Wolfgang ingenhaeff · Johann Bair Wolfgang Ingenhaeff • Johann Bair (Herausgeber) (Herausgeber)
Bergbau
und sein Erbe 14. internationaler Montanhistorischer Kongress Schwaz – Sterzing – Hall in Tirol 2015
Bergbau Tagungsband
und sein Erbe 14. Internationaler Montanhistorischer Kongress Schwaz | Hall in Tirol | Sterzing 2015
Alle Rechte vorbehalten Copyright © 2016 Berenkamp Buch- und Kunstverlag www.berenkamp-verlag.at ISBN 978-3-85093-360-5 Bildnachweis:
S. 28: Historisches Museum, Deventer; S. 298, 304: Bindertanzgesellschaft Hall in Tirol; S. 268: Hutale, fotolia.com (Nice view of Fulpmes, Austria) Alle anderen Abbildungen wurden von den Autorinnen und Autoren zur Verfügung gestellt.
Den Montanhistorischen Kongress unterstützten in dankenswerter Weise
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar
die bisherigen montanhistorischen kongresse
2002
Schwaz: Schwazer Silber – vergeudeter Reichtum? Verschwenderische Habsburger in Abhängigkeit vom oberdeutschen Kapital an der Zeitenwende vom Mittelalter zur Neuzeit
2003
Schwaz: Wasser – Fluch und Segen
2004
Schwaz: Bergvolk und Medizin
2005
Schwaz: Bergbau und Holz
2006
Schwaz: Bergbau und Recht
2007
Schwaz: Bergbau und Religion
2008
Hall in Tirol: Bergbau und Alltag
2009
Schwaz & Sterzing: Bergbau und Berggeschrey
2010
Sterzing & Schwaz & Hall in Tirol: Bergbau und Kunst I:
Bildende Künste (Architektur, Grafik, Malerei, Glasmalerei etc.)
2011
Hall in Tirol & Sterzing & Schwaz: Bergbau und Kunst II: Darstellende Künste (Musik, Theater, Film, Literatur, Brauchtum etc.)
2012
Schwaz & Hall in Tirol & Sterzing: Bergbau und Kunst III: Technische Künste (Wasserkunst, Wetterkunst, Markscheidekunst, Förderkunst, Fahrkunst, Schmelzkunst etc.)
2013
Sterzing & Schwaz & Hall in Tirol: Bergbau und Krieg
2014
Hall in Tirol & Sterzing & Schwaz: Bergbau und Persönlichkeiten
2015
Schwaz & Sterzing & Hall in Tirol: Bergbau und sein Erbe
Die Organisatoren danken den drei Alt-Tiroler Bergbaustädten Hall in Tirol, Bürgermeisterin Dr. Eva Maria Posch Schwaz, Bürgermeister Dr. Hans Lintner Sterzing, Bürgermeister Dr. Fritz Karl Messner dass sie die jährliche Durchführung des Montanhistorischen Kongresses unterstützen und dadurch überhaupt erst möglich machen.
inhaltsverzeichnis 7
Grußworte des Bürgermeisters von Schwaz
11
Vorwort der Herausgeber
15
Hans Lintner
Bergbau – Erbe und Auftrag (Festvortrag) 29
Johann Bair/Peter Gstrein
Die Beschreibung der Schwazer Wasserkunst durch Stephanus Vinandus Pighius Campensis in seinem Werk Hercules Prodicius
Überlegungen zur Beschreibung der Schwazer Wasserkunst aus der Sicht des Montangeologen
39
Barbara Balážová Mundus subterraneus, terrestris et aeternis. Eine Meditation über die mittelslowakischen/niederungarischen Bergbaustädte
61
Peter Gstrein Der Eisenerzbergbau im Schwaderkar bei Schwaz in Tirol und die Erztransporte ins Tal
86
Peter Gstrein
Von Rinnwerken und Wasserkünsten in Tirol
113
Christina Hoffmann
Wappen, Wege, Werkzeuge – Spuren des Bergbaus „entam Tauern“
144
Pascal Hollaus
Die Franziskanerkirche und das Franziskanerkloster zu Schwaz als Erbe aus der Zeit des Bergbaus
160
Harald Kofler
Orts-, Flur-, Häuser- und Höfenamen im südlichen Wipptal. Abstrakte Überreste einer alten Bergbautradition
169
Miroslaw Lacko/Marian Jancura
Kulturelles Erbe des protoindustriellen Berg- und Hüttenwesens am Beispiel der Montanregion Unterzips
199
Fritz Karl Messner
Das Sterzinger Rathaus als Erbe des Bergbaus
205
Werner Nuding
Die Walzenprägung in Hall in Tirol
209
Martina Pfandl
Bad Häring. Der Bergbau und sein Erbe
224
Manfred Putz
Das Schwazer Schaubergwerk als Erbe des Bergbaus
240
Hermann Schölzhorn
Das Südtiroler Bergbaumuseum als Erbe des Bergbaus
268
Franz Schwienbacher
Der Eisenbergbau oberhalb von Fulpmes und die Kleineisenindustrie in dieser Gemeinde
298
Reinhold Steiner
Die Bindertanzgesellschaft Hall in Tirol. Vereinsmeierische Erscheinung oder wertvolles Unikat?
307
Walter Ungerank
Der Granatbergbau in den Zillertaler Alpen
316
Hermann Wirth
Denkmale des Montanwesens (Schlussvortrag)
326
Autorinnen & Autoren
Grussworte des Bürgermeisters
S
chwaz ist aller Bergwerke Mutter“– so liest es sich im Schwazer Bergbuch 1556. Der Mon„ tanhistorische Kongress knüpft an die alte Bergbautradition unserer Silberstadt an. Die wissenschaftliche Befassung mit dem Thema Bergbau von Seiten vieler Gelehrter auf diesem Gebiet trägt zweifelsohne zu einer Vertiefung der historischen Erkenntnisse über die Gewerken und unsere Städte bei. Darüber hinaus ist es möglich, eine Reihe von Querverbindungen herzustellen, welche die wirtschaftliche, gesellschaftliche und kulturelle Bedeutung des Bergbaues nicht nur bestätigen, sondern vor allem ausführlich beleuchten. Mein Dank gilt den Professoren Dr. Wolfgang Ingenhaeff und Dr. Johann Bair für die jahrelange wissenschaftliche und organisatorische Betreuung der Veranstaltung. Die Herausgaben der Publikationen stellen bedeutend mehr dar als eine weitere Tirolensie, denn sie vermitteln Fachkenntnisse von europäischer Bedeutung. Ein weiterer Dank gilt allen Referenten und Autoren für ihre wissenschaftlichen Beiträge. Den Besuchern und Teilnehmern wünsche ich angenehme Tage und heiße sie in unserer Silberstadt Schwaz herzlich willkommen. Dr. Hans Lintner Bürgermeister der Silberstadt Schwaz
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Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt in Schwaz. Dachstuhlkonstruktion
vorwort der herausgeber
D
er seit 2002 jährlich stattfindende Internationale Montanhistorische Kongress wurde im Jahr 2015 bereits zum 14. Mal veranstaltet. Die Tagung stellt seit Anbeginn Geschichte und Wirken des Tiroler Berg- und Hüttenwesens in den Mittelpunkt der internationalen Diskussion. Darüber hinaus sollen Vergleiche zu anderen österreichischen und europäischen Bergwerken angestellt und die Ergebnisse in einem Tagungsband dem wissenschaftlichen Fachpublikum und einer möglichst breiten Öffentlichkeit vorgestellt werden. Die bisherigen 14 Tagungen, an denen Referenten aus Deutschland, Großbritannien, Italien, Österreich, aus der Slowakei, aus Ungarn und Tschechien sowie aus den Vereinigten Staaten teilnahmen, beschäftigten sich unter anderem mit technischen, rechtlichen, wirtschaftlichen, sozialen und volkskundlichen Fragen. Im Jahr 2015 stand das Thema „Bergbau und sein Erbe“ im Mittelpunkt der Diskussion. Dieses Thema ist viel weiter, als man im ersten Moment glauben möchte. Es umfasst alle montanhistorischen Spuren der Vergangenheit in der Gegenwart; und wenn wir den Begriff Spuren in diesem Sinn verwenden, so sind damit nicht nur materielle Spuren gemeint, sondern auch und gerade die geistigen und kulturellen Spuren der Montangeschichte in unserer heutigen Wirklichkeit. Facetten all dieser Spuren fanden sich in den Referaten, die im Rahmen des Kongresses gehalten wurden. Der Dank der Organisatoren gebührt allen Referentinnen und Referenten und in besonderer Weise Hans Lintner, dem Bürgermeister von Schwaz, der den Kongress nicht nur seit 14 Jahren wohlwollend begleitet, sondern sich im Jahr 2015 sogar selbst in die Reihe der Autoren einbrachte; dafür gebührt ihm
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unser aufrichtiger Dank. Seinem Beispiel folgten Friedrich Karl Messner, der Bürgermeister von Sterzing, und Werner Nuding, der Vizebürgermeister von Hall in Tirol. Dass mit dem Schwazer Gemeinderat und Kulturreferenten Martin Schwarz und dem Sterzinger Gemeinderat Dietrich Thaler zwei weitere künstlerisch und wissenschaftlich ausgewiesene Referenten Vorträge hielten, sei nicht nur der Vollständigkeit halber angemerkt. Bürgermeister Lintner regte im Jahr 2008 an, die Tagung als gemeinsame Veranstaltung der drei Alttiroler Bergbaustädte Schwaz, Hall und Sterzing durchzuführen. Fritz Messner, Bürgermeister von Sterzing, griff diese Idee beim 8. Montanhistorischen Kongress auf, sodass 2009 erstmals eine Veranstaltungseinheit auch in Sterzing abgewickelt werden konnte. Nunmehrige Konzeption des Kongresses ist, dass jeweils eine Stadt als Hauptveranstalter fungiert, während die beiden anderen Städte Mitveranstalter sind und in einer Tagungseinheit besucht werden. Die Organisation des Kongresses liegt seit Anfang in den Händen von Johann Bair und Wolfgang Ingenhaeff-Berenkamp, was – seit der Pensionierung des Letztgenannten – bedeutet, das sie in Zusammenarbeit zwischen dem Institut für Römisches Recht und Rechtsgeschichte der Universität Innsbruck und dem Berenkamp Verlag erfolgt. Dem Organisationsteam gehört seit dem Vorjahr auch der bekannte Altlandesgeologe Peter Gstrein an – und dafür sind wir ihm besonders dankbar. Vom 30. September bis 3. Oktober 2015 war Schwaz Hauptveranstalter für den 14. Internationalen Montanhistorischen Kongress, der das Thema „Bergbau und sein Erbe“ behandelte. Tagungseinheiten fanden in Hall,
Schwaz, Sterzing und Ridnaun statt. Am Mittwoch, 30. September 2015, begrüßte Schwaz die Kongressteilnehmer im Rathaus, wo die Tagung auch offiziell eröffnet wurde. Durch den Abend führte Manfred Putz vom Schaubergwerk Schwaz, die musikalische Umrahmung besorgte eine Abordnung der Knappenmusik Schwaz. Johann Bair stellte die Tagung und deren Referenten vor. Den Eröffnungs- und Festvortrag hielt Bürgermeister Hans Lintner; er sprach zum Thema „Die Stadt Schwaz als Erbe des Bergbaus“. Der Kongress fand am folgenden Tag seine Fortsetzung im Franziskanerkloster von Hall. Die Moderation besorgte Miroslav Lacko aus Bratislava/Slowakei. Vortragende waren Hansjörg Bader aus Hall/Österreich („Spuren der einstigen Wege des in Hall in Tirol gewonnen Salzes zu den Verbrauchern“), Reinhold Steiner aus Wattens/Österreich („Die im Haller Salzbergbau gründende Zunft der Fassbinder und die daraus hervorgegangenen Bindertänzer – ihre Entwicklung bis zum heutigen Tag“), Peter Gstrein („Von Rinnwerken und Wasserkünsten in Tirol) sowie – nach einem Spaziergang zum Museum Münze in der Burg Hasegg – Werner Nuding aus Hall/Österreich („Die voll funktionsfähige Rekonstruktion der Walzenprägemaschine“). Im Anschluss lud Anita Töchterle-Graber zu einem montangeschichtlichen Gang durch die Stadt Hall, ehe in der Ratsstube des Haller Rathauses die Bindertanzgesellschaft die Begrüßung durch die Stadt Hall umrahmte.. Die Vorträge am Nachmittag fanden, moderiert von Martin Jemelka aus Ostrava/Tschechien, im Franziskanerkloster in Schwaz statt. Als Vortragende wirkten Br. Pascal Hollaus OFM aus Hall/Österreich („Die Schwazer Fran-
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ziskanerkirche“), Franz Schwienbacher aus Fulpmes/Österreich („Der Eisenbergbau oberhalb von Fulpmes und die Kleineisenindustrie in dieser Gemeinde“) und Martina Pfandl („Bad Häring und sein Bergbauerbe“). Der Schwazer Kulturreferent Martin Schwarz führte die Teilnehmer beim anschließenden montangeschichtlichen Gang durch die Silberstadt; der Tagesabschluss erfolgte mit einer Befahrung des Schaubergwerks, geleitet von Manfred Putz und Ludwig Ledermaier. Am Freitag, 2. Oktober 2015, eröffnete Bürgermeister Fritz Karl Messner von Sterzing den Vortragsreigen in der historischen Ratsstube des Sterzinger Rathauses („Das Sterzinger Rathaus als Erbe des Bergbaus“). Ihm folgten Harald Kofler aus Gossensaß/Italien („Orts-, Flur-, Häuser- und Höfenamen im südlichen Wipptal. Abstrakte Überreste einer alten Bergbautradition“), Karl Riml aus Reith bei Seefeld/Österreich („Kerogenschieferbergbau in den Seefelder Bergen und die Maximilianshütte bei Reith bei Seefeld“), Barbara Balazova aus Bratislava/Slowakien („Mundus subterraneus, terrestris et aeternis. Meditations on Central Slovakian Mining Towns“) und GR Dietrich Thaler aus Sterzing/Italien („Sterzing und das Erbe des Bergbaus“), der anschließend auch den montangeschichtlichern Gang durch die Stadt leitete. Die Moderation besorgte Andreas Rainer aus Ridnaun/Italien. Am Nachmittag setzte sich die Reihe der Vorträge in der BergbauWelt Ridnaun fort; als Moderator fungierte deren Leiter Hermann Schölzhorn. Es referierten Christina Hoffmann aus Tamsweg/Österreich („Relikte der einstigen Bergbautätigkeit im Lungau“), Herbert Kassl aus Bleiberg/Österreich („Bergbaunachnutzung am Beispiel Blei-
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berg“), Martin Jemelka („Gemeinsames Erbe: Bergarbeiterkolonien an Rhein und Ruhr, im oberschlesischen und im Ostrauer Industriegebiet in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts im internationalen Vergleich“), und Hermann Schölzhorn führte durch die Bergbauwelt Ridnaun-Schneeberg. Am Schlusstag versammelte sich der Kongress in der Hans-Sachs-Volksschule in Schwaz. Unter der Moderation von Hermann Wirth aus Weimar/Deutschland sprachen Miroslav Lacko („Kulturelles Erbe des protoindustriellen Berg-und Hüttenwesens am Beispiel der Montanregion Unterzips: Historische Zusammenhänge“), Peter Gstrein („Der Eisenbergbau in der Schwader und die Transportwege ins Tal“) und Walter Ungerank aus Uderns/Österreich („Der Granatbergbau in den Zillertaler Alpen“). Den Schlussvortrag hielt Hermann Wirth („Denkmale des Montanwesens“); er moderierte in bewährter Weise auch die Schlussdiskussion. Bis Redaktionsschluss (25. August 2016!) nicht eingetroffen sind die Beiträge von Martin Jemelka, Hansjörg Bader, Karl Riml, Dietrich Thaler und Herbert Kassl. Herzlich gedankt sei den Sponsoren des Kongresses, ohne deren wohlwollende Unterstützung die Abhaltung der Tagung nicht möglich gewesen wäre (s. S. 4). Kurze Vorschau: Der 15. Internationale Montanhistorische Kongress wird ab dem 28. September 2016 stattfinden – mit Sterzing als Hauptveranstaltungsort; sein Generalthema lautet „Bergbau und Umwelt“. Johann Bair & Wolfgang Ingenhaeff Innsbruck, im Sommer 2016
Burg Freundsberg
Bergbau – erbe und auftrag Hans Lintner Festvortrag anlässlich der Eröffnung des 14. Internationalen Montanhistorischen Kongresses
DIE ENTWICKLUNG DES BERGBAUS IN SCHWAZ Wenn wir die Geschichte des Bergbaus in Schwaz betrachten, können wir eine inhaltliche Einteilung in vier Phasen vornehmen. 1. Vorchristlicher Bergbau Der vorgeschichtliche Bergbau in Tirol hat schon 3.000 Jahre vor Christus begonnen, und Kupfervorkommen wurden obertägig abgebaut. Auch in Schwaz sind die alten Mundlöcher am Eiblschrofen Zeugen dieser vorgeschichtlichen Bergbauentwicklung. 2. Hochblüte des Silberbergbaus um 1500 Am Ende des 14. und Beginn des 15. Jahrhunderts beginnt in Schwaz und rund um Schwaz der Bergbau zu blühen. Der Sage nach wird oberhalb von Schwaz an der Grenze zur heutigen Gemeinde Gallzein durch einen Stier das Erdreich aufgewühlt – und das Gestein, das zu Tage trat, wäre der erste Silberfund gewesen. Es wird mit der Magd Maria Kandlerin auch die Person benannt, die dieses Ereignis erlebt und beschrieben haben soll. Tatsächlich ist im 15. Jahrhundert der Bergbau nach Kupfer und Silber in und um Schwaz sehr intensiv angewachsen, aus aller Herren Länder kamen Bergleute nach Schwaz – und so entwickelte sich Schwaz zum Zentrum der Montanindustrie in Europa. Diese große Blüte des Bergsegens und der Montanwirtschaft dauert ca. 100 Jahre. Ab der Mitte des 16. Jahrhunderts wird durch immer kostspieligere Maßnahmen und Verfahren sowie durch den Preisverfall von Silber und Kupfer – auch durch Billigimporte aus Amerika – ein Rückgang des Bergbaus spürbar. Trotzdem bleibt der Bergbau in Schwaz noch für mehrere Jahrhunderte ein bestimmender Faktor. 3. Bergbau nach Dolomit-Gestein Erst ab Mitte des 19. Jahrhunderts wurde der Bergbaubetrieb nach einer Stilllegung wieder aufgenommen – und nun nicht mehr nach Edelmetall, sondern nach Dolomit vorgetrieben. Dieser Betrieb, den schließlich die Montanwerke Brixlegg
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Felssturz am Eiblschrofen
übernahmen, wurde mit dem Felssturz am Eiblschrofen ab dem 10. Juli 1999 geschlossen und der Bergbaubetrieb in einem MinROG-Verfahren ruhend gestellt. 4. Schaubergwerk Ein Bergbaubetrieb ist derzeit in Schwaz noch im Gange – und zwar das Schaubergwerk, das im Jahr 1989/90 eröffnet wurde und ca. 100.000 Besucher pro Jahr verzeichnen kann. Damit ist die Tradition des Schwazer Bergbaus fortgesetzt. Derzeit laufen Verhandlungen mit den Montanwerken Brixlegg, um das gesamte Stollengebäude an die Besucherführungs GmbH zu übertragen.
DAS ERBE DES BERGBAUS 1. Stollensystem Ca. 500 km Stollensystem durchziehen das gesamte Schwazer Revier. Viele dieser Stollen sind zum Teil verbrochen, aber in vielfältiger Weise tritt dem Wanderer immer wieder der Bergbau entgegen. Sichtbar ist für alle, die in Schwaz leben und nach Schwaz kommen, die massive Felswand des Eiblschrofen. Das Bergmassiv ist durchzogen von alten Stollen, und mit freiem Auge sichtbar sind die Löcher des prähistorischen Bergbaubetriebs. Die Halden und das gesamte Vorfeld der Stollenbaue sind in besonderer Weise ein sichtbares Zeichen der alten Bergbaugeschichte. 1.1. Der Knappensteig Vom sog. Wolfgang, dem ehem. Bergbaurevier um das Stollensystem St. Wolfgang, reichen die Wanderwege bis nach Gallzein. Sowohl das Bergbaugebiet der alten Zeche und am Ringenwechsel weisen viele Orte aus, die das Bergbaugesche-
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Die Bergwerkskapelle (links) am Bergwerksareal (rechts) in Schwaz
hen durch Halden und Stolleneingänge heute noch beschreiben. 1.2. Silberwald Nach dem Felssturz am Eiblschrofen im Juli und August 1999 konnte mit den Bundesforsten vereinbart werden, dass im gesamten Gelände rund um die beiden neu errichteten Dämme zum Schutz vor Naturgefahren und Felsstürzen ein besonderer Garten errichtet wurde. Ein Steinkreis als Kraftfeld und die Gestaltung eines mystischen Raums mit vielen Elementen, die jeweils Geschichten erzählen, sowie eine großartige Betreuung durch Armin Wechselberger haben schließlich das Projekt des Silberwalds entstehen lassen. Bis heute ist der Silberwald im Areal des sogenannten Pflanzgartens der Bundesforste ein touristischer Magnet, aber ganz besonders ein Naherholungsraum für Schwaz. 1.3. Kapellenweg Die Kapellen rund um das alte Bergbaugebiet weisen alle auf die Patrone des Bergbaus hin – und so gibt es für alle diese Kapellen Schutzheilige, die die Bergleute in besonderer Weise vor Gefahren bewahren sollten. 2. Bauwerke 2.1. Pfarrkirche Maria Himmelfahrt Dieser großartige „Dom der Knappen“ wurde einmal erweitert und schließlich im Jahr 1502 in seiner heutigen Gestalt fertig gestellt. Das vierschiffige sakrale Bauwerk ist die größte gotische Hallenkirche Tirols. Errichtet wurde dieses großartige Gotteshaus mit dem Schwazer Silber, und die bedeutenden Bergbaufamilien rund um Fugger, Baumgartner, Stöckl haben die wesentlichen Gelder für dieses Bauwerk aufgebracht.
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Haag-Kapelle, 1940
Die Bergbautraditionen sind in der Kirche in vielfältiger Form abgebildet. Insbesondere der Fuggerepitaph im Presbyterium, der Anna-Altar mit den Heiligen des Bergbaus, die Reste der alten Glasfenster mit Daniel und Barbara sowie Figuren von der hl. Barbara unter dem Chor sowie Grabplatten, in den Boden eingelassen. Das alles zeugt von der alten, großen Bergbautradition. 2.2. Franziskanerkloster Die Kirche und das Kloster der Franziskaner wurden 1507 durch Kaiser Maximilian ermöglicht – gegen den entschiedenen Widerstand des Pfarrers von Vomp, dem Schwaz unterstellt war, und des Abtes von St. Georgenberg. Ziel der Gründung war die Betreuung der Bergleute durch die Brüder des Bettelordens vom hl. Franziskus. Kloster, Kreuzgang und Kirche weisen viele Zeichen und Werke auf, die in die Bergbautradition gehören. 2.3. Fuggerhaus Das Fuggerhaus ist heute im Besitz der Tertiarschwestern und dient als Frauenkloster. Bedeutende Kunstwerke sind in diesem Haus zum Teil sichtbar, zum Teil verborgen und stellen einen ganz besonderen Schatz der Schwazer Bergbautradition dar. 2.4. Rathaus Das derzeitige Rathaus von Schwaz wurde als Gewerkenpalais im Jahr 1502 von der Gewerkenfamilie Stöckl errichtet. Die Wappentafel im dritten Geschoß an der
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Das Fugerhaus in Schwaz (oben) Der idyllische Innenhof des Schwazer Rathauses (unten)
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Die Pfarrkirche in Schwaz samt Glockenturm (oben) Mariazell-Kapelle (unten links) und Michael-Veits-Kapelle (unten rechts)
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Schlaghaufenkapelle (oben) Simon-Juda-Kapelle (unten)
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Wasserkapelle (links), Rote-Sand-Kapelle (rechts)
Decke weist auf die Bergbaugewerken hin und bildet die Wappen der bedeutendsten Bergbauunternehmer ab. 2.5. Die Doppelkapelle zu den hll. Michael und Veit Auch dieses Kleinod direkt neben der Pfarrkirche Maria Himmelfahrt zeigt die Bedeutung des Bergbaus und die Geschichte der Bergbautradition. Ein großartiges Kunstwerk stellt der alte gotische Altar in der Veitskapelle dar. 3. Das Schwazer Bergbuch von 1556 Dieses großartige Werk ist ein Dokument hohen sozialen Niveaus. Es gilt als wesentliche Zusammenfassung aller Rechte, Traditionen und Verhältnisse am Bergbau im 16. Jahrhundert. In vielfältiger Form wurde über das Bergbuch von 1556 publiziert. Die bedeutendste Publikation dazu stammt von der Hütte Dortmund aus dem Jahre 1956 anlässlich des 400-Jahr-Jubiläums dieses großartigen Werk, das Ludwig Lässl zugeschrieben wird. 4. Bergbau-Sagen Viele Sagen ranken sich um den Schwazer Bergbau. Mehrere Publikationen haben sich mit diesen Sagen auseinandergesetzt und die Sagen entsprechend aufgelistet. Eine der bekannteren Sagen aus der alten Bergbauzeit ist die Sage vom Teufel und vom Wind.
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Der Teufel und der Wind gehen durch die Franz-Josef-Straße, und der Teufel bittet den Wind, kurz auf ihn zu warten, er möchte in die Schenke vor der Pfarrkirche beim Grafeneck einkehren, um die Seelen der Bergleute zu gewinnen und zum Bösen zu verführen. Weil ihm das nicht gelingt, fährt er mit Wut und Getöse durch das Ofenrohr in die Hölle hinab. Der Wind aber wartet auf den Teufel und geht deshalb ständig beim Grafenbogen bis heute auf und ab. Mit dieser Sage wird das physikalische Phänomen des Windwirbels beim Grafenbogen erklärt. Eine zweite Sage wurde schon oben kurz angesprochen. Das ist die Auffindungssage des Silbererzes mit einem Stier aus dem Jahr 1409. Viele weitere Sagen befassen sich mit Verfehlungen der Bergleute und der moralischen Keule, die die Bestrafung für diese Verfehlungen beschreibt. 5. Sprache Der Dialekt in und um Schwaz ist geprägt von den Einflüssen in der Blütezeit des Bergbaus aus unterschiedlichen Sprachen, die von den Bergleuten aus aller Herren Länder erzeugt worden sind. Dazu gehören nicht nur bergbaufachliche Begriffe, die sich in den Flurnamen erhalten haben, wie Kraken = Ortsteil am Lahnbach, wo in der Bergbauzeit Pochwerke standen (das Krachen der Zerkleinerungen des Gesteins wird in lautmalerischer Weise im Begriff • „Kraken“ ausgedrückt) oder Abzweigungen der Wege in die Bergbaureviere abgingen (vielarmige Verästelungen = Krake), • Rennhammergasse = Rennhämmer standen ebenfalls am Lahnbach, sie wur den vom Wasser des Lahnbachs angetrieben und waren Maschinen zur Zer kleinerung des Gesteins,
Das Schwazer Bergbuch
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Das Wappen der Gewerken an der Decke des Stiegenhauses im Rathaus
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• Arzberg = erzhältiger Ort • Pocherweg = Zerkleinerungsmaschine unmittelbar an Stollenausgängen, z. B. beim Siegmund-Erbstollen und beim Wilhelm-Erbstollen, sondern auch Di alektwörter für Begriffe des täglichen Lebens, mit denen die Bergleute zu tun hatten. Über dieses Thema gibt es ausführliche Publikationen, aber es wäre zweifelsohne auch ein wichtiges Untersuchungsfeld, das in einem eigenen Kongress behandelt werden könnte. 6. Traditionen Aus der alten Bergwerkszeit stammen verschiedene Traditionen, die sich bis heute im Schwazer Brauchtum erhalten haben. So gibt es bei den Schwazer Chören und bei den Schwazer Volkstanzgruppen Bergmannstänze und Liedtexte, die Geschichte und Wesen des Bergbaus und der Bergleute beschreiben, zum Teil verherrlichen und auch die Sorgen und Nöte benennen. Sowohl der Trachtenverein „Die Alpler“ als auch der Trachtenverein „Almrausch Sölleite“ pflegen die bergmännischen Tänze und führen sie bei ihren Auftritten immer wieder auf. Auch das Liedgut des Bergbaus wird in besonderer Weise von dem Volksliederchor und von der Liedertafel Fruntsperg gepflegt. Eine wichtige Tradition ist auch die Teilnahme der Bergleute bei den Prozessionen. Lange Zeit gab es eine eigene Knappenprozession in den Ortsteil Pirchanger, die schließlich mit der Herz-Jesu-Prozession zusammengelegt wurde. Darüber hinaus werden die verschiedenen Kapellen von den Vereinen betreut und auch dort die Traditionen rund um die hl. Barbara, den hl. Daniel oder die hl. Mutter Anna sowie die Marienfeiertage begangen. Auch die Bergmannstracht findet sich in den beiden Musikkapellen wieder, die beide, sowohl die Knappenmusikkapelle als auch die Stadtmusik, sich im äußeren Erscheinungsbild der Bergbautradition verpflichtet fühlen. Eine besondere Tradition ist die Feier rund um die hl. Barbara am 4. Dezember und die Ausgabe der Barbara-Zweige, die zu Hause in der warmen Stube eingefrischt, schließlich am Hl. Abend aufblühen sollen und somit Glück und Segen für die Familie und damit auch für den Bergbau, die Arbeit und das Leben bringen sollen. 7. Kultur des Bergbaus Die Bergbaukultur zeigt sich in besonderem Maße in der Tracht der beiden Musikkapellen, die beide Bergbauuniformen tragen. Darüber hinaus gibt es mehrere Vereine, die die Bergbaukultur weitertragen und dem Bergbau verbunden sind.
AUFTRAG 1. Was ist nun der Auftrag, den wir heute vom Bergbau in Schwaz ableiten? Zum einen ist sicher die Pflege der Tradition, die Erinnerung an die verschiedenen Ereignisse und die harte Arbeit des Bergbaus ein wichtiger Auftrag für die Zukunft.
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Die zwei Schwazer Farben, das Blau von Azurit und das Grün von Malachit, die ja mit Silber- und Kupfervorkommen einhergehen, fanden sich in den Halden über Jahrhunderte und waren eine wichtige Bezugsquelle für Künstler, die mit diesen Steinfarben ihre Kunstwerke schufen. In den Halden im Bereich des Schwazer Stollensystems finden sich die Farben auf den Gesteinen bis heute. Die großen Bauwerke, sowohl die sakralen wie die profanen, aus der Bergbaublütezeit des 15., 16. und 17. Jahrhunderts sind ein Erbe, das auch den Auftrag zum Erhalt und zur Information für die künftigen Generationen bedeutet. 2. Wozu kann uns das Erbe des Bergbaus verpflichten? Zum einen besteht natürlich der Auftrag, die Gefahrenquellen, die aus dem alten Bergbau durch das Verbrechen von Stollensystemen entstehen können, zu bewältigen und Sorge zu tragen für ein sicheres Leben. Durch den Felssturz im Jahr 1999 und dem schon vorher erfolgten Einbruch einer Binge im Bereich des Alten Stollensystems wurde deutlich, dass auch in Zukunft Sorgfalt und Kontrolle des gesamten Systems wichtige Aufgaben der Gemeinde bleiben. Die untertägige und obertägige Bergbeobachtung mittels technischer Einrichtungen wird seit dem Jahr 1999 gemessen und mit der Landesgeologie und der Bergbehörde von der Gemeinde kontrolliert. Der Bergbau hat also auch heute noch entscheidende Aufgaben. Die wesentliche Herausforderung aber ist, das Schaubergwerk zu erhalten und den Betrieb des Schaubergwerks auch von Seiten der Gemeinde zu fördern. Gerade das Schaubergwerk ist ein wichtiger Ort der Erinnerung und zugleich ein Ort der Auseinandersetzung mit der Geschichte und der Tradition des Bergbaus in Schwaz. 3. Ist aus der Geschichte des Schwazer Bergbaus eine pädagogische Aufgabe abzulesen? Diese pädagogische Aufgabe ist abzulesen aus der Geschichte des Schwazer Bergbaus, und sie wird wahrgenommen – sowohl in den Schulen, besonders aber auch durch das Schaubergwerk und die Vereine in Schwaz, die sich in besonderer Weise mit der Tradition, der Geschichte und der Entwicklung des Bergbaus befassen. Insbesondere der Bergbauarchäologische Verein hat hier seine ganz große Aufgabe erkannt. Darüber hinaus gibt es in den Galerien und Museen ein reiches Feld, das sich mit der Geschichte des Bergbaus und der Geschichte der Bergbauzeit befasst und auseinandersetzt.
SCHLUSS
Für mich ist also deshalb die Fragestellung „Bergbau – Erbe und Auftrag“ in einem sehr positiven Sinn zu beantworten. Die Stadt Schwaz bekennt sich zum Erbe des Bergbaus, sie vertritt eine reichhaltige Geschichte und versteht ihre Zukunft auch aus dieser Geschichte heraus. Das reichhaltige Erbe des Bergbaus ist somit ein Auftrag für die Gestaltung der Zukunft im Bewusstsein der Wurzeln, aus denen das gesamte Leben und der Entwicklungsprozess von Schwaz zu verstehen ist.
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Galerie im Schwazer Rathaus
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Im Jahr 2015 fand in den drei Alttiroler Bergbaustädten Schwaz, Hall in Tirol und Sterzing der 14. Internationale Montanhistorische Kongress unter dem Generalthema „Bergbau und sein Erbe“ statt. Bergbau – Erbe und Auftrag Die Beschreibung der Schwazer Wasserkunst durch Stephanus Vinandus Pighius Campensis in seinem Werk Hercules Prodicius Mundus subterraneus, terrestris et aeternis. Eine Meditation über die mittelslowakischen/niederungarischen Bergbaustädte Der Eisenerzbergbau im Schwaderkar bei Schwaz in Tirol und die Erztransporte ins Tal Von Rinnwerken und Wasserkünsten in Tirol Wappen, Wege, Werkzeuge – Spuren des Bergbaus „entam Tauern“ Die Franziskanerkirche und das Franziskanerkloster zu Schwaz als Erbe aus der Zeit des Bergbaus Orts-, Flur-, Häuser- und Höfenamen im südlichen Wipptal. Abstrakte Überreste einer alten Bergbautradition Kulturelles Erbe des protoindustriellen Berg- und Hüttenwesens am Beispiel der Montanregion Unterzips Das Sterzinger Rathaus als Erbe des Bergbaus Die Walzenprägung in Hall in Tirol Bad Häring. Der Bergbau und sein Erbe Das Schwazer Schaubergwerk als Erbe des Bergbaus Das Südtiroler Bergbaumuseum als Erbe des Bergbaus Der Eisenbergbau oberhalb von Fulpmes und die Kleineisenindustrie in dieser Gemeinde Die Bindertanzgesellschaft Hall in Tirol. Vereinsmeierische Erscheinung oder wertvolles Unikat? Der Granatbergbau in den Zillertaler Alpen Denkmale des Montanwesens
ISBN 978-3-85093-360-5
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