UM!SCHAU Februar 2023

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Vorwort

Ohne Zweifel: Mit einer mythologischen Konstellation beginnt er, unser Konzert- und Theatermonat Februar. Jupiter und Venus heisst die neueste Arbeit unseres Tanzchefs Kinsun Chan, im Graben mit von der Partie ist dann auch das Sinfonieorchester St.Gallen, es befeuert die tänzerischen Diskurse um Hell und Dunkel, Schicksal und Humor mit Mozarts Jupitersinfonie und den irisierenden Klängen des Cellokonzertes der jungen Komponistin Dobrinka Tabakova – ein Erlebnis also, für das sich auch eingefleischte Konzertfreunde gerne interessieren dürfen. Auch wenn unser Februar es mit Letzteren ohne -

dies schon überaus gut meint, denn zu Beginn und am Ende warten jeweils ganz aussergewöhnliche Konzertereignisse. Gustav Mahler hatte Angst vor ihr, der schicksalshaften 9. Sinfonie, weswegen er nach seiner Achten zunächst Das Lied von der Erde schrieb, bevor dann die Neunte tatsächlich die letzte vollendete Sinfonie des bereits todkranken Mahler werden sollte, eine Sinfonie, die in vielerlei Hinsicht als Gipfelwerk gilt: Apotheose der Spätromantik, Aufbruch in die Moderne, Mahlers Idee der Sinfonie als klingendes Weltgebäude in einem letzten und radikalen Sich-Verströmen. Auch für Orchestermusiker*innen sind Aufführungen von Mahler-Sinfonien jeweils ein Ereignis, und umso glücklicher sind wir, dass wir diese Freude teilen dürfen – mit zahlreichen Kolleg*innen der Litauischen Nationalphilharmonie Vilnius, die gemeinsam mit unserem Orchester hier besagte und auch ganz andere Grenzen überwinden werden. Seinen Schöpfer, einen Ästheten und Magier der musikalischen Farben und Valeurs, muss es geschmerzt haben, dass ausgerechnet eine Instrumentationsstudie, ein «Werk ohne Musik»,

wie er spöttisch feststellte, seinen Weltruhm begründete. Nun, Ravels Boléro ist trotz alledem ein Meisterwerk, Aufführungen ein Fest! Zum Boléro gesellen sich drei Werke aus Nord- und Südamerika um Stimmungen der Natur wie der menschlichen Seele: Musikalische Bilder einer Morgendämmerung im brasilianischen Urwald, des Frühlings in den Appalachen und Aconcagua, das Konzert für Bandoneon und Orchester von Astor Piazzolla.

Ein anderer grosser Erforscher seelischer Aggregatzustände war der norwegische Dramatiker Henrik Ibsen, seine vielleicht ernüchterndsten Erkenntnisse zur Verlorenheit des Homo sapiens hat er in seinem Meisterwerk Ein Volksfeind verdichtet. Und weiterhin zeigen Die Zauberflöte, Die Entfremdeten und Lady Bess noch weitere Facetten auf – von Menschen und Märchen, Mythen und Historie. Ein Mittagskonzert und Bella Italia laden zu weiteren Exkursionen ein –reisen Sie mit!

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Wojtek Klemm inszeniert Ibsens Volksfeind als Volksfeindinnen

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The Time of Our Singingunsere Koproduktion mit der belgischen Nationaloper

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Sternstunde mit Gustav Mahler

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Sonntags um 5 geht's nach Italien

6 Euphorie pur mit Maurice Ravel

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Der Start ins neue Jahr im Spiegel der Presse

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Ausblick: Lili Elbe, die Geschichte einer trans Frau - eine Opern-Uraufführung zur Rückkehr in den Paillard-Bau

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Die Lili-Elbe-Interpretin Lucia Lucas im Interview

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Kurz und knackig notiert

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Dank an unsere Sponsoren

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Veranstaltungskalender

Februar 2023
Florian Scheiber, Konzertdirektor DIESMAL KEIN NEUES MUSICAL IM FEBRUAR? Wenn die Stucke so gut laufen nennt man das Nachhaltigkeit.

Das Volk und sein Feind

EIN VOLKSFEIND

Was ist ein Volksfeind? Wie sieht er aus? Was macht er, um seinen Ruf als Feind des Volkes zu verdienen? Und was soll das überhaupt sein, dieses mysteriöse Volk, von dem so viel die Rede ist in Parlamentssitzungen, bei Demos, auf Social Media?

WIR SIND DAS VOLK! Na klar, wir, wer sonst? Du, ich, er, sie, es – wir sind das Volk! Aber wer ist unser Feind?

In Henrik Ibsens Drama Ein Volksfeind , geschrieben 1882, ist die titelgebende Figur männlich, weiss, verheiratet, Vater dreier Kinder, Doktor der Medizin, Kurarzt in einem florierenden Badeort, Bruder des örtlichen Bürgermeisters, Kumpel der örtlichen Pressevertreter und alles in allem ein ziemlich sympathischer, ziemlich normaler Typ, der einer von uns sein könnte, wenn er nicht, nun ja, so verstockt wäre.

Doktor Tomas Stockmann kommt schon im ersten Akt von Ibsens Drama einem handfesten Umweltskandal auf die Spur: Die Heilquelle im Badeort ist mit Industrieabwässern verseucht, das heilende Wasser heilt nicht, es vergiftet, deswegen auch die vielen Fälle von dermatologischen und peristaltischen Erkrankungen unter den Kurgästen (Krätze, Dünnschiss). Stockmann will die Sache publik machen, seine Kumpels von der Presse sind dabei, only bad news are good news, und dann grätscht der Bürgermeister dazwischen, Stockmanns Bruder. Ein Mann von Macht, ein besonnener Machtmensch und aufrechter Volksvertreter mit klarem

Anliegen: Die Prosperität des Kurorts nicht gefährden, den wirtschaftlichen

Aufschwung nicht opfern für das – so sieht es der Bürgermeister – umweltaktivistische Getue des kleinen Bruders.

Ausserdem: Wer weiss schon, ob das stimmt mit den Abwässern? Könnte ja auch ein Irrtum sein. Könnte ja auch alles halb so schlimm sein. Nicht panisch

werden jetzt, schön besonnen bleiben, das Für und Wider abwägen, moderate Massnahmen ergreifen, und vor allem: Nichts an die Öffentlichkeit! Das Volk verschonen mit Katastrophenszenarien, keine Panikmache, die Politik wird es regeln, natürlich im Sinne der Öffentlichkeit, wenn auch unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Soweit das volksfreundliche Anliegen des Bürgermeisters, vorgetragen mit dezentem Druck auf Stockmann und seine Kumpels von der Presse. Die Pressemänner knicken ein, Stockmann hingegen bleibt standhaft und seinem Namen treu, also verstockt. Was folgt, ist eine Story, wie sie beunruhigender nicht sein könnte: Der ziemlich sympathische, ziemlich normale Bürger Stockmann wird zum Extremisten im Zeichen der Wahrheit. Um dieser Wahrheit willen ist er bereit, alles zu opfern. Alles, was er liebt und braucht: seine Familie, seinen Job, seinen guten Ruf. Alles, was wir lieben und brauchen, wir, das Volk: unseren Wohlstand, unsere Sicherheit, unser reines Gewissen.

Im Jahr 1882, als Ibsen das Stück schrieb, war die Welt auch nicht in Ordnung, aber vergleichsweise okay. Keine Klimakrise, kein absehbarer ökologischer Supergau, der die Menschheit in ihr selbst geschaufeltes Grab stürzt und so sicher ist wie das Amen nach dem Gebet. Im Jahr 1882 hat es noch keine «ökoterroristischen» Gruppierungen mit Namen wie Ende Gelände oder Extinction Rebellion gegeben, deren Mitglieder sich ständig irgendwo festkleben oder die Strassen unsicher machen mit ihren angeblich friedlichen Demos, bei denen dann Polizist*innen verletzt werden und harmlose Radfahrer*innen ums Leben kommen. 1882 ist lange her, Ibsen ist tot, aber Stockmann lebt. Mehr noch, er hat sich vermehrt. So viele Stockmänner laufen in der Gegend herum, alle gewaltbereit (oder?), alle radikal (nicht wahr?) und immer im Zeichen der Wahrheit unterwegs. Die Stockmänner der Gegenwart sind – schau an! – oft Stockfrauen. Ein befremdlicher Umstand eingedenk der Tatsache, dass Frauen bekanntlich eher sanfte, sozial intelligente, von Natur aus kompromissbereite und auf Harmonie bedachte Wesen sind (hahaha!). Diesem befremdlichen Umstand, der zugleich ein lachhaftes Klischee ist, trägt der Regisseur Wojtek Klemm in seiner Inszenierung von Ibsens Drama Rechnung. Kein Stock-Mann ist da der Volksfeind, sondern eine Stock-Frau, und das hoch drei. Drei Schauspielerinnen spielen Stockmann, drei Frauen bilden eine anarchische Combo (Pussy Riot lässt grüssen!), und was die Volksfeindinnen da so treiben, das können wir uns ab dem 9. Februar in der Lokremise ansehen. Wir, das Volk. (aa)

Ein Volksfeind

Schauspiel von Henrik Ibsen

Premiere Donnerstag, 9. Februar 2023

20 Uhr, Lokremise

Einführungsmatinee

Sonntag, 5. Februar 2023

11 Uhr, Lokremise, Eintritt frei

Leitung

Inszenierung: Wojtek Klemm

Ausstattung: Magdalena Gut

Dramaturgie: Anita Augustin

Musik: Aleksandra Rzepka

Regieassistenz: Maren Watermann

Soufflage: Dorothea Gilgen

Spiel

Diana Dengler, Christian Hettkamp, Fabian Müller, Pascale Pfeuti, Marcus Schäfer, Julius Schröder, Anja Tobler

Weitere Vorstellungen

14./18./22./24. Februar 2023

2./5./9./12./17./21./25. März 2023 4. April 2023

2 SCHAUSPIEL

Beste Opern-Aufführung des Jahres

THE TIME OF OUR SINGING

The Time of Our Singing erzählt vom Leben einer Familie mit einer Schwarzen Mutter und einem weissen Vater vor dem Hintergrund der Rassentrennung im Nachkriegsamerika. Die Oper von Kris Defoort nach einem Roman von Richard Powers stellt die Identitätsfindung der drei Kinder der Familie in den Fokus, deren Leben untrennbar mit Musik verbunden ist. Ab dem 11. März ist das Werk , das den International Opera Award als beste Uraufführung erhielt, in einer Inszenierung von Ted Huffman im UM!BAU zu sehen.

Jonah, Joey (mit vollem Namen Joseph) und Ruth Strom lieben ihre Familie und die Musik. Ihr Vater ist ein deutscher Jude, ihre Mutter eine Schwarze Amerikanerin, die sich bei dem Konzert der Schwarzen Altistin Marian Andersons am Lincoln Memorial begegnen. Sie erziehen ihre Kinder mit viel Liebe zur Musik. Jonah schlägt die Laufbahn eines Opernsängers ein, Joey wird Pianist und wechselt von einer klassischen Laufbahn zum Jazz. Gemeinsam mit der politisch engagierten Ruth unterrichtet Joey schliesslich Schwarze Kinder und versucht, ihnen die Begeisterung für Musik zu vermitteln, die ihm und seinen Geschwistern häufig Halt im Leben gegeben hat. All das spielt sich vor einem historischen Hintergrund ab, der deutliche Parallelen mit der jüngsten Geschichte der USA aufweist (Black Lives Matter, Polizeibrutalität und manipulierte Wahlen) und deutlich macht, dass die jüngsten Geschehnisse Resultat der Rassismusproblematik der letzten Jahrhunderte sind.

Dabei müssen Joey, Jonah und Ruth jeden Tag ihren eigenen Platz in der Gesellschaft erkämpfen. Als Mixedrace-Kinder einer Schwarzen und eines Weissen wird es ihnen schwer gemacht, in der von der Rassentrennung bestimmten Gesellschaft eine Gemeinschaft zu finden und mit Selbstbewusstsein die eigene Identität zu leben. Mit diesen Herausforderungen gehen die drei Geschwister sehr unterschiedlich um: Ruth wehrt sich gegen die Zustände durch ihre Aktivitäten bei der revolutionären Black Panther Party, die sich zum Teil mit Waffengewalt gegen die Unterdrückung der afroamerikanischen Gesellschaft stellen. Ihrem Bruder Jonah, der als gefragter Opernsänger durch die Welt tourt, wirft sie vor, er verbrüdere sich über die Musik der Weissen mit deren Politik. Joey versucht währenddessen vermittelnd aufzutreten und wägt ab, ob Musik Mittel zur Verständigung werden kann oder man Politik und Musik trennen muss. Der Wunsch der Eltern Delia und David, ihre Kinder frei von Rassefragen in einem geschützten Raum aufwachsen zu lassen, erweist sich in der Realität als Utopie.

Der Schriftsteller Richard Powers erzählt in seinem Roman The Time of Our Singing (dt.: Der Klang der Zeit ) berührend vom Rassismus in den USA anhand des Lebens von drei Generationen einer Familie, die aufgrund ihrer Hautfarbe eine Vielzahl von Hindernissen bewältigen muss. Der belgische Komponist Kris Defoort und der Librettist Peter van Kraaij haben sich dieser Geschichte angenommen und sie als Vorlage für ihre Oper verwendet.

Während im Roman Joey die Geschichte seiner Familie erzählt, haben van Kraaij und Defoort jeden der Charaktere einen Teil erzählen lassen und erlauben den Figuren in der Oper somit mehr Raum und Entwicklungsmöglichkeiten.

Powers, in dessen Text die Musik omnipräsent ist, hat im Leben der Familie Strom einzelne Musikwerke zu immer wiederkehrenden Themen gemacht. In seiner Komposition nimmt Defoort diese Themen auf und verbindet Renaissancemusik, Barockes und Klassisches mit Jazzmusik, erweitert das Orchester um ein Jazzensemble und bringt so auch auf der musikalischen Ebene die Ambivalenz der Strom-Kinder in Hinblick auf ihre Identität, ihren Hintergrund und ihre politische Haltung zum Ausdruck.

The Time of Our Singing ist Kris Defoorts (geb. 1959) vierte Oper. Ursprünglich als Pianist für zeitgenössische Musik und Jazz ausgebildet sowie mit einem Schwerpunkt auf Alte Musik, ist er seit Ende der 1990er-Jahre zunehmend als Komponist für Theater, Oper, Ballett und Kammermusik tätig. Das Theater St.Gallen zeigt zum ersten Mal ein Werk von Defoort. Mit The Time of Our Singing kommt die Inszenierung der Uraufführung von 2021, die als Koproduktion mit der belgischen Nationaloper La Monnaie/De Munt entstand, auf die Bühne. Der amerikanische Regisseur Ted Huffman bringt die Geschichte der Familie Strom in einer Art Kammerspiel auf die Bühne und verzahnt sie geschickt mit den historischen Ereignissen in Form von Videoprojektionen, die im Nachrichten- und Dokumentationsstil die Bürgerrechtsbewegung, amerikanische Geschichte und sozialen Zustände abbilden. (cd)

The Time of Our Singing Oper von Kris Defoort und Peter van Kraaij

Premiere Samstag, 11. März 2023

19 Uhr, UM!BAU

Öffentliche Probe mit Gespräch

Mittwoch, 1. März 2023

18.45 Uhr, UM!BAU, Eintritt frei

Leitung

Musikalische Leitung: Kwamé Ryan

Inszenierung: Ted Huffman

Bühne: Johannes Schütz

Kostüm: Astrid Klein

Choreografie: Alan Barnes

Licht: Bernd Purkrabek

Video: Pierre Martin

Sounddesign: Vincent De Bast

Szenische Einstudierung:

Damien Tresanini

Studienleitung: Stéphane Fromageot

Einstudierung Jugendchor: Terhi Lampi

Dramaturgie: Caroline Damaschke

Regieassistenz: Sebastian Juen

Besetzung

Delia Daley: Claron McFadden

William Daley: Mark S. Doss

David Strom: Kristján Jóhannesson

Jonah: Joshua Stewart

Joey: Markel Reed

Ruth: Naomi Simmonds

Lisette Soer: Jennifer Panara

Pianist: Kunal Lahiry

Robert (Tänzer): Hervé Loko

Jazzquartett:

Adrian Pflugshaupt, Tenorsaxophon

Jérémie Krüttli, E-Bass

Mischa Cheung, Klavier

Maximilian Näscher, Drumset

Jugendchor des Theaters St.Gallen

Sinfonieorchester St.Gallen

Statisterie des Theaters St.Gallen

Weitere Vorstellungen

19./21. März 2023

19./21./23. April 2023

3 MUSIKTHEATER
The Time of Our Singing anlässlich der Uraufführung im Herbst 2021 in der belgischen Nationaloper La Monnaie/De Munt in Brüssel.

MAHLER IX Eine Sternstunde

Ein aussergewöhnliches Konzertprojekt findet endlich seine Verwirklichung: Gustav Mahlers letzte vollendete Sinfonie kommt in einem grossen Gemeinschaftsprojekt zwischen der Litauischen Nationalphilharmonie Vilnius und dem Sinfonieorchester St.Gallen in der Tonhalle zur Aufführung.

Es ist nicht irgendein Werk, das für die Begegnung des Orchesters aus Vilnius und dem Sinfonieorchester St.Gallen ausgesucht wurde, für die erste Zusammenarbeit zwischen den beiden Orchestern, die derselbe Chefdirigent verbindet: Gustav Mahlers 9. Sinfonie ist ein Gipfel des Repertoires, sie live zu

hören ein Erlebnis, sie zu spielen eine singuläre Herausforderung.

Gustav Mahler begann die Arbeit an seiner 9. Sinfonie im Jahr 1909 in seinem Komponierhäuschen seines Sommerdomizils bei Toblach. Die Sinfonie fiel in eine Zeit des Umbruchs in der Biografie des österreichischen Dirigenten

und Komponisten. Der damals knapp 50-Jährige hatte zwei Jahre zuvor seinen Vertrag mit der Wiener Hofoper gekündigt, deren Direktor er seit 1897 war, und ein Engagement an der Metropolitan Opera in New York angenommen. Es folgte von 1909 bis 1911 die Position des Chefdirigenten des neugegründeten

New York Philharmonic Orchestra. Dass die 9. Sinfonie Mahlers letzte vollendete bleiben sollte, zeigte sich erst jetzt: Er reiste im Februar 1911 ein letztes Mal per Schiff nach Europa, wo er im Mai desselben Jahres an den Folgen seines durch einen Infekt akut gewordenen Herzfehlers starb – noch bevor er seine

9. Sinfonie erstmals erklingen hörte.

«Wer darüber hinaus will, muss fort» Genau wie vor ihm schon Schubert, Bruckner oder Dvořák konnte Mahler den «Fluch», der seit Beethovens

9. Sinfonie die Komponisten zu verfolgen schien, nicht überwinden. Zwar stemmte er sich noch mit Entwürfen zu einer 10. Sinfonie dagegen, doch sollte auch in Mahlers Fall eintreffen, was sein jüngerer Kollege und Freund Arnold Schönberg am Grabe Mahlers in Worte fasste: «Wer darüber hinaus will, muss fort. Die eine Neunte geschrieben haben, standen dem Jenseits zu nahe.» Die letzte vollendete Sinfonie Mahlers gelangte im Juni 1912 unter der Leitung von Bruno Walter in Wien zur Uraufführung.

«Leb wohl! O Jugendzeit!

Entschwundene! O Liebe! Verwehte!»

Anmerkung Mahlers im Partiturentwurf des ersten Satzes

Schon seit jeher ist die 9. Mahlers mit Abschied und Tod – vor allem mit Mahlers eigenem – in Verbindung gebracht worden, ungeachtet der Tatsachen, dass Mahler noch eine 10. Sinfonie in Angriff genommen hatte und dass er das Ende seines Lebens nicht vorausahnen konnte, auch wenn es nach dem einige Jahre zuvor erkannten Herzfehler unter keinem guten Stern stand. Vielmehr ist es aber das Werk selbst, das von Abschied kündet. Das finale Adagio etwa, ein Satz wie eine letzte Umarmung, ist Rückschau und Abgesang – auf das Leben und auch auf die Musik der

4 KONZERT
Modestas Pitrenas, Chefdirigent in St.Gallen und Vilnius.

(Spät)Romantik, die Mahler prägte, weiterführte, an ein Ende brachte und zugleich in eine neue musikalische Epoche führte. In dieser Sinfonie werden die gewohnten Vorstellungen von Form und Struktur aufgelöst, auch die Tonalität wird an ihre äusserste Grenze geführt, und an die Stelle fasslicher Melodik schrieb Mahler Fragmente und Andeutungen. Mit ihrem Verglühen im vierfachen pppp bereitet Mahlers 9. Sinfonie den Boden für einen musikalischen Neuanfang. Der Musiktheoretiker Theodor W. Adorno bezeichnete sie gar als das «erste Werk der neuen Musik» überhaupt.

Erlebnis mit Seltenheitswert

Die Sinfonie ist kein Werk für jeden Tag, alleine ihre Aufführung dauert rund 90 Minuten (wobei die Interpretationen bis zu 20 Minuten voneinander abweichen können), entsprechend herausfordernd ist es für ein Orchester, die Konzentration über diesen langen Zeitraum aufrechtzuerhalten. Dazu kommt die Grösse der Besetzung: Für die Aufführung in der Tonhalle St.Gallen werden alleine 26 Geigen, sechs Kontrabässe und fünf Hörner ge -

SONNTAGS UM 5 Bella Italia

braucht, alles in allem ein rund neunzig Musikerinnen und Musiker starkes Orchester. Zusammen mit 24 Mitgliedern der Litauischen Nationalphilharmonie

Vilnius, deren Chefdirigent und Künstlerischer Leiter Modestas Pitrenas seit 2015 ist, kann das hiesige Orchester zu diesem grossen Mahler-Klangkörper anwachsen. Damit geht am 9. Februar ein einmaliges Gemeinschaftsprojekt mit einem eindrucksvollen Kunstwerk einher – beste Voraussetzungen für ein unvergleichliches, bleibendes Konzerterlebnis. (ff)

Mahler IX

Andante Burleske Adagio | Tonhallekonzert

Donnerstag, 9. Februar 2023

19.30 Uhr, Tonhalle Einführung um 18.30 Uhr

Modestas Pitrenas, Leitung

Gustav Mahler, Sinfonie Nr. 9

Eine klingende Ode auf das südliche Nachbarland ist diese Ausgabe von Sonntags um 5 , der Kammermusikreihe der Mitglieder unseres Sinfonieorchesters. Sie steht ganz im Zeichen italienischer Komponisten; angefangen im Barock, schlägt das Programm den Bogen bis in die Gegenwart und lässt auch einen der berühmtesten Filmmusikkomponisten des Landes zu Wort kommen: Ennio Morricone schrieb das unvergessliche Hauptthema für den Film Mission von 1986 – Gabriel’s Oboe Kurzweil verspricht das Programm nicht nur hinsichtlich der Komponisten, unter denen auch der eine oder andere Geheimtipp sein dürfte, sondern auch hinsichtlich Besetzung: Reine Streicherwerke finden sich darin Seite an Seite mit Kammermusik für Oboe und Flöte. (ff)

Bella Italia Sonntags um 5

Sonntag, 12. Februar 2023

17 Uhr, Tonhalle

Rosemary Yiameos, Oboe

Katarina Gavrilovic, Flöte

Yuko Ishikawa, Violine

Ilaria Sieber-Pedrotti, Violine

Pierre Deppe, Violoncello

Stefanie Medeiros, Viola

Aline Spaltenstein, Kontrabass

Gioachino Rossini Sonata Nr. 1 G-Dur

Felice de Giardini Oboenquartett D-Dur op. 25/3

Arcangelo Corelli Suite für

Streichorchester

Luigi Boccherini Flötenquintett

Tomaso Albinoni Adagio g-Moll

Ennio Morricone Gabriel’s Oboe

5 KONZERT
Gustav Mahler in der Berglandschaft von Toblach, wo seine 9. Sinfonie entstand. Sie laden zur musikalischen Reise nach Italien ein. In Kooperation mit der Litauischen Nationalphilharmonie Vilnius

BOLEROEuphorie pur!

Der Boléro von Maurice Ravel, eines der populärsten Werke der klassischen Musik überhaupt, war ursprünglich keine reine Konzertsaal-, sondern eine Ballettmusik. Genauso Aaron Coplands Appalachian Spring . Und ist von Ástor Piazzolla die Rede, so muss im selben Atemzug der argentinische Tango genannt werden – Ballett, Tanz und die «Amerikas» von Norden bis Süden drücken diesem Tonhallekonzert den Stempel auf.

Die ersten Takte des Programms führen zunächst einmal in einen tropischen

Urwald: In Alvorada na floresta tropical dringen die Sonnenstrahlen durch den dichten Blätterwald und vertreiben die nächtlichen Kreaturen. Für das Orchesterwerk aus dem Jahr 1953 hat sich der brasilianische Komponist Heitor Villa-Lobos von den indianischen Legenden inspirieren lassen, die er selbst im Amazonasgebiet gesammelt hatte: «Die Wälder, die Flüsse, die Wasserfälle, die Vögel, die Fische und die wilden Tiere, die Waldbewohner … sie alle haben einen Einfluss auf die Entstehung dieses Werks.»

«Kreativität und Innovationskraft»

Brasilien ist auch das Heimatland von Simone Menezes, die dieses Tonhallekonzert und das Mittagskonzert am Freitag davor künstlerisch verantwortet.

Menezes hat sich weitherum als kreative und innovative Musikerin einen Namen gemacht und sich unter den aufstrebenden Dirigentinnen der neuen Generation etabliert. Neben ihren Dirigaten bei vielen der namhaften Orchester verfolgt sie immer wieder auch genreübergreifende Projekte wie Amazonia , eine Zusammenarbeit mit dem gefeierten brasilianischen Fotografen Sebastião Salgado.

Bis ganz in den Süden des Kontinents reicht Argentinien, das Land des Tangos. Ihm, dem argentinischen Nationaltanz, verhalf Ástor Piazzolla in den Konzertsaal; und damit auch dem typischen Tango-Instrument Bandoneon (benannt nach seinem Erfinder Heinrich Band), einer Ziehharmonika, die in Sachsen entwickelt wurde und mit deutschen Auswanderern im 19. Jahrhundert nach Argentinien und Uruguay gelangte, wo sie sich schnell als unverzichtbares Instrument in den Tango-Orchestern etablierte. Für das Bandoneon schrieb Piazzolla 1979 ein Solokonzert mit Orchester, ein Gipfelwerk im Schaffen des Tango-Erneuerers, das den Namen Aconcagua nach dem höchsten Gipfel der Anden nicht umsonst trägt. Marcelo Nisinman hiesst der Solist, der zusammen mit dem Sinfonieorchester St.Gallen diesen Gipfel erklimmt.

Frühling in den Appalachen

Der amerikanische Komponist Aaron Copland (1900–1991) ist zugleich Pionier und wichtigster Repräsentant einer neuen amerikanischen Musik des 20. Jahrhunderts, für die er auf nordamerikanische Folklore und Figuren und Themen aus der amerikanischen Geschichte zurückgriff. So schrieb er die Ballette Billy the Kid (1938), Rodeo (1942)

oder Appalachian Spring (1944), dessen Handlung auf einer Farm in der amerikanischen Pionierzeit spielt. Die Ballettmusik traf den Nerv der Zeit und entwickelte sich rasch zu einer Ikone der amerikanischen Musik. Nicht minder populär ist die von Copland kompilierte Orchestersuite, die in diesem Konzert erklingt.

Wenigen dürfte bekannt sein, dass auch Maurice Ravels Boléro einst Musik für ein Ballett war. Mit seiner einzigartigen, hypnotisierenden Energie wurde das Werk aber bald losgelöst vom Bühnengebrauch weltberühmt. Es ist an Spannung kaum zu überbieten und löst meist langanhaltende Euphorie aus. Spätestens mit dem Boléro wird dieses Programm zum besten Mittel, den Winter zu vertreiben und den nahenden Frühling zu begrüssen. (ff)

Boléro

Les Amériques | Tonhallekonzert

Sonntag, 26. Februar 2023

17 Uhr, Tonhalle Einführung um 16 Uhr

Simone Menezes, Leitung

Marcelo Nisinman, Bandoneon

Heitor Villa-Lobos Alvorada na floresta

tropical W 513

Ástor Piazzolla Konzert für Bandoneon und Orchester Aconcagua

Aaron Copland Appalachian Spring (Suite)

Maurice Ravel Boléro

Appalachian Spring | Mittagskonzert

Freitag, 24. Februar 2023

12.15 Uhr, Tonhalle

Simone Menezes, Leitung

Aaron Copland Appalachian Spring (Suite)

6 KONZERT
Marcelo Nisinman mit Bandoneon Die brasilianische Dirigentin Simone Menezes

«Auf höchstem Niveau ins neue Jahr gewalzert»

DAS SCHREIBT DIE PRESSE

Mit den Neujahrskonzerten in St.Gallen und Mels, der spartenübergreifenden Wagner-Loriot-Produktion Der Ring an einem Abend und der Uraufführung von Die Entfremdeten unseres letztjährigen Hausautors Alexander Stutz hat das Konzert- und Theaterjahr facettenreich angefangen. Eine kleine Presseschau.

Neujahrskonzert Mels

Das Sinfonieorchester St.Gallen unter der Leitung des Chefdirigenten Modestas Pitrenas hat im Verrucano in Mels ein Neujahrskonzert der Superlative geboten. Es war ein Konzert zum Zurücklehnen und zum Eintauchen in die beschwingte Walzerwelt der Strauss-Dynastie und weiterer Komponisten dieser Zeitepoche. […] Dem langen, frenetischen Schlussapplaus mit vielen «Bravo»-Rufen und Standing Ovations folgten als Zugaben zwei der wohl populärsten Werke von Johann Strauss Vater und Sohn: An der schönen, blauen Donau und der zackige Radetzky-Marsch . Bei Letzterem trieb Dirigent Pitrenas das Publikum zum Mitklatschen an. So fand das vielfältige, durchs Band mitreissende Konzert einen fulminanten Abschluss nach dem Vorbild des Neujahrskonzertes der Wiener Philharmoniker, nur mit dem schönen Unterschied, dass dieses Konzert im Verrucano live und nicht nur am Bildschirm genossen werden konnte.

Sarganserländer

Der Ring an einem Abend

Der Part des Erzählers ist Bruno Riedl anvertraut, der den Tonfall Loriots ganz hervorragend trifft und Zuschauer manchmal glauben lässt, Loriot selbst stünde noch auf der Bühne. Der Witz der Zwischentexte lebt bis heute und wird von Riedl wunderbar über die Rampe gebracht.

Das Sinfonieorchester St.Gallen unter der musikalischen Leitung von Chefdirigent Modestas Pitrenas geniesst es, neben Wiener Klassik, Musical und Operette auch wieder einmal Wagner spielen zu dürfen. Piani, wie der Beginn des Rheingolds, und Forte gelingen mustergültig und die Farben leuchten nach einer kurzen Einspielzeit immer intensiver.

Onlinemerker

Bruno Riedl, langjähriges Ensemblemitglied des Theaters Sankt Gallen, war der ideale Sprecher dieses oft vergnüglichen, immer wieder aber auch nachdenklich machenden Textes.

Die meisten Sänger kamen ebenfalls aus dem Sankt Galler Ensemble, so Libby Sokolowski und Christopher Sokolowski als Sieglinde und Siegmund, klar und kraftvoll singend, dann die Charakterstimmen von David Maze und Riccardo Botta in verschiedenen Rollen sowie die bezaubernden Rheintöchter Fiquete Ymerai, Candy Grace Ho und Christina Blaschke und, alle Kollegen nicht nur an Haupteslänge überragend, Kristján Jóhannesson als Wotan und Hagen. Musik und mehr

Nach Loriots Vorlage präsentiert das Sinfonieorchester St.Gallen unter der Leitung von Modestas Pitrenas einen kurzweiligen Abend mit Ausschnitten aus Wagners Zyklus Der Ring des Nibelungen . Mit spitzfindigem Humor verbindet Sprecher Bruno Riedl hinter ernster Miene die Sagen von vier Opern. In einem höllischen Walkürenritt durch die 15 Opernstunden wird der konzertante Abend aber auch durch die SolistInnen zu einem kurzweiligen Glanzpunkt der Tonhalle, an dem sich das Publikum gleichermassen erfreuen und belustigen kann. Oper und Kultur

Launig erzählt und packend interpretiert kam am Donnerstagabend die knapp dreistündige Kurzversion des Rings mit Auszügen aus den vier Opern Richard Wagners auf die Bühne – ein Fest für das Sinfonieorchester St.Gallen unter Modestas Pitrenas, für junge und erfahrene Opernensemblemitglieder und für die Wagner-Fans. Aber auch eine Hommage an den wunderbaren Humoristen Loriot.

St.Galler Tagblatt

Die Entfremdeten

Die Entfremdeten ist ein kurzweiliger Theaterabend mit einer gewissen Leichtigkeit, die dem schweren Thema der Verlorenheit in einer trostlosen Welt gut bekommt.

SRF 2 Kultur

Sehnsucht nach «Heilung»: So nennt es «Die Fliegende», oben auf dem Dach des Hochhauses, wo sie Suizidwillige vom Sprung abhält. Oder springen lässt. Ab und zu ploppt Witz auf, zwischendurch glaubt man an Birgit Bückers vielschichtige «Fliegende» und an die Lebenslust, die aus ihren Augen blitzt. Es ist dann aber doch der Tod, der blitzt. Fliegen können, lieben, sich erinnern, noch einmal neu anfangen: Das Stück lässt seinen Figuren keine Hoffnung. Saiten

Die Inszenierung von Olivier Keller ist voller spannender Details. Die clever gesetzten Pointen bringen das Publikum zum Lachen, nur um es kurz darauf durch einen Schrei der Ekstase oder der Verzweiflung zusammenzucken zu lassen und auf den harten Asphalt der Parkplatzrealität zurückzuholen. Man fühlt sich unsanft wachgerüttelt, worüber man froh sein kann. Junge Theaterkritik

Armselig, bitter, böse, komisch – der junge Autor Alexander Stutz hat in seinem neuen Stück, das er als Hausautor des Theaters St.Gallen schrieb, die Verlorenheit ins Zentrum gerückt. Und er packt in seinen Text das grosse Ganze hinein: Familientraumata, Sucht, Missbrauch, Ausbeutung der Welt, Konflikte zwischen Generationen, selbstbestimmtes Leben. Nachtkritik

7 AUSSERDEM

Saisoneröffnung mit Uraufführung

«Lili Elbe»

AUSBLICK 2023/2024

Mit einer Uraufführung eröffnet das Theater St.Gallen den renovierten Paillard-Bau: Lili Elbe ist das neuste Werk des amerikanischen Komponisten Tobias Picker und des Librettisten Aryeh Lev Stollman und erzählt die Geschichte von Lili Elbe, einer trans Frau, die in den 1930ern eine der ersten Geschlechtsangleichungen vornehmen liess. Das Werk über Identität, eine grosse Liebe und den Mut, Pionierarbeit zu leisten, ist als Koproduktion mit dem Theater Erfurt ab dem 22. Oktober 2023 auf der grossen Bühne im Paillard-Bau zu sehen.

Eine Uraufführung ist für alle Beteiligten ein Abenteuer. Daher wird ein neues Werk im besten Fall gerade in der finalen Kompositionsphase immer wieder geprüft: Wie die Rollen geschrieben sind, ob die Figuren und der Erzählbogen stimmig sind, ob es Längen gibt und ob es für das Theater möglich ist, alle Wünsche umzusetzen. Eine grosse Hilfe hierbei ist es, das Werk in voller Länge zu spielen, um einen ersten Eindruck der Atmosphäre und des Klangs zu bekommen und Überlegungen zum Inszenierungskonzept zu überprüfen. Im Dezember fand in St.Gallen ein Workshop statt, in dem die Oper Lili Elbe mit Sänger*innen des Ensembles erarbeitet wurde, um dem Komponisten, dem Regisseur und allen anderen Beteiligten einen ersten Eindruck des Werkes zu verschaffen.

Mit Lili Elbe wird die weltweit erste Oper aufgeführt, die eine trans Person in den Fokus rückt und sich mit ihrer Transition auseinandersetzt. Das Werk bringt das Thema Identität im Rahmen von Genderindentität als zeitlosen Konflikt mit sich selbst und der Gesellschaft am Beispiel einer historischen Figur auf die Bühne. Es erlaubt einen Einblick in das Leben einer trans Frau, ihr Coming-out und ihre Transition zu einer Zeit, in der die Öffentlichkeit kaum ein Bewusstsein für trans Personen entwickelt hatte und die medizinischen Eingriffe noch sehr experimentell waren.

Lili Elbes Leben wurde bereits 1933 in einer halb-autobiografischen Veröffentlichung erzählt: Man into Woman: An Authentic Record of a Change of Sex (dt: Die Geschichte von Lili Elbe. Ein Mensch wechselt sein Geschlecht ).

2015 kam der Film The Danish Girl von Tom Hooper mit Eddie Redmayne und Alicia Vikander in den Hauptrollen in die Kinos. Redmayne wurde für den Oscar nominiert, Vikander gewann den Oscar als beste Nebendarstellerin.

Das Leben der Lili Elbe

Lili Elbe wurde 1882 als Einar Wegener in Dänemark geboren und studierte an der Königlich Dänischen Kunstakademie. Dort lernte sie Gerda Gottlieb kennen und heiratete sie. Während Elbe sich auf Landschaftsmalerei spezialisierte, war Gottlieb als Illustratorin und Modegrafikerin tätig. Für Gottlieb sass Elbe häufig als Frau Modell und erlang -

te als solches eine gewisse Berühmtheit. Elbe lebte zunächst heimlich, dann im engsten Freundeskreis als Lili Elbe, als Frau: Bekannten oder Fremden wurde Elbe als Gottliebs Schwägerin vorgestellt. 1930 entschloss sich Elbe schliesslich dazu, medizinische Schritte zu unternehmen, um ihren Körper ihrer Geschlechtsidentität anzupassen. In den folgenden zwei Jahren unterzog sie sich insgesamt vier Operationen. Bei der vierten, einer Uterustransplantation, kam es zu Komplikationen und Elbe verstarb 1931. Im letzten Jahr ihres Lebens konnte Elbe ihren Namen und ihr Geschlecht im Ausweis ändern. Sie hiess nun auch von Rechts wegen Lili Ilse Elvenes. Nun wurde auch die Trennung von Gottlieb offiziell und die Ehe annulliert. In der Liebe hatte Elbe noch 1931 neue Hoffnung geschöpft: Sie führte eine Beziehung mit Claude Lejeune, einem französischen Kunsthändler, mit dem sie sich ein Leben als Ehefrau und Mutter wünschte.

Kreativteam

Für das Auftragswerk konnte der mit dem Grammy ausgezeichnete Komponist Tobias Picker gewonnen werden. Er liess sich an der Juilliard School of Music, der Manhattan School of Music und der Princeton University ausbilden. Lili Elbe ist seine siebte Oper. Die Musik des amerikanischen Komponisten, der Schüler von Elliot Carter und Milton Babbitts war, weist Einflüsse von Mahler, Brahms, aber auch von Strawinsky und Varèse auf. Gemeinsam mit Aryeh Lev Stollman, einem Arzt und preisgekrönten Autor, der das Libretto zu Lili Elbe schrieb, arbeitete er bereits an der Oper Awakenings . Für Lili Elbe haben Picker und Stollman ausserdem mit der Baritonistin und trans Frau Lucia Lucas zusammengearbeitet, die die Titelrolle verkörpern wird. In ihrer Oper zeichnen sie Elbes Transition und die Zeit ihrer Operationen nach und rücken Elbes Wunsch in den Fokus, eine Frau zu sein: Eine Frau ihrer Zeit, was Elbe als ein Dasein mit Mann und Kind definierte. Zugleich ist die grosse Liebe zwischen Elbe und Gerda steter Bestandteil der Erzählung.

Die Uraufführung inszeniert Krystian Lada, der hier in St.Gallen bereits Florencia en el Amazonas inszenierte und diese Saison Messa da Requiem auf die

Bühne bringt. Gemeinsam mit Łukasz Misztal (Bühnenmitarbeit) entwirft er zudem die Bühne. Für die spartenübergreifende Produktion stehen ihm Modestas Pitrenas (am Pult) und Frank Fannar Pedersen (als Choreograf) zur Seite sowie ein Team, das das St.Galler Publikum ebenfalls von Florencia en el Amazonas kennt: Bente Rolandsdotter (Kostüm) und Alexandr Prowaliński (Licht). (cd)

Glossar zum Thema Trans

Crossdresser: Aus dem Englischen «cross» = «kreuzen» und «dress» = «sich kleiden». Person, die sich zeitweise so kleidet, dass sie in einem Geschlecht wahrgenommen wird, in welchem sie nicht ständig lebt. Das Tragen einer bestimmten Kleidung sagt nichts darüber aus, ob eine Person trans ist. Veralteter Begriff hierfür: Transvestit

Gender: Soziale Dimension des Geschlechts. Das soziale Geschlecht (Gender) eines Individuums spiegelt Pflichten, Eigenschaften und Erwartungen der jeweiligen Gesellschaft wider.

Geschlechtsidentität: Das tief empfundene innere und persönliche Gefühl der Zugehörigkeit zu einem Geschlecht, das mit dem Geschlecht, das der betroffene Mensch bei seiner Geburt hatte, übereinstimmt oder nicht übereinstimmt. Bei trans Personen entspricht die Geschlechtsidentität nicht dem ihnen bei Geburt zugeordneten Geschlecht.

Non-Binary (Genderqueer): Wenn Menschen sich nicht oder nur teilweise in den Kategorien «Frau» oder «Mann» repräsentiert sehen, wird das auch nicht binäres Geschlecht oder «genderqueer» genannt.

Transgender: Oberbegriff für alle Menschen, deren Geschlechtsidentität (teilweise) nicht dem ihnen körperlich zugeordneten Geschlecht entspricht. Er umfasst somit trans Frauen, trans Männer, Crossdresser sowie Menschen, für die das Zweigeschlechtermodell von weiblich und männlich als Geschlechtsidentität nicht passt.

Trans Frau / Trans Mann: Person, die bei der Geburt aufgrund des Körpers dem männlichen/weiblichen Geschlecht zugewiesen wurde, aber eine weibliche/männliche Geschlechtsidentität hat.

Transition: Beschreibt den Prozess, sozial, körperlich, und/oder rechtlich das Geschlecht der Geschlechtsidentität anzupassen.

8 MUSIKTHEATER
Lili Elbe um 1930 (rechts) und in einem 1928 von ihrer Frau Gerda Wegener gemalten Porträt.

LUCIA LUCAS

«Wir haben zu verschiedenen Zeiten ein fast identisches Leben geführt.»

Lucia Lucas wird die Titelrolle in Lili Elbe verkörpern. Die Baritonistin singt zumeist in ihrer Heimat, den USA, und Deutschland und interpretiert dabei ein vielseitiges Programm, das vom Standardrepertoire zu neuen Kompositionen reicht. Dabei war sie u.a. an Theatern wie der Metropolitan Opera New York, der English National Opera, der Lyric Opera of Chicago, dem Staatstheater Karlsruhe, der Oper Wuppertal und dem Theater Magdeburg tätig. Im Interview spricht sie über die Uraufführung von Lili Elbe und ihre Rolle.

Du wirst die Rolle der Lili Elbe verkörpern. Ist diese Rolle eine Traumrolle für dich?

Mit Tobias Picker an einer Uraufführung zu arbeiten, ist ein Traum für mich. Lili Elbe ist eine interessante historische Person, mit der ich sehr viel gemein habe. Daher freue ich mich, ihre Geschichte erzählen zu können. Bei Traumrollen denke ich zuerst an das Standardrepertoire. Das sind in der Regel Rollen, die ich im Publikum oder auf einer Aufnahme gehört habe, und denke: «Diese Rolle muss ich unbedingt singen.» Bei einer neuen Komposition weiss man bis zur Premiere nicht so richtig, wie sie im Ganzen klingt. In Lili Elbe werde ich eine Figur spielen, mit der ich zahlreiche Erfahrungen teile, was dazu führen wird, dass ich in den Proben sehr emotional und verletzlich sein werde. So offen zu sein, ermöglicht mir, ergreifende Kunst zu machen, strengt aber auch emotional sehr an. Ich freue mich auf diese Rolle, weiss aber, dass sie alles von mir fordern wird.

Du selbst bist eine trans Frau, so wie Lili Elbe auch. Siehst du in Lilis Wünschen und Herausforderungen auch deine eigenen?

Bis zum Coming-out haben wir zu zwei verschiedenen Zeiten ein fast identisches Leben geführt. Wir beide haben Karrieren als Künstler und ein relativ öffentliches Coming-out gehabt und hielten unsere Erfahrungen schriftlich fest. Wir haben beide Ehefrauen, die uns sehr unterstützt haben. Wir haben soziale, rechtliche und medizinische Veränderungen durchlebt.

Ich glaube, mir wurde früher klar als ihr, dass ich trans bin. Zum Glück lebe ich in einer Zeit, in der geschlechtsangleichende Operationen üblicher sind und weniger experimentell. Lili wäre sicher fasziniert davon gewesen, dass heute Babys geboren werden, die in einer transplantierten Gebärmutter herangewachsen sind. Die Herausforderungen, denen sich marginalisierte Gruppen stellen müssen, sind vom historischen Umfeld bestimmt. Als ich 2014 mein Coming-out hatte, gab es weniger Hass gegen trans Personen als heute. Allerdings gab es auch weniger

Akzeptanz. In der westlichen Politik findet gerade ein Kampf für ein offenes, respektvolles Leben in der Gesellschaft als TransPersonen statt. Zu Lilis Zeit gab es weniger trans Personen, besser gesagt, es gab nur sehr wenige, die als solche gelebt haben. Es gab keinen politischen Kampf, weil sie der Öffentlichkeit nicht bewusst waren. Es galt, die binäre Geschlechtsidentität nicht zu hinterfragen und als trans Personen im Verborgenen zu leben. Trans Personen, die out waren, also offen als solche lebten, mussten ihr altes Leben zurücklassen, ihre Familie und Freunde, und in einen anderen Teil des Landes ziehen, um ein neues Leben zu beginnen. Ich bin sehr dankbar, dass ich das heute nicht mehr tun muss.

Einer von Lilis grössten Wünschen war es, Frau und Mutter zu sein und somit das Leben einer Frau ihrer Zeit zu leben. Wie steht es heute um diesen Wunsch?

Ich glaube, dass dies der Kern der ganzen Oper ist, aber ich glaube nicht, dass es Lilis grösster Wunsch war, Ehefrau und Mutter zu sein. Ich glaube, ihr grösster Wunsch war es, eine Frau zu sein. Was ist eine Frau? Lilis Antwort wäre: Frau und Mutter. Diese Antwort wäre ein Produkt ihrer Zeit. So wie ich meine Frau Ariana habe, die mich liebt und unterstützt, so

hatte Lili Gerda. Die grosse Tragödie in Lilis Leben war, dass sie nicht verstehen konnte, dass sie keinen Mann und kein Kind brauchte, um eine Frau zu sein. Dabei ist besonders traurig, dass Lili nicht das glückliche Leben führen konnte, das sie in einer lesbischen Beziehung mit Gerda hätte führen können, die immer für sie da war.

Während der Entstehung der Oper warst du als Dramaturgin für den Komponisten Tobias Picker und den Librettisten Aryeh Lev Stollmann tätig. Was war dir bei diesem Prozess besonders wichtig? Wie habt Ihr zusammengearbeitet?

Ich habe schon mehrmals erlebt, dass Aspekte meines Lebens auf die Bühne gebracht werden sollten, ohne dass ich davon wusste, und erfuhr davon erst bei der ersten Probe. Es ist viel einfacher, ein Werk und seine Interpretation gemeinsam im Vorfeld zu planen, als am ersten Probentag darüber vor den Kolleg*innen streiten zu müssen. Diese Erfahrungen sowie die positiven Erlebnisse, die ich hatte, wenn ich schon bei der Entwicklung dabei war, haben dazu geführt, dass ich immer darum bitte, wenn möglich, das Material sehen zu dürfen, bevor wir mit den Proben beginnen.

Schon 2019 fragte ich Tobias, ob ich als Dramaturgin den Kompositionsprozess begleiten könnte, um sicherzustellen, dass ich oder wer auch immer in diesem Stück spielen würde, eine gute Arbeitsgrundlage für die Rolle der Lili Elbe haben würde.

Tobias, Aryeh und ich haben Lilis Memoiren gelesen, über ihre Geschichte gesprochen und darüber, wie man ihr Leben heute betrachten würde und mit welchen Worten man von ihr erzählen kann. Ich habe das Buch durchgesehen, um herauszufinden, wie Lili sich selbst beschreibt.

Lili und Gerda sprachen lange über Lili in der dritten Person: «Lili wird uns von Zeit zu Zeit besuchen» oder «Lili muss im Morgengrauen verschwunden sein». Heute würde man darüber diskutieren, ob es sich dabei um eine Art Selbstdistanzierung handelt, die Teil des Coming-out-Prozesses war.

Lili Elbe ist die weltweit erste Oper, in deren Zentrum eine trans Person steht und die den Fokus auf eine geschlechtsangleichende Operation legt. Welche Facette von Lilis Geschichte hat dich am meisten berührt? Was war für dich besonders interessant? Eigentlich mag ich Geschichten nicht, die sich mit Geschlechtsangleichung beschäftigen. Doch die Zeit, in der diese Geschichte spielt, war für mich entscheidend. Zwischen den zwei Weltkriegen wurde sehr viel geforscht zu den Themen Sexualität und Genderidentität. Ein wichtiges Zentrum dieser Forschung, das Institut für Sexualwissenschaft in Berlin, gegründet vom Sexualwissenschaftler Magnus Hirschfeld, wurde am 6. Mai 1933 niedergebrannt. In dessen Bibliothek wurden Lilis Behandlungen und Operationen dokumentiert, Materialien zu anderen LGBTQ+ Personen gesammelt und ein Archiv mit sexualwissenschaftlichen Publikationen angelegt. Hätten das Institut und die Bibliothek überlebt und weiter mit ihrer sehr positiven Herangehensweise forschen können, wer weiss, wo wir heute wären in Sachen Akzeptanz. Es sind Jahrzehnte an Fortschritt verloren gegangen und damit ein Teil queerer Geschichte. Doch der Wunsch, sein eigenes Ich frei zu leben, hat überwogen. Ich hoffe, ich kann Lilis Freude und ihre Hoffnung auf ein neues Leben vermitteln und zum Fokus der Figur machen. Vorahnungen von Lilis und Gretas Schicksal sowie von den Ereignissen, die in der Welt folgten, würde ich gerne in den Hintergrund rücken.

Das Gespräch führte Caroline Damaschke

9 MUSIKTHEATER
Die US-amerikanische Baritonistin Lucia Lucas verkörpert Lili Elbe.

AUSSERDEM

NOTIERT Kurz und knackig

Rampenfieber Ost im Norden

Am 14. Januar fand bereits das 11. Rampenfieber Ost statt – junge Theaterfreaks aus der ganzen Ostschweiz trafen sich zu einem Arbeits- und Austauschtag. Initiiert vom Momoll Theater, Theater Bilitz, Theater

St.Gallen, Theater U21 und Junges Theater Thurgau ging Rampenfieber Ost 2013 erstmals über die Bühne und ist inzwischen fester Bestandteil der Ostschweizer Jugendtheaterszene. Heuer gings zum zweiten Mal in die Nordostschweiz nach Schaffhausen. Rund 30 Jugendliche beteiligten sich an verschiedenen Improvisations-Workshops, spielten und experimentierten mit Orten und Geschichten. Nachdem vergangene Rampenfieber-Ost-Ausgaben in Flashmobs, öffentlichen Stationentheater oder Gross-Impros mündeten, kamen die Teilnehmenden diesmal in den Genuss eines Theatersportabends im Kammgarn: Theatersport ist schnelles und überraschendes Improvisationstheater. Ein Drehbuch gibt es keines, den Inhalt bestimmt das Publikum. Zwei Schauspielteams – Winterthur Theatersport und Stupid Lovers Bremen – reagierten mit Finesse, Wortwitz, Humor und manchmal sogar mit einem Lied auf dessen Inputs. Die Vorgaben des Publikums inspirierten die Spieler*innen und beeinflussten das Geschehen auf der Bühne. 5 – 4 – 3 –2 – 1 – LOS! (mf)

Ein Sinfonieorchester für Jugendliche

Felltuschgnusch, unser Familienstück der laufenden Spielzeit, ist auf grosses Echo gestossen und hat zahlreiche Kinder begeistert, auch in mehreren Schulvorstellungen. Eine solche haben auch Kinder der 1. und

2. Klasse der Primarschule St.GallenRotmonten besucht, und noch vor der Premiere hatten sie bei einem Probenbesuch Einblick in das Entstehen des musikalischen Abenteuers von und mit Marius von der Jagdkapelle erhalten. Ihr Urteil haben sie unserem Theaterpädagogen Mario Franchi in Form von Post-it-Zetteln und Kurzkritiken zukommen lassen, der Tenor ist einstimmig: Es war kuul oder auch cool, luschtig und lustik und ganz, ganz toll.

Dass Kinder im Theater St.Gallen regelmässig auf ihre Rechnung kommen, freut auch Christian Hettkamp, seit 2004 Mitglied unseres Schauspielensembles, aber immer wieder auch als Regisseur tätig. In dieser Spielzeit hat er mit Lahme Ente, blindes Huhn und Odysseus am Strand gleich zwei Stücke für Kinder bzw. Jugendliche inszeniert. Damit leistet auch er einen wichtigen Beitrag zur Förderung des Kinder- und Jugendtheaters – oder anders gesagt: Er hilft mit, jungen Menschen die Welt des Theaters zu erschliessen. «Wenn die Kids das erste Mal in einer Vorstellung sind, sollen sie mit grossen Augen dasitzen, staunen und ins Träumen kommen. Denn dann werden sie wieder ins Theater kommen», sagte er gegenüber dem St.Galler Tagblatt. Mit seinen Inszenierungen will er die Jungen dort abholen, wo sie stehen. Das Spezielle beim jungen Publikum sei, dass es unmittelbar reagiere und sehr schnell zeige, ob es sich amüsiere, zuhöre oder eben auch langweile, sagte er dem Migros-Magazin. «Ein ehrlicheres Feedback gibt es nicht.» (bh)

LooT#2 mit Wolfram Lotz

Eine Kleinformation für kammermusikalisches Miteinander ist vergleichsweise rasch zusammengestellt. Komplizierter wird es für Musizierende mit einem Flair für die grosse sinfonische Geste – zumal für Jugendliche. Das neu gegründete Jugendsinfonieorchester St.Gallen ist bestens geeignet, diese Lücke zu füllen. Es richtet sich an Menschen zwischen 14 und 25 Jahren, die ein Orchesterinstrument spielen und Lust haben, in einem Sinfonieorchester mitzutun. Das JSOSG ist als Verein organisiert, dessen Vorstand

u.a. Musiker des Sinfonieorchesters St.Gallen wie der Trompeter Gregory Flynn, der Geiger Gregory Gates und der Cellist Fernando Gomes angehören und der vom Tubisten Karl Schimke präsidiert wird. Mit einem spektakulären Eröffnungsevent unter dem Motto Ouvertüre: One day – one piece nimmt das Jugendsinfonieorchester am 5. März seine Tätigkeit auf. In einem internen Workshop-Konzert wird dann, angeleitet von Profimusiker*innen, gemeinsam die Finlandia von Jean Sibelius einstudiert und zum Klingen gebracht. Die musikalische Leitung hat Franz Obermair, der Leiter des Theaterchors St.Gallen. Bereits dieser erste Event zeigt das enorme Bedürfnis nach einem Orchester für Jugendliche: Innert Kürze haben sich über hundert Jugendliche angemeldet. Das erste öffentliche Projekt ist dann für den kommenden Herbst geplant. (bh)

Ouvertüre

One day – one piece Sonntag, 5. März 2023 10–18 Uhr, Tonhalle

Jugendsinfonieorchester St.Gallen hello@jsosg.ch jsosg.ch

Mit Einige Nachrichten an das All, Die lächerliche Finsternis und Das Ende von Iflingen hat Jonas Knecht in seiner Zeit als Schauspieldirektor gleich drei Stücke des deutschen Dramatikers Wolfram Lotz auf den Spielplan gesetzt. Wenig verwunderlich also, dass er sich in der UM!SCHAU vom November 2020, vor der Premiere des von ihm selbst inszenierten Stücks Die lächerliche Finsternis, als grossen Wolfram-LotzFan bezeichnete. Lotz schaffe skurrile Figuren, die stets eine Spur von Tragik und Melancholie an sich hätten, er pflege eine grossartige Sprache und sei ein Meister der flirrenden Übergänge von Ernsthaftigkeit zu Ironie und zurück. Diesen Autor auch einmal persönlich in St.Gallen vorstellen zu können, war deshalb schon lange ein Herzenswunsch von Jonas Knecht. Insbesondere wegen der Corona-Pandemie scheiterte das Vorhaben jedoch bisher bei jedem neuen Versuch. Nun endlich klappt es im Rahmen der Reihe LooT, unserer neuen Zusammenarbeit mit dem Literaturhaus St.Gallen. Bei seinem Besuch am 4. März in der Lokremise liest Lotz aus einer neuen Arbeit mit dem Titel Heilige Schrift. Für diese hat er sich einem radikalen Selbstversuch unterzogen: Dem nämlich, das Leben möglichst vollständig und unmittelbar zu erfassen, mit allen literarischen Mitteln. Ein Jahr lang protokollierte er jeden Tag, von morgens bis nachts. Entstanden ist so das poetische Dokument eines wahnwitzigen Projekts, das zeigt, was es wirklich bedeutet, über die Gegenwart zu schreiben. Dazu gibt es ein von unserer Schauspieldramaturgin Anita Augustin moderiertes Gespräch zwischen Wolfram Lotz und Jonas Knecht. Anna Blumer, Birgit Bücker und Anja Tobler präsentieren Ausschnitte aus Die lächerliche Finsternis. (bh)

LooT#2 – Wolfram Lotz Samstag, 4. März 2023 20 Uhr, Lokremise

Moderation: Anita Augustin

Mit: Anna Blumer, Birgit Bücker, Anja Tobler und Jonas Knecht

10
«Ich fand es richtig kuul!!!»
Warm-up auf der Bühne der Bachturnhalle.

HERZLICHEN DANKProduktionsunterstützungen

Jupiter und Venus

Lady Bess Hauptsponsoren

Lady Bess Co-Sponsoren

The Time of Our Singing

Die Zauberflöte

Müller-LehmannFonds

Walter und Verena Spühl-Stiftung

Mit grosszügiger Unterstützung von

IMPRESSUM

Herausgeber Theater St.Gallen

Sinfonie orchester St.Gallen

Redaktion

Beda Hanimann (bh)

Texte

Anita Augustin (aa)

Caroline Damaschke (cd)

Franziska Frey (ff)

Mario Franchi (mf)

Fotos

Seite 1: Jos Schmid

Seite 3: Bernd Uhlig

Seite 4: Victor Marin

Seite 5: PD

Seite 6: Daniela Cesaroli Mariya Nesterovska

Seite 9: Josh New

Seite 10: Claudia Rüegsegger

Illustrationen

Seite 1: Jasmin Kast

Seite 2: Jasmin Kast

Konzept

Chantal Maag

Produktion

Ostschweiz Druck AG, 9300 Wittenbach

Susanne und Martin KnechtliKradolfer-Stiftung

Boléro

Lady Bess Medienpartner

Mahler IX

Bella Italia

Appalachian Spring

Freundeskreis

Sinfonieorchester

St.Gallen

Offizieller Fitnesspartner

Auflage 5000 Stück / 30. Jahrgang ISSN 2673-5989 (Print) ISSN 2673-5997 (online)

Bitte richten Sie Ihre Adressänderungen an info@theatersg.ch oder 071 242 05 05

Tickets theatersg.ch / sinfonieorchestersg.ch kasse@theatersg.ch / 071 242 06 06

Billettkasse Montag–Freitag 10–19 Uhr Samstag 10–14 Uhr

Abendkasse jeweils eine Stunde vor der Veranstaltung

Vorverkauf am VBSG-Schalter im Rathaus St. Gallen, Montag–Freitag 8–18.30 Uhr

Hotline Ticketportal 0900 325 325 (CHF 1.19/Min. ab Festnetz)

Ihr Billett ist auch Ihr Busticket Konzert- und Theatertickets gelten als öV-Fahrausweis in der Ostwind-Zone 210.

Meisterklasse

Wir sind dabei, wenn die Kultur unser Leben bereichert. Auch bei Konzert und Theater St. Gallen.

Geniessen Sie mit uns unvergessliche Momente.

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© UBS 2020. Alle Rechte vorbehalten.
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SPIELPLAN

Februar März

Fr 03 URAUFFÜHRUNG Jupiter und Venus Tanzstück von Kinsun Chan

19.30 Uhr, UM!BAU

So 05 Matinee: Ein Volksfeind Einführung in das Schauspiel von Henrik Ibsen 11 Uhr, LOK, Eintritt frei

ZUM LETZTEN MAL

Die Zauberflöte Oper von Wolfgang Amadeus Mozart 19 – 21.45 Uhr, UM!BAU

Mo 06 Die Entfremdeten Schauspiel von Alexander Stutz 20 – 21.30 Uhr, LOK

Do 09 Lady Bess

Musical von Michael Kunze und Sylvester Levay 19.30 – 22.15 Uhr, UM!BAU

KONZERT Mahler IX

Andante Burleske Adagio | Tonhallekonzert

19.30 Uhr, Tonhalle

PREMIERE Ein Volksfeind Schauspiel von Henrik Ibsen 20 Uhr, LOK

Fr 10 Lady Bess

Musical von Michael Kunze und Sylvester Levay

19.30 – 22.15 Uhr, UM!BAU

Die Entfremdeten

Schauspiel von Alexander Stutz 20 – 21.30 Uhr, LOK

Sa 11 Lady Bess

Musical von Michael Kunze und Sylvester Levay 19 – 21.45 Uhr, UM!BAU

So 12 Die Entfremdeten

Schauspiel von Alexander Stutz 17 – 18.30 Uhr, LOK

Lady Bess

Musical von Michael Kunze und Sylvester Levay 17 – 19.45 Uhr, UM!BAU

KONZERT Bella Italia

Sonntags um 5 17 Uhr, Tonhalle

Di 14 Ein Volksfeind

Schauspiel von Henrik Ibsen 20 Uhr, LOK

Mi 15 Jupiter und Venus

Tanzstück von Kinsun Chan

19.30 Uhr, UM!BAU

Die Entfremdeten

Schauspiel von Alexander Stutz

20 – 21.30 Uhr, LOK

Fr 17 Jupiter und Venus

Tanzstück von Kinsun Chan

19.30 Uhr, UM!BAU

ZUM LETZTEN MAL

Die Entfremdeten

Schauspiel von Alexander Stutz

20 – 21.30 Uhr, LOK

Sa 18 Lady Bess

Musical von Michael Kunze und Sylvester Levay

19 – 21.45 Uhr, UM!BAU

Ein Volksfeind

Schauspiel von Henrik Ibsen

20 Uhr, LOK

So 19 Lady Bess

Musical von Michael Kunze und Sylvester Levay

19 – 21.45 Uhr, UM!BAU

Mo 20 Lady Bess

Musical von Michael Kunze und Sylvester Levay

19.30 – 22.15 Uhr, UM!BAU

Mi 22 Jupiter und Venus

Tanzstück von Kinsun Chan

19.30 Uhr, UM!BAU, U30-Special

Ein Volksfeind

Schauspiel von Henrik Ibsen

20 Uhr, LOK

Fr 24 KONZERT

Appalachian Spring

Mittagskonzert

12.15 Uhr, Tonhalle

Lady Bess

Musical von Michael Kunze und Sylvester Levay

19.30 – 22.15 Uhr, UM!BAU

Ein Volksfeind

Schauspiel von Henrik Ibsen

20 Uhr, LOK

Sa 25 Lady Bess

Musical von Michael Kunze und Sylvester Levay

19 – 21.45 Uhr, UM!BAU

So 26 Lady Bess

Musical von Michael Kunze und Sylvester Levay

17 – 19.45 Uhr, UM!BAU

KONZERT Boléro

Les Amériques | Tonhallekonzert

17 Uhr, Tonhalle

Mi 01 Öffentliche Probe:

The Time of Our Singing

Oper von Kris Defoort und Peter van Kraaij

18.45 Uhr, UM!BAU, Eintritt frei

Ein Volksfeind

Schauspiel von Henrik Ibsen

19 Uhr, LOK, geschlossene Vorstellung

Do 02 Ein Volksfeind

Schauspiel von Henrik Ibsen

20 Uhr, LOK

Sa 04 LooT #2: Wolfram Lotz

Lesung und Gesprächsreihe in Zusammenarbeit mit dem Literaturhaus St.Gallen

20 Uhr, LOK

So 05 Ein Volksfeind

Schauspiel von Henrik Ibsen

20 Uhr, LOK

Mi 08 Ein Volksfeind

Schauspiel von Henrik Ibsen

19 Uhr, LOK, geschlossene Vorstellung

Do 09 Ein Volksfeind

Schauspiel von Henrik Ibsen

20 Uhr, LOK

Sa 11 PREMIERE

The Time of Our Singing

Oper von Kris Defoort und Peter van Kraaij

19 Uhr, UM!BAU

So 12 Ein Volksfeind

Schauspiel von Henrik Ibsen

17 Uhr, LOK

KONZERT Debussy Brahms

Sonntags um 5

17 Uhr, Tonhalle

Jupiter und Venus

Tanzstück von Kinsun Chan

19 Uhr, UM!BAU

12 VERANSTALTUNGSKALENDER

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