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Nostalgiegefühle auf der großen Leinwand

von Alexander Eing

Wenig anderes verkörpert für mich den Begriff „oldschool“ so sehr wie ein Kinobesuch. Das klingt vielleicht befremdlich, schließlich werden auch heute noch in Kinos technische Maßstäbe gesetzt. Erfolgreiche Kinos glänzen mit modernen Einrichtungen und Fassaden. Im Zeitalter der Streaming-Dienste wird der Gang ins Kino für mich zu einer immer größeren Besonderheit… mich dann nochmal für die Getränke und Snacks in eine Schlange einreihen und erst dann kann ich mich auf meinem Platz zurücklehnen, und das Filmerlebnis genießen.

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So niedergeschrieben klingt das nach viel zu viel Arbeit, nur um einen Film zu sehen, der kurz danach ohnehin ohne Mehrkosten für mich verfügbar ist. Dennoch, oder vielleicht auch gerade deswegen, sind Kinobesuche wertvoll für mich.

Ein kurzer Vergleich zeigt, was ich meine: Wenn mich die Lust auf das Erleben eines neuen Films überkommt, habe ich zwei Möglichkeiten. Der einfachste Weg ist es, den Laptop aufzuklappen, Disney+, Netflix oder Amazon Prime in die Suchleiste zu hauen und den erstbesten Film, den der Algorithmus passend für mich vorschlägt, abzuspielen.

Die zweite Möglichkeit ist mit mehr Strapazen verbunden. Als ersten

Schritt muss ich vorsichtig einen Film auswählen, den ich gerne auf der großen Leinwand erleben möchte, denn Kino ist teuer und deshalb muss die Entscheidung wohl getroffen sein. Dann suche ich nach Freund*innen, die ich dafür begeistern kann, mich zu begleiten. Ich muss eine passende Vorstellung raussuchen und für besonders beliebte Termine Tickets vorbestellen. Am Tag der Vorstellung selbst muss ich zum Kino hingehen, mich in die Kassenschlange einreihen,

Durch die Planung des Kinobesuchs beschäftige ich mich schon im Vorfeld mit dem Film. Vielleicht lese ich vorher Kritiken oder schaue Trailer, ich frage bei Freund*innen nach, die den Film schon gesehen haben und suche nach Begleitungen, die ihn noch nicht gesehen haben. Ich forme also schon vor dem Film schauen Erwartungen, mache mir Gedanken, was im Film passieren könnte und male mir aus, wie der Besuch wohl für mich wird.

Im Kino angekommen genieße ich die verschiedensten Sinneseindrücke. Ich sehe Werbematerialien und Plakate zum Film meiner Wahl und zu anderen Filmen. Ich höre Menschen, die sich über Filme oder einfach über ihren Tag unterhalten. Ich schmecke schon einen ersten Schluck vom Getränk und rieche überall Popcorn und ich fühle das Polster der bequemen Sessel. All diese Eindrücke fehlen, wenn ich den Film einfach zu Hause streame.

Auch während der Kinovorstellung werde ich vielmehr vom Film eingenommen. Störfaktoren sind ausgeschlossen: Das Handy ist ausgeschaltet, um keine anderen Besucher*innen zu stören und ich muss nicht damit rechnen, dass der Film von PopUps von meinem E-Mail-Programm unterbrochen wird. Die Bild- und Tonqualität sind meinem Heimequipment ohnehin meilenweit voraus.

Nach dem Film bleib ich im Kino noch eine Weile sitzen. Ich habe Zeit zum Verarbeiten und werde nicht dazu gedrängt, direkt den nächsten abzuspie- len. Ich kann mich mit anderen Zuschauer*innen austauschen und genieße die Ruhe für einen Moment.

Nicht umsonst sind meine lebhaftesten Film-Erinnerungen immer im Kino entstanden. Einige davon möchte ich gerne mit euch teilen. Meine ältesten Erinnerungen dazu sind mit Kino-Besuchen mit meiner Familie verknüpft, so z.B. „Findet Nemo“, „Die Unglaublichen“ und „Cars“. Besonders als Kind waren Kinobesuche für mich ein Erlebnis, von dem ich noch Tage danach erzählt habe. In meiner Jugendzeit bin ich besonders gerne für Superheldenfilme ins Kino gegangen. Einmal bin ich mit meinem Bruder und anderen Freunden nach Köln gefahren, um mir eine Privatvorstellung von „The Avengers“ anzusehen, zu der YouTube-Influencer eingeladen hatten. Mit dem Erwachsenwerden ist das Kino außerdem ein Ort für Dates geworden. Seit dem Studium genieße ich vor allem das Unikino als sehr günstiges und lockeres Kinoerlebnis, das sich dazu eignet, neue Freundschaften

Diese Formen des langsamen und bewussten Konsums sind es, die das Kino für mich „oldschool“ erscheinen lassen. Mein Lieblingskino ist ein altes Bahnhofskino. Es gibt nur einen Kinosaal in dem pro Tag nur ein Film abgespielt wird. Und das sind nicht nur die aktuellen Blockbuster, sondern gekonnt ausgewählte Perlen der Filmgeschichte. Der Treppenaufgang ist von einem Wandgemälde zu Fritz Langs „Metropolis“ verziert und das gesamte Kino ist mit historischer Ausstattung geschmückt. Jeder Besuch in diesem Kino fühlt sich einmalig an und weckt Erinnerungen an frühere Filme. Das ist mit abendlichem „Binge Watching“ (Dauergucken) von Filmen und Serien von der Couch oder vom Bett aus kaum zu vergleichen.

Ich kann nur empfehlen, sich den oldschool-Kinobesuch hin und wieder zu gönnen, um traumhafte Erinnerungen zu schaffen!

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