NUMMER ELF 2013 // CHF 5.-
DAS OLTNER STADT- UND KULTURMAGAZIN
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CINEMA Der schรถne Mann und die Frisur JOB-INTERVIEW Angst vor dem Tod? BABYFENSTER Spital arbeitet mit radikalen Abtreibungsgegnern zusammen Hร RSPIEL Ruedi & Heinz auf Verbrecherjagd FREAKS Musik-Roboter made in Olten
IMPRESSUM
VERLAG / HERAUSGEBER Verlag 2S GmbH Leberngasse 17 4600 Olten verlag@v2s.ch www.v2s.ch VERLAGSLEITUNG Yves Stuber, Matthias Sigrist
EDITORIAL
REDAKTIONSLEITUNG Pierre Hagmann (ph) redaktion@kolt.ch
"Und was haben wir heute? Wir haben die 'Solothurner Zeitung' und das 'Oltner Tagblatt'. Sind sie nicht brav, die beiden? Ja, sie sind brav, denn sie können nicht anders. Mein Grossvater würde bei der Lektüre einschlafen."
FINANZEN Matthias Gubler
Kurt W. Zimmermann Seite 26
INTERNETAUFTRITT Mathias Stocker LAYOUT / SATZ Christoph Haiderer, Gaia Giacomelli REDAKTIONELLE MITARBEIT Fabian Saner, Nora Bader, Fiona Gunst, Elias Zimmermann, Christoph Rast, Pedro Lenz, Kilian Ziegler, Christian „Ché“ Dietiker, Dino Lötscher, René „Fribi“ Freiburghaus ILLUSTRATION Gaia Giacomelli, Anna-Lina Balke, Jamie Aspinall, Manuel „Ti“ Mathys, Pascal „Tokijad“ Hofer, Céline Fallet, Petra Bürgisser, Oliver Suter FOTOGRAFIE Flavia Schaub, Bryan Monaco, Michael Isler, Yves Stuber, Mario Arkula Halldora Magnusdottir
Illustration von Oliver Suter www.hokusfokus.ch Cover fotografiert von Flavia Schaub
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DRUCK Dietschi AG Druck und Medien Ziegelfeldstrasse 60 CH-4600 Olten
er Journalismus ist der Wachhund, die Vierte Gewalt, die Kontrollinstanz in der Gesellschaft. Oder wie auch immer man das nennen will. Bleibt die Frage: Wer kontrolliert eigentlich die Medien? Die Wissenschaft manchmal. Die Medien selbst manchmal auch. Medienjournalismus wird das dann genannt. Die aktuelle Ausgabe von KOLT macht genau das: Medienjournalismus. Ein Medium macht die Medien zum Thema, fragt auch kritisch nach: Liebes Oltner Tagblatt, wie kommst Du durch die Krise? Ja, Krise: Die Branche steckt im Umbruch und weiss nicht mehr oder noch nicht recht, woher in Zukunft das Geld kommen soll. Eine Folge davon: Die Medienvielfalt leidet, nur noch einige wenige können sich die grossen Sprünge leisten. Zu diesen gehört „Der Spiegel“. Mathieu von Rohr aus Wangen bei Olten arbeitet für das deutsche Magazin in Paris als Auslandskorrespondent. Er gewährt uns in diesem Heft weitere Einblicke in ein Leben als Journalist im Jahr 2013.
© 2013, Verlag 2S GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung. Die Urheberrechte der Beiträge bleiben beim Verlag. Keine Gewähr für unverlangt eingesandte Manuskripte, Fotos und Illustrationen.
Medienjournalismus betreibt auch Kurt W. Zimmermann, wenn er für die „Weltwoche“ seine schweizbekannte Kolumne über Medientrends, Medienversäumnisse, Medienproble-
LEKTORAT Hannes Zwicker LESERBRIEFE leserbriefe@kolt.ch www.kolt.ch/leserbriefe AGENDA agenda@kolt.ch www.kolt.ch/agenda ABO Jahresabonnement CHF 49.—(inkl. MwSt) Gönnerabonnement CHF 99.—(inkl. MwSt) abo@kolt.ch www.kolt.ch/abo INSERATE inserate@kolt.ch www.kolt.ch/inserieren KONTAKT www.kolt.ch hallo@kolt.ch AUFLAGE 1'500
KOLT
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me schreibt. Kaum ein zweiter kennt die hiesige Branche so genau. Und weil der Mann in Solothurn aufgewachsen ist, weiss er auch über die Pressegeschichte in unserem Kanton fast alles. In seiner KOLT-Gastkolumne beschreibt Kurt W. Zimmermann auf wunderbare Weise, was passiert, wenn aus drei Zeitungen eine wird. Schliesslich ein paar Worte in eigener Sache: Mit dieser Ausgabe verabschiede ich mich von Ihnen, geschätzte Leserinnen und Leser. Nach gut zwei Jahren als KOLT-Redaktionsleiter werde ich eine neue Herausforderung in ebendiesem Journalismus annehmen. Ich hoffe, Sie hatten beim Lesen dieses Magazins jeweils ähnlich viel Freude wie ich beim Planen, Schreiben, Produzieren. Der KOLTAnspruch bleibt auch unter meiner Nachfolgerin, Nathalie Bursac, derselbe: unseren treuen Leserinnen und Lesern monatlich ein qualitativ hochstehendes Stadt- und Kulturmagazin zu bieten. Olten wie die Gesellschaft als Ganzes verdienen sie nicht nur, die journalistische Qualität – sie brauchen sie. Alles Gute!
mit freundlicher Unterstützung von:
DRUCK&MEDIEN OLTEN
Olten, im Oktober 2013 Pierre Hagmann
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INHALT
NOVEMBER 2013
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03 EDITORIAL / IMPRESSUM
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06 PREVIEWS Highlights im November 2013
11 CINEMA Bizarre Bettszenen, fiese Frisuren // 5 Fragen an Pepe Lienhard, Saxophon-Legende
18
13 DAS KLEINE JOB-INTERVIEW Pasquale Corvigno, Bestatter
14 STADTLEBEN Spital arbeitet auch künftig mit umstrittener Stiftung zusammen
16 IM EXIL Menschen aus der Region berichten aus der Welt: Isfahan, Valencia, Kampala, New York City
18 "Umdenken"
Journalistische Qualität hat seinen Preis
30
26 HÖREN & LESEN 26 Kurt W. Zimmermann „Gemischte Farbenstrahlen nicht“ // La Vache Kili „Denksalat“ 27 Schon gelesen...? // KOLT liest... 28 Pedro Lenz „Opernhäuser und Geräteschuppen“ // Selina Bosshard „Einkauf“ 29 Ché‘s Bro Tipps // Deeno‘s Review // Fribi‘s Metal News
30 IM RAMPENLICHT
32
30 Fabian Capaldi: Nicht reduzierbar // Kollektives Verausgaben mit dem tanzenden Opernsänger 31 Ein verstrickter Mordfall
32 FREAKS BRAUCHT DAS LAND Im freien Fall
34 DAS LIEBSTE ZUM SCHLUSS Die besten Dinge des Monats
KOLT
November 2013
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PREVIEWS
FOOTPRINTS – DIE 8. OLTNER JAZZTAGE BUCHMESSE OLTEN: CAPUS, LENZ, EMIL UND EIN MEDIENTAG STADTTHEATER OLTEN www.buchmesse-olten.ch Do 31. Oktober bis So 3. November 2013
Jazz in Olten VARIO BAR COQ D’OR KINO LICHTSPIELE www.jazzinolten.ch Sa 2. November bis So 10. November
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Ein Kulturengagement der Schützi Olten KULTURZENTRUM SCHÜTZI OLTEN www.swing-voices.ch
Öffnungszeiten: Do bis Sa 14-17 Uhr So 10-17 Uhr
Die 8. Ausgabe der Buchmesse Olten vom 31. Oktober bis 3. November im Stadttheater wird ein guter Jahrgang. Präsentiert werden 10'000 Titel aus allen Bereichen der Literatur. Erstmals wird an Allerheiligen ein Medientag durchgeführt. Bekannte Journalistinnen und Journalisten diskutieren über die Finanzkrise und den Journalismus. Auch die Kolumne als Königsdisziplin wird zum Thema. Mit dabei sind unter anderen Bänz Friedli und Michèle Roten. Den Abschluss des Medientages macht die Sportreporter-Legende Marcel Reif. Am Vorabend der Messe, am 30. Oktober, findet in Zusammenarbeit mit dem Knapp Verlag der PerlenAbend mit Emil Steinberger statt. Pedro Lenz, Alex Capus und der Gitarrenvirtuose Michael Erni treten am kulinarisch-literarischen Oltner Abend vom 31. Oktober auf. Am Freitag heisst es im Coq d’Or «Shot Stories – 12 Geschichten zum Trinken». Und am Samstag begegnen sich in der Vario Bar King Pepe mit Le Rex und Matto Kämpf.
„CHUNSCH MIT?“ – SWING VOICES MIT BEATBOXER
Die 8. Oltner Jazztage starten am 2. November mit einem Konzert von King Pepe im Rahmen der Buchmesse. Die geballte Ladung erfrischender Musik folgt dann wenige Tage später: Ab Donnerstag, 7. November offeriert „Jazz in Olten“ täglich Konzerte aus verschiedenen Stilrichtungen des aktuellen Jazz. Am Donnerstag präsentiert der Oltner Altmeister Roland Philipp seine aktuelle Band, das Jazz Department: HardBop und Balladen mit viel Groove und Gefühl. Am Freitag vertont das Tessiner Musikerkollektiv Q3 den Stummfilm „Nanook of the North“ im Kino Lichtspiele. Am Samstag spielt in der Vario Bar zuerst die Band des jungen Oltners Fabian Capaldi und anschliessend überschreiten „Motek“ die Grenze von Jazz zu Elektro. Am Sonntag gibt es eine kleine Vorschau auf die WM 2014. Der Gitarrist Paulo Morello präsentiert sein Projekt „Afternoon in Rio“ – eine energiegeladene Version des brasilianischen Jazz.
BALTHASAR STREIFF / STREIFFTÖNE MIT ALPHORN
Fr 8. November 2013, 20.00 Uhr
THEATERSTUDIO OLTEN www.theaterstudio.ch
Ab 19.00 Uhr typische Schweizer-Verpflegung
Fr 8. November 2013, 20.15 Uhr Sa 9. November 2013, 20.15 Uhr
Tickets via Vorverkaufsstelle: Regiobank Egerkingen, regioegerkingen@regiobank.ch, Tel. 032 624 15 47 oder am Konzerttag an der Abendkasse.
Vorverkauf: Leotard, Ringstrasse 28, Olten
Weitere Konzerte: Freitag/Samstag/Sonntag, 1./2./3. November 2013 in der Links-mähderhalle in Madiswil.
Der Rock-, Pop- und Gospelchor Swing Voices aus Langenthal präsentiert ihr neues Programm „CHunsch mit?“. Sie singen Lieder der Schweizer Interpreten wie Polo Ho-fer, Plüsch, Gotthard, Bligg, Züri West, Florian Ast, Patent Ochsner, Adrian Stern u.a., welche die professionelle Dirigentin und künstlerische Leiterin Natalia Lehmann ei-gens zu attraktiven, zum Teil 6-stimmigen, Chor-a-cappellaVersionen umgeschrieben hat. Begleitet werden sie von Beatboxer Fabian Herzog und Solo-Basssänger Aadhar Zimmermann. Als Moderator führt der schusselige Bundesbeamte Dr. Walter B. Grün-span alias Matthias Kunz, bekannt aus dem Komiker-Duo Strohmann-Kauz, durchs Programm. Umrahmt wird die Show wiederum mit gekonnten Soloeinlagen und tollen Lichteffekten.
Schon die Namen der Instrumente klingen besonders: Alpofon, Büchel, Geisshorn, Knochentrompete. Sie sind nur eine Auswahl aus der Instrumentensammlung von Balthasar Streiff, dem Meisterbläser, der schon früher mit dem vielfach ausgezeichneten Duo Stimmhorn international reüssierte und 1996 auch im Theaterstudio Olten zu sehen war. Nun steht er mit Musik und Text erstmals allein auf der Bühne. In «StreiffTöne mit Alphorn» schafft Balthasar Streiff einen einzigartigen Klangkosmos. Dabei berührt sich Archaisches und Zeitgenössisches, Heimatliches und Fundstücke aus aller Welt. Traditionelle Stücke und moderne Kompositionen werden mit Improvisationen und Eigenkompositionen verwoben. Klangvolle Wortspiele und humorvolle Geschichten öffnen den Zugang übers Instrumentarium in die eigene Fantasie der Zuhörer. Kurz: musikalisches Strandgut aus über 20 Jahren Alphornbläserei rund um den Erdball.
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NOVEMBER 2013 FARE THEE WELL, MISS CAROUSEL / OTTO MORACH. EINE SCHENKUNG bis 17.11.2013
DISTELI – KELLER – WARHOL bis Sommer 2014 30 Jahre Theatergruppe Olten
MAIA MORGENSTERN / HEUTE ABEND: LOLA BLAU THEATERSTUDIO OLTEN www.theaterstudio.ch
KUNSTMUSEUM OLTEN www.kunstmuseumolten.ch Öffnungszeiten: Di–Fr 14–17 Uhr Do 14–19 Uhr Sa/So 10–17 Uhr
Fr 15. November 2013, 20.15 Uhr Sa 16. November 2013, 20.15 Uhr Vorverkauf: Leotard, Ringstrasse 28, Olten
Sie ist ein Star, sie ist eine Faszination, sie spielte unter Regisseur Mel Gibson und an der Seite von Harvey Keitel, sie sorgt für Standing Ovations. Jetzt gastiert die international gefeierte Künstlerin Maia Morgenstern exklusiv zum 30 Jahr-Jubiläum der Theatergruppe Olten im Oltner Kleintheater. Sie spielt Lola Blau nach dem gleichnamigen Musical von Georg Kreisler. Das wunderbare Emigrantenschicksal zeigt den Lebensweg einer jüdischen Sängerin aus Wien im Jahr 1938. Aus Nazi-Deutschland und der Schweiz ausgewiesen, bleibt ihr nur der Weg nach Amerika, wo sie ein gefeierter Music-Hall-Star wird. Nach dem Krieg will sie wieder nach Europa. Maia Morgenstern spielt und singt das berühmte Musical in Jiddisch (Text) und Deutsch (Gesang). Das «rumänische Theaterwunder», wie sie die NZZ bezeichnete, besticht durch geniale Schauspielkunst. Das Kinopublikum kennt Morgenstern primär aus zwei Filmen: 1995 besetzte sie Regisseur Theo Angelopoulos in «Der Blick des Odysseus» neben Harvey Keitel und 2004 spielte sie die weibliche Hauptrolle in Mel Gibsons «The Passion of Christ».
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Neue Sonderausstellung und Einladung zur Vernissage:
MODERNE ARCHITEKTUR IM KANTON SOLOTHURN – 1940 BIS 1980 Es sprechen: Martin Wey, Stadtpräsident Olten Lukas Walter, Präsident Museumsverbund Kanton Solothurn Stefan Blank, Denkmalpflege Kanton Solothurn HISTORISCHES MUSEUM OLTEN Konradstrasse 7 4600 Olten 062 212 89 89 www.historischesmuseum-olten.ch
Für die Ausstellung «Fare Thee Well, Miss Carousel» übergibt das Kunstmuseum das Szepter einem Künstlerinnen-Trio: Loredana Sperini hat ihre Kolleginnen Sara Masüger und Tanja Roscic, mit denen sie schon länger einen intensiven Austausch pflegt, angefragt, gemeinsam eine Ausstellung zu erarbeiten, die sie auch zusammen kuratieren. Im Rahmen Ausstellungsreihe «Disteli-Dialog» realisiert der Schweizer Konzeptkünstler San Keller (*1971) unter dem Titel «Disteli – Keller – Warhol» ein Kunst- und Filmprojekt, das sich um eine aussergewöhnliche Tausch-Aktion dreht: Sein Ziel ist es, den Gründungsbestand des Kunstmuseums Olten, die Sammlung von 2000 Werken des Karikaturisten und politischen Zeichners Martin Disteli (1802–1844) gegen ein Gemälde von Andy Warhol aus einer amerikanischen Sammlung zu tauschen. Kürzlich durfte das Kunstmuseum eine Schenkung von 123 Gemälden des Schweizer Expressionisten und Kubofuturisten Otto Morach (1887–1973) entgegennehmen. Im Neu-/Umbau des Kunstmuseums sollen die Werke eine ständige Bleibe erhalten. Aus aktuellem Anlass zeigt das Kunstmuseum die Gemälde kombiniert mit Werken aus der Sammlung in einer «Schaulager-Situation».
Vernissage: 20. November 2013, 18 Uhr im Gemeinderatssaal des Stadthauses Olten
Tipp des Monats
Wiedereröffnung Galicia
MIXENDORP Bluesbeat Party GALICIA Musik-Bar, Unterführungsstrasse 20 4600 Olten www.mixendorp.com www.bromusic.ch Fr 22. November 2013 Eröffnungsparty: Eintritt frei Konzert: 20 Uhr Türöffnung und Barbetrieb mit DJs: 16.00 Uhr
Ausstellung: 21. November 2013 bis 14. September 2014 Öffnungszeiten: Di bis Sa 14-17 Uhr So 10-17 Uhr
Die kantonale Denkmalpflege inventarisierte die schützenswerten Bauten aus der Zeit von 1940 bis 1980 im Kanton Solothurn. Auf dieser Grundlage stellen das Historische Museum Olten und das Kultur-Historische Museum Grenchen Beispiele der neuen Architektur vor. Die zwei gleichzeitigen Ausstellungen beschreiben Besonderheiten dieser Architektur im historischen Kontext und erinnern an führende Architekten dieser Jahre.
Gitarre oder Mischpult? Dass die Zukunft des Blues kein Entweder-Oder ist beweist Jan Middendorp alias «miXendorp» mit seinem hinreissenden live-Set anlässlich der Neueröffnung der Oltner Musik-Bar GALICIA. miXendorp haucht dem Blues neues Leben ein, indem er moderne Beats und alte Blues-Licks zu einem frischen Sound verschmilzt, der den Herzschlag des Blues stärker als jemals zuvor schlagen lässt. Ein Mann, eine Gitarre und ein MacBook voll mit altem Blues, neuen Beats und funky Samples. Die beiden DJs Albrecht und Whitey sorgen ab 16 Uhr für das passende musikalische Warm-Up bzw. nach dem Konzert für eine gebührend fette After-Show-Party.
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PREVIEWS
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ENDSPIEL
FUTURE BASS FESTIVAL
Theateraufführung der Dachschadengesellschaft
Genre: Electro, Dubstep, Moombahton, House, Hip Hop, RnB, Garage, Trap, Dancehall, Bass Bass Bass
Mitwirkende Jakob Müller: Hamm Michi Bosshard: Clov Tamara Rüfenacht: Nagg Annetta Wyss: Nell Regie: Kerstin Schult THEATERSTUDIO OLTEN Dornacherstrasse 5 4600 Olten
KULTURZENTRUM SCHÜTZI OLTEN Sa 30. November 2013 22 Uhr – 4 Uhr
Ausstellung des Kunstvereins Olten
Vorverkauf: 20 CHF, Abendkasse: 25 CHF, Eintritt ab 18 Jahren!
29. JAHRESAUSSTELLUNG DER SOLOTHURNER KÜNSTLERINNEN UND KÜNSTLER
Fr 22. November 2013, 20:15 Uhr Sa 23. November 2013, 20:15 Uhr So 24. November 2013, 19:15 Uhr
KUNSTMUSEUM OLTEN www.kunstvereinolten.ch www.kunstmuseumolten.ch
Abendkasse und Barbetrieb: jeweils eine Stunde vor Vorstellungsbeginn
1. Dezember 2013 – 26. Januar 2014 Vernissage: Sa 30. November, 18 Uhr
Vorverkauf und weitere Informationen auf www.dsg-theater.ch
„Ende, es ist zu Ende, es geht zu Ende“ Wie können wir nach vorne leben, obwohl wir wissen, dass wir sterben müssen? Wir können es aufgrund einer Fantasieleistung des Unbewussten, das so tut, als hätten wir einen unbegrenzten Vorrat an Zeit. In Samuel Becketts "Endspiel" ist diese Fantasieleistung aber ausgeblendet. Das Stück ist im buchstäblichen Sinne ein Spiel mit dem Ende, vor dem Verhallen allen Lebenslärms, kurz vor dem Tod. Es erzählt in fragmentarisierten Szenen, die jeden Sinnzusammenhang nicht nur verweigern, sondern die Sinnlosigkeit und das Unverständliche geradezu hervortreiben, eine innere Geschichte der letzten Augenblicke einer Ruinenepoche, in der die äussere Welt längst untergegangen zu sein scheint. Zwei Männer, der gelähmte und blinde Hamm und sein gehbehinderter Diener Clov, sowie Hamms Eltern Nell und Nagg, die ohne Beine in Mülltonnen vegetieren, bilden ein apokalyptisches Gespann. Ihre Lage scheint aussichtslos, aber die Gewöhnung hat zu neuen Möglichkeiten geführt: zu immer neuen Spielarten eines Endspiels.
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Das Future Bass Festival ist ein Event für alle Arten elektronischer Musik: Loo & Placido (FR): Stell Dir vor, Queen würde zusammen mit Skrillex abgehen, AC/DC wäre mit Daft Punk im Studio und House of Pain würde mit Stevie Wonder auf der Bühne stehen. Schlachthofbronx (DE): Nonstop auf Tour mit tanzbarer Bassmusik: Europaweit in Clubs und Festival als Support für M.I.A. Kev Willow (UK): Mit seinen Remixes hat der englische Produzent bereits DJ-Grössen wie Chase & Status überzeugt. Als DJ, egal ob Dubstep, House oder Hip Hop, immer das Ziel vor Augen: die Gäste zum Tanzen bewegen. Jsounds (Olten): Es gibt nur wenige DJs die so variabel und flexibel hinter den Plattentellern sind. Von verstaubten Underground Brettern bis zu Kassikern. Silly Zone (Solothurn): Inspiriert von der französischen Clubmusik mischt er seine ganz persönliche Vorstellung von guter Tanzmusik. FootGang (Olten): Das Oltner DJ-Duo macht seit 2011 die Clubs der Schweiz unsicher. Sie veröffentlichen über ihr Label Prefermusic regelmässig ausgewählte Sets. Samy Lee (Olten): Samy Lee versucht mit seinen Stilmixen den Puls der Zeit zu treffen. Elektronisch, hektisch geht es zu und her. Stets daran, den Zenit des Partylevels Song für Song steigern zu können!
Ansprachen: Dorothee Messmer, Direktorin Kunstmuseum Olten; Roland Winiger, Präsident Kunstverein Olten; Gabriele Bono, Jurypräsidentin.
10. SPECTACOLO: DIE SCHNEEKÖNIGIN – EIN WEIHNACHTSMÄRCHEN Zauberhaftes Tanztheater-Märchen für Erwachsene und Kinder STADTTHEATER OLTEN www.spectacolo-dance-academy.ch Mo 2. Dez. 14:00 Schulen Sa 7. Dez. 18:00 So 8. Dez. 16:00 Vorverkauf: Baloise Bank SoBa, Olten Tel. 058 285 39 25
Erste Verleihung des Auszeichnungspreises der Rentsch-Stiftung, Olten. Danach Zusammensein bei Speis und Trank im Christkatholischen Kirchgemeindesaal vis-à-vis des Kunstmuseums. Zum 10-jährigen Jubiläum präsentiert das mehrfach ausgezeichnete Spectacolo Jugend- und Kinder-Tanztheater und die Russischen Kinderballettschule unter der Leitung von Victoria Gsell den Weihnachtsklassiker die “Schneekönigin“ von von Hans Christian Andersen im Stadttheater Olten.
Keine andere Ausstellung zeigt eindrücklicher die Vielfalt und Intensität des künstlerischen Schaffens in der Region, im Kanton und darüber hinaus als die Jahresausstellung. Sehr gross ist jeweils das Interesse von Künstlern wie Besuchern, was die Ausstellung zum Ort der Begegnung und des Austauschs macht, den ein attraktives Rahmenprogramm im Dezember und Januar bereichert. Anlässe und Daten werden noch publiziert.
Bis heute haben über 10'000 begeisterte Zuschauer die verschiedenen Vorstellungen von Spectacolo besucht. Die gespielte Produktion mit abenteuerlichem Theater, märchenhaften Tänzen, aktivem Einbezug des Publikums, speziellen Showblöcken von Jugendlichen und Erwachsenen, bietet Spektakel für Gross und Klein. Lassen Sie sich von den über 120 Künstler für einige Momente aus dem Alltag in eine Welt zwischen Traum und Wirklichkeit entführen. Reservieren und sichern Sie sich die besten Plätze noch heute.
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KULTURSPLITTER
MONATSTIPPS DER PARTNERMAGAZINE AUS AARAU | BASEL | BERN | LUZERN | ST. GALLEN | VADUZ | WINTERTHUR | WWW.KULTURPOOL.BIZ
ESCHEN: JAZZ IN ALL SEINER VIELFALT Auch in diesem Herbst kommen Freunde der Jazzmusik in der Tangente in Eschen voll auf ihre Kosten. Gleich an vier Abenden bieten die Jazztage hochstehende Konzerte international renommierter Künstler. Den Auftakt macht am 15. November das Asaf Sirkis Trio, das sich ganz dem Jazz-Rock verschrieben hat.
AARAU: DER „NICHTKÜNSTLER“ DIETER MEIER IM KUNSTHAUS
Rudi Mahall und Markus Gsell laden zur CD-Präsenta-
Er sagt von sich selber, dass er nie die Absicht gehabt
und Alex von Schlippenbach runden das Festival ab.
habe, Kunst zu machen. Eher könne man das, was er
Jazztage in der Tangente Eschen
gemacht habe, als den Versuch bezeichnen, wie ein
ab 15. November. www.tangente.li
tion. Und das Amina Figarova Sextett sowie Aki Takase
Kind die Welt zu erfahren. Die Rede ist von Dieter Meier – bekannt als Musiker, Performer, Rinderzüchter, Schriftsteller, Weinbauer, Filmemacher uvm. Was in diesem – bisher 68 Jahre dauernden – Leben alles entstanden ist, kann jetzt im Aargauer Kunsthaus in Aarau angeschaut werden. Am Donnerstag, 14. November, 19.45 Uhr, moderiert Madeleine Schuppli, Kuratorin der Ausstellung, ein Gespräch von Meier mit
ST. GALLEN: WARBURGS MNEMOSYNE
dem Publikum. (Bild: This Man Will Not Shoot, Perfor-
Der Kunsthistoriker Aby Warburg (1866-1929) hat das
mance, 23.2.1971, The New Cultural Center, New York.)
Sammeln und Ordnen von Bildern revolutioniert, als
Aargauer Kunsthaus Aarau, bis 17. November;
noch niemand einen Begriff von der heutigen Bilder-
Infos unter www.aargauerkunsthaus.ch
flut hatte. In seinen letzten Lebensjahren schuf er mit dem Atlas Mnemosyne ein Bilder-Universum von 63
BERN: RITUALE AUF DEM PRÜFSTAND
Tafeln mit rund tausend Bildern, das so faszinierend
Es gibt viele Formen der Verständigung, nicht alle da-
wie fragmentarisch blieb – bis heute. Aus Hamburg,
von haben mit Sprache zu tun. Rituale etwa begleiten
wo die Warburg Bibliothek ihren Sitz hat, kommt
uns im Alltag genauso wie in Ausnahmesituationen.
die Rekonstruktion «Mnemosyne Bildertafeln Atlas»
Für jene, die mit ihnen vertraut sind, bieten sie Orien-
nach St.Gallen – in der Nähe, im Sanatorium Bellevue
tierung und Halt. Umgekehrt fühlt sich fehl am Platz,
Kreuzlingen, Kulturmagazinwar Warburg 1920-23 in Behandlung und
wer an ihm unbekannten Ritualen teilnehmen muss.
hielt seine legendären Vortrag zum Schlangenritual.
Der Code lässt sich kaum entziffern. In der Sonderaus-
Aby Warburg – Mnemosyne Bildertafeln Atlas
stellung "Rituale" geht das Museum für Kommunikati-
Kulturraum am Klosterplatz St.Gallen.
on dem Phänomen auf den Grund.
bis 17. November, kultur.sg.ch
Museum für Kommunikation, Bern.
Winterthur
Ausstellung: 8.11.13 bis 20.7.14. www.mfk.ch
LUZERN: PERFORMANCES IM SEDEL Nur wenige wissen, dass Luzern über ein regelmässiges Performancefestival verfügt. Für die elfte Ausgabe von Migma geht es ins Kulturzentrum Sedel, wo hauptsächlich Musik gemacht wird. Dieses Faktum fliesst in das Programm der zwei Performancetage mit ein. Hina Strüver (Bild) kündigt an, ein Nebelhorn im November sein zu wollen, das Trio Koch-Schütz-Studer bewegt sich musikalisch in einer stilfreien Zone und Mischa Käser scheut sich nicht, ein Schubladophon gegen das Publikum zu verwenden. Zusammen mit dem niederländische Experimentalinstrumentenbauer Yuri
WINTERTHUR: THEATER AM GLEIS MOLTON
Landman kann man sich seine eigene Home-Swinger-
BASEL: MEKKA FÜR COMIC-FANS
Wenn es draussen kalt und unwirtlich wird, dann lädt
Gitarre zusammenbasteln und an der Ensemble Per-
Seit 30 Jahren gibt es den Comix Shop in der Thea-
Molton in die städtische Stube. Dort wärmt die Musik
formance beim Abschluss der Performancetage selbst
terpassage in Basel. Was mit ein paar Kisten voller
dann den tiefgefrorenen Körper wieder auf. Wie ge-
teilnehmen. Nur Mut! (ms)
Comics begann, die von zwei Freaks des Genres in
wohnt im kleinen beinahe schon familiären Rahmen.
Migma Performancetage,
einem Mietbus über die schweizerisch-deutsche
Das Festival überzeugt mit einer guten Mischung aus
Fr 15. und Sa 16. November,
Grenze gekarrt und im Keller des Ökoladens verhökert
grossen Namen und unbekannten Entdeckungen. In
20 Uhr, Sedel Luzern
wurden, hat eine Erfolgsgeschichte hinter sich und
der Saison 2013/2014 bedeutet dies unter anderem My
beste Aussichten auf weitere Prosperität – mit einem
Heart Belongs To Cecilia Winter, Sina, We Invented Pa-
neuen Leitungstrio und dem bewährten Konzept:
ris und My Name is George. Zum Saisonstart ist Mich
Vollsortiment, Signierstunden und Ausstellungen,
Gerber feat. Al Comet zu sehen und hören.
Manga-Treffs, Kurse etc. Auf dem aufmüpfigen
Saisonstart Donnerstag, 28. November,
Jubiläums-Logo laden die bekannten drei, von Thomas
20:15 Uhr, Theater am Gleis,
Ott für den Comix Shop kreierten Affen lesend und
Untere Vogelsangstrasse 3, 8401 Winterthur
Fahnen schwingend zur grossen Sause ein.
www.molton.ch
Jubiläumsfest – 30 Jahre Comix Shop, Basel:
www.theater-am-gleis.ch
Sa 30.11., 10–17 Uhr, www.comix-shop.ch
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AM LIEBSTEN NACH HAUSE
Ich bestelle ein Jahresabonnement für CHF 49.-und erhalte KOLT Monat für Monat. Ich möchte KOLT unterstützen und bestelle ein Gönnerabonnement für CHF 99.-und erhalte KOLT Monat für Monat. Ich möchte KOLT in meinem Betrieb auflegen und bestelle für CHF 149.-5 Exemplare
10 Exemplare
LIEFER- UND RECHNUNGSADRESSE Firma Vorname/Name
KOLT Postfach 1927 4600 Olten
Rechnung per E-Mail (E-Banking) Rechnung per Post (+ CHF 5.00)
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CINEMA
HALB SO WILD CH 2013 // DRAMA 7. bis 11.11., Kino Lichtspiele „Halb so wild“ ist das gelungene Langfi lmdebüt des 28-jährigen Schweizer Filmemachers Jeshua Dreyfus. An den diesjährigen Solothurner Filmtagen war sein Beitrag einer der grossen Überraschungen und für den Publikumspreis nominiert. Fünf Freunde fahren in den Semesterferien ins Onsernone-Tal, um in einem Rustico ein paar unbekümmerte Tage zu verbringen. Als Mara eine „Wahrheitsrunde“ vorschlägt, bei der alle schonungslos ehrlich sein müssen, wird schnell klar, dass die Situation unter den Freunden nicht ganz so sorglos ist.
JEUNE ET JOLIE FRA 2013 // DRAMA 28.11. bis 2.12., Kino Lichtspiele In den Ferien verliert die 17-jährige Isabelle ihre Unschuld, wenige Monate später arbeitet sie heimlich als Callgirl. Die Tochter aus gutem Hause (gespielt vom Model Marine Vacth) studiert an der Sorbonne und besucht am Nachmittag Hotelzimmer. Ein unvorhersehbarer Zwischenfall lässt ihr Geheimnis platzen und ihre Mutter fällt aus allen Wolken. Starregisseur François Ozon lässt in seinem neuen Film konventionelle Lebensideale und jugendliche Experimentierfreude aufeinandertreffen.
Bizarre Bettszenen, fiese Frisuren
5 Fragen an...
„The Counselor“ ist vielversprechendes Hollywood-Kino. Der Drogenthriller wartet mit imposantem Starensemble auf. Auch Javier Bardem ist dabei – erstmals seit langem zusammen mit seiner Frau, wie fast immer mit furchtbarer Frisur.
Pepe Lienhard, Saxophon-Legende
von Pierre Hagmann
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er Schauspieler-Beruf kann zuweilen bizarr sein. „Bizarr“, so beschrieb Michael Fassbender die Bettszene, die er mit Penelope Cruz für den Film „The Counselor“ zu drehen hatte. Die Erklärung ist simpel: Am Bettende sass Javier Bardem. Der Ehemann von Penelope Cruz. Seit drei Jahren verheiratet, zwei gemeinsame Kinder. Der sass da nicht einfach so: Auch Bardem gehört zum imposanten Cast, das im Thriller ab Ende November weltweit in den Kinos zu sehen ist. Im Film ist Cruz allerdings mit Fassbender zusammen, der einen Anwalt („Counselor“) spielt. Die beiden führen ein gutes Leben nahe der mexikanischen Grenze, doch Laura (Cruz) gibt mehr Geld aus, als ihr Mann, der Anwalt, einnimmt. Da kommt ihnen die Geschäftsidee von Reiner (Bardem) und dessen eiskalten Freundin Malkina (Cameron Diaz) gerade recht: Während sich die grossen Kartelle gegenseitig in einem Drogenkrieg aufreiben, wollen sie ihr eigenes Geschäft aufbauen. Komplettiert wird das Starensemble von Brad Pitt, der als Westray die Rolle des Geldwäschers spielt. „Breaking Bad“ im Kinoformat.
So ist das iberische Traumpaar Bardem und Cruz erstmals seit Woody Allens „Vicky Christina Barcelona“ (2008) wieder gemeinsam auf der Leinwand zu sehen. Und Bardem macht seinem Ruf als Filmfi gur mit den schrägen Frisuren alle Ehre. War er im Oscar-prämierten Streifen „No Country For Old Men“ als Psychokiller mit unförmigem Topfschnitt – „einer der schrecklichsten Frisuren der Geschichte“ (Bardem) – unterwegs, spielte er im letzten Bond „Skyfall“ den blonden Bösewicht, dessen Frisur ebenso fi es war wie die Rolle. Und diesmal, in „The Counselor“, schauen die Haare in alle Himmelsrichtungen – offenbar eine Hommage an den US-Produzenten Brain Grazer, der seinerseits aussieht, als wäre er der Meth-Dealer von Elvis Costello. Das Counselor-Drehbuch übrigens stammt von grandiosen Cormac McCarthy – der bereits die Vorlage zu „No Country For Old Men“ geliefert hat. Will heissen: Der Film dürfte mehr als Stars und fi ese Frisuren zu bieten haben.
THE COUNSELOR USA 2013 // THRILLER Ab 28.11.13, youcinema
Das ganze Oltner Kinoprogramm für den Monat November: youcinema.ch und lichtspiele-olten.ch
Was ist Ihr Lieblingsfilm? Ganz klar "Amarcord" von Fellini. Diesen Film habe ich sicher mehr als fünf Mal gesehen. Ein Muss in der italienischen Originalfassung. Welchen Film haben Sie zuletzt im Kino gesehen? "Rush" am Filmfestival Zürich, Ende September. Sensationell. Bei welchem Film hätten Sie gerne die Hauptrolle gespielt? In "New York New York" die Rolle des Saxophonisten. Hervorragend gespielt von Robert de Niro. Mit welchem Filmstar würden Sie am liebsten einmal einen Kaffee trinken? Mit Tom Hanks. Ich schätze ihn als Schauspieler sehr, da er wandelbar, aber immer sehr überzeugend ist. Worüber würden Sie gerne einen Film drehen? Am liebsten über eine Geschichte über eine Big Band aus den 1940er Jahren. Pepe Lienhard und Big Band – „It’s Swing Time“: Mittwoch, 13. November 2013, 19.30 Uhr, Trimbach, Mühlemattsaal www.pepelienhard.ch
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www.youcinema.ch
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PUBLIREPORTAGE
In ständigem Kontakt mit Herstellern: Susanne Wegmüller.
Auserlesene Produkte: Die Inspirations- und Präsentationsfläche von Stilbox.
„Ein schöner Laden lächelt immer“ Seit Mai 2013 bietet Susanne Wegmüller an der Hübelistrasse mit „Stilbox“ nicht nur Accessoires und Geschenkartikel an, sondern auch professionelle Einrichtungs-Beratung für den Einzelhandel, Firmen und Private. Text und Fotos von Yves Stuber
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ieles tut sich in Olten. Als Oltnerin möchte ich dabei sein und vielleicht, auf meine Art, eine kleinen Teil dazu beitragen, dass das Angebot für den Oltner Kunden grösser und abwechslungsreicher wird", erklärt Susanne Wegmüller von Stilbox einen Grund, warum sie in Olten ein Geschäft eröffnet hat. Dank ihrer langjährigen Erfahrung als Ausstellungsleiterin und Einkäuferin in einem grossen Möbelhaus in Zürich bringt sie viel Knowhow, Erfahrung, Kompetenz und den Zugang zu bekannten nationalen und internationalen Möbelhersteller nach Olten.
INSPIRATIONSFLÄCHE Stilbox ist nicht nur ein Laden, in welchen wir diverse Produkte – von Vintage - Artikeln über flexible Tischbeine bis zu auserlesenen Accessoires und exquisiten Haushalt-Pflegeutensilien – finden, sondern das Geschäft ist zugleich Präsentations- und Inspirationsfläche für die hauptsächliche Dienstleistung, die Susanne Wegmül-
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ler anbietet: Einrichtungs-Optimierung, Raumgestaltung und Verkaufsförderungs-Beratung. Das Schaufenster ist das wichtigste Werbeinstrument eines Ladens und hat den unmittelbarsten Einfluss auf den Kunden. Eintreten oder nicht entscheidet sich in Sekundenbruchteilen. Einkaufsketten und grosse Geschäfte verpflichten professionelle Visual-Merchandiser und Dekorationsgestalter um ihre Schaufenster und Verkaufsflächen optimal auf das Angebot abzustimmen. Oft fehlen dem Einzelhandel die Resscourcen für diese Professionalität und hier springt Stilbox mit eben diesem Knowhow ein. Die Beratung beginnt oft schon im vermeintlich selbstverständlichen Detail; eine attraktive Ladenfläche muss sauber und aufgeräumt sein und immer Freundlichkeit ausstrahlen oder in den Worten der Expertin: „Ein schöner Laden lächelt immer.“ Aber auch Privatpersonen werden von Susanne Wegmüller beraten: Ein Paar zieht erstmals zusammen und
bringt aus zwei Haushalten verschiedene Stilarten in die neue Wohnung - Stilbox hilft hier, mit Vorhandenem eine Harmonie zu schaffen. Oder es wird Nachwuchs erwartet, der Platz ist beschränkt und knapp – Stilbox hilft, mit intelligenten Systemen, auf wenig Fläche mehr Stauraum zu kreieren. Vielleicht hat man das Gefühl, etwas fehle in der bestehenden Einrichtung – Stilbox hilft, mit viel Erfahrung und Einfühlungsvermögen Vorschläge für die perfekte Ergänzung zu erarbeiten.
Markt gelangen, holt sich Wegmüller auf Messen und im ständigen Kontakt mit Lieferanten und Herstellern. Die Ausstellungsfläche im Zürcher Möbelhaus, ihres ehemaligen Arbeitgebers, dient ihr und ihren Kundinnen und Kunden als Zugang zu bekannten Marken wie Hülsta, Girsberger, Rolf Benz, Bretz und vielen anderen. Stilbox ist das neue lokale Geschäft in Olten mit nationalem Knowhow für jedes Budget und individuellen Stil. Stilbox Hübelistrasse 1 4600 Olten
DIE VIELEN STILRICHTUNGEN Der Name Stilbox symbolisiert eine Schachtel mit vielen Stilrichtungen, in welcher der Kunde seinen eigenen Stil entdecken kann. Genau so funktioniert die Beratung: Die Wünsche der Kunden werden verfeinert und ausgearbeitet. Stilbox arbeitet mit den vorhandenen Ideen und entwickelt sie weiter im Sinne des Auftraggebers. Das Wissen, welche Möbel und Einrichtungsgegenstände wo existieren, welche Neuheiten auf den
Tel. 062 212 05 65 Web www.stil-box.ch Mail info@stil-box.ch Öffnungszeiten Dienstag bis Freitag 10.00 – 12.00 Uhr 13.30 – 18.30 Uhr Donnerstag 10.00 – 12.00 Uhr 13.30 – 20.00 Uhr Samstag 10 – 17 Uhr
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DAS KLEINE JOB-INTERVIEW
Pasquale Corvigno, wie ist es, nur traurige Kunden zu haben? Der 31-jährige Pasquale Corvigno ist seit 12 Jahren der jüngste Bestatter in Olten und hat keine Angst vor dem Tod. Interview von Nora Bader Foto von Yves Stuber
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asquale Corvigno, wie ist es, nur traurige Kunden zu haben? Meine Kunden sind nicht nur traurig. Klar sind die meisten am Trauern oder stehen noch unter Schock. Aber es gibt auch Leute, die erleichtert sind, weil ein kranker Angehöriger von seinen Schmerzen erlöst wurde. Seit 12 Jahren sind Sie Bestatter. Hat sich Ihre Beziehung zum Tod dadurch verändert? Nicht gross, ich denke nicht viel darüber nach. Und Angst vor dem Tod habe ich nicht. Für mich ist klar: Wenn die Zeit da ist, dann ist es so.
men ihre Liebsten ein letztes Mal als die Person zu erleben, die sie wirklich war. Deshalb versuchen wir, den Kunden ihre Liebsten nochmal für kurze Zeit zurückzugeben. Ein Geschäftsmann trägt – auf Wunsch der Hinterbliebenen – im Sarg einen Anzug, ein Jäger Hut und Stock, ein Töfffahrer die Montur. Eine der wichtigsten Aufgaben des Bestatters ist das Gespräch mit den Angehörigen.
Wieso wurden Sie Bestatter? Mein Schwiegervater hat sich im Jahr 2002 selbstständig gemacht und ich bin eingestiegen. Bevor ich den Betrieb übernommen habe, machte ich Pikett. Ich bin seit der Geburtsstunde von Bestattungen Nisio GmbH dabei. Anfangs war es schwierig, die Aufträge waren rar gesät. Gibt es viel Konkurrenz im Raum Olten? Ja. Letztlich kann jeder Schweizer sein Bestattungsunternehmen selber wählen. Das wissen viele Leute noch immer nicht und lassen sich von Altersheimen oder Spitälern einschüchtern.
"Ich denke immer: Jemand da oben sieht, was wir tun": Bestatter Pasquale Corvigno.
Und wenn keine Angehörigen vorhanden sind? Kürzlich hatten wir einen solchen Fall. Auch diese Menschen werden würdevoll begraben und schön zurechtgemacht. Ich kann nicht einfach jemanden in den Sarg legen und verscharren. Da könnte ich abends nicht schlafen. Ich denke immer: Jemand da oben sieht, was wir tun.
Was gefällt Ihnen an diesem Job? Befriedigung gibt mir das Dankeschön der Kunden. Den Angehörigen bedeutet es enorm viel, beim Abschiedneh-
Müssen Sie im Gespräch mit Hinterbliebenen manchmal auch die Rolle eines Psychologen übernehmen? Das ist vielleicht etwas übertrieben. Ich versuche
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Wie gehen Sie persönlich mit den Belastungen dieses Berufsalltags um? Wenn man an einen Verkehrsunfall oder Suizid kommt, kann man auf junge Leute treffen, manchmal jemanden, den man kannte. Da ist es wichtig, dass wir danach auch im Team darüber reden können. Meiner Frau, die ebenfalls im Unternehmen tätig war, erzähle ich vieles. Auch ich muss verarbeiten. Aber eine dicke Haut gehört schon zu diesem Job. Schwäche zulassen geht nicht. Was halten Sie von der TV-Serie "Der Bestatter" mit Mike Müller? Muss man sich so Ihren Tagesablauf vorstellen? Die Serie ist zwar witzig, aber nicht sehr nahe an der Realität. Ein Laie merkt das nicht, aber mir fällt zum Beispiel sofort auf, wenn der Bestatter keine Handschuhe trägt. Wir müssen uns schützen, wie Ärzte.
Was kostet eine Bestattung durchschnittlich? Zwischen 1500 und 2000 Franken. Im Altersheim kommt es etwas günstiger, da die Verstorbenen schon dort eingekleidet werden. Es gibt aufwändigere Akte: Zuhause, 4. Stock, kein Lift, mit Bahre runternehmen, ankleiden, in speziellem Raum einbetten...
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lediglich, den Kunden zuzuhören, sie ernst zu nehmen und ihnen alle Möglichkeiten aufzuzeigen. Das Kommunikationsbedürfnis der Leute ist sehr unterschiedlich. Ich versuche immer, an sie heranzukommen und im Gespräch zu spüren, was sie wollen.
Wie sieht die Realität denn aus? Man muss den Alltag mit Humor nehmen können. Viele haben unserem Beruf gegenüber eine negative Einstellung. Man stellt sich einen Bestatter als alten Mann mit Schaufel und langem Bart vor. Alles Vorurteile? Ja. Und: Niemand sieht, wenn ich nachts um drei Uhr im Anzug ausrücke. Bestatter sein heisst nicht, von 8 bis 5 im Büro zu sitzen. Schlussfrage: Mit wie vielen Toten kommen Sie in Kontakt? Mit etwa 18 im Monat. Jährlich bestatten wir rund 200 bis 220 Menschen.
OLTEN über die Welt Wie sorgen Sie für Aufheiterung im grausten aller Monate? Giles Eichenberger, 20, Dulliken Eine heisse Dusche und japanische Nudelsuppen. Monique Rudolf von Rohr, 58, Olten Ich suche die Gesellschaft von Leuten, noch mehr als sonst. Ein Frühstück mit einer Kollegin, ein Besuch im Kino Lichtspiele mit seinen bequemen Sofas, ein kleiner Schwatz in der Buchhandlung am Klosterplatz oder im Schreiber, ich geniesse die Schokoladenauslage der Suteria und träume von Wärme, Geborgenheit. Licht und Lachen finde ich auch im Stadttheater oder im Theaterstudio. Beatrice Käser-Kiefer, 53, Olten Mit Tanzen – am liebsten im Salsaare (Schwellenmätteli Bern). Da kommt Sonne ins Herz. Alessandro Mattarel, 32, Olten Ich versuche so viel Sonne wie möglich abzubekommen. Am Wochenende wenn möglich über die Nebelgrenze und die schönen Schweizer Berge geniessen. Auch ein gemütlicher Abend zu Hause hilft, mit einem guten Buch oder auch mal an der Playstation. Auch ist mir in dieser Zeit die gemeinsame Zeit mit Freunden sehr wichtig. Da kann man viel lachen und so die trübseligen Geister vertreiben. Adrian Berchner, 21, Olten Wenns draussen gruusig ist, verkrieche ich mich nach Hause und geniesse bei gutem Essen einen ebenso guten Film.
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Spital arbeitet auch künftig mit umstrittener Stiftung zusammen Darf eine öffentliche Klinik wie das Kantonsspital Olten beim Betrieb eines Babyfensters mit einer Stiftung zusammenarbeiten, hinter der radikale Abtreibungsgegner mit fragwürdiger Beratungstätigkeit stehen? Die hitzig geführte Debatte ist mittlerweile im Bundeshaus angekommen. Text von Pierre Hagmann Foto von Yves Stuber
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ine Abtreibung ist nicht einfach eine Entfernung von ‚Schwangerschaftsgewebe’. Eine Abtreibung führt dazu, dass die Frau, Mutter eines lebenden Kindes, zur Mutter eines getöteten Kindes wird.“ Das schreibt die private Stiftung Schweizerische Hilfe für Mutter und Kind (SHMK) auf ihrer Webseite. Und weiter: „Eine Abtreibung löst die Probleme nicht, sondern vergrössert und vermehrt sie.“ 2001 wurde in Einsiedeln das erste Babyfenster der Schweiz eröffnet. Überforderte Eltern, so die Absicht dahinter, können in extremen Notsituationen im Babyfenster ihr Neugeborenes abgeben, anonym und fernab von Überwachungskameras. 2012 eröffnete auch Davos sein Babyfenster und in diesem Jahr, Anfang Juni, zog das Kantonsspital Olten nach. Etliche weitere sind in Planung: In Bellinzona, Bern, St.Gallen, Zürich, im Thurgau.
ANGEBOT NOCH UNGENUTZT Seit das Angebot besteht, seit 12 Jahren also, sind in Einsiedeln gesamthaft acht Kinder ins Babyfenster gelegt worden. Am neuen Babyfenster-Standort Olten ist das Angebot bislang nicht in Anspruch genommen worden, wie die Solothurner Spitäler AG (SoH) auf Anfrage mitteilt. Das Kantonsspital Olten bietet das Babyfenster in Zusammenarbeit mit der Stiftung Schweizerische Hilfe für Mutter und Kind an. Finanziert wird das Angebot vollständig durch die Stiftung. Die Kosten belaufen sich auf 30’000 bis 40'000 Franken für die Errichtung des Baby-
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Die Solothurner Spitäler AG will dieses Babyfenster in Olten auch weiterhin zusammen mit der SHMK betreiben. Gudrun Hochberger sieht keinen Anlass, die Kooperation zu beenden, weil sich diese „nur auf das Knowhow beim Betreiben des Babyfensters bezieht“. Es mache keinen Sinn, ein solches Fenster selber zu betreiben, wenn ein kompetentes Angebot existiere, so Hochberger. Ausserdem sei die Zusammenarbeit mit Dominik Müggler bislang immer professionell und angenehm gewesen. Und: „Es stimmt nicht, dass wir uns von der Stiftung instrumentalisieren lassen“. Das Spital führe schliesslich weiterhin Abtreibungen durch und engagiere sich weder poli-
"EIN SPITAL MUSS AUCH NICHT HUNDERTPROZENTIG HINTER ALLEM STEHEN, WAS SEINE PARTNER AUSSERHALB DER ZUSAMMENARBEIT TUN." Gudrun Hochberger, Direktorin Pflege Solothurner Spitäler AG
"SPITAL ENTSCHEIDET SELBST" Beim Kanton Solothurn sieht man aktuell aber keinen Handlungsbedarf. So meint Regierungsrat Peter Gomm (SP): „Mit wem die Solothurner Spitäler AG zusammenarbeitet, entscheidet sie nach der Gesetzgebung selbständig.“ Die Politik werde ein Auge darauf werfen, dass die Babyklappe ideologiefrei betrieben werde. Konkret: „Dass also keine Einfl ussnahmen der SMHK auf die ordentlichen Abläufe nach Entgegennahme des Neugeborenen erfolgen, beispielsweise bei der Suche nach Platzierungen. Hier steht die SoH als öffentliches Spital in der Pfl icht“, so Gomm. Er gehe davon aus, dass sich die SoH daran halte und jegliche Einfl ussnahme der Stiftung zu vermeiden wisse. Ausserdem betont der Regierungsrat: „Die Kindesschutzbehörde ist nach dem Vorfi nden eines Kindes in der Babyklappe von Beginn weg involviert und sorgt für das Kindeswohl.“ Persönlich sei er aber überzeugt, dass die Schaffung der Rahmenbedingungen für anonyme Geburten für Mutter wie Kind eine bessere Alternative zu den Babyklappen wäre. Das sieht auch Gudrun Hochberger, Direktorin Pfl ege und Mitglied der Geschäftsleitung der
DE E AL R RNRIN S E
Stiftungspräsident Müggler schrieb damals, mit den verdeckten Recherchen konfrontiert, dass die Beratung von Müttern in Not die Partnerschaft mit den Spitälern nicht betreffe. Und man stehe dazu, dass die Beratung nicht „ergebnisoffen“ sei. Dominik Müggler ist aktuell auch Mitglied im Initiativkomitee, das die Abtreibungsfi nanzierung zur Privatsache machen will. Im Februar 2014 kommt die entsprechende Vorlage vors Volk. Wie radikal sich die Stiftung am Wohl des Kindes orientiert, zeigt auch ein Blick in diverse Publikationen der Stiftung zum Thema Schwangerschaftsabbruch. Die SHMK schreibt etwa: „Sobald die Mutter die 3 Todespillen geschluckt hat, gibt es für sie kein Zurück mehr. 48 Stunden lang ist ihr der Todeskampf ihres Kindes gegenwärtig. Sie verfällt entweder in
"DAS MACHT KEINEN SINN"
tisch noch religiös. Zur fragwürdigen Beratungstätigkeit der SHMK, wie sie im „ZEIT“-Artikel dargestellt wird, will sich Hochberger nicht äussern: „Aus diesem Thema halten wir uns raus. Das ist ja auch nur eine Sicht der Dinge“. Ausserdem, so Hochberger weiter, müsse das Spital auch nicht hundertprozentig hinter allem stehen, was seine Partner ausserhalb des Kooperationsbereichs tun.
Z PA EN B T 2 E UL R 23 2/1 RN K UM L /0 1/ 2/ 13 EE 14 —
DIE SONDERBARE LISTE
Solothurner Spitäler AG, so: „Anonyme Geburten sind in der Schweiz im Gegensatz etwa zu Frankreich leider verboten. Wir haben aber die Fühler ausgestreckt.“ Solange da politisch nichts geschehe, sei das Angebot des Babyfensters sinnvoll.
Ausschnitt: Ernst Ludwig Kirchner (1880–1938), Liebespaar, um 1908, Museum Wiesbaden, Dauerleihgabe des Vereins zur Förderung der bildenden Kunst in Wiesbaden, erworben aus der Privatsammlung Nachlass Hanna Bekker vom Rath
SHMK-Beraterin: „Sie haben ja zwei Kinder. Können Sie sich vorstellen, dass eines Ihrer Kinder zerrissen wird – in Stücke gerissen?“ Hannah: „Nein. Natürlich nicht. Um Himmels willen. Warum sagen Sie das?“– „Genau das tut man bei einer Abtreibung. Das Kind, das Sie im Bauch tragen, würde bei einer Abtreibung zerrissen. Brutal auseinandergerissen.“
Panik und Verzweifl ung oder in zynische Verhärtung und Abtötung ihrer mütterlich-menschlichen Regungen. Diese 2 Tage und 2 Nächte verwunden und deformieren die Seele der Mutter in grausamer Weise. Auf ihrer Homepage veröffentlicht die Stiftung ausserdem die sonderbare Liste „33 Gründe für ein Baby“: „Weil Gott will, dass Babys leben“, ist einer der 33 Gründe. „Weil die Zeit mit dem Kind spannender ist als Disco“, ein anderer. Nun kann eine private Organisation tun und lassen, was sie will, solange sie sich im gesetzlichen Rahmen bewegt. Zu reden gibt indes die Zusammenarbeit mit öffentlichen Spitälern beim Babyfenster. Deswegen haben mittlerweile auch Politiker interveniert. Öffentliche Kliniken dürften sich nicht zu Propagandaträgern von Extremisten machen lassen, fi ndet etwa der Aargauer SP-Nationalrat Cédric Wermuth. Er ist mit diesem Anliegen kürzlich an den Bundesrat getreten. Gesundheitsminister Alain Berset teilte die fachlichen Bedenken, betonte aber gleichzeitig, dass diese Angelegenheit im Verantwortungsbereich der Kantone liegt.
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fensters sowie circa 15'000 Franken für Pfl egekosten, bis ein abgegebenes Baby zur Adoption freigegeben wird. Die Stiftung tritt auch in Davos und Einsiedeln als Betreiberin an. Hinter der SHMK stehen radikale Abtreibungsgegner unter der Leitung von Präsident Dominik Müggler. Die Stiftung bietet auch Beratungsgespräche für Frauen an. Kürzlich ist in der Schweiz-Ausgabe der „ZEIT“ ein Artikel erschienen, in dem die Oltner Journalistin Sarah Jäggi verdeckt recherchierte, wie diese Beratungen für Frauen in Not ablaufen. 1'191 solcher Beratungen hat die Stiftung nach eigenen Angaben im letzten Jahr geführt. Jäggis Selbstversuch soll exemplarisch zeigen, wie die Stiftung tickt. Im Gegensatz zu staatlich anerkannten Beratungsstellen fi ndet hier keine ergebnisoffene Beratung statt – das Ziel ist glasklar: die Mütter mit allen Mitteln von einer Abtreibung abzuhalten. Die Journalistin, die sich als schwangere „Hannah“ ausgibt, legt in ihrem Artikel Auszüge konkreter Beratungsgespräche dar:
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IM EXIL
Hoffnung auf bessere Zeiten im Land der vielen Verbote Menschen aus der Region berichten aus der Welt – diesmal unter anderem über den verbotenen Tanz im Iran, intime Innenhöfe in Valencia und eine Machtzentrale an der US-Ostküste.
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ISFAHAN, IRAN
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ie Si-o-Se-Pol, die 33-BogenBrücke, wurde in der Safawidenzeit unter Shah Abbas I. gebaut. Sie ist das Wahrzeichen der zentraliranischen Grossstadt Isfahan. Und sie stammt aus einer Zeit, in der der heutige Iran ein offenes Land war. Auch die Kirchenbauten der Stadt stammen aus dieser Zeit. Fünf Monate nach der iranischen Präsidentschaftswahl ist die Hoffnung unter Reformern gross, dass es nun besser wird – sowohl wirtschaftlich wie gesellschaftlich. Grenzen werden stärker als zuvor ausgelotet, es wird viel diskutiert, vor allem im Auto, zu Hause oder in den Kaffeestuben, dort, wo man seine Meinung ausdrücken kann. Im Restaurant ärgert sich der Kellner über die Regierungsbeamten, die am Tisch gegenüber eine Sauerei hinterlassen,
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das Isfahan Film Festival zeigt letzte Woche unverblümt kritische Filme, drei junge Männer tanzen ausgelassen am Fluss vor offener Autotür und aufgedrehter Soundanlage. Bedrückende Lust. Bedrückend deshalb, weil Tanzen mit bis zu einem Mo2nat Gefängnis bestraft werden kann. Was Spass macht, ist verboten. Sollten die Zügel trotz vorsichtigem Optimismus nicht gelockert werden, haben die Iranerinnen und Iraner aber schon immer einen Weg gefunden, die rigiden Gesetze zu umgehen. Zumindest etwas fördert der Dogmatismus der Regierung: Die Kreativität der Menschen bei der Gestaltung eines möglichst selbstbestimmten Lebens. Andreas Ruf, 29, lebt in Olten und kehrte soeben von einem monatigen Sprachaufenthalt im Iran zurück.
CALLE CADIZ 67, VALENCIA, SPANIEN
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igentlich ist er ja ein privater Raum, darum verrät er wohl auch viel Privates. Zum Beispiel Rauchgewohnheiten, Musikgeschmack, Essensthemen, Gerüche, Streite, Liebesgetöne oder dass Hundehalter ihr kläffendes Tier noch nicht Gassi geführt haben. Auch ich trockne meine Bettwäsche auf den gespannten Drähten vor dem Fenster, dabei sinniere ich darüber, ob die alte abuelita vis-à-vis wohl schon immer XXL-Wollunterhosen getragen hat, oder es erst tut, seit sie vor Taubheit ins Telefon schreien muss. Oder aber ich schweife ab in unwichtige Gedankengänge darüber, wo genau der Regen aufschlagen muss, um dieses blecherne Plätschern zu erzeugen, das mir in heissen Nächten Abkühlung verschafft. Zuweilen verleitet mich der spanische Innenhof,
MEHR ALS EINE DRUCKEREI
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ab vom Strassenlärm mit einer lauen Brise von Katzenpisse und schönem Wetter, auch zu beinah philosophischen Gedanken. Hier, hinter den schönen Fassaden, ist kein Ort für Verstellung, hier zeigt sich die Ehrlichkeit, die in Form von verschachtelten Wellblechbauten und Gitterkonstruktionen zuweilen viel erholsamer als falsches Getue in Kunstleder ist. Ich glaube, dass der ungepfl egte und gleichzeitig intime Innenhof indirekt für die hiesige Mentalität steht, die sich im Verhalten eines jeden lokalen Ladenbesitzers zeigt. Er fegt vor seiner Eingangstür den unerwünschten Dreck – über den nächsten Randstein hinweg. Die Journalistin Katja Zellweger, 26, ist kürzlich von ihrem Erasmus-Semester in Spanien zurückgekehrt. Foto: www.sandrofiechter.ch
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März 2012 KOLT T 062 205 75 75
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KAMPALA, UGANDA
ch reise ohne internationalen Führerschein und Geländewagen oder Mietauto mit Driver, nutze den lokalen ÖV, wie die Ugander. Es gibt keinen Bahnpersonenverkehr, die wenigen Schienenstrecken werden ausschliesslich für Warentransporte benutzt. Für längere Reisestrecken empfehlen sich Überlandbusse. Für kürzere, individuelle Strecken eignen sich „Boda-bodas“, Mopeds oder Fahrräder mit verlängertem, gepolstertem Gepäckträger. Deren Besitzer bringen nach verhandeltem Preis bis zu drei Passagiere mit fast beliebig viel und sperrigem Gepäck, recht schnell und wendig, wenn auch manchmal mit halsbrecherischer Fahrweise an den gewünschten Ort. Kostengünstiger und etwas weniger gefährlich sind die „Matatus“, robuste und indi-
viduell nachgerüstete (verstärkte) Toyota-Kleinbus-Taxis „licensed to carry 14 passengers“, oft liebevoll dekoriert und mit frommen Slogans „Only u Jesus“ versehen. Fahrer und Kassierer bemühen sich durch kurze Hupsignale und laute Schreie darum, freie Plätze auch weit über ihre Kapazität zu besetzen, vorher wird nicht abgefahren. Kinder und Gepäck zählen nicht. Minibar: An jedem Halt bieten zahlreiche Strassenverkäufer Verpfl egung durchs Fenster an. Vor dem Aussteigen muss man laut rufen und das Fahrgeld über die Mitreisenden von Hand zu Hand nach vorne reichen. Es funktioniert. Ich staune gelassen: „This is Uganda“! Ina von Woyski lebt in Trimbach und war drei Wochen lang in Uganda auf Reisen.
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NEW YORK CITY, USA
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ie Machtzentrale liegt in Hollywood? Weit gefehlt! "The Weinstein Company" ist seit Jahren die Machtzentrale in der Filmbrache. Wer kennt sie nicht, die ganzen preisgekrönten Filme wie: The Aviator, Finding Neverland, Chicago, Gangs of New York, Chocolat, Shakespeare In Love, Life Is Beautiful (La Vita É Bella), Good Will Hunting, The English Patient, Il Postino, Pulp Fiction, The Piano, The King' s Speech, Sin City, Inglorious Basterds, Django Unchained, Kill Bill, Silver Linings Playbook. Um nur einige zu nennen. Keiner hat eine so gute Nase für Geschichten wie Harvey Weinstein. Ge-
liebt und gefürchtet zugleich. Sogar Präsident Obama hat ihm schon ein Buch zukommen lassen, mit dem Tipp, daraus unbedingt einen Film machen zu müssen. Harvey und sein Bruder Bob gründeten 1979 die Firma Miramax (benannt nach den Eltern Miriam und Max), welche sie Jahre später an Walt Disney verkauften. 2005 gründeten sie "The Weinstein Company". Harvey Weinstein, der heimliche Bürgermeister von NYC, der König der Oscars – oder können 303 Oscar Nominierungen und 75 gewonnene Oscars lügen? Najet El Kamel, 32, stammt aus Olten und lebt und arbeitet in München.
Feinste Kaliber von NOMOS Glashütte.
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Der Journalismus steckt mitten in einem heftigen Strukturwandel. Die Medienkrise betrifft nicht nur Journalisten wie OT-Chefredaktor Beat Nützi oder Spiegel-Auslandskorrespondent Mathieu von Rohr, die auf den nächsten Seiten erzählen, wie es heute wirklich ist, in dieser Branche mit höchst ungewisser Zukunft zu arbeiten. Es geht uns alle etwas an.
Text von Pierre Hagmann Foto von Flavia Schaub
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er Journalismus ist mehr als eine Branche in der Krise. Journalismus kann, ja muss auch als System verstanden werden, das innerhalb der Gesellschaft eine Funktion übernimmt und damit Leistungen erbringt für andere soziale Systeme. Die Funktion dieses Systems ist es, Öffentlichkeit herzustellen, zur Meinungsbildung beizutragen, als Kontrollinstanz zu wirken; das System Journalismus trägt die primäre Verantwortung für die Beobachtung der Gesellschaft. Und wird dadurch unverzichtbar für das Funktionieren ebendieser Gesellschaft. DER JOURNALISMUS ERLEBT DERZEIT BEKANNTLICH EINEN HEFTIGEN STRUKTURWANDEL. Nun ist es nicht so, dass das per se ein Unglück wäre; der Strukturwandel gilt als ein Merkmal von Systemen. Diese zeichnen sich auch dadurch aus, dass sie anpassungsfähig sind; durch die Veränderung von Strukturelementen stellen sie sich immer wieder auf ihre Umwelt ein, die ebenfalls stetem Wandel unterworfen ist. Gefährlich wird es dann, wenn das System Journalismus zum Laufburschen eines ande-
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ren Systems – konkret: der Wirtschaft – wird. Dann gerät das eigene System aus den Fugen, dann kann es seine eigenen Funktionen innerhalb der Gesellschaft nicht mehr ausüben – dann kann die ganze Gesellschaft aus den Fugen geraten. DIE URSACHE DES AKTUELL STATTFINDENDEN STRUKTURWANDELS IST IN DER DIGITALISIERUNG ZU SUCHEN. Zu den Folgen gehört, dass die ökonomische Grundlage der allermeisten Medientitel massiv geschwächt wurde beziehungsweise noch immer wird: Im Werbemarkt hat die Schweizer Informationspresse im Vergleich zum Vorjahr 183 Millionen Franken weniger eingenommen. Bedenklich ist auch, dass fast ein Drittel der Gesamteinnahmen an die Gratis-Zeitungen „20 Minuten“, „20 Minutes“ und „Blick am Abend“ ging. Diese aktuellen Zahlen stammen vom Forschungsinstitut Öffentlichkeit und Gesellschaft (FÖG) unter der Leitung des Zürcher Soziologie-Professors Kurt Imhof. Das FÖG hat kürzlich die vierte Ausgabe des Jahrbuches „Qualität der Medien“ veröffentlicht. Darin lässt das Institut kein gutes Haar an
der Schweizer Medienlandschaft. Die Qualität der journalistischen Leistungen, so das Fazit des Instituts, nimmt weiter ab. Die Medien ihrerseits, die sich gewohnt sind, auszuteilen, tun sich schwer, einzustecken und werfen Imhof vor, unwissenschaftlich gearbeitet zu haben. Dabei will niemand ernsthaft die Probleme der Branche bestreiten: Die Einbussen, die die Verlage im Printbereich einfahren, sind durch ihr Engagement im Internet nicht annähernd kompensiert. Im Online-Bereich sind die Preise tiefer und die Konkurrenz grösser. Dass das nicht ohne Folgen auf die erbrachten Leistungen bleibt, ist nur logisch. Um finanziell nicht vollends im Schlamassel zu enden, wird dort investiert, wo der Werbe- und Lesermarkt am potentesten ist. Und damit wären wir wieder beim Gratisblatt „Blick am Abend“, das massenhaft Softnews, aber kaum Einordnung oder Relevanz – journalistische Qualität eben – liefert. Das Paradoxe an dieser Branche ist also: Wer mehr Qualität liefert, fährt nicht mehr Gewinne ein. Im Gegenteil. Ohne journalistische Qualität
aber, hat die Gesellschaft als Ganzes ein Problem. Die Branche, das System braucht neue Formen, neue Modelle. Es braucht aber auch ein Umdenken in der Gesellschaft: Zurecht spricht man beim FÖG auch von negativen Gewöhnungseffekten. Die Jugendlichen wachsen in eine Medienwelt hinein, die durch Gratisprodukte gekennzeichnet ist. Der Qualitätsbegriff muss wieder in den Köpfen der Menschen, vor allem in jenen der Verlagsleiter verankert werden. DER JOURNALISMUS MUSS SICH ANPASSEN, ER DARF SICH NICHT UNTERORDNEN. Beat Nützi, Chefredaktor vom „Oltner Tagblatt“ und Mathieu von Rohr, Auslandskorrespondent beim deutschen Nachrichtenmagazin Spiegel, liefern auf den folgenden Seiten Beispiele dafür ab, welche konkreten Folgen dieser abstrakte Strukturwandel hat. Die beiden arbeiten mit sehr unterschiedlichen Vorzeichen. Doch beide sagen: Journalismus ist und bleibt ein Traumberuf. Positive Signale in schwierigen Zeiten.
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EINE TAGESZEITUNG AUF DEM ABSOLUTEN M I N I M U M Interview von Fabian Saner Foto von Flavia Schaub
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eniger Leser, weniger Inserate, mehr Medienkonkurrenz – liegt der Lokaljournalismus, wie ihn das OT pflegt, auf dem Sterbebett? Auf dem Sterbebett sicher nicht. Unsere Abonnentenzahlen sind in den letzten Jahren zwar um jeweils 2-3% zurückgegangen, damit stehen wir aber im Vergleich mit anderen Zeitungen, die pro Jahr bis zu 10% eingebüsst haben, immer noch sehr gut da. Das OT hat derzeit rund 14‘800 Abonnenten. Ich bin überzeugt, dass das auch mit unserer Arbeit zu tun hat. Aber es bestehen natürlich echte Probleme. Die verfügbaren Ressourcen werden immer kleiner. Ist Lokaljournalismus, der sich an der Chronistenpflicht orientiert, noch zeitgemäss? Darüber kann man trefflich streiten. Im Lokaljournalismus war man lange Zeit reiner Chronist, zur Meinungsbildung trug man bloss nebenher bei und dies meist durch eine parteipolitisch geprägte Brille. Der rasante Wandel in der Zeitungsbranche hat diese an politische Lager angebundenen Tageszeitungen in den 80er- und 90er-Jahren zum Verschwinden gebracht; an deren Stelle hat sich das Konzept der Forumszeitung durchgesetzt, die verschiedene Standpunkte abbilden und damit die Meinungsvielfalt im selben Blatt darstellen soll. Auf einer anderen Ebene haben die medialen Veränderungen der Digitalisierung dazu geführt, dass die Leute heute nicht mit Informationen überflutet sind, sondern mit Nachrichten. Darin steckt ein wesentlicher Unterschied: Man ist heute ‘übernachrichtet‘, aber ‘unterinformiert‘. Und darin sehe ich in allem Wandel der Leserbedürfnis-
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Beat Nützi, Chefredaktor vom Oltner Tagblatt, über wegbrechende Geschäftsmodelle, Unabhängigkeit und die Passionen des Lokaljournalismus. se eine Chance für den Lokaljournalismus: Er muss die komplexen Prozesse in unserem politischen System nachvollziehbar machen – das heisst, sie nicht nur abzubilden, sondern sie ‘von unten‘ her, von der Region und der Gemeinde her zu betrachten und Zusammenhänge aufzuzeigen, die den Lebensalltag prägen. Der Journalismus muss der Gesellschaft und der Demokratie dienen, er hat eine Wächterfunktion. Das klingt zwar abgedroschen, ist aber umso bitterer nötig,
wie vor Tag für Tag die Geschehnisse berichtet, aber kaum eingeordnet werden. Wir müssen einen Zwischenweg finden zwischen Pflichtübungen und der Kür – den Themen, die wir als Geschichten, zum Beispiel über eine personalisierte Betrachtungsweise, bringen. Das ist auch eine Ressourcenfrage: Was decken wir voll ab? Wo sind wir Begleitmedium? Heutzutage sind ja viele Gemeinderatsberichte am nächsten Tag online; dazu hat auch das Öffentlich-
"DER JOURNALISMUS MUSS DER GESELLSCHAFT UND DER DEMOKRATIE DIENEN, ER HAT EINE WÄCHTERFUNKTION." als unser politisches System den Meinungswettbewerb voraussetzt. Kann das Oltner Tagblatt diese Wächterfunktion tatsächlich wahrnehmen? Die grosse Nähe zur Leserschaft ist ein grosser Vorteil für uns. Wir berichten aus der Region für die Region – dies ist aufgrund der Verankerung unserer Korrespondenten nicht einfach ein leerer Spruch. Aber daraus ergibt sich natürlich auch ein Verhältnis, das eine respektvolle und faire Berichterstattung erfordert. Manchmal ist das eine heikle Gratwanderung. Die Redaktoren betreuen geographisch aufgeteilte Ressorts und in jeder Gemeinde gibt es Korrespondenten. Man hat den Eindruck, dass nach
keitsprinzip in den Verwaltungen beigetragen. Es macht für die Zeitung keinen Sinn mehr, solche Berichte in epischer Breite zu bringen. Nicht nur zu berichten, sondern einzuordnen – Navigator zu sein. Trotzdem wollen wir uns nicht völlig auf eine Form regionalisierter Betrachtung einlassen, d.h. auch im regionalen Bereich ausschliesslich auf einen eng gefassten Newswert zu fokussieren: Der politische Prozess hat eine Kontinuität und man darf aus der vermeintlichen Abstinenz bei Abstimmungen, Wahlen oder der Schwierigkeit, auf Gemeindeebene Ämter zu besetzen, nicht den Kurzschluss ziehen, dass auch weniger Interesse am politischen Geschehen vorhanden ist. Das wäre völlig falsch. Wir müssen eine verlässliche Informationsquelle bleiben.
Sollen Journalisten als ‘Navigatoren‘ im Informationsfluss auftreten, müssen sie einerseits andere Fähigkeiten haben als bloss eine interessante Schreibe – und sie brauchen vor allem Zeit. Die Stammredaktion des Oltner Tagblatts ist sukzessive geschrumpft: Austretende oder pensionierte Journalisten wurden in den letzten Jahren nicht mehr ersetzt. Ein einziger Redaktor betreut die ganze Stadt Olten, wo die Hälfte der Abonnenten des OT wohnen. Im Kernbereich der Redaktion hatten wir keinen Abbau. Wir haben heute gleich viele Stellen wie vor der Einführung des „Sonntags-OT“ im Jahr 2007. Unsere redaktionelle Grundorganisation setzt das Schwergewicht ganz klar im Regionalen, aber wir haben auch damit begonnen, die Aufgaben matrixmässig nach Kompetenzen zu verteilen. So sind für die Stadt Olten insgesamt rund 250 Stellenprozente reserviert, die von verschiedenen Redaktoren abgedeckt werden. Zudem haben wir in Olten, gerade im Bereich Kultur, einige ausgezeichnete freie Mitarbeiter mit journalistischer Ausbildung. Im Ressort Thal-Gäu, in der Berichterstattung über den Kanton Solothurn und im Regionalsport spannen wir seit einigen Jahren mit der Solothurner Zeitung zusammen, haben aber auch weiterhin gute Leute im Haus. Auch für das Niederamt mit seinen Dutzenden Gemeinden kommen wir auf insgesamt knapp zwei Vollzeitstellen. Eine Stelle wurde zudem in einen regulären Ausbildungsplatz umgewandelt. Es geht mir dabei nicht um eine billige Arbeitskraft, sondern ich will Leute heranziehen, die den Journalismus mit Leidenschaft und Biss betreiben. Es ist für eine kleine Redaktion eine grosse Aufgabe, auch
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"DAS IST EINFACH NICHT ZU AKZEPTIEREN" UMDENKEN
"Ein Journalist, der muss, ist nie ein guter Journalist": Beat N端tzi.
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<<Wir machen uns stark f端r die Jugend und den EHC Olten>>
Mit unserem Engagement beim EHC Olten unterst端tzen wir Spitzen-Eishockey in der Region und erm旦glichen Kanti-Sch端lern gratis Eintritt zu den Heimspielen.
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eine Ausbildungsfunktion zu übernehmen, die sich aber auch lohnt: Ein Grossteil unserer festen Mitarbeiter sind Eigengewächse. – Aber es stimmt natürlich schon: Wir machen derzeit unsere Zeitung auf dem absoluten betrieblichen Minimum, das weiss auch der Dietschi-Verwaltungsrat. Man kann natürlich immer weiter reduzieren, aber dann endet man als Verlautbarungsorgan wie die vielen kleinen Anzeiger, die einfach abdrucken, was ihnen zugeschickt wird. Das kann es nicht sein. Jede Region braucht ein starkes und kompetentes Medium. Qualität bemisst sich nicht nur an Ressourcen und Ausbildung, sondern auch an ethischen Standards wie jenem der Transparenz. Im OT werden oft amtliche Verlautbarungen oder Parteiencommuniqués ohne grosse redaktionelle Verarbeitung abgedruckt. Wichtig ist, dass im Artikel immer ein Quellenbezug hergestellt wird. Es stimmt nicht, dass wir Communiqués telquel abdrucken. Es wird immer auf die Quellen verwiesen – und die Mitteilungen müssen natürlich einen Newswert haben. Wir haben von der Polizeimeldung bis zu grossen politischen Geschäften viele Informationen von Behörden; aber alle relevanten Themen decken wir mit einer eigenen journalistischen Aufbereitung ab, das ist ganz klar. Die Gewährleistung von inhaltlicher Qualität hat auch etwas mit der Vielfalt der Anbieter bzw. der Besitzer von Medien zu tun. Nun ist das OT bzw. die Dietschi AG immer noch unabhängig, d.h. gehört einem breiten, regional verankerten Aktionariat. Die Übernahmegelüste der AZ Medien konnten bisher abgewehrt werden. Wie sehen Sie den Zusammenhang von Vielfalt auf Seiten der Eigentümer und Qualität? Eigentümervielfalt muss man sicher berücksichtigen, aber durch den Wettbewerb steigt die Qualität nicht automatisch. Man darf sich da auch keinen Illusionen hingeben: Auch im Dietschi-Verwaltungsrat sitzen längst Leute von aussen wie etwa Teddy Gut von der Zürichsee-Zeitung oder eben Peter Wanner, Chef der Aargauer Zeitung. Wanner verfügt im Moment über 35 Prozent der DietschiAktien und man wird sehen, wie sich das weiterentwickelt. – Ich halte ihn aber für einen der letzten Verleger, der aus dem Journalismus nicht bloss
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den letzten Tropfen Rentabilität herauspressen will, sondern eine Leidenschaft dafür hat. Dies zeigt sich nicht zuletzt darin, dass er 20 Millionen in eine neue Zeitungsdruck-Maschine investiert hat, die nächstes Jahr in Betrieb gehen wird. Auf redaktioneller Ebene bestehen seit vielen Jahren wechselnde Kooperationen für die Bereitstellung der überregionalen Inhalte. Ist das nicht einfach Abbau unter dem Deckmäntelchen von Kooperation und Effizienz? Redaktionelle Kooperationen sind wichtig, weil man dadurch die schwindenden Ressourcen nicht nur effizienter, sondern auch selbstbestimmter einsetzen kann. Früher waren wir im überregionalen Bereich auf die Berichte der Agenturen angewiesen.. Dank der Kooperation im Verbund Die Nordwestschweiz können wir einerseits selbst bestimmen, welchen Journalisten wir für eine bestimmte Frage einsetzen und wir können die Themen auch sinnvoll regionalisieren,
ternehmens, das auf dem regionalen Werbe- und Drucksortimentenmarkt eine führende Stellung hatte, sondern steht allein da. Steht am Ende dieser Entwicklung nicht, wie man es bei vielen ähnlich aufgestellten KMUs gesehen hat, die Schliessung der Zeitungsdruckerei und eine Rumpfredaktion von drei oder vier Journalisten, die in einem Büro zwei Lokalseiten produzieren? Für das OT bzw. für die Dietschi AG war der Akzidenzdruck in den letzten Jahren finanziell eher eine Belastung. Aus der Optik der Zeitung sind wir daher nun entlastet. Es wird zwar schwieriger, regionalen Veranstaltern das Gesamtpaket einer Medienpartnerschaft anzubieten, wo wir auch deren Flyer und Hefte drucken, aber das müssen wir nun eben anders angehen. Die hausinternen Umwälzungen sind auch eine Herausforderung, weil in den verschiedenen Bereichen die Arbeitsleistung der Mitarbeiter nun entflochten werden muss. – Und die Frage der Redaktion: Ich bin da sehr zuversichtlich, auch
"DIE HALTUNG MUSS SPÜRBAR SEIN. DAS BRAUCHT DISZIPLIN; DESHALB IST DER JOURNALISMUS EINE PASSION." indem wir etwa Bundesparlamentarier aus unserer Region miteinbeziehen, wenn es um die Auswirkungen von Entscheiden in Bern oder auch in Brüssel geht. Für mich ist zentral, dass der journalistische Nutzen der Kooperation im Vordergrund stehen muss, nicht die finanzielle Effizienz, die ja meist das Deckwort für Stellenabbau ist. Gleichzeitig gibt es diesen Trend zur Industrialisierung des Journalismus: Wenn ich mir gewisse Newsrooms anschaue, wird mir fast schlecht: Das sind Kathedralen, wo der Journalismus eher zelebriert als produziert wird. Diese Industrialisierung des Journalismus ist eine sehr gefährliche Entwicklung. Der ehemalige CEO der Dietschi AG Thomas Müller hat den Bereich Akzidenzdruck vor kurzem als Eigentümer übernommen und aus der Firma herausgelöst. Nun ist das Oltner Tagblatt nicht mehr Teil eines Druckerei-Un-
wenn ich an den Oltner Geist denke (lächelt): Die Oltner würden es nicht akzeptieren, mit einem derartigen redaktionellen Angebot abgespiesen zu werden, das würde zu heftiger Opposition führen. Medienkonvergenz ein grosses Schlagwort: Die Zusammenführung von gedruckter Zeitung, Online und MobileBereich. Das OT hatte von Beginn an ein vergleichsweise sehr schmalspuriges Internet-Angebot; klickt man sich heute durch die Seite, hat man auch den Eindruck, die Berichte der Solothurner und Aargauer Zuträger überwiegen. Mag sein. Aber wir haben dadurch nicht grosse Summen in den Sand gesetzt wie grössere Verlagshäuser. Wir richten uns nach dem Möglichen: Die Bereitstellung des OnlineAngebots darf die Redaktion nicht überlasten, sprich zuviel Zeit binden. Auch hier ist die Kooperation mit der Aargauer Zeitung von Vorteil, wir
profitieren sehr von deren ausgebautem Online-Portal dem technischen Know-how. Wir entwickeln aber auch selbst neue Ideen, gerade was die Berichterstattung aus und über die Gemeinden oder das niederschwellige ‘Tagebuch‘ angeht, also Vereinsmeldungen und ähnliches. Dort könnte man sich ein ‘Splitting‘ vorstellen, so dass wir die Homepage stärker als Plattform verstehen. Würden Sie Ihren Kindern heute empfehlen, Journalist zu werden? Sicher! Für mich ist das auch unter erschwerten Bedingungen nach wie vor ein Traumberuf. Du hast Kontakt mit den Leuten, du kannst über alles schreiben. Ich schreibe jährlich immer noch rund 150 bis 200 Artikel, vor allem Kommentare, Kolumnen und Hintergrundbeiträge. Es gibt Kollegen, Chefredaktoren, die fast keine Kommentare mehr schreiben und pointierte Haltungen im Meer der ‘Expertokratie‘ und des pro und contra untergehen. Ich habe ein anderes Verständnis von Journalismus und der Navigatoren-Rolle: Wir müssen den Experten zuhören, wir müssen ihre Berichte lesen, aber dann müssen wir dazu eine unabhängige Meinung bilden. Die Haltung muss spürbar sein. Das braucht Disziplin; deshalb ist der Journalismus eine Passion. In diesem Metier kann man nicht ‘stündelen‘. Ein Journalist, der muss, ist nie ein guter Journalist. Und die guten Journalisten sollten im Lokaljournalismus arbeiten, weil Unabhängigkeit in der täglichen Arbeit am schwierigsten zu leben ist. Das ist heute eine absolute Notwendigkeit. Früher waren Inland- und Auslandsredaktoren fast eine eigene Kategorie Leute, die glaubten, sie müssten für eine eigenständige Kategorie von Lesern schreiben. Das hat sich sehr gewandelt: Die, die so redeten, dass niemand sie versteht, wurden für intelligent gehalten. Heute ist es umgekehrt: Wer etwas nicht schnörkellos erklären kann, gilt als kommunikationsschwach. Ich empfinde das als eine positive Entwicklung. Beat Nützi (56) lebt in Wolfwil und ist seit 1981 bei der Dietschi AG bzw. beim Oltner Tagblatt tätig, zuerst als Redaktor und Dienstchef, dann als stellvertretender Chefredaktor und seit 1996 als Co-Chefredaktor sowie ab 2008 als alleiniger Chefredaktor.
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U N S E R M A N N IN PARIS
Aufgezeichnet von Pierre Hagmann Foto von Halldora Magnusdottir und Bryan Monaco
Mathieu von Rohr, 35, begann seine journalistische Karriere in der Kulturredaktion beim Oltner Tagblatt. Heute arbeitet er in Paris als Auslandskorrespondent für den Spiegel, das grösste Nachrichtenmagazin Europas. Eine Stelle, die für heutige Journalisten-Verhältnisse rare Privilegien mit sich bringt. Nur Business-Class fliegen, das liegt auch beim Spiegel nicht mehr drin.
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ch weiss nicht, wohin der Weg führt. Bei mir selber nicht, weil ich nicht der Typ bin, der eine Karriere plant. Aber auch beim Journalismus generell nicht, weil das niemand weiss. Klar ist aber, dass sich die Branche inmitten eines Umbruchs befindet. Und klar ist auch, dass ich Journalist bleiben will. Denn das ist einer der besten Berufe, die es gibt auf der Welt. Auch heute noch. "DER SPIEGEL“ IST MIR SCHON FRÜH IN MEINEM LEBEN BEGEGNET. Mein Vater war fleissiger „Spiegel“-Leser, bei uns zuhause in Wangen bei Olten. Ich habe damals aber nicht gedacht: Für die will ich später unbedingt arbeiten. Viel eher malte ich mir aus, eines Tages im Süden zu leben. Meine ersten Schritte als Journalist habe ich während der Kanti-Zeit beim Kulturteil des Oltner Tagblatts gemacht. Danach begann ich ein Studium der Germanistik und Geschichte in Basel. Auch dort war ich als Kulturreporter für das lokale Geschehen tätig, vier Jahre lang konnte ich mich bei der „Basler Zeitung“ austoben,
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die dazumals noch eine unabhängige Tageszeitung mit überregionalem Anspruch war. Diese Erfahrung im Lokalen, so weiss ich heute, ist für jeden Journalisten extrem wichtig; das ist the real thing, hier findet die Wirklichkeit statt. Schnell habe ich gemerkt, dass mir das Schreiben mehr Spass macht als das Studieren, und als ich bei der Henri-Nannen-Journalistenschule in Hamburg aufgenommen wurde, habe ich das Studium beiseite gelegt – bis heute. Der Weg in die grossen deutschen Redaktionen führt mittlerweile fast ausschliesslich über die beiden wichtigsten Journalistenschulen in Hamburg und München. Zu diesem
hier wirklich? Ich will und muss einer Sache auf den Grund gehen, die richtigen Leute finden. Und das Ganze dann so schreiben, dass die Leute es auch gerne lesen. Auch die Form muss stimmen. Es kostet viel Geld, Reporter in alle Welt zu schicken. Der Spiegel gehört zu den wenigen, die sich das noch leisten können. Wir sind die, die bisher am längsten am „Schärme“ gestanden sind. Natürlich geht der Strukturwandel auch an uns nicht spurlos vorbei. Der Spiegel verliert wie fast alle Printmedien seit Jahren, bei der Auflage und bei den Inserenten. Auf meinen Berufsalltag hat diese Entwicklung bislang indes kaum Einfluss gehabt.
alltag verbringe ich etwa die Hälfte der Arbeitszeit im Büro, den Rest bin ich draussen, vor Ort. Meist in Paris, manchmal sonst irgendwo in Frankreich, immer wieder aber auch im Ausland: Der arabische Frühling etwa beschäftigt mich nach wie vor. Ich liefere Hamburg Geschichten aus Eigeninitiative oder ich erhalte einen konkreten Auftrag aus Hamburg; auch hier hält sich das Verhältnis bei ungefähr fifty-fifty. Im Moment schreibe ich gerade an einer kleine Geschichte über einen französischen Spionage-Autor. FRÜHER WOLLTEN DIE LEUTE IM SPIEGEL DIE ZUSAMMENFASSUNG DER WOCHE LESEN. DAS IST LANGE VORBEI, WIR BRAUCHEN EIGENE GESCHICHTEN, die man sonst nirgends finden kann – und in Abgrenzung zu Online und Tageszeitung müssen wir in der Druckausgabe heute "magaziniger" sein. Allgemein muss man künftig vermehrt unterscheiden zwischen Medien, die eigene Inhalte generieren, und solchen, die bloss weiterverbreiten. Gratiszeitungen haben sich in Deutschland nie durchgesetzt. Als 20 Minuten sich 1999 in Köln etablieren wollte, taten sich die Verlage zusammen und gaben Konkurrenzblätter heraus, bis 20 Minuten aufgeben musste. Die Schweiz eignet sich wegen der kleinen Fläche und der vielen Pendler wohl besonders gut für Gratiszeitungen. Ich glaube aber, Gratiszeitungen sind eher ein Thema der Vergangenheit – heute kämpfen Tageszeitungen nicht gegen Gratiszeitungen, sondern gegen Smartphones und das ist ein Kampf, der schwer zu gewinnen ist.
"DAS GELD WIRD INSGESAMT WENIGER. ABER ES WIRD OHNEHIN NIEMAND JOURNALIST, WEIL ER REICH WERDEN WILL, FRÜHER NICHT, HEUTE NICHT, KÜNFTIG NICHT." Ausbildungsweg zählen zahlreiche Praktika. Eines davon absolvierte ich Ende 2004 im Gesellschafts-Ressort des Spiegels. Der Tsunami, der am 26. Dezember jenes Jahres unfassbar vielen Menschen Tod und Leid brachte, sollte für mich als junger Journalist zur Bewährungsprobe werden: Zwanzig Leute schickte das Magazin ins Krisengebiet nach Asien, ich war einer davon. Dieses Praktikum war es dann auch, das mir die Türe für eine Festanstellung beim Spiegel öffnen sollte. Als Reporter in der Auslandredaktion war ich seit 2006 ständig unterwegs, ein bisschen überall auf der Welt. Über den arabischen Frühling habe ich berichtet, auch aus Kaschmir oder aus Gaza, einem der tristeren Orte dieser Welt. Ein journalistisches Highlight war die Arbeit in Mexiko, wo ich über den Drogenkrieg recherchiert habe. Zweimal zwei Wochen lang, vor Ort. Egal, wo mich mein Job hinführt, mein Anspruch an mich selbst bleibt immer der gleiche: Geschichten zu erzählen, die so noch nicht erzählt worden sind. Erklärungsansätze zu liefern: Was passiert
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Gut, auch wir können schon lange nicht mehr Business Class fliegen. Wenn es aber um die Recherche geht, gibt es keine finanzielle Einschränkungen. Und ich kann mir die Zeit nehmen, die es braucht, um ein Problem, eine Entwicklung, ein Land oder einen Menschen wirklich zu verstehen. Wenn ich also ein Porträt vom französischen Präsidenten François Hollande schreibe, dann kann ich ihn und seine Entourage mehrere Wochen lang auf Kampagnenreise durch Frankreich begleiten. Es ist schon so: Von solchen Verhältnissen können die meisten Korrespondenten heute nur noch träumen. Das ist ein Privileg – es führt aber auch zu besseren Texten. Vor zwei Jahren bin ich von Hamburg nach Paris gezügelt. Seither arbeite ich für den Spiegel als Frankreich-Korrespondent und amte als Chef der Pariser Büros. Die Korrespondenten von Tageszeitungen leiden unter hohem Zeitdruck, weil sie die ganze Aktualität abdecken müssen. Ich teile mein Pariser Büro mit einem SpiegelOnline-Redaktor, der diese Aufgabe übernimmt. In meinem Berufs-
NATÜRLICH STELLT DAS DIGITALE ZEITALTER VIELES IN FRAGE. ICH BETRACHTE DAS ABER NICHT ALS GEFAHR, SONDERN ALS CHANCE. Statt Gejammer brauchen wir Innovation. Sowohl in unternehmerischer, als auch in journalistischer Hinsicht: wirtschaftlich, damit guter Journalismus weiterhin finanziert werden kann; inhaltlich, weil die Leute zurecht hohe Ansprüche haben. Das Bedürfnis nach qualitativ hochstehenden journalistischen Inhalten wird nicht abnehmen, im Gegenteil, die Leute sind heute anspruchsvoller.
Wir müssen uns überlegen, wie wir aufregend bleiben, wie wir besser werden. Damit die Leute weiterhin Woche für Woche bereit sind, 4 Euro und 40 Cents für die Zeitschrift zu bezahlen. Aktuell sind Online- und Printredaktion beim Spiegel rechtlich und organisatorisch komplett getrennt. Die aufwändig recherchierten Artikel der Print-Journalisten werden online nicht angeboten. Die Leute nehmen diese strikte Trennung nicht wahr, weil der Name ja identisch ist. Auch hier wird es Veränderungen geben, die Redaktionen werden zusammenwachsen, der Journalismus der Zukunft wird vor allem digital sein. Die nächsten Jahre werden extrem spannend! Und die Herausforderungen sind immens: für mich als Spiegel-Auslandskorrespondent, für die Branche als Ganzes. Das Geld wird insgesamt weniger. Aber es wird ohnehin niemand Journalist, weil er reich werden will, früher nicht, heute nicht, künftig nicht. Und doch bleibt es ein Traumjob – mein Traumjob. Wie sonst könnte ich so viel von dieser Welt aufsaugen, in fremde Welten eintauchen, so viele interessante Menschen kennenlernen, meine grosse Neugierde befriedigen, Wissen anreichern, Wissen weitergeben?
Der Spiegel Auf der Spiegel-Auslandredaktion in Hamburg arbeiten zurzeit 17 Journalistinnen und Journalisten. Auslandvertretungen betreibt das deutsche Nachrichtenmagazin an 16 Standorten weltweit: Boston, Brüssel, Kapstadt, London, Madrid, Moskau, Neu Delhi, New York, Paris, Peking, Rio de Janeiro, Rom, San Francisco, Tel Aviv, Warschau und Washington. Die verkaufte Auflage liegt aktuell bei knapp 900'000 Exemplaren, vor 10 Jahren lag diese Zahl noch bei über 1,1 Millionen. 91 Prozent der Spiegel-Auflage bleiben im Inland, der Rest geht hauptsächlich nach Österreich und in die Schweiz. Insgesamt erreicht der Spiegel 6,3 Millionen Menschen in 169 Ländern. Das Magazin wurde 1947 von Rudolf Augstein gegründet. Sowohl das Printmagazin als auch die Plattform Spiegel Online fahren Gewinne ein.
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Gemischte Farben strahlen nicht Der bekannte Schweizer Medienexperte Kurt W. Zimmermann über die Pressegeschichte im Kanton Solothurn.
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ch bin in Solothurn aufgewachsen. Wenn man in Solothurn aufgewachsen ist, dann versteht man von vielen Dingen etwas. Man versteht etwas von Aareschifffahrt, etwas von Fasnacht und etwas vom Schweizerfi lm. Am meisten aber, wenn man in Solothurn aufgewachsen ist, versteht man von Zeitungen. In keinem anderen Kanton der Schweiz konnte man derart exemplarisch mitverfolgen, wie sich die Pressegeschichte der letzten Jahrzehnte entwickelt hat. Der Grossvater in meiner Familie war Kantonsrat bei den Gelben, den Freisinnigen. Also lasen wir zuhause die gelbe „Solothurner Zeitung“. Meine Mutter hatte ein Herz für die Schwarzen, die Katholisch-Konservativen. Also lasen wir zuhause die schwarzen „Solothurner Nachrichten“. Mein Vater sympathisierte mit den Roten, den Sozialdemokraten. Also lasen wir zuhause das rote „Das Volk“. Nun muss man wissen, dass die Gelben, die Schwarzen und die Roten damals noch nicht diese rückgratlosen Wischiwaschi-Politiker stellten wie die heutige FDP, CVP und SPS. Nein, die Solothurner Parteien hatten damals Charakterköpfe. Die Gelben hatten einen Franz Eng, die Schwarzen einen Leo Schürmann und die Roten einen Willi Ritschard. Charakter hatten auch die drei Zeitungen. Die „Solothurner Zeitung“, die „Solothurner Nachrichten“ und „Das Volk“ waren lupenreine Parteiblätter. Die objektive Wahrheit interessierte sie nicht. Alle drei waren hemmungslos tendenziös. Alle drei Redaktionen betrieben sowjetische Desinformation. Das einzige, über das die drei Blätter einigermassen identisch berichteten, war der Sport. Fussballresultate kann man nicht der Parteilinie anpassen. Wir haben damals in der Familie regelmässig alle drei gelesen. Wir lasen mit Vergnügen. Wir wussten schon: Der Durchschnitt von drei parteinahen Lügenblättern ergibt noch nicht die Wahrheit. Aber drei Lügenblätter zu lesen, und sich dann eine eigene Meinung zu bilden, das war anregend und diskussionsfördernd. Manchmal gab sogar meine schwarze Mutter zu, dass diesmal die Gelben die besseren Argumente hatten. Mein gelber Grossvater hingehen regte sich täglich und fürchterlich über die rote Zei-
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tung auf. Aber er las sie täglich. Ich war vierzehn und ich regte mich ebenfalls fürchterlich auf, denn ich bewunderte meinen Grossvater. Und was haben wir heute? Wir haben die „Solothurner Zeitung“ und das „Oltner Tagblatt“. Sind sie nicht brav, die beiden? Ja, sie sind brav, denn sie können nicht anders. Mein Grossvater würde bei der Lektüre einschlafen. Als erstes gab vor über zwanzig Jahren in Solothurn die rote Gazette aus Geldmangel auf. Die roten Leser wanderten nun notgedrungen zum gelben und schwarzen Angebot. Dann schluckte die gelbe Gazette die schwarze Gazette. Nun hatten wir ein Monopol. Weil die Redaktion weder die roten, noch die schwarzen, noch die gelben Leser verlieren wollte, machte sie in der Folge ein rotschwarz-gelbes Blatt. Gemischte Farben aber strahlen nicht. Kurzzeitig wurde das Monopol unterbrochen, als die „Berner Zeitung“ einen Ableger im Kanton Solothurn lancierte. Aber das war nicht mehr als ein Intermezzo der Meinungsvielfalt. Was in Solothurn passierte, passierte überall. Überall entstanden Monopolsituationen. Nur in drei Kantonen der Schweiz gibt es heute noch Zeitungen aus mehr als einem Verlagshaus, in Zürich, im Jura und im Tessin. Sonst bekommen wir überall Einheitsmenus aus derselben Kantinenküche. Im Kanton Solothurn ist beispielhaft passiert, was letztlich zu Langeweile führt. Unsere verbleibende Monopolzeitung ist ausgewogen, brav, seriös, vorsichtig und verbindlich. Sie darf nicht anders. Zum Glück gibt es in Solothurn und Olten zumindest das eine oder andere Gegenblatt. Irgendwie wünsche ich mir manchmal eine Emotion zurück, die ich im Kanton Solothurn schon lange nicht mehr hatte. Ich würde mich gern wieder einmal fürchterlich über eine Zeitung aufregen. Richtig fürchterlich. Kurt W. Zimmermann, geboren 1951 in Solothurn, schreibt regelmässig Medien-
Denksalat von Kilian Ziegler
Wenn ich an Bettlern vorbeigehe, überkommt mich stets ein Unbehagen. Eigentlich müsste ich diesen Leuten Sympathien entgegenbringen, denn tagelang herumzusitzen und finanziell unterstützt zu werden, ist ein Szenario, das mir als Student bekannt ist. Manchmal überlege ich nicht lange, greife zu meinem Portemonnaie und werfe in SmoothCriminal-Manier Kleingeld in des Bettlers Becher – das tut nicht weh und gegen ein schlechtes Gewissen hilft es auch. So tat ich neulich genau dies auf der Oltner Holzbrücke. Der Beschenkte schaute mich an und sagte: „Denksalat.“ Andere Bedürftige quittieren eine Spende mit Kopfnicken oder leeren Blicken, aber dies genügte dem Mann nicht. Er bot mir einen Tauschhandel, Geld gegen Weisheit. Es lag auf der Hand, ich hatte es mit einem Poeten zu tun und ich musste seine Nachricht dechiffrieren. Was ist ein Denksalat? Und welches Dressing gehört dazu? Nun ja, Salat ist gesund, Denken meistens auch, aber das half mir nicht weiter. Sprach er etwa von einem Wirrwarr, einem Durcheinander in dem man den Gedanken vor lauter Denken nicht sieht? Ich wusste es nicht. Da hatte ich den Salat und dieser raubte mir beinahe den Verstand. Google und ich suchten nach Lösungen. Nichts. Nada. Rien de la gar nüt. Ich dachte und dachte und dachte. War es das, was der Bettler wollte, dass ich des Denkens wegen denke? Aber ergibt es denn Sinn zu denken, ohne daraus Schlüsse zu ziehen? Irgendwann mochte ich nicht mehr überlegen, der Denksalat war verspeist. Nervlich am Ende, war ich mir sicher, dass mich der Clochard überlistet hatte. Das war schlicht ein Rätsel ohne Lösung, ein Psychotrick. Ich beschloss, den Mann nicht ungeschoren davon kommen zu lassen und wollte es ihm heimzahlen. Ich würde nicht-soSmooth-Criminal-mässig mein Geld zurücknehmen und ihm willkürlich ein Wort an den Kopf schmeissen, „Butterpolka“ oder etwas in dieser Art. Dann würde er schnell merken, wie gemein so etwas ist. Doch kurz vor meinem Vergeltungsschlag begegnete ich einem alten Bekannten: dem Unbehagen. Es schüttelte den Kopf, seufzte und liess mich meinen Geldbeutel zur Hand nehmen. Als ich dem Bettler zögerlich zwei Franken in den Becher legte, sagte er das Gleiche wie zuvor, nur verstand ich es dieses Mal richtig: „Thanks a lot“. Das hätte ich mir denken können. Eine gute Zeit La vache Kili
kolumnen, u.a. wöchentlich für die „Weltwoche“. Ausserdem ist er selbständig als Publizist und Unternehmensberater tätig.
PS: Es ist ironisch, viele Obdachlose haben einen Dachschaden.
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HÖREN & LESEN
Schon gelesen..?
KOLT liest...
Buchtipps von Christoph Rast
DAS LÄCHELN MEINER MUTTER
FRAG FRAU FREITAG www.fragfraufreitag.ch Online-Blog Frau Freitag gibt in ihrem Blog Antwort auf Fragen, welche sich im Leben eines Menschen so stellen. Nämlich zu Themen wie Alltag, Liebe, Beruf, Kinder, Mode und Savoir Vivre. Kurze Auflockerung vom Bildschirm-Büro-Alltag. Matthias Sigrist, Co-Verlagsleiter
von Delphine de Vigan
CABO DE GATA von Eugen Ruge
Christoph Rast ist Leiter der Stadtbibliothek Olten und veranstaltet ebenda Buchbesprechungen im „Café Litteraire“.
"Diese Geschichte habe ich erfunden, um zu erzählen, wie es war." Mit nicht viel mehr als einer Hängematte, ein paar Schreibheften und vielen Erinnerungen im Gepäck steigt Eugen Ruge in einen Zug Richtung Süden – auf dem Weg zu einer schwierigen Suche. Dieser Mann aus Deutschland lässt alles hinter sich: seine Stadt, sein Land, seine Menschen, sein bisheriges Leben. Der Zufall bringt ihn schliesslich mitten im Winter nach Cabo de Gata, einem spanischen Fischerdorf am Meer. Die Landschaft ist öde, ein kalter Wind weht, die Menschen sind verschlossen: kein Ort zum lange Bleiben. Und doch bleibt er, ein einsamer Gast in der Pension der alten Witwe und ihrer Familie. Das einzige Wesen, zu dem er echten Kontakt aufnehmen kann, ist eine Katze. Und plötzlich glaubt er zu begreifen, was mit ihm passiert. Die Katze „erklärt“ ihm was da genau abläuft. "Cabo de Gata" ist ein Glanzstück novellistischer Prosa.
Warum hat Lucile sich für den Freitod entschieden? Diese Frage beschäftigt Delphine seit dem Moment, an dem sie ihre tote Mutter gefunden hat. Nun trägt sie Erinnerungsstücke zusammen, spricht mit den Geschwistern ihrer Mutter, mit alten Freunden und Bekannten der Familie. Es entsteht das Porträt einer widersprüchlichen und geheimnisvollen Frau, die ihr ganzes Leben auf der Suche nach Liebe, Glück - und nicht zuletzt nach sich selbst - war. Delphine beschreibt aber auch das Leben einer quirligen französischen Grossfamilie im Paris der 50erund 60er-Jahre. Erinnerung um Erinnerung lernt sie ihre Mutter und schliesslich auch sich selbst zu verstehen. "Du bist nicht so wie andere Mütter" – von klein auf weiss Delphine, dass ihre Mutter talentierter, schöner, unkonventioneller ist als andere. Wie wenig diese jedoch dem Leben gewachsen war, erkennt die Tochter erst Jahre später. „Wie die Autorin die Balance hält zwischen dem, was man wissen darf und dem, was man nie erfahren soll, ist grossartig und bewegend zugleich.“
AUS DEM MUND MEINER MUTTER KLANG DAS WORT FORTSCHRITT ENTSETZLICH FALSCH (2007) Von Matéï Visniec Der Krieg sitzt in den Knochen der Erde: Eine jugoslawische Familie gräbt sich durch die kriegerische Vergangenheit auf der Suche nach den Gebeinen des Sohnes. Ein Theaterstück voller Tränen, Gebeinen und kapitalistischer Machenschaften damit. Katja Zellweger, redaktionelle Mitarbeiterin TREIBSTOFF/ FUEL-INJECTED DREAMS Von James Robert Baker Die Geschichte dreht sich um einen Radioreporter, einen erfolgreichen Plattenproduzenten und die ehemalige Sängerin der Band "The Stingrays". Was als nette Vergangenheitsbewältigungsgeschichte beginnt, wandelt sich in rasantem Erzähltempo und endet schliesslich in einem nicht voraussehbaren Horrortrip, der in der Welt der Musik-Fiction seinesgleichen sucht. So schiesst Baker den Leser durch das L.A. der 1960er Jahre. Von Flavia Schaub, Fotografin
STO-Saisoninserat_Kolt_2013-14_viertelseite_grafikmeier 02.07.13 14:55 Seite 1
grafikmeier.ch
ts h g i l h g i H vember i m N o
Do 07. Nov. 2013, 19.30 Uhr Il Turco in Italia Oper von Gioachino Rossini
Mi 20. Nov. 2013, 15 Uhr Der gestiefelte Kater Kindermärchen ab 5 Jahren
Di 19. Nov. 2013 Apéro riche 18.30 Uhr / Aufführung 20 Uhr Gogol&Mäx Theater Club Humor in concert
Mi 27. Nov. 2013, 19.30 Uhr Licht im Dunkel Schauspiel von William Gibson Regie: Volker Hesse
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stadttheater-olten.ch Tel.: 062 289 7000
Fr 29. Nov. 2012, 19.30 Uhr Kammerorchester Basel Xavier de Maistre, Harfe Lilia Tripodi, Mezzosopran Werke von de Falla, Rodrigo, Gubler, de Arriaga
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HÖREN & LESEN
IN EINEM ZUG
Opernhäuser und Geräteschuppen DIE NaRr-KOLUMNE
Pedro Lenz, 48, ist Schriftsteller und lebt in Olten gleich beim Bahnhof. Kürzlich ist sein neues Buch "I bi meh aus eine" erschienen.
von Pedro Lenz Illustration von Petra Bürgisser
L Einkauf von Selina Bosshard
„Guten Tag Frau Gehlen“, sagte die kleine Anna, als sie eintrat. Im engen Laden mit den dunkelgrünen Kachelwänden roch es nach Käse und Tabak. Keines der Regale war voll, doch langsam fanden wieder Esswaren den Weg nach Berlin. „Kann ich Zigaretten haben für den Vater?“, frag-
esereise in Litauen, Städte, Plätze, Denkmäler, Kirchen, Bibliotheken, Museen und immer macht irgendjemand ein Foto. Es will einen dünken, dass überhaupt überall nur noch fotografiert wird. Bahnhof Kaunas: ein Foto, Bahnhof Siauliai: ein Foto, Bahnhof Vilnius: ein Foto, Bahnhof Plunge: ein Foto, Bahnhof Klaipeda: ein Foto. Die meisten Menschen strecken die Arme zum fotografieren. Einst wurden die Arme angewinkelt, um die Fotoapparate am Gesicht zu haben. Jetzt werden die Arme dem Objekt entgegenstreckt. Es ist wie der Unterschied zwischen Gewehrschiessen und Pistolenschiessen.
te Anna. „Ist der Vater schon wieder besoffen?“, fragte Frau Gehlen über die Theke zurück. Das Mädchen reckte den Kopf nach oben, nickte, mhmte und schob dann doch noch ein der Höflichkeit geschuldetes „Jawohl Frau Gehlen“ hinterher. Anna wusste nicht, was das bedeutete, besoffen. Sie wusste nur, dass die Leute sagten, ihre Vater wäre es und dass der Vater laut wurde und die Mutter schlug, wenn die grosse Flasche auf dem Tisch langsam leer wurde. Selina Bosshard, 29, ist Verlagsbuchhändlerin und lebt in Zürich bzw. in dessen Agglomeration und hat bereits in verschiedenen Medien kurze Texte veröffentlicht. Eine lange Veröffentlichung steht – hoffentlich nicht mehr lange! – noch aus. www.dasnarr.ch
Es gibt schöne Bahnhöfe. Es gibt Bahnhöfe, die von aussen Theatern oder Opernhäusern gleichen. Es gibt auch Bahnhöfe, die von aussen einem Geräteschuppen gleichen. Wir fotografieren sie alle, sammeln Bahnhofsfassaden und werden in einigen Monaten nicht mehr wissen, welche Fassade zu welchem Bahnhof, welcher Bahnhof zu welcher Ortschaft und welche Ortschaft zu welchen Begegnungen gehört. Aber auch wenn wir dereinst fast nichts mehr wissen werden, wissen wir zumindest, dass alles festgehalten ist. Ein Litauischer Kollege wird dafür gerühmt, dass er so viele Sprachen spricht. Er macht ein besorgtes Gesicht und sagt, es gäbe mehr Sprachen, die er nicht verstehe,
als solche, die er verstehe. Wir lachen und versuchen uns gegenseitig die Sprachen aufzuzählen, die wir nicht verstehen. Länder, in denen Sprachen gesprochen werden, die man nicht versteht, zwingen einen, genauer hinzusehen. Vielleicht erkennen wir ein Wort: Bilietas, Akademija, Cafe. Lasst uns einen Kaffee trinken. Und dann sehen wir an der einen Aussenwand eine angebrachte Steintafel, die in verschiedenen Sprachen beschriftet ist, darunter auch Sprachen, die wir zu verstehen glauben: «IN 1940 – 1941 AND 1944 – 1953 FROM VILNIUS RAILWAY STATION THERE WERE MASSIVE DEPORTATION OF LITHUANIAN PEOPLE TO THE MOST DISTANT LOCATIONS OF THE SOVIET UNION». Solche Tafeln, die an Massendeportationen und Völkermord erinnern, finden sich in baltischen Bahnhöfen immer wieder. Sie werden nicht so oft fotografiert. Die einen brauchen sie nicht zu fotografieren, weil ihnen die Geschichte noch sehr präsent ist. Andere fotografieren ohnehin lieber Fassaden. Oder noch lieber sich selber mit Fassaden im Hintergrund. Wer sich selber mit Fassaden im Hintergrund fotografieren will, muss den Arm ganz weit strecken. Dafür kann er dann das Bild auf Facebook stellen und darunter schreiben: «Ich und ein Bahnhof der aussieht, wie ein Theater. Smile.»
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HÖREN & LESEN
Fribi's Metal News
Deeno‘s Reviews
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ZODIAC
KADEBOSTANY
A Hinding Place (Napalm Records)
Pop Collection (Mental Groove)
Zodiac, die Zweite – heisst: keine markanten Veränderungen seit dem grossartigen Debüt- Album. Zodiac machen weiterhin coole, bluesige RockNummern mit viel Groove, neu lassen sie auch mal die alten 70er-AC/DC raushängen, ohne aber wie eine billige Kopie zu klingen.
Kadebostan hat eigens seine ureigene Nation Kadebostany gegründet, um seinen musikalischen Wahnsinn in die Tat umzusetzen zu können. Der selbsternannte Präsident rekrutierte die talentiertesten Musiker seines Imperiums und begann fortan seine Vision zu vertonen. Das neue Album "Pop Collection" beinhaltet alles, was man von einem modernen und mutigen Indie-Dance-Album erwarten darf. Techno-Rhythmen paaren sich mit Gipsygitarren, eine Blasmusik begleitet trötend eine Engelsstimme und ElectroGrooves fi epsen zu fragilen Piano Melodien. Kadebostan hat sich seine eigene Welt erschaffen und die klingt frisch, fröhlich und neu. Übrigens: Kadebostany stammen aus der Schweiz.
Dreckig rau und auf den Punkt gespielt, liefern die Jungs wieder echten, hundertprozentigen Rock’n’Roll ab, der jede Party zum Kochen bringt. Packt die Schlaghose aus, lasst die Haare wieder wachsen und zieht die Boots an, hier wird gerockt wie bei den alten ZZ Top oder Led Zeppelin, ohne auch nur eine Sekunde zweitklassig zu klingen.
METAL CHURCH
BLOC PARTY
Generation Nothing (Rat Pak)
Tapes (K7 Records)
Das Urgestein der 80er litt unter grossem Personal-Abgang und vielen Tiefschlägen in ihrer Karriere. Wirklich schlechte Alben haben Metal Church jedoch nie abgeliefert und das ist auch bei Generation Nothing so. Die Band geht mit ihrem neuen Output „back to the roots“. Das Ganze klingt wieder wie auf den ersten beiden 80er-Alben, epische Balladen, riffl astige Nackenbrecher, halsbrecherische Solis und Refrains zum Mitsingen. Ronny Monroe war klar die beste Wahl, um den Posten des verstorbenen Sängers David Wayne zu ersetzen, die beiden haben die gleiche raue Stimmlage und verleihen den Songs den dreckigen rockigen Charakter. Es ist lange her, dass mich ein reines Metal-Album so überzeugen konnte. Alle Trademarks, die guten Metal ausmachen bzw. den Sound von Metal Church, sind auf Generation Nothing vorhanden und machen das Teil unverzichtbar für jeden Fan.
KOLT
November 2013
Ché's Bro Tipps
ROBERT GLASPER
Bloc Party dürften den meisten ein Begriff sein. Haben sie doch in den letzten Jahren als Band schon praktisch jedes Festival und jeden mittelgrossen Konzertsaal mit ihrer Mucke beschallt. Tapes ist nun kein richtiges Album, sondern ein Mixtape von Sänger Kele. 15 Songs, die aufzeigen, woher die musikalische Inspiration der Band stammt. Überraschend vielseitig und breit präsentiert sich die Auswahl. Vom Afrobeat eines Tony Allen oder Fela Kuti, bis hin zu Dubstep-Ikone Wiley oder dem Techno eines Carl Craig. Eines haben alle Songs gemeinsam: Sie sind stark rhythmusbezogen. Und ausserdem passt das Ganze trotz der vielen verschiedenen Stile äusserst gut zusammen. Sehr schöne Compilation, um diese Band noch eingehender kennenzulernen.
Black Radio 2 Das jazzige Grundgerüst liefert Glasper hier wieder mit seiner Band The Robert Glasper Experiment, die mit Glasper an den Tasten, Saxophonist Casey Benjamin, Bassist Derrick Hodge und Schlagzeuger Mark Colenburg besetzt ist. Als Gastsänger und Rapper sind diesmal u.a. Common, Brandy, Jill Scott, Dwele, Norah Jones und Snoop Dogg mit von der Partie.
ERIC BIBB Jericho Road Traumwandlerisch setzt der Ausnahmekünstler Bibb aus zahlreichen Einfl üssen wie Roots, Blues, Soul, jazzigen Grooves und Weltmusik seinen Klang zusammen.
BAHAMA SOUL CLUB The Cuban Tapes Mit den Enkeln des Buena Vista Social Clubs und losgelöst von den Spielzwängen der Latin-Puristen präsentiert das Kollektiv einen weiteren überraschenden Dialekt des Afro-Cuban Jazz. Verführerischer Latin-Soul-Jazz und afro-kubanische Rhythmen mit einer schier üppigen Themenvielfalt und dem feinen Gespür für aussergewöhnliche Stimmen!
HATTLER The Kite Das neue Studioalbum um Ausnahmebassist Hellmut Hattler feat. Joo Kraus, Torsten De Winkel, Fola Dada, Oli Rubow und Jürgen Schlachter. Hier fusionieren elegante Jazz-Klänge, Pop, Soul, atmosphärische Electronica-Sounds und Dancefl oor zu einem unnachahmlich eleganten, organisch klingenden Mix voller hypnotischer Sogkraft.
NICOLE BERNEGGER & THE KITCHENETTES The Voice Die Schweizer Antwort auf den englischen RetroSoul-Boom (Amy Winehouse, Adele, Duffy) gab es bisher noch nicht. Jetzt ist sie da, kaum überhörbar. Live @ Schützi Olten, 06.12.13
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IM RAMPENLICHT
Fabian Capaldi: Nicht reduzierbar Die Oltner Jazztage sorgen am 9. November für eine musikalische Surprise: Den Namen des Saxophonisten Fabian Capaldi wird man sich merken müssen. Wir haben den Newcomer der Oltner Jazzszene getroffen. Text von Elias Zimmermann Foto Mario Arkula "Dazwischen auch atonale Klangwelten": Jazzmusiker Fabian Capaldi.
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epe Lienhard, Donna Summer, Gloria Estefan, Paul Kuhn – die Liste lässt sich beliebig verlängern. Mit all diesen Grössen hat der erst 29-jährige Capaldi schon zusammengespielt. Ein musikalischer Tausendsassa also, ohne eigenes Profi l? Mitnichten, denn Capaldi macht sich auf, eigene Wege zu gehen. Zusammen mit der Fabian Capaldi Group wird er die ‚Carte Blanche’, die ihm die Veranstalter ausgestellt haben, mit eigenen Kompositionen füllen.
dem Ziel, Berufsmusiker zu werden. Das ist ihm nach Abschluss seines zweiten Masters Anfang 2013 längst gelungen. Neben der Arbeit in bekannten Bands ist Capaldi für Universal Music und Fernsehstationen im Studio, spielt an kommerziellen Veranstaltungen und feilt an kleinen, intimen Projekten. „Alles, was ich mache, hat drei Aspekte: Die Bezahlung, die Musik und die Musiker. Wenn zwei davon stimmen, bin ich dabei.“
KEIN SCHLAGER FÜR UNIVERSAL MUSIC So illuster die Namen seiner Engagements klingen, er möchte sich nicht auf sie reduzieren lassen. „Die Acts sind mir nicht so wichtig, wichtig ist mir mein eigenes Spiel: Mein Sound.“ An diesem feilt er schon lange; noch bevor er in die Jazzschule Luzern eintrat, begann er sein musikalisches Netzwerk aufzubauen – immer mit
Pop und Rock seien oft eine Inspiration – Radiohead zählt er etwa zu seinen grossen Vorbildern – und es ist Capaldi eine Freude, in verschiedenen Stilen unterwegs zu sein. Eine Ausnahme räumt er jedoch ein: „Schlager. Aber zwischendurch etwas Ungewöhnliches – warum nicht?“ Sein Herz schlägt schlussendlich doch für den funkigen, energiegeladenen
Jazz, mit dem er in Olten aufwarten wird. Die Frage, was genau er spielen wird, beschäftigt Capaldi bald schon ein Jahr, seit ihn Raymond Plüss von den Oltner Jazztagen angefragt hat. Nun weiss er es: „Es werden knackige Beats sein, über die wir ausdrucksstarke Themen ‚hauen’. Dazwischen gibt es aber auch atonale, improvisierte Klangwelten.“
"SO GESPANNT WIE SELTEN" Die Fabian Capaldi Group ist ein eingespieltes, wenn auch noch wenig bekanntes Team – mit Hannes Bürgi (p/ rhodes), Christian Winiker (g), Andreas Aeberhard (b) und Christian Maurer (dr) hat Capaldi bereits sein Bachelor- und Mastervorspiel bestanden. Aeberhard und Maurer halfen Capaldi übrigens später dabei, den Friedlwald-Stiftungspreis zu gewinnen. Trotz dieser verlässlichen Unterstützung ist der 9. November für
ihn kein „business as usual“: „Ich bin so gespannt darauf, wie selten auf einen Gig.“ Er tritt in seiner Heimatstadt zum ersten Mal als Bandleader auf. Das letzte Mal wird es wohl kaum sein: Für nächstes Jahr ist eine Tour der „Capaldi Group“ geplant. Einige Lokalitäten haben bereits Interesse bekundet. Für die Jazztage gibt Capaldi einen persönlichen Tipp ab: „Ich würde unbedingt Roland Philipp anhören gehen.“ Selber bedauert er, „Phile, die Wurzel des Oltner Saxophon Groove Jazz“ nicht hören zu können – dann wird Capaldi nämlich mit keinen geringeren als Nik Bärtschs Ronin auf Tour sein. 8. Oltner Jazztage: 2.-10. November 13 Samstag, 9.11., 20 Uhr in der Vario Bar: Fabian Capaldi Group. www.jazzinolten.ch www.saxysoul.ch
Kollektives Verausgaben mit dem tanzenden Opernsänger Ende November gehen die 18. Oltner Tanztage unter dem Motto „en jeu“ über die Schützi-Bühne. Für sehr intensive Momente dürfte eine Compagnie aus Zürich sorgen. Aber auch die Oltner Jugend hat ihren Auftritt.
„K“
wie Kameradschaft. So heisst das Stück, das die junge Zürcher Compagnie 3art3 am 22. November an den Oltner Tanztagen präsentieren wird: schlicht „K“. Der Auftritt dürfte zu einem Highlight der anstehenden, bereits 18. Ausgabe des Tanzfestivals werden. Es geht um mehr als Kameradschaft, es geht um das Kollektive, das Gemeinschaftliche generell. „K“ will seinen Zuschauern – so die Worte der Macher – Fragen stellen wie: Ist jede Gruppe, auch die kleinste, nach einer gewissen Zeit zum Scheitern verurteilt? Oder: Was fordert die Gemeinschaft für die Zugehörigkeit, die sie dem Individuum
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bietet? Die Macher, das sind in erster Linie Daniel Hellmann (Konzept) und Quan Bui Ngoc (Choreographie), der in Belgien lebt – wo sich die beiden auch kennengelernt haben. „Das Bedürfnis nach Kollektivem ist urmenschlich“, sagte Ngoc kürzlich der „Berner Zeitung“, „doch wie schnell aus einem positiven Gemeinschaftsgefühl Gewalt entstehe, sieht man überall auf der Welt.“ In diesem Kontext lässt sich womöglich auch die Bühnendeko einordnen: Metallgitter, wie im Gefängnis. „K“ ist das erste gemeinsame Projekt von Hellmann und Ngoc und damit das erste Stück ihrer 2012 gegrün-
deten Compagnie 3art3. Die beiden suchen das Transdisziplinäre, kollaborieren mit Künstlerinnen und Künstlern mit unterschiedlichem fachlichem wie kulturellem Background. So stehen neben fünf Tänzern auch ein Pianist und ein Perkussionist auf der Bühne. Und Hellmann, der ausgebildeter Opernsänger ist, tritt selbst ebenfalls auf. Und sie alle verausgaben sich – das Stück lebt auch von der Intensität seiner Darsteller.
oder Kalifornien in die Schützi. Am Sonntag wird das Festival, das unter dem Motto „en jeu“ läuft, dann zum Schauplatz für Newcomer: So tritt etwa K’Block, die hauseigene Tanzgruppe der Kantonsschule Olten, mit ihrer Choreographie „It was just a dream“ auf. Das Rahmenprogramm schliesslich wartet mit Workshop, Ausstellung, Filmvorführung und Kulinarik auf. En jeu! ph 18. Oltner Tanztage: 20.-24. November 2013,
Das vielfältige Programm der 18. Oltner Tanztage bringt ausserdem Tanzcompagnien aus Genf, Montpellier
Kulturzentrum Schützi Olten. Das ganze Programm in unserer Agenda oder auf: www.tanzinolten.ch
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KOLT
IM RAMPENLICHT
Ein verstrickter Mordfall Im Oltner Vögeligarten wird eine Leiche gefunden und zwei Senioren beschliessen, sich dem mysteriösen Fall anzunehmen – darum geht’s im ersten Oltner Kriminalhörspiel „Der Lismer-Club, Ruedi und Heinz und die Fallmasche“. Der Vater des Stücks ist Rolf Strub. Hier erzählt er nicht, wie es ausgeht, sondern wie alles begann. Text von Nora Bader Foto von Yves Stuber
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s ist ein Tag wie jeder andere in der verschlafenen Provinzstadt Olten, als die beiden Senioren Ruedi und Heinz auf ihrer Stammparkbank im Vögeligarten einen ungewöhnlichen Fund machen. Da sitzt ein alter Mann – in Pantoffeln und Pyjama, die Glieder steifgefroren – mausetot. In seinem Schoss liegt eine Strickjacke. In der Brusttasche steckt ein Zettel. Darauf steht: "Es war der Lismer-Club". Es sind Ruedi wie Heinz in der Region kein unbeschriebenes Blatt. Die beiden Protagonisten spielen die Hauptrollen im Stück Landfroue-Hydrant, mit dem das Theaterduo Rhaban Straumann (Ruedi) und Matthias Kunz (Heinz) derzeit durch die Schweiz tourt. Während der vergessliche Ruedi am Rollator seinen Sinn für Humor noch lange nicht verloren hat, weist sich der Charakter von Heinz durch eine erfrischende Griesgrämigkeit aus. Erst der Schock über die Begegnung mit dem Toten auf der Parkbank, gefolgt vom Entschluss der beiden, Licht ins Dunkel zu bringen, zieht den Spannungsbogen an. So verschreiben sich Ruedi und Heinz der Aufklärung des Falls, da die Polizei ihrerseits sowieso nicht weiterkommt. Die ganze Angelegenheit stellt sich als schwieriger heraus, als anfangs gedacht. Denn: Die in der Stadt befragten Passanten – darunter auch namhafte Wirtschaftsgrössen – haben weder etwas gehört, noch gesehen. Und sogar der allwissende Chöbu-Wirt Roger Lang weiss von nichts. Echt ist nicht nur die Stimme von Roger Lang im Hörspiel; die Geschichte spielt an Originalschauplätzen. Mehr noch: Es wurden Interviews mit realen Passanten geführt und diese Kommentare in die Geschichte ein-
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geflochten. "Der Ton ist bewusst roh und kantig – wie Olten eben", sagt der Autor, Regisseur und Erzähler Rolf Strub an einem nebligen Sams-
auf die Frage, wie er denn überhaupt darauf gekommen sei, ein Hörspiel zu realisieren: "Wir hatten die Idee und es dann getan." Ja, so einfach ist
cher des Hörspiels nicht, dass plötzlich Lampen in der Altstadt bestrickt waren und das Kunstmuseum eine Lismeraktion startete. Eigentlich sei es während der Aufnahmen kaum zu Meinungsverschiedenheiten gekommen, darin sind Strub und Schumacher sich einig. Und auch, dass man die Geschichte mehrmals hören müsse, um alles zu verstehen. Das war von Anfang an die Idee. Und dies ist gelungen. Auch wenn das Hörspiel durch seine Schlichtheit überzeugt, bleiben manche Fragen nach der ersten Berieselung offen. Ob und wie Ruedi und Heinz aber den Fall lösen, sei an dieser Stelle nicht verraten.
"Der Ton ist bewusst roh und kantig – wie Olten eben" CD-Taufe des Hörspiels: Samstag, 23. November, 20 Uhr im Schauraum, RingAm Tatort: Produktionsleiter Marcel Schumacher (links) und Autor Rolf Strub.
tagmorgen am Ort des Geschehens – der Römerstrasse, wo das Hörspiel im Tonstudio Robomax aufgenommen wurde. "Das Drehbuch war fixfertig zum Zeitpunkt der Aufnahmen und hat sich während der Arbeit nur noch minim verändert", so Strub. Und
das. Am Projekt gearbeitet haben die Künstler etwa neun Monate, investiert wurden viel Zeit und Herzblut. "Wenn man mit einer Idee schwanger ist, hat plötzlich alles damit zu tun", sagt Produktionsleiter Marcel Schumacher. So verwunderte es die Ma-
strasse 26, Olten. Mit Musik und Film und Trinken und Häppchen. Mitwirkende Rhaban Straumann (Ruedi), Matthias Kunz (Heinz), Rolf Strub (Autor/Regie/ Erzähler), André Tihanov (Strickjacken Combo), Robert Weder (Robomax Tonstudio), Marcel Schumacher (Produktionsleitung), Marc Tabeling (CD-Cover).
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FREAKS BRAUCHT DAS LAND
Fredi Fantastico, der Roboter, betrat erstmals die Bühne, nachdem der menschliche Schlagzeuger das Projekt verlassen hatte.
Alltägliches als Inspirationsquelle.
Im freien Fall Früher bestückte der Oltner Renato Grob Koffer mit Zuckerstöcken und liess Dreiräder funkensprühend über Bühnen fahren. Heute bezaubern seine musikalischen Roboter Technikfreaks gerade so wie Festivalgänger auf der Suche nach dem Besonderen. Text von Fiona Gunst Fotos von Michael Isler
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anchmal, meint Renato Grob, wenn die Zeit dafür gekommen sei, müsse er einfach wieder in den freien Fall gehen, etwas ganz Neues ausprobieren. So erklärt sich der gelernte Tiefbauzeichner und ehemalige Bühnentechniker, wenn man ihn fragt, warum er sich vor einigen Jahren von der Pyrotechnik ab- und den Robotern zugewandt habe. Explosionen faszinierten ihn zwar immer noch, aber seit auch in der Schweiz striktere Feuerschutzmassnahmen gelten, wenn Feuerwerk zum Einsatz kommen soll, sind der Experimentierfreude auf dem Gebiet der Feuerkunst enge Grenzen gesetzt. Demgegenüber kann der Kreativität freien Lauf gelassen werden, was den Bühneneinsatz von Robotern betrifft.
FREDI FANTASTICO – ROBOTER-SCHLAGZEUGER www.rozzobianca.ch Trailer zu „Six Freaks Under“ (lang, 9’26’’): vimeo.com/57491767; (kurz, 2’29’’): vimeo.com/58320927
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Bis vor kurzem entstanden Renato Grobs Roboter in einer Werkstatt in Olten. Gerade werden sie nach Lützelflüh verlegt, wo der inzwischen in Bern lebende jüngere Bruder des Fo-
tografen Marco Grob einen grösseren Arbeitsraum gefunden hat, zur Realisierung der Auftragsarbeiten im Bereich Bühnenbild- und Objektbau, die sein Haupteinkommen bilden. Im Gegensatz zu anderen Projekten, in denen Roboter auf die Bühne geschickt werden, die auf Instrumenten spielen, sind seine Schöpfungen nicht einfach technische Hochleistungsmaschinen, sondern dazu angetan, beim Publikum Emotionen zu wecken. Während die Präzisionsbands anderer Kreativen daraufhin gebaut werden, populäre Stücke auf den Ton genau nachspielen zu können, ist das Besondere an Renato Grobs Robotern, dass diese eine Seele haben. Sie spielen denn auch nicht die Gassenhauer von Gestern und Heute, sondern Stücke, die eigens für sie geschrieben wurden: von Renato Grobs Lebenspartnerin Lisette Wyss nämlich, mit der zusammen er das Kollektiv RozzoBianca bildet. Zu den Robotern kamen die beiden im Laufe einer früheren Produktion, „Hirn und zurück“ (2004), einem von einem Kleinorchester begleiteten Objekt-Theater. Renato Grob
baute während der Produktion an einem Roboter-Schlagzeuger, der dann auch prompt zum Einsatz kam, als der menschliche Schlagzeuger das Projekt verliess. Fredi Fantastico, wie sein Schöpfer den Humanoiden nannte, betrat zum ersten Mal die Bühne, und mit ihm war die Idee eines Roboter-Musicals geboren.
STARTHILFE FÜR EINE ABGRÜNDIGE GESCHICHTE 2007 erhielten RozzoBianca vom Migros Kulturprozent den Förderpreis für digitale Kultur und konnten damit ihr Projekt „Six Freaks Under“ wesentlich vorantreiben. Renato Grob baute einen Gitarristen, der, wurmähnlich, an das Seemonster aus der Produktion „AKUA“ von Karl’s kühner Gassenschau erinnert, einer früheren Arbeit des Tüftlers. Zudem konstruierte er ein Akkordeon-Objekt, welches sich auf der Bühne hin und her bewegt und, sich auffaltend und zusammenziehend, Musik produziert. Lisette Wyss stimmte ihre Komposition auf die Möglichkeiten der elektromechanischen Band ab und schrieb den Ro-
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BARTLOME OPTIK IM NEUEN LOOK
Explosionen faszinieren ihn noch immer: Renato Grob.
botern Stücke auf den Leib, die mal düster, mal leichtfüssig, mal rockig, mal bluesig die abgründige Geschichte um die Unterwelt-Diva Roswita begleiten, einer animatronischen Puppe in Lebensgrösse.
BÜHNENNEULAND ROBOTER-MUSICAL Schwierig sei es gewesen – und sei es noch heute –, die Produktion zu platzieren, meint Renato Grob. Den Organisatoren von Theaterfestivals, wo das Stück Renato Grob zufolge eigentlich hingehört, sei das Roboter-Musical häufig zu wenig intellektuell, anderen Festivals vielleicht zu schräg. Weil RozzoBianca mit ihren Robotern absolutes Bühnenneuland beschreiten, ist es für Festivalveranstalter ein Wagnis, die Show zu zeigen. Dass es sich lohnt, dieses einzugehen, zeigen die durchwegs positiven Reaktionen auf das wilde musikalische Experiment: Während Technikfreaks fasziniert davon sind, dass der Umgang mit Robotern durchaus verspielt und lustvoll sein kann, sind andere Zuschauer nach der Aufführung zuweilen überrascht, dass es technisch möglich ist, dass die Roboter tatsächlich live spielen.
EIN OLTNER TINGUELY? Die Technik, sagt Renato Grob, sei für ihn nur Mittel zum Zweck. Er wolle Geschichten erzählen und beseelte Wesen vorführen. Dass ihm das ohne weiteres gelingt, verdankt er seinem
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grossen Wissen, womit er die Gebiete der Mechatronik, Robotik und Elektrotechnik, des Handwerks und der Kunst durchdringt. Ganz der Autodidakt, fertigt er nie Skizzen an und muss die Baupläne in seinem Kopf nur selten abändern, wenn er sich an die Umsetzung seiner Ideen macht. Jahrelange Erfahrung lässt ihn genau wissen, was geht und was nicht. Befeuert werde seine Kreativität vor allem durch Alltägliches, meint Grob, eher nicht durch andere Künstler. Vergleiche lassen sich trotzdem ziehen: So hat Renato Grob in seinen früheren Projekten, die er als „Pyromagisches Objekt-Theater“ bezeichnet, ähnlich wie Fischli-Weiss in ihrem „Der Lauf der Dinge“ Kettenreaktionen konstruiert, die allein durch Feuer und Objektbewegungen abliefen. Und seine Objekte und Figuren erinnern in ihrer technischen Raffinesse und gleichzeitigen Verspieltheit an Skulpturen von Jean Tinguely. Etwas dem Gesamtkunstwerk „Roboter-Musical“ Vergleichbares allerdings lässt sich kaum finden. Die Auseinandersetzung mit dem Projekt ist noch nicht abgeschlossen. Nachdem sie zuletzt vor allem logistische Probleme behoben haben, wollen Lisette Wyss und Renato Grob nun weiter an der Dramaturgie schleifen. Und wenn sich die künstlerische Arbeit mit den Robotern irgendwann einmal erschöpft habe, sagt Renato Grob, dann müsse er halt einfach wieder in den freien Fall gehen.
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Collage von Gaia Giacomelli
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Vom trockenen Auge bis zur Hornhauttransplantation Ă&#x2013;ffentlicher Vortrag 12. November 2013, 19 Uhr im Hotel Arte, Olten Anmeldung unter 0844 555 000 oder akademie@klinik-pallas.ch www.klinik-pallas.ch
Und nichts Sensationelleres gibt es in der Welt, als die Zeit, in der man lebt. Egon Erwin Kisch, 1885-1948 Meister der literarischen Reportage
COVER â&#x20AC;&#x201C; mehr als eine gute Geschichte.
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