KOLT #29

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DAS OLTNER STADT- UND KULTURMAGAZIN

www.kolt.ch

NUMMER VIER 2012 // FR. 5.--

MIT AGEND BEILAG A E

IM FOKUS DER FOTOGRAFIE JOB-INTERVIEW Ein Fahrlehrer über weibliche Fahrkünste GASTAUFTRITT Gabriel Vetters böser DJ-Antoine-Albtraum CINEMA Balkan-Töne in Filmform FREAKS BRAUCHT DAS LAND Wieso Egalius vom Rumpel keine Kartoffeln isst IM RAMPENLICHT Das Geheimnis der Schriftzeichen


<<Wir machen uns stark für Kultur>>

Damit Sie Ihre Freizeit möglichst abwechslungsreich gestalten können, unterstützen wir viele Kulturangebote in der Region.

www.alpiq.ch 2

April 2012

KOLT


IMPRESSUM

EDITORIAL

VERLAG / HERAUSGEBER Verlag 2S GmbH Leberngasse 17 4600 Olten verlag@v2s.ch www.v2s.ch VERLAGSLEITUNG Yves Stuber, Matthias Sigrist REDAKTIONSLEITUNG Pierre Hagmann (ph) redaktion@kolt.ch

Cover von Yves Stuber

FINANZEN Matthias Gubler

mit freundlicher Unterstützung von:

INTERNETAUFTRITT Mathias Stocker LAYOUT / SATZ Christoph Haiderer REDAKTIONELLE MITARBEIT Karola Dirlam-Klüh, Kilian Ziegler, Christian „Ché“ Dietiker, Dino Lötscher, René „Fribi“ Freiburghaus, Pedro Lenz, Marianne Hertner, Elias Zimmermann, Franziska Monnerat, Fiona Gunst

DRUCK&MEDIEN OLTEN

ILLUSTRATOREN Werner Nydegger, Anna-Lina Balke, Jamie Aspinall, Manuel „Ti“ Mathys, Pascal „Tokijad“ Hofer, Céline Fallet, Petra Bürgisser, Rebekka Gerber FOTOGRAFEN André Albrecht, Remo Buess, Sven Germann, Benjamin Hofer, Flavia Schaub, Yves Stuber, Markus Wolf LEKTORAT Pierre Hagmann LESERBRIEFE leserbriefe@kolt.ch www.kolt.ch/leserbriefe AGENDA agenda@kolt.ch www.kolt.ch/agenda ABO Jahresabonnement CHF 49.—(inkl. MwSt) Gönnerabonnement CHF 99.—(inkl. MwSt) abo@kolt.ch www.kolt.ch/abo INSERATE inserate@kolt.ch www.kolt.ch/inserieren KONTAKT www.kolt.ch hallo@kolt.ch AUFLAGE 1'500 DRUCK Dietschi AG Druck und Medien Ziegelfeldstrasse 60 CH-4600 Olten © 2012, Verlag 2S GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung. Die Urheberrechte der Beiträge bleiben beim Verlag. Keine Gewähr für unverlangt eingesandte Manuskripte, Fotos und Illustrationen.

KOLT

April 2012

„Die Fotografie ist ein Handwerk“, sagte der grosse französische Fotograf Henri Cartier-Bresson. “Viele wollen daraus eine Kunst machen, aber wir sind einfach Handwerker, die ihre Arbeit gut machen müssen.“ Da kämpfte die Fotografie jahrzehntelang um die Legitimität als Kunstform und dann solche Worte von einer solchen Koryphäe. Mittlerweile herrscht aber Konsens: Fotografie kann Kunst sein – auch in Olten. Wieso also findet Fotografie im institutionalisierten Rahmen hier hauptsächlich im Historischen Museum statt – wie etwa die Mitte April zu Ende gehende Ausstellung „Fotografie der Gegenwart am Jurasüdfuss“? Unsere April-Titelgeschichte geht dieser Frage nach, im Zentrum steht aber etwas Grösseres. Die Stadt ist innert kurzer Zeit in den Besitz relativ umfangreicher Fotobestände gekommen und so drängt sich die Frage auf: Was kann in Olten entstehen, was soll? Es geistert die Idee eines Kompetenzzentrums für Fotografie am Jurasüdfuss umher. Der Anfang sei gemacht, sagen die einen hoffnungsfroh. Andere geben sich skeptisch und warnen vor Halbherzigkeiten, die niemanden etwas bringen. Behördenvertreter, Vereine, Fotografen,

Kuratoren, wir haben sie alle um ihre Meinung gebeten – und wir haben sie abgelichtet. Entstanden sind sieben wunderbare Porträt-Aufnahmen, geschossen von sieben verschiedenen Fotografen aus der Region; ihnen allen gebührt unser herzlicher Dank. Auf den ersten Blick mögen sich die Bilder gleichen, doch wer genau hinschaut, wird die individuelle Handschriften der einzelnen Fotografen – allesamt Handwerker wie Künstler – entdecken. Genau hinzuschauen, das lohnt sich hoffentlich. Wie pflegte Henri Cartier-Bresson zu sagen: „Ein gutes Foto ist ein Foto, auf das man länger als eine Sekunde schaut.“ Aber schauen Sie selbst: „Die Vision einer Fotostadt für den Jurasüdfuss“, ab Seite 16. Die ganze KOLT-Redaktion wünscht Ihnen, liebe Leserin und lieber Leser, sehr frohe Ostern. Passend zum Fest der Auferstehung haben wir in unserer Rubrik „Olten über die Welt“ Menschen aus der Region gefragt, wie ihre Traumvorstellung von einem Leben nach dem Tod aussieht. Antworten gibts auf Seite 11. Pierre Hagmann, Olten, im März 2012

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DRUCK&MEDIEN OLTEN

Mehr als eine Druckerei.

Mehr als eine Druckerei.

Dietschi AG Druck&Medien Ziegelfeldstrasse 60 4601 Olten Telefon 062 205 75 75 Telefax 062 205 75 00 www.dietschi.ch www.oltnertagblatt.ch


INHALT

MÄRZ 2012

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03 EDITORIAL / IMPRESSUM 06 PREVIEWS Highlights im April 2012

09 CINEMA Wie der einsame Hirte im Westen ankam // 5 Fragen an Thomas Müller

11 DAS KLEINE JOB-INTERVIEW Balthasar Immer, Fahrlehrer

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12 VON LINKS BIS RECHTS Auf welche Unternehmen und Branchen als neue Steuerzahler soll sich Olten fokussieren?

14 IM EXIL Menschen aus der Region berichten aus der Welt: Zillertal, Rom, Otavalo, Seoul, Salzburg, Ho Chi Minh City

16 Die Vision einer Fotostadt

für den Jurasüdfuss

Braucht Olten einen „Ort der Fotografi e“?

26 HÖREN & LESEN 26

Pedro Lenz „So ist sie nicht“ // Noëmi Lerch „Mein Balkon an der Sankt Jakobsstrasse“

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Ché‘s Bro Tipps // Deeno‘s Review // Fribi‘s Metal News

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Gabriel Vetter „Welcome to St.Olten“ // La Vache Kili „Zermatt“

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30

Schon gelesen...? // KOLT liest...

30 FREAKS BRAUCHT DAS LAND Von Recken und Maiden

32 IM RAMPENLICHT 32

„Les trois Suisses“: Als Moderatoren höchstens mit Ukulele und Rassel // Auf Kuss und Knall

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32 KOLT

April 2012

Auf Tuschspurensuche mit einem Besessenen

34 DAS LIEBSTE ZUM SCHLUSS Die besten Dinge des Monats

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PREVIEWS MARIKA ROSSA FROM KIEV Birthday-Bash-Party mit viel Techno, Minimal & Tech House GALERIE CLUB, OLTEN www.galerieolten.ch

Tipp des Monats

MUMMENSCHANZ ON TOUR

Do 5. April 2012 ab 22:00 Uhr CHF 10.- / Entry 18+ VIP Buffet ab 21:00h für eingeladene Gäste

FOTOKUNST VON DAVATZ UND SKIZZEN ZU REINEKE FUCHS KUNSTMUSEUM OLTEN www.kunstmuseumolten.ch BARBARA DAVATZ – FOTOGRAFISCHE REIHUNGEN bis 29.4.2012 REINEKE FUCHS – DISTELI BEARBEITET EINEN KLASSIKER 15.4. bis 29.4. & 20.5. bis 19.8.2012 Vernissage: Samstag, 14.4., 18 Uhr

www.facebook.com/djMarikarossa Öffnungszeiten: Di–Fr 14–17 Uhr ; Do 14–19 Uhr; Sa/So 10–17 Uhr

Das legendäre Maskentheater

MOONWALKER MUSIC CLUB AARBURG www.moonwalker.ch Do 19. April 2012 Türöffnung 20 Uhr Konzertbeginn ca. 21 Uhr Eintritt 45.-

3./4./5. April 2012, jeweils 20 Uhr Vorverkauf unter: www.ticketcorner.ch

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Konzert Blues & Rock aus England mit Stan Webb & Chicken Shack

STADTTHEATER OLTEN, THEATERSAAL www.stadttheater-olten.ch www.mummenschanz.ch

Seit 40 Jahren begeistert Mummenschanz mit ihrem Maskentheater weltweit das Publikum. In der Theaterspielzeit 2011 / 2012 ist Mummenschanz endlich wieder in ihrem Heimatland zu bewundern. Die Tournee wird durch diverse Schweizer Städte führen, auch durch Olten. 40 Jahre Mummenschanz: ein Spektakel aus vier Jahrzehnten Schweizer Kunsthandwerk und eine Revue für mehrere Generationen quer durch die MummenschanzGeschichte: Von den veränderten Gesichts- und Körpermasken hin zu den aufblasbaren Plastikfiguren noch weiter zu den marionettenartigen Gestalten. Nur eines blieb während der 40 Jahre immer gleich: Mummenschanz spricht eine Sprache ohne Worte, die aber jeder Mensch auf der ganzen Welt versteht.

STAN WEBB UND SEIN HÜHNERSTALL

Resident DJ Voodoo Ray feiert am 5.April seine Big-Birthday-Bash-Party in der Galerie mit einem Line-Up der absoluten Spitzenklasse. Headlinerin ist Marika Rossa aus der Ukraine. Sie ist momentan die angesagteste DJane in Europa im Techno-Bereich. Als Resident-DJane des unglaublichen Events in Kazantip ist sie 2011 zur Nr.1-DJane der Ukraine gekürt worden. Ihr Stil reicht von Techno bis Tech House, mit ihren schrillen Outfits und ihrer unglaublichen Performance reisst Sie jedes Publikum sofort in ihren Bann. Als Support zur grossen B-Bash ist kein Geringerer als Rolf Imhof aus Zürich zu Gast. Wie an seinen legendären Auftritten im Supermarket wird er auch in der Galerie die Meute mit feinstem Tech House zum Kochen bringen. Weiters dürfen wir uns auf Assassin aka Sven Luv freuen, der Produzent und DJ ist bei Groove on Rec Miami unter Vertrag. Mit Jose Algun kommt ein Freund von Voodoo Ray extra aus Wien eingeflogen. Er ist unter anderem Resident im Pacha Barcelona und war schon zweimal hier bei uns zu Gast. Weitere DJ Gratulanten an diesem Abend sind: G-One, DJ Anaki, DJ Cyrus und Mr. Hot & Funky.

Die gross angelegte Retrospektive vereint acht Fotoserien von Barbara Davatz (*1944) aus den Jahren 1968 bis 2011. Bei aller technischen Präzision und formalen Strenge wirken die quasi enzyklopädischen Reihungen von Portraits und Landschaften lebendig, verbinden Zeitlosigkeit und Zeitgeist. Sie künden vom Staunen einer Fotografin, die mit ihren typologischen Bildsammlungen Feldforschung in familiären, gesellschaftlichen und natürlichen Biotopen betreibt. Ihre Themen könnten als biologische Forschungsgebiete durchgehen: Zwillinge, Sippenähnlichkeiten, urbanes Paarungsverhalten, Selbstdarstellung und Gruppenidentität in einer globalisierten Mode- und Arbeitswelt. Daneben beschäftigt sie die Fragilität ökologischer Systeme. Flüchtige und unscheinbare Naturphänomene verwandeln sich in ihren Bildern in ein visuelles Spektakel, das den Reichtum des vermeintlich Einfachen sichtbar macht. Ausserdem widmet sich die neue Ausstellung im Disteli-Kabinett einem unveröffentlichten IllustrationsProjekt des Oltner Zeichners, seinen Skizzen zu Reineke Fuchs.

Stan „The Man“, der englische Halbgott in Sachen Blues und Rock und seine „Chicken Shack“ gehörten Ende der 60er-Jahre zu den wichtigsten und umstrittensten Exponenten des britischen Blues-Booms. Unverkennbar sind seine brillanten Gitarrensoli. Hühnerstall? Kaum eine Band trägt einen irreführenderen Namen als Chicken Shack, die Truppe des Bluesrock-Strategen Stan Webb. „Stan The Man“, ein Relikt aus der Ära des Brit-Blues der späten 60er, hielt immer grosse Stücke auf Disziplin – zumindest bei seinen Mitmusikern, die er in den alten Tagen wechselte wie andere die Jeans. Er selber galt früher freilich als Chaot. Ohne sich jedoch in künstliche Ekstase versetzt zu haben und ohne Exzentriker-Allüren spielt und singt Stan Webb den Blues. Sehr konzentriert und kompetent. So steht er einem zuletzt konstant besetzten „Hühnerhaufen“ vor.

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APRIL 2012 Ein Kulturengagement der Schützi Olten

QUEEN LEAR: EIN SUBTILER AKT WEIBLICHER MACHTANSPRÜCHE Tanzaufführung im Rahmen des STEPS-Festivals mit Michael Schumacher & Sabine Kupferberg. Präsentiert von Tanz in Olten und dem Migros-Tanzfestival STEPS Jazz in Olten präsentiert

PETER SCHÄRLI TRIO FEAT. ITHAMARA KOORAX

DIE LANGE NACHT DER BÜCHER

Brazilian-Jazz-Konzert BUCHHANDLUNG SCHREIBER www.schreibers.ch Fr 27. April 2012

IM BANN DER BULETTEN: CIE. NONANTE-TROIS Komödie

VARIO BAR www.jazzinolten.ch / www.schärlimusic.ch

SCHÜTZI OLTEN www.schuetzi.ch www.tanzinolten.ch Sa 28. April 2012 Türöffnung: 20.15 Uhr Vorstellungsbeginn: 20.30 Uhr Tickets & Online-Reservation: www.tanzinolten.ch

Sa 28. April 2012 21.00 Uhr

THEATERSTUDIO OLTEN www.theaterstudio.ch Fr 27. April 2012, 20.15 Uhr Sa 28. April 2012, 20.15 Uhr

Bald ist es wieder soweit!

Vorverkauf: Leotard, Ringstrasse 28, Olten

Am Freitag, 27. April findet die beliebte „Lange Nacht der Bücher“ statt. Dann ist die Buchhandlung Schreiber auch nach den Öffnungszeiten für Bücherwürmer und Leseratten da. Es ist Nacht. Gespenstisch ruhig liegt Olten da. Nur der Wind pfeift durch die Gassen. Eine vergessene Plastiktasche schwebt über den Boden. Ein Geräusch. Ein Schatten huscht vorbei. Was war das? Alles gut – nur eine Katze. Schnell weiter. Überall ist es dunkel... überall? Nein! Im Schreiber an der Kirchgasse brennt noch Licht. Drinnen stehen Leute. Sie stöbern in den Büchern, unterhalten sich, machen die Nacht zum Tag. Kommen Sie herein! Lassen Sie sich von der Atmosphäre verzaubern, stärken Sie sich mit einer feinen Suppe und geniessen Sie die Stimmung in der Buchhandlung bei Nacht. Kommen Sie, geniessen Sie, bleiben Sie! Solange Sie wollen. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.

KOLT

April 2012

Schwarze Komödie über das Universum eines Neurotikers. Ein zurückgezogener Mann lässt sich von seiner Mutter täglich einen Karton Bouletten per Kurier bringen. Alles gerät ausser Kontrolle, als der Karton plötzlich vom einem weiblichen Boten überbracht wird. Eine unwahrscheinliche Romanze kommt zwischen den beiden auf, als der Duft der Frikadellen ändert und er realisiert, dass sein Schatten unwirkliche Dimensionen angenommen hat. Geschrieben und inszeniert hat die herrliche Komödie der Lausanner Regisseur und französisch-amerikanische Doppelbürger Benjamin Knobil. Er lässt die Schauspieler Romain Lagarde, Sandrine Girard und Lionel Frésard in eine philosophische Fabel abtauchen. Ein echtes Bühnenvergnügen. In deutscher Sprache.

Der Aarauer Trompeter Peter Schärli ist seit Jahren eines der wichtigsten Aushängeschilder der europäischen Jazzszene. Oder kennen Sie einen anderen Schweizer, der für die Grammy Awards nominiert wurde? Eben. In Brasilien ist er quasi weltberühmt – er wurde von Musikjournalisten zum weltbesten Jazz-Trompeter gekürt. Die Zusammenarbeit mit der bekannten brasilianischen Sängerin Ithamara Koorax geht auf die musikalische Freundschaft von Schärli mit dem legendären Perkussionisten Dom Um Romão zurück. Dieser konnte Koorax davon überzeugen, zusammen mit ihm und dem Peter Schärli Trio auf Europa-Tournee zu gehen. Leider kam es nicht mehr dazu – Romão verstarb kurz vor der geplanten Tour im Jahr 2005. Trotzdem entstand eine CD und die wundervolle Band spielt seither zu viert weiter. Auf der neuen CD „O Grande Amor“ präsentieren sie wiederum wunderbar intime Bossas und jazzigen Samba. Ithamara Koorax (voc) Peter Schärli (tp) Hans-Peter Pfammatter (p) Thomas Dürst (b)

Ihr Thron dient ihr auch als Haus und Bettstatt. Sabine Kupferberg ist Queen Lear. Königlich machthungrig, weiblich und verletzlich, entwickelt sie gemeinsam mit Michael Schumacher eine neue Leseart des Shakespeare-Stoffes: Sie ist die grosse Mutter, die erst ganz am Schluss ihres Leben und ihrer Laufbahn die Liebe ihres Sohnes zulässt und begreift. Kupferberg und Schumacher kreieren eine berührende, hoch emotionale Geschichte als choreografisch und schauspielerisch fulminantes Tanztheater, live auf der Bühne begleitet von zwei Musikerinnen. Queen Lear ist der Wurf eines reifen Tänzerpaars. Für beide ist das Ende ihrer Tanzlaufbahn immer wieder Auftakt und Neubeginn. «Die Partnerschaft zwischen Sabine Kupferberg und Michael Schumacher ist eine Ode der besten Tanzkünstler Hollands an den Tanz und an das Leben selbst.» Trouw, Amsterdam Stil: Tanztheater, Gestensprache, Schauspiel mit Textfragmenten und Musik Musik: Mary Oliver & Johanna Varner Herkunft: Den Haag, Holland Dauer des Abends: 55 Minuten ohne Pause

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AM LIEBSTEN NACH HAUSE

Ich bestelle ein Jahresabonnement für CHF 49.-und erhalte KOLT Monat für Monat. Ich möchte KOLT unterstützen und bestelle ein Gönnerabonnement für CHF 99.-und erhalte KOLT Monat für Monat. Ich möchte KOLT in meinem Betrieb auflegen und bestelle für CHF 149.-5 Exemplare

10 Exemplare

LIEFER- UND RECHNUNGSADRESSE Firma Vorname/Name

KOLT Postfach 1927 4600 Olten

Rechnung per E-Mail (E-Banking) Rechnung per Post (+ CHF 5.00)

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KOLT

Januar 2011

April 2012

KOLT

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CINEMA

NÄHERE INFORMATIONEN ZU SPIELZEITEN UND KINOSAAL AUF WWW.YOUCINEMA.CH UND WWW.LICHTSPIELE-OLTEN.CH

THE GREY USA 2012 // ADVENTURE Start in Olten: 12. April, youcinema John Ottway (Liam Neeson) ist in Alaska bei einem Ölunternehmen angestellt, um dort die Bohrarbeiter vor wilden Tieren zu schützen. Auf dem Rückflug in die Heimat stürzt das Flugzeug ab. Die acht Überlebenden, die unterschiedlicher nicht sein könnten, versuchen sich in Richtung Süden durchzuschlagen – doch Hunger und Eiseskälte sind nicht die größte Gefahr: Die Absturzstelle liegt inmitten eines Jagdreviers von Wölfen.

5 Fragen an... THOMAS MÜLLER, CEO DIETSCHI AG

Wie der einsame Hirte im Westen ankam Heute wird in jeder Schweizer Dorf-Disco zu Balkan-Beats getanzt. Die Basis dazu hat ein Schweizer Paar während des Kalten Krieges gelegt. „Balkan Melodie“, ein neuer Musikfilm, wandelt auf den Spuren der Pioniere.

W LE GAMIN AU VELO BELGIEN 2011 // DRAMA 12.-16. April, Kino Lichtspiele Der 12-Jährige Cyril hat nur einen Wunsch: Er möchte zu seinem Vater zurückkehren, der ihn in ein Kinderheim abgeschoben hat. Auf seiner Suche begegnet er Samantha, die bereit ist, Cyril bei sich aufzunehmen. Dabei kann Cyril die Zuneigung, die sie ihm entgegen bringt, nur schwer annehmen und gerät in schlechte Gesellschaft. An den Rändern der Gesellschaft, wo die Gebrüder Dardenne ihre Filme ansiedeln, ist das Überleben gnadenlos. Es ist vor allem die Herzlichkeit von Samantha (Cécile de France, Belgiens bekannteste Schauspielerin), die dem Film unerwartete Momente der Leichtigkeit verpasst.

o Film ist, da ist Musik nicht fern. Oft funktioniert die Tonebene allerdings bloss als emotionaler Regulator. Die Töne im Dienste des Bildes. Es gibt indes nicht nur Filmmusik, es gibt auch Musikfilme. Und da verhält sich das Ganze umgekehrt. Das Bild im Dienste des Tons. Musikfilme sind für gewöhnlich Dokfilme, die Lieblingsdisziplin der Schweizer Filmemacher. So erstaunt es nicht, dass dieser Film eine Schweizer Produktion ist – auch wenn er „Balkan Melodie“ heisst. Der Film von Stefan Schwietert, bekannt durch „Heimatklänge“, ist eine Reise in den musikalischen Osten, auf den Spuren des Schweizer Paars Marcel und Catherine Cellier, das während des Kalten Krieges bis dato komplett unbekannte rumänische und bulgarische Volksklänge von jenseits des Eisernen Vorhangs aus ihrer Abgeschiedenheit löste und dem Westen bekanntmachte. Die Musik traf den Hippie-Zeitgeist, einzelne Musiker wurden international

bekannt, darunter der rumänische Panflötenspieler Gheorghe Zamfir. Spätestens seit „Kill Bill“ von Quentin Tarantino kennt auch der Laie die Melodie seines Hits „Lonely Shepherd“ (einsamer Hirte). Nun erlebt Zamfir in „Balkan Melodie“ sein nächstes Comeback. Von einem Comeback der Balkan-Musik an sich kann keine Rede sein; sie war gar nie weg. Figuren wie Goran Bregovic, Shantel oder Regisseur Emir Kusturica haben das Ihrige dazu beigetragen. „Balkan Melodie“ mischt private Archivaufnahmen der Celliers mit neuen Bildern, besucht die Protagonisten von damals und fragt nach, wie es ihnen ergangen ist seither. Es ist ja einiges passiert – gerade im Balkan. Durch die Gegenüberstellung von altem und neuem Material wird aber deutlich, was diese Volksmusik auch auszeichnet: ihre Zeitlosigkeit. ph

BALKAN MELODIE SCHWEIZ 2012 // MUSIK-DOK 19.-23. April, Kino Lichtspiele

Was ist Ihr Lieblingsfilm? Mich interessieren jeweils die aktuellen Filme wie zurzeit „The Artist“. Als Jugendlicher faszinierte mich „Ben Hur“, den hatte ich mir damals sicher 4 Mal im Kino angeschaut. Welchen Film haben Sie zuletzt im Kino gesehen? „Les Intouchables“. Der Wechsel zwischen Humor und Ernst ist gelungen. Bei welchem Film hätten Sie gerne die Hauptrolle gespielt? In „Casino Royale“ hätte ich gerne anstelle von Daniel Craig den 007 gespielt, denn die Eva Green ist eine fantastische Frau! Mit welchem Filmstar würden Sie am liebsten einmal einen Kaffee trinken? Mit Sharon Stone, sie war schon immer meine Lieblingsschauspielerin. Worüber würden Sie gerne einen Film drehen? Während meiner Zeit als Student und Badmintonprofi führte ich für das Schulfernsehen von SF DRS die Regie für den Lehrfilm „Badminton“. Ein solches Projekt würde ich gerne wieder einmal realisieren.

2. Mai – 13. Mai 2012 Werden Sie Mitglied und profitieren Sie vom Vorkaufsrecht auf alle Eintrittskarten! Attraktive Vorteile für Mitglieder: - Vorkaufsrecht für Tickets ab Mittwoch, 7. März, 7 Uhr - Mitgliederrabatt - Gratisvorstellung an Generalversammlung KOLT April 2012 www.kabarett.ch

Jahresbeitrag: Einzelmitglieder Fr. 50.Firmenmitglieder Fr. 200.Öffentlicher Vorverkauf: ab Mittwoch, 28. März, 7 Uhr unter www.kabarett.ch

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www.youtube.com/oltnerkabaretttage

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KULTURSPLITTER

MONATSTIPPS DER MAGAZINE AUS AARAU | BASEL | BERN | LUZERN | ST. GALLEN | VADUZ | WWW.KULTURPOOL.BIZ

LASST DIE WÜRFEL ROLLEN «Kein Komponist in der Geschichte der Musik hat so konsequent versucht, sein eigenes Schaffen vom Begriff des Urhebers zu befreien wie John Cage», so die Ankün-

BADEN UND DIE «BBC»

digung. Eine Retrospektive befasst sich mit ihm als Ar-

Was für Winterthur die Firma Sulzer oder für Schö-

rangeur des Zufalls, der sich von der Zwölftontechnik

nenwerd Bally, waren für Baden Brown, Boveri & Cie.,

und der seriellen Musik auf radikale Weise abwandte.

die «BBC» – ein Grosskonzern, der während des Indus-

<WELTJAZZ> IN BASEL

Die Neue Musik seit Cage bezieht auch Geräusche und

triezeitalters die Stadt in vielerlei Hinsicht dominierte.

Jazz und <Weltmusik> befruchten sich schon lange

die Verfremdung von Instrumenten in die Komposition

Das Historische Museum Baden und das Museum Lang-

und gehen auch am diesjährigen Jazzfestival in Basel

mit ein. Doch wie kann man den Zufall verewigen? Stu-

matt – welches in einer ehemaligen Villa der Browns

glückliche Verbindungen ein. Zu einer <Afro-Cuban-

dierende der Hochschule Luzern – Musik führen ausge-

untergebracht ist – widmen sich in einer grossen Dop-

Night> lädt der Pianist und Komponist Roberto Fonseca

wählte Werke Cages auf. Zudem finden thematisch auf-

pelausstellung der Blütezeit des Badener Konzerns: Mit

ein, aus Mali kommt das blinde Erfolgsduo Amadou &

bereitete Veranstaltungen statt.

beispielhaften Badener Biografien zeigt das Historische

Mariam mit Gitarre und Gesang, der aus Indien stam-

John Cage. Zum 100. Geburtstag – Eine Retrospekti-

Museum unter dem Titel «Familien unter Strom» die

mende Tabla-Virtuose und Schlagwerker Trilok Gurtu

ve: FR/SA 20./21. April, 16 bzw. 20 Uhr, Südpol Luzern.

Auswirkungen der Industrialisierung auf das Leben

tritt mit seinem europäischen Jazzquartett auf, und die

www.hslu.ch/cage

der Badener, während in der Langmatt mit der Schau «Meet the Browns» die Industriellen-Familie porträtiert

portugiesische Sängerin Cristina Branco präsentiert ihr breites Liedspektrum zwischen Fado, Tango und Mu-

wird.

sette. Neben den Konzerten mit grossen Namen sind

Baden, Historisches Museum (bis 12. August),

auch Proben lokaler Talente zu geniessen.

www.museum.baden.ch

Jazzfestival Basel: Do 19.4. bis So 6.5.,

Museum Langmatt (bis 25. November),

www.jazzfestivalbasel.ch

www.langmatt.ch

Foto: Christiana Branco

ANNÄHERUNG AN DEN BIG APPLE Der Blick ist treuherzig, der Mund lasziv geöffnet, die

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Zigarette wurde soeben angezündet, die Nägel kürzlich

DAS ALPINE MUSEUM IST ZURÜCK

MUNDART ROCKT

maniküriert. 1966 fotografiert die 1971 verstorbene

Mit neuem Direktor, neuem Konzept und neuem Res-

Und wieder ist eine CD herangereift. «Rääs», eine

Grande Dame der amerikanischen Fotografie, Diane

taurant staubt das Alpine Museum Bern die Berge ab.

liechtensteinische Mundartband, wird am 28. April ihr

Arbus, diesen «Jungen Mann mit Lockenwicklern zu

Beat Hächler (ex Stapferhaus Lenzburg) will die Alpen

drittes Album mit einem Konzert im Gemeindesaal Bal-

Hause in der West 20th Street, New York City». Arbus’

als gesellschaftlich relevantes Thema wiederentdecken.

zers präsentieren. Das Album mit dem Titel «wedr da-

Arbeit changiert zwischen intimem Schnappschuss,

Nach längerem Umbau startet nun das Alpine Museum

haam» wird zehn neue Songs enthalten und stilistisch

Reportage und sorgfältig ausgehecktem Porträt. Das Fo-

neu mit der Ausstellung «Berge versetzen – eine Aus-

sehr vielfältig sein. «Rääs» ist eine der erfolgreichsten

tomuseum zeigt zwei 200 Bilder, berühmte und unver-

legeordnung» neu. Es zeigt Stücke aus der Sammlung

Mundartbands in Liechtenstein und hat schon zahlrei-

öffentlichte; alle sind in den Fünfzigern und Sechzigern

und wirft zum Beginn der neuen Ära die Frage auf: Was

che Preise in Liechtenstein, der Schweiz und Österreich

in New York entstanden.

soll eigentlich ein Museum über Alpen mitten in einer

gewonnen.

Diane Arbus

Stadt?

CD-Präsentation und Konzert «Rääs», am 28. April, um

Bis 28. Mai, Fotomuseum Winterthur

Alpines Museum, Bern. Ausstellung bis 28.8.

20.30 Uhr im Gemeindesaal Balzers

Mehr Infos: www.fotomuseum.ch

www.alpinesmuseum.ch

April 2012

KOLT


OLTEN

DAS KLEINE JOB-INTERVIEW

»Die Schweizer sind zu wenig flexibel auf der Strasse« Balthasar Immer war früher auf dem Bau tätig und arbeitet heute als Fahrlehrer. Hier verrät er, ob Frauen wirklich schlechter parkieren als Männer – und wieso die Spanier auf der Strasse besser sind als die Schweizer. Text von Pierre Hagmann Foto von Yves Stuber

Balthasar Immer, was wollten Sie werden, als Sie ein kleiner Junge waren? Pilot oder Lokführer. Wieso sind Sie Fahrlehrer geworden? Ich habe zuerst als Zimmermann gearbeitet, wollte dann aber aus gesundheitlichen Gründen weg vom Bau und hab mich zum Fahrlehrer umschulen lassen. Ich hatte schon im Zimmereibetrieb als Ausbildner Spass daran, jungen Leuten etwas beizubringen.

nigsten Zeit braucht mit der Vorbereitung für die Theorie-Prüfung. Selbst wenn sie die Prüfung bestehen, hapert es dann bei der Umsetzung – etwa beim Vortritt. Dessen Missachtung ist die zweithäufigste Unfallursache auf Schweizer Strassen.

Wieviele Fahrstunden sind nötig, bis ein Schüler bereit für die Autoprüfung ist? Jemand ohne Erfahrung braucht zwischen 25 und 30 Lektionen, 15 Lektionen sind auch bei einem guten Schüler im Minimum nötig. Von meinen Schülern schaffen es zwischen 60 und 70 Prozent im ersten Anlauf durch die Prüfung. Der Fahrlehrerverband forderte kürzlich 16 obligatorische Fahrstunden. Was halten Sie davon? Deutschland hat dieses System, „Der Theorieunterricht sollte obligatorisch sein“: ich finde es unnötig. Das reguFahrlehrer Balthasar Immer in seinem Auto. liert sich automatisch, so lang die Prüfungsanforderungen hoch genug Sie müssen es wissen: Parkieren Frausind. Mich stört eher, dass es keinen en wirklich schlechter? Nein, nein. Es obligatorischen Theorieunterricht gibt aber schon Unterschiede: Fraugibt. Gewisse Schüler machen sich eien sind einerseits selbstkritischer am nen Wettbewerb daraus, wer am weSteuer und interessieren sich ande-

rerseits weniger für die Technik. Das erklärt wohl, wieso Frauen durchschnittlich ein paar Fahrstunden mehr brauchen. Was ist ein guter Autofahrer? Einer, der vorausschaut, defensiv fährt und seine Fahrt den Umständen anpasst. Wichtig ist auch, Fehler von anderen zu tolerieren, und nicht gleich auszurasten. Und: Wie schneiden die Schweizer ab im Vergleich? Die Schweizer sind zuwenig flexibel, zu stur, das macht sie eher zu schlechteren Autofahrern. Sie beharren stark auf ihr Recht, während im spanischen Verkehrschaos zum Beispiel jeder darauf vorbereitet ist, dass ein anderer etwas Unvorhergesehenes macht. Die Aufmerksamkeit und Flexibilität ist dadurch höher. Kurz notiert Alter: 37 Ausbildung: Einjährige berufsbegleitende Fahrlehrerschule. Voraussetzung: Abgeschlossene Berufslehre und Eignungstests (inkl. psychologische Tests). Arbeitgeber: Selbständig. Er führt mit Andi Flückiger die Fahrschule Ring. Arbeitspensum: 40 bis 45 Stunden pro Woche, circa 9 Fahrstunden pro Tag.

über die Welt Was ist Ihre Traumvorstellung von einem Leben nach dem Tod? Anita Ghilardi, 27 OLTEN Ich stelle mir ein Leben frei von materiellen Bedürfnissen und den daraus resultierenden Problemen vor. Gleichzeitig fände ich es sehr spannend, die Welt einmal aus einer anderen Perspektive (Vogel, Fisch...) zu erleben. Nenad Milic, 33 OLTEN Ich habe keine Traumvorstellung, sondern eine reale: Obwohl ich nur mässig religiös bin, glaube ich, dass wir nach dem Tod an eine „Sammelstelle“ kommen, wo uns unser ganzes Leben gezeigt wird und alle unsere Taten wieder zum Vorschein kommen. Je nach dem wird über uns gerichtet – wir sollten also versuchen, mehr Gutes als Schlechtes zu tun. Christine Bühler, 55 STARRKIRCH-WIL Meine Traumvorstellung ist es, in einem Leben nach dem Tod mit der Natur und der Musik verbunden zu sein. So könnte ich weiterhin Musik hören oder zum Beispiel lauschen, wie die Bäume rauschen und die Vögel zwitschern. Madeleine Portmann, 46 OLTEN Grundsätzlich glaube ich nicht an ein Leben nach dem Tod. Meine Traumvorstellung davon wäre allerdings: Friede, Friede, Friede!

Hodlerstrasse 8 – 12 CH-3000 Bern 7 www.kunstmuseumBern.CH di 10H – 21H mi-so 10H – 17H 11 120307_Ins_Kulturpool_Industrious_207x69.25mm.indd 1

07.03.2012 10:03:45


VON LINKS BIS RECHTS

Auf welche Unternehmen und Branchen als neue Steuerzahler soll sich Olten fokussieren?

THOMAS MARBET

IRIS SCHELBERT-WIDMER Stadträtin Grüne Olten

Grundsätzlich lässt sich diese Frage nicht abschliessend beantworten, denn einfache Rezepte gibt es selten. Den Fokus lediglich auf die Steuererträge neuer Unternehmen und Branchen zu richten, ist wohl zu einseitig. Es muss ebenso darum gehen, Arbeitsplätze zu schaffen und zu erhalten. Bei der Ansiedlung neuer Betriebe spielt die wirtschaftliche und industrielle Geschichte einer Gegend eine grosse Rolle. So wird beispielsweise die Uhrenindustrie wohl nie in Olten heimisch werden. Olten muss bei der Ansiedlung neuer Bertriebe und Unternehmen auf Vielfalt setzen. Je diversifizier-

ter der Branchenmix und die Firmenstruktur in der Stadt, desto geringer ist das Klumpenrisiko und desto weniger anfällig ist der Werkplatz Olten in wirtschaftlich schwierigen Zeiten. Wie weit dies aber eine Stadt effektiv steuern kann, darf bezweifelt werden. Auch ist die wirtschaftliche Entwicklung einer Firma oder einer ganzen Branche nicht immer voraussehbar.

Interessant sind für die Stadt Firmen und Betriebe mit hoher Wertschöpfung, was steuertechnisch vorteilhaft ist. Olten seinerseits bie-

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Gemeinderat SP Stadt Olten Wichtigste Aufgabe der Stadt ist es, mit einer umfassenden und weitsichtigen Siedlungspolitik und Standortförderung optimale Wachstumsvoraussetzungen zu schaffen.

Der SBB und dem Bahnhof kommen dabei eine Schlüsselrolle zu. Neben dem Bau der neuen Werkstätten und einer Betriebszentrale dient der Bahnhof als Drehscheibe eines attraktiven Kongress- und Konferenztourismus. Damit die Gäste auch über Nacht bleiben, sind mehr Übernachtungsmöglichkeiten anzubieten. Nebst den Geschäftskunden ist aber auch der Velotourismus im Sommer zu beachten. Günstige Übernachtungsmöglichkeiten entlang des Velowegs Schweiz (Jugendherberge) wären wünschenswert.

Olten entwickelt sich mehr und mehr zu einem Gesundheitsstandort. Neben medizinischen Grundversorgern und dem Kantonsspital mausert sich das Bifang zum augenmedizinischen Zentrum. Wünschenswert wäre die Verheiratung der im Kanton starken Medizinaltechnik mit dem Fachwissen der hiesigen Bildungseinrichtungen. Spinn-offs müssen nicht den Universitätsstädten vorbehalten sein, sondern könnten auch ein Modell für Olten sein.

Die Stadt sollte jungen, innovativen Betrieben vermehrt bezahlbare Lokalitäten anbieten. Und die Verwaltung und Politik müssen

tet viele Vorteile für kleine und mittlere, aber auch für grössere Dienstleistungs- und Produktionsbetriebe. Dafür spricht die gute geografische Lage im Schweizer Mittelland, die ideale Anbindung an den öffentlichen Verkehr, das bestehende und ausbaufähige Raum- und Platzangebot sowie der niedrige Steuerfuss. Verschiedenste Branchen und Firmen sollen auch Arbeitsplätze in einer grossen Bandbreite generieren. Das bedeutet nicht nur hochqualifizierte, sondern Arbeitsplätze jeder Art und Ausgestaltung. Im Idealfall sollte Olten Wohn- und Arbeitsort der Menschen sein. Der Erfolg liegt wohl am ehesten in einem gesunden und vielfältigen Branchen- und Firmenmix mit einem breiten Arbeitsplatzangebot.

die Hauseigentümer, welche ihre Liegenschaften zu überhöhten Mieten anbieten und den Unterhalt vernachlässigen, in die Pflicht nehmen. Warum gelingt es der Sportstadt ausserdem nicht, den einen oder anderen Sportverband anzusiedeln? Die Tour de Suisse ist regelmässig Gast in Olten. Beachvolleyball und Skating beleben schon heute die Innenstadt. Letztlich müssen aber auch die Betriebe selber Anstrengungen unternehmen. Nur wenn das hiesige Gewerbe Mut hat, vielfältige Dienstleistungen statt Einheitsbrei anzubieten, wenden sich die Konsumierenden von den Einkaufstempeln der Agglomeration ab. Dazu gehören mehr Spezialitätenläden und Restaurants, die sonntags geöffnet haben.

schelbert-widmer@bluewin.ch

thomas.marbet@snb.ch

CHRISTIAN GRÜNIG

Präsident Grünliberale Olten Schön, kann sich die grösste Schweizer Stadt Zürich die Förderung der Kreativitätswirtschaft auf die Fahne schreiben. Es sei ihr gegönnt. Nur sind wir nicht Zürich oder München oder anderswer. Wir sind Olten. Als Kleinstadt müssen wir unsere Stärken dort ausspielen, wo sie liegen und dies hat die Oltner Wirtschaftsförderung auf ihrer Homepage sehr gut auf den Punkt gebracht: „Eine herausragende Infrastruktur an zentralster Lage in der Schweiz, eine attraktive Besteuerung und interessante Steuermodelle, das grösste Potential von qualifizierten und ausnehmend produktiven Arbeitskräften, der Zugang zu führenden Lehr- und Forschungsinstitutionen – all dies schafft beste Voraussetzungen für Ihren längerfristigen Geschäftserfolg.“ Stimmt. Olten stellt sein Licht oft allzu sehr unter den Scheffel. Wir sollten uns ganz ein-

fach auf das Gute fokussieren, was unsere Stadt zu bieten hat. Die SBB beispielsweise, eröffnet Ende 2014 in Olten eine neue Betriebszentrale. 350 Menschen in hochqualifizierten Jobs. Viele dieser Menschen werden nach Olten ziehen und hier Steuern zahlen, sofern die Stadt genügend attraktiv ist. Weniger staatliche Regulierungen oder Auflagen sind dazu der richtige Weg. Projekte nicht unnötig durch Auflagen verkomplizieren. Oder auch auf offene Briefe von Gewerbetreibenden an die Stadt mit konstruktiven Lösungsvorschlägen reagieren und die Anliegen der Steuern zahlenden Bittsteller ernst nehmen. Sie sind die Basis für den Erfolg der Stadt Olten. In einem Klima von gegenseitigem Respekt fühlen sich auch kreative Köpfe wohl und es werden neue Ideen entwickelt und umgesetzt, die sich in Form von Arbeitsplätzen niederschlagen. Man muss

den Oltnerinnen und Oltnern ganz einfach weniger Steine in den Weg legen und ihnen möglichst viel Freiraum lassen. Die Ideen sind schon da. vorstand@glp-olten.ch

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KOLT


Hintergrund Die Alpiq ist mit grossem Abstand Oltens wichtigste Steuerzahlerin und bescherte der Stadt in den letzten Jahren volle Kassen. 2011 schrieb der Energiekonzern jedoch einen Milliardenverlust und auch die Gefahr eines Wegzugs kann mittel- bis langfristig drohen. Für welche Unternehmen/Branchen soll die Stadt günstige Rahmenbedingungen zur Ansiedlung schaffen? Die Stadt Zürich beispielsweise hat sich als Legislaturschwerpunkt auf die Ansiedlung und Förderung der Kreativitäts-Wirtschaft fokussiert. Welche Strategie soll in Olten verfolgt und eingeleitet werden?

MARCEL STEFFEN

Präsident und Gemeinderat CVP Olten Olten hat Potenzial und zwar gewaltig. Bei uns ist fast alles möglich, wir haben gute Industrieplätze, der Dienstleistungssektor und der Ladenmix sind sehr gut. Wir haben gute Wohngebiete und es gibt Entwicklungsgebiete wie Bifang, Bornfeld oder Südwest. Aufgrund der Verschiedenartigkeit dieser Steuerzahler ist eine strategische Fokussierung auf „richtige“ Steuerzahler in etwa so sinnvoll, wie auf Schnee in der Sahara zu wetten.

Zugegeben: Mit Alpiq haben wir einen (Gold-)Klotz am Bein. Typisch für Olten ist, dass wir beim kleinsten Zeichen einer drohenden Steuereinbusse gleich ins Jammertal stürzen, anstatt uns an den tollen Möglichkeiten zu erfreuen, welche wir dank den guten Steuereinnahmen in der Vergangenheit erhalten haben. Alpiq wird nicht nur Olten treffen! Wenn Alpiq wirklich wegzieht, dann hat der gesamte Kanton sich Gedanken zu machen, wie es nun weiter gehen soll. Fragen wir uns doch lieber, was Olten und seinen Charme ausmacht! Es sind nicht einzelne Steuerzahler, spezifische Bauprojekte, die Einfamilienhaus-Besitzer oder der Laden X. Es ist die bunte Vielfalt, welche in Olten herrscht. Die Gesamtheit malt das Bild von Olten – und genau mit dieser Gesamtheit gilt es auszukommen und diese Möglichkeiten gewinnbringend für uns einzusetzen.

STEFAN NÜNLIST Mitglied FDP Olten

Fortschreitende Globalisierung, technologischer Wandel, teurere Energie und der Kampf um gut ausgebildete Fachkräfte bestimmen unsere Zukunft. Für Unternehmen heisst das, die Produktion noch effizienter gestalten, Dienstleistungen auslagern und mit attraktiven Arbeits- und Wohnangeboten fähige Mitarbeitende langfristig gewinnen. Was sind die Stärken von Olten? Die zentrale Lage von Olten ist ein starker Trumpf. 90‘000 Menschen erreichen Olten in 10 Minuten, über 2,5 Millionen in von gut 30 Minuten. Olten hat sich in den letzten Jahren zu einem „Bildungs-Mekka“ entwickelt. Die Stadt verfügt mit der noch guten Finanzlage und den preiswerten Landreserven über attraktive Ressourcen.

Wie kann Olten seine Chancen nutzen? Olten setzt auf die „Bildungsstadt“. Motiviert durch attraktive Rahmenbedingungen bleibt eine Vielzahl der Studierenden nach dem Abschluss in Olten, gründen Unternehmen und entwickeln Olten zu einer Wissensund Forschungsstadt. Olten wächst durch die

müssen wir mutig überschreiten und in diese Zielrichtung weiter gehen. Das ist die richtige Antwort auf die gestellte Frage. Die Nennung von Lieblingssteuerzahlern wäre nicht zuletzt auch nur ein Wunsch – ich denke, dass kein Steuerzahler sich in Olten niederlässt, nur weil wir es in der Strategie so sehen.

Ansiedelung von Konzernzentralen und den Zusammenzug von Unternehmensdienstleistungen wie Callcenters, Rechen- und Verwaltungszentren. Unternehmen wie Sega, Swisscom und SBB haben bereits entsprechende Arbeitsplätze in Olten zusammengezogen. Drittens setzt Olten auf innovative Ge werbe- und Einkaufsbetriebe. In Olten finden diese als Partner der beiden Säulen Bildung und Unternehmensführung, aber auch in den 90‘000 um Olten herum wohnenden Menschen einen interessanten Markt. Voraussetzungen schaffen! Olten muss seine Zukunft gestalten. Voraussetzungen sind eine attraktive Innenstadt, Aufwertung der verschiedenen Wohnquartiere, Entwicklung der Areale rund um den Bahnhof, eine dienstleistungsorientierte, professionelle Stadtverwaltung sowie der achtsame Umgang mit Steuergeldern.

cvpolten@bluewin.ch

stefan.nuenlist@sbb.ch

Mit der geplanten Fusion können wir unsere Stärken ausbauen und das Bild einer pulsierenden Kleinstadt mit all ihrer Facetten weiter ausbauen. Diese wichtige Weggabelung

KOLT

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GERT WINTER

Gemeinderat SVP Olten Eine verführerische Fragestellung verleitet irgendwie zu einfältigen Antworten wie: auf zukunftsträchtige Branchen mit hoher Wertschöpfung, auf Firmen mit nachhaltiger Produktion und so weiter. In Wirklichkeit pflegt sich ein allenfalls konsensfähiger Branchenmix in einer freien Wirtschaftsordnung nirgends von selbst zu ergeben. Und das soll nach Überzeugung der SVP auch inskünftig so bleiben. Denn es gibt keinen Anlass, Politikern auch noch die Möglichkeit zu unternehmerischen Fehlentscheiden einzuräumen, deren finanzielle Folgen – wie immer – nicht sie selbst, sondern Dritte zu tragen haben. Nach dem Gesagten hat sich Olten nicht

auf bestimmte Unternehmen oder Branchen zu fokussieren, sondern auf diejenigen, welche ein Interesse am Unternehmensstandort Olten bekunden oder – noch besser – bereits ortsansässig sind. Gewiss obliegt es den Stadtbehörden, die Ansiedlung neuer Unternehmen in Olten möglichst zu erleichtern. Doch sollte dabei der Fokus auf der Schaffung attraktiverer Standortbedingungen für alle Unternehmen liegen. Zu diesen gehört nicht zuletzt die Höhe des Steuerfusses für die juristischen Personen. Eine Politik, die einerseits zusätzliche

Unternehmen nach Olten locken will, andererseits aber ein massives Ansteigen des Steuerfusses in der näheren Zukunft in Kauf nimmt, erscheint uns als widersprüchlich. Die SVP lehnt deshalb die geplante Gemeindefusion, die das Hauptziel einer jeden Fusion, den Bürgern der fusionierten Gemeinde bessere Leistungen zu günstigeren Preisen zu bieten, eingestandenermassen nicht erreicht, ohne Wenn und Aber ab. Analoges gilt für die angestrebte Aufhebung zahlreicher zentrumsnaher Parkplätze in der Innenstadt. Der Abfluss an Kaufkraft wird zwar nicht alle, aber doch zahlreiche Unternehmen in der Innenstadt nachhaltig schädigen. gert.winter@bluewin.ch

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IM EXIL

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Après-Ski mit Gimchi im Fauno Menschen aus der Region berichten aus der Welt diesmal unter anderem über die wahren Helden des Tirols, Scorseses Temporär-Werkstatt und das koreanische Schöpfverbot.

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ZILLERTAL, AUT

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as Zillertal im Österreichischen Bundesland Tirol ist bekannt für seine erfolgreichen Musikexporte. Durch die jahrzehntealte Tradition von „Après-Ski“-Feiern und der dazugehörigen Musik konnten sich lokale Formationen wie die „Zillertaler Schürzenjäger“ oder unlängst die „JuZi“ (Die Jungen Zillertaler) über regionale Breiten hinaus profilieren und internationale Erfolge feiern. Schnulzige Schlager und Skihütten-MitgröhlSongs zwischen „Sierra Madre“ und „So A Schöner Tag“ fanden sich über die Jahre immer wieder an der Spitze der Charts, und die Bands zählen auf eine international organisierte Fangemeinde. Man kann nun dem eigentümlichen Talvolk vorwerfen was man will, aller Vermarktung und Massentourismus zum Trotz steht die Tradition aber immer an erster Stelle. Das Er12.3.2012 10:32 Uhr Seite folgsrezept heisst Authentizität. Und 1

so trifft man um Mayrhofen nicht nur auf Ballermannstimmung, sondern immer noch auch auf Entertainer der ursprünglichen Art, die den grossen Stars von heute den Weg geebnet haben, indem sie die Tradition des Feierns und Musizierens hochgehalten haben. Ohne weltweite Anerkennung, mit derselben Leidenschaft – damals und heute. Cyril Müller, 30, stammt aus Fulenbach und arbeitet in Österreich als freischaffender Fotograf.

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ROM, ITa

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um Jubiläum der Vereinigung Italiens (150 Jahre) hat Cinecittà, welche in der südöstlichen Peripherie Roms liegt, ihre Tore geöffnet. Zu sehen gibt es für eine kurze Zeit die heiligen Hallen und Aussensets von Fellini, Wyler, Scorsese & Co. Vor 75 Jahren hat Benito Mussolini

den Entstehungsort für unter anderem rund 90 Oscar-nominierte Filme eröffnet. Die 40 Hektaren wurden während des zweiten Weltkrieges stark bombardiert und nach dem Krieg zur Unterbringung von „Displaced Peoples“ benutzt. In den 90er-Jahren verschlang eine Modernisierung 25 Millionen, gerade rechtzeitig, um 2002 den hohen Ansprüchen von Martin Scorcese, der dort seinen Film „Gangs of New York“ realisierte, gerecht zu werden. Die „Stadt“ hat gelebt, gelitten, geglänzt – das spürt man ebenfalls beim Vorbeigehen des Teatro № 5. Hier war Fellinis Reich, der nach „Dolce Vita“ beschlossen hat, all seine Filme in der Cinecittà zu drehen. Das Teatro № 5 ist mit 3,200 Quadratmetern, 14 Meter Höhe und einem im Boden versteckten Schwimmbecken das grösste in Europa. Raffaela Zerilli, 27, stammt aus Olten und wohnt und arbeitet in Rom.

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OTAVALO, ECU

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n Otavalo, meinem Olten in den Anden, gehe ich gerne ins Fauno. Die Besitzerin Sabi ist sympathisch und macht die besten Mojitos, die ich kenne. Ein Mojito kostet hier 2.50 $, in der Hauptstadt Quito muss man mit 4 $ rechnen. Tönt nach wenig, ist bei einem durchschnittlichen Monatslohn von 300-400 $ aber ziemlich viel. Man stelle sich vor, bei uns wäre der Preis eines Cocktails 1 Prozent des Monatslohnes...Prost! Petra Schneider, 28, stammt aus Wangen bei Olten und arbeitet in Otavalo für eine Schweizer Stiftung im Bildungsbereich.

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SEOUL, KOR

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as hier nach einer Versammlung der Star-WarsFangemeinde aussieht, ist in Wirklichkeit ein Messestand an

der Kimes 2012, der „28th Korea International Medical+Hospital Equipment Show“ in Seoul, Südkorea. Es ist beeindruckend, mit welchem Interesse und welcher Neugierde sich die Koreaner neuen Entwicklungen und Technologien gegenüber verhalten; Produkte werden heftig diskutiert, („ooohh“, „aaahh“) und anschliessend Visitenkarten ausgetauscht als wären es Panini-Bilder. Beim Business-Lunch am Abend gibt es zu jedem Gang „Gimchi“, eine auf der Milchsäuregärung basierende Zubereitungsart von Gemüse und die Tradition verlangt, sich nicht selber zu schöpfen, da dies als unhöflich und gierig betrachtet wird. Ist man durstig, hebt man mit beiden Händen das leere Glas und lässt sich vom Gegenüber Wasser nachfüllen. Die Koreaner sind jedoch sehr aufgeschlossen und verzeihen einem Europäer den

einen oder anderen Fehltritt mit einem Lächeln – nie würden sie sich getrauen, jemanden zurecht zu weisen. Benjamin Berger, 29, lebt in Olten. Er war kürzlich beruflich in Südkorea unterwegs.

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SALZBURG, AUT

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uch wenn die deutsche Grenze greifbar nah ist: Das Angebot an unschmackhaftem Bier ist gross. Bis im Herbst 2009 Dirky und Robby, meine Lieblingsbelgier, ihr Kingdom of Optimism – l‘Alchimiste Belge, eröffnet haben. Die selbsternannten belgischen BierBotschafter bieten über 50 verschiedene Biersorten an. Wenn Pascalekken, wie ich liebevoll genannt werde, sich nicht entscheiden kann, reicht auch eine Beschreibung wie „dunkel“, „fruchtig“, oder „leicht“ bit-

te, und eine vorher noch nie gesehene Biersorte steht vor mir. Seit 2009 bin ich nun Stammgast. Die Bar ist immer voll. Immer. Pascale Utz, 25, stammt aus Olten, ist Tänzerin und Choreografin und lebt in Salzburg.

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HO CHI MINH CITY, VN

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o Chi Minh City gehört zu den wildesten Städten in ganz Südostasien. Wild ist dort auch die Stromversorgung. Jeden Stromer, der hier die Strassen entlang schlendert, trifft selber fast der Schlag. Unzählige Leitungen, quer und wild durcheinander gelegt, versorgen die Stadt mit Energie. Ein Wunder, dass Stromausfälle in der Stadt, die bis 1976 Saigon hiess, nicht zur Tagesordnung gehören. Daniela Püntener, 30, Journalistin aus Olten, reist durch Südostasien.

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DIE VISION EINER FOTOSTADT FÜR DEN JURASÜDFUSS

Die Vision einer Fotostadt für den Jurasüdfuss Text von Karola Dirlam-Klüh Fotos von diversen Oltner Fotografen

Avanciert Olten zu einer Fotostadt? Nach dem Tod des Oltner Fotografen Franz Gloor im Jahr 2009 und durch die Schenkung des Solothurner Fotografen Roland Schneider im Februar 2012 ist die Stadt Olten in den Besitz umfangreicher Fotobestände gekommen. Nun wird kontrovers diskutiert, ob Olten einen „Ort der Fotografie“ mit überregionaler Ausstrahlung erhalten soll. Selbst unter den Fotografen gibt es jedoch kritische Stimmen.

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ir wünschen uns einen ‚Ort der Fotografie’ für den ganzen Kanton Solothurn“, erzählt Ruth Grossenbacher, Präsidentin des Vereins „Archiv Olten“.

Olten, fotografiert von Franz Gloor

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Der Verein – im Dezember 2009 auf Wunsch von Franz Gloor gegründet und von ihm mit der Förderung und Erhaltung der Fotografie in der Region am Jurasüdfuss beauftragt – will einen Ort schaffen, an dem in Zukunft Ausstellungen stattfinden und weitere Fotosammlungen archiviert werden können. Als Standort für dieses ‚Kompetenzzentrum für Fotografie’ kommt für Grossenbacher nur die Stadt Olten in Frage: „Mit den beiden Schenkungen von Gloor und Schneider wurde hier bereits der Anfang gemacht“, erklärt die ehemalige Nationalrätin, die Franz Gloor während ihrer Tätigkeit als Präsidentin der

Solothurner Filmtage kennen- und schätzen lernte. Auch in Fotografenkreisen gilt die Dreitannenstadt als idealer Standort für einen solchen ‚Ort der Fotografie’: „Olten ist ein Verkehrsknotenpunkt, mit der Bahn bestens zu erreichen, ist die am zentralsten gelegene Stadt am Jurasüdfuss“, nennt André Albrecht die bekannten Vorzüge. „Und ausserdem“, fügt der 47-jährige Oltner Fotograf hinzu, „sollte Olten im kulturellen Bereich auch mal was Beständiges auf die Beine stellen.“ Ein ‚Haus der Fotografie’ stünde ihr gut, ist Albrecht überzeugt. „Eine separate Liegenschaft für fotografische Ausstellungen, Archivierung und Katalogisierung von Fotos würde nicht nur den kulturellen Austausch und damit die Gesamtbewegung der Fotografie in unserem Kanton fördern, sondern auch zur Qualitätssicherung in unserem Metier beitragen.“ Kümmere sich in den

kommenden Jahren niemand um das Zusammentragen und die Archivierung der aktuellen Fotobestände, gingen viele Erinnerungen verloren. Unter einem etwas anderen Blickwinkel verfolgt Hansruedi Aeschbacher, stadtbekannter Fotograf beim Oltner Tagblatt, die Diskussion um einen ‚Ort der Fotografie’ in Olten: Für ihn geht es nicht primär um die Archivierung von Fotografie, sondern vor allem um deren Vermittlung – „zum Beispiel in Form von Ausstellungen zu aktuellen fotografischen Arbeiten“. Die momentane Ausstellung „Fotografie der Gegenwart am Jurasüdfuss“ im Historischen Museum sei schon super, so Aeschbacher. Aber auch er wünscht sich einen eigenständigen Ort, an dem Fotokunst nicht nur archiviert und katalogisiert, sondern vor allem auch präsentiert, gefördert und vermittelt werden kann.

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Marco Grob, fotografiert von AndrĂŠ Albrecht

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DIE VISION EINER FOTOSTADT FÜR DEN JURASÜDFUSS

„OLTEN IST KEINE FOTOSTADT – WAR SIE NIE UND WIRD SIE WOHL AUCH NIE SEIN.“

„OLTEN SOLLTE IM KULTURELLEN BEREICH MAL WAS BESTÄNDIGES AUF DIE BEINE STELLEN.“

Marco Grob, Fotograf

Dass es so etwas in Olten je geben wird, glaubt Marco Grob nicht. Das Urteil des aus der Dreitannenstadt stammenden Schweizer Starfotografen ist vernichtend: „Olten ist keine Fotostadt – war sie nie und wird sie wohl auch nie sein.“ Der 47-Jährige, der sich 2007 in New York niederliess und heute einer der erfolgreichsten Porträtfotografen der Welt ist, fände es zwar schön, wenn lokale Fotografie, die das Leben und Zeitgeschehen in der Region Jurasüdfuss umspannt, mit dokumentarischer und lokalzeitgeschichtlicher Relevanz eine perfekte Plattform bekäme. Aber: „In den 37 Jahren, in denen ich in Olten lebte, kam nie eine wirklich professionelle Ausstellung in Sachen Präsentation zustande.“ Marco Grob sagt daher, dass er einem Zentrum für Fotografie in Olten „sehr kritisch“ gegenüberstehe. Zu oft habe er Halbherzigkeiten erlebt, „und die bringen einfach nichts“. Und weiter: „Wenn dem Oltner Publikum regionale Fotografie wirklich wichtig wäre, hätte es sich kaum fast zwei Jahrzehnte lang mit dem obersten Stock des Stadthauses zufrieden gegeben, ohne zur Meuteri aufzurufen.“ Die entsprechenden Räume seien wegen der vielen Fensterflächen ein „wahrer AusstellungsSupergau“, so Grob. Die aktuelle Ausstellung im Historischen Museum, an der er auch selbst teilnimmt, sei von den Verantwortlichen zwar leidenschaftlich und gut gemacht worden, doch seien die Räume mit ihren Glaskästen für die Präsentation von Foto-

grafie längerfristig nicht voll zufriedenstellend.

André Albrecht, Fotograf

KAISER: „DAS WIRD UNS JAHRELANG BESCHÄFTIGEN“ Auch Ruth Grossenbacher lobt die Zusammenarbeit mit dem städtischen Museum, es sei ein guter Ort, die Zusammenarbeit sei perfekt. Sie wünscht sich aber grössere Unabhängigkeit: „Wir brauchen einen eigenen Ort, weil wir auch unter Eigenregie etwas machen wollen.“ Derselben Meinung ist auch Peter Kaiser, seit Ende 2001 Leiter des Historischen Museums Olten. Auch er findet, dass es einen Ort der Fotografie geben sollte. Aber: „Das sollte etwas Dauerhaftes sein und müsste bei einer bereits bestehenden Institution angesiedelt werden. Mir schwebt eine institutionalisierte Fachstelle für Fotografie vor, die sich um die Umsetzung aller Vorhaben kümmert.“ „Sein“ Museum sieht der 57-Jährige dabei nicht unbedingt in der Pflicht: „Unsere nächste Aufgabe ist die Archivierung der ganzen geschenkten Fotografien. Das wird uns mehrere Jahre lang beschäftigen.“ Man merkt: Kaiser ist in erster Linie Historiker; Fotos sind für ihn vor allem historische Quellen. „Es gibt aber jede Menge andere wichtige Quellen, um die wir uns auch kümmern müssen.“ Soll heissen: Für einen im Historischen Museum angesiedelten Ort der Fotografie fehlt sowohl Personal als auch Geld. André Albrecht fotografiert von Yves Stuber

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„DIE KOMPETENZ HÄTTEN WIR.“ Peter Kaiser, Kurator Historisches Museum

Peter Kaiser, fotografiert von Benjamin Hofer 20

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DIE VISION EINER FOTOSTADT FÜR DEN JURASÜDFUSS

„WIR BRAUCHEN EINEN EIGENEN ORT.“ Ruth Grossenbacher, Präsidentin Verein Archiv Olten

Ruth Grossenbacher, fotografiert von Flavia Schaub

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Markus Dietler, fotografiert von Sven Germann

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DIE VISION EINER FOTOSTADT FÜR DEN JURASÜDFUSS

„WIR MÜSSEN UNS AUF UNSERE LOKALEN AUFGABEN KONZENTRIEREN.“ Markus Dietler, Stadtschreiber

Trotzdem sollte man die Vision „Fotostadt Olten“ unbedingt weiterverfolgen, findet Kaiser. „Die Kompetenzen“, ist er überzeugt, „hätten wir.“ Schliesslich beschäftige man sich bereits seit Jahren mit Fotografie. Bisher stehe die Idee aber bloss im Raum. Man habe leider noch gar keine klaren Vorstellungen. Wo könnte ein Zentrum für Fotografien angesiedelt werden? Welche Kompetenzen und Aufgaben sollte es haben? Wie kann es finanziert werden? Und vor allem: Soll so etwas überhaupt entstehen? Fragen über Fragen. Um diese zu beantworten, „müssten sich die zuständigen Stellen erstmal einigen“, so Kaiser.

DIETLER: „DIE INITIATIVE DES KANTONS IST GEFRAGT“ Die zuständigen Stellen? Das können nur die Stadt Olten und der Kanton Solothurn sein. Diese unterstützen die Vision eines Ortes der Fotografie bisher vor allem ideell, erzählt Ruth Grossenbacher, „wahrscheinlich, weil damit auch eine Aufwertung des Standortes Olten einhergehen würde“. Aber auch materielle Hilfe sei gegeben – mit der geplanten Archivierung der beiden Fotosammlungen von Gloor und Schneider. Und tatsächlich: „Bei der Stadt Olten konzentriert man sich momentan hauptsächlich auf die genannten

Erschliessungsarbeiten der vorhandenen bzw. neuen Bestände. Stadtschreiber Markus Dietler bestätigt, dass man damit im Moment „voll beschäftigt“ sei, und betont die Kompetenz im Umgang mit Fotos, die die Stadt durch das Historische Museum und das Stadtarchiv hat. Alle bisherigen Fotobestände im Besitz der beiden Institute hätten jedoch einen lokalen Bezug. Gehe es um mehr – damit meint Dietler das als Idee umherschwirrende Kompetenzzentrum für Fotografie am Jurasüdfuss – sei die Initiative des Kantons Solothurn und allenfalls Privater gefragt. Olten selbst müsse sich mit seinen finanziellen und personellen Ressourcen auf seine lokalen Aufgaben konzentrieren, das heisst die bestehenden Museen und deren Ausbaupläne. „Mehr können wir im Moment nicht leisten“, so Dietler. „Eine Unterstützung von allfälligen Initiativen im Bereich Fotografie würde durch die Stadt aber sicher geprüft.“

„ES IST IN DIESER SACHE NICHT AUFGABE DES KANTONS, DEN LEAD ZU ÜBERNEHMEN.“ Alain Gantenbein, Präsident der kantonalen Fachkommission Film und Fotografie

GANTENBEIN: „DIE INITIATIVE DER STADT IST GEFRAGT“ Etwas anders klingt es aus kantonaler Sicht: Alain Gantenbein, Präsident der Fachkommission Film und Fotografie des Kuratoriums für Kulturförderung des Kantons Solothurn, betont, dass der Kanton es in dieser Sache „nicht als seine Aufgabe sieht, Alain Gantenbein, fotografiert von Markus Wolf

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Hansruedi Aeschbacher, fotografiert von Remo Buess

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DIE VISION EINER FOTOSTADT FÜR DEN JURASÜDFUSS

„ES GEHT NICHT UM DIE ARCHIVIERUNG DER FOTOGRAFIE, SONDERN UM DEREN VERMITTLUNG.“ Hansruedi Aeschbacher, Fotograf

den Lead zu übernehmen“. Soll heissen: Kräfte in der Stadt Olten sollen die Initiative ergreifen; der Kanton sei bereit, subsidiär zu unterstützen. Olten als Standort für einen Ort der Fotografie sei wegen seiner idealen Verkehrserschliessung schon gut, aber auch Alain Gantenbein ist der Meinung, man dürfe sich nicht allein auf das Historische Museum beschränken: „Die Räumlichkeiten dort eignen sich leider nur bedingt für Fotoausstellungen. Man bräuchte auch offene, grosszügige Räume.“ Wo die zu finden sind, weiss Gantenbein auch nicht. Als nächstes müsse erstmal ein umfassendes Konzept erarbeitet werden, wünscht sich der 53-Jährige. Dieses mittelfristige Ausstellungskonzept müsse aus Olten kommen und nicht nur die Archivierung, sondern auch die Vermittlung der fotografischen Werke umfassen – „denn nur so bleiben die Bilder auch am Leben“. Bis dahin seien auf kantonaler Ebene direkt erstmal keine konkreten Schritte geplant. Mit seiner Kommission versuche er lediglich, die beteiligten Kräfte zu bündeln – „auch, damit keine falschen Erwartungen geweckt werden.“ Konkreter äussert sich Cäsar Eberlin, Leiter des kantonalen Amtes für Kultur und Sport. Er berichtet von einem Museumskonzept, das der Regierung bereits vorgestellt wurde und sich der Frage widmet, wie die fotografische Substanz – und auch andere Kulturgüter – des Kantons erhalten werden können. Die Idee, in Olten einen Ort der Fotografie einzurichten,

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ist auch Eberlin bekannt: „Sie begegnet mir in verschiedenen Kontexten.“ Doch für ihn ist alles eher eine Frage der Ressourcen: „Man kann nicht alles erfüllen.“ Deshalb sehe das bereits erwähnte Museumskonzept nicht die Gründung einer neuen Institution, sondern eine Aufgabenverteilung auf verschiedene bereits bestehende Einrichtungen im Kanton vor. Das Historische Museum in Olten, aber auch die Zentralbibliothek in Solothurn und das grafische Zentrum im Kunsthaus von Grenchen sollen dabei entscheidende Aufgaben übernehmen. Auf jeden Fall sollten diese Aufgaben auf kantonaler Ebene gelöst werden, ist Eberlin überzeugt. Fazit: Ob es einen Ort der Fotografie in Olten geben wird, welche Rolle Fotografie am Jurasüdfuss in Zukunft spielen wird und wie die Aufgaben rund um Archivierung, Erhaltung und Vermittlung kantonaler Kulturgüter gelöst werden, steht zurzeit noch in den Sternen. Bleibt zu hoffen, dass die beteiligten Personen und Institutionen in absehbarer Zeit gemeinsam an einer Beantwortung aller Fragen arbeiten, damit gute Ideen in die Praxis umgesetzt werden können. Für Ruth Grossenbacher stehen die nächsten Ziele jedenfalls fest: Finanzbeschaffung, Organisation einer Ausstellung mit Bildern von Roland Schneider oder einer Ausstellung über die 18-jährige Zusammenarbeit von Gloor und Schneider im Frühjahr 2013 – sowie, natürlich, die Weiterverfolgung ihres Traums: einem Ort der Fotografie in Olten.

Vorbilder für Olten – Fotostädte der Schweiz Die Städte Lausanne und Winterthur haben sich als Schweizer Zentren für Fotografie etabliert. Schon in der näheren Umgebung finden sich aber bedeutende Sammlungen fotografischer Quellen. Das in Lausanne etablierte Musée de l’Elysée ist eines der ersten europäischen Museen, das sich voll und ganz der Fotografie verschrieben hat. Es ist eine Institution des Kantons Waadt und arbeitet mit Universitäten, mehreren Sponsoren und anderen Institutionen zusammen. Seit seiner Entstehung 1985 wurde eine Sammlung von über 100‘000 Fotografien zusammengetragen. Seine Sammlung umfasst bedeutende Bestände wie jene von Robert Capa, Gilles Caron, Raymond Depardon, Mario Giacomelli und Sebastiao Salgado. Zahlreiche Ausstellungen werden auch ausserhalb der Museumsmauern gezeigt – schweiz- und weltweit. Das Zentrum für Fotografie in Winterthur umfasst unter anderem das Fotomuseum Winterthur, die Fotostiftung Schweiz und eine Fotobibliothek. Sein Ursprung ist das 1993 gegründete Fotomu-

seum Winterthur. Es ist nicht nur eine Kunsthalle für Fotografie von zeitgenössischen Fotografen und Künstlern (Lewis Baltz, William Eggleston, Nan Goldin, Andreas Gursky, Roni Horn, Boris Mikhailov), sondern auch ein klassisches Museum für die Meister des 19. und 20. Jahrhunderts. Weitere wichtige Institutionen sind die in Zürich ansässige Schweizerische Stiftung für die Photographie, das „Musée suisse de l’appareil photographique“ in Vevey, die „Fondazione Galleria Gottardo“ in Lugano und das Schweizerische Institut zur Erhaltung der Fotografie in Neuenburg. Im regionalen Umfeld haben das Photoforum Pasquart in Biel, das Staatsarchiv Aargau, die Zentralbibliothek Solothurn, das Stadtmuseum Schlössli in Aarau sowie das Stadtmuseum Zofingen bedeutende Sammlungen fotografischer Quellen.

Wie die Stadt zu ihren Bildern kam Fotografie ist nicht erst seit der Schenkung von Franz Gloor ein Sammlungsschwerpunkt des Historischen Museums in Olten. Der Oltner Fotograf Franz Gloor war weit über den Kanton Solothurn hinaus bekannt für seine fotografischen Reportagen und Dokumentationen. Kurz vor seinem Tod im Dezember 2009 vermachte er seinen Foto-Nachlass der Stadt Olten. Dieser wird seither vom Historischen Museum betreut, das eng mit Gloor zusammengearbeitet hatte. Zudem äusserte Gloor den Wunsch, eine Stiftung oder einen Verein zu gründen, um den Nachlass zu verwalten. So wurde am 10. Dezember 2009 der Verein Archiv Olten gegründet. Im Februar 2012 gelangten dann auch die Fotoar-

beiten des Solothurner Fotografen Roland Schneider, mit dem Franz Gloor seit 1972 viele Jahre lang zusammen gearbeitet hatte, als Schenkung an die Stadt Olten. Die Fotografie bildet jedoch nicht erst seit den beiden Schenkungen einen Sammlungsschwerpunkt des 1902 gegründeten Historischen Museums. Bilder als historische Quellen zu erhalten und zu deuten, ist eine seiner Hauptaufgaben. Den Anstoss zur Ausstellung „Fotografie der Gegenwart am Jurasüdfuss“ im Historischen Museum gab der Verein Archiv Olten. Die Ausstellung läuft noch bis am 15. April.

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HÖREN & LESEN IN EINEM ZUG

Mein Balkon an der Sankt Jakobsstrasse

So ist sie nicht

Pedro Lenz, 46, ist Schriftsteller und lebt in Olten gleich beim Bahnhof. Er ist

von Pedro Lenz

praktisch täglich im Zug unterwegs.

Illustration von Petra Bürgisser

von Noëmi Lerch

Von meinem Balkon aus habe ich freie Sicht aufs Meer. Das Meer besteht aus vielen Farben, die sich im Wasser bewegen. Das Wasser ist an manchen Tagen klar, so dass ich bis auf den Grund sehen kann. Wenn Sturm ist, sieht man den Grund des Meeres nicht. Man muss dann die Augen schliessen und dem Tosen und Brausen der Wellen lauschen. Wenn ich ein Surfer wär, würde ich mich in die allergrössten Wellen hinauswagen. Manchmal, im Winter, wenn die Wellen ganz hoch sind, spritzt der Gischt bis zu mir hinauf, auf den Balkon. Wenn ich lange genug stehen bleibe, bilden sich Salzkrusten auf meinem Gesicht. Ich nenne sie: die Winterblumen. Ich habe meinen Tagesablauf ganz nach dem Meer ausgerichtet. Morgens, um sechs, kommen die Fernfahrer, mit Salatköpfen und tiefgefrorenen Broten in ihren Trucks. Sie reisen schon ihr Leben lang. Ich halte meinen Morgenkaffee in die Luft und rufe: Auf die Reisenden! Ahoi! Noëmi Lerch aus Baden studierte am Schweizerischen Literaturinstitut in Biel. Sie schreibt für verschiedene Zeitschriften im Unter- und Oberland, darunter für „Narr“. www.dasnarr.ch Die Kolumne für Newcomer und solche, die es werden wollen. Schick auch Du uns Deine 1000 Zeichen an redaktion@kolt.ch.

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in kühler Wind blies durch den Bahnhof. Die Liebenden waren gerade daran, das gläserne Wartehäuschen auf dem Perron zu verlassen, weil ihr Zug eingefahren war. Beide waren jung und schön, sehr jung und sehr schön, um es genau zu sagen. Der Bursche hatte einen Arm um ihre Schulter gelegt und sie hielt ihn fest an der Taille. Das Mädchen teilte ihm etwas mit, das wegen des Zuglärms nicht zu verstehen war. Was sie gesagt habe, fragte er, als der Zug endlich stillstand. «Ich bin nicht so!», sagte sie nun eindringlich und für alle Umstehenden gut hörbar. Der kleine Satz klang seltsam. Es fehlte ein Vorher und ein Nachher. Es fehlte ein Kontext. Die vier Worte aus dem Mund der jungen Frau lagen in der Luft wie ein exotischer Duft. Was sie damit sagen wolle, fragte sie deshalb ihr Freund noch einmal und sie wiederholte in fast schon hauchendem Tonfall: «Ich bin nicht so!» Die wenigen Leute, die in der Nähe herumstanden, sahen erst auf das Mädchen und dann auf den Jüngling, der sie immer noch zärtlich im Arm hielt, dabei aber auf einmal schüchtern und ratlos wirkte. Er habe doch gar nichts anderes gesagt, beteuerte er, küsste sie auf die Stirne und strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht. Sie hielt sein Gesicht mit beiden Hände und

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küsste ihn auf den Mund. Und während das Paar Hand in Hand in den wartenden Zug einstieg, hallte ihre warme, liebe Stimme durch den Bahnsteig. Deutlich waren ein letztes Mal die Worte «ich bin nicht so», zu vernehmen. Dann fuhr der Zug Richtung Bern davon. Vermutlich haben alle Zeugen dieser kleinen Szene zwischen Gleis 10 und 11 noch eine Weile über den Sinn des knappen Satzes sinniert. Eigenartig, mögen sie gedacht haben. Da weiss man über eine Person praktisch nichts, ausser, dass sie sehr jung, sehr schön und sehr verliebt ist. Da sieht man diese Person vielleicht ein einziges Mal in seinem Leben und auch dies nur flüchtig. Und die einzigen Worte, die man vom unbekannten Wesen vernimmt, lauten: «Ich bin nicht so». Keiner von denen, die diese junge Frau nie vorher und nie nachher in seinem Leben gesehen hat, kann wissen, wie sie tatsächlich ist. Ist sie eitel? Ist sie tierlieb? Ist sie geduldig? Ist sie gescheit? Ist sie launisch? Ist sie musikalisch? Ist sie neugierig? Ist sie schüchtern? Ist sie farbenblind, zuckerkrank oder tablettensüchtig? Irgendetwas wird sie wohl sein. Vielleicht ist sie auch ganz vieles. Wir haben keine Ahnung. Das einzige, was wir wirklich wissen können, hat sie uns selbst verraten: Sie ist nicht so.

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HÖREN & LESEN

Fribi's Metal News

Deeno‘s Reviews

Ché's Bro Tipps www.bromusic.ch

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CYNIC

QUAKERS

The Portal Tapes (Season of the Mist)

Same (Stones Throw Records)

Jesus, was für ein abgehobenes Teil! Cynic verbraten ihre verschollenen Tapes, eigentlich als Side Project erschienene Demo Tapes, unter dem Pseudonym „Portal“. Keine Angst, es handelt sie um neu eingespielte Songs in Top-Qualität und nicht um Übungsraum-Jam-Sessions. Doch, vorweg: Das ist schwer verdauliche Kost, die wohl nur noch OpenMind-Metaller begeistern kann. Fusion Jazz meets Ambient-ElectroWave. Spielten sie mal melodisch progressiven JazzDeath-Metal, bewegen sie sich nun eher im experimentellen Fusion-Bereich, von Pop über Jazz bis zu New Age hats von allem was drin. Das Album gleicht einem LSDTrip und ist daher nur sehr dosiert zu konsumieren – doch es hat Suchtpotential!

Geoff Barrow und Stuart Matthews dürften den meisten als Namen nicht geläufig sein. Dabei versteckt sich dahinter die eine Hälfte von Portishead. Mit ihrem Produzentenkumpel Katalyst machten sich die drei daran, den Hip-Hop dahin zurückzubringen, wo er hingehört: auf die Strasse. Als Quakers produzieren die drei schroffe Beats, die an die glorreiche HipHop-Ära der 90er-Jahre erinnern. Knackende Samples, schräge Sounds und rohe Produktionstechniken werden mit den Strassen-Raps von über 25 MCs ergänzt. Leute wie Diverse, Guilty Simpson oder M.E.D haben nichts mit Bling-Bling am Hut. Das ist Hip-Hop, wie er sein sollte, ohne Goldzähne, dafür mit brachialer Wut und maximaler Street Credibility! Aight!

MESHUGGAH

PHOTEK

Koloss (Nuclear Blast)

DJ-Kicks (!K7)

Ja, Koloss ist treffend für dieses Album. Meshuggah stellen uns einen Monolithen hin, wie nur sie ihn erschaffen konnten. Wuchtig, glatt produziert und messerscharf kommen hier vertrackte GitarrenRiffs gepaart mit unglaublichen Bassläufen daher. Es macht einfach Spass, dieser Band bei der Arbeit zuzuhören, hier wird spielerisches Können mit brachialer Härte zu einem explosiven Soundgemisch vereint, das einen komplett in den Bann zieht. Meshuggah haben mit Koloss für mich das bis dato beste Album ihres Schaffens abgeliefert, immer wieder fesseln sie den Hörer mit einer Komplexität, die ihresgleichen sucht. Das ist pure Kunst, von der Musik bis hin zum CD-Case durchwegs perfekt – etwas, das man sich als Musikfan gerne auch als LP in den Schrank stellen mag.

Photek gilt als einer der grossen musikalischen Vordenker elektronischer Musik. Seit 1994 hat er vor allem mit seinen Drum&Bass-Produktionen stetig neue Wege begangen und stand dabei musikalisch keine Sekunde still. Als Musiker wie auch als DJ bewies er sich stets als Visionär. Hier präsentiert er uns auf der beliebten DJ-Kicks-Serie von !K7 einen Mix mit eigenen Produktionen, sowie seinen Favoriten der letzten Zeit. Photek beweist grosses Gespür für die richtige Abfolge und mixt mit Leichtigkeit alles zusammen, was die elektronische Musik hergibt. Von krachendem Drum&Bass zu düsterem Dubstep, deepem Techno oder auch chilligeren Tönen...Der Meister seines Fachs beliefert die Electro-Gemeinde einmal mehr mit der musikalischen Version von übermorgen!

ROBERT GLASPER EXPERIMENT Black Radio Der von Blue Note gesignte Pianist fühlt sich in der Welt des Hip-Hop und des Jazz gleichermassen zuhause. Glasper selbst definiert seine Art der Verbindung des Jazz mit Hip Hop und Soul schlichtweg als „The Jazz music of today“. Glasper über seine einzigartige Band: „Wir können alles machen, wirklich alles, was wir wollen. Wir alle haben eine musikalische ADS und sind damit absolut glücklich.“ Ein regelrechtes Who is Who der Neo- und Urban-SoulKultur mit hochkarätigen Künstlern wie Erykah Badu, Lupe Fiasco, Lalah Hathaway, Ledisi, Chrisette Michele, Musiq Soulchild, Meshell Ndegeocello, Mos Def, Bilal, KING, und Stokley Williams verdichten „Black Radio“ zu einer musikalischen Ausnahmeerscheinung.

FERRAR / YAMES / JOHNSON / PARKER

KOLT

April 2012

New Multitudes Zusammen bilden Jay Farrar, Will Johnson, Anders Parker und Yim Yames eine Art Dream-Team der zeitgenössischen Americana-Musik. Zum 100. Geburtstag von Woody Guthrie vertonten sie unbekanntes Material ihres Idols.

ERIC BIBB Deeper In The Well In Pont Breaux in Lousiana wurde das neue Album eingespielt, und so atmet die Musik viel vom Spirit dieses Landstrichs. Wie er selbst ausführt, sei Louisiana ein Platz, wo die alten Stile überlebt hätten und Neues geboren worden sei. Die reiche Geschichte, die aus afrikanischen, französischen, spanischen, karibischen und indianischen Quellen schöpft, habe eine einzigartige Kultur hervorgerufen, die sich letztlich auch in der Musik widerspiegele.

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HÖREN & LESEN

Welcome to St.Olten von Gabriel Vetter

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ie Jugend von heute habe keine Träume mehr, heisst es. Das stimmt nicht. Ich habe noch einen Traum. Der Traum spielt in Olten. Ah, Olten, Du Langenthal der Deutschschweiz, Du Wallisellen des Südens, Herisau der Herzen! Der Traum ist zwar Albtraum, aber immerhin, es ist ein Traum. Er handelt von der baldigen Fusion aller Strassenparaden, Demonstrationen und Volksumzügen – und er geht so: In meinem Traum wird die Basler Fasnacht, dieser lärmende Tatzelwurm, finanziell nicht mehr rentieren und privatisiert und wird zur Aktiengesellschaft umfunktioniert. DJ Antoine wird sich die Aktienmehrheit dieser Fasnachts-AG sichern, und nachdem sich DJ Antoine auch noch die Zürcher Streetparade eingekauft hat und das Sechseläuten und jeden Appenzeller Alpaufzug, werden die Fasnacht und die Street Parade und alle diese anderen Umzüge und Strassenparaden fusioniert und fortan unter dem Namen „The Big Scheiss Umzug“ (TBSU™) zusammengeschlossen und durch die Strassen fegen, aber nicht durch irgendwelche Strassen, nein, DJ Antoines TBSU™ wird geographisch diplomatisch, konkordanzkompatibel und durchschnittsorientiert durch die Gassen von Olten rollen, und bald werden sich auch die Gay Parade und die Thurgauer Walpurgisnächte als nebulöse Randgruppen-Spin-Offs dem Oltner TBSU™ anschliessen müssen, kurz darauf werden auch die Antifaschistischen Abendspaziergänge, die Frauenrechts-Paraden vom 8.März und der nationalistische Rütli-Aufmarsch, die sich unterdessen alle als „Die allgemeine, allesumfassende Polit-Parade“ zusammengetan haben werden, von DJ Antoine aufgekauft und in die TBSU™ integriert werden; aus der Nachlassstundung des Agrarministeriums werden die

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insolventen Westschweizer Weinbauernproteste günstig erworben werden, inklusive Traktoren und Heugabeln schwingenden Alpöhis, und so wird die TBSU™, dieser riesige Mutant von Umzug, dieser Paraden-Melting-Pot, die Stadt Olten einmal im Jahr dem Erdboden gleichmachen: der glatzköpfige Schwarze-Fasnachts-Block wird den kapitalistischen SechseläutenPöbel mit antifaschistischen Pflastersteinen bombardieren, der Böög, ein schwuler, nur mit Aluminiumfolie und Lederriemen bekleideter Biobauer aus Vevey, wird zu einem wummernden Technobeat „Blaggedde! Blaggedde“ schreien, während drei Solothurner Feministinnen in G-Strings (aus dem Drittwelt-Laden, versteht sich) dazu einen Protesttanz aufführen, und der Zürideutsche Schnitzelbängg vortragende Unia-Tätschmeister DJ Antoine wird daneben stehen, in einem rosafarbenen, viel zu engen T-Shirt, auf dem „Welcome to St.Olten“ stehen wird, Olten wird vom wild gewordenen Umzugs-Mob bis auf die Grundmauern niedergebrannt werden und die TBSU™ samt DJ Antoine unter sich begraben, und alles, alles wird endlich gut sein, und Paraden wird es nur noch in Nordkorea geben. So. Das ist, ganz vage skizziert, mein kleiner Traum. Manchmal träume ich aber auch von Albino-Ponys, die mit Zeppelinen über das Imkern fachsimpeln – aber dieser Traum hat hier nichts zu suchen.

Gabriel Vetter, 1983 in Schaffhausen geboren, wohnt heute in Basel. Er ist höchst erfolgreich als Schriftsteller, Kabarettist, Slam Poet sowie Kolumnist für verschiedene Medien tätig, darunter die Basler Zeitung und die Zeitschrift Hochparterre. DerniereSolo-Show „Menschsein ist heilbar“, am 26. April 2012 im Casinotheater Winterthur.

Zermatt

von Kilian Ziegler

Vor ein paar Wochen – der aufmerksame Leser bemerkt sofort die gekonnt eingesetzte Retrospektive – war ich zum ersten Mal in Zermatt. Ich habe schon zwei bis drei Schneegebiete gesehen, Davos, die Lenzerheide, meine Tiefkühltruhe, aber Zermatt verweist manche Skidestination auf die Anfängerpiste. Das hätte ich nicht gedacht, ich war dem Wallis gegenüber stets skeptisch, ist es doch ein kantongewordener Sprachfehler. Lange hatte ich mich gefragt, ob man einen Flecken, der Sepp Blatter gekalbt hat, ernst nehmen kann? Spätestens seit meinem viertägigen Zermatt-Aufenthalt weiss ich: Ja, man kann. Einer der Gründe, warum der Ferienort beeindruckt, ist dessen Wahrzeichen schlechthin, der grosse Stein, the Horn, der Matterhügel. Ain’t no mountain high enough?! Vielleicht doch, denn das Matterhorn, das sollte ich beim erstmaligen Anblick sofort herausfinden, ist ein Berg, grösser als jeder afroamerikanische Basketballprofi, und das will etwas heissen. A propos Berg, warum kann man einen Verletzten bergen, aber keinen Berg verletzen? Und wieso bedeuten Schneebrett und Snowboard trotz wörtlicher Übersetzung nicht das Gleiche? Die Sprache kann einen aufs Glatteis führen. Zermatt kann das auch, ganz ohne Schlittschuhe denise-biellmannen täglich Touristen durch den eingeeisten Ort. Man muss kein Mathematiker sein um zu wissen, dass Minus-Temperaturen in der Summe nicht immer angenehm sind, das ist spätestens bekannt seit Immanuel Kalts kategorischem Winteraktiv. (Diesbezüglich nicht zu verwechseln: Zermatt gleich Kälte, Asterix gleich Kelte.) Trotz aller Schönheit birgt die Gemeinde auch Gefahren in sich, wie zum Beispiel Gletscherspalten. Gerade neulich ist ein Mann in eine solche hinuntergestürzt, er hat überlebt, doch die Gletscherspalte musste eingeschläfert werden. Seit ich also das Matterhorn gesehen habe, bin ich echter Schweizer und muss nicht mehr demonstrativ in Älplertracht Mani-Matter-Songs jodeln, sondern kann mich auf anderes konzentrieren, mich vollumfänglich auf die Schönheit der Landschaft einlassen: Das verschneite Dorf im Tal, umringt von Albino-Bergen, massiert das Auge auf angenehmste Weise. Ich freue mich jetzt schon auf meinen nächsten Besuch im Wallis, kann es kaum erwarten, wie der Kamin im Hotel Knistermusik beatboxt, während draussen der Kältegott herrscht, auch bekannt als Kermit der Frost. Zermatt, wir sehen uns nächsten Winter, ich schwöru. Eine gute Zeit La vache (S)kili(ft) PS: Viele homosexuelle Öfen haben ein Kamin-Out.

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HÖREN & LESEN

Schon gelesen..?

KOLT liest... DUMMY „Unabhängiges Gesellschaftsmagazin“, welches 6x im Jahr erscheint. Jede Ausgabe behandelt ein Thema („Schwarze“, „Polizei“, „Scheisse“, „Sex“, „Behinderte“, „Schweiz“) und wird von einem jeweils anderen Grafiker gestaltet. Jedes Mal neu, jedes Mal anders. www.dummy-magazin.de Matthias Sigrist, Verlagsleiter

von Marianne Hertner

EISENBAHNSTADT Fotobuch

FAST GENIAL von Benedict Wells Roman Der 18-jährige Francis Dean lebt mit seiner manisch-depressiven Mutter ohne Zukunftsperspektive in einer armseligen Wohnwagensiedlung am Stadtrand des amerikanischen Provinznestes Claymont. Francis ist arm und schlecht in der Schule: kurz ein Versager. Als er nach einem Selbstmordversuch seiner Mutter erfährt, dass er als Retortenkind aus der „Samenbank der Genies“ stammt, beschliesst er, seinen intellektuellen Erzeuger zu suchen. Zusammen mit seinem Jugendfreund Grover und seiner Freundin Anne-May fährt er quer durch Amerika nach Los Angeles. Auf diesem Trip stösst nicht nur die Freundschaft an ihre Grenzen, auch die tatsächliche Begegnung mit seinem leiblichen Vater endet in einem Fiasko. Doch Francis setzt alles daran, sein Versager-Dasein endgültig loszuwerden. Benedict Wells (Jg 84) greift mit seinem bis zum Schluss spannenden Erfolgsroman die Geschichte des amerikanischen Millionärs Robert Graham auf, der mit einer Samenbank für Nobelpreisträger in den Achtzigern ein klügeres Amerika erschaffen wollte. Ein absurdes Experiment, wie sich später herausstellte.

150 Jahre Eisenbahn in Olten, von Franz Gloor und mit Beiträgen von Alex Capus u.a. Hrs. v. Einwohnergemeinde Olten, 2006 Beim Betrachten des umfangeichen Fotobuches mit Schwarzweiss-Bildern von Franz Gloor begibt man sich auf eine Zeitreise zurück in die Phase vor dem Umbau des Oltner Bahnhofs. Die Bildstrecken zeigen die vielen Facetten des Ortes von Ankunft und Abfahrt, Arbeitsstätte und der Technik. Das Buch hält in verschiedenen Sequenzen Bilder von Pendlern, Reisenden und Wartenden fest. Nicht zu kurz kommt auch der „Backstage“Bereich mit den vielen Arbeitsplätzen rund um den Bahnhof an den Schaltern, der Werkstatt, dem Rangierund Fahrdienst, bei den Putzequipen. Auch das berühmte Bahnhofbuffet als Treffpunkt für Geschäftstermine und Sitzungen fehlt nicht. Aufgelockert werden die Bildsequenzen von Texten verschiedener Autoren. Besonders unterhaltsam ist der Beitrag von Peter Killer zum „Kunstort Kilometer 0“: So sollen sich unter den Abermillionen von Personen, die im Bahnhof Olten um- oder ausgestiegen sind, einige grosse Künstler befunden haben. Claude Monet auf der Durchreise nach Venedig, Pablo Picasso auf dem Weg zum seinem Freund Paul Klee und Andy Warhol unterwegs zu seinem Galeristen – sie alle sollen in Olten Station gemacht haben.

DER RÄUBER Roman von Rober Walser Der Räuber räubert durch die Welt, als gäbe es kein Morgen. Er verliebt sich, verliert sich an jeder Strassenecke neu – und das in schönster Schweizer Schriftsprache. Der Roman entstand 1925, wurde aber erst posthum 1972 veröffentlicht. Fabian Saner, redaktioneller Mitarbeiter SUNSET Roman von Klaus Modick Lion Feuchtwanger erfährt im kalifornischen Exil von Brechts Tod. Die Erinnerungen an den ungleichen Freund bilden die Folie, vor der Modick über das Alter und das Schreiben nachdenkt. Brillant! Fiona Gunst, redaktionelle Mitarbeiterin Marianne Hertner ist Leiterin der Bibliothek der FHNW Olten. www.fhnw.ch/wirtschaft/bibliothek/ bibliothek-olten www.facebook.com/bibliothek.FHNW. Olten Die besprochenen Bücher sind im Bibliothekskatalog bestellber http://recherche.nebis.ch

WIR HABEN KEINE ANGST Von Nina Pauer „Werden wir es je schaffen, den Sirenen des Konjunktivs zu widerstehen?“ fragt die ZEIT-Journalistin (*1982) in ihrem ersten Buch – Stichwort Multioptionsgesellschaft. Eine ganze Generation dürfte sich bei der Lektüre ertappt fühlen. Pierre Hagmann, Redaktionsleiter

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FREAKS BRAUCHT DAS LAND

Bunte Mischung: Die Mittelalter-Gruppe „Frohburger Gesyndel“.

Berühmt-berüchtigt, aber auch gebildet: Egalius vom Rumpel. Eigentlich heisst er ja Denis Köpfli.

Von Recken und Maiden Text von Fiona Gunst Fotos zVg

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„Second Life“ mal anders: Für die Mitglieder des Vereins „Frohburger Gesyndel“ beginnt jetzt die Zeit, in der sie regelmässig in die Rolle mittelalterlicher Handwerker schlüpfen und an Märkten und Spektakeln ihre Künste präsentieren. KOLT sprach mit dem Vize-Präsidenten des Vereins, Denis Köpfli alias Egalius vom Rumpel.

galius vom Rumpel wurde als Kind dem noch ungeborenen zukünftigen Grafen der Frohburg zum Knappen versprochen. Nach dem Tod seiner Eltern musste er aber aus der Gegend fliehen. Sein mit ihm geflohener Onkel übergab ihm schon im Sterben einen Papyrus, der ihn, Egalius, anhielt, nach seinen Wurzeln zu suchen. Egalius aber konnte nicht lesen, und weil in den fernen Landen, in die es ihn verschlagen hatte, niemand den Ort Olten kannte, schickten ihn die, die seinen Zettel zu entziffern versuchten, in den Osten. Als Söldner auf den Kreuzzügen errang sich Egalius den zweifelhaften Ruf, keine Gnade zu kennen. Berühmt-berüchtigt aber auch gebildet, kehrte er schliesslich in seine Heimat zurück: Ein Schriftgelehrter im Orient hatte ihn in der Papierherstellung und der Kalligraphie unterrichtet und ihm endlich seinen Herkunftsort nennen können. Egalius trat in die Dienste des Grafen, dem er seit seiner Kindheit versprochen war. Als Veteran ist er inzwischen von vielen Pflichten entbunden und präsentiert, friedlich ge-

worden, den Besuchern der Märkte die im Orient angeeigneten Künste. Ausserdem kümmert er sich als Koch um das leibliche Wohl des Frohburger Gesyndels. Wenn Denis Köpfli, der im richtigen Leben als Produktionsmitarbeiter im Druckbereich tätig ist, die Geschichte seines mittelalterlichen Alter Egos erzählt, dann wechselt er zwischen Ich- und Er-Erzählung hin und her. Das erstaunt nicht: Schliesslich schlüpft er während der Saison der immer zahlreicher werdenden Mittelaltermärkte und –spektakel bald jedes zweite Wochenende in die Rolle des Egalius vom Rumpel.

düsteren Musik verschrieben hatte: Dark Wave, Gothic, Industrial. Als die beiden 2009 die Mittelalterband „Des Königs Halunken“ einluden, erkannten sie, wie viele Mittelalterfreaks es gibt und entschlossen sich, fester Teil dieser Gemeinde zu werden. Der Verein „Frohburger Gesyndel“ wurde im Folgejahr gegründet und ist seither als Handwerkstruppe in der ganzen Schweiz unterwegs. Auch zur Lageratmosphäre an den Festen will das Gesyndel beitragen: Eine mittelalterliche Küche, ein Zelt für abendliche Gelage mit Met und Schlafzelte mit aufgehäuftem Stroh baut man dann jeweils auf.

AM ANFANG WAR DER „HERR DER RINGE“

KEINE KARTOFFELN, KEINE TOMATEN

Fast zeitgleich mit dem Kinostart der „Herr der Ringe“-Trilogie vor rund zehn Jahren brach in Deutschland eine Welle der Mittelalterbegeisterung los, die wenige Jahre später auch die Schweiz erreichen sollte. Denis Köpfli war damals gemeinsam mit Yves Grieder alias Sir Tuete Veranstalter einer Partyreihe, die sich der

Gekocht wird natürlich nur mit Zutaten, die im Mittelalter in Europa bekannt und verfügbar waren, also ohne Tomaten oder Kartoffeln. Es werde schon Wert gelegt auf Authentizität, meint Denis Köpfli, „aber wenns regnet und das ganze Gelände ein einziger Sumpf ist, dann tauschen wir die Ledersocken schon mal ge-

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WIR BIETEN: DEUTSCHE HANDARBEIT. REINES TITAN. TASSE KAFFEE.

Im „Orient“ angeeignete Künste: Egalius alias Köpfli.

gen Gummistiefel.“ Ausserdem habe das Mittelalter sechshundert Jahre umfasst, da sei man dann doch recht frei in der Ausstattung. Dem Wunsch nach mehr Authentizität stehen auch finanzielle Belange im Weg: Gewänder, Materialien für die Handwerksausübung, Zelte, der Transport — all das kostet. Und so wirbt man mit Witz um einen Sponsor: Der Bettler des Frohburger Gesyndels sei leider dem Henker zum Opfer gefallen und das Zollhaus sei abgebrannt, man sei daher auf andere Geldquellen angewiesen. Die dunkle Seite des Mittelalters, auf die hier humorig angespielt wird, ist nicht die Sache des Gesyndels. Zwar führt man einen Pranger mit, an den die Magd schon mal gestellt wird, wenn sie den Abwasch vergisst, aber ansonsten sind die Vereinsmitglieder friedliche Handwerksleute.

EIN JAHR AUF BEWÄHRUNG Um festes Mitglied der Truppe zu werden und ein Handwerk auszuüben, muss man sich zuvor ein Jahr lang als Feuerjunge oder eben als Magd bewähren. Danach entscheidet der Verein über die Aufnahme des Anwärters, der sich bei positivem Bescheid

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ein Handwerk aussuchen darf, dieses erlernen und üben und über dessen Geschichte er sich informieren muss. Schliesslich wollen die Besucher der Mittelaltermärkte ihre Fragen beantwortet haben. Die Faszination dieser Märkte und Spektakel liegt für Denis Köpfli in der bunten Durchmischung der Gemeinschaft: Leute aus allen Schichten und jeden Alters teilen die Begeisterung fürs Mittelalter. Man trifft Freunde, lebt in und mit der Natur und kann Abstand nehmen vom Alltag. Das Beste an der Zeitreise, sagt Egalius vom Rumpel alias Denis Köpfli und schmunzelt, seien aber die warme Dusche und das bequeme Bett am Sonntagabend. BACKSTAGE http://frohburger-gesyndel.npage.ch Das Gesyndel ist auch buchbar für private Anlässe. Begegnen kann man den Vereinsmitgliedern demnächst beim „Grillfest wie zu Ritterszeiten“ in oder in der Nähe von Olten. Allfällige Sponsoren melden sich bei frohburger-gesyndel@hotmail.ch.

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IM RAMPENLICHT

„Les trois Suisses“: Als Moderatoren höchstens mit Ukulele und Rassel Text von Franziska Monnerat Foto zVg

Vor vier Jahren trat die Comedyshowband „Les trois Suisses“ bereits einmal an den Oltner Kabarett-Tagen auf. Nun kehren die drei Berner für die Jubiläumsausgabe im Mai zurück, diesmal in einer ganz neuen Rolle: als Moderatoren. „Wir werden uns zurücknehmen“, sagt Resli Burri.

I

Es gibt keine festgefahrenen Figuren: Baumeister, Dussex, Burri.

n ihrem aktuellen Programm „Herzverbrecher“ stehlen Pascal Dussex, Resli Burri und Thomas Baumeister als Casanovas in den mittleren Jahren den Frauen die Herzen – die Show stehlen werden sie an den Oltner Kabarett-Tagen jedoch niemandem. „Nicht ‚Les trois Suisses’, sondern der Gewinner der Preisverleihung, die Teilnehmer der Sprungfeder und des Kabarett-Cocktails stehen im Vordergrund“, betont Resli Burri. „Wir treten in den Dienst der Sache, nehmen uns zurück, unterstützen und beleben; moderieren ist interessant und neu für uns.“ Wechselte Resli Burri schon als Mitglied von Patent Ochsner öfters das Instrument – er spielte Flügel, Hammond, Harmonium, singende Säge, Perkussion, Tin Whistle – ist auch die Rollenverteilung bei der Moderation der Oltner Kabarett-Tage zwischen ihm, Pascal Dussex und Thomas Baumeister nicht starr. „Wir wechseln uns ab und entscheiden

spontan, es gibt keine festgefahrenen Figuren.” Allein aus der Tatsache, dass es umständlich ist, wenn drei Moderatoren gleichzeitig auf der Bühne einen Künstler ankündigen, entsteht Situationskomik. Situationskomik und Wortwitz, zum Beispiel indem “Les trois Suisses” mit den Namen der Kabarettisten spielen, sind dabei wichtiger als Musik. Während in ihrem Programm “Herzverbrecher” erstmals eigene Lieder im Berner Dialekt zu hören sind, verzichten sie bei der Moderation der Oltner Kabarett-Tage weitgehend auf Instrumente und greifen höchstens zu Ukulele und Rassel. Nicht als Moderatoren, sondern als Comedyshowband traten “Les trois Suisses” vor vier Jahren, an den Oltner Kabarett-Tagen 2008, zusammen mit dem damaligen Preisträger Andreas Thiel auf. „Dieser Abend war sehr befruchtend und abwechslungsreich, weil Andreas Thiel mit seiner trockenen, spröden Ausstrahlung als

Cüpli-Palaveri einen starken Kontrast zu unserem Programm bildete.” Damals spürte das Publikum die Freude und Offenheit für Verwebungen. Heute beobachetet Resli Burri, wie sich die Kleinkunstszene entwickelt, Kabarett sich mit Spoken Word, Poetry und Beatbox vermischt und neue Formen entstehen. „Originalität ist ausschlaggebend, damit ein Künstler Erfolg hat – dabei tut man, was man gerne macht und hofft, dass es auch anderen gefällt.” INFO 25. Oltner Kabarett-Tage 2.-13. Mai 2012 “Les trois Suisses” moderieren folgende drei Anlässe: Mi, 2.5., 20 Uhr: Schweizer Kabarett-Preis (Preisverleihung an Simon Enzler) Do, 10.5., 20 Uhr: Sprungfeder Fr, 11.5., 20 Uhr: Kabarett-Cocktail

Auf Kuss und Knall Gute, alte Rockmusik: Drive-by Kiss.

Am 21. April feiert Drive-by Kiss, eine waschechte Oltner Rockband, im Coq D’Or die Taufe ihres ersten Studioalbums „Overbang“ – ein Wort, das es bis anhin gar nicht gab.

© Claude Hurni

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an kann es Stoner Rock nennen oder Grunge, sagt Bandmitglied Daniel „Kissi“ Kissling, ihre Einflüsse reichen von den Kinks bis zu Queens of the Stone Age – letztendlich, so der Bassist, ist es aber einfach „gute, alte, handgemachte Rockmusik“. Die Rede ist von Drive-by Kiss, eine Oltner Band, die am 21. April im Coq D’Or ihr erstes Studio-Album taufen wird. Overbang heisst die Platte, ein Ausdruck, den die Band erfunden hat. Bang heisst Knall, over heisst über, aber in der Kombination gabs das noch nicht. Für Kissling heisst Overbang: „Keine

Balladen, keine Eskapaden, sondern krachende Riffs und kreischende Solos, einfach Rock’n’Roll halt“. Das Soundmaterial für „Overbang“ ist über einen Zeitraum von anderthalb Jahren entstanden, eingespielt wurde das Ganze in den Soma-Studios in Zofingen. Fünf Tage lang, jeweils von 8 bis 18 Uhr, elf Lieder, produziert und abgemischt von Remo Panzeri, in der Region bekannt geworden als „Abermensch“-Musiker. Drive-by Kiss, eine waschechte Oltner Band, gibts seit Herbst 2005. Die Band ist in Olten gross geworden, alle Mitglieder leben nach wie

vor hier. Ihre erste Rockerfahrungen machten die Jungs am Kantifest, an Konzerten im Metro Club oder am Mad Santa Stromgitarrenfestival. Sie sind heute Teil einer kleinen Oltner Rockszene, neben anderen Gruppen wie No Mute, The BellTix oder Timber Driven Space Bear. Für die Plattentaufe vom 21. April verspricht Kissling eine „grosse Rock’n’Roll-Party“. ph Drive-by Kiss sind: Roger Peier – Gesang und Gitarre Martin Stebler – Drums Daniel Kissling – Bass Andi Spring – Gitarre

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IM RAMPENLICHT

Auf TuschspurenSuche mit einem Besessenen Werner Nydegger eröffnet am 12. April seine Ausstellung »Tuschspuren« im Schauraum Olten. Eine Auseinandersetzung mit chinesischer und japanischer Kunst und der Bedeutung des Schriftzeichens. Text und Foto von Elias Zimmermann

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amals habe ich mich verkauft«, sagt Werner Nydegger. Ganz ernst kann er es damit nicht meinen: Für seine Cartoons, die bis 1997 regelmässig etwa in der Weltwoche oder der Bilanz erschienen sind, ist der Oltner Künstler schweizweit bekannt – als kritischer Geist und nicht als einer, der sich »verkauft« hat. Eine Kostprobe seines spitzen Stifts ist jeweils auch auf der ersten KOLT-Seite zu sehen. Die letzten fünfzehn Jahre aber hat Nydegger »für sich gearbeitet«, hat seine Cartoons in dreidimensionale Figuren verwandelt, hat Möbel und haushohe Skulpturen geschaffen. Kürzlich entwarf er eine Preisskulptur, ausnahmsweise nicht etwas »für sich«, sondern für die Oltner Kabarett-Tage. Nydegger, ein Suchender, ein Ausprobierer.

CHINA, JAPAN – DIE TOTALE PERSPEKTIVE Hängengeblieben ist sein Interesse seit vier Jahren an der Kultur Chinas und Japans. »Angefangen hat es mit asiatischen Antiquitäten. Und plötzlich wollte ich wissen, was die Schriftzeichen darauf bedeuten. Ich musste es wissen.« Während Nydegger seine Antiquitäten wieder verkauft, studiert er die chinesische Schrift und beschäftigt sich mit ihrer Veränderung zur japanischen. Die Lehrbücher befriedigen ihn nicht. Er beginnt, sein eigenes Buch über die Schriften zu schreiben, doch ihm wird bewusst, dass die Zeichen nur der versteht, welcher den ganzen kulturellen Kontext kennt. Es entsteht ein bisher unveröffentlichtes gigantisches Werk, ein Opus Magnum, das auf 900 Seiten das totale Panorama versucht. Bereits

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der Titel »China Japan. Geschichte. Kultur. Schrift. Sprache« mag vor den Kopf stossen – nicht zuletzt jene Chinesen und Japaner, die lieber die Unterschiede als das Verbindende zwischen den beiden Ländern betonen. Nydegger, ein kultureller Aufklärer.

„SCHRIFTZEICHEN SIND BILDER“ Kleinlichen Kritikern würde Nydegger wohl ein Ausspruch Wilhelm Buschs entgegenhalten: »Ach, die Welt ist so geräumig und der Kopf ist so beschränkt.« Nicht zufälligerweise ist Buschs Diktum Titel eines von Nydeggers Bildern, eines Kopfes im Profil, der in »Tuschspuren« zu sehen sein wird. Es handle sich um »Wortbilder, Naturbilder und ›geistige Fingerabdrücke‹«, sie erinnern in Format und Gestaltung an chinesische und japanische Rollbilder. So ästhetisch die entstandenen Werke sind, einfach als »schön« will er sie nicht verstanden haben. Chinesische und japanische Kalligraphie ist »ausdrucksstark, aber schwer les- und übersetzbar«. Sie sind nicht alleine Zeichen, sondern auch Bilder. Die Schrift in »Tuschspuren« ist notabene deutsch, wirkt jedoch auf den ersten Blick chinesisch. Der Künstler spielt mit der Interpretationsbedürftigkeit aller sprachlichen Zeichen. »Was bedeutet das Wort Ja? Nichts oder Alles.« Nydegger, der Mystiker.

„ICH BIN KRANK“ Nydegger, auch ein Besessener: Als das intensive Lesen, Zeichnen und Malen seine Augen angreift, ist seine Ärztin im Spital ausgerechnet

Die Lehrbücher befriedigten ihn nicht - also schrieb er selber eins: Werner Nydegger.

Chinesin und er spricht mit ihr lieber über ihre kulturellen Wurzeln als über sein Augenleiden. Er sei krank, meint er ironisch, »ich sehe nichts mehr wegen den chinesischen Zeichen«. Im Gegenteil, Nydegger sieht eine ganze Menge. Ein geflickter Riss im Asphalt wird ihm ebenso zum Schriftzeichen wie die Struktur von bemalten Backsteinen, von denen sich die Farbe löst. Beim Übersetzen des Chinesischen entsteht schnell ein Fehler, wenn man den Kontext des Satzes nicht kennt, gerade aber aus der Fehlinterpretation entspringt womöglich ein neues Gedicht, eine neue Idee. Nydegger ist voller Ideen. Zwischen dem Erzählen über sein Buch und seine Ausstellung seufzt er auf: »Das ist mir alles zu viel. Ich mache nichts mehr.« Ganz ernst kann er es damit nicht meinen. Ausstellung »Tuschspuren« 12.-28. April im Moobel-Schauraum an der Ringstrasse 26 in Olten. www.werner-nydegger.ch

Ausstellung »Schriften der Welt« Thematisch mit Werner Nydeggers Interessen verwandt ist die Wanderausstellung »Schriften der Welt« in der interkulturellen Bibliothek (IKUBO im Begegnungszentrum Cultibo). Der Dachverband der interkulturellen Bibliotheken der Schweiz hat dafür diejenigen fünfzehn Schriftsysteme ausgewählt, welche an ihren Standorten am meisten vorzufinden sind. So werden anhand von Text- und Hörbeispielen die Zeichen des kyrillischen, arabischen oder thailändischen Alphabets dem Besucher anschaulich nähergebracht. »Schriften der Welt«, 31. März – 21. April im Cultibo Olten, www.cultibo.ch

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DAS LIEBSTE ZUM SCHLUSS

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Collage von Rebekka Gerber

April 2012

KOLT


Das tr채nende Auge Vortrag 30. April 2012, 19 Uhr im Hotel Arte, Olten Anmeldung unter 062 286 62 40 oder info@klinik-pallas.ch.ch www.klinik-pallas.ch


Das Wesen des Menschen bei der Aufnahme sichtbar zu machen, ist die höchste Kunst der Fotografie. Friedrich Dürrenmatt

Ausblicke auf das Leben. Mit der Sitzplatz- oder Balkonverglasung von COVER.

SIO AG, Generalvertretung COVER Rötzmattweg 66, 4603 Olten Tel. 062 207 07 07, Fax 062 207 07 00 info@cover.ch, www.cover.ch


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