KOLT #26

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DAS OLTNER STADT- UND KULTURMAGAZIN

NUMMER EINS 2012 // FR. 5.--

MIT AGEND BEILAG A E

www.kolt.ch

NEBEL NEUE KOLUMNE Pedro Lenz über Bettler am Bahnhof CINEMA Stieg Larsson und die Hollywood-Kopie VON LINKS BIS RECHTS Was sich die Stadtparteien für 2012 wünschen IM EXIL Über das Olten von Ecuador FREAKS BRAUCHT DAS LAND Ein Aramäer ritzt Edelkastanien in Olten


«Wir machen uns stark für Kultur.»

Damit Sie Ihre Freizeit möglichst abwechslungsreich gestalten können, unterstützen wir viele Schweizer Kulturangebote.

www.alpiq.ch 2

Januar 2012

KOLT


EDITORIAL IMPRESSUM VERLAG // HERAUSGEBER Verlag 2S GmbH Leberngasse 17 4600 Olten verlag@v2s.ch www.v2s.ch VERLAGSLEITUNG Yves Stuber, Matthias Sigrist REDAKTION Pierre Hagmann redaktion@kolt.ch

Cover fotografiert von Christoph Keller

FINANZEN Matthias Gubler INTERNETAUFTRITT Mathias Stocker LAYOUT / SATZ Christoph Haiderer

mit freundlicher Unterstützung von:

REDAKTIONELLE MITARBEITER Kilian Ziegler, Christian „Ché“ Dietiker, Dino Lötscher, René „Fribi“ Freiburghaus, Rolf Strub, Pedro Lenz, Fiona Gunst, Marianne Hertner, Daniel Lüthi, Caramel Landsturm, Franziska Monnerat ILLUSTRATOREN Werner Nydegger, Anna-Lina Balke, Jamie Aspinall, Manuel „Ti“ Mathys, Pascal „Tokijad“ Hofer, Céline Fallet, Petra Bürgisser, Rebekka Gerber FOTOGRAFEN Christoph Keller, Marcel Gunst, Hansruedi Aeschbacher, Yves Stuber LEKTORAT Pierre Hagmann LESERBRIEFE leserbriefe@kolt.ch www.kolt.ch/leserbriefe AGENDA agenda@kolt.ch www.kolt.ch/agenda ABO Jahresabonnement CHF 49.—(inkl. MwSt) Gönnerabonnement CHF 99.—(inkl. MwSt) abo@kolt.ch www.kolt.ch/abo INSERATE inserate@kolt.ch www.kolt.ch/inserieren KONTAKT www.kolt.ch hallo@kolt.ch AUFLAGE 1'500 DRUCK Dietschi AG Druck und Medien Ziegelfeldstrasse 60 CH-4600 Olten © 2012, Verlag 2S GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung. Die Urheberrechte der Beiträge bleiben beim Verlag. Keine Gewähr für unverlangt eingesandte Manuskripte, Fotos und Illustrationen.

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Januar 2012

DRUCK&MEDIEN OLTEN

L

iebe Leserin, liebe Leser, herzlich willkommen im neuen KOLTZeitalter! KOLT ist erwachsen geworden – und gleichzeitig jünger. Tönt nach Widerspruch, ist es nicht. Wir haben uns zu einem sogenannten Relaunch entschlossen, um das Heft noch attraktiver, lesefreundlicher, interessanter zu machen. Darum ist KOLT erwachsen geworden. Gleichzeitig wollen wir vermehrt auch ein jüngeres Publikum ansprechen. Darum ist KOLT jünger geworden. So kommt KOLT in neuem Kleid daher, einiges ist anders, anderes neu. Wir danken unserem Grafiker und Layouter Christoph Haiderer, der in der Nähe von Wien lebt und arbeitet, für die Auffrischung des Erscheinungsbildes. Auch inhaltlich hat KOLT an Sexyness gewonnen. Dafür sorgt unter anderem ein Langenthaler: Pedro Lenz, der gleich beim Oltner Bahnhof wohnt und jeden Tag im Zug unterwegs ist, schreibt in einer neuen Kolumne monatlich über kleine Alltagsgeschichten aus dem Schweizer Schienennetz. Wir sind stolz, mit ihm einen national erfolgreichen, humorvollen und vor allem sympathischen Schriftsteller an Bord zu haben. „In einem Zug“, Seite 24. Ausserdem neu im Heft, unter anderem: Exiloltner berichten per Bild und Wort aus der weiten Welt, von

New York bis Paris, von Südamerika bis Fernost. Prominente und nichtprominente Oltner verraten ihre Vorlieben, wenns um Film geht – den Auftakt macht unser Stadtpräsident Ernst Zingg. Und als Schlussbouqet warten ab sofort die Lieblingsdinge des Monats, als Collage inszeniert von der Berner Designstudentin und KOLT-Mitarbeiterin Rebekka Gerber. Eine weitere entscheidende Neuerung betrifft die Agenda. Um den redaktionellen Teil klarer von der Monatsagenda abzutrennen, wird diese nun in der Heftmitte beigelegt. Doch KOLT bleibt KOLT, Bewährtes bleibt erhalten. Auch in Zukunft wollen wir uns jeden Monat vertieft einem Thema widmen und dieses aus verschiedenen Perspektiven beleuchten. Die aktuelle Titelgeschichte taucht in ganz nebulöse Welten ein. Was ist Nebel? Was macht er mit uns? Wieso haben wir so viel davon? Unsere Journalistin Fiona Gunst begab sich auf Spurensuche durch den Sirup in der Badewanne. „Olten, wo bist Du?“, ab Seite 16. Wir hoffen, dass Ihnen das neue KOLT gefällt und wünschen viel Vergnügen bei der Lektüre. Feedback freut uns: redaktion@kolt.ch. Mit den allerbesten Wünschen für ein schönes Jahr 2012!

Pierre Hagmann Olten, im Dezember 2011

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DRUCK&MEDIEN OLTEN

Mehr als eine Druckerei.

Mehr als eine Druckerei.

Dietschi AG Druck&Medien Ziegelfeldstrasse 60 4601 Olten Telefon 062 205 75 75 Telefax 062 205 75 00 www.dietschi.ch www.oltnertagblatt.ch 4

Januar 2012

KOLT


INHALT

JANUAR 2012

03 EDITORIAL / IMPRESSUM 06 PREVIEWS Highlights im Januar 2012

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06 CINEMA Stoffmangel der Traumfabrik // 4 Fragen an den Stadtpräsidenten

13 IM GESPRäCH Tani Dang // Olten über die Welt

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14 VON LINKS BIS RECHTS Wir schenken Ihnen einen Wunschzettel: Sie haben für das Jahr 2012 zwölf Wünsche für Olten frei: Was wünschen Sie unserer Stadt?

16 IM EXIL Menschen aus der Region berichten aus der Welt: Rom, Paris, New York, Island, Otavalo, Hamburg

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18 Olten, wo bist du? Gedanken und Fakten zum Phänomen „Nebelloch“

26 HÖREN & LESEN 26

Pedro Lenz „Betteln classic“ // Daniel Lüthi „Fabel“

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Ché‘s Bro Tipps // Deeno‘s Review // Fribi‘s Metal News

28

Caramel Landsturm „Ich habe Alkohol“ // La Vache Kili „Stolzfäller“

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Schon gelesen...?

30 FREAKS BRAUCHT DAS LAND Heissi Maroni, heissi!

32 IM RAMPENLICHT 30

Spiel mir das Lied von der eigenen CD

31

Je mehr Krise, desto besser geht es dem Kabarett

34 DAS LIEBSTE ZUM SCHLUSS

32 KOLT

Januar 2012

Die besten Dinge des Monats

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PREVIEWS

Tipp des Monats

Guggi Zunft zu Olten

JÜRG KIENBERGER // ICH BIENE – ERGO SUMM THEATERSTUDIO OLTEN www.theaterstudio.ch Fr 13. Januar 2012, 20.15 Uhr Sa 14. Januar 2012, 20.15 Uhr Vorverkauf: Leotard, Ringstrasse 28, Olten

Der grosse musikalische Komiker und Pianist fordert in seinem zweiten Kabarett-Solo «Ich Biene – ergo summ» zum musikalischen Bienentanz auf – bestechend und phantastisch. Jürg Kienberger, seit Jahren Mitglied der Theater-Familie von Christoph Marthaler, bringt das Leben und Sterben der Bienen auf die Bühne des Theaterstudios Olten. Allein das Wortspiel im Titel macht klar: Hier ist Skurriles angesagt. Den Schwänzeltanz weiss er einfühlsam nachzuahmen, den Hochzeitsflug begleitet er am Flügel und das Ende des Drohnenlebens führt er in seiner ganzen Tragik vor. «Ich Biene – ergo summ» ist aber nicht zuletzt eine Hommage an die Königinnen dieser Welt, an die Frauen. Und aus diesem guten Grund wird sich Jürg Kienberger des öfteren seiner zarten Kopfstimme bedienen. «Ich Biene – ergo summ» ist hochmusikalisch, herzzerreissend komisch und wunderbar leise. Im Vorprogramm: Jay Kay Wäschpi.

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GUGGILARI GUGGEN-BÜHNE AM HILARI

Procap Reisen & Sport präsentiert

KULTURZENTRUM SCHÜTZI www.guggizunft.ch www.guggilari.ch

MEKONG – VON VIETNAM NACH TIBET // DIAVORTAG ÜBER EINE UNGLAUBLICHE ROLLSTUHLREISE

Sa. 14. Januar 2012 ab 14.00 Uhr Vorverkauf: print@home unter www.guggilari.ch Café Grogg in Olten

SCHÜTZI OLTEN www.schuetzi.ch

Nach weihnächtlichen Fröhlichkeiten und stillen Nächten wird es am Samstag 14. Januar 2012 in der Aarestadt ein erstes Mal fasnächtlich laut. Nach dem grossen Erfolg der letzten Ausgabe präsentieren sich auch dieses Jahr zwischen 14:00 und 17:30 Uhr sieben Guggenbands aus Olten und Umgebung auf der „Guggen-Bühne am Hilari“! Der Eintritt am Nachmittag auf das Areal vor der Schützi ist frei. Nach der Fez-Übergabe am Abend öffnen sich die Türen der Schützi Punkt 20:20 Uhr zum 13. Guggilari. Wie jedes Jahr gibt es wieder Guggensound vom Feinsten, mehrere Bars sowie ein Verpflegungsstand mit köstlichen Menüs. Line-Up: Wasserschloss-Fäger Untersiggenthal (AG) Jldefonser Vielharmoniker Olten (SO) Ohregrööbler Rotchrüz (ZG) Städtlifäger Klingnau (AG) Guggi Zunft zu Olten (SO)

REISE IM ROLLSTUHL

Mo 16. Januar 2012 19.00 Uhr Vorverkauf: Globetrotter Olten

Andreas Pröve, immer auf der Suche nach den Grenzen des Machbaren, hat sich ein hohes Ziel gesetzt: Eine Rollstuhlreise an den Ufern des gewaltigen Stroms, der fünf buddhistische Länder miteinander verbindet, der als „Mutter aller Wasser“ Lebensgrundlage ist für Millionen Menschen. Die Reise beginnt im hektischen Saigon, führt über das neu erblühende Phnom Penh, durch die geheimnisvollen Tempelanlagen von Angkor Wat, durch Laos und schließlich ins tropische Yunnan in China. Dabei nutzt Andreas Pröve alle Verkehrsmittel, die sich ihm bieten, vor allem aber macht er sich in Handarbeit in seinem Rollstuhl auf den Weg. In knapp 5000 Metern Höhe erreicht er im Rollstuhl endlich sein Ziel: die Quelle des Flusses, dem er durch nahezu alle Klimazonen, über tausende von Kilometern und unter großen Strapazen gefolgt ist.

TRAKTORKESTAR DIE ETWAS ANDERE BLASKAPELLE KONZERT COQ D’OR www.coq-d-or.ch Fr 20. Januar 2012 Bar: 19.00 Uhr Konzert: 22.00 Uhr

Cooler als die Stadtmusik, dreckiger als eine Big Band und versierter als eine Guggemusig, das sind Traktorkestar – die etwas andere Schweizer Blaskapelle! 2004 vom Trompeter Balthasar Streit gegründet, beweist die 12-köpfige Truppe mit ihren Tröten und Trommeln, dass folkloristische Musik richtig rocken kann. Und zwar nicht in erster Linie die, die aus der Schweiz stammt, sondern aus dem Osten. Handgemachte Balkan Beats, so nennt man das, was die ausgebildeten Musiker da gekonnt lärmen, oder „Blechmusik mit viel Scharf und pumpenden Beats“, so der Beobachter. Es darf also wild getanzt und ordentlich gefeiert werden, wenn Traktorkestar, welche im Osten schon mal vor 100’000 Leuten spielen, am 20. Januar mit wortwörtlich Pauken und Trompeten ins Coq d‘Or einfallen. Und wer danach noch genug Puste hat: Mit den DJ‘s Coconut Concept und Hamlin dauert die Party bis in die Morgenstunden.

Januar 2012

KOLT


JANUAR 2012

SOLOTHURNER KÜNSTLER STELLEN AUS 27. JAHRESAUSTELLUNG DER SOLOTHURNER KÜNSTLERINNEN UND KÜNSTLER – EINE AUSSTELLUNG DES KUNSTVEREINS

Tick vor 12 präsentiert

BRUNCH, MUSIK UND LUSTIGE WORTE

KUNSTMUSEUM OLTEN & STADTHAUS, 10. STOCK www.kunstmuseumolten.ch www.kunstvereinolten.ch

„GES(T)AMMELTE WERKE“ FEAT. VERA THOMAS-OETIKER

bis 22. Januar 2012

OLTNER KABARETTCASTING

Öffnungszeiten: Di–Fr 14–17 Uhr ; Do 14–19 Uhr ; Sa/So 10–17 Uhr 1. Januar geschlossen

DONOGOODLESETHEATER WORLDSENDTOUR 2012 – EIN PHÄNOMEN WIRD ZEHN

SCHWAGER THEATER OLTEN www.schwager.ch www.kabarett.ch

Die drei Finalisten messen sich anlässlich der 25. Kabaretttage und die Gewinnerin erhält einen Förderpreis. Seien Sie dabei bei dieser neuen Kabarettform und gönnen Sie sich junge und unerwartete Kleinkunst in grosser Vielfalt und bestimmen Sie mit, wer der erste Preisträger wird.

KOLT

Januar 2012

So 22. Januar 2012 11.00 Uhr Eintritt inkl. Brunch CHF 50.00, ohne Brunch 30.00. Reservation zwingend unter 062 212 90 90

VARIO BAR, OLTEN www.vario.ch

Freitag, 20. Januar 2012 1. Ausscheidungsabend Kasse/Bar 19.45 Uhr, Beginn 20.15 Uhr Eintritt 15.-, Finalabend 28.Castingpass für die drei Ausscheidungsabende: 30.-

Wo steckt der Kabarettnachwuchs der Schweiz? Auf der Bühne des Schwager Theaters Olten! Die Oltner Kabaretttage lancieren erstmals ein Casting für Newcomer auf der Kabarettbühne. Pro Abend betreten drei bis fünf Einzelkünstler oder Gruppen die Bühne und spielen Auszüge aus dem Programm. Das Publikum und eine Jury bewerten die Beiträge und küren pro Abend einen Finalisten.

MIT DEM KOPF DURCH DIE WAND

CAVEAU DU SOMMELIER www.tickvor12.ch

Auftakt: So 22. Januar 2012

Kaum eine Ausstellung ist so vielfältig wie die alternierend von den Kunstvereinen Olten und Solothurn organisierte Jahresausstellung der Solothurner Künstlerinnen und Künstler. Auch die 27. Ausgabe zeigt mit einer faszinierenden Bandbreite an Arbeiten von der miniaturhaft kleinen Druckgraphik, über Zeichnungen, Gemälde, Fotografien, Skulpturen, Videos und raumgreifende Installationen das aktuelle Kunstschaffen in einem facettenreichen und repräsentativen Überblick. Ausserdem im Kunstmuseum: Die verlängerte Ausstellung «Distelis Bilderkalender - begehrt gefürchtet verbrannt» (ebenfalls bis 22.1.) widmet sich dem einflussreichsten Werk des Künstlers. Martin Distelis Zeichnungen für das in hohen Auflagen gedruckte Lese- und Bilderwerk stehen ganz im Dienst der politischen Aufklärung.

Kaum zu glauben, aber donogood liest schon zehn Jahre in der Variobar Olten. Ein rundes Jubiläum. In Schaffhausen sind es zwar schon zwölf Jahre. Aber wir wollen nicht pingelig sein. Zumal die Welt 2012 laut Mayakalender sowieso wieder mal untergeht. Deshalb möchte donogood noch mal so richtig aufdrehen und startet die Worldsendtour 2012 mit sechs überraschenden donogoodLesungen. In Olten wird nebst der phänomenalen Variobar auch noch das Coq d’Or (8.Februar) bespielt. donogoods Beitrag zu „Chance Olten Ost“. Das Haberhaus Schaffhausen liegt schon länger auf dem Weg. Zofingen und Aarburg müssen sein. Luzern hat eine neue Attraktion für Japaner. In Bern gibt’s das Lesetheater für Bundesgenossen. In Winterthur bekommt das Kasinotheater Konkurrenz. Bewaffnet mit Papier und Lesekunst rüsten sich Strub/Millns/Burri zum letzten Kampf gegen die Kulturverschnarchung.

Während Wyss/Straumann auf ihrer Schweizer Tournee quasi ganz konventionell stammeln, hat sich der Veranstalter „Tick vor 12“ für Olten etwas Besonderes einfallen lassen. „Ges(t)ammelte Werke“ werden verpackt in einen Brunch, und als Gastkünstlerin tritt die Oltner Sängerin Vera Thomas-Oetiker auf. Ein Genuss für Ohren und Gaumen. Am Sonntag 22. Januar 2012 lädt „Tick vor Zwölf“ um 11 Uhr morgens in den schönen Oltner Weinkeller Caveau du Sommelier zum feinen Brunch. In drei Blöcken von je 20 bis 25 Minuten kommen die Gourmets in den Genuss der aktuellsten Version von „Ges(t) ammelte Werke“ der Oltner Formation Wyss/Straumann. Eingebettet in Schlagzeilen, Satire und Piano singt Vera Thomas-Oetiker Lieder von Edith Piaf, Hildegard Knef und Sandra Kreisler. Dieses Zusammentreffen der feinen Töne zwischen Zeilen und Notenschlüsseln ist gleichzeitig eine Schweizer Premiere.

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PREVIEWS

JANUAR 2012

„BUNDESORDNER“ – ERSTMALS IN OLTEN SEIN ODER NICHTSEIN // TO BE OR NOT TO BE KOMÖDIE STADTTHEATER OLTEN, THEATERSAAL Di 24. Januar 2012 20.00 Uhr

25. OLTNER KABARETT-TAGE: JUBILÄUMSERÖFFNUNGSEVENT STADTTHEATER OLTEN www.kabarett.ch Freitag, 27. Januar 2012 20.00 Uhr Tickets: www.kabarett.ch info@kabarett.ch T 062 212 08 61

GRAZIELLA ROSSI // ROSE

GES(T)AMMELTE WERKE – EDITION II WYSS/STRAUMANN

THEATERSTUDIO OLTEN www.theaterstudio.ch Fr 27. Januar 2012, 20.15 Uhr Sa 28. Januar 2012, 20.15 Uhr Vorverkauf: Leotard, Ringstrasse 28, Olten

SCHÄLISMÜHLE OBERBUCHSITEN www.schälismühle.ch Sa 28. Januar 2012 20.00 Uhr Vvk ab 14.1.12 Raiffeisenbank Oberbuchsiten, CHF 25.-

Komödie von Nick Whitby (nach dem Film von Ernst Lubitsch) Zwischen Leben und Tod, Witz und Wahn. In dieser intelligenten Komödie, die 1939 in einem Theater in Warschau spielt, ist beinahe jedes Wort doppeldeutig. Vor allem der Titel, der sich auf den berühmten Monolog aus Shakespeares «Hamlet» bezieht. Doch er bedeutet auch, dass die Schauspieler um ihr Leben spielen. Sein oder Nichtsein ist eine Theater-auf-dem-Theater-Komödie, die aus guten Schauspielern Bestleistungen herauskitzeln muss, weil sie darin schlechte Schauspieler spielen dürfen. Ein Stück, das die berühmte gleichnamige Nazi-Filmsatire von Ernst Lubitsch auf die Bühne bringt, in direkter Übernahme kniffliger Situationen und glänzender Dialoge, eine Verwechslungs-, Agenten- und Eifersuchtskomödie. Uraufführung: Oktober 2008, Manhattan Theatre Club, New York Mit Bernhard Bettermann, Isabella Hübner, Alexander Wipprecht, Jörg Reimers, Sarah-Jane Janson, Dodo Büchel u.a.

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Die Oltner Kabarett-Tage starten mit einem Highlight ins Jubiläumsjahr: Der „Bundesordner 2011“, ein satirischer Jahresrückblick der Extraklasse. Für den „Bundesordner“ hat sich traditionsgemäss ein bunter Haufen von Kabarettistinnen, Wortakrobaten und Musikerinnen durch die Akten geackert, um Brisantes ans Licht zu bringen. Falls sie dafür überhaupt genügend Strom hatten…oder sind sie selber hell genug? Oder ist die wahre revolutionäre Energie nicht der Solarstrom, sondern der Flüchtlingsstrom? Heisst die italienische Insel deshalb LampedusA? Ein satirischer Jahresrückblick von und mit schön&gut, Uta Köbernick, Fitzgerald & Rimini, Gabriel Vetter, Mammutjäger und Toni Caradonna. Als Mitglied der Oltner Kabarett-Tage profitieren Sie von einer 20 % Vergünstigung und erhalten das Ticket zum Vorzugspreis von CHF 36.00 anstelle CHF 45.00. Interview mit Festivalleiter Claude Schoch auf Seite 31.

Vom Schtetl nach Miami Beach. Die Lebensgeschichte einer Jüdin mit Humor, Weisheit, Geist, Gefühl und Lebenskraft in einem Monolog der Schauspielerin Graziella Rossi. Ein ergreifender Text über ein Frauenschicksal im letzten Jahrhundert, eine gültige Parabel über Menschlichkeit und Unmenschlichkeit. Rose erzählt als Angehörige einer «verlorenen» Generation wechselnd von jiddischem Humor zu Schmerz und von Wut zu Ironie. Sie erzählt vom Untergang ihrer Kultur, von der Kluft zwischen liberalen und orthodoxen Israelis und von der Entfremdung zwischen Israelis und Juden aus der Diaspora in der «Alten Welt». Ein Monolog mit Graziella Rossi. Das Theaterstudio Olten kam wiederholt zu einmaligen Theatererlebnissen durch Rossis eindrückliche Frauenfiguren wie Sabina Spielrein oder Maria Callas. Nach dem Stück ‚Unruhige Fahrt’ von Martin Sherman, Musik: Daniel Fueter, Regie: Klaus Henner Russius.

Was verbirgt sich hinter Schlagzeilen wie „Briefträger hortete 300 Kilo Briefe“? Wo sind Pianist Roman Wyss und Schauspieler Rhaban Straumann einzuordnen? Poetische Satire? Literarisches Kabarett? Manche nennen sie „neue Sterne am Kabaretthimmel“. Klar ist, hier haben sich zwei gefunden, die sich perfekt ergänzen. Sinnlich, sinnvoll und eigenständig. Die Edition II feierte Premiere im Herbst 11. Seither sind die beiden Oltner Vollblutkünstler auf CH-Tournee und servieren ihr süffiges Hör- und Denkvergnügen als scharfe Hirnkost, genussvoll abgeschmeckt. Die Andelfinger Zeitung meint: Eine ebenso kompromisslose, aber auch spielerisch leichte sowie humorvolle Gesellschaftsbetrachtung. Aus „Zug auf Irrfahrt“ wird so die Expansion der Schweiz, wodurch der Jura seinen eigenen Kanton auf Sizilien erhält. Kurz, ein smartes Entzücken zwischen bissiger Zeitanalyse und hintergründiger Politsatire.

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KOLT


CINEMA NäHERE INFORMATIONEN ZU SPIELZEITEN UND KINOSAAL AUF WWW.YOUCINEMA.CH UND WWW.LICHTSPIELE-OLTEN.CH

EXTREMELY LOUD AND INCREDIBLY CLOSE

Stoffmangel der Traumfabrik THE GIRL WITH THE DRAGON TATTOO USA 2011 // THRILLER Start in Olten: 12. Januar 2012, youcinema

E

in 16-jähriges Mädchen verschwindet im Jahr 1966 spurlos. Fast vierzig Jahre später kriegt der Journalist Mikael Blomkvist (Daniel Craig) den Auftrag, die Geschichte einer reichen Familie zu schreiben. Mit der Hilfe der Hackerin Lisbeth Salander (Rooney Mara) findet er jedoch Skandalöses heraus, was beide in Gefahr bringt.

zwei Jahre nach der schwedischen Filmtrilogie den ersten Teil des Remakes heraus, der teilweise in Zürich gedreht wurde. Die Vorzeichen sind vielversprechend: Regisseur David Fincher (The Social Network, Fight Club, Seven) ist ein Meister seines Fachs. Wieso aber investiert Columbia Pictures 100 Millionen US Dollars in die Produktion eines Films, der eiEigentlich verdiente der Schwegentlich schon existiert? Es ist nicht de Stieg Larsson sein Geld als Jouretwa so, dass die schwedische Version nalist. 2004 starb er 49-jährig an eischlecht produziert wäre. Vielmehr nem Herzinfarkt. In den Jahren vor tut sich die Traumfabrik zunehmend seinem Tod schrieb er eine Thrillerschwer, Stoff für neue Geschichten zu Trilogie um eine seit fast 40 Jahren finden. So sind Remakes in doppelter vermisste Frau. Das Werk wurde erst Hinsicht ein willkommenes Fressen. posthum veröffentlicht – und schlug Die (gute) Story liegt schon fixfertig ein wie eine Bombe. 50 Millionen bereit – und sie hat sich anderswo Mal wurde die Millenium-Trilogie bereits bewährt. Das reduziert die in über 40 Ländern verkauft. Bald ökonomischen Risiken. Um die Komwurde der Schritt auf die Leinwand patibilität mit dem amerikanischen gewagt, 2009 entzückte die verfilmte Publikum zu garantieren, muss die Version der Trilogie ganz SkandinaviGeschichte aber „amerikanisiert“ en. Dann kaufte sich die Hollywoodwerden. Synchronisationen oder Produktionsfirma Columbia Pictures Untertitel haben in den USA einen die Filmrechte und bringt jetzt, 15.12.2011 bloss schweren Stand. ph 01-inserat_kolt_jan-2012_4f.qxp 16:40 Uhr Seite 1

4 Fragen an...

USA 2011 // DRAMA Start in Olten: 19.Januar, youcinema Der kleine Oskar ist davon überzeugt, dass sein Vater (Tom Hanks), der am 11. September bei den Angriffen auf das World Trade Center umgekommen ist, ihm eine letzte Botschaft hinterlassen hat, die irgendwo in der Stadt versteckt ist. Deshalb macht er sich in New York auf die Suche nach jenem Schloss, in das der geheimnisvolle Schlüssel passt, den Oskar im Schrank seines Vaters gefunden hat.

HABEMUS PAPAM – DIE LAST DER VERANTWORTUNG FRANKREICH&ITALIEN 2011 // DRAMA 19.01. – 23.01., Kino Lichtspiele Die Kirchenglocken läuten, weisser Rauch steigt auf, die Menschen auf dem Petersplatz jubeln und warten darauf, dass der neue Papst auf den Balkon tritt. Aber Kardinal Melville (Michel Piccoli), man hat ihn soeben zum Papst gewählt, kann sich der wartenden Menge nicht zeigen – und tut es auch nicht. Schnell ist die katholische Welt in grosser Sorge, während der Vatikan verzweifelt nach Lösungen sucht.

ERNST ZINGG, STADTPRäSIDENT VON OLTEN

Was ist Ihr Lieblingsfilm? „Dr. Schiwago“ – das epische Filmdrama nach dem Roman von Boris Pasternak. Faszinierend ist für mich wie recht authentisch wahre Teile der Geschichte Russlands, konkret der russischen Revolution, in das fiktive Drama integriert sind. Was ist der schlechteste Film, den Sie je gesehen haben? Ich bin kein grosser Freund von Horrorfilmen, die Angst und Schrecken verbreiten (Inhalte: Vampire, Werwölfe, ausserirdische Monster, Mutanten...). Ein ganz schlechtes Beispiel dazu ist: „Prison“, ein USFilm aus dem Jahren 1988. Bei welchem Film hätten Sie gerne die Hauptrolle gespielt? Sean Connery ist ein grossartiger Schauspieler, deshalb hätte ich gerne eine Hauptrolle in einem seiner Super-James Bond-Filme gespielt. Beispiel: Man lebt nur zweimal! Worüber würden Sie gerne einen Film drehen? Keinen Spielfilm, sondern einen Dokumentarfilm über den Weltfussballverband FIFA.

ein gutes werk braucht gute ideen. wir setzen alles daran, dass die ideen nicht nur ideen bleiben, sondern auch konsequent in allen werbemitteln umgesetzt werden. internet- und printmassnahmen werden somit genau aufeinander abgestimmt und den heutigen anforderungen entsprechend realisiert.

KOLT Januar 2012 das ideenwerk. ihr werbepartner für die richtigen printmassnahmen und internetlösungen.

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10 KOLT Januar 2011

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KULTURSPLITTER

MONATSTIPPS DER MAGAZINE AUS AARAU | BASEL | BERN | LUZERN | ST. GALLEN | VADUZ | WWW.KULTURPOOL.BIZ

HUCH, EIN AWARD! Schon steht der erste Monat des neuen Jahres vor der Tür und mit ihm der «Kick Ass Award» des Alternativradios 3fach. Bereits zum elften Mal wird der beste Luzerner Song des vergangenen Jahres gekürt. Ebenso werden Innovationen aus der Kultur in der Rubrik «Frischer Wind für Luzern» geehrt. (Nur so nebenbei:

THEATERSOAP «CÜPLIWEG 10»

WORTE – AUSGESTELLT

«041 – Das Kulturmagazin» gehört zu den nominierten

Vier Freundinnen stossen auf den gemeinsamen Haus-

Einfache Versprecher, kunstvolle Palindrome oder

frischen Lüftchen.) Die LuzernerInnen dürfen bestim-

kauf an. Doch dann lässt der Verkäufer den Handel

Drehwörter: Worte bieten fast unbeschränkte Spiel-

men, wer die optisch eher ungewöhnlichen Kick-Ass-

platzen. Die Damen schwören Rache und lassen ihrer

möglichkeiten. Der «Schriftleger» Beat Gloor bei-

Auszeichnungen entgegennehmen darf – letztes Jahr

kreativen Fantasie freien Lauf. Das dreiteilige Fortset-

spielsweise praktiziert eine ganz eigene Kunst-Art der

waren es Alvin Zealot (Bild). Das beste Album 2011

zungstheater «Cüpliweg 10» handelt vom Wohnen und

Worttrennung. Die Befehlskette «lach» «sauf» «lauf»

wird hingegen von einer erlauchten Jury auserwählt.

von artverwandten Themen wie Wohnungsnot und

trennen nur zwei Lücken vom Lachsauflauf, und «uns»

Alles wäre halb so interessant, ohne das Drumherum

Gentrifizierung. An der Soap ist die Crème der freien

«ich» «er» verweist auf die labile Sicherheit zwischen-

der Abendshow in der Schüür.

Berner Theaterszene beteiligt: Meret Matter (Regie) so-

menschlicher Beziehungen. Eine Ausstellung als kunst-

Kick-Ass-Award-Verleihung:

wie Grazia Pergoletti, Sibylle Aeberli Anne Welenc und

voll-minimalistischer Wort-Parcours.

MI 4. Januar, 19.30 Uhr, Schüür Luzern

Silvester von Hösslin.

Aarau, Forum Schlossplatz, «WORT – Kabinettstücke

Aula im Progr, Bern. 1. Folge: 5.-8.1., 20.30 Uhr.

einer sprachlichen Einheit» (bis 29. Januar)

2. Folge ab 13.1., 3. Folge ab 19.1. www.progr.ch

Infos unter www.forumschlossplatz.ch

IM DIALOG

ERWEITERTE POPULÄRMUSIK AUS DEM OSTEN

Sie ist aus der freien Theaterszene de Schweiz nicht

In einen spannenden Dialog treten ab dem 17. Januar

Die Burgenlandkroaten und Kärntner Slowenen fahren

mehr wegzudenken, die Basler Gruppe Klara. Mit wa-

die beiden Künstlerinnen Amina Broggi (FL) und Car-

im Spielboden ein. Über den unseligen Ortstafelstreit

chem, scharfem Blick durchleuchtet sie seit 1991 bri-

men Pfanner (A) im Kunstraum Engländerbau in Va-

hinaus, weiss kaum wer was über die österreichischen

sante politische und gesellschaftliche Zustände. Die

duz. Die zwei Frauen haben sich vorher nicht gekannt,

Minderheiten. Dass sie schon lange rocken können und

neue Produktion <Letzte Welten> realisiert sie zusam-

die Kuratorin der Ausstellung, Cornelia Wieczorek, ent-

zwar ohne lustige Trachten, zeigen nun die Bands Bru-

men mit Mitgliedern des (Tanz-)Theater Freiburg und

deckte aber verblüffende Gemeinsamkeiten in ihrem

ji und Bališ in Dornbirn. Seit dreissig Jahren dröhnen

dem Musiker Martin Schütz unter der Regie von Chris-

Werk. Die fotorealistischen Bilder von Amina Broggi

Bruji ihren kroatischen Krowodnrock in die Welt hin-

toph Frick. Mit hoher Emotionalität und explosiver

und die Rauminstallation «Kraftwerk» von Carmen

aus und Bališ, seit zehn Jahren auf der Bühne daheim,

Kraft lädt das kollektiv erarbeitete Physical Theatre zur

Pfanner sprechen von Verletzlichkeit, Schmerz, Sex,

schrammen und tänzeln zwischen Melancholie und

grossen Krisenkonferenz ein.

Weiblichkeit und darüber, dass der Schein fast immer

Euphorie, slowenisch und deutsch, Retro und Emo, vor-

Klara/Theater Freiburg/Pvc Tanz mit <Letzte Welten>:

KOLT

LETZTE WELTEN

trügt.

wärts in die Zukunft.

Fr 6.1. (Premiere), bis Di 10.1., Kaserne Basel,

Ausstellung 17. Januar bis 11. März 2012;

... und sie singen noch immer! Bruji & Bališ

www.kaserne-basel.ch

Vernissage am 17. Januar um 19 Uhr im

Samstag, 28. Januar, 20.30 Uhr, Spielboden Dornbirn.

Kunstraum Engländerbau Vaduz.

Mehr Infos: www.spielboden.at

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Foto: Maurice Korbel

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KOLT


DAS KLEINE JOB-INTERVIEW

OLTEN

ÂťSchaufeln ist TrumpfÂŤ

Ăźber die Welt

Tani Dang aus Olten arbeitet im Strassenbau als Vorarbeiter. Dabei wollte der Schweizer mit laotischen Wurzeln frĂźher den Rhein rauf und runter. Text von Pierre Hagmann Foto von Yves Stuber

Tani, was wolltest Du werden, als Du ein kleiner Junge warst? Rheinmatrose. Ich war dann tatsächlich auch zwei Wochen lang als Schnupper-Matrose auf dem Rhein unterwegs, von Basel bis Antwerpen. Ich hab dann aber gemerkt, dass das noch nicht das Richtige ist fßr mich.

arbeiter? Ich leite die Baustellen, delegiere Aufgaben, bin auch Anlaufstelle fĂźr Anwohner, die sich beklagen. Und natĂźrlich arbeite ich weiterhin handwerklich. Schaufeln ist immer noch Trumpf auf der Baustelle (lacht).

Weshalb bist du schliesslich im Strassenbau gelandet? Das war Zufall. Ich war im letzten Jahr der Bezirksschule und hatte noch keine Lehrstelle in Aussicht. Ich ging dann an eine Infoveranstaltung und entschied mich schliesslich fßr die Lehre als Strassenbauer. Meine Lehrerin war enttäuscht, aber mir hat das gepasst und passt es bis heute. Wieso war sie enttäuscht? Weil sie dachte, ich kÜnnte einen hÜher qualifizierten Job finden. Die Strassenbauer haben halt nicht den besten Ruf. Das sind die, die alles verstopfen, rumstehen und viel Bier trinken. Diese Zeiten sind aber vorbei, der Bierkonsum während der Arbeitszeit ist nun offiziell verboten.

schweren oder ein Problem haben. Man ist halt immer der LÜu. Niemand mag Baustellen, aber alle sind froh, wenn etwas Neues gebaut ist. Hast Du noch Ziele oder Ambitionen in Deinem Berufsleben? Es gibt schon Momente, in denen ich Lust auf etwas anderes habe. Vor ein paar Jahren hab ich zum Beispiel das SprengerBrevet gemacht. Ausserdem plane ich, die Polierschule zu absolvieren. Ich habe mir auch schon ßberlegt, auszuwandern, nach Kanada oder Australien zum Beispiel, dort sind qualifizierte Handwerker immer gefragt. Im Moment ist das aber kein Thema mehr. Ich bin zu bequem geworden, um alles wieder von Null aufzubauen. Reisen werde ich aber weiterhin. Im nächsten Winter will ich fßr zwei Monate in meine Heimat Laos reisen.

„Man ist halt immer der LĂśu“: Tani auf seiner Baustelle in StĂźsslingen.

Du arbeitest nun als Vorarbeiter auf Baustellen. Was genau macht ein Vor-

Welchen Teil Deines Jobs wĂźrdest du am liebsten ersatzlos streichen? Mit den Leuten zu reden, die sich be-

Wohnort: Olten Alter: 30 Arbeitszeiten: von 8-17 Uhr (im Sommer von 7-17 Uhr), gesamthaft 2112 Jahresstunden Arbeitgeber: Astrada (Strabag)

Ist Ottmar Hitzfeld noch der richtiger Trainer fĂźr die Schweizer Fussball-Nationalmannschaft? SAMUEL OERTIG, 31, OLTEN „Ja, ich denke schon, v.a. wegen der BerĂźcksichtigung von jungen Spielern. Gerade im Hinblick auf die WM 2014 kann diese bereits gesammelte, internationale Erfahrung dieser jungen Spieler noch sehr wichtig werden.“ ALBAN AVDYLI, 29, DULLIKEN „Ottmar Hitzfeld ist fĂźr mich absolut der richtige Trainer fĂźr die Schweizer Nationalmannschaft. Dank ihm haben wir jetzt endlich eine junge, standhafte und kollektive Mannschaft mit positiven Perspektiven.“ DARIO WEIBEL, 18 KAPPEL „Ich unterstĂźtze Hitzfeld zu 100 Prozent. Er hat mit Bayern MĂźnchen gezeigt, dass er konstant gute Ergebnisse erzielen kann. Wir mĂźssen Hitzfeld mit dem Team Zeit lassen...“ MADELEINE UND OLE ANDERSEN, OLTEN „Nein. Seine Taktik geht nicht auf, die Mannschaft spielt unter ihm zu defensiv und kein schĂśnes Spiel. Zudem laufen die Spieler ohne Ball zu wenig. Es ist viel Potential im Team, einige Spieler sind aber noch zu jung, das ist zurzeit ein anderes Problem.“

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VON LINKS BIS RECHTS

Wir schenken Ihnen einen Wunschzettel: Sie haben für das Jahr 2012 zwölf Wünsche für Olten frei: Was wünschen Sie unserer Stadt?

ALEX CAPUS

Präsident SP Olten

MITGLIEDER GRÜNE OLTEN

gesammelt von Felix Wettstein, Präsident

Liebe Stadt Olten, ich wünsche dir... • ... dass du im 2012 mal ein bisschen Freude an dir hast und dass du nicht immer so viel jammerst. Es ist schön hier! (Myriam F.) • ... die Schaffung eines Energiefonds zur Unterstützung von Privatinitiativen fürs Energiesparen und den Mut zur Durchsetzung deiner Energiestrategie. (Theo S.) • ... gute Wohnquartiere, in denen Tempo 30

eingehalten wird und die wirklich nur von Anwohnenden und Zubringenden befahren werden. (Theresa S.) • ... an Stelle der Winkelunterführung so weit wie möglich eine oberirdische Verbindung. (Alex V.) • … dass du dir selber zum Ziel setzt, eine Vorzeigestadt für ökologische Nischen und Stadtbegrünung zu werden. (Beate H.) • ... faire Parlamentsdebatten, bei denen übergeordnete Interessen zum Wohl der Gemeinschaft zum Durchbruch kommen. (Paul E.) • ... dass Du mit klugen Projekten den motorisierten Nahverkehr reduzieren kannst: Weniger Autofahrten, mehr Bus, Velo und Fussverkehr. (Anita H.) • ... viele aufgeschlossene und noch mehr zufriedene Oltnerinnen und Oltner und als Supplement einen optimistischen Gewerbeverband. (Iris S.) • ... Mut und viele kreative Ideen, um eine

anziehende Wohn- und Ausgangsstadt und eine attraktive Einkaufsstadt zu werden. (Sandra N.) • ... für 2012 weniger Nebel. (Jonas H.) • ... dass du den Mut hast, visionär zu denken und als Energiestadt Projekte realisierst, die Vorbildcharakter für die ganze Schweiz haben. (Anna E.) • ... dass die Oltnerinnen und Oltner jeglichen Egoismus gegenüber den Nachbargemeinden ablegen können, wenn 2012 über die Gemeindefusion abgestimmt wird. (Felix W.) felix.wettstein@bluewin.ch

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1. Blockzeiten und freiwilliger Mittagstisch für alle Oltner Schüler. 2. Kirchgasse und Munzingerplatz werden autofrei, die Innenstadt blüht auf. Die Schützenmatte wird zum Festplatz und grössten Biergarten der Schweiz. An der Dünnern (Ex-Reithalle) wird ein Solar-Parkhaus gebaut. 3. Herr Bachmann verkauft Olten-Südwest an die Stadt, diese errichtet einen Baggersee mit PedaloVerleih und Badeinsel. 4. Olten fusioniert mit Trimbach und den Berggemeinden, aber auch mit Starrkirch-Wil, Wangen und Dulliken. Die CWA bauen ein Seilbähnchen vom Bahnhof hinauf zur Froburg, dem neuen Oltner Hausberg.

5. Das Oltner Tagblatt engagiert einige engagierte Journalisten, die in Olten tatsächlich wohnen und leben und neugierig berichten, was im Städtchen passiert. 6. Der Stadtrat erkennt, dass die Stummel-Umfahrung ERO nicht mitten in der Stadt einfach aufhören darf, weil sonst ab 2013 die halbe Stadt im Verkehr ersäuft. Die Baumaschinen kehren zurück und bohren einen Tunnel vom Säli-Kreisel bis nach Dulliken. 7. Das Gemeindeparlament erhält mehr Macht, die Regierung ein bisschen weniger. Es ist einer Demokratie unwürdig, dass die Regierung fast nach Belieben schalten und walten kann, während Volk und Volksvertretung kaum etwas zu sagen haben (höchstens mal „Nein“ an der Urne). 8. Die Innenstadt erhält endlich, endlich ein Parkleitsystem. 9. Die Winkel-Unterführung wird endlich, endlich saniert.

10. Frische Köpfe für Regierung und Parlament: Nach der Gemeindefusion steigen viele Neu-Oltner aus den umliegenden Dörfern mit neuen Ideen und neuer Tatkraft in die Stadtrats- und Gemeinderatswahlen 2013.

VORSTAND

Grünliberale Olten

Der Vorstand der Oltner Grünliberalen wünscht unserer Stadt und damit den Oltnerinnen und Oltnern:

1. Ein lebendiges Stadtzentrum wo sich Menschen gerne aufhalten und viele Leute, die dazu einen Beitrag leisten. 2. Einen Bahnhofplatz, der auch wirklich ein Platz ist und auf dem der ÖV und Taxis priorisiert verkehren können. 3. Gute Schulen, in denen das Wohl und Lernen der Schülerinnen und Schüler im Zentrum stehen. 4. Saubere öffentliche WC-Anlagen, die auch tatsächlich geöffnet sind. 5. Weniger Strassenverkehr und eine verbesserte Situation für den Langsamverkehr. Im Gegenzug für den Strassenverkehr weniger Ampeln damit sich der Verkehr verflüssigen kann. 6. Eine bessere und sicherere Verbindung zwischen linker und rechter Stadtseite. Gerade auch für Schulkinder mit ihren Fahrrädern. 7. Mehr Selbstvertrauen. Olten hat schweizweit nach wie vor ein schlechtes Image und wenig Fürsprecher. 8. Busverbindungen, welche besser mit den Ankunfts- und Abfahrtszeiten der Züge abgestimmt sind und dabei die beiden Stadtseiten gleichberechtigt behandeln. 9. Gratis WLAN in der ganzen Stadt. Die Stadt Baden macht es vor.

10. Einen Ausbau bezahlbarer Krippenplätze damit arbeitende Elternteile ihrer Tätigkeit noch besser nachgehen können.

11. Olten steigt aus dem Atom-Strom aus. Auf alle Flachdächer kommen Solarzellen, die Bewilligungsverfahren werden vereinfacht. 12. Letzter Wunsch: nochmal zwölf Wünsche.

11. Eine saubere Aare, die vom vielen Unrat auf dem Flussgrund befreit wird. 12. Und schliesslich, dass viele Menschen bereit sind, sich für ihre Wünsche einzusetzen und nicht einfach alles an „die Stadt“ delegieren.

alexcapus@hotmail.com

vorstand@glp-olten.ch

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KOLT


MARCEL STEFFEN

Präsident CVP und Gemeinderat Olten

Die Gefahr ist gross, von allen Parteien ähnliche Wünsche zu erhalten (Innenstadt, Andaare, Bahnhof Ost und West, Stadtplanung, Museen usw.). Hauptsächlich wird mehr oder weniger alles von dem Baudepartement und der Stadtkanzlei „gewünscht“. Unser Stadtrat Martin Wey ist also sozusagen ein „Wünsche-Erfüller“, welcher sicher nicht jeder Ausprägung gerecht werden kann.

Ich wünsche mir Dinge, welche meiner Vorstellung nach das Zusammenleben in Olten definitiv schöner und besser machen würden. Ich wünsche mir, dass • wir mehr Menschen finden, welche sich aktiv für unser Gemeinleben einsetzen

• alle, welche sich einsetzen, ihre eigenen Ziele zu Wohle der Gemeinschaft auch zurückstecken können • Durchfahrtskontrollen vermehrt durchgeführt werden mit dem Ziel der Aufklärung und nicht der Bussenverteilung • Kinderspielplätze nicht verkommen und viel mehr in neue Geräte und Anlagen investiert wird • wir in Zukunft auf die Fusion und deren Auswirkung die richtigen Antworten finden • alle Hundebesitzer den Kot ihres Lieblings auflesen • die Schulraumplanung inklusive der Musikschule zukunftsgerichtet sein wird

• wir ohne Vorurteile über die Museen, deren Standort und Neubau diskutieren können. Ich bin mir sicher, dass wir die Wünsche umsetzen können, wenn wir uns ständig hinterfragen, ob wir als Parlamentarier das Richtige tun. Hören wir genau hin, wo die Probleme der Bevölkerung liegen und lassen uns nicht von unseren Idealen leiten. Sind wir bereit, solche persönlichen Veränderungen auf uns und unser Handeln zu zulassen, dann geht es vorwärts in Olten! cvpolten@bluewin.ch

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WERNER DE SCHEPPER für die FDP Olten

12 Wünsche habe ich frei – 5 sind genug: 1. Olten braucht am Bahnhof ein Parkhaus und ein Kongress- und Mobilitätsforum als Tagungsmagnet. Die SBB arbeiten an einem Master-Plan für den Bahnhof Olten. Es ist der wichtigste Plan für die ganze Region. Das Schicksal von Olten entscheidet sich nicht in Wisen, Trimbach oder Olten Südwest, sondern in der Frage, ob es gelingt, im Verkehrsnetz dieses Landes „incontournable“ zu bleiben. 2. Wer zum Bahnhof muss, darf nicht im Stau stecken bleiben. Da hilft keine neue Umfahrung, die an der Aare im Infarkt endet, sondern nur ein zweiter Tunnel, der Richtung Dulliken weiterführt. Zu teuer? Nein. Was Aarburg kann, können wir auch.

3. Es gibt kein Steuergeld ohne Innovation. Z. B. kein Staatsgeld für die teure Olten-Südwest-Erschliessung in der Rötzmatt, wenn dort hinten nicht die grösste Energiestadt der Schweiz entsteht, sondern nur BilligWohnungen, die rasch verslumen. 4. Olten braucht ein Parkhaus in der Schützi - nicht einen toten Betonbunker, sondern das erste „ÖkoParking“ der Schweiz mit Plätzen für Mobility-Autos, Solarpanels gen Süden, einem Drehrestaurant auf dem Dach und einem Lift zur Oberstadt. Oder man könnte das wenig ansehnliche „Hotel Europe“ kaufen für eine heisse „Solar-Disco mit Ökoparking“. 5. Olten muss wieder liberal werden: Es kann nicht sein, dass normale Bürger, die an der Elsastrasse heller wohnen wollen und darum grössere Fenster einbauen, von Laienpolizisten der Altstadtkommission kujoniert werden. Den Eingriff bei der KullVilla lässt man hingegen zu, ohne dafür etwas Herausragend-Neues einzufordern. Es braucht weniger Paragrafen und mehr Mut: z. B. einen Brain-Tower als Leuchtturm für gute Ideen hinter der Fachhochschule und eine CWA-Gondel vom Bahnhof zum Säli Schlössli hinauf. Renne ich offene Türen ein? werner.deschepper@azmedien.ch

GERT WINTER Gemeinderat SVP

1. Die Oltner bleiben von den Kollateralschäden der weltweiten Schuldenkrisen verschont und ziehen aus dem weltweit verbreiteten Staatsversagen (EU, USA, Japan) die richtigen Schlüsse. 2. Eine nachhaltige Investitions- und Steuerpolitik mit dem Ziel, die steuerliche Standortattraktivität der Stadt langfristig zu erhalten und nach Möglichkeit bereits im Jahre 2012 weiter zu verbessern.

3. Eine unmissverständlich deutliche Ablehnung des stadträtlichen Gemeindefusionsprojekts in der Volksabstimmung. 4. Es werden die Voraussetzungen geschaffen, um das Verhältnis zwischen Einnahmen und Ausgaben der Pensionskasse der Stadt Olten langfristig wieder ins Lot zu bringen, dies überwiegend durch angemessene Beitragserhöhungen der Stadt und der Destinatäre. 5. Das ursprünglich aus Winterthur stammende, mittlerweile aber auch in weiteren Städten erfolgreich (d.h. kostensparend) umgesetzte SozialhilfeModell „Passage“, wird in Olten ohne Wenn und Aber eingeführt. Nach diesem Modell sind (arbeitsfähige) Personen, die Sozialhilfe in Anspruch nehmen wollen, grundsätzlich verpflichtet, einen obligatorischen Arbeitseinsatz zu leisten, bevor sie in den Genuss von Sozialhilfeleistungen kommen können; Faulpelze brauchen keine Sozialhilfe.

6. Olten wird eine Stadt, in der die Sicherheit von Frauen und Männern nicht nur tagsüber, sondern auch in der Nacht und an heiklen Orten (bspw. Winkelunterführung, Ländiweg, Bahnhofareal, Bootshaus hinter der Schützenmatte) in einer Weise gewährleistet ist, die ein Sicherheitsgefühl vermittelt. 7. Die Stadt Olten zeichnet sich nicht nur dadurch aus, dass sie Bettel- und Litteringverbote erlässt, sondern auch konkrete Massnahmen zur Durchsetzung dieser Verbote trifft. 8. Die Stadt Olten trägt Sorge zu den verbliebenen Grünflächen. gert.winter@bluewin.ch

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IM EXIL

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Das Müllauto hat eine eigene Melodie 1

ECUADOR

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tavalo, 2600m über Meer in den Anden Ecuadors. Seit Mai 2011 bin ich hier, geplant sind zwei Jahre Aufenthalt. Arbeiten für eine Schweizer Stiftung im Bildungsbereich. Englisch- und Computerunterricht, Leseförderung, ökologische WCs, Spielplätze und Schulgärten für indigene Dörfer, das ist unsere Idee. Ich selber wohne in Otavalo, für mich wie ein Olten, nur in Ecuador, etwas kleiner vielleicht und etwas höher gelegen. Otavalo ist übersichtlich, man kriegt irgendwie

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alles, muss nur wissen wo. Es gibt ein paar gemütliche Bars und Restaurants, zwei Kinos und einen grossen Handwerksmarkt, der jeweils am Wochenende die ganze Stadt farbig ausfüllt und Touristen aus aller Welt anlockt. Für diese Besucher gibt es auch viele Hostals hier. Ich habe meine eigene kleine Wohnung. Gemütlich. Das Müllauto hat eine eigene Melodie, der Gasmann auch. Wenn man die hört, rennt man raus und bringt den Müll oder tauscht die Gasflaschen um. Der Zeitungsmann passiert jeden Morgen um 7 Uhr meine Strasse und schreit die Namen der Zeitungen „El Comercio“ y „El Norte“ - wobei er sagt: „El Note, note“. Indigene Männer tragen einen Zopf und weisse Sandalen. Frauen tragen Röcke und Blusen und sie tragen ihre Kinder hinten im Tragtuch. Öhöh […] heisst nicht nein, sondern ja. Man fragt um „permiso“ (Erlaubnis) auf der Schwelle, wenn man in ein frem-

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des Haus eintritt, auch wenn man vorher rein gebeten wurde. Man sollte von angebotenem Essen immer etwas probieren, auch wenn es wenig ist. Bier, Wein und Schnaps werden in den Dörfern zusammen getrunken; es gibt ein Glas, das die Runde macht und immer leergetrunken werden muss, bevor es zum Nächsten geht. Nein gibt es nicht. Will man nichts, sagt man, man nehme gerade Tabletten. Das tun aber irgendwie nur wir Ausländer. Die Hauptstadt ist anders, Quito bietet Kinos, Museen, Einkaufszentren (mit Marmorböden…), Cafés, Bars und Discotheken, Universitäten und Stadien. Dafür auch Lärm, Überfälle, Strassenkinder und Drogen. Nach einem aufregenden Wochenende in Quito kehrt man deshalb gerne mit dem Bus nach „Olten“ zurück. Petra Schneider, 28, stammt aus Wangen bei Olten.

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HAMBURG

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chanze, St. Pauli Hamburg ist flach. Nicht mal der müde Versuch eines Hügels ist zu finden. Über den Dächern der Stadt gibt es keine Fixpunkte ausser Himmel. Deshalb muss künstlich nachgeholfen werden, um Radio- und TV-Signale über die Distanz zu senden. Zum Beispiel mit dem HeinrichHertz-Turm, im Volksmund „Tele-Michel“ genannt. Wäre eine super Aussichtsplattform, wenn er nicht seit 12 Jahren wegen Asbest geschlossen wäre. Gregor Fraser, 31, stammt aus Lostorf und arbeitet in Hamburg bei einer Startup-Agentur in der Werbebranche.

NEBEN DER KOLLEKTION MOOBEL FINDEN SIE IM SCHAURAUM FOLGENDE KOLLEKTIONEN: LOUIS POULSEN + TARGETTI LEUCHTEN, ARTEK, EMECO, KOLLEKTION STIEGLER, LONGBARN TEPPICHE, KERZENART, SONJA DUO MEYER KERAMIK, PRIMO MARGHITOLA. DER SCHAURAUM BIETET SICH AUSSERDEM AUCH SEHR GUT FÜR KLEINERE EVENTS, GESCHÄFTSANLÄSSE, AUSSTELLUNGEN ODER ANDERE INTERESSANTE AKTIVITÄTEN AN. AN DER RINGSTRASSE 26 IN 4600 OLTEN

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SCHAU-OO-RAUM.CH


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ISLAND

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iemlich interessant eigentlich, dass man bei Air Iceland die Flugzeuge nach Vulkanen benennt. Immerhin machte 2010 der Berg mit dem unaussprechlichen Namen Eyjafjallajökull fast der gesamten europäischen Luftfahrt einen Strich durch die Rechnung, als er ausbrach und seine Eruption mit tonnenweise Vulkanstaub ebendiese lahmlegte. Sein Nachbar Hengill hat sich glücklicherweise seit über 2000 Jahren nicht mehr übergeben, und seine im Inneren brodelnde Energie wird fleissig zur Strom- und Heisswasserversorgung genützt. Man nimmt den omnipräsenten Schwefelgeruch aus den Wasserleitungen gerne in Kauf, im Wissen darüber, dass die seismische Aktivität in Island fast ein Viertel des Energiebedarfs des Landes zu decken vermag – abgesehen von ein

wenig Vulkanstaub hie und da ganz ohne Emissionen. Bis jedoch das Flugzeug im Bild seinem Namensgeber gerecht werden und seinen Auftrag umweltfreundlich erledigen kann, werden wohl noch einige Jahre ins Island ziehen. Cyril Müller, 30, stammt aus Fulenbach und arbeitet als freischaffender Fotograf.

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ROM

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lle Wege führen nach Rom, meiner seit kurzem öfters knapp am Kolosseum vorbei in den während der Antike am dichtest besiedelten Stadtteil MONTI. Da steht sie, die Casa Clementina, das neue Wohnzimmer der jungen Kreativen Roms. Man vergisst das sonst eher touristische Viertel ausserhalb der vier Wände und erlebt zum „Aperitivo“ in der offenen Küche, zum

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Konzert im Schlafzimmer oder einem genüsslichen Glas Wein im künstlichen Garten für ein paar Stunden die junge, alternative Generation von Römerinnen und Römer. Neben dem kleinen Shop, mit allerlei Dingen, die zur aktuell höchst angesagten „radial-chic“ Erscheinung benötigt werden, kann man also auch den Sekretär im Arbeitszimmer oder den Blumentopf im „Garten“ erstehen. Raffaela Zerilli, 27, stammt aus Olten und wohnt und arbeitet in Rom.

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schmiert – aber beim näheren hinschauen, sieht’s nach einer perfekten Installation aus! Stephanie Dinkel, 28, stammt aus Wisen und lebt und arbeitet in New York als Fotografin.

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PARIS

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BROOKLYN, NY

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ab dies genau so in meiner Subway-Station (LorimerStreet, L-Train) am Morgen zur Arbeit angetroffen. Von weitem sah es nach Unfall aus: Farbkanister umgefallen, schnell eine Zeitung drauf, damit’s nicht weiter ver-

eaucoup d‘amour et beaucoup d‘enfants!”, wünscht Mr. Poulet jeden Tag den Passanten und Kunden seines PouletStands an der Pariser Rue Faubourg St. Denis. Diese Strasse und das umliegende 10ème Arrondissment sind seit einiger Zeit im Fokus der Oltner Fotografin Aliza Eva Berger. Im Rahmen eines Langzeit-Projekts sucht Aliza hier charmante, aber geprüfte Gesichter zwischen joie de vivre und hartem Alltag. Aliza Eva Berger, 26, stammt aus Olten und arbeitet in Paris als Fotografin.

GUTE WERBUNG – DIE AUCH NACH 2012 AUFFÄLLT. C R É AT I V E - AT E L I E R S A L Z M A N N . W E R B E A G E N T U R . P R I N T D E S I G N , D I G I TA L P U B L I S H I N G , W E B D E S I G N . V VI VII

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Créative-Atelier Salzmann GmbH

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Telefon 062 285 50 80

www.creative-atelier.ch

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© Christoph Keller

TITEL

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OLTEN, WO BIST DU?

Olten, wo bist du? Olten ist ein Nebelloch. Die Klagen über das trübe Grau sind das Smalltalkthema in den Herbst- und Wintermonaten. Dass der Nebel auch seinen Reiz hat, wird dabei oft verkannt. KOLT machte sich auf, die Schönheit des Nebels zu entdecken und sprach mit einem Meteorologen und einem Psychiater über das Wetterphänomen, seine Entstehung und seine Auswirkungen.

Text von Fiona Gunst

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lten, wo bist du?“, fragt eine Freundin auf Facebook und postet ein Foto, auf dem Rauchschwaden von der Stadt her über den Fluss zu ziehen scheinen. Es ist kein grosses Feuer, kein Ausnahmeereignis, das Olten vor dem Betrachter verbirgt, es ist ein fast alltägliches Wetterphänomen in Olten während der kalten Jahreszeit: der Nebel. Morgennebel, Nachtne-

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bel, Bodennebel, aus der Aare aufsteigend, die Stadt verhüllend. Nur ein solcher Tag gilt den Meteorologen als echter Nebeltag: Wenn der Beobachter eingehüllt ist vom Nebel und die Sichtweite unter 1000 Meter beträgt. Nasskalt dringt er dann durch die Kleider, streckt seine Finger aus, tastet sich vor bis zu den Knochen. Und gleichzeitig hat ein echter Nebeltag etwas Geheimnisvolles, Mystisches, seinen ganz eigenen Reiz.

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© Marcel Gunst

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IM NEBEL RUHET NOCH DIE WELT, NOCH TRÄUMEN WALD UND WIESEN: BALD SIEHST DU WIE DER SCHLEIER FÄLLT, DEN BLAUEN HIMMEL UNVERSTELLT, HERBSTKRÄFTIG DIE GEDÄMPFTE WELT, IN WARMEM GOLDE FLIESSEN. Eduard Mörike

Das Wasser kondensiert, die Tröpfchen

UNHEIMLICH SCHÖN

nehmen wir als Nebel wahr: Blick übers ewig vernebelte Mittelland.

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s ist bereits dunkel, als ich von Bern her kommend in Olten eintreffe. In der Bundesstadt schien die Sonne, ein strahlender Herbstnachmittag, in der Ferne leuchteten die Berge, überzuckert mit erstem Schnee. Hier nun ist die Alte Brücke von Nebel verschleiert, die Lichter schimmern trübe durch den dichten Dunst, alles scheint weicher, runder, stiller. Ich fühle mich allein in der Stadt, jeder Laut ist gedämpft. Andere Spaziergänger lassen sich nur in nächster Nähe ausmachen. Viele verlassen wohl gar nicht erst ihr Haus, zu feuchtkalt, zu unfreundlich ist es draussen. Und doch: die umwaberte Brücke, das sanfte Licht, die Ruhe, das ist betörend schön — und ein wenig unheimlich. Es erstaunt nicht, dass gerade Kriminalromane den Nebel gerne im Titel führen: Graham Greens „Jagd im Nebel“, George Simenons „Nebel über dem Hafen“, Agatha Christies „Der Mann im Nebel“. „Die Brücke im Nebel“, „Mord im Nebel“, „Wie Krähen im Nebel“,… Die Liste der „Nebelkrimis“ ist lang. Eine düstere Figur, die

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im Nebel verschwindet, das Verbrechen, das im Nebel geschieht, ungesehen, der Detektiv, der buchstäblich „im Nebel stochert“, die Wahrheit nicht findet, die sich im undurchdringlichen Grau vor ihm verbirgt. Der Nebel lässt die Realität zuweilen verschwinden, er lässt uns allein mit unserer Vorstellungskraft. Ist der Ildefonsturm wirklich noch da? Ich kann die Zeit nicht ablesen, weil das Ziffernblatt am Turm in Dunkelheit und Nebel getaucht ist. Bin ich zu früh, zu spät? Der Nebel lässt die Grenze durchlässig werden zwischen dem, was da ist und dem, was nicht ist. Im Nebel muss man ergänzen, was er vor einem versteckt. Und wenn man durch ihn hindurchgeht, dann gelangt man vielleicht, und zumindest wenn man der Fantasyliteratur glauben will (Marion Zimmer Bradleys „Die Nebel von Avalon“), in eine andere Realität. Die Nebelwand als Zwischenreich.

„WIE SIRUP IN EINER BADEWANNE“ Die Erfahrung einer anderen Welt jenseits des Nebels kann man in

der näheren Umgebung von Olten ja recht häufig machen. Über dem Nebel und ennet dem Hauenstein scheint die Sonne, während die Oltner in der Suppe hocken. „Wie Sirup in einer Badewanne“, erklärt Marco Stoll von MeteoSchweiz, lagert sich kalte, schwere Luft im Mittelland ab. Wenn genügend Feuchtigkeit vorhanden ist und sich die Luft abkühlt, ist sie irgendwann gesättigt, und kann keinen weiteren Wasserdampf mehr aufnehmen. Das Wasser kondensiert, die Tröpfchen nehmen wir als Nebel wahr. Die Luft kann um Olten nicht abfliessen, um Basel dagegen schon. Und auf dem Hauenstein, über dem Kaltluftsee, ist die Luft wegen der grossräumigen Wetterabläufe wärmer und trockener, weswegen das Wasser da nicht ausgefällt wird. In Hanna Hanischs Gedicht „Wenn die Nebelfrau kocht“ wird der Vorgang der Nebelentstehung humorig einer Hexe zugeschrieben, die „hinterm Berge hockt“ und da eine Suppe, eine „graudicke Grütze“ braut. Meteorologisch recht genau notiert Hanisch die erforderlichen Zutaten: Die Nebelfrau „Mischt Wasser mit Luft,/ mengt Sonne mit Tau.“, „Ein

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© Hansruedi Aeschbacher

OLTEN, WO BIST DU?

Der Nebel lässt die Realität zuweilen verschwinden, er lässt uns allein mit unserer

© Hansruedi Aeschbacher

Vorstellungskraft.

Löffel Warm,/ zwei Handvoll kalt“, und fügt schliesslich bei „Eine Prise Wind,/ halb kalt, halb lau.“

NUR BENEBELT ERTRAGBAR Mit etwas Wind in Bodennähe hebt sich der mystisch anmutende, zauberhaft verschleiernde Nachtnebel, Bodennebel, Morgennebel und wird als Hochnebel zum Deckel über dem Mittelland. Grau in Grau präsentieren sich dann die Tage, trist und trübe. Nicht wenigen schlägt diese Stimmung aufs Gemüt. In seinem Roman „Augenblicke im Paradies“, situiert in einer fiktiven Stadt am Jurasüdfuss, schreibt Urs Faes über den Hochnebel und seine Auswirkungen auf die Bewohner der Stadt: „Wie eine Strafe hockte in den Wintermonaten der Nebel auf den Jurahängen, wochenlang, nieselte hernieder, drang durch die Poren und setzt sich irgendwann auch im Innern fest, ein grauer Klumpen, der nicht abzuschütteln war, vielleicht lag hier der Grund, daß in dieser Gegend so mancher ins Saufen geriet, Abend für Abend seine Schnäpse kippte, weil nur benebelt

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dieser Nebel zu ertragen war. (…) Nebelgeschädigt waren hier alle, und wer vorgab, nicht unter dem Grau zu leiden, bewies höchstens, daß er ein Dummkopf oder farbenblind war.“ Die Klagen über das deprimierende Herbst- und Winterwetter sind allerdings so sehr zum Smalltalkthema geworden, dass kaum einer sich deswegen als krank bezeichnen würde. Tatsächlich behandelt der Oltner Psychiater François Biland eher selten Menschen mit Winterdepressionen. Das Krankheitsbild der „saisonal abhängigen Depression“ (SAD, „seasonal affective disorder“) zeichnet einen Patienten mit wiederkehrender, anhaltender depressiver Verstimmung während der Herbstund Wintermonate, die im Frühling spontan merklich abklingt. Erhöhtes Schlafbedürfnis, Müdigkeit, Antriebslosigkeit und gesteigerter Appetit auf Kohlenhydrate, insbesondere auf Schokolade sind die Symptome für eine Winterdepression. Der Nebel alleine sei allerdings weder für eine echte Winterdepression, noch für die gewöhnliche trübseligere Stimmung im Herbst und Winter verantwortlich, meint Fran-

çois Biland. Es fehlt den Menschen in dieser Zeit an Licht, auch weil die Tage kürzer werden. Hinzu kommen im November und Dezember der Weihnachtsstress, die vorhersehbaren Familienstreitigkeiten, der Konsumdruck. Positiv beeinflussen könne man seine Psyche in der dunklen Jahreszeit mit Bewegung und Licht. Beides hilft besser, selbst gegen echte Winterdepressionen, als Psychopharmaka.

wenn man davon eingehüllt ist, hat Hermann Hesse beschrieben.

Im Nebel Seltsam, im Nebel zu wandern! Einsam ist jeder Busch und Stein, Kein Baum sieht den andern, Jeder ist allein. Voll Freunden war mir die Welt, Als noch mein Leben licht war; Nun, da der Nebel fällt, Ist keiner mehr sichtbar.

HOCH AUF DEN BELCHEN! Mit dem Zug durch den Tunnel also, nach Tecknau oder Basel! Hoch auf den Hauenstein, auf den Belchen! Liegt die Hochnebelgrenze höher als die Bushaltestelle in Ifenthal, kann man während des Aufstiegs auf den Belchen wunderbare Nebelerlebnisse sammeln. Man taucht dann gleichsam in die Wolke, die der Nebel seiner meteorologischen Definition nach ist, man wandelt in ihr. Es wird immer kälter und feuchter, die Sicht immer schlechter. Einen solch dichten Nebel und die düsteren Gedanken, die einem durch den Kopf gehen können,

Wahrlich, keiner ist weise, Der nicht das Dunkel kennt, Das unentrinnbar und leise Von allen ihn trennt. Seltsam, im Nebel zu wandern! Leben ist Einsamsein. Kein Mensch kennt den andern, Jeder ist allein. Vereinzelung, getrübte zwischenmenschliche Beziehungen, Gedanken an den Tod — auch dafür steht der Nebel in der Literatur. Fast als Erwiderung liest sich da Eduard Mörikes „Septembermorgen“.

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An Träume glauben und Nebel in Säcke einfangen ist ein und dasselbe. Sprichwort

Vom Traum zur Wirklichkeit. Mit uns machen Sie Ihren Balkon oder Sitzplatz wetterunabhängig.

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OLTEN, WO BIST DU?

SELTSAM, IM NEBEL ZU WANDERN! EINSAM IST JEDER BUSCH UND STEIN, KEIN BAUM SIEHT DEN ANDERN, JEDER IST ALLEIN.

© Christoph Keller

Hermann Hesse

So schnell werden wir den

Im Nebel ruhet noch die Welt, noch träumen Wald und Wiesen: bald siehst du wie der Schleier fällt, den blauen Himmel unverstellt, herbstkräftig die gedämpfte Welt, in warmem Golde fließen. Der Sonnenschein, der auf den Nebel folgt, lässt die Welt doppelt so schön erscheinen. Und so steige ich auf, im dichtesten Nebel, bis — ja, bis auf einmal die Sonne durch den Nebel drückt, die Umgebung aufhellt. Um mich herum lösen die Schleier sich auf, es wird wärmer, freundlicher. Und mit einem Mal bin ich über dem Nebelmeer. Wie Inseln ragen hier und dort Hügel und Berge aus der weissen Masse, wie Wasser fliesst der Nebel über eine Bergrippe des Belchen und verflüchtigt sich in der wärmeren Luft. Blauer Himmel, Sonnenschein.

Bewegung und Licht Nur: Wer hat schon Zeit für solche Ausflüge? François Biland versichert, dass Bewegung draussen und bei Tageslicht selbst unter der Nebeldecke gegen eine bedrückte Stimmung hilft. „Bewegung und Licht sind äusserst wirksam gegen depressive Verstimmungen und anhaltende Müdigkeit. Ein regelmässiger Spaziergang zur

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Mittagszeit hellt die Stimmung merklich auf.“ Selbst das gedämpfte Tageslicht an Nebeltagen ist wesentlich stärker als jedes künstliche Licht in Büroräumen und Haushalten. Diese sind normalerweise mit etwa 250 bis 750 Lux beleuchtet, draussen herrschen auch an trüben Wintertagen rund 2‘000 Lux. Ein heller Sommertag hat circa 100‘000 Lux. Licht wirkt belebend, macht wach und tut der Psyche gut. Für Menschen mit echter Winterdepression hat die Forschung deswegen eine Lampe entwickelt, die 10‘000 Lux stark ist und deren Licht sich der Patient täglich eine halbe Stunde bis eine Stunde aussetzt. Auch in Büroräumen oder zuhause solle man nicht mit Licht sparen, meint François Biland. Starke Halogenlampen statt Dämmerlicht empfiehlt der Psychiater. Ausserdem solle man sich morgens nicht mit Lärm wecken. Gewöhnliche Wecker und Radios versetzten den Organismus in einen Stresszustand. Stattdessen schlägt Biland eine Wecklampe vor, die den Sonnenaufgang simuliert. So wird man auch nicht mehr aus einem Traum herausgerissen.

Mit dem Nebel leben Auch François Biland mag sonnige Tage lieber, als das Grau in Herbst

und Winter. Den Mittellandbewohnern bleibt aber nichts anderes übrigbleibt, als sich mit dem Nebel abzufinden. So schnell werden wir ihn wohl nämlich nicht los. Um ihn vom Boden her aufzulösen, müsste eine unglaubliche Wärme erzeugt werden; um den blauen Himmel von über dem Hochnebel herunterzuzaubern, müsste man mit einem gewaltigen Mixer die oberen und unteren Luftschichten miteinander zu vermischen suchen. Weder an der einen, noch an der anderen Methode wird geforscht, leider. Die Nebeldecke hat aber auch ihre Vorteile: Sie schützt den Boden vor zu starker Auskühlung. Bodenfrost ist im Mittelland seltener, Tiefsttemperaturen werden in Nächten ohne Nebel erreicht. Für die Landwirtschaft ist das ein grosser Vorteil. Der Nebel als Bettdecke. Und zu Hause unter die Bettdecke schlüpfen ist ja auch eine Möglichkeit, dem Nebel zu begegnen. François Biland regt an, Nebeltage für einmal von ihrer positiven Seite her zu betrachten. Endlich ist es keine Schande mehr, sonntags lange im Bett zu bleiben, endlich kann man das Buch lesen, das man schon seit dem Sommer im Regal stehen hat und das zu schwer war, um es in die Badi mitzunehmen, endlich Teetrinken, Filmeschauen, Spieleabende mit Freunden. Die besinnliche, ruhige

Nebel nicht los.

Atmosphäre geniessen. „Lieber eine Kerze anzünden, als über die Finsternis klagen“, zitiert Biland eine chinesische Weisheit.

Bäume im Nebelkleid Dostojewski lesen also. Ein warmes Bad mit ätherischen Ölen, Sommerdüfte: Zitrus, Orange. Eine Tasse Tee und ein Becher Glace. Süsses hebt die Stimmung. Draussen webt der Nebel die Bäume ein, spinnt sein Netz um sie. Plötzlich tritt jedes noch so kleine Ästchen völlig klar hervor, kahl und filigran. Im Nebel, wo alles Ferne entschwindet, schärft sich der Blick für das ganz Nahe. Man sieht auf einmal Dinge, über die man sonst hinwegblickt, einfach, weil sie das Einzige sind, das klar erkennbar ist. Die blätterlosen Bäume, die im Sonnenlicht traurig und trostlos wirken, erhalten einen zarten, wundersamen Liebreiz, eine Würde durch ihr Nebelkleid. Und am Morgen, als nach Tagen der Nebel sich endlich lichtet, glitzern die von Raureif überzogenen Äste und Zweige, leuchten die Tropfen am Spinnennetz im kahlen Busch. Der Nebel hat der Sonne ein Abschiedsgeschenk hinterlassen.

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© Yves Stuber

TITEL

»Der Nebel ist ein Soucheib« Marco Stoll, Prognostiker bei MeteoSchweiz, freut sich über Sonnentage, findet den Nebel aber als Wetterphänomen spannend.

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ie entsteht Nebel eigentlich? Nebel ist gewissermassen eine Wolke mit Bodenkontakt. Er entsteht, wenn feuchte Luft sich auskühlt und das darin enthaltene Wasser kondensiert. Das geschieht einerseits, wenn feuchte Luftmassen in die Schweiz eingeführt werden, andererseits, wenn sich die Luft nachts abkühlt. Nebel entsteht bei Temperaturen zwischen plus zwanzig und minus zwanzig Grad. Danach ist es zu kalt dafür, dass Wasser noch in Tröpfchenform ausgefällt wird. Es friert dann zu Eiskristallen, die Luft scheint zu glitzern. Die Eiskristalle sind aber schwerer als Luft, sie fallen zu Boden, der Himmel klart auf. Warum ist Olten ein „Nebelloch“? Entscheidend ist die Topographie des Schweizer Mittellands: Das Mittelland ist wie eine Badewanne, hereinströmende Luftmassen können nicht abfliessen. Ausserdem sind seine Ortschaften tief gelegen. Kalte Luft ist schwerer als warme, wie Sirup fliesst sie am tiefsten Punkt einer Gegend zusammen, sinkt da ab und bleibt liegen. Auf und ennet dem Hauenstein scheint meistens die Sonne. Woran liegt das? Die Gegend um Basel ist gegen zwei von drei Seiten hin offen, die Luft kann abfliessen, deswegen bildet sich da deutlich weniger Nebel.Über dem Nebel ist die Luft wärmer, das Wasser kondensiert nicht. Warme und kalte Luftmassen in dieser Verteilung

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(oben warm, unten kalt) mischen sich nicht, weil warme Luft bekanntlich steigt, kalte dagegen sinkt. Darum bleibt die Hochnebelobergrenze ohne Wind relativ stabil. In Olten begegnet der Nebel einem häufig als Bodennebel morgens und abends, tagsüber liegt Hochnebel. Steigt der Bodennebel am Tag, sinkt der Hochnebel in der Nacht, oder was geschieht da genau? Drei Faktoren entscheiden, welche Form von Nebel zu einer bestimmten Tageszeit an einem bestimmten Ort zu beobachten ist: Der Wind, die Erwärmung des Bodens durch Sonneneinstrahlung und die „Geschichte“ des Nebels. Darunter ist der Wind die wichtigste Ursache für Veränderungen. Die kälteste Luft findet sich in Bodennähe. Wenn kein Wind herrscht, bleibt sie da liegen, es hat Bodennebel. Bei Bise mischen sich die Luftmassen, wärmere Luft gelangt zum Boden und der Nebel hebt sich. Sekundär ist die Sonneneinstrahlung, die den Boden und damit die kälteste Luft, die sich da befindet leicht erwärmt, wodurch sich der Bodennebel auflöst. Nachts geschieht das Umgekehrte: Der Grund kühlt aus, der Nebel sinkt. Der dritte Faktor, der die Erscheinungsform des Nebels bestimmt, ist seine „Geschichte“, die Art und Weise, wie er entstanden ist. Nach einer einzelnen kalten Nacht wird Bodennebel liegen, der sich dann häufig auflöst. Wenn dagegen eine in den tiefsten Luftschichten stark angefeuchtete Luftmasse, mög-

„Es gilt, mit dem Nebel zu leben“: Marco Stoll von MeteoSchweiz.

licherweise bereits mit tiefen hochnebelartigen Wolken durchsetzt, ins Mittelland hineinzieht, bleibt diese feuchte Suppe als Hochnebel hocken. Nebel verschlechtert die Luftqualität... ...besonders, wenn er lange liegen bleibt. Dann zirkuliert unter der Decke beständig dieselbe Luft. Wir Mittellandbewohner bestimmen dann, was mit dieser Luft geschieht. Leider verdrecken wir sie für gewöhnlich stark. Die einzige Möglichkeit, diese Verschmutzung zu verringern ist, sie wo immer möglich zu vermeiden! Forscht man denn auch an Methoden, um die Nebelbelastung grundsätzlich zu verringern? Nein. Damit Nebel sich auflöst, müsste man ihm von unten massiv Wärme zuführen oder mit einem Riesenmixer die oberen (wärmeren) und unteren (kälteren) Luftmassen zu mischen versuchen. Es gilt, mit dem Nebel zu leben. Mögen Sie selbst den Nebel? Natürlich freue auch ich mich darüber, wenn

nach Tagen im Nebel für einmal wieder die Sonne scheint. Andererseits ist der Nebel wie eine Bettdecke: Läge er nicht, würde das Mittelland viel stärker auskühlen. Es wäre vor allem nachts wesentlich kälter. Aus meteorologischer Sicht ist der Nebel natürlich hoch interessant. Sein Verhalten vorherzusagen, ist eine der grössten Herausforderungen für uns Prognostiker. Der Nebel ist ein „Soucheib“, man weiss nie mit Sicherheit, was mit ihm geschehen wird. Wenn er sich auflöst, dann geschieht das nichtlinear. Es kann plötzlich sehr schnell gehen oder er kann sich nur an manchen Orten auflösen. Wenn wir allerdings vorhersagen, dass er sich auflösen wird, und es geschieht dann nicht, dann hat das viel grössere Auswirkungen, als wenn wir Regen für ein Tal im Bündnerland vorhersagen und da den ganzen Tag die Sonne scheint. Tausende von Menschen im Mittelland sind dann wütend auf uns. Das macht den Nebel aber gleichzeitig auch spannend und faszinierend.

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OLTEN, WO BIST DU?

Das ganze Mittelland ist anfällig

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ie steht das vermeintliche Nebelloch Olten im nationalen Vergleich wirklich da? Gibt es in Olten tatsächlich so viel mehr Nebel als sonst wo? Erstaunlicherweise lassen sich keine aktuellen Daten finden, die auf diese Fragen exakte Antworten liefern. In vielen Wetterstatistiken der Schweiz werden Nebeltage schlicht als Tage mit Sonnenschein gewertet. Der Schweizerische Klimaatlas liefert aber einige Anhaltspunkte, wie sich die „Nebelsituation“ in der Schweiz präsentiert. Im Winterhabljahr gelten demnach folgende Klassifizierungen für diese Ortschaften (Auswahl): „Nebellöcher“: Biel, Grenchen, Solothurn, Olten, Zofingen, Aarau, Lenzburg, Kloten, Winterthur, Frauenfeld, Romanshorn

Mittlere Nebelhäufigkeit im Winterhalbjahr in Tagen; Jahre 1970-75

Mittlere Nebelbedeckung in Prozent auf ausgewerteten Satellitenbildern

Lugano

Sion

Bern

61

27

50

2

12

22

94

32

84

8

1

66

aussieht, wenn in Olten Nebel herrscht)

Monatsmittel der Nebelhäufigkeit im Januar

6-12 Tage

4-6 Tage

6-12 Tage

0-2 Tage

0-2 Tage

6-12 Tage

Monatsmittel der Nebelhäufigkeit im Oktober

12-24 Tage

6-12 Tage

6-12 Tage

0-2 Tage

0-2 Tage

6-12 Tage

4-6 Tage

0-2 Tage

0-2 Tage

2-4 Tage

0-2 Tage

0-2 Tage

Monatsmittel der Nebelhäufigkeit im April

Fast zur Hälfte der Wintertage Nebel: Vevey, Spiez, Delémont, Sissach

Sehr viel Nebel: Genfersee zwischen Lausanne und Genf, Fribourg, Bern, Rapperswil, Schaffhausen, Kreuzlingen

Weniger Nebel: Bulle, La Brévine, Moutier, Interlaken, Brienz, Langnau im Emmental, Einsiedeln, Glarus, Landquart

Viel Nebel: Épalignes, Belp, Worb, Münsingen, Willisau, Schwyz, St. Gallen

Selten Nebel: Martigny, Le Locle, La Chaux-deFonds, Sion, Sierre, Frutigen, Grindelwald

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Luzern

zu sehen war, hier also der Vergleich, wie es woanders

ca. 1/3 im Winterhalbjahr Nebel: Montreux, Villars-d‘Avry, Porrentruy, Liestal, Basel, Appenzell

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Basel

(Bilder wurden ausgewertet, wenn Nebel im Mittelland

Fast nur Nebel: Genf, Yverdon, Payerne, Neuenburg, Langenthal, Luzern, Zug

Über die Hälfte der Wintertage Nebel: Thun, Malters, Sarnen, Herisau

Olten/Aarau

Praktisch nebelfrei: Engelberg, Chur, Visp

Ausserhalb der Nebelzonen: Crans-Montana, Gstaad, Adelboden, Brig, Zermatt, Saas-Fee, Tessin, Como, St. Moritz, Davos, Engadin Das Gefühl täuscht also nicht: Olten gehört effektiv zu jenen Orten, die als sogenannte Nebellöcher gelten. In diese Kategorie gehören allerdings auch viele andere Städte im Schweizer Mittelland. Seit kurzem befasst sich ein neues Projekt der Hochschule Rapperswil mit dem Phänomen Nebel. Auf nebelkarte.ch lässt sich in Echtzeit verfolgen, wo in der Schweiz gerade Nebel herrscht. Rund 70 Standorte sind bereits mit Webcams verlinkt, Olten fehlt indes noch.

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HÖREN & LESEN

IN EINEM ZUG

Betteln classic

Fabel von Daniel Lüthi

Pedro Lenz, 46, ist Schriftsteller und lebt in Olten gleich beim Bahnhof. Er ist praktisch täglich im Zug unterwegs.

von Pedro Lenz Illustration von Petra Bürgisser

Es gibt Wölfe und Schafe. Die Schafe scharen sich zu Gruppen zusammen – nicht so sehr, weil sie Angst vor den Wölfen haben, sondern davor, allein zu sein. Die Wölfe wissen das, denn sie streifen selbst an diesem dunklen Rand der Einsamkeit umher. Sie suchen die Nähe der Schafe, doch bleiben auf Distanz, um sie nicht zu vertreiben. Manchmal gelingt es einem Wolf, in eine Gruppe von Schafen hineinzugelangen, ohne ihnen Angst zu machen. Dennoch bleibt er meist nicht lange unter ihnen, denn die grösste Angst der Wölfe ist es, zu einem Schaf zu werden. Sie brechen aus und kehren wieder zurück, manche springen in die Finsternis und gehen verloren, niemand weiss wohin, ein Spiel, und doch mehr als das. Vielleicht das Merkwürdigste an den Wölfen ist, dass sie niemals ein Schaf reissen würden – höchstens diejenigen, welche zu lange oder zu oft in der Dunkelheit waren. Sie beschützen die Schafe vielmehr, weil diese das letzte Licht sind, das sich noch behauptet. Daniel Lüthi (1981) gehört zu den Autoren von „Narr. Das narrativistische Literaturmagazin“. www.dasnarr.ch

Die Kolumne für Newcomer und solche, die es werden wollen. Schick auch Du uns Deine 1000 Zeichen an redaktion@kolt.ch.

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E

s war ein Mann in einer schmutzigen Parkajacke. Er hatte mich bereits fixiert, als ich die Treppe in die Martin-Disteli-Unterführung hinunterstieg. Aus zehn Metern Distanz liess sich noch nicht erkennen, ob es ein Bettler war oder bloss ein Reisender, der eine Auskunft brauchte. Von ganz nahe betrachtet schien dagegen rasch klar, dass er nicht Informationen, sondern Geld verlangen würde. «Entschuldigung, darf ich Sie etwas fragen?», fragte er. Das ist bekanntlich die übliche Einstiegsfrage der Bettler, also die Frage danach, ob eine Frage erlaubt sei. Doch dann fragte er interessanterweise gar nicht nach Geld. Dafür fragte er, ob ich nicht auch die Schnauze voll hätte. Der Mann, der aussah wie ein Bettler, beschwerte sich über die Bettler in der Mitte der Unterführung. Er meinte die jungen Leute in bunten Jacken, die einen dort täglich für irgendein Hilfswerk gewinnen wollen. Immer, wenn er durch diese Unterführung gehe und in Eile sei, stelle sich irgendein junger Mensch in den Weg, der eine Schreibunterlage unter dem Arm und ein Werbelächeln im Gesicht trage. Diese Leute verlangten nicht einen Franken oder zwei, so wie er es jeweils tue, nein, sie verlangten eine längerfristige finanzielle Bindung an ihr Hilfswerk und wollten, dass man gleich

9.12.2011

12:55 Uhr

eine Verpflichtung unterschreibe und einen dauerhaften Zahlungsauftrag starte. Er habe diesen Leuten schon hundert Mal erklärt, dass er selber nichts habe, und dass es ihm lieber wäre, sie würden die Unterführung denen überlassen, die sie einfach als Durchgang brauchten. Trotzdem werde er jedes Mal gestoppt und vollgeplappert. „Verstehen Sie mich nicht falsch, ich habe nichts gegen Hilfswerke, aber mir gefallen die aggressiven Sammelmethoden nicht.“ Ohne zu zögern stimmte ich dem Mann in der schmutzigen Parkajacke vollumfänglich zu. Es sei nicht einmal die Geldsammlerei die mich störe, sagte ich ihm, sondern die übertriebene, aufgesetzte Freundlichkeit, mit der die Sammler einem entgegenträten. Da sei mir ein normaler Bettler viel lieber. Sehr gut, sehr gut, das treffe sich sehr gut, lachte mein Gegenüber. Er sei nämlich ein ganz normaler Bettler und bei ihm müsse ich nichts unterschreiben, keine Verpflichtungen eingehen und keine Zahlungsaufträge starten. Er nehme ein bisschen was in Münz und dann sei er weg. Das Angebot schien mir fair. Ich gab ihm zwei Franken und freute mich, dass es noch richtige Bettler gibt, die ganz direkt sagen, was Sache ist und die keinen Sammelstand brauchen, um ihre Arbeit zu verrichten.

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E I N FA C H E R L E B E N …

Lassen Sie sich von uns verwöhnen

Das 26

Salmen-Team wünscht Ihnen für das neue Jahr viele gemütliche Stunden, Gaumenfreuden, interessante Gespräche bei wunderbarem Wein und unvergessliche Momente!

Restaurant Salmen Ringstrasse 39, 4600 Olten Januar062 2012212 KOLT Telefon 22 11 w w w. s a l m e n - o l t e n . c h


HÖREN & LESEN

Fribi's Metal News

Deeno‘s Reviews

www.bromusic.ch

www.outsider-shop.ch

BLOTTED SCIENCE

JULIEN DYNE

CHRIS CORNELL

the animation of entomology (Eigenvertrieb)

Glimpse (Barely Breaking Even)

Songbook

Blotted zum Zweiten, oder sollte ich sagen: geplättet zum Zweiten? Es ist unfassbar, was Ron Jarzombeck (Watchtower) und Alex Webster (Cannibal Corpse) hier servieren. „The animation of entomology“ ist ein pures, hochprofessionelles Instrumental-Album. Die beiden Multi-Instrumentalisten legen damit ein weiteres Mal ein Werk vor, das in seiner Form wohl einzigartig ist. Jazziger Metal, zum Teil hart und schnell arrangiert, mit Hunderten von Breaks und Tempowechseln, so dass einem beim Hören fast schwarz vor den Augen wird. Für „Konsi“-Absolventen das Non plus ultra, für Musikfreaks ein echter Leckerbissen; der Metaller jedoch muss sich wohl erst warmhören.

Julien Dyne ist ein Drummer, Produzent und DJ aus Wellington (Neuseeland) und lebt derzeit in der globalen Ideenhauptstadt Berlin. Als Schlagzeuger für Acts wie Fat Freddy’s Drop, Ladi 6 oder Opensouls hat er einiges an Live-Erfahrung angesammelt und verarbeitet diese nun in seinem zweiten Soloalbum „Glimpse“. Abstrakte Beatstrukturen vereinen sich mit schrägen Synthiemelodien und Effekte wie Hall oder Echo sind allgegenwärtig im Einsatz. Trotzdem wirkt das Ganze keinesfalls hektisch oder vertrackt. Im Gegenteil: Alle Songs bestechen durch ausserordentliche Kompaktheit und verbreiten eine eher chillige Atmosphäre. Ein überaus empfehlenswertes Instrumental-Hip-HopAlbum, perfekt für die heimische Wohnzimmerbeschallung an kalten und dunklen Winterabenden.

THUNDERSTICK

STEREO MCS

Echoes From The Analogue Asylum ( H&H Records USA )

Emperor’s Nightingale ( !K7 Records )

Thunderstick, bekannt als der maskierte Drummer der NWOBHM-Band Samson, ist zurück im Business. Was er uns hier serviert, ist eine liebevoll arrangierte Diskographie seines Schaffens, von den 80ern bis heute: Echter 80er-Hardrock, erdig, gradlinig und eingängig arrangiert. Songs, wie man sie aus alten Iron-MaidenTagen kennt, wenn sie auch grösstenteils von Anna Marie Carmella Borg gesungen werden, die ein solch dezentes Organ besitzt, dass man sich schon fast an Devil’s Blood erinnert fühlt. Diese zeitlose Musik ist ein absolutes Muss für Retro-Rock-Fans. Da wird einem selbst im Winter warm ums Herz.

Ruede Hagelstein hat sich bisher mit einem stetigen Output an straighten House- und Techno-Releases einen Namen gemacht. Als Resident-DJ im Berliner Watergate Club zelebriert er die eher härtere Gangart des Genres. Nun erscheint sein erstes Studioalbum und überrascht mit vergleichsweise leisen Tönen. Ohne seine technoiden Wurzeln zu vergessen, bewegt sich Ruede auf den elf Songs gekonnt zwischen Disco-Strobo und Candlelight. Von elektronisch angehauchten Balladen mit Chorgesang bis hin zu deepem, fliessendem House beweist er einmal mehr, dass DJs mittlerweile eine weitaus grössere Experimentierfreudigkeit besitzen als manch gelobter Musiker.

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Ché's Bro Tipps

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Soundgarden, Temple of The Dog, Audioslave waren die wichtigsten Stationen dieses AusnahmeSängers. „Songbook“ beinhaltet eine Sammlung von Live-Aufnahmen im Alleingang. AkustikGitarre und Gesang. Minimalismus auf höchstem Niveau.

VINTAGE TROUBLE The Bomb Shelter Sessions Die vier Amerikaner aus L.A. spielen energiegeladenen, kraftvollen R’n’B und Soul mit Rock- und Funk-Anleihen. Ihr Debütalbum ist vollgepackt mit ansteckenden Melodien, beeinflusst von Musikern wie Otis Redding und Led Zeppelin.

RICHIE KOTZEN 24 Hours Neues Album des Gitarren-Hexers. Eine Fusion aus Rock, Blues, Funk und Soul. Live zu erleben am 2. März 2011 im Moonwalker Aarburg.

ETTA JAMES Dreamer Fünf Jahre nach ihrem letzten Studioalbum veröffentlicht Etta James ihr allerletztes Studiowerk. Sie beendet damit eine unglaubliche fünfzigjährige Recording-Karriere.

SNAKEFARM My Halo At Half-Light Die amerikanische Weltenbürgerin Anna Domino und der belgische Multiinstrumentalist Michael Delory bewegen traditionelles amerikanisches Songmaterial in neue, zeitgenössische Musik. Sinnlich, schmeichelnd, berührend. Folky Trip-Hop?!

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Ich habe Alkohol Stolzfäller von Caramel Landsturm

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itparade hören ist ja schon per Definition ein Fehler, schon nur dieses Wort, Hit-Parade, H.a.l.l.o.! Trotzdem lief die kürzlich bei mir in der Küche, ich betrieb gerade Back-Meditation und hatte die Finger voll Teig und konnte das Radio unmöglich ausschalten, da stellte der Moderator einen Sänger vor. Der habe eine wahnsinnig schwere Kindheit gehabt und sei trotzdem einfach total positiv geblieben. Und dann sagte der überdrehte Radiomensch den folgenden schönen Satz: „Sein Vater ist an Alkohol gestorben.“ Ich schluckte. Leer natürlich. Also dass man an Leberzirrhose sterben kann wusste ich. Oder an Krebs oder sonst einer schlimmen Krankheit. Aber an Alkohol, einfach so? „Ich habe Alkohol und muss bald sterben“, dachte ich mir, und schleckte den Teig von den Fingern. Wenn man das wirklich haben kann, dann habe ich Alkohol. Weil ich trinke gern Alkohol, etwa gleich gern wie die meisten meiner Gspänli. Wenn ich mit jemandem in eine Beiz gehe, bestelle ich fast automatisch Bier, und manchmal betrinke ich mich am Wochenende auch ziemlich. Dabei werde ich nicht aggressiv, ich suche höchstens mal ein bisschen Streit mit dem Liebesleben, und am nächsten Tag weiss ich nicht mehr, worum sich die langwierige, extrem wichtige Diskussion überhaupt gedreht hat. Normalerweise werde ich aber eher freundlich, vielleicht ein bisschen anhänglich. Alles in allem halten sich die negativen Auswirkungen des Alkohols auf mein Leben und Umfeld in sehr engen Grenzen. Ich habe deshalb einen völlig entspannten Umgang mit Wein und Bier, und das einzige, was

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ich daran falsch finde, ist der Kater am Tag danach. Ich halte es da mit dem Künstler, der mir mal gesagt hat: Der Mensch braucht einfach eine Droge. Das ist natürlich sehr leichtsinnig und naiv. Aber es ist nun mal so. Und es gibt schon Grenzen. Die sind bei den meisten meiner Gspänli klar definiert. Das 11. Gebot lautet so: Du sollst nicht allein trinken. Solange man nicht allein trinkt, ist man auch nicht Alkoholiker, befiehlt diese Logik. Ich gebs zu, ich trinke manchmal ein Bier allein. Wenn ich nach der Arbeit mit dem letzten Zug von Zürich nach Bern fahre, ist das ein schöner Zeitvertrieb. Zumal wir in Olten dann eh gefühlte zwei Stunden (20 Minuten) stehen bleiben, weil wir „einen Anschluss aus Bella Italia“ oder aus Basel oder aus wo auch immer abwarten. Zu diesem Zeitpunkt nehme ich dann den letzten, schalen Schluck aus der Dose und hasse die SBB ein bisschen weniger, als ich es ohne Bier würde. In meiner Küche heult jetzt Amy Winehouse selig aus dem Radio, die hatte auch Alkohol. Manchmal trennt nur ein schmaler Grat cool von tragisch, denke ich mir, und schütte noch etwas Rum in die Glasur für das Backzeug. Im Januar, das nehme ich mir jetzt grad vor, sind my own personal Gesundheitswochen, da werde ich keinen Tropfen trinken. Ich hoffe, dass man nicht auch an Langeweile sterben kann. Oder an Hitparade.

Caramel Landsturm (29) lebt in Bern und fährt fast jeden Tag an Olten vorbei. Manchmal steigt sie auch aus und geht in eine Oltner Beiz. Sie arbeitet in Zürich als Produzentin einer grossen Tageszeitung. Ausserdem schreibt sie Kolumnen. Blog: www.caramell.ch

von Kilian Ziegler

Kaum einer mag Angeber, selbstgefällige Protzbrocken, die ohne mit der Wimper zu zucken behaupten, dass sie den menschlichen Genpool massgebend aufwerten. Etwas unbekannter, aber ebensowenig beneidenswert, sind deren Gegenspieler: die Bescheidensten aller Bescheidenen. Diese stapeln tief bis ins Souterrain, tanzen den Alltagslimbo, möglichst unten durch. Sind wandelnde Diminutive. Stolzfäller. Egochirurgen, die sich kleiner machen als sie sind. Bilden das Gegenstück zur Arroganz: die Arrohalb. Jene sind so unauffällig, der Geheimdienst hätte Mühe, sie aufzuspüren. Kein Narzissmusduft weit und breit, wenn Eigenlob stinkt, sind sie Qualitätsparfum. Das sind Menschen, die selbst wenn sie nach einem unverschuldeten Unfall von Kopf bis Fuss eingegipst im Krankenhaus liegen, noch mit dünner Stimme hauchen: „Ich habe heute ein Auto unterfahren. Der arme Lenker! Er konnte nicht wissen, dass Fussgänger bei Grün Vortritt geniessen. Selbstverständlich komme ich für den Blechschaden am blutverspritzten Offroader vollumfänglich auf.“ Ich schätze ein unaufdringliches, rücksichtsvolles Auftreten – sehr sogar –, aber man kann alles übertreiben. Niemand sollte Zweifelchips nur wegen des Namens kaufen, und an sich selbst zu glauben hat nichts mit Spiritualität zu tun. Ein gesundes Selbstvertrauen vereinfacht vieles, man muss sich ja nicht gleich Mike Shiva als Vorbild nehmen. Liebe Kümmert-euchnicht-um-mich-ich-komme-schon-irgendwie-klar-Seufzerinnen und –Seufzer, ob es euch gefällt oder nicht, ihr seid einzigartig, also erwacht aus der Selbstbewusstlosigkeit. Klopft euch selber auf die Schulter, auch wenn es seltsam aussieht, glaubt mir, das tut nicht weh. Ein bisschen Eigenwerbung schadet nie, ihr müsst diese nicht gerade auf Weltformatplakate drucken oder euch in Schriftgrösse 120 auf die Stirn tätowieren lassen. Aber wie wäre es mit Rückgrat durchstrecken, Wohnung mit Spiegeln behängen, täglich hineinschauen und stolz verkünden: „Ich wäre guter Treibstoff, denn ich bin super!“ oder „Anatomie ist meine Stärke: Ich habe das Herz am rechten Fleck“. Je nach Scham- und Charmegrenze können die Ausrufe entsprechend angepasst werden. Und sobald die Selbstachtung nicht mehr zum Fremdschämen tief ist, werden die Eigenlobgesänge vielleicht erhöht und das Umfeld merkt, dass man existiert – das wäre immerhin ein Anfang. So, jetzt schreibe ich meinen ersten Ratgeber, scheint mir zu liegen, dieses Motivationszeug. Der Menschenpool wird es mir danken. Eine gute Zeit La vache Kili PS: Bescheidene Metzger üben sich im Understeakment.

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Schon gelesen..?

KOLT liest..

von Marianne Hertner

Marianne Hertner ist Leiterin der Bibliothek der FHNW Olten. www.fhnw.ch/wirtschaft/bibliothek/ bibliothek-olten www.facebook.com/Bibliothek. FHNW.Olten Alle besprochenen Bücher sind im Bibliothekskatalog bestellbar http://recherche.nebis.ch

DIE FRAU, DIE IHREN MANN AUF DEM FLOHMARKT VERKAUFTE ODER WIE ICH ZUM ERZÄHLER WURDE

ADAMS ERBE

Von Rafik Schami Hanser, 2011 ISBN 978-3-446-23771-1

von Astrid Rosenfeld Diogenes, 2011 ISBN 978-3-257-06772-9

Rafik Schami hat in dreissig Jahren über 2300 Lesungen gehalten. Mindestens zwei dieser Lesungen fanden in Olten statt, wo er die Zuhörenden in seinen Bann gezogen hat. In seinem neusten Buch erzählt er, wie er zu einem wunderbaren Geschichtenerzähler geworden ist. Alles begann mit seinem Grossvater. Nächtelang unterhielt dieser seine Enkel mit Geschichten, oft solange, bis Rafiks Vater streng für Ordnung sorgte. Rafik entdeckte seine Heimatstadt Damaskus mit allen Sinnen und schnappte auf seinen Streifzügen auch Geschichten auf. Die Damaszener pflegen die orientalische Tradition des Geschichtenerzählens. Auch die 1001 Abende, an denen er mit seiner Mutter Scheherasades Erzählungen im Radio lauschte, prägten ihn tief. Wie er schliesslich als ursprünglich politischer Flüchtling in Deutschland vom Chemiker zum Schriftsteller und Erzähler wurde, um so seine wahre Bestimmung zu leben, erfahren die Lesenden in den einzelnen Geschichen und ganz nebenbei auch viel Wissenwertes über Tradition, Entwicklung und Kunst des Geschichtenerzählens, virtuos verpackt in unzählige Episoden.

Astrid Rosenfelds Erstling erzählt aufgeteilt in drei Kapiteln die Lebensgeschichten von Adam Cohen in den 30er-Jahren sowie seinem Grossneffen Edward Cohen, der um das Jahr 2000 erwachsen wird. Edward ist nach einer turbulenten Kindheit und Jugend Besitzer einer trendigen Boutique in Berlin und hört immer wieder, wie sehr er seinem Onkel, dem schwarzen Schaf der Familie, ähnlich sieht. Adam, so glauben alle, hat sich während des zweiten Weltkriegs mit dem gesamten Familienvermögen aus dem Staub gemacht. Das weckt Edwards Neugier. Nach dem Tod seiner Oma Edda stösst er auf ein ungeöffnetes Paket, das die ganze Lebensgeschichte Adams und somit Adams Erbe enthält. Adam verliebt sich als verträumter Teenager in Anna. In Deutschland regieren die Nazis und Anna wird als Jüdin abgeschoben nach Polen. Adam begibt sich in der Folge auf eine verwegene Suche nach seiner Jugendliebe. Erst im kurzen dritten Teil trifft Edward die alte Anna in einem Seniorenheim in New York. Ein wunderbares Debüt, das vom vollen Leben erzählt, von tragischen Verstrickungen, vom Krieg, von starken Personen und vor allem davon, was die Liebe vermag.

REPORTAGEN ist ein neues Produkt auf dem Schweizer Zeitschriftenmarkt, erscheint 6x jährlich und enthält – logisch – Reportagen: über Kriege, die Liebe, das Leben, das Sein, über Länder, Sitten, Gebräuche. www.reportagen.com Matthias Sigrist, Verlagsleitung SATYRIKON mit Roger Rightwing Die satyrische Kolumne von Dante Andrea Franzetti spielt mit dem Klischee eines nicht unbekannten Chefredaktors und Verlegers eines nicht unumstrittenen Schweizer Wochenmagazins. Roger Rightwing: „Schau mal da rüber, Schatz. Ich glaube, da campieren,...da sind Neger im Nachbargarten.“ www.journal21.ch Yves Stuber, Verlagsleitung STEVE JOBS von Walter Isaacson Die Biografie des nicht unumstrittenen Apple-Chefs, Visionärs aber auch Familienmenschen. Nicht nur für Apple-Fans ein sehr interessantes Buch. Christoph Haiderer, Grafik/Layout DIE TOCHTER DES SCHMIEDS von Selim Özdogan Wenn alle Menschen dieses Buch lesen würden, sagt Germanistikprofessor Nejat im Spielfilm “Auf der anderen Seite”, dann wäre die Welt eine bessere. Ein subtiler, schöner Roman über das Leben von Gül, der Lieblingstochter eines Schmieds im Anatolien der 1940erJahre. Pierre Hagmann, Redaktionsleiter

2. Mai – 13. Mai 2012 Starten Sie mit uns ins Jubeljahr 2012. Reservieren Sie sich schon jetzt folgende Termine: Jubiläumseröffnungsevent Generalversammlung 25. Oltner Kabarett-Tage Jubiläumsschlussevent 1. Oltner Kabarett-Casting

Fr, 27. Januar Do, 1. März Mi, 2. Mai – So, 13. Mai Sa, 27. Oktober Fr, 20. Jan / 24. Feb / 16. März

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FREAKS BRAUCHT DAS LAND

„Ich danke Gott dafür, dass ich jetzt hier leben darf“: Yousef Bitar

Heissi Maroni, heissi! Text von Rolf Strub Fotos von Yves Stuber

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A

m Ende der Aareüberführung Richtung Altstadt, eingeklemmt zwischen alter Brücke und Orthopädieladen, befindet sich eine Insel, die duftet. Gedanken an die Kindheit kommen auf. Ans Tessin. An zerstochene Finger. Wie sich aber herausstellt, werden die Maroni im Tessin nicht mehr so gesammelt. Es lohnt sich nicht mehr. Maroni. Viele lieben sie. Einige mögen sie nicht, aber halten immerhin gern die Tüte. Denn jeder hat gern warme Finger im Winter. Es ist frisch, an diesem sonnigen Dezembertag in Olten. Früher gab es in der kalten Jahreszeit ein paar Häuschen in Olten, wo man die warme Köstlichkeit kaufen konnte. Beim Pferd auf der Bahnhofbrücke gab es auch mal eines. Natürlich wurden da keine Rosskastanien verkauft. Die gehören nämlich zu den Rosengewächsen und sind mit der Esskastanie nicht mal verwandt und für den Menschen giftig. Es sei denn, man hat einen Pferdemagen. Heute kennen viele den einzigen Maronimann in der Stadt vom Sehen, wenn sie über die Holzbrücke gehen. (Der Maronibrater in der Bahnhofunterführung zählt nicht.) Er wollte

Yousef Bitar musste vor 26 Jahren aus politischen Gründen aus Syrien flüchten. Heute ist er der Maronimann von Olten.

zuerst nicht, dass wir einen Bericht über ihn machen. Er könne zu wenig gut deutsch. Man hört ihn manchmal rufen, wie das Maronimänner nun mal tun: „Heissi Marroni, heissi!“ Wie der Maronimann aber heisst, das weiss kaum jemand.

Frisch geritzt Er heisst nicht Antonio. Der Oltner Maronimann heisst Yousef Bitar, ist 68 Jahre alt und stammt aus Syrien. Josef, so stellt er sich einem vor, ist das ganze Jahr jeden Tag von ungefähr 11.15 bis 19 Uhr an seinem Stand. „Man muss es nicht so genau nehmen, wenn man sein eigener Chef ist“ lacht er. Die Maroni verkauft er von Oktober bis Mitte März. Die Früchte der Edelkastanie kauft er bei einem Händler und ritzt sie immer wieder frisch mit eigener Hand. Dann werden sie 10-12 Minuten in der Pfanne geröstet und separat warm gehalten. 400 Gramm kosten 12 Franken. „Manchen ist das zu teuer“, sagt er. „Ich glaube vielen Leuten geht es nicht

mehr so gut wie früher. Sie haben keine Arbeit“. Er verkauft aber nicht nur Maroni, denn das wäre nur ein Wintersaisongeschäft. Also verkauft er auch Getränke, Süssigkeiten und Eis, das ganze Jahr lang. „Leben kann man davon nicht, aber ich bin ja pensioniert und rede gerne mit Leuten. Ich liebe die Menschen“. Man sieht Josef oft einen Schwatz halten. Er unterhält sich wirklich gerne mit den Menschen. Oder er grüsst jemanden, der vorbeigeht mit einem lockeren „Tschau“. Oder mit einem ironischen Spruch „Was ist los? Arbeitslos?“. Das ist wirklich ein aufgestellter, freundlicher Mann. „In Syrien gibt es keine Meinungsfreiheit wie hier. Wenn du da etwas sagst, was denen nicht passt, treten sie dir deine Füsse von Schuhnummer 40 auf Grösse 80. Und das ist nicht mal das Schlimmste“. Und wieder lacht er: „Ich danke Gott dafür, dass ich jetzt hier sein darf“. Er hatte noch nie Probleme in Olten. Weder mit der Polizei noch mit sonst irgendjemandem. „Schöne Worte reden und keine schlechten Worte lernen“, so denke er halt, sagt er.

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Der Aramäer Als Angehöriger einer christlichen, aramäischen Minderheit musste er vor 26 Jahren aus politischen Gründen aus Syrien flüchten. Mit der gesamten Familie. Er hat sechs Kinder. Vier Töchter und zwei Söhne. Der älteste ist 40, die jüngste 26 Jahre alt. (Moment mal – 26! Der Aramäer Josef flüchtet mit seiner schwangeren Frau vor einem Regime?! Das ist ja fast eine Weihnachtsgeschichte. Zum Glück ist schon Januar.) Stolz fügt er noch hinzu, dass er mittlerweile auch sieben Enkelkinder habe. Kein einziges Familienmitglied sei in Syrien geblieben. Seine drei Schwestern und drei Brüder seien alle in Europa verstreut, hätten in der Schweiz, in Deutschland, in Schweden und in Holland Asyl gefunden. „Ich liebe die Schweiz und bin allen Schweizern dankbar, dass sie uns aufgenommen haben. Ein schönes und friedliches Land, in dem man alles sagen darf, ohne verprügelt zu werden. Wenn man hier etwas sagt,

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das den anderen nicht gefällt, sagen sie höchstens: Der ist nicht ganz richtig im Kopf“. In Syrien zurückgelassen hat er seine eigene Autowerkstatt, ein eigenes dreistöckiges Haus und einen schönen Garten. Sagt er mit etwas Wehmut. Jetzt hat sein Sohn eine Autowerkstatt in Aarburg. Und einen Schweizer Pass. Wie alle seine Kinder und Enkel, sagt er mit Freude. „Leider kann ich die Sprache nicht so gut wie meine Kinder. Ich war ja schon 42, als ich hierher kam. Da lernt man nicht mehr so gut“ lacht er. Das sagt er immer wieder. Obwohl man sich mit ihm ausgezeichnet unterhalten kann und ihn versteht. Und bitteschön: wer spricht schon aramäisch ausser Jesus? Trotz der Sprachbarriere hat er aber immer gearbeitet, seit er in der Schweiz ist. Zuerst bei der Firma Multiplastik und dann bei Allenspach in Wangen als Schweisser. Zimmermann war er nie. Und jetzt ist er eben der Maronimann von Olten.

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IM RAMPENLICHT

Spiel mir das Lied von der eigenen CD Drei Musiker aus Olten, drei neue CDs, vier Fragen und 12 Antworten. Aufgezeichnet von Pierre Hagmann Fotos zVg

von oben nach unten: Brigitte Neumärker, Noby Lehmann, Collie Herb

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ür viele kleinere Bands ist die Aufnahme und Produktion einer eigenen Platte ein Meilenstein. Viel Geld wird investiert, viel Herzblut und Zeit. Jede CD erzählt eine eigene Geschichte, und zwar nicht nur durch die Musik, die auf dem Plattenträger verewigt wurde. Eben sind drei neue Alben von verschiedenen Oltner Musikern erschienen. Drei Bands, drei neue CDs, drei verschiedene Geschichten über die Musik und den Weg zur eigenen CD. Die Newbridge-Sängerin Brigitte Neumärker, Patrick Bütschi alias Collie Herb und Noby Lehmann von RhythmTalk gewähren Einblicke. 1. Was ist auf der CD zu hören? Collie Herb: Meine Musik ist echt und persönlich, man kann sich darin wiederfinden oder einfach dazu abfeiern. Sie ist abwechslungsreich: Reggae, Dancehall und Hip-Hop treffen auf Mundart-Texte, in denen ich alles verarbeite, was mich so bewegt. Dabei will ich verstanden werden und etwas weitergeben; deshalb singe und rappe ich nicht auf Englisch, auch wenn dies vieles vereinfachen würde. Brigitte Neumärker: Es gibt viele Elemente aus dem Soul, einige aus dem Jazz, welche sich mit afrikanischen Einflüssen vermischen. Unsere Musik schafft eine ruhige, entspannende Atmosphäre, von der man sich einfach berieseln lassen kann und es gibt immer wieder etwas in den Songs zu entdecken. Noby Lehmann: Musikbeschreibungen engen ein. Unsere Musik ist zum hören da, zum geniessen und treiben lassen. 2. Wo ist die CD entstanden? Collie Herb: Die Vocals und ein Teil der Instrumentals wurden in Olten und Herzogenbuchsee aufgenommen, die Musik dazu in verschiedenen Studios in ganz Europa. Neben den internationalen Produzenten haben auch verschiedene Oltner Mu-

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siker mitgewirkt. Alles zusammengeführt hat schliesslich mein Produzent Max RubaDub in seinem Soundmax Studio. Brigitte Neumärker: Ich habe zwei Jahre in Kapstadt, Südafrika, verbracht und dort auch mein Album aufgenommen. Mit dem Schreiben der Songs hatte ich bereits in der Schweiz begonnen, den grössten Teil jedoch, inspiriert von den Menschen und den eigenen Erfahrungen, in Südafrika geschrieben. Zusammen mit dem kongolesischen Produzenten Kissangwa Mbouta wurden die Songs weiter ausgearbeitet und schlussendlich mit Musikern vor Ort aufgenommen. Noby Lehmann: Die Musik ist zuerst im Kopf und Bauchgefühl (Vision) entstanden, dann in den Fingern und Füssen (Handwerk) und letztendlich auf der CD (Produktion) gelandet. Das akustische Material haben wir in der alten Kirche Härkingen aufgenommen, die anderen Sachen im Studio. 3. Wieviel Aufwand steckt hinter dem CD-Projekt? Collie Herb: Der künstlerische Teil war sehr locker zu bewältigen und hat Freude gemacht, der bürokratische Teil naturgemäss weniger. Wir haben die EP aus meinen KonzertGagen finanziert, ein nächstes Mal werde ich vielleicht auch nach Fördergeldern oder Sponsoren Ausschau halten. Alles in allem hat es über ein Jahr vom ersten aufgenommenen Ton bis zur fertigen CD gebraucht. Brigitte Neumärker: Das Album ist über zwei Jahre hinweg entstanden. Davon war der längste Prozess das Schreiben der Songs und auch das „Reifenlassen“. Für die Aufnahmen, das Mixen und Mastern waren wir während drei Monaten fast jeden Tag im Studio. Mit Studiomiete, Musiker, Mixing und Mastering, Coverdesign und dem Pressen der CDs (1000 Stück) kam ein Betrag von rund 16‘000 Franken zusammen. Für die lange Zeit, welche wir im Studio verbringen konnten, schlussendlich nicht viel.

Noby Lehmann: Insgesamt circa zehn Jahre. Das Material entwickelte sich über einen längeren Zeitraum, die Produktionszeit jedoch reduziert sich auf ein bis zwei Wochen. 4. Könnt Ihr von der Musik leben? Collie Herb: Noch nicht – aber ich lebe für die Musik! Ob es soweit kommt, hängt von verschiedenen Faktoren ab, welche nur entfernt etwas mit der Musik selbst zu tun haben. Nebenbei gehe ich verschiedenen Tätigkeiten fernab dem Musik-Biz nach, welche meinen Lebensunterhalt finanzieren und meinen Horizont erweitern. Brigitte Neumärker: Nein. Momentan arbeite ich als Informatikerin. Noby Lehmann: Ja, wir können von der Musik leben, als Musiker und Musikpädagogen.

ANSTEHENDE KONZERTE: COLLIE HERB: „Jede Tag EP“ 2. Teil „Jede Tag Tour“ in der ersten Jahreshäfte. Die aktuellsten Daten finden sich auf seiner Facebook-Seite. NEWBRIDGE: „Reflections of Love“ 18.1.12 ONO, Bern // 1.2. Hora Musica in der Klosterkirche in Olten // 25.2. Ochsen, Zofingen // 27.4. Mahogany Hall, Bern // 29.4. Madeleine, Luzern. Weitere Daten: www.newbridge-music.ch RHYTHMTALK: „Das Duo“ Konzerte in Planung, Updates auf: http://www.rhythmtalk.ch

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„Je mehr Krise, desto besser geht es dem Kabarett“ Die Oltner Kabarett-Tage starten ins grosse Jubiläumsjahr. Vor 25 Jahren fand die allererste Ausgabe statt, seit 2008 ist Claude Schoch Präsident des Vereins und Gesamtleiter des Festivals. Im Interview zieht er Bilanz, sagt, was ihn antreibt, sein Amt weiterhin auszuüben, und verrät exklusiv einen Programmhöhepunkt der Jubiläumsausgabe 2012. Interview von Franziska Monnerat Foto von Yves Stuber Freut sich besonders auf Thiel und Schramm: Festivalleiter Claude Schoch.

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laude Schoch, wie sieht Ihre Bilanz nach vier Festivals unter Ihrer Leitung aus? Ich bin sehr zufrieden, vieles konnten wir so umsetzen, wie wir wollten. Auch das Produkt Kabarett-Tage konnten wir so entwickeln, wie wir es uns vorgestellt hatten. Einzig das Ausstellungsprojekt mussten wir beerdigen. Die Idee war, rund um die Kabarett-Tage eine Ausstellung zu organisieren, die sich um Kabarett dreht. Uns fehlte jedoch das Fachwissen. Was waren und sind die grössten Herausforderungen als Präsident der Oltner Kabarett-Tage? Nach 20 Jahren Pionierzeit unter der Leitung von Peter Niklaus, der rund 80 Prozent der Arbeit unter seinen Fittichen hatte, war es die grösste Herausforderung, ein völlig neues Verständnis von Organisation und Zusammenarbeit aufzubauen. Jeder, der für ein Ressort zuständig ist, arbeitet selbständig, gleichzeitig müssen wir uns finden, um als Team geschlossen hinter Entscheidungen stehen zu können. Das ist auch heute immer wieder eine Herausforderung. Was hat sich seit den ersten Kabarett-Tagen unter Ihrer Leitung 2008 verändert? In erster Linie haben die Kabarett-Tage heute mehr Festivalcharakter. Früher kauften die Besucher einen Pass und erhielten Eintritt an alle Veranstaltungen in einem Lokal, heute können (und müssen) sie wählen zwischen mehr als 25 Veranstaltungen. Die Eintrittstickets erwirtschaften nach Abzug der Gagen und Kosten

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für die Infrastruktur nicht genug Geld, was bedeutet, dass der Anlass nur dank Sponsoren, öffentlicher Hand und Fronarbeit bestehen können. Was motiviert Sie, so viel Freizeit in die Kabarett-Tage zu stecken? Mich motiviert, ein gutes Festival auf die Beine zu stellen und das möglichst effizient, vernetzt und professionell. Mein Beitrag dabei ist die Organisation – auch wenn ich manchmal ausgelacht werde mit meinen Organigrammen. Im Gegensatz zu vielen anderen Kulturorganisationen will ich nicht „wursteln“. Ausserdem gefällt mir das Produkt selbst. Es ist schön, innerhalb der Sparte Kabarett die Vielfalt zu pflegen und diese ist nach wie vor ausbaubar. Welche Ideen möchten Sie denn noch umsetzen? Die Idee des Nachwuchsprojekts Kabarett-Casting lag mir am Herzen und ich bin sehr glücklich darüber, dass das Projekt auf einem guten Weg ist. Der Quai Cornichon, eine Art „Walk of Fame“ der CornichonPreisträger mit Metallplatten in der Wand anstatt im Boden, nimmt auch Form an, obwohl es bei den Vorbereitungen Verzögerungen gibt. Es reizt mich, neben Altbekanntem jährlich etwas Neues auf die Beine zu stellen, wie die Verleihung des Cornichons, die Sprungfeder, den Kabarett-Cocktail, den Brunch und den Leipziger Abend. Allerdings merke ich zweierlei: Einerseits hat das Team manchmal nicht gleich viel Lust wie ich auf Neues, andererseits wird von aussen signalisiert, dass es zu vielleicht auch zu gross werden könnte. So lange die Leute kommen, mache ich mir keine Sorgen. Auch in Zeiten der Wirt-

schaftskrise haben wir Besucher und leicht steigende Mitgliederzahlen. Ich sage immer: Je mehr Krise, desto besser geht es dem Kabarett. Tickets gibt es jedoch in Olten meistens an jedem Abend noch, obwohl sich seit den ausverkauften Vorstellungen der Acapickels hartnäckig der Ruf hält, dass dies nicht so sei. „Kabarett meets Politics“ ist eine der neuen Veranstaltungen im Jubiläumsjahr der Oltner Kabaretttage und geht im Gemeinderatssaal über die Bühne. Wie klappt die Zusammenarbeit mit der Stadt Olten? Grundsätzlich sehr gut. In einem Punkt haben wir Rückstand, weil wir noch keine definitiven Zusagen für den Quai Cornichon erhalten, damit wir die Platten produzieren können. Aber wir können jederzeit mit neuen Ideen auf die Stadt zukommen, miteinander reden und werden bei unseren Wünschen unterstützt, auch finanziell. Als erstem nicht-städtischem Anlass hat uns die Stadt erlaubt, Fahnen auf die Brücke zu hängen, was eine Änderung des Fahnenreglements mit sich zog. Welches sind andere Programmpunkte, auf die Sie sich freuen? Ganz klar das Kabarett-Casting. Ich freue mich aber auch auf die bekannten Künstler, zum Beispiel den Abend mit den beiden ehemaligen Preisträgern Andreas Thiel und Georg Schramm, die zur Zeit ein Programm für die Jubiläumsausgabe erarbeiten, das sonst nirgends zu sehen sein wird. Die Struktur, dass wir in der ersten Woche Schweizer, in der zweiten internationale Künstler gesetzt haben, finde ich toll.

ZUR PERSON Claude Schoch, 58, wohnt in der Oltner Altstadt und arbeitet seit 23 Jahren selbständig (60%-Pensum). Neben Kabarett ist das Befahren von Kanälen und Flüssen mit einem ehemaligen holländischen Frachtschiff sein zweites erfüllendes Hobby. Schoch ist verheiratet und hat einen erwachsenen Sohn.

JUBILÄUMSPROGRAMM 2012 20.Januar / 24. Februar / 16. März: 1. Oltner Kabarett-Casting 27. Januar Jubiläumseröffnungsevent: Bundesordner 2011 – ein satirischer Jahresrückblick vom Casinotheater Winterthur 1. März Generalversammlung 2.-13. Mai 25. Oltner Kabarett-Tage 27. Oktober Jubiläumsschlussevent www.kaberett.ch

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Collage von Rebekka Gerber

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1. Drei-Gang-Menü im pure Restaurant 2. Film nach Wahl 3. Cüpli im Kino 4. Drink in der pure Lounge Preis: CHF 55.00 pro Person youcinema.ch · pure-olten.ch


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