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Sammlergeschick und glückliche Umstände

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Flüchtiger Moment

Flüchtiger Moment

Kein anderer deutscher Künstler der Renaissance ist weltweit so bekannt wie ALBRECHT DÜRER.

Berliner Museen haben daran entscheidenden Anteil

Das Berliner Kupferstichkabinett besitzt eine der weltweit bedeutendsten Sammlungen von Handzeichnungen und Druckgrafiken Albrecht Dürers. Die Ausstellung »Dürer für Berlin« stellt erstmals deren wechselvolle Entstehungsgeschichte mit zahlreichen wertvollen Arbeiten und historischen Dokumenten zur Berliner Dürer-Rezeption vor.

Albrecht Dürer, geboren am 12. Mai 1471, steht biografisch an der Zeitgrenze vom sogenannten Spätmittelalter zur frühen Neuzeit. Beide Epochen prägte er maßgeblich mit: die Spätgotik als innovativer Vollender, die Renaissance im Norden als neugieriger und kreativer Gestalter sowie als Leitbild für nachfolgende Generationen. Im Laufe seines Lebens – er starb 1528 – schuf Dürer zahlreiche Hauptwerke der deutschen Malerei wie das Münchener Selbstbildnis von 1500. Vor allem aber unter seinen grafischen Arbeiten – Druckgrafiken und Handzeichnungen – finden sich zahlreiche ikonische Blätter: frühe Landschaftsdarstellungen wie die berühmte Drahtziehmühle, das Bildnis seiner todgeweihten Mutter Barbara von 1514 (beide im Berliner Kupferstichkabinett) und mit der »Ehrenpforte« für Kaiser Maximilian I. der größte Holzschnitt der Geschichte. Einzelblätter und Bilderfolgen wie die »Apokalypse« von 1498, »Adam und Eva« von 1504 sowie die sogenannten Meisterstiche »Ritter, Tod und Teufel«, »Hieronymus im Gehäus« und vor allem »Melencolia I« – für manche Autoren das »Bild der Bilder« – prägen bis heute unsere visuelle Vorstellungswelt.

Neben dem künstlerischen Werk interessierte und begeisterte auch die Person Albrecht Dürer viele Kunstinteressierte über Generationen und Jahrhunderte hinweg. Seine Selbstäußerungen in Briefen, Notizen, Familienaufzeichnungen und Entwürfen zu theoretischen Arbeiten, sein sorgsam geführtes Tage- beziehungsweise Rechnungsbuch über seine niederländische Reise 1520/21 sowie zahlreiche Selbstbildnisse in Gemälden und Zeichnungen brachten Dürer seinem Publikum nahe wie keinen zweiten Künstler seiner Zeit.

Dürer, der als bedeutendster Künstler im deutschen Sprachraum gilt, ließ sich bereits aus preußischer Sicht für wichtige integrative Aspekte der Gesellschaft heranziehen. Als Sohn eines aus Ungarn eingewanderten Goldschmieds entzog er sich einer plumpen chauvinistischen Vereinnahmung durch einzelne Gruppen. Sein Andenken gehörte allen. Daher war es nicht verwunderlich, dass Dürers Werk auch in Berlin besonders geschätzt und gesammelt wurde. Bedeutende Künstler wie Adolph Menzel und Karl Friedrich Schinkel studierten seine Grafiken, und für das 1831 gegründete Kupferstichkabinett der Königlichen Museen war Dürer ein zentrales Sammlungsziel mit nationaler Dimension. Die auf kurfürstlichen, später königlichen Beständen gründende Sammlung wurde kontinuierlich weiter ausgebaut. Dies geschah allerdings nicht ohne Komplikationen. Ausgerechnet anlässlich eines bedeutenden historischen Doppelereignisses, der Gründung des deutschen Kaiserreiches im Jahr 1871 und des 400. Geburtstags Dürers, kam es zu einem folgenreichen Skandal: Fast alle dem Meister zugeschriebenen Zeichnungen, die in einem dem Kaiser gewidmeten Prachtband publiziert worden waren, wurden umgehend – und zu Recht –von einem Wiener Kunstwissenschaftler aus Dürers Œuvre aussortiert. Der nachfolgende »Dürer-Streit« erstreckte sich über das ganze Jahr 1871. Gemeinsam mit dem Dresdener »Holbein-Streit« desselben Jahres markiert dieser Konflikt die Entstehung einer kritischen Kunstgeschichte in Deutschland. Für die Dürer-Sammlung des Kupferstichkabinetts war das Ergebnis jedoch fatal, denn die bis dahin stolze

Sammlung wurde mit einem Schlag ihrer vermeintlichen Spitzenwerke der deutschen Kunst entledigt. Der Konflikt endete schließlich in der schmerzlichen Einsicht, dass die Berliner Dürer-Sammlung zu diesem Zeitpunkt dem internationalen Vergleich keineswegs gewachsen und daher dringend Abhilfe geboten war.

In einem historisch nahezu beispiellosen Aufholvorgang gelang es recht bald, die markanten Lücken zu schließen. Der neu berufene Direktor Friedrich Lippmann (1838–1903) konnte durch Ankaufsgeschick und glückliche Umstände binnen weniger Jahrzehnte auf dem Kunstmarkt eine neue, nun tatsächlich herausragende Dürer-Sammlung aufbauen. Unterstützt wurde er vom Kulturrat und nachmaligen Generaldirektor Richard Schöne (1840–1922), von dem jungen Wilhelm Bode (1845–1929) sowie vom Kronprinzen- und späteren Kaiserpaar Friedrich III. (1831–88) und Victoria (1866–1929).

Darüber hinaus trug Lippmann die Kenntnis der Werke Albrecht Dürers mit hervorragend illustrierten Publikationen in die Welt und verankerte damit den Künstler über die Kultur und Forschung in der Hauptstadt. Auch Lippmanns Nachfolger führten dessen Sammlungspolitik in den 1920er- und 1930er-Jahren kontinuierlich fort. Nach 1947 ergab sich jedoch mit der Teilung Berlins und der Aufspaltung der Sammlung in die Kupferstichkabinette Ost und West eine neue Situation. Beide Häuser verfügten nun lediglich über einen Teil der einstigen Bestände. Da Dürer jedoch nach wie vor als Nationalkünstler der Deutschen fest im kunsthistorischen Kanon verankert war, bemühten sich beide Häuser erfolgreich darum, zentrale Bestandslücken zu schließen. Diese während der Teilung erworbenen Werke sind in der wiedervereinigten Dürer-Sammlung im Kupferstichkabinett des Kulturforums neue Glanzpunkte.

Dürer für Berlin. Eine Spurensuche im Kupferstichkabinett

12. Mai bis 27. August 2023

Kulturforum smb.museum

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