Wieczorek, Haku und die Meerjungfrauen_Leseprobe

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Gabi Wieczorek

Haku und die meerjungfrauen Ein Bildermärchen

Illustriert von Gabi Wieczorek



Vor langer Zeit gab es ein kleines Dorf. Das lag direkt am groĂ&#x;en Meer.

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Vor langer Zeit gab es ein kleines Dorf. Das lag direkt am groĂ&#x;en Meer.

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In diesem Dorf lebte ein Schmied. Er war im Dorf sehr angesehen, denn er fertigte den Bauern die Pf lugeisen und den Fischern die Anker. Und weil die vielen Fische und Kartoffeln, der Weizen und die Äpfel auf dem Markt in der großen Stadt verkauft werden sollten, kamen die Dorfbewohner auch in die Schmiede, um ihre Pferde und Wagenräder beschlagen zu lassen.

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Der Schmied hatte eine Frau – und zu ihrem Glück wünschten sich die beiden ein Kind. Als der Junge an einem Wintertag, an dem große, weiche Schneef locken so herrlich vor dem Fenster tanzten, geboren wurde, nannte die Frau ihren Sohn Haku. Das bedeutet „der Weiße“.

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Haku wuchs heran. Kaum konnte der Junge laufen, folgte er dem Vater in die Schmiede und tat ihm gleich. Da fertigte ihm der Vater ein kleines Hämmerchen und ein kleines Meißelchen, und die Mutter nähte ihm Handschuhe aus doppelt gelegtem Leder. Haku lernte schnell, das Eisen auf die richtige Hitze zu bringen. Geschickt bog er das Metall und hämmerte es in Form. „Recht so!“, lobten die Dorfbewohner den kleinen Haku.

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Doch der Vater verbot ihm den schweren Hammer und den großen Amboss. „Dafür bist du noch zu klein, Haku!“

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Haku begann leichtes Eisen kunstvoll zu drehen und Muster in das heiße Metall zu meißeln. Schließlich fertigte er der Mutter aus feinen Gliedern eine lange Kette mit einem großen Anhänger daran. 13


Da steckten die Dorfbewohner die Köpfe zusammen. „Der Junge fertigt doch nur unnützen Tand!“, tuschelten sie.

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Immer lauter wurde das Gerede. Bald zeigten die Dorfbewohner mit dem Finger auf Haku. „Der Junge ist eine Schande für den Schmied!“, spotteten sie.

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Das hĂśrte Haku. Traurig steckte er all die geschmiedeten Sachen, auf die er so stolz war, in einen groĂ&#x;en Leinensack und lief die Klippen hinauf. Er griff in den Sack und warf, was er in den Händen hielt, hinunter in die tiefe See. Begleitet nur von den Sonnenstrahlen, versank die Kette im Meer.

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Haku, der Sohn des Dorfschmieds, trifft eines Tages am Meeresufer auf die Töchter der Meerkönigs. Weil er leichtgläubig ist, folgt er den zwar anmutigen, aber bis in die äußerste Schuppe von Selbstliebe und Eigennutz erfüllten Meerjungfrauen ins Reich des Meerkönigs. Der bietet ihm listig einen Goldschatz, wenn er ihm zuvor einen Dienst erweist. Haku willigt ein. Er ahnt nicht das üble Spiel des Meerkönigs. Weil Haku sich im richtigen Moment entschließt, sein Lebensglück nicht am Beifall und Applaus Dritter auszurichten, nimmt die Geschichte ein gutes Ende. Beides, Lob und Kritik, so weiß es Haku am Ende, muss man richtig einordnen – denn Aufrichtigkeit und guten Willen anderer darf man nicht voraussetzen. Dies unterhaltsam in Anschauung zu bringen, ist die Absicht dieses Bildermärchenbuchs. Warum langatmig erklären, was man spannend illustrieren kann? Gabi Wieczoreks Bilderbuch ist daher beides: Unterhaltung mit tieferem Sinn und Hommage an die mitunter stürmische Ostsee. Gabi Wieczorek, 1971 geboren, lebt und arbeitet zur Zeit in Stuttgart, ist verheiratet und hat einen Sohn im schulpflichtigen Alter.

ISBN: 978-3-85093-365-0

www.berenkamp-verlag.at w w w.kraftplatzl.com


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