibt’s etwa Foodangebote oder eine Bar. Spannend ist auch eine gute Filmauswahl. Für einige Zeit zeigten Ihre Kinos türkische Action-Komödien. Wo sind die hin? Die Türkei produziert weniger Blockbuster, deswegen werden diese Filme vom Filmverleiher nicht mehr angeboten. Nur gerade drei bis fünf Kinos in der Schweiz haben diese Filme gezeigt, türkischstämmige Menschen aus der ganzen Schweiz kamen zu uns. Das war jeweils ein Fest, in diesen Momenten war ich gerne am Kinokiosk und habe Popcorn verkauft.
«Generell geht es darum, ein Wohlfühlambiente zu erzeugen, einen Ort zu schaffen, den man gerne besucht. Ich will, dass die Leute dort zwei, drei Stunden ausserhalb ihres Alltags verbringen können.»
Wie war Ihr Film-Riecher bisher? Haben sich die Besucherzahlen gesund entwickelt? Durch die Expansion nach Oftringen 2008 hat die Region insgesamt mehr Besucher. Allerdings sind die Besucherzahlen auf dem Platz Olten – unter anderem ebenfalls wegen Oftringen – um die Hälfte zurückgegangen. In der Stadt kamen vorher 170‘000 Besucher im Jahr. Heute sind das noch 80’000. Im ersten Halbjahr 2018 haben wir zudem nochmals einen Rückgang von gut 30 Prozent verzeichnet - was auch der dürftigen Filmauswahl und dem schönen Wetter zuzuschreiben ist. Früher kamen zudem drei Viertel des Publikums in den Oltner Kinos aus der Region Olten, heute kommt der gleiche Prozentsatz aus Olten selbst. Da das Kino in Oftringen aber 250‘000 Besucher jährlich anlockt, konnte die Besucherzahl insgesamt verdoppelt werden. Das klingt düster für Olten. Der Platz Olten wird momentan quersubventioniert, das ist so. Das Capitol wird aber ab nächstem Jahr schwarze Zahlen schreiben, das youcinema wird einem Umbau unterzogen und das Palace wird einer neuen Nutzung zugeführt. Was Lockeres für zwischendurch: Schauen Sie sich eigentlich noch Filme an, einfach so? Ich schaue nicht mehr jeden Trash. (lacht) Dramen gefallen mir am besten, und Komödien. Ich bin ein dramatischer Typ. Auch im Privatleben? Ich bin sehr emotional, ja.
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Wie äussert sich das? Ich bin sehr «gspürig», ich kann Menschen lesen, begreifen und mich in sie reinversetzen. Das hat wohl auch mit meiner Liebe zum Film zu tun. Sie gelten auch als Macher-Typ. Wie passt das zu Olten? Olten ist meine Heimatstadt, ich konnte in Olten schon viel bewegen. In Oftringen spüre ich eine andere Dynamik, mehr Wohlwollen und Kooperation. In Olten ist manches zäher und komplizierter. Ich spreche hier in Bezug auf die Behörden, die natürlich auch nur ihren Job machen, viel Widerstand erleben und sich entsprechend rechtfertigen müssen. Während Ihrer Zeit in Deutschland haben Sie in grossen Städten gearbeitet. Was ist der Unterschied zwischen einer Kino-Grossstadt und einer –Kleinstadt?
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Die Grösse der verschiedenen Zielgruppen. In einer Grossstadt hat man viel mehr Möglichkeiten, auf ein bestimmtes Zielpublikum einzugehen. Das ist in einer Kleinstadt schwierig, sei es in Bezug auf Nischenfilme oder Nischen-Kinokonzepte. Wie wäre zielgruppenorientiertes Kino denn möglich? Ein klares Profil des Publikums ist nötig. Ich muss wissen, wen ich ansprechen möchte. Um es überspitzt zu formulieren: Ältere Semester, die mehr auf Gemütlichkeit aus sind, möchten vielleicht nicht mit dem Teeniepublikum den neusten Horrorfilm anschauen gehen. Es wird je länger je mehr ein Thema werden, Kinokonzepte zu schaffen, welche spezifische Zielgruppen ansprechen. Das ist in einer Grossstadt natürlich umso interessanter, weil dort einfach mehr Leute sind. Mit dem bevorstehenden Umbau des youcinema in Olten werde ich versuchen, mich in diese Richtung zu bewegen. Aber ein solches zielgruppenorientiertes Konzept in einer grossen Stadt umzusetzen, das würde mich reizen.
«Ich bin sehr gspürig, ich kann Menschen lesen, begreifen und mich in sie reinversetzen. Das hat wohl auch mit meiner Liebe zum Film zu tun.»
Konrad «Kino-Koni» Schibli wurde 1969 in Olten geboren. Nach einer KochLehre ging er 1991 erst für drei Jahre in die USA, um an der University of California Filmwirtschaft und Marketing zu studieren. Anschliessend leitete er im Ruhrgebiet in Deutschland für weitere drei Jahre MultiplexKinos. 1997 kehrte er nach Olten zurück und übernahm 2008 die familieneigene Kinokette. 2012 erstand er bei einer Konkurs-Versteigerung den Oftringer Vergnügungstempel «Fun-Maxx» heute «you event center» für 15 Millionen Franken und baute diesen zu einem «Culture-Plex» mit Gastronomie- und UnterhaltungsEinrichtungen aus. Schiblis youcinema AG betreibt heute fünf Kinos mit 13 Leinwänden in Olten, Brugg und Oftringen. Desweiteren betreibt er sechs Gastronomiebetriebe und beschäftigt insgesamt 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Schibli lebt mit seiner Partnerin Karin Wyser und der gemeinsamen Tochter Anaïs (11) im Capitol in Olten. Seine Töchter aus erster Ehe, Jana (21) und Jade (19), arbeiten neben ihrem Studium auch im Kino.
Ein gutes Projekt für nach der Pensionierung. (lacht) Ich werde nie pensioniert. Ich bin Unternehmer, und das wird so bleiben bis zum Ende meiner Tage.
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KILIAN ZIEGLER
NaRr
Zufrieden
von Viktor Holub
I Einsamkeit An den Strand gehen, in den Europapark gehen, auf die Schlittschuhbahn gehen, in ein Restaurant gehen, überhaupt ausgehen (ins Kino, an Konzerte), dafür wird man bemitleidet, tut man es alleine. In die Kirche gehen, zum Doktor gehen, zum Coiffeur gehen, Einkaufen gehen, zur Arbeit gehen, dafür wird man nicht bemitleidet, tut man es alleine. Warum eigentlich?
Viktor Holub (*1995) lebt und studiert in Basel Medienwissenschaften und Kunstgeschichte und schreibt Gedichte, u.a. fürs Narr. www.dasnarr.ch
mmer will ich das, was ich nicht haben kann. Und zwar sofort. Und wenn ich es dann doch bekomme, will ich etwas anderes. Stets ist anderswo das Gras grüner, oder immerhin der Handyempfang besser. Selbst unter idealen Umständen bringe ich es fertig, noch mehr zu wollen. Stellt euch vor: Ich liege an einem herrlich warmen Sommerabend mit einem Glas des besten Rotweins am Meer, an einem unbeschreiblich schönen Sandstrand und beobachte mit meiner Traumfrau an der Seite den eindrücklichsten Sonnenuntergang, den ich je gesehen habe. Und alles, woran ich denken kann: «Es ist schon schön hier, aber die da drüben haben Chips.»
jedes Jahr in die Ferien nach Metzg’iko. Man fällte eine Entscheidung, blieb dabei und dann war das halt einfach so. Aber man war kaum unglücklicher als heute.
Dabei lehrte mich meine Mutter, dass man nicht immer alles haben kann, sie sagte: «Sohn, Du kannst nicht immer alles haben.» Sie brachte mir bei, dass ich mich auch mal gedulden muss: «Mami, e möcht dä SpöuzüügRoboter!» – «Du muesch no chli Gedoud ha, bau hesch Gebortstag!» – «Mami, e möcht das Plüschtierli!» – «Bau hesch Gebortstag!» – «Mami, dörfi öppis ässe, e ha Honger» – «Bau hesch Gebortstag!»
Ich möchte einfach mal zufrieden sein und mir nicht dauernd eine Hintertüre offenlassen – höchstens das Katzentürchen, Schnurrli hat in der Nacht immer mega kalt draussen. Ich habe doch alles, was ich brauche, die Schweiz ist bekanntlich äusserst wohlhabend (In keinem Land der Welt gibt es so viele Cumulus-Punkte wie in der Schweiz!). Nein, eigentlich fehlt mir überhaupt nichts. Nichts, ausser vielleicht Chips. Aber egal, bau hani Gebortstag.
Heute jedoch hat man unmöglich viele Möglichkeiten und keine scheint gut genug. Dabei wäre es doch an der Zeit, das zu schätzen, was man hat und nicht das, was man nicht hat. Denn egal, was du machst, du verpasst immer etwas, musst immer auf mehr verzichten, als du haben kannst. Ja, vielleicht ist das Gras woanders grüner, aber das ist wegen der Pestizide. Und vielleicht ist der Handyempfang woanders besser, aber du bist auch bei Salt.
«Immer will ich das, was ich nicht haben kann. Und zwar sofort. Und wenn ich es dann doch bekomme, will ich etwas anderes.»
Früher muss das anders gewesen sein, da war man noch nicht vor lauter Optionen opti-ohnmächtig. Da kam zum Beispiel der Metzgersohn zum Vater und meinte: «Papa, ich weiss, schon Grossvater und Urgrossvater waren Metzger, aber ich will Lehrer werden, ohne Wenn und Aber!» – «Nein, du wirst Metzger!» – «Okay.» Und dann wurde er Metzger, kaufte sich als Haustier einen Fleischwolf, trank öfter einen «über den Wurst» und ging
Eine zufriedene Zeit Kilian Ziegler PS: Warum sich nicht mal an den Sachen erfreuen, die man absichtlich verpasst hat: Nie einer Sekte beigetreten, Drogen genommen, Menschen getötet, Lehrer geworden.
www.bijouterie-maegli.ch
AnziehungskrAft
liegt in unserer nAtur.
PETRA & Lou
Lass uns
von Lou Meili (Text) und Petra Bürgisser (Illustration)
L
ass uns das Vergessen üben, das Punkte-Malen, die mal Kreise waren und dann so klein wurden, dass sie verschwanden. Lass uns zum Kreis werden oder vielleicht zum Ballon, der nicht weiss, ob er die Luft will, die in ihn hineingepustet wird. Dein Atem beschlägt feucht meine Innenflächen und ich fühle mich leichter, weil ich grösser und leerer werde. Lass uns kindliche Vorstellungen von der ewigen Haltbarkeit fliegender Ballons aus dem Fenster werfen, um sie da am Boden zerschmettern oder in Ästen hängenbleiben zu sehen. Lass uns das zerknitternde Sinken feiern, lass uns älter werden und dagegen ankämpfen. Lass uns einander aufblasen, die Luft geht mit den schwächeren Lungen, aber die Feuchtigkeit bleibt und hält uns lebendig, wenn auch ekelhaft anzufassen. Lass uns einander füllen, Tropfen für Tropfen, bis wir in unseren Körpern versinken können.
Solothurnerstrasse 17
4600 Olten
Lass uns Wellen fangen mit weit offenen Händen, lass uns Schwimmhäute wachsen lassen zwischen den Fingern. Lass uns tauchen und an all unsere Zuhause denken, so wie sie nie waren. Lass uns treiben im Fluss, der laut ist und wiegelt und trötzelt, anstatt um uns herumzufliessen, schubsend, wütend, unversöhnlich, bis wir uns auf ihn legen und ihm alles überlassen. Unter Wasser ist die Welt stiller und grösser und verschwommen. Lass uns die Eleganz eines schwimmenden Wals verstehen, lass uns Stranden und Ersticken spielen.
Lass uns versehentlich Fische greifen, lass uns das Fell der Unterwasser-Wurzel-Büffel streicheln, um einer von ihnen zu werden oder zumindest einen Friedenspakt mit ihnen zu schliessen. Lass uns unsre Finger lecken, wild, das schmeckt nach Erde, verbranntem Linsencurry und Hitze über dem Fluss, das fühlt sich an nach Hunger und rauen Fusssohlen. Lass uns das Vergessen üben, lass uns das Zurückziehen pflegen, lass uns nach Luft schnappen und so tun, als würden wir es geniessen.
Lou Meili,1996 in Zürich geboren, absolvierte 2018 das Studium am Schweizerischen Literaturinstitut. Lou lebt in Bern und schreibt am ersten Roman.
062 213 94 44
info@schuhlerch.ch
DER KOLTIGE MONAT
Dies ist die letzte KOLT Ausgabe. Die letzte KOLT Ausgabe im bisherigen Gewand und mit den bestehenden Rubriken.
W
ie wir Dir schon in der letzten Ausgabe an dieser Stelle mitgeteilt haben, wird sich KOLT erneuern, weiterentwickeln und – hoffentlich – verbessern. Zuerst aber folgt im Oktober die Ausgabe 100. Und auf die kannst Du dich auch freuen! Wir konzipieren die hundertste Ausgabe als Spezialausgabe. Wir werfen für dieses eine Heft das gesamte Inhaltskonzept über den Haufen und zeigen Dir, wer KOLT ist, wie und warum KOLT entstanden ist und was KOLT sein will. Für einmal handelt der Inhalt von uns. Das ist uns zwar sehr unangenehm, aber es freut uns jetzt schon, allen denen zu danken, die sonst nur im Hintergrund gewirkt haben, die uns geholfen haben, von denen Du nicht gewusst hast, dass sie für dieses Magazin unentbehrlich sind, von denen Du vielleicht einen Text gelesen oder ein Bild bewundert hast.
KOLT hat schon einige Erneuerungen erlebt. Gestalterisch und inhaltlich. Aber noch nie hat das Magazin eine solch konsequente Weiterentwicklung erlebt, wie wir sie jetzt planen. Und dieser Schnitt zeigt sich in dieser, in der kommenden und in der übernächsten Ausgabe. Unsere grösste Hoffnung und unser grösstes Ziel sind, dass wir Dich, unseren Leser, unsere Leserin begeistern werden. Du kannst sehr gerne auch Deinen persönlichen Beitrag leisten! In der OktoberAusgabe beantwortet das gesamte KOLT Team all Deine Fragen. Egal welche. Schick uns Deine Frage(n) (entweder konsequent gross oder klein) bis am 10. September an hallo@kolt.ch und Du wirst die Antwort im Oktober lesen.
Es tut gut zu wissen, dass dies die «letzte bisherige» Ausgabe ist. Vor allem, wenn du am Laufband das immer gleiche Produkt erschaffst, das sich zwar von Monat zu Monat unterscheidet, aber stets den Eindruck hast, dass sich nicht viel ändert an der Situation, dass es noch so viel zu verbessern gäbe, dass du zu wenig Zeit hast für so viele Dinge, die so wichtig wären, um dieses Magazin noch viel stärker zu machen.
KOLT
Auf bald! Dein KOLT PS: Jetzt wäre ein sehr guter Zeitpunkt, Deinen FreundInnen und Bekannten ein Abonnement zu schenken. Denn dann gibt’s erst für sie diese September-Ausgabe als Geschenk, zusätzlich die Spezialausgabe und später dann unser neues Herzstück.
September 2018
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Vernissage Kunstausstellung
«Bilder erzählen Geschichten.» 6. September 2018, 19 Uhr Hotel Arte, Riggenbachstr. 10, Olten Keine Anmeldung erforderlich. www.pallas-kliniken.ch/kunst
Kino ist ein Vorwand, sein eigenes Leben ein paar Stunden lang zu verlassen. Steven Spielberg
COVER – die Realität des schönen Wohnens.
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KOLT
September 2018
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