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Beste Opern-Aufführung des Jahres THE TIME OF OUR SINGING
The Time of Our Singing erzählt vom Leben einer Familie mit einer Schwarzen Mutter und einem weissen Vater vor dem Hintergrund der Rassentrennung im Nachkriegsamerika. Die Oper von Kris Defoort nach einem Roman von Richard Powers stellt die Identitätsfindung der drei Kinder der Familie in den Fokus, deren Leben untrennbar mit Musik verbunden ist. Ab dem 11. März ist das Werk , das den International Opera Award als beste Uraufführung erhielt, in einer Inszenierung von Ted Huffman im UM!BAU zu sehen.
Jonah, Joey (mit vollem Namen Joseph) und Ruth Strom lieben ihre Familie und die Musik. Ihr Vater ist ein deutscher Jude, ihre Mutter eine Schwarze Amerikanerin, die sich bei dem Konzert der Schwarzen Altistin Marian Andersons am Lincoln Memorial begegnen. Sie erziehen ihre Kinder mit viel Liebe zur Musik. Jonah schlägt die Laufbahn eines Opernsängers ein, Joey wird Pianist und wechselt von einer klassischen Laufbahn zum Jazz. Gemeinsam mit der politisch engagierten Ruth unterrichtet Joey schliesslich Schwarze Kinder und versucht, ihnen die Begeisterung für Musik zu vermitteln, die ihm und seinen Geschwistern häufig Halt im Leben gegeben hat. All das spielt sich vor einem historischen Hintergrund ab, der deutliche Parallelen mit der jüngsten Geschichte der USA aufweist (Black Lives Matter, Polizeibrutalität und manipulierte Wahlen) und deutlich macht, dass die jüngsten Geschehnisse Resultat der Rassismusproblematik der letzten Jahrhunderte sind.
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Dabei müssen Joey, Jonah und Ruth jeden Tag ihren eigenen Platz in der Gesellschaft erkämpfen. Als Mixedrace-Kinder einer Schwarzen und eines Weissen wird es ihnen schwer gemacht, in der von der Rassentrennung bestimmten Gesellschaft eine Gemeinschaft zu finden und mit Selbstbewusstsein die eigene Identität zu leben. Mit diesen Herausforderungen gehen die drei Geschwister sehr unterschiedlich um: Ruth wehrt sich gegen die Zustände durch ihre Aktivitäten bei der revolutionären Black Panther Party, die sich zum Teil mit Waffengewalt gegen die Unterdrückung der afroamerikanischen Gesellschaft stellen. Ihrem Bruder Jonah, der als gefragter Opernsänger durch die Welt tourt, wirft sie vor, er verbrüdere sich über die Musik der Weissen mit deren Politik. Joey versucht währenddessen vermittelnd aufzutreten und wägt ab, ob Musik Mittel zur Verständigung werden kann oder man Politik und Musik trennen muss. Der Wunsch der Eltern Delia und David, ihre Kinder frei von Rassefragen in einem geschützten Raum aufwachsen zu lassen, erweist sich in der Realität als Utopie.
Der Schriftsteller Richard Powers erzählt in seinem Roman The Time of Our Singing (dt.: Der Klang der Zeit ) berührend vom Rassismus in den USA anhand des Lebens von drei Generationen einer Familie, die aufgrund ihrer Hautfarbe eine Vielzahl von Hindernissen bewältigen muss. Der belgische Komponist Kris Defoort und der Librettist Peter van Kraaij haben sich dieser Geschichte angenommen und sie als Vorlage für ihre Oper verwendet.
Während im Roman Joey die Geschichte seiner Familie erzählt, haben van Kraaij und Defoort jeden der Charaktere einen Teil erzählen lassen und erlauben den Figuren in der Oper somit mehr Raum und Entwicklungsmöglichkeiten.
Powers, in dessen Text die Musik omnipräsent ist, hat im Leben der Familie Strom einzelne Musikwerke zu immer wiederkehrenden Themen gemacht. In seiner Komposition nimmt Defoort diese Themen auf und verbindet Renaissancemusik, Barockes und Klassisches mit Jazzmusik, erweitert das Orchester um ein Jazzensemble und bringt so auch auf der musikalischen Ebene die Ambivalenz der Strom-Kinder in Hinblick auf ihre Identität, ihren Hintergrund und ihre politische Haltung zum Ausdruck.
The Time of Our Singing ist Kris Defoorts (geb. 1959) vierte Oper. Ursprünglich als Pianist für zeitgenössische Musik und Jazz ausgebildet sowie mit einem Schwerpunkt auf Alte Musik, ist er seit Ende der 1990er-Jahre zunehmend als Komponist für Theater, Oper, Ballett und Kammermusik tätig. Das Theater St.Gallen zeigt zum ersten Mal ein Werk von Defoort. Mit The Time of Our Singing kommt die Inszenierung der Uraufführung von 2021, die als Koproduktion mit der belgischen Nationaloper La Monnaie/De Munt entstand, auf die Bühne. Der amerikanische Regisseur Ted Huffman bringt die Geschichte der Familie Strom in einer Art Kammerspiel auf die Bühne und verzahnt sie geschickt mit den historischen Ereignissen in Form von Videoprojektionen, die im Nachrichten- und Dokumentationsstil die Bürgerrechtsbewegung, amerikanische Geschichte und sozialen Zustände abbilden. (cd)
The Time of Our Singing Oper von Kris Defoort und Peter van Kraaij
Premiere Samstag, 11. März 2023
19 Uhr, UM!BAU
Öffentliche Probe mit Gespräch
Mittwoch, 1. März 2023
18.45 Uhr, UM!BAU, Eintritt frei
Leitung
Musikalische Leitung: Kwamé Ryan
Inszenierung: Ted Huffman
Bühne: Johannes Schütz
Kostüm: Astrid Klein
Choreografie: Alan Barnes
Licht: Bernd Purkrabek
Video: Pierre Martin
Sounddesign: Vincent De Bast
Szenische Einstudierung:
Damien Tresanini
Studienleitung: Stéphane Fromageot
Einstudierung Jugendchor: Terhi Lampi
Dramaturgie: Caroline Damaschke
Regieassistenz: Sebastian Juen
Besetzung
Delia Daley: Claron McFadden
William Daley: Mark S. Doss
David Strom: Kristján Jóhannesson
Jonah: Joshua Stewart
Joey: Markel Reed
Ruth: Naomi Simmonds
Lisette Soer: Jennifer Panara
Pianist: Kunal Lahiry
Robert (Tänzer): Hervé Loko
Jazzquartett:
Adrian Pflugshaupt, Tenorsaxophon
Jérémie Krüttli, E-Bass
Mischa Cheung, Klavier
Maximilian Näscher, Drumset
Jugendchor des Theaters St.Gallen
Sinfonieorchester St.Gallen
Statisterie des Theaters St.Gallen
Weitere Vorstellungen
19./21. März 2023
19./21./23. April 2023