Unsichtbarestadt no 1

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unsichtbarestadt Ausgabe No. 1 / 2014

#pitkassel aspekte



unsichtbarestadt. „Oft freilich wohnt die Armut in den versteckten Gäßchen dicht neben Palästen der Reichen; aber im allgemeinen hat man ihr apartes Gebiet angewiesen, wo sie, aus den Augen der glücklicheren Klassen verbannt, sich mit sich selbst durchschlagen mag, so gut es geht.“ (Friedrich Engels) Was bereits 1845 in Engels bekannten Werk „Die Lage der arbeitenden Klasse in England“ beschreibt ist heute aktueller denn je. Damit ist nicht die ökonomische und soziale Untersuchung der „arbeitenden Klasse“ gemeint, sondern das, was Engels wie selbstverständlich formuliert: „aus den Augen [...] verbannt.“ Schon vor 170 Jahren deutet er an, was für uns Kernfrage im Wintersemester 2013/2014 war. Gibt es eine unsichtbare Stadt? Warum ist diese unsichtbar? Welche Rolle nehmen PlanerInnen im Bezug auf die „Unsichtbare Stadt“ ein? Welche Aspekte des unsichtbaren gibt es in Kassel? All jene Fragen wurden nicht beantwortet. Aber es ist uns an manchen Stellen gelungen, Antwortmöglichkeiten zu formulieren und Gedankenexperimente zu wagen. Einen detaillierten Eindruck, wie

diese Thematik gewählt wurde, findet sich im Artikel „Themenwahl“ gefolgt (fast wie eine Antwort) von der „Annäherung an das Thema“. Wir beschreiben, auf welche Art und Weise wir uns dem Komplex der unsichtbaren Stadt genähert haben. So kann man außerdem erfahren, welche Rolle die Sinne bei der Wahrnehmung einer Stadt einnehmen. Durch Erkenntnis, dass nicht nur biologische Aspekte das Bewusstsein beeinflussen, haben wir Beiträge zu kulturellen und persönliche Einflüssen zur Wahrnehmung hinzugefügt. Dank dem Kontakt zum Gast. Prof. Frank Roost können wir auch seine, im Rahmen des PIT-Projekts, gehaltenen Vorträgen zur „Unsichtbaren Ordnung japanischer Städte“ und „Disneyfizierung“ dokumentieren. Der gesammelte Input führte zu vielen Vorschlägen für mögliche Exkursionen, welche für das PIT organisiert werden können. Einige davon wurden konkretisiert und sind in der Mitte dieses Buchs zu finden. Gegen Ende wird die Rundgangsausstellung mit all seinen verschiedenen Stationen dokumentiert und erläutert. Ziel war es ein Gestaltungskonzept zu kreieren, welches

weniger mit anderen als den üblichen Mitteln arbeitet (weniger Text, mehr Interaktives, Aktivierung der BesucherInnen, Schaffung einer lockeren Atmosphäre). Die einzelnen Ausstellungselemente sind detaillierte beschrieben. Wie auch der Rundgang möchte diese Reader mit der üblichen Art des Fachbereichs brechen. Die als Artikel angelegten Beiträge sind in ihrer Gesamtheit als ein Magazin zu verstehen. Sie sind gekennzeichnet durch einen weniger formalisierten Schreibstil, unterschiedliche Layouts und eine Fülle an verschiedenen Themen. Gleichwohl ist es eine Dokumentation der Arbeit der zehn Beteiligten Personen, die mit viel persönlichem Engagement das PlanerInnentreffen vorbereitet haben. Wie bereits angedeutet befasst sich dieses Buch mit der inhaltlichen Seite des PlanerInnentreffens 2014 in Kassel. In einem weiteren wird alles über die organisatorischen Hintergründe informiert. Viel Spaß beim Lesen. - Das PIT Kassel Projekt -


Alle Darstellung sind, falls sie nicht gesondert gekennzeichnet sind, eigene Darstellungen


hintergrund themenwahl 6 die unsichtbare stadt 8 herangehensweise 10 sammeln // clustern 12

blickwinkel

unsichtbare stadt

unsichtbare bausteine 48 (d)ornröschenschlaf 50 denk|mal 52 digitale urbanität 54 arme stadt 60 unsichtbare gesellschaft 62 ästhetik des hässlichen 64 siedlungen 72 totale stadt 79 henschelei und krieg 83

blickwinkel 14 betrachten 16 riechen & schmecken 20 hören 24 sehen 26 verzerren 32 reizüberfluten 34 kulturell wahrnehmen 36 identifizieren 44 disneyfizierung 46

rundgang

rückblick 88 animativ 90 dèrive 94 auditiv 106 motiv 118 visuell 120 resümee 148


hintergrund

Themenwahl. Unsichtbare Stadt – Ein Thema aus dem Bauch.

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Während des PlanerInnentreffens in Kaiserslautern nahmen einige Studierende der Uni Kassel an der Exkursion „Armut und Stadt“ teil. Diese hatte zum Ziel verschiedene Personengruppen kennenzulernen, die mit ökonomischen oder persönlichen Problemen konfrontiert sind. So gab es ein Treffen mit einer konfessionellen Suppenküche, welche Essen an Bedürftige ausgibt. Bei der Caritas trafen man sich mit einem Herren, der von der Verschuldung vieler Menschen sprach. Er stellte dar, wie schnell Menschen verschiedenster Milieus in eine finanziell prekäre Situation geraten können (auch ohne eine Verantwortung dafür zu tragen). In einer kommunalen Suppenküche erzählte uns eine Angestellte von ihren 12 Jahren Berufserfahrung. Wir besuchten ein Umsonstkaufhaus und schauten uns

(zumindest von außen) ‚Schlichtwohnungen‘ an. Diese Form von Unterbringung von Menschen, deren Wohnungen geräumt wurde zeichnen sich dadurch aus, dass sie keine verschlossenen Türen, keine Heizung und einen schlechten Zustand haben. Zuletzt kamen wir zu einem freien Träger, welcher Obdachlose aufnahm. Eine spezielle Eigenschaft war, dass auch Jugendliche aufgenommen wurden, deren Unterkunft sonst ungewiss wäre. All diese Eindrücke zusammen mit den Gesprächen innerhalb der Exkursionsgruppe machten klar was wir sind: StadtplanungsstudentInnen mit wenig Wissen und einem ausgeprägten Tunnelblick. Niemanden war zuvor aufgefallen, an welche Orten sich Menschen mit sozialen Problemen wenden können. Niemand wusste, wo diese Orte innerhalb

der Stadt liegen. Diese Exkursion hat uns gezeigt, welche idealisierte Vorstellung von Stadt auch in den Köpfen der zukünftigen PlanerInnen verankert ist. Vielleicht aber auch, wie wenig jener Bereich in unserem bisherigen Studium besetzt wurde. Vielleicht liegt es auch daran, dass nach 3,5 Jahren noch immer keine neue Professur für die Stadtsoziologie berufen wurde. Wir für unseren Teil waren uns sicher, dass wir für unsere zukünftige Arbeit weitere andere Blickwinkel einnehmen wollen. Es entstand der starke Drang neue Sichtweisen einzunehmen und bisher Verborgenes zu entdecken. So entstand, schon auf der Zugfahrt von Kaiserslautern im Mai 2013 die Idee einer Offenlegung der für uns nicht sichtbaren Aspekte der Stadt. Es entstand das Thema: „unsichtbare Stadt“ 7


hintergrund

Die Unsichtbare Stadt Eine Annäherung zum Thema

Der Begriff unsichtbar führt uns Dinge vor Auge, die sich visuell nicht erfassen lassen - Luft oder Gefühle, wie Hass und Liebe. All dies sind Dinge, die wir wahrnehmen, ohne sie sehen zu können. Wahrnehmung bezieht sich laut Duden auf die sinnliche Wahrnehmung - Hören, Sehen, Schmecken, Fühlen und Riechen. Über die sinnliche Wahrnehmung lässt sich die Unsichtbare Stadt primär erfahrbar machen. Wird der visuelle Sinn verschlossen, lässt sich das Unsichtbare mit den anderen Sinnen wahrnehmen. Zuerst wird die Geräuschkulisse, die auditive Wahrnehmung erfasst, die sich nicht unterbinden lässt. Gerüche können dabei, ebenso wie Lärm ein Image von Raum geben. Die Augen zu schließen hilft uns demnach, Verarbeitungskapazitäten des Gehirns freizuhalten und dadurch die Konzentration der anderen Sinne zu stärken. Stadt schmecken lässt sich schwer vorstellen. Fühlen tun wir sie durch ihre Materialität oder durch ihre Atmosphäre. Doch wie wirken sich diese Arten des Erfassens auf die visuelle Wahrnehmung aus? Führt das Erfassen der Unsichtbaren Stadt dazu, dass wir einen Raum anders sehen werden? Der visuellen Wahrnehmung selbst sind gewisse Grenzen gesetzt. So ist eine Gewehrkugel aufgrund ihrer Schnelligkeit unsichtbar und ein Bakterium aufgrund seiner Größe. In der Stadt stoßen wir ebenfalls auf eine Vielzahl von Grenzen. Mauern blockieren die Sicht auf das Dahinterliegende, Häuser versperren den Blick auf die Hinterhöfe und Zäune hindern uns daran, hinter die nächste Ecke zu blicken. „Es ist in jedem Augenblick mehr vorhanden, als das Auge zu sehen und das Ohr zu hören vermag – immer gibt es einen Hintergrund oder eine Aussicht, die darauf warten, erforscht zu werden“ (Lynch 1989: 10). Und sollten PlanerInnen nicht eben diese Forscher sein? Z.B. sind Hinterhöfe, Treff- und Kommunikationspunkte innerhalb der Nachbarschaft nicht auf Karten zu finden. Erst durch einen Blick vor Ort und dem Gespräch mit AnwohnerInnen ist es möglich, diese Orte zu erkennen. Wahrnehmung beschreibt demnach nicht nur eine Sinneswahrnehmung, sondern auch den Sinn von Orten und Räumen zu verstehen – sprich die Sinnwahrnehmung zu erfahren. Denn der Blick auf die Stadt ist sowohl positiv wie auch negativ vorbelastet, er ist geprägt von Erinnerungen und Eindrücken, durch unsere Weltanschau8

ung und Kultur. Wir setzen hieraus wie ein Mosaik, ein Gesamtbild unserer eigenen Stadt zusammen, welches unsere individuelle Wahrnehmung der Umwelt prägt. „Das ‚Wesen Stadt‘ wird und ist von den Menschen geprägt, entsprechend gilt es das Verhältnis, das sie zu ihrer Stadt haben zu erkennen. Dieses ist von Gefühlen, Geschichten und Stadt-Bildern im ursprünglichen und übertragenen Sinn bestimmt“ (Ehmayer 2011: 7), stellt die Stadtpsychologin Cornelia Ehmayer fest. „Jeder Stadtbewohner fühlt sich mit irgendeinem Teil seiner Stadt eng verbunden und sein Bild malt sich in den Farben von Erinnerungen und Bedeutungen“ (Lynch 1989: 10), betont auch Kevin Lynch. Es wird deutlich, dass schon allein der Blick auf den Raum individuell ist. So werden einige Aspekte fokussiert und andere wiederum rücken nicht ins eigene Sichtfeld, sondern drohen ignoriert zu werden. Die Kultur der einzelnen BewohnerInnen prägt auch deren Lebensweise. Als PlanerInnen haben wir den Anspruch eine Stadt für alle zu bauen. Das erfordert ein Hineindenken in andere Lebensweisen, eine Beschäftigung mit anderen und insbesondere mit allen Milieus. Der Blick sollte dabei insbesondere auf diejenigen gelenkt werden, denen generell ein geringer Wert zugewiesen wird und die dadurch unsichtbar scheinen. Wer kennt es nicht? Was uns lieb und teuer ist, stellen wir in den Vordergrund. Eine Pusteblume am Wegesrand ist für uns ohne Wert, ihr schenken wir keine Aufmerksamkeit – sie ist unsichtbar für uns. Arme, Obdachlose, Suchtkranke oder Migranten seien in Bezug auf Stadt genannt. Milieus, die wir nur zu gerne unsichtbar machen wollen. Denn befassen wir uns mit anderen Lebensweisen, führt dies zu geistigen Konflikten und Anstrengung. Die Erkenntnis, das andere Verhalten auch als rational und sogar als gleichwertig anzuerkennen, ist keine Selbstverständlichkeit. Am einfachsten ist es wegzuschauen, sich damit nicht zu beschäftigen. Benjamin Davy (2008,55) hat dagegen völlig richtig erkannt, dass wir PlanerInnen uns aber eben diesem Konflikt stellen müssen. Wir dürfen nicht wegschauen, sondern müssen uns alle Bevölkerungsschichten ins Bewusstsein rufen.

Die Unsichtbare Stadt als Instrument

Die Unsichtbare Stadt kann als ein Instrument für die Stadtentwicklung gesehen werden. Sie ist eine Analyse-


methode, die uns hilft, Stadt immer besser zu verstehen. Die unsichtbare Stadt ist eine Erinnerungshilfe, die uns Bevölkerungsschichten, Orte und Räume ins Bewusstsein ruft, um sie damit in der Planung nicht zu ignorieren. Die Unsichtbare Stadt hilft uns außerdem dabei, die Stadt neu zu entdecken und kennenzulernen, hinter Mauern und Grenzen zu blicken, ungewöhnliche Orte zu entdecken, sodass ungeahnte Potenziale sichtbar werden. Um gute Entscheidungen treffen zu können, brauchen wir Alternativen, aus denen wir Lösungen auswählen können. Alternativen finden wir, indem wir unseren eigenen Blickwinkel der Stadt verlassen, andere einnehmen und damit unseren eigenen Blick erweitern.

Das PlanerInnenTreffen – PIT

Während des studentischen Kongresses „PlanerInnentreffen“ (PIT) kommen einmal im Semester Studierende der Stadt- und Raumplanungsfakultäten des deutschsprachigen Raumes zusammen. Die Universität in Kassel ist im Mai 2014 der nächste Austragungsort. Während dieser Zeit nutzen wir, die Studierenden, die Chance, die zukünftigen Planungsgenerationen für das Thema „Unsichtbare Stadt“ zu sensibilisieren. Eine Vielzahl an Workshops führen in das Thema ein. Wir beschäftigen uns mit unterschiedlichen Betroffenen, entdecken neue Orte und schärfen den Blick. Dadurch soll das teils subjektiv geprägte Stadtbild des Planungsstudenten aufgebrochen und eine Planung für die derzeitig pluralisierte Gesellschaft möglich gemacht werden.

Dieser Text erscheint gleichtzeitig in der PLANERIN 2/2014. Eisenhardt, Thilo (2008): Mensch und Umwelt. Peter Lang GmbH Internationaler Verlag der Wissenschaften. Frankfurt am Main. Davy, Benjamin (2008): Die Neunte Stadt, In: Reicher Christa, et. al (Hg.): StadtPerspektiven. Positionen und Projekte zur Zukunft von Stadt und Raum. Karl Krämer Verlag. Stuttgart + Zürich, S. 54-62. Ehmayer, Cornelia (2011): Die „Aktivierende Stadtdiagnose“ als eine besondere Form der Organisationsdiagnose. Grin Verlag. Wien.

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Herangehensweise Vom Brainstorming, über Chaos zur Annäherung

Das Format eines selbst organisierten Projekts gab uns als Studierende gewisse Freiheiten. So konnten wir uns selbst eigene Ziele und Aufgaben setzen. Die Herangehensweise bleibt dabei flexibel und wird im Prozess laufend angepasst. Es wurden keine Restriktionen gesetzt, denn den Gedanken war vollkommene Freiheit gewährt. Zwei selbst gewählte Betreuer waren als Unterstützer, Betreuer und Berater während des Projektes tätig. Die Herangehensweise startete zunächst induktiv. Wir versuchten im Brainstorming die Gedanken frei zu fassen, diese danach zu kategorisieren, um sie dann mithilfe von theoretischen Hintergründen zu bearbeiten. Das Ziel war es, zu einem Gesamtbild der Unsichtbaren Stadt zu finden. Die Methode führte zu dem Ergebnis, dass zahlreiche Hauptaspekte oder Unterthemen der Unsichtbaren Stadt gefunden wurden. Jedoch stellte sich heraus, dass es zu komplex war, ein Gesamtbild der Unsichtbaren Stadt darzustellen. Unser Ziel war schließlich nicht, zu polarisieren oder pauschalisieren, sondern unterschiedlichen Nuancen zu zeigen, die insbesondere zur Themenentwicklung für geeignete In-

put-, Exkursions- und Formatmöglichkeiten dienen. Dabei soll für die Wertigkeit von unsichtbaren Aspekten der Stadt sensibilisiert werden (siehe Annäherung). Deshalb wird die weitere Vorgehensweise auf die das Ziel relevanten Aspekte fokussiert. Die grundsätzliche Erarbeitung der Thematik erfolgt gemeinsam. Der nächste Schritt zur Findung der Exkursionsthemen wurde durch zwei unterschiedliche Gruppen bearbeitet. Dabei entstanden zwei parallele Handlungsstränge, die das Thema der Unsichtbaren Stadt in zwei Teile gliederte. Der weitere Prozess blieb noch offen. Erst zum Ende wurden die unterschiedlichen Herangehensweisen, durch den gleichen Output wieder zusammengefasst. Stetig war der Prozess schwer zu koordinieren; denn generell sollte keine Idee oder Anmerkung als unbedeutend oder unpassend erachtet und in geeigneter Weise integriert werden. Die Unsichtbare Stadt kann damit als ein Thema gefasst werden, indem sich eine Vielzahl an Themen untergliedern lassen. Die darin untergegliederten Themen werden unter einem unsichtbaren Aspekt (siehe Bausteine) bearbeitet, d.h. neu betrachtet und festgesetzte Meinungen hinterfragt.

Demgegenüber hätte sich mit einer anfangs ausformulierten Definition, eine andere Arbeitsstruktur gebildet. Eine freie Themenfindung wäre damit nicht möglich gewesen, die einzelnen Themenfelder hätten sich klar unter das Thema der Unsichtbaren Stadt gliedern müssen. Unsere Herangehensweise (keine Definition und Themen frei gliedern) kann im Nachhinein mehr als Vor-und-Zurück bezeichnet werden, als ein diskursiver Prozess. Die Frage ob eine anfangs erarbeitete Definition, mehr Erfolg gebracht hätte, kann an diesem Punkt nicht geklärt werden.

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hintergrund

Sammeln//Clustern Mit einem Brainstorming und dem Clustern der Gedanken und Ideen startete die inhaltliche Auseinandersetzung mit der „Unsichtbaren Stadt“. Im Folgenden die Dokumentation dieses Workshops.

U

nhörbare Party -Kopfhörer | Irgendwas mit Schwarzlicht / Purpurfarbe | gemeinsames Dinner der Gesellschaftsschichten | Format: Filmarbeit fortsetzen | PIT - Büro in der Stadt einrichten: geeignete Räume / Orte? | Kampagne in Kassel? Zur Sichtbarmachung und Orte? | DIY - Lab | Streetworker, Ehrenamtliche, Zeitzeugen - Workshops + Exkursionen | Blickwinkel | Visionen | selektive Wahrnehmung | Was ist dazwischen ? Wie oder kann oder ist unsichtbar? | Was bringt es uns unsichtbare Orte sichtbar zu machen? | Welche Dinge sind unsichtbar miteinander verbunden? | Wie planungskonkret / technisch werden wir? | Zusammenhänge / Zwischen(räume) | Was soll eigentlich sichtbar gemacht werden? | Was wird absichtlich versteckt ? / Wird was absichtlich versteckt? | immer „anders als üblich?“ Motto Was ist anders als üblich?| Summer in the City ! - Wie beeinflussen Jahreszeiten / Wetter die Stadt? | Spielt es für das Leben in der Stadt eine Rolle ob diese national „sichtbar“ ist | Infrastruktur - Stromnetz / Wasserversorgung | Opium für das Volk ! Die Drogen der Stadt | temporäre Projekte - Welche bleibenden Folgen / ... haben diese | ängstlich - gemütlich | Unterwandern - Bunker, Abwasser, Unterführung | Welche Farbe hat Kassel / Stadtgebiete und ihre Farben | Unsichtbare Netzwerke- die Adern der Stadt (W-Lan, Wasser etc.) | LoL City - Wie lustig ist Kassel | Wahrnehmung eines Touristen | Was ist Image? vs. Was ist real? | Wahrnehmung einer Taube / Stadtbild aus Fahrzeugen, Fahrrad, Fußgänger / „Ich kenne doch nur den Bahnhof“ | hell/dunkel, laut/leise, langsam/schnell, ängstlich/gemütlich Erfahrung des Stadtraums: Situationisten, Boris Sieverts: „Wie man Städte bereisen sollte“ | kulinarische Statusgruppen-Hopping | Sound of the City - Kassel - Moll oder Dur | temporäre Projekte | Vielfalt der Hinterhöfe | Residentielle Segregation - by Großman | Lost places - schwarze Löcher in der Stadt | Zugang zur Hygiene | Auf den 2. Blick - by Cuadra | Relikte vergangener Zeiten (Documenta, Kaskaden Kino ...) | Was ist überflüssig | Wirkungszusammenhänge im Alltag verschiedener deutscher Kulturen | Leerstandmanagement - Schillerviertel/ Rothenditmold - temporäre Bespielung | Randgruppenorte | Was ist unsichtbar in einer Stadt, ... aber wichtig, ... Infrastruktur vor den Öffnungszeiten | Städte in Stolz und Vorurteil | Vergessene Potenziale (Kassler Hafen) und damit unsichtbar für die meisten - Nutzen für die (Stadt-)planung | Beeinflussung verschiedene Gesellschaftsschichten | Geschichte von Orten | Stadt und ... Wunsch, Erinnerung, Geheimnis | unbemerkte Daseinsversorgung | Wahrnehmung von Orten aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichten und damit zsammenhängende unterschiedliche Wahrnehmung von Raum | Wann riechen Abgase angenehm | Stadtatmosphäre | verschiedene persönliche Mindmaps unterschiedlicher Mileautypen | Die Sprache einer Stadt | Leben eines (lokalen?) Multimillionärs | Identifikation | Inwiefern prägt die Stadt den Alltag der Einwohner? | Stadt in der Stadt - wie und wo entsteht ein Mikrokosmos? | Stadt verkauft sich - konsumkritischer Betrachtung | Geheimnisse | transformation von unsichtbaren Orten -> Sichtbarmachen gibt es bereits Referenzen | Wo ist Kevin? (Rallye) | Vergleichsfoto - Tour (unsichtbarer Videowalk - APP und so ;) |Audioguide / Führung | Ich und die Stadt eine Selbstreflexion | (richtiges) Nachtseminar | erlebtes Seminar | Mental Maps (unterschiedliche Karten) | Workshop an Karten | Meine Stadt hat ... Orte Quartiere | Fragenkette um zu klassifizieren? | Bürgerbeteiligung und Input Formate by Petrin | Guide: Wie finde ich unsichtbare Orte | Mittel zur Sichtbarmachung von unsichtbaren Orten | Sport wo Platz ist | Stadtrallye erstellt Puzzleteile von etwas Großem und dann Megaactionparty ?! | Rollstuhl- Stadtführung | temporäre Bespielung von Leerständen - Laden simulieren | Orientierung an der Filmreihe „woanders“ Bespielung unterschiedlicher Orte | Konfrontation mit Unerwünschten als Workshopergebnis | Konrad -Rally | individuelle Stadtkarten zeichnen Text: Brainstorming

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Bild: Brainstorming 13


blickwinkel

blickwinkel eine einleitung Als Mensch nimmt man eine Stadt anders wahr – als StadtplanerIn erst recht. Es soll nicht bedeuten, dass StadtplanerInnen keine Menschen oder gar Übermenschen sind, doch haben sie durch die verschiedenen Stufen des Studiums eine andere, eine geprägte Sicht auf das, was sie unter Stadt verstehen. Doch auch als angehende StadtplanerInnen muss man seine Sinne immer wieder aufs Neue schärfen, mit dem Wandel der Zeit gehen, um anderen das Verständnis einer Stadt näherbringen zu können. Jede Stadt hat ihren eigenen Geschmack, ihre eigene Auswirkung auf die Sinne des Menschen. So riecht eine Hansestadt anders als eine Kleinstadt im ländlichen Raum, auch sieht sie anders aus, wird anders wahrgenommen, was auch stark mit ihrer Historie zusammenhängt. Eine Stadt ist immer im Wandel und somit im Aufbruch begriffen – sei es im positiven oder negativen Sinn, sie ruht niemals. Gerade aus diesen Beweggründen wird das Thema der Unsichtbaren Stadt für Kassel sehr interessant. Die Stadt liegt im Herzen der Bun-

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desrepublik Deutschland - war und ist bis heute ein wichtiger Dreh- und Angelpunkt für die noch junge Republik. Die Wahl des Mottos für das PlanerInnentreffen in Kassel im Sommer 2014 ist somit eine Chance, die unsichtbaren Aspekte des eigenen Studienstandortes herauszufinden und zugleich eine Herausforderung, die eigenen Sinne und Wahrnehmung in Bezug auf diese Aspekte weiterzuentwickeln bzw. zu schärfen. Es hat sich somit eine komplett neue Betrachtungsweise auf die Stadt ergeben – eine Mischung aus Psychogeografie und Soziologie einer Stadt, in diesem Fall die Stadt Kassel. Die Herausforderung liegt darin, sich diese Sinneswahrnehmungen selbst anzueignen bzw. hinsichtlich der neu erlangten Informationen, diese in Kurzvorträgen verständlich der Projektgruppe zu vermitteln. So geht es dort um die Art und Weise der Betrachtung einer Stadt – wie man seinen eige-

nen Blickwinkel ändern muss, um alle Schichten einer Stadt zu sehen und um sie schlussendlich auch zu verstehen. Mit Blick auf die auditive Wahrnehmung ist der Mensch meist gewillt einen Umweg in Kauf zu nehmen, um unangenehmen Geräuschen aus dem Weg zu gehen. So meidet man eine stark befahrene Straße und nutzt lieber eine eher ruhige Seitenstraße, um an sein Ziel zu gelangen. Auch der Geruch einer Stadt spielt eine wichtige Rolle in der eigenen Wahrnehmung. So würde kaum einer freiwillig in die Gegend eines Gewerbe- oder Mischgebiets mit starker Geruchsimmission ziehen. Aus diesem Grund sind auch in den 1970er Jahren größtenteils die im 19. Jahrhundert innerstädtisch entstandenen Schlachthöfe in die Randbezirke gezogen oder gar ganz geschlossen wurden. Waren es früher noch die Arbeiterviertel, änderte sich nach dem Zweiten Weltkrieg aufgrund der Wohnungsnot die Bewohnerschaft dieser Viertel. Statt der Arbeiter bewohnten jetzt Familien mit


Auf die Details achten - Blick auf den Druselturm

Kindern diese Stadtteile, welche sich durch die Geruchs- und Geräuschkulisse eines Schlachthofes sehr stark gestört gefühlt haben. Durch den Niedergang der Schlachthöfe entstanden Leerstände, welche umgenutzt werden mussten. So befinden sich heute in vielen alten Schlachthöfen Jugend- und Kulturzentren, welche die kulturelle Wahrnehmung des Stadtteils in ein anderes Licht rücken. Am Beispiel des Schlachthofs Kassel werden gleich zwei

Workshopthemen angeschnitten. In den Gebäuden steckt eine Ideologie, welche in Zeiten von Tierschutz und Vegetarismus kaum noch Anklang findet. Die Geschichte rückt somit in den Hintergrund und die Umnutzung überwiegt. Mit dem Mind The Gap Festival, welches vom Schlachthof Kassel e.V. im Nordstadtpark veranstaltet wird, wird das Themengebiet der temporären Nutzungen in der Stadt Kassel angeschnitten, welches somit ebenfalls eine ganz andere

Wahrnehmung der Parkanlage auf den Menschen hat. Wir sehen also, dass fühlen, hören, riechen, sehen und schmecken einen Menschen sehr stark in seiner Betrachtung auf eine Stadt beeinflussen. Im folgenden Abschnitt werden die einzelnen Themengebiete der Wahrnehmung und ihre Funktion und Auswirkung auf den Menschen im Einzelnen noch näher erläutert.

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blickwinkel

die art & weise der betrachtung Die jeweilige Wahrnehmung der Umgebung liegt sprichwörtlich im Auge des Betrachters. Jeder Mensch fühlt, hört, riecht, sieht und schmeckt anders und nimmt so seinen Lebensraum anders wahr. Im Folgenden wird mit dem Begriff der Betrachtungsweise weiter auf den Bereich Sehen eingegangen. Die Betrachtungsweise ist ein feminines Substantiv und ist mit den Wörtern Aspekt und Gesichtspunkt verwandt (vgl. Duden: 2013). Es sagt also aus, wie der Mensch eine bestimmte Sache betrachtet, in diesem Fall die Stadt. Wenn ein Mensch etwas beobachtet, etwas wahrnimmt, dann spielt sich in jedem Menschen derselbe Prozess ab - er ruft sich etwas ins Bewusstsein, nimmt bewusst oder unbewusst Dinge in sich auf und denkt darüber nach. Bei der unbewussten Betrachtung kann es auch erst nach einigen Tagen zu einem Ergebnis kommen, da im Hirn unterschwellig ein Denkprozess weiter läuft. Doch was genau ist eigentlich Bewusstsein? Jeder hat diesen Begriff schon einmal gehört, „dieses unbeschreibliche, subjektive Etwas – ein Hirnprozess, eine unbekannte Energie, vielleicht auch die Seele?!“ (Koch 2010: 38). Fakt ist, dass es sich um einen Hirnprozess handeln muss, da wir nur über das Bewusst-

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sein Bilder und Töne einer Stadt wahrnehmen, sie fühlen, da sie uns Vergnügen oder auch Ärger bereitet. Wäre diese unbekannte Energie nicht im Menschen, würden diese bei der Betrachtung einer Stadt, ihrem Umfeld, rein gar nichts spüren. Sie wären zwar noch da, allerdings ohne geistliche Regung - nur eine leere Hülle, welche neben anderen leeren Hüllen durch die Stadt läuft.

wahrnimmt. Wird der Blickwinkel verändert, ändert sich so auch die Perspektive - es werden andere Dimensionen der Stadt erkannt und positiv oder negativ aufgenommen. Die Stadt jedoch sollte sich nicht als ein starres aus Beton und Stahl gebautes Etwas vorgestellt werden, sondern als ein Wesen, welches sich jeden Tag durch kleinste Einflüsse verändert.

Jeder kennt die Situation, in der man durch die Stadt geht und Dinge wahrnimmt, die für einen selbstverständlich sind. Veränderung gibt es, bis auf sich jährlich abwechselnde temporäre Installationen, kaum bis gar nicht. Die Menschen gehen ihre Wege, die Straßenbahnen fahren monoton ihre durch Schienen festgeschrieben Strecken und hier und da sitzt ein Straßenmusiker.

Die Stadtpsychologin Cornelia Ehmayer bezeichnet eine Stadt wie folgt:

Die graue Sicht auf etwas, was Stadt sein kann, aber nicht sein muss. Es liegt an der Sehweise, wie Stadt auf einen wirkt bzw. wie man sie

„Als Stadtpsychologin betrachte ich Städte als lebendige, sich ständig verändernde Wesen. Das ,Wesen Stadt´ verstehe ich als eine heterogene Einheit mit klar erkennbaren Merkmalen, deutlichen Grenzen, einem hohen Maß an Durchlässigkeit und ständigem Austausch - ein Zusammenwirken von belebten und unbelebten, sowie bewusster und unbewusster Anteile, die innerhalb einer Stadt existieren und interagie-


Kölnische Straße - Auf dem zweiten Blick

ren. Das ‚Wesen Stadt´ wird und ist von den Menschen geprägt, entsprechend gilt es das Verhältnis, das sie zu ihrer Stadt haben zu erkennen. Dieses ist von Gefühlen, Geschichten und Stadt-Bildern im ursprünglichen und übertragenen Sinn bestimmt.“ (Ehmayer 2011: 7) Die Zusammenhänge zwischen der stadtpsychologischen Betrachtungsweise, der Wahrnehmung der Menschen eben dieser Stadt und der Stadtentwicklung sind aus heutiger Sicht wichtiger denn je. Nehmen wir als Beispiel den Menschen. Geht es ihm schlecht und unterdrückt er seine Gefühle, führt dies zu Depressionen, Hoffnungslosigkeit, sexuelle Unlust etc. Übertragen auf den

Stadtentwicklungsprozess führt dies zu Wohnunzufriedenheit, einer steigenden Wochenendmobilität, einem Anwachsen von sozialen Konflikten etc. Das Wesen der Stadt wird von den Menschen geprägt, welche in der Stadt leben. Ebenso wird dieses Wesen von den Menschen gepflegt. Kommt sie in die Jahre und altert, wird sie rissig und brüchig und fängt an zu verfallen. Der Mensch sieht dieses Altern, nimmt es wahr, betrachtet es und hat zwei Möglichkeiten. Er tut etwas gegen den Verfall oder er schaut weg - weg auf die schönen Seiten der Stadt. Die Wirklichkeit einer Stadt hängt somit im mer von der vom Betrachter selbst

erschaffenen Wirklichkeit ab, da der Mensch sie sich jeden Tag aufs Neue selbst konstruiert. Diese erkenntnistheoretische Position nennt man Kostruktivismus (Ehmayer 2011: 8). Während im klassischen Wirklichkeits-Verständnis eine objektive Sicht vorherrscht, in welcher es klare Abgrenzungen und schlüssige Formen gibt, bestehen im Kostruktivismus viele Möglichkeiten sich ein Objekt frei nach Gedanken vorzustellen. Es kann also auch bewusst das Hässliche ausgeblendet werden, wodurch sich die Stadt schön geredet wird. Es liegt eben alles im Auge des Betrachters. Doch ist das Sehen nur einer unserer Sinne, welchen wir benutzen, 17


blickwinkel um unsere Umgebung, in dem Fall die Stadt, wahrzunehmen. Die Intensität einer Stadt beeinflusst z.B. sehr stark die Sinne des Menschen, welcher sich in dieser bewegt. Unter Intensität ist in diesem Falle das Ergebnis aller sozialer Interaktionen innerhalb einer Stadt zu verstehen, welche sich nicht nur in einer gebauten Form widerspiegelt, sondern auch von Netzwerken ausgehen, die eine Stadt durchziehen. Robert Ezra Park (Stadtsoziologe, Chicago

rer Intensität unterschiedlich wahrnimmt bzw. sie unterschiedlich betrachtet. Die Gefahr und die Begeisterung sind in diesem Fall subjektive Erfahrungen, welche dem Gefühl des Dazugehörens bzw. des Fremdseins entspringen. In gewisser Weise entsteht eine Art Identitätsgefühl , welches jedoch nicht vom dem geformt wird, was wirklich in einer Stadt passiert, sondern durch das, was man mit ihr assoziiert - ein Stadtpunkt des Betrachters und was

dene Rhythmen erzeugen. Sie stehen zu verschiedenen Tageszeiten auf, verrichten ihr Tagwerk an verschiedenen Lokalitäten, und sie verfolgen natürlich unzählige unterschiedliche Aktivitäten, aus verschiedensten Beweggründen.“ (Freising 2011) Ohne die statischen Dinge, die Gebäude, würden jedoch die verschiedenen Rhythmen einer Stadt bzw. deren BewohnerInnen nicht wahrgenommen werden. Auch die Gebäude wirken sich emotional auf unsere Betrachtungsweise aus, welche wir in unserem Unterbewusstsein mit etwas Positivem oder Negativem assoziieren. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass das Erleben einer Stadt sehr viel von den Sinnen und dem Bewusstsein abhängig ist, wie eine Stadt wahrgenommen wird. Je nachdem, wie die Gefühle sich ausprägen, kann ein Gefühl der Zugehörigkeit entstehen - man fängt an sich mit ihr, der Stadt, zu identifizieren, sie als seine Stadt zu sehen.

Wien von oben betrachtet - wirkt wie ein großes Durcheinander

School) sagte bereits in den 1920er Jahren, dass Stadt mehr ist, als ihre physische Form und ihren Institutionen. Für ihn war die ein Stadt in Gebilde und Ergebnis der menschlichen Eigenart bzw. ein Geisteszustand. „Das Erlebnis des Lebens in einer Stadt und des sich darin Bewegens, ist eine persönliche Erfahrung. Furcht oder Begeisterung zu fühlen ist eine individuelle Reaktion.“ (Freising 2011) Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass eine Stadt aus verschiedenen Teilen besteht, welche man in ih18

er dabei fühlt. „Man horcht in sich hinein und fühlt.“ (Tenter 2013) - in dem Fall kann man von einer gefühlten Stadt reden. Wie riecht diese? Wie fühlt und hört sie sich an? Nach was schmeckt sie? Jede Stadt hat ihren eigenen Geschmack, ihren eigenen Geruch und ihren eigenen Ton. Diese Begriffe kann man als Rhythmen der Stadt bezeichnen, welche durch das Hin und Her der Menschen geprägt werden. „Es ist mehr als ein Rhythmus, da die verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen, verschie-

Literatur: http://www.duden.de/rechtschreibung/Betrachtungsweise Zugriff 19.01. 2014 Koch, Christof (2010): Das Sichtbare unsichtbar machen, In: Gehirn & Geist, S. 38. Ehmayer, Cornelia (2011): Die [AKTIVIERENDE STADTDIAGNOSE], Wien, S. 7-8. Freising, Uwe (2011): Die gefühlte Stadt, In: Blog Semantik und Übertragung - Reise zwischen Sinn und Trieb Tenter, Annett (2013): Die gefühlte Stadt, In: Blog Ist Stadt was?


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blickwinkel

riechen und schmecken im stadtkontext „Unzählige kleine Reize all unserer Sinne, die Stadt beinhaltet dies alles, die architektonische Gestaltung, der Geruch, der Geräuschpegel, die Menschen, und aus der Summe der Einzelinformationen konfiguriert sich die jeweils unverwechselbare Stadt“ – Joachim Brech

Um Verstehen zu können wie Gerüche der Stadt wahrgenommen werden, muss man zu Beginn verstehen, wie der Geruch aufgenommen und in elektrische Reize umgewandelt wird. Da die Geruchsaufnahme ein hochkomplexer biologischer Prozess ist, handelt es sich im Folgenden nur um eine oberflächliche Darstellung. Die Nase ist nicht nur essenziell für die Aufnahme und die Abgabe von Atemluft, sondern auch der Sitz der olfaktorischen Wahrnehmung. Die Nasenscheidewand teilt die Nase in zwei symmetrische Hälften, die wiederum mit jeweils einem Nasenloch mit dem Außenraum verbunden sind. (1) In jeder Nasenhöhle befinden sich drei von den Nasenaußenwänden nach innen ragende schneckenartig eingerollte Nasenmuscheln, die von einer Nasenschleimhaut und vielen winzigen Härchen überzogen sind. 20

Die Härchen „reinigen“ die eingeatmete Luft, indem sie Dreckpartikel rausfiltern. Die Die Luft wirbelt sich in der Nasenmuschel und fördern so die Befeuchtung der Luft durch die feuchte Nasenschleimhaut. (2) Auf dem höchsten Punkt der oberen Nasenmuschel liegt die Geruchszone. Dort strömt ein geringer Teil der eingeatmeten Luft vorbei, auf der die Geruchsmoleküle der eingeatmeten Luft auf eine spezielle Schleimhaut, auch Riechschleimhaut genannt, treffen. (3) Hier befinden sich 10 Millionen Sinneszellen, welche auf spezielle Geruchsmoleküle spezialisiert sind und diese binden. Dadurch kommt es zu einer elektromagnetischen Reaktion, welche an den Riechkolben weitergeleitet wird. Im Riechkolben des Gehirns bündeln sich die Nerven der Sinneszellen vom gleichen Geruchstypen und leiten die entstandene

Information weiter an das G e ruchszentrum des Gehirnes (4) (vgl. Bargs-Stahl, Luck-Haller, o.A.). Geruchsmarketing Wo und wann Geruchsstoffe freigesetzt werden, kann man also nicht „sehen“, jedoch sind Geruchsstoffe höchst manipulativ und haben viele Vorteile gegenüber anderen Marketingstrategien. Zum einen wirkt der Geruch schneller als jeder anderer Sinnesreiz und bestimmt so den ersten Eindruck. Zum anderen ist das Erinnerungsvermögen an Düfte deutlich ausgeprägter als andere Wahrnehmungen (vgl. Planet Wissen, Neumeyer, 2011). Das ist auch der Grund dafür, dass Geruchsmarketing immer mehr in den Vordergrund von Marketingexperten rückt (vgl. Planet Wissen, Neumeyer, 2011). Eine Anwendungsmöglichkeit ist das sogenannte „Brand Scent“ oder auch „Coperate Scent“


genannt. Es handelt sich hierbei um einen eigenen Duft von Produkten. Eigene Duftdesigner kreieren zum Beispiel den perfekten Neuwagenduft oder den Duft, der beim Öffnen einer Verpackung freigesetzt wird (vgl. Haas [o.A.]). Ein weiterer Anwendungsfeld ist die Duftfreisetzung am „Point of Sale“, also an Imbissen, in Geschäften oder Hotels. Laut psychologischen Untersuchungen werden 70% der Kaufentscheidungen am „Point of Sale“ getroffen (Quaas, o.A.). Dafür haben Geruchsmarketing-Experten von der Washington State University und der Universität St. Gallen in einer Feldstudie einen einfachen Orangenduft entwickelt, den sie in einem Einkaufsladen verteilt haben. Einfache und klare Düfte wie zum Beispiel dieser Orangenduft helfen Kunden sich auf das Shoppen zu konzentrieren, was dazu führte, dass 20% mehr Leute in diesen Geschäften einkauften. Im Nachhinein wurden Kunden, die durch den Duft beworben worden sind, befragt, ob sie durch Gerüche weiterhin beworben werden wollen. Mehr als 80% der Befragten mache es nichts aus und ein Großteil wünsche es sich sogar (vgl. Absatzwirtschaft, 2012) .Somit ist Geruchsmarketing eines der Marketing-Strategien der Zukunft. Der individuelle Geruch der Stadt Natürlich werden Gerüche nicht nur künstlich generiert und manipulativ eingesetzt. Es gibt auch ganz natürliche Gerüche. So hat nicht nur jede Stadt seinen eigenen Geruch, sondern auch jeder Stadtteil. Beeinflusst wird dieser durch die alltäglichsten Einflüsse. Sei es der Wechsel von Tag und Nacht, von Jahreszeit zu

Jahreszeit oder je nach Witterungsbedingung. Beispiele wäre die salzhaltige Meeresluft im Urlaub, der Duft der Gewürze auf orientalischen Märkten oder die frische, abgekühlte Luft nach einem Gewitter. Auch unterschiedliche (Stadt-)räume haben ihren eigenen einzigartigen Geruch,

che und Abgase durch Autos und Industrie, welche eine frische Luftaufnahme ermöglichen. Einige Parks bieten sogar wohlriechende Pflanzen zur Förderung der Erholung. Dies zeigt, dass olfaktorische Wahrnehmung uns mehr beeinflusst als die meisten denken (vgl.: Brech, o.A.).

Abb. A: Gerüche am Point of Sale

welcher häufig der Spiegel der NutzerInnen ist. Sei es der ÖPNV, beidem auch manche sagen, er sei der Spiegel der FahrerInnen, welcher durch den persönlichen Geruch der Kleidung und des Körpergeruches geprägt ist.Der Duft der Mietshäuser nach Essen oder Reinigungsmittel des Treppenhauses kann man auch als Spiegel der BewohnerInnen ansehen. Dazu muss man sagen, dass sich schlecht riechende Häuser schlechter verkaufen. Zum Schluss die Luft in Parks und Freiräumen. Dort sind weniger künstliche Gerü-

Der Geschmack der Stadt Eine weitere unterschätzte Sinneswahrnehmung im Stadt- und Regionalplanungskontext ist das „Schmecken“. Auch dabei muss man zu Beginn verstehen wie der Geschmack entsteht. Da die Entfaltung des Geschmackes ein weiterer hochkomplexer biologischer Prozess ist, handelt es sich im Folgenden nur um eine weitere oberflächliche Darstellung. Menschen können fünf Geschmacksrichtungen wahrnehmen: süß, sauer, 21


blickwinkel

salzig, bitter - und umami, den sogenannten Fleischgeschmack, von dem man erst seit einiger Zeit weiß, dass er proteinhaltige Lebensmittel kennzeichnet. Schmecken ist ein Zusammenspiel zwischen Riechen und dem eigentlichem Schmecken. Der Prozess der Geruchswahrnehmung, der bereits beschrieben wurde, nimmt dabei bis zu 70% des „Schmeckens“ ein. Durch den Rachen gelangen viele kleine Geruchsmoleküle der Nahrung von hinten in die Nase. Hier reizen sie die Riechrezeptoren. Die Speisemoleküle reizen die Geschmacksrezeptoren die auf einer Zellmembran sitzen, die sich wiederum auf der Zunge befinden. Hier docken die Geschmacksstoffe an und lösen eine Reihe von biochemischen Prozessen aus. (A) Der elektrische Reiz, welcher die Information über die Geschmacksrichtung der Geschmacksmoleküle enthält, wird an die Großhirnrinde weitergeleitet. (C) Nervenzellen analysieren die Informationen und geben Botenstoffe frei, die signalisieren, ob der Geschmack als angenehm oder übel wahrgenommen wird. Wie ein Geschmack empfunden wird, ist für jeden Menschen individuell, weil jeder Mensch sein eigenen Geschmack hat. Dieser wird durch ca. 50 Gene bestimmt, die willkürlich aktiviert werden und so fast unendlich verschiedene Ausprägungen des menschlichen Geschmacksinnes ermöglichen. Ein erwachsener Mensch verfügt etwa über 5000 Geschmacksknospen, jedoch nimmt die Anzahl mit wwachsendem Alter ab (vgl.: Ringelsiep, Teves, 2013 ). Kulinarischer Tourismus Zwar ist es schwer aus dem „Geschmackssinn“ einen Nutzen im Stadt bzw. regionalplanerischen 22

Sinne zu ziehen, jedoch prägt die Geschmackswahrnehmung ganze Regionen. Das liegt daran das jede Region seine eigenen regionaltypischen Lebensmittel und Speisen hat. So wird kulinarischer Tourismus

Aber auch die regionale Ökonomie profitiert. Es werden neue Gästegruppen angesprochen. Diese können so auch in der Nebensaison für die Region gewonnen werden. Es können regionale Kooperationen einge-

Abb.B: Schaubild Geschmacksaufnahme

immer populärer und wird fester Bestandteil der Tourismusstrategie vieler Länder und Regionen. Ausgeprägte Beispiele wären die Toskana und Österreich. Zwar sind „Kulinarische Reiserouten“ meist improvisiert, jedoch ist ein Trend zu geführten Touren, aufgrund der Nachfrage, erkennbar (vgl. Maciel, 2012). Kulinarischer Tourismus bietet gleichzeitig Chancen für die Regionen. Zum einen leistet er einen Beitrag zur Steigerung des Bekanntheitsgrades und zur Verbesserung des Images durch Authentifizierung mit bestimmten Gerichten.

gangen und so Wirtschaftskreisläufe aktiviert werden. Sei es in der Gastronomie, in der Landwirtschaft oder die einfache Fleischerei. Die Summe aus all diesen Faktoren leisten also einen großen Beitrag zur Regionalentwicklung (vgl. Kossatz, 2011).


Literatur: 1) Evelyn Bargs-Stahl, Dr. Erika Luck-Haller [o.A.]: Der menschliche Geruchssinn http://www.planet-schule.de/wissenspool/ total-phaenomenal-sinne/inhalt/hintergrund/ der-geruchssinn/mensch.html (Zugriff: 06.01.2014)

Geschmack der Stadt

2) / 3) Planet Wissen mit Ingo Neumeyer [2011]: Interview Duftmarketing ,http://www.planet-wissen.de/natur_technik/ sinne/riechen/interview.jsp (Zugriff: 07.01.2014)

9) Alejandra Maciel [2012]: Kulinarischer Tourismus und Nachhaltigkeit http://www.caribbeannewsdigital.com/de/ noticia/kulinarischer-tourismus-und-nachhaltigkeit (Zugriff:10.01.2014)

4) Rene Haas [o.A.]: Wenn Marken duften [2013]: http://renehaas.com/corporate-scent-wenn-marken-duften/#sthash.uzkm0LwT.dpbs (Zugriff: 16.03.2014)

10) Melanie Kossatz [2011]: Referat: ländliche Entwicklung http://www.smul.sachsen.de/laendlicher_ raum/download/3_Regionalitaet_im_Tourismus.pdf (Zugriff: 10.01.2014)

5) Volker Quaas [o.A.]: Eine Dufte Sache [2012]http://www.markenlexikon.com/texte/ ma_quaas_duftmarketing-am-pos_04_2012. pdf (Zugriff: 07.01.2013) 6) Absatzwirtschaft [2012]: Duftmarketing - Wie Gerüche zur Geheimwaffe im Weihnachtsgeschäft werden http://www. absatzwirtschaft.de/content/marketingstrategie/news/wie-gerueche-zur-geheimwaffe-im-weihnachtsgeschaeft-werden;78669 (Zugriff: 07.01.2014) 7) Joachim Brech [o.A.]: / Geruch der Stadt (1) – (4) http://www.joachimbrech.de/kolumnen/Geruch.pdf (Zugriff: 06.01.2014)

8) Michael Ringelsiep/Christoph Teves [2013]: Schmecken http://www.planet-wissen.de/natur_technik/sinne/schmecken/index. jsp (Zugriff: 10.01.2014)

Abbildungen: Abb. B: „Geschmacksaufnahme“eigene Darstellung nach: http://www.planet-schule.de/sf/multimedia/ animationen/nase/nase3.jpg

weiterführende Literatur: Patrick Hehn [2006]: Der Duft der Marke http://www.absatzwirtschaft.de/pdf/sf/hehn. pdf (08.01.2014)

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blickwinkel

urbane klanglandschaften der sound unserer städte

Wenn Menschen sich ihren täglichen Weg durch ihren GesprächspartnerIn) wird diese lauter als die störenden urbanen Lebensraum bahnen, geschieht dies oft zielstre- „Nebengeräusche“ wahrgenommen. Nichtsdestotrotz big und nach einem mehr oder minder geordneten Sche- sind wir weiterhin der Lage andere Gespräche in der ma. Es geht darum, möglichst schnell vom Ort A zum Nähe zu registrieren und beispielsweise auf die Nennung Ort B zu gelangen. Der Mensch nutzt hierbei die Wahr- unseres Namens zu reagieren und daraufhin den Fokus nehmung seiner Sinnesorgane, um sich mithilfe von unsere Aufmerksamkeit umzulenken (vgl. www.audio. bestimmten Symbolen und Zeichen, wie beispielsweise de 2008). Beschilderungen oder herausragende Architekturen zurechtzufinden. Neben dieser allseits bekannten Form der Töne und Geräusche rufen Assoziationen in unserem visuellen Wahrnehmung, spielt jedoch auch die oft unterschätze auditive Wahrnehmung in unserem Alltag Nicht sehen trennt von den Dingen, nicht hören eine essenzielle Rolle. Der städtische trennt von den Menschen. (Kant) Raum bildet eine charakteristische Klanglandschaft, die dem Individuum oft nur unterbewusst zu einer besseren Orientierung, einer gesellschaftlichen Sozialisation Kopf hervor. So haben wir vielleicht beim Klang der und vor allem auch zur Abwehr von Gefahren verhilft. sich schließenden Türen der Berliner S-Bahn ein ganz Nicht ohne Grund ist das Gehör das erste vollständig bestimmtes auf Berlin bezogenes Bild vor Augen. Der ausgeprägte Sinnesorgan bei einem Neugeborenen. Klangraum einer Stadt trägt zu ihrer Imagebildung bei und ist Teil von urbaner Identität. In der Vergangenheit Das Gehör besitzt für den Menschen essenzielle Funkti- hat diese Tatsache jedoch immer weiter an Bedeutung onen, die sein Überleben sichern und zwischenmensch- verloren und der Sound der Städte verlor immer weiter liche Kommunikationen ermöglichen. Neben der wichti- an Diversität. Die Geräuschkulisse des urbanen Raums gen Warn- und Alarmierungsfunktion dient das Hörorgan gleicht heute eher einem einheitlichen Lärmteppich. Es vor allem zur Aufnahme von Informationen aus dem fehlt an verschiedenen ausgeprägten Klangräumen, OrUmfeld. Der Mensch ist nicht in der Lage die Hörfunk- ten die eine akustische Differenz aufzeigen. Mit veranttion „abzustellen“, somit ist das Gehör jederzeit aktiv. wortlich für diese Entwicklung ist der offene und sozial Durch die Interpretation von Geräuschen gelingt uns die gerechte Baustil der 50er Jahre, welcher mit seinen großOrientierung im Raum. Ebenso wichtig ist die Kommu- formatigen Strukturen für eine akustische Einheitlichkeit nikationsfunktion des Gehörs, welche dem Menschen sorgte. zur sozialen Interaktion, dem zwischenmenschlichen Das Hören hat in unseren sehr auf das Visuelle ausgeAustausch und der emotionalen Wahrnehmung befähigt. richtete Städte eine nur noch untergeordnete Bedeutung, Dabei ist unser Hörorgan zu erstaunlichen Dingen in dabei liefert uns unser Gehör ein viel umfassenderes und der Lage. Das als „selektives Hören“ oder „Cocktailpar- wahres Bild von einem Raum als unser eingeschränktes tyeffekt“ bekannte Phänomen beschreibt die Fähigkeit visuelles Sichtfeld. Es ist uns möglich alles, was in einem der Extraktion einer Schallquelle aus einem komplexen bestimmten Radius rund um uns geschieht, wahrzunehGewirr an verschiedensten Geräuschen. Wie der Name men. Hinter den Stadtbildern, den historischen wertvoles bereits verrät, lässt sich dieser Vorgang am Beispiel len Fassaden unserer Altstädte und den bunten auffällieiner Cocktailparty erläutern. So gelingt es uns trotz gen Werbeplakaten, die unsere Sehnerven rund um die einer Vielzahl an „störenden“ Geräuschen, ein konzen- Uhr stimulieren, scheint die Relevanz des Klangraums triertes Gespräch zu führen. Durch die Selektion von Stadt eher nichtig. Wir nehmen den Sound der Stadt oft einer bestimmten Schallquelle (in diesem Fall unser/e nur unterbewusst wahr und assoziieren mit ihm oft mit 24


* unangenehmem Lärm. Eine mögliche Ursache dieses Umstandes beschreibt Joachim Brech in seiner Kolumne zum „Klang der Stadt“: „Wir nehmen keine Stille mehr wahr. Stille ist aber nicht das Gegenteil von Lärm. Stille ist auch nicht das Gegenteil von Klang. Stille ist Teil des Klangs. Stille will, dass es klingt. Stille ist das Zwischen-den-Klängen-Seiende.“ Ein oft skizziertes Bild vom typischen Sound einer Großstadt ist das der lärmenden Infrastrukturen. Die Existenz dieses Lärms wird überwiegend als unästhetisch und schlecht beschrieben, währenddessen ein Ort der totalen Stille als erstrebenswert und lebenswert gilt. Was jedoch hierbei oft vergessen wird, ist dass das Vorhandensein von Geräuschen in der Stadt, wie das Rauschen der Straßen, das Rattern der Tram, das Grölen der feiernden Jugendlichen alles Lebenszeichen einer lebendigen Stadt sind, die den BewohnerInnen signalisieren, dass sie nicht alleine sind. So gesehen erscheint die gespenstische Stille eine längst verlassen Plattenbausiedlung als ein eher abschreckendes urbanes Bild. Selbstverständlich würde niemand behaupten eine vielbefahrene Straße sei der akustisch ästhetischste Ort einer Stadt oder abstreiten, welche gesundheitlichen Schäden diese anrichten kann. Es gilt jedoch den Blick und das Gehör zu schärfen, um zu vermeiden, dass der komplexe urbane Klangraum zu pauschalisiert dargestellt wird. Ebenso muss es darum gehen auditive Wahrnehmung und damit einhergehende Entwurfsmethoden wieder stärker in den Fokus zu rücken , um der Stadt wieder zu einer akustischen Diversität zu verhelfen. Denn Vielfalt sorgt bekanntermaßen für mehr Urbanität. Der Sound der Städte ist zudem auch von anderen äußeren Bedingungen wie den Jahreszeiten und dem Wetter geprägt – so klingt eine schneebedeckte Stadt deutlich anders als eine sommerliche. Auch spielen kulturelle und gesellschaftliche Gegebenheiten, wie bestimmte Volksfeste oder auch nur der Dialekt einer Region eine Rolle. Diese charakteristischen Parameter der Klanglandschaft

Stadt helfen uns bei der Orientierung an fremden Orten, da wir aufgrund unseres auditiven Erfahrungsschatzes Klänge deuten und einordnen können. Auch können Töne bei uns Emotionen hervorrufen und unsere Befindlichkeit beeinflussen. Bestimmte Geräusche geben uns das Gefühl von Sicherheit oder rufen Erinnerungen hervor (wie es beispielsweise gerade auch bei Musik der Fall ist) – Geräusche zeigen zudem Menschen, dass sie nicht alleine sind und tragen zur Sozialisation bei (vgl. Brech k.A.: 1-5) Angekommen zu sein, scheinen die Berücksichtigung der auditiven Wahrnehmung hingegen schon in den Konsumwelten unserer Städte. So werden wir von Muzak - der sogenannten Kaufhausmusik – auf subtile Art und Weise dazu angeregt, möglichst ausgiebig zu konsumieren. Auch bemühen sich zunehmend Städte sich die auditive Wahrnehmung zu nutze zu machen. Die Stadt Hamburg beispielsweise versucht durch das Abspielen von klassischer Musik am Hauptbahnhof die Vertreibung eines unerwünschten Klientels – der Obdachlosen. Die Wirtschaft und Kommunen sind offensichtlich immer mehr dazu gewillt, die wichtigen Orte wie Fußgängerzonen, Malls oder Bahnhof einen möglichst „cleanen Sound“ zu verpassen und die Menschen dabei auch unterbewusst zu beeinflussen.

Literatur: Brech, Joachim (k.A.): Der Klang der Stadt, in: KOLUMNEN AUS „Wohnen +“ Die Wohnungswirtschaft (Hrsg.) Was steckt hinter dem Cocktail-Party-Effekt? http://www.audio.de/ratgeber/was-steckt-hinter-dem-cocktail-party-effekt-372633.html [28.03.2013].

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blickwinkel

visuelle wahrnehmung Die Augen sind das wichtigste Sinnesorgan des Menschen, ausgestattet mit außergewöhnlichen Fähigkeiten. Nur wenige, aber hochsensible Bauteile ergänzen sich zu einem erstaunlichen Seh-Instrument. Doch was passiert genau? Das Auge ist das Sinnesorgan, mit welchem elektromagnetische Wellen des Lichtes in eine Folge von Nervenimpulsen umgewandelt werden, welche an das Gehirn weitergeleitet werden und uns dadurch das Sehen ermöglicht. Dabei gilt das Auge bzw. der Sehsinn als einer der wichtigsten Sinne, da es sich dabei um unseren Leitsinn handelt, welcher uns einen sicheren Umgang in und mit unserer Umwelt ermöglicht. Weiterhin werden ungefähr 60 Prozent alle Informationen, die wir aus unserer Umwelt erhalten, durch die Augen wahrgenommen (vgl. Maelicke 1990: 26). Doch was passiert dabei genau? Durch die Pupille und durch die Linse gelangen die Lichtstrahlen in unser Auge. Dabei bündelt die Linse die Lichtstrahlen und führt diese in Form eines klaren Abbildes der Umwelt auf unsere Netzhaut. Die Netzhaut (Retina) befindet sich am hinteren Ende des Glaskörpers und ist eine dünne Schicht aus lichtemp26

findlichen Rezeptoren und Sehzellen (ca. 120 Millionen), die diesen Lichteindruck über den Sehnerv an das Gehirn weiterleiten. Im Gehirn werden die Signale verarbeitet und man „sieht“ nun das Bild. Genauer werden im Gehirn die Signale durch Auswertekanäle auf Raumtiefen und Bewegungen (Magno-Kanal, 1. Bild) ausgewertet und andere unabhängige Auswertekanäle analysieren beispielsweise die Form von Objekten (Parvo-Interblob-Kanal, 2. Bild) und wiederum andere die Farbe (Blob-Kanal, 3. Bild). Das Gehirn nimmt Bilder noch viel weiter auseinander, wie jedoch das Gehirn diese wieder zu einem Gesamtbild zusammenfügt, ist bislang ungeklärt (vgl. Maelicke 1990: 54). Um das Auge ausreichend zu schützen, sind die Iris und die Pupille mit einer lichtdurchlässigen Schicht, der Hornhaut, bedeckt. Den weiteren Schutz des Auges stellen die Lider, die Wimpern und die Tränenflüssigkeit dar, welche das Auge vor


Aufbau des Auges

Fremdkörpern und Verletzungen schützen sollen (vgl. Maelicke 1990: 52). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass in unserem Gehirn die Sehinformationen von mehreren und voneinander völlig unabhängigen Kanälen verarbeitet werden. Diese Annahme wird dadurch gestützt, dass beispielsweise durch einen Schlaganfall nur bestimmte Sehstörungen auftreten. So kann zum Beispiel durch den Wegfall eines speziellen Kanals das Farbsehen verloren gehen, oder aber auch das Wahrnehmen von Bewegungen.

Unser Bewusstsein bekommt also ein anderes Bild als jenes, welches die Augen ihm liefern. Dies wird vor allem dann deutlich, wenn wir uns dem Thema Farben widmen. Alle bunten Bilder, die wir wahrnehmen, sind ein Kunstprodukt unseres Gehirns, denn zum Einen ist das Sehfeld auf einer Seite durch die Nase begrenzt und zum Anderen auch durch den sogenannten „blinden Fleck“, wo der Sehnerv austritt (Siehe 2. Bild, makierung B) (vgl. Maelicke 1990: 57).

Wahrnehmungen sind Hypothesen unseres Gehirns. Im Vergleich zu einer Fotokamera sind unsere Augen vergleichsweise schlecht. Die Abbildungen auf der Netzhaut sind verzerrt und an den Außenbereichen wird alles ziemlich unscharf. Jedoch ist unser Gehirn bei der Bildberechnung auf diese Fehler eingestellt und kann sie korrigieren (vgl. Maelicke 1990: 26/27). 27


blickwinkel Doch auch wenn das Sehen und speziell die Wahrnemung von Faben an sich eine völlig subjektive sachen ist, ist die Auseiandersetzung mit der Farblehre im bezug zur visuellen Wahrnehmung unverzichtbar. Die Auseinandersetzung mit Farben und deren Funktionsweisen sowie Wirkungen hat bereits knapp 500 Jahre vor der Geburt Christi, zumindest in philosophischer Hinsicht, ihren Ursprung. Zudem haben sich viele bekannte Persönlichkeiten der vergangenen Jahrhunderte, wie beispielsweise Leonardo Da Vinci, Sir

Isaac Newton und Johann Wolfgang von Goethe, mit der Theorie der Farben beschäftigt. So unterschiedlich die drei genannten historisch wichtigen Persönlichkeiten sind, so unterschiedlich sind auch die Forschungsfelder, welche sich heute mit der Farbenlehre beschäftigen. Diese sind angesiedelt in den Bereichen Physik, Kunst, Physiologie und Psychologie. Nachfolgend wird sich mit der künstlerischen sowie mit den psychologischen Wirkungsweisen von Farben auseinandergesetzt und dabei grundlegend Bezug genommen auf die Theorien des Universal-

wissenschaftlers Johann Wolfgang von Goethe, des Physikers Sir Isaac Newton und des Bauhausmeisters Johannes Itten.

Goethe vs. Newton 1810 erschien Goethes Werk „Farbenlehre“ und hat somit schon über 200 Jahre auf dem Buckel. In diesem Buch widmet sich Goethe den Experimenten von Isaac Newton, welcher das Licht mithilfe eines Prismas so stark reduzierte, dass der farblose Lichtstrahl in verschiedenfarbige Strahlen zerlegt wird und diese sich dann durch eine Linse wieder zu einem farblosem Licht zusammensetzen lassen (vgl. Zeit Online). Dadurch konnte Newton nachweisen, dass sich weißes Licht in eine Vielzahl von Farben teilen lässt. Dieses Experiment wurde in dem für die Farblehre bedeutenden Buch „Opticks“ in England 1704 veröffentlicht. Den Hauptfehler an der Theorie von Newton sah Goethe darin, dass für Newton alle spektralen Farben im weißen Sonnenlicht enthalten sind. Goethe behauptete das glatte Gegenteil und sagte, dass alle Farben des Komplementärspektrums in der Dunkelheit enthalten sind. Das würde bedeuten, dass Farben nicht aus dem Licht oder der Zerlegung des Lichtes entstehen, sondern Phänomene sind, die aus 28

Farbkreis Goethe

dem Zusammenspiel von Licht und Schatten hervorgerufen werden (vgl. Eichler 2011: 40). Durch das durch ein Prisma zerlegte Licht fand Newton sieben Grundfar-

ben, welche, seiner Theorie zufolge, nicht weiter zerlegbar sind. Diese sind Rot (p), Orange (q), Gelb (r), Grün (s), Cyanblau (t), Ultramarinblau (v) und Violettblau (x). Schwarz


und Weiß sind nicht mehr vorhanden (vgl. Eichler 2011: 28). Goethes Idee von Farben und Eigenschaften Goethe verfasste und publizierte eine vierbändige Schrift zur Farbenlehre. Dass Goethe dabei die Farbe nicht nur naturwissenschaftlich, sondern auch in ihrer ästhetischen Wirkung betrachtete und studierte, ist dabei nicht verwunderlich (vgl. Klassik Stiftung Weimar: 17). So teilte Goethe die Farben zuerst in Plus- und Minusseiten ein und konnotierte diese mit folgenden Eigenschaften: Die Farben der Plusseite stimmen insgesamt regsam, lebhaft und strebend.

Rot und Grün besetzen eine Sonderposition: Rot, das identisch mit dem Purpur ist und dem Goethe Ernst, Würde, Huld und Anmut zuspricht, enthält bei der Erzeugung auf prismatischen Weg alle anderen Farben. Grün erscheint als Mischung der Farben Gelb und Blau und bietet dem Auge eine reale Befriedigung (Klassik Stiftung Weimar: 17). Der harmonische Farbenkreis Goethes kann als Ergebnis seiner gesamten Lehre gesehen werden.

Johannes Itten Die Farblehre des damaligen Baumeister Johannes Itten ist die vermutlich bekannteste Form der Farblehre.

Gelb: heiter, sanft, angenehm, warm, wirksam, beleuchtet Rotgelb (Orange): energetischer, erzeugt ein Gefühl von Wärme und Wonne Gelbrot (Mennig, Zinnober): gewaltsam, erschütternd, höchste Energie der aktiven Seite Die Farben der Minusseite hingegen stimmen unruhig, weich und sehnend. Blau: Widerspruch von Reiz und Ruhe, Gefühl der Kälte, schattenhaft Rotblau: unruhig, lebhaft ohne Fröhlichkeit Blaurot: unruhig, unerträglich.

Farbdreieck Goethe

Farbkreis Itten

nur durch abwiegen bzw. ausprobieren entstehen (vgl. Itten 2003: 32). Stehen sich im Farbkreis zwei Farben diagonal gegenüber, sind es Komplementärfarben. Expressive Farblehre

Konstruktive Farblehre: In der Konstruktiven Farblehre entwickelte Itten den zwölfteiligen Farbkreis, welcher in der Lehre der mit am weitesten Verbreitete ist. Die Basis des Farbkreises bilden die drei Primärfarben (laut Itten die Farben erster Ordnung) Blau, Gelb und Rot. Die sog. Farben zweiter Ordnung (Sekundärfarben) erhält man, wenn man zwei Primärfarben mischt. Aus Blau und Gelb entsteht Grün, Blau und Rot ergeben Violett und Gelb mit Rot ergibt Orange. Die Farben der dritten Ordnung entstehen durch die Mischung von einer Farbe der ersten Ordnung und einer Farbe der zweiten Ordnung. Das Ergebnis dieser Mischung ordnete er nach der Ordnung des Regenbogens und des Spektralfarbenbandes ein (vgl. Itten 2003: 30/32). Itten erachtete einen Farbkreis mit mehr Farben als sinnlose Zeitvergeudung, da er der Meinung war, dass sich ein Maler ohne Hilfsmittel kaum Farben der 85. oder 96. Ordnung vorstellen kann. Laut Itten kann Farbharmonie auch nicht „berechnet“ werden, sondern

In der expressiven Farblehre beschrieb Itten die in unserem Gehirn ausgelösten Erlebnisse bzw. Auswirkungen, welche bei der Betrachtung von verschiedenen Farben entstehen können (vgl. Itten 2003: 83). Weiterhin ordnete Itten die Farben der ersten und zweiten Ordnung jeweils einer Form zu. Das Quadrat (Rot) symbolisiert die ruhende Materie, das Dreieck (Gelb) das Denken und der Kreis (Blau) den ewig bewegten Geist. Bei den Farben der zweiten Ordnung stellt Orange ein Trapez, Grün ein sphärisches Dreieck und Violett eine Ellipse dar (vgl. Itten 2003: 75/76). Rot/Quadrat: Die Schwere und Undurchsichtigkeit der Farbe Rot gehört zu der statischen und schweren Form des Quadrates (vgl. Itten 2003: 75). Gelb/Dreieck: Das Dreieck erhält seinen Grundcharakter durch drei sich schneidende Diagonalen. Seine spitzen Winkel wirken kämpferisch und aggressiv. Zum Dreieck zählen alle Formen in Diagonalcharakter wie Rhombus, Trapez, Zickzack und die entsprechenden Ableitungen. 29


blickwinkel Das Dreieck ist Symbol des Denkens, und in der Farbe entspricht seinem schwerelosen Charakter das helle Gelb (vgl. Itten 2003: 75). Ein Kreis entsteht, wenn sich auf einer Ebene ein Punkt in gleichbleibendem Abstand um einen zweiten Punkt bewegt. Im Gegensatz zur harten, gespannten Bewegungsempfindungen, die das Quadrat verursacht, erzeugt der Kreis ein Gefühl der Entspanntheit und stetigen Bewegung. [….] Zum Kreis zählen alle Formen von gebogenem, zirkulärem Charakter wie Ellipse, Eiform, Welle, Parabel und deren entsprechenden Ableitungen. Dem sich ohne Anhalten bewegenden Kreis entspricht als Farbe das Blau (vgl. Itten 2003: 76). Jedoch können Farben nicht nur Formen zugeordnet werden, sondern sind auch in der Psychologie von Bedeutung. Der Psychologe Max Lüscher erkannte in seinen Studien zur psychologischen Wahrnehmung von Farben, dass diese zwar universal wahrgenommen werden, jedoch die Auswahl einer „Lieblingsfarbe“ subjektiv wahrgenommen wird

Form und Farbe Itten

(vgl. Welsch 2012: 54). Weiterhin hat er aus den Bevorzugungen von Farben, die „4-Farben-Menschen“

Innere Freiheit zur Selbstentfaltung, rezeptiven Denktyp Symbolelement: Luft Selbst-Erregungsaktivität (Selbstvertrauen), provokativen Denktyp Symbolelement: Feuer Ruhe und Zufriedenheit, reflexiven Denktyp Symbolelement: Wasser Selbstfestigkeit und Beharrung, objektiven Denktyp Symbolelement: Erde

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entwickelt. Dabei ordnete er die Lieblingsfarben der Menschen, bestimmten Denktypen zu.


Literatur:

Abbildungen:

Eichler, Anja (2011): Goethes Farbenlehre, Und die Lehren von den Farben und vom Färben, 1 Auflage, Petersburg

Aufbau des Auges http://www.augen.de/uploads/RTEmagicC_ fdbd93142f.gif.gif

Maelicke, Alfred (1990): Vom Reiz der Sinne, 1. Auflage, Weihnheim

Magno-Kanal Maelicke, Alfred (1990): Vom Reiz der Sinne S. 54

Itten, Johannes (2003): Kunst der Farbe, Studienausgabe, 28. Auflage, Berlin Welsch, Norbert 2012): Farben, Natur Technik Kunst, 3. Auflage, Heidelberg Goethes Farbenlehre, SchĂśner Irren, letzer Zugriff am 29.03.2014, http://www.zeit.de/2010/20/Farbenlehre Goethes Farbenlehre, letzer Zugriff am 29.03.2014, http://www.klassik-stiftung.de/fileadmin/ user_upload/Sammlungen/Goethes_Sammlungen/Goethes_Farbenlehre.pdf Zugriff 29.03.2014 Your Eyes, Wie funktioniert das Auge??, letzer Zugriff am 29.03.2014, http://patinfo.onjoph.com/content/master. p h p ? A RT I C L E _ I D = 3 0 3 & J O U R N A L _ ID=5&CATEGORY_ID=19&VIEW=article Auge Online, Zugriff 29.03.2014, http://www.auge-online.de/Wissenswertes/ wissenswertes.html

Parvo-Interblob-Kanal Maelicke, Alfred (1990): Vom Reiz der Sinne S. 54 Blob-Kanal Maelicke, Alfred (1990): Vom Reiz der Sinne S. 54 Sichtweise Rechtes Auge Maelicke, Alfred (1990): Vom Reiz der Sinne S. 58 Farbkreis Goethe http://www.klausmoeller.net/lernen/farbenlehre/_img/goethe_farbenkreis.png Farbdreieick Goethe http://www.klausmoeller.net/lernen/farbenlehre/_img/goethe_farbdreieck.jpg Farbkreis Itten http://www.klausmoeller.net/lernen/farbenlehre/_img/itten_farbkreis.jpg Form und Farbe Itten https://www.uni-weimar.de/medien/wiki/ images/thumb/Form_und_Farbe.png/300pxForm_und_Farbe.png

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blickwinkel

verzerren & verfälschen Was passiert im menschlichen Denkmechanismus, wenn die Wahrnehmung verzerrt oder verfälscht wird und welche Auswirklungen hat es auf das Thema „unsichtbare“ Stadt?

Um die „Unsichtbarkeiten“ einer Stadt zuerkennen, ist es von Bedeutung sich mit den Gegebenheiten des Subjekts auseinanderzusetzen. Die Grundannahme dazu ist, dass die „unsichtbare“ Stadt nur innerhalb einer realistischen Betrachtung, frei von Zwängen, gesehen werden kann. Es werden die inneren Bedürfnisse, die die der Mensch von Natur aus in sich trägt, analysiert, und auf die möglichen Folgen - die des verzerrten, falschen oder aber der getäuschten Wahrnehmung eingegangen.

Betritt eine Person eine vollkommen neue Raumsituation, welche sie in dieser Art vorher noch nie erlebt hat, versucht das Gehirn diesen Raum mit bereits erfahrenen Bildern zu verknüpfen und in Bekanntes einzuordnen. Der Raum wird verglichen und auf bereits erlebte Räume verringert. Folglich entsteht keine Neuverknüpfung. Das bedeutet, dass unbekannte Erlebnisse nur schwer im Kopf verankert werden können, ergo eine neue „Schublade“ geöffnet werden kann. Wenn der/die BetrachterIn die „unsichtbaren“ Aspekte neu sind, bedarf es der Gründung einer neuen „Schublade“ im Denkmechanismus. Daraus folgt zuerst zu verhindern, dass das Gesehene nicht in eine bereits vorhandenen Schublade relativert wird. Dieser komplexe Prozess kann als hemmender Faktor bei dem Erkennen der „unsichtbaren“ Stadt stehen. Denn erst die individuelle Einstellung zu den Dingen ermöglicht ein Verständnis dafür (Kühner 2014: pos. 214).

Beginnen wir mit dem dem Grundbedürfnis des Menschen nach Kontrolle und Übersicht. Dieses birgt in unterschiedlicher Ausprägung bei jedem Einzelnem ein Kontroll- und Ordnungsbedürfnis in sich. Grund dafür ist u.a. der menschliche Denkmechanismus, dieser ordnet Erfahrungen in verschiedene Cluster ein. Das sogenannte „Schubladendenken“. Innerhalb des benannten Denkprozesses werden oft Details relativiert und den jeweiligen „Schubladen“ angepasst. Räume, Situationen und Erfahrungen werden könDer menschliche Denkmechanismus ordnet nen damit in vorgefertigten Erfahrungen in verschiedene Cluster ein. Mustern eingegliedert werden und bedeutende Details verloren gehen. Tendenziell entwickelt sich dabei eine Schwarz-Weiss-Betrachtung. Ein weiterer Hinweis für das Erkennen der „unsichtba- Ein weiteres menschliches Grundbedürfnis ist die Mögren“ Stadt ist, dass dieser Denkmechanismus erst ver- lichkeit des Gewöhnens an Zustände, damit kann sozusucht eine bekannte „Schublade“ zu füllen, als eine neue sagen ein Verzerren oder Verfälschen von Gegebenheiten zu initiieren. In der Praxis kann Folgendes geschehen: geschehen. Im Hinblick auf die „unsichtbare“ Stadt kann 32


Denkmethode De Bono - six thinking hats

kritisches Denken: Schwarzmalerei

analytisches Denken: Das weisse Blatt

optimistisches Denken: spekulativ Sonnenschein ordnendes Denken: „blauer Himmel“

dieses zu einem nicht mehr wahrnehmen von Zuständen führen. Wie sprichwörtlich gesagt wird, dass sich Dinge mit der Zeit „weggucken“. Wer kennt das nicht, ein Bild hängt schief und man sieht den Fehler auf den ersten Blick, jedoch je länger das Bild schief aufgehängt bleibt, desto weniger sieht man den Fehler noch, irgendwann fällt er nicht mehr auf. Ferner neigt ein Mensch dazu, eine gewisse Beständigkeit für sich im Leben zu erhalten. Dieses veranlasst ihn Gegebenheiten tendenziell in ihrer Form zu belassen, als zu hinterfragen. Das heißt, man übersieht Situationen tendenziell und verändert seine persönliche Wahrnehmung, statt einen realistischen Blick zu haben. Folglich kann eine selektive und subjektive Wahrnehmung existieren, aufgrund von dem benannten fehlendem Interesse. Auch das kann eine verfälschte oder verzerrte Wahrnehmung hervorrufen. Sinngemäß nimmt der oder die BetrachterIn wahr, was er/sie wahrnehmen möchte, der sogenannte Bestätigungsfehler (siehe Artikel zur Monorationalität). Für das Sehen der „unsichtbaren“ Stadt muss damit im Vorfeld die Wahrnehmungsmöglichkeiten ausdifferenziert werden, eine Sensibilisierung stattfinden, um eine ganzheitliche Betrachtung zu erreichen. Die damit einhergehende Öffnung der Gedanken ermöglicht dem/der BetrachterIn Assoziationspunkte, die das Erkennen und Verstehen von unbekannten Strukturen bereitstellen. Der/die BetrachterIn hat folglich die Möglichkeit neutral, frei von den eigenen Erfahrungen und Erwartungen,

kreatives Denken: Wachstum

emotionales Denken: Subjekt Feuer und Wärme

an die Thematik heranzugehen und kann dadurch seine Ansichten, als auch seine Perspektiven bewusster steuern. Eine neutrale Herangehensweise lässt zu, den Raum zu entdecken. Eine weitere Herangehensweise, um ganzheitliche Betrachtungsweisen zu sichern, kann mithilfe von Denkmethoden erreicht werden, das sogenannte „divergente Denken“ (Querdenken). Alle Blickwinkel werden dabei im Vorfeld miteinbezogen. Als Beispiel, in der Denkmethode von De Bono (1986) werden bestimmte Blickwinkel innerhalb einer Diskussion integriert, indem sechs Hüte mit unterschiedlichen Farben genutzt werden und mit unterschiedlichen Standpunkten benannt. Diese werden den einzelnen Argumentierenden aufgesetzt und derjenigen argumentiert der Hutfarbe entsprechend. Die Hüte rotieren, aber behalten ihren Schwerpunkt. Damit wird sichergestellt, dass die ausgewählten Aspekte im Gespräch eingebracht werden (siehe Abbildung).

Literatur Kühner, Pascal (2014): Psychologie im Alltag, ebook, Auflage 1.2, (Zugriff:Aug. 2013). Freud, Sigmund (1904): Zur Psychopathologie des Alltagslebens, Über Vergessen, Versprechen, Vergreifen, Aberglaube und Irrtum, Berlin.

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blickwinkel

Reizüberflutung Reize treffen jeden

Wenn von Reizüberflutung die Rede ist, bringen wir es wohl oft in Verbindung mit der modernen Welt und ihrer Informationserdrückung durch Medien und Werbung. Die Werbeindustrie geht von 7000 Reizen pro Minute aus, die wir jeden Tag zu verarbeiten haben (vgl. Maier 2013, 48). Ein Reiz bezeichnet eine Information aus unserer Umwelt, die von unseren Sinnen wahrgenommen und verarbeitet wird. Doch nicht nur die Werbeindustrie versorgt uns mit Reizen. Unsere gesamte Umwelt, der ganz normale Alltag, sendet Informationen und Reize aus, die wir zu verarbeiten haben. Die Überflutung durch Reize gehört zum Aufgabenbereich der Umweltpsychologie. Seit den 50er/60er ist die Umweltpsychologie in den USA und seit den 70er in Deutschland ein eigenes Forschungsgebiet. Sie beschäftigt sich nach Thilo Eisenhardt mit der „Austauschbeziehung zwischen Mensch und Umwelt: der Mensch verändert die Umwelt und wird durch sie stark beeinflusst“ (Eisenhardt 2008: 33). Das Schema der Wahrnehmung erfolgt nach festgelegten Schritten: Die Umwelt stellt zuerst Informationen mit unterschiedlichem Inhalt und Informationsgehalt zur Verfügung (Die Blätter am Baum bewegen sich stark hin und her). Der Mensch interpretiert die Information und weist ihnen eine Bedeutung zu (ein starker Wind weht), darauf erfolgt eine Reaktion (beim Rausgehen eine dickere Jacke mitnehmen). Die Wahrnehmung beschränkt sich also nicht nur auf das Erfassen von Informationen, sondern auch auf das Handeln mit der Umwelt. So entsteht eine Wechselbeziehung zwischen Mensch und Umwelt. Daraus folgt, dass Menschen die Umwelt unterschiedlich wahrnehmen (vgl. Eisenhardt 2008: 50,51). Die Verarbeitung eines Reizes bedeutet Arbeit für das Gehirn. Jeder besitzt eine gewisse mentale Verarbei34

tungskapazität. Werden wir nun mit zu vielen Reizen konfrontiert, findet eine Überstimulation und somit eine Reizüberflutung statt. Die Verarbeitungskapazität reicht für die Bearbeitung der Reize nicht mehr aus. Zwei Bereiche des Gehirns sind davon betroffen. Im Bereich des Frontalhirns entscheiden wir selbst, welche Dinge wir wahrnehmen möchten. Das Stammhirn dagegen lenkt unsere Aufmerksamkeit auf die Bereiche, in denen etwas passiert. Ein plötzliches, lautes Geräusch, schnelle überraschende Bewegungen, blinkende Lichter etc. - eine Umwelt in der ständig Bewegung und visuelle Eindrücke stattfinden, spricht kontinuierlich das Frontalhirn an und führt zur Überforderung (vgl. Birger 2009). Symptome sind unterschiedliche soziale und physische und psychische Folgen, wie Herz-Kreislauf Erkrankungen, Stress, zwischenmenschlichen Konflikten oder gestörter Aufmerksamkeit (vgl. Eisenhardt 2008, 96, 104, 192).

Reizüberflutung und Stadt

Die Stadt birgt eine Vielzahl an Informationen und sendet somit folglich viele mögliche Reize aus. Ein allgemein sehr bekannter und auffälliger ist der Lärm, der bei viele Menschen zu Stress führt. Lärm ist ein unerwünschtes Geräusch, ein gewünschtes Geräusch dagegen wie Musik wird nicht als störend empfunden. Lärm ist zur Hauptbelastung des Menschen geworden, wir können uns nicht einmal vor ihm retten (vgl. Eisenhardt 2008: 190). Die Augen können zugemacht werden, eine visuelle Reizüberflutung bleibt aus. Die Ohren sind konstant für Lärm und Geräusche empfänglich. Lärm bleibt damit ein ständiger Stress- und Reizfaktor. Nach neueren Umfragen fühlen sich 80% der Bevölkerung von Lärm belästigt (vgl. Gegenfurtner 2003: 110). Visuelle Reize in der Stadt erfahren wir durch


(vgl. Eisenhardt 2008: 169). Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass Menschen ihre Umwelt unterschiedlich wahrnehmen. Die Humanpsychologie hat zwei unterschiedliche Arten von Menschen identifiziert. Den Introvertierten, der eher gehemmt wirkt und für den schon die gewohnten Reize in seiner Umgebung ausreichen. Auf der anderen Seite steht der Extrovertierte, der ständig neue, fordernde Reize benötigt, die ihn erfüllen (vgl. Eisenhardt 2008: 38,39). Nicht alle Menschen sind demnach der Reizüberflutung in der Stadt gewachsen. Reize fordern uns unser ganzes Leben, wie wir diese jedoch verarbeiten, ist individuell verschieden. Wir sind grundsätzlich darauf aus, unseren Körper und Geist gesund zu halten. Die Reizüberflutung kann auf Dauer schädlich sein. Deswegen sollten auf Symptome, wie Unwohlsein und Stress im Großstadtleben geachtet werden. Gedanken ob wir uns folglich in der Großstadt, in einem Vorort oder sogar auf dem Land wohler fühlen, ist eine Überlegung wert.

sämtlichen physischen Faktoren, aus denen eine Stadt besteht. Sogar eine hohe Heterogenität der Bevölkerung führt, nach Ansicht von Umweltpsychologen, zu einer Informationsbelastung. Auch die hohe physische Dichte, die generell, dem aktuellen Planungsverständnis nach bevorzugt wird, hat ebenfalls eine Reizüberflutung und Stress zur Folge (vgl. Eisenhardt 2008: 104). Der Mensch muss sich einen knappen, öffentlichen oder privaten Raum mit anderen Menschen teilen. Jeder Mensch besitzt eine unsichtbare Grenze, einen eigenen personalen Raum, indem ein Eindringen anderer Menschen unerwünscht ist. In Fußgängerzonen, größeren Bahnhöfen und vollen Zügen ist der Mensch ständiger Grenzüberschreitungen ausgesetzt. Werden die Grenzen des personalen Raumes überschritten, reagiert der Mensch mit Abwehrtechniken oder versucht z.B. durch Wegschauen eine Distanz aufzubauen. Rückzug und Flucht sind die letzten möglichen Abwehrhaltungen (vgl. Eisenhardt 2008: 89,90). Eine Theorie besagt, „dass Überstimulation vermieden wird, wenn die räumliche Distanz in gewissen Grenzen gewahrt bleibt, d.h. die Aufrechterhaltung des personalen Raumes schützt vor Überreizung“ (Eisenhardt 2008: 89). Das Gehirn reagiert grundsätzlich sehr empfindlich auf Reize. Wie stark ein Reiz die Verarbeitungskapazität unseres Gehirns beansprucht, hängt einerseits vom Reiz selbst und andererseits von der betreffenden Person ab. Grundsätzlich gilt:“ Je unvorhersehbarer und unregelmäßiger ein Reiz ist, umso mehr wird die zur Verfügung stehende Verarbeitungskapazität von ihm beansprucht“ (Eisenhardt 2008: 104). Bei Tönen führt z.B. ein plötzlicher und überraschender Ton zu einer hohen Erregung

Abb. 1 Jan Wischniowski, Werbung nervt jeden

Eisenhardt, Thilo (2008): Mensch und Umwelt. Peter Lang GmbH Internationaler Verlag der Wissenschaften. Frankfurt am Main. Gegenfurtner, Karl R. (2011): Gehirn und Wahrnehmung. S. Fischer Verlag GmbH. Frankfurt am Main. Maier, Lutz (2013): Last Man Standing. In: Business Punk, Jg. 2013, Heft 3, S. 47-51. Menke, Birger: Reizüberflutung: Wie Kinder zum Zappelphillip werden. 03.08.2009. http://www.spiegel.de/schulspiegel/wissen/reizueberflutung-wie-kinder-zum-zappelphilipp-werden-a-639684-2.html. 28.03.2014 Abb.1: Jan Wischniowski, http://blog.metanox.de/?p=680 35


blickwinkel

Semiotik Kulturelle Wahrnehmung

Der Stadtraum ist mehr als die Ansammlung von Straßen, Gebäuden und Menschen. Wer ihn lesen will schafft das schon aufgrund seiner semiotischen Fähigkeiten, also der Fähigkeit die Bedeutung von Objekten zu erkennen und zu verarbeiten.

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Zeichen jeglicher Art auf der Mariahilfer StraĂ&#x;e in Wien

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blickwinkel

Die Kultur als Einflussfaktor Fügen wir die Kultur als Teil der Wahrnehmung einer Stadt zu unseren Betrachtungen hinzu, beschreiten wird ein Randgebiet der Planung, welches sich schwer fassen lässt. Kultur ist ein äußerst dehnbarer Begriff, dennoch soll er an dieser Stelle grob gefasst werden. Nach der Definition des amerikanischen Kulturanthropologen Philip K. Bock ist Kultur „im weitesten Sinne das, was dich zum Fremden macht, wenn du von daheim fort bist. Sie [Kultur] umfasst alle jene Überzeugungen und Erwartungen davon, wie Menschen zu sprechen und sich zu verhalten haben. Diese sind als Folge sozialen Lernens zur zweiten Natur für dich geworden. Wenn du mit Mitgliedern einer Gruppe zusammen bist, die deine Kultur teilen, musst du nicht darüber nachdenken. Denn ihr alle seht die Welt in sehr ähnlicher Weise und ihr alle wisst im großen und ganzen, was ihr voneinander zu erwarten habt. Jedoch einer fremden Gesellschaft direkt ausgesetzt zu sein, verursacht im allgemeinen ein störendes Gefühl der Desorientierung und Hilflosigkeit, das ‚Kulturschock‘ genannt wird.“ (Herzog-Schröder: 99). Aus dieser Definition lassen sich mehrere Schlüsse ziehen: 1. „Was dich zum Fremden macht, wenn du fort bist“ → Kultur scheint ein räumlich begrenztes Phänomen zu sein. 2. „Erwartungen davon, wie Menschen zu sprechen und sich zu verhalten haben“ → Kultur beinhaltet eine Logik und schlüssiges Verständnis von den Aktionen der Personen eines Kulturkreises und 3. „Diese sind als Folge sozialen Lernens [...]“. → Kultur ist etwas vom Menschen gemachtes und steht im Gegensatz zur Natur (ebd.). Grundsätzlich kann man Kultur als das von Menschen Geschaffene bezeichnen. Sie steht damit im Gegensatz zur Natur. Kultur nimmt nach Eckardt „[...] als Dimension städtischen Lebens in seiner eigenen Qualität [...]“ (Eckardt 2004: 67) mehr und mehr Raum innerhalb der Stadtsozologie ein. Er führt dabei die Kernthemen „Urban Cultur Turn“, „Semiotik des Urbanen“ und „Lebensstile“ an (vgl. Eckardt 2004: 68). Im folgenden Abschnitt soll die Semiotik betrachtet werden. Sie bildet für das

Thema „Unsichtbare Stadt“ einen besonderen Wert, da Sie, soviel sei zu Beginn bereits gesagt, durch die bereits beschriebenen Sinnesorgane im alltäglichen Leben unbewusst wahrgenommen wird.

Semiotik oder Semantik? In der vorliegenden Literatur wird an verschiedenen Stellen von Semantik und Semiotik gesprochen. Es scheint auf eine genaue Begriffsabgrenzung im Diskurs bisher kein großer Wert gelegt wurden zu sein. Auch in der weiteren Ausarbeitung bleiben die Grenzen eher unklar. Dennoch soll zu einer besseren theoretischen Grundlage die Unterschiede kurz erläutert werden. Semiotik ist die Zeichenlehre. Sie wird vor allem unter linguistischen Schwerpunkten betrachtet. Semantik ist die Bedeutungslehre (Bedeutung von Wörtern etc.) und somit ein Teil der Semiotik (vgl. Kreitmair).

Theorie de Saussure und Peirce Um sich der Semiotik in Bezug auf die gebaute Umwelt nähern zu können, wird eine theoretische Grundlage benötigt. Sowohl de Saussure als auch Peirce können als bekannteste Theoretiker diese Grundlage schaffen. Der Schweizer Sprachwissenschaftler Ferdinand de Saussure prägte den Begriff der Semiotik wesentlich. Nach seinen Theorien ist die Verbindung einer Sache (eines Objektes) und dessen Namen nur uneindeutig. In seiner Vorstellung ist das Zeichen die Verbindung einer Vorstellung und eines Lautbildes (vgl. de Saussure 1967: 130). Zeichen bedeutet in diesem Kontext das Wort, die Schrift oder der Buchstabe. Das Lautbild ist nach dem Konzept de Saussure etwas psychologisches, nicht der tatsächlich geformte Laut, sondern der im Geiste des Menschen gedachte Laut. „Ohne die Lippen oder die Zunge zu bewegen, können wir mit uns selbst sprechen oder uns im Geist ein Gedicht vorsagen“ (de Saussure 1967: 77). Die Vorstellung wird als etwas Abstraktes charakterisiert, was stark von der eigenen Lebenswirklichkeit abhängig ist. Ein weiterer Theoretiker mit hohe Einfluss ist der

BAUM

ABOR

ABOR

Schema de Saussure 38


US-Amerikaner Charles S. Peirce. Im Gegensatz zu de Saussure geht er einem ganzheitlichen Ansatz nach. Bei der Semiotik handelt es sich „[…] um einen Vorgang oder einen Einfluss, der das Zusammenwirken von drei Gegenständen, nämlich dem Zeichen, seinem Objekt und seinem Interpretanten, ist bzw. beinhaltet; ein dreifacher Einfluss, der in keinem Fall in paarweise Vorgänge aufgelöst werden kann“ (Peirce 2003: 411). Das in der Definition beschriebene Objekt ist der tatsächlich physisch vorhandene Gegenstand. Unter dem Interpretanten versteht man das Subjekt also den Mensch (ob auch Tiere dazu zählen soll an dieser Stelle nicht diskutiert werden). Das Zeichen ist zunächst nicht als Schriftzeichen oder etwa Symbol zu verstehen, sondern vielmehr als Vorstellung und Gedanken. Ein Zeichen verweist immer auf etwas anderes als sich selbst. Dabei kann es zwei ver-

Urbane Semiotik In der durch die Geisteswissenschaften dominierte Semiotik gibt es erst ab den sechziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts auch Bezug auf die Architektur und Stadt. In verschiedenen Bereichen werden zum Teil ganze Gebäude zum anderen architektonische Elemente (z.B. konstruktiv-technische, funktionale, formale, räumliche, typologische) betrachtet. Sozio-kulturelle und landschaftsräumliche Dimensionen werden ebenfalls seit dieser Zeit untersucht (vgl. Deutsche Gesellschaft für Semiotik (DGS) e.V.). Es lässt sich jedoch nicht von einem einheitlichen Diskurs sprechen (Eckardt 2004: 67). Einige Ansichten werden im Folgenden angerissen: Die urbane Semiotik lehnt sich an die an die Architektursemiotik an und geht davon aus, dass der städtische Raum (das Objekt) sowohl funktional als auch kommunikativ wahrnehmen lässt. Zeichenobjekte nach Peirce

Objekt, Zeichen, RezipientInnen bedingen sich und stehen in einer Wechselwirkung zueinander.

Der kulturelle Hintergrund des/der RezipientIn ist entscheidend für das Verständnis von Zeichen.

schiedene Funktionen einnehmen. Zum einen die Repräsentationsfunktion, welche wichtig für die Kommunikation ist und durch Wörter, Bilder, Texte oder auch Gesten unser alltäglichen Austausch mit anderen Personen bestimmt. Zu anderen gibt es die Erkenntnisfunktion. Alle Erkenntnis, so Peirce, entsteht nur durch die Verwendung von Zeichen (vgl. Hoffmann 2001). Die beiden Herangehensweisen von Saussure und Peirce unterscheiden sich vor allem dadurch, dass Peirce, im Gegensatz zu da Saussure ein triadisches Modell aus Zeichen, Objekt und Interpretant verfolgt. Er legt somit einen stärkeren Fokus auf die idividuelle, kulturelle Wahrnehmung. Aus diesem Grund ist er als theoretische Grundlage für die weitere Betrachtung der „Urbanen Semiotik“, „Architektursemiotik“ oder „Stadtsemiotik“ zu wählen.

(also Bilder, Sprache, Gesten, Mimik etc.) bestehen aus Bedeutungsvehikel und kultureller Bedeutung. Dabei kann sich die Bedeutung von architektonischen Zeichen im Laufe der Zeit verändern (Eckardt 2004: 68). Als Beispiel können dafür Großwohnsiedlungen angeführt werden. Während in der Entstehungszeit die „Platte“ für Fortschritt stand, ist heute die Assoziation mit sozialem Brennpunkt allgegenwärtig. Trotz dieser Dynamik sind Architektur und der Städtebau „die räumlich (und auch zeitlich) breiteste semiotische Manifestation[...]“ (Wildegen 2013: 237 ). Urbane Bilder sind dabei nur sehr undeutlich, da Signifikate (Bedeutungen) sehr flüchtig und Signifikante (Bedeutungsträger also Karten etc.) beständig sind (Eckardt 2004: 68). Für Gottdiener sind urbane Zeichen eine Ausdruck von Machtverhältnissen und ideologisches Produkt. Deshalb haben verschiedene urbane Regime unterschiedliche

ZEICHEN

INTERPRETANT

OBJEKT Schema Peirce 39


blickwinkel stadtkulturelle Zeichenkonstellationen zur Folge (Eckardt 2004: 70). Der Städtebau an sich gibt durch seine Zeichen (nicht im Sinne von Schildern sondern im Sinne Anordnung von Gebäuden und der Assoziation) bestimmte Verhalten oder Orientierung vor. Zum Beispiel Shopping Malls, sie dienen als Zeichen urbaner Lebensstile in niedrig verdichteten suburbanen Räumen. Außen mit Parkplatz und Außenfassade das Symbol für Konsum. Im inneren sind sie jedoch die Rekonstruktion urbaner Elemente. So werden Raumbilder produziert und gleichzeitig werden diese idealisierten Raumbilder an Personen mit weniger urbanen Erfahrungen weitergegeben. Die Zeichen des

Urbane Semiotik bezieht sich vor allem auf die Repräsentationsfunktion von Zeichen. urbanen Raums ist dann für einige Menschen also nicht mehr die tatsächlichen urbanen Zentren mit all ihren Dynamiken, sondern ein generiertes semiotisches Setting. Es gibt somit eine Wechselwirkung zwischen Zeichen und Rezipienten (Eckardt 2004: 70f). Die auch das Verhalten der RezipientInnen beeinflussen können. Jeder Mensch kann nur auf ein begrenztes Maß an Erfahrungs- und Deutungsmöglichkeiten zurück greifen, darum ist auch die Sensibilität für urbane Zeichen eingeschränkt. Der Eindruck von Städten wird durch die eigenen Erfahrungs- und Handlungsfeld stark geprägt und bildet auch die individuelle Identität. Deshalb ist es für PlanerInnen und ArchitektInnen wichtig bisherige Codes/Zeichen zu verwenden um den Nutzer/die Nutzerin nicht zu überfordern.

Stadtsemiotik vs. Architektursemiotik Die Entstehung der Stadt ist der Beginn der semantischen Zeichenbildung. Sie beginnt bei Stadtstrukturen und geht bis zur Architektonischen-, Straßen und Hausformen in denen „Regionale und lokale Traditionen [...] stilbildend“ wirken (Reblin 2012: 80). Der Unterschied zwischen Stadt- und Architektursemiotik vor allem Raum und Zeit (vgl. Wildgen 2013). Räumlich gesehen fasst die Stadtsemiotik größere Dimensionen, mehr Menschen, unzählige Häuser und auch jene gestalteten Objekte, welche zwischen ihnen liegen z.B. Plätze, Straßen. Zeitlich gesehen bedeutet dies: Die über Jahrhunderte entstandenen Räume werden immer wieder neu be- und überbaut. Vor allem die Zentren von Städten sind semiotisch stark ausgebildet. Sie vermitteln Ideologie, Einstellung oder das Selbstverständnis einer Stadt. Anhäufungen gibt es z.B. in Parlamenten, Rat der Stadt, Forum der Römer, Agora der Griechen. 40


Bedeutungknoten im urbanen Raum dienen gesellschaftlicher und und politischer Stabilität.

Ein Beispiel urbaner Semiotik Wildgen führt in seinem Buch „Visuelle Semiotik“ als Beispiel von urbaner Semiotik die Stadt Bremen an. Im Zentrum der Stadt sind sakrale und profane Gebäude angeordnet. Mit der Errichtung eines Rolands, welcher gemeinhin als Repräsentant des Marktrechts fungiert versucht die profane Macht ihre Stärke zu demonstrieren. Seine Materialität ändert sich von einer hölzernen zu einer steinernen Statur und gilt damit als Erstarkung der Zeichen gegen die sakralen Bauten der Stadt. Zu der Zeit galt dies auch als ein Zeichen der Gleichberechtigung gegenüber dem Erzbischof. Die Statur ist mit weiteren Zeichen ausgestattet. So trägt der Roland das Siegel der Stadt Bremen und die Stadturkunde. Damit wird wiederum die Unabhängigkeit der Stadt und die Freiheit der in ihr Lebenden BürgerInnen angezeigt. In diesem Beispiel verbinden sich verschiedene Zeichentypen: Material, Position, Zeichenformate etc. führen zu einem Netzwerk von Verbindungen, die durch die Rolandfigur in eine leichte, verständliche Form gebracht wird. Der Roland ist damit ein Bedeutungsknoten, der als Zeichen aber auch zur Machstabilisierung und politischen Aussage im städtischen Raum verankert ist.

Bedeutungsknoten: der Bremer Roland 41


blickwinkel

Literatur:

Abbildung:

De Saussure, Ferdinand (1967): Grundlagen der allgemeinen Sprachwissenschaften, Berlin. Durth, Werner (1977): Die Inszenierung der Alltagswelt, Zur Kritik der Stadtgestaltung, Braunschweig.

Schema de Saussure: eigene Dastellung nach de Saussure 1967 Schema de Peirce: eigene Darstellung nach Peirce 2003 Bedeutungsknoten: der Bremer Roland: http://nextgeneration-blog. hapimag.com/wp-content/uploads/2013/08/7.-Woche-Bremer-Roland. jpg [26.03.2014]

Eckardt, Frank (2004): Soziologie der Stadt, Bielefeld. Herzog-Schröder, Gabriele (1994): „Fremd und vertraut – Ethnologie, die Wissenschaft von anderen Kulturen“, in: Wulf Schiefenhövel; Christian Vogel; Gerhard Vollmer, Uwe Opolka (Hg.): Zwischen Natur und Kultur. Der Mensch in seinen Beziehungen. Beiträge aus dem Funkkolleg »Der Mensch – Anthropologie heute«, Stuttgart, S. 95-108. Kloesel, Christian J.W. Und Pape Helmut (2000): Charles S. Peirce Semiotische Schriften, Band III 1906-1913, Frankfurt am Main. Peirce, Charles S (2003): The essential Peirce : selected philosophical writings, Bloomington. Reblin, Eva (2012): Die Straße, die Dinge und die Zeichen, Zur Semiotik des materiellen Stadtraums, Bielefeld Wolfgang (2013): Visuelle Semiotik : die Entfaltung des Sichtbaren; vom Höhlenbild bis zur modernen Stadt, Kreitmair, Inés Gewerbliche Schule Leutkirch / TG Semiotik (o.a.): Semiotik (= Zeichentheorie, Lehre der Zeichen). http://www.gymoedeme.de/anhaenge/2927/Semiotik%20Einf%C3%BChrung.pdf [13.01.2013]. Hoffmann, Michael H.G. (2001): Peirces Zeichenbegriff: seine Funktionen, seine phänomenologische Grundlegung und seine Differenzierung. http://www.uni-bielefeld.de/idm/semiotik/Hoffmann-Peirces_Zeichen. pdf, [13.01.2013]. Deutsche Gesellschaft für Semiotik (DGS) e.V. (o.A.): Architektursemiotik. http://www.semiose.de/index.php?id=500,35 [13.01.2013]. Aicher, Otl/Krampen, Martin (1977): Zeichensysteme der visuellen Kommunikation, Handbuch für Designer Architekten Planer OrganisatorenWildgen,

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Identität „Individuum und Volk sind also in ständiger Suche nach sich selbst; beide müssen bestimmen, worin ihre Originalität besteht, und sich daran halten.“ (Taylor 1995: 16)

I

dentität leitet sich aus dem Lateinischen ab und bedeutet übersetzt „dasselbe“. Inwiefern dies zu den gefundenen Definitionen passt, wird sich im Laufe dieses Artikels zeigen. Doch wie entsteht Identität? Hierzu gibt es unterschiedliche Auffassungen: Identität entstehe bereits während der Geburt (vgl. Kersten 1989: 27), Identität entstehe erst in der Pubertät (vgl. Schneider 1989: 39f) oder Identität entwickele sich im Laufe der Jahre (vgl. Schneider 1989: 35). Doch was ist eigentlich Identität? Von dieser Definition gehen wir in diesem Artikel im Folgenden aus: Identität, das ist die Selbstdefinition die sich der Mensch im Laufe seines Lebens bildet. Mit der Identität legen wir unsere eigenen moralischen Werte fest (vgl. Taylor 1995: 11). Seine eigene Identität anzuerkennen ist elementar, denn „meine Identität begründet „wer ich bin““ (Taylor 1995: 12). Der Verlust der Identität ist gleichzusetzen mit einer Lebenskrise (vgl. Schneider 1989: 41f). Ohne Identität ist der Mensch kaum in der Lage sich zu normal zu verhalten, denn Identität befähigt ihn sich in andere Menschen hineinzuversetzen, sie zu verstehen und das Erfahrene zu reflektieren. Denken wir nur einmal an das „typische“ Verhalten von Jugendlichen: sie befinden sich in einer Art Umbruch und wissen noch nicht wer sie sind. Sie sind manchmal nicht in der Lage sich selbst zu reflektieren und haben nur in mancher Hinsicht Verständnis für Andere. Die Jugendlichen befinden sich teils in einer „Identitätskrise“ (vgl. Taylor 1995: 11). In ei-

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ner gewissen Form haben wir jedoch schon von Geburt an eine Identität, denn unsere Individualität ist teilweise bereits in unseren Genen angelegt. Unsere Gene führen dazu, dass jeder Mensch einzigartig ist. Das bietet uns, neben allen Sozialisationsprozessen, die Möglichkeit uns von anderen abzugrenzen. Dies stellt auch ein Element der Identität dar: nicht nur sich seiner Selbst bewusst zu sein, sondern sich auch von Anderen abgrenzen zu können (vgl. Kersten 1989: 23, 27). Gerne verdeutlichen wir diese Abgrenzung auch durch unser gesamtes Erscheinungsbild zum Beispiel mithilfe von Kleidung (vgl. Kersten 1989: 27). Doch trotz der genannten bereits festgelegten Individualität in unseren Genen haben wir die Möglichkeit „unsere Fähigkeiten und Künste, unsere körperlichen und charakterlichen Eigenschaften [zu] verbessern, wenn sie gut sind oder zu unterdrücken, wenn sie weniger gut sind. Unsere Genetik kann uns nicht davon abhalten, unsere individuellen Leben zu führen und so unsere Identität zu finden“ (Kersten 1989: 32f). Eine Diktatur beschränkt uns beispielsweise in unserer geistigen Freiheit und somit Identität (vgl. Kersten 1989: 32f). Und auch „die Demokratie zwingt uns im gemeinsamen politischen Projekt zu viel mehr Solidarität und wechselseitigem Engagement als die hierarchisch-autoritären Gesellschaften von früher“ (Taylor 1995: 19). Womit wir zum Gebiet der gemeinsamen Identität kommen, denn häufig identifizieren sich auch Einzelne über die Gruppe, andererseits liefert die Gruppenzugehörigkeit ebenfalls


bedeutende Elemente für die eigene Identität (vgl. Taylor 1995: 17). Hier erinnern wir noch einmal an die am Anfang genannte Übersetzung aus der lateinischen Sprache „dasselbe“. Das Wort in seiner Bedeutung passt zum Begriff der Gruppenidentität: der Mensch identifiziert sich mit einem Überthema und ist der Gruppe zugetan. Doch wie lassen sich diese Erkenntnisse auf die Stadt bzw. auf die unsichtbare Stadt übertragen? Hierzu fällt der bekannte Begriff „Stadtidentität“ ein: „Der Begriff der Stadtidentität basiert auf der Vorstellung, dass jede Stadt einzigartig ist“ (Kühne 2012: 163). Was Stadtidentität ausmacht ist manchmal kaum greifbar und schwer zu erfassen. Beziehen wir uns auf die vorher genannte Umschreibung des Begriffs Identität, ergeben sich daraus folgende Fragen: Wie wird der Wohnort zu „meiner Stadt“? Wie grenzt sich meine Stadt zu anderen Städten ab? Was macht meine Stadt aus? Warum fühle ich mich in meiner Stadt wohl und wie nehme ich sie wahr?

Literatur:

??

Kersten, Walter (1989): Die biologische Identität des Menschen, In: Kößler, Henning (Hrsg.) (1989): Identität, Fünf Vorträge von Konrad Jacobs – Gotthard Jasper – Walter Kersten – Hennig Kößler –Holger Kurt Schneider, Erlangen.

Kössler, Henning (1989): Bildung und Identität, In: Kößler, Henning (Hrsg.) (1989): Identität, Fünf Vorträge von Konrad Jacobs – Gotthard Jasper – Walter Kersten – Hennig Kößler –Holger Kurt Schneider, Erlangen. Schneider, Holger Kurt (1989): Psychatrie und Identität, In: Kößler, Henning (Hrsg.) (1989): Identität, Fünf Vorträge von Konrad Jacobs – Gotthard Jasper – Walter Kersten – Hennig Kößler –Holger Kurt Schneider, Erlangen.

Kühne, Martina (2012): Stadtmarken, In: Hilber, Maria Luise/Datko, Götz (Hrsg.) (2012): Stadtidentität der Zukunft, Wie uns Städte glücklich machen, Berlin.

Taylor, Charles (1995): Ursprünge des neuzeitlichen Selbst, In: Michalski, Krzysztof (Hrsg.): Identität im Wandel, Castelgandolfo-Gespräche 1995, Institut für die Wissenschaften von Menschen, Wien. Abbildung:

Fingerabdruck: steuerberaten.de (2009): Verlust der wirtschaftlichen Identität, http://blog.steuerberaten.de/unternehmen/12_2003_verlust-der-wirtschaftlichen-identitat/ (letzter Zugriff am 29.03.14).

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„Subjekt-Identität bedeutet Profil und Kontur für die Persönlichkeit (einschließlich Ecken und Kanten, die dergleichen im Laufe eines Lebens mit sich bringen kann), bedeutet Individualität und Unverwechselbarkeit im Unterschied zu Konturenlosigkeit und Blässe von Menschen, die in ihrer Identität nicht greifbar sind, weil es an Merkmalen fehlt, die ihnen zukommen könnten.“ (Kössler 1989: 60)

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Disneyfizierung

Aus einem Inputvortrag von Dr. -Ing Frank Roost Disney – da denken wir an unsere Kindheit zurück: schön gezeichnete Zeichentrickfilme mit einem Happy End, Disneyland Paris (eines jeden Kindertraum) und einer Menge Spielsachen mit Disneysachen darauf. Doch was steckt eigentlich noch hinter dem Medienimperium Disney? Und warum kommt es in diesem Magazin vor, dass von der „Unsichtbaren Stadt“ handelt? In den 1950er Jahren eröffnet Walter Disney nach erfolgreichen Cartoons, wie Mickey Mouse und Donald Duck, den ersten Disneyland Park in Anaheim, Kalifornien, viele weitere folgen in den kommenden Jahrzehnten. In diesen Themenparks schafft er eine Illusion von einem sauberen und sicheren Ort – „the happiest place on earth“. Doch wie wird diese Illusion geschaffen? Durch die abgeschirmte Lage des Parks in Anaheim zwischen einer Autobahn und Sümpfen entsteht eine soziale und räumliche Exklusivität. Es entsteht ein Ort, der nur begrenzt Personen (nämlich nur denen, die den Eintrittspreis zahlen können) Einlass gewährt und der die Vielfalt einer gewachsenen Stadt (ohne den Einfluss des Automobils) simuliert. Mit Letzterem wird eine stille Sehnsucht der damaligen Zeit bedient, denn in den 1950er Jahren der USA war man schon stark vom Automobil geprägt, das seit den 1920er Jahren den Straßenraum für sich einnahm (Deutschland im Vergleich erst verstärkt in den 1950er Jahren). In dieser sicheren, sauberen, vielfältigen und stadtnachahmenden Struktur gibt es eine Hauptstraße, die Main Street USA. Sie entspricht in großen Teil der traditionellen Kleinstadt und prägt und popularisiert von nun an das Idealbild einer Hauptstra46

ße in den USA. Die Illusion von Sauberkeit wird u.a. durch ein unterirdisches Tunnelsystem geschaffen, welches für die BesucherInnen nicht sichtbar ist. Außerdem wird bei aufkommenden Streitigkeiten zwischen Gästen sofort interveniert und Vermittlungsarbeit geleistet. Die MitarbeiterInnen unterstehen bestimmten Richtlinien, welche das äußere Erscheinungsbild reglementieren, wie das Verbot des sichtbaren Tragens von Tätowierungen. Neben seinen Themenparks wendet Disney weitere „unsichtbare“ Besonderheiten an: Cross-Promotion und den Mere-Exposure-Effect. Der Begriff Cross-Promotion bezeichnet eine Gewinnmaximierung durch Synergieeffekte, also sich ergänzende und gegenseitig bewerbende Produkte auf dem Markt zu haben, so z.B. zum Kinofilm das entsprechende Buch, Soundtrack, Kleidung, Plüschtiere, Spielfiguren im Happy Meal usw. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist der Schauspieler Tim Allen, der in der erfolgreichen Disneyproduktion „Hör mal, wer da hämmert“ (Sendung aus den 1990er Jahren) mitspielt. Als die Fernsehserie ihre größten Erfolge verzeichnen konnte, kam innerhalb eines Jahres die Autobiografie des Schauspielers und ein neuer Familienfilm („The Santa Claus“) mit ihm in der Hauptrolle auf den Markt. Die Produkte bewarben sich also gegenseitig und schafften dadurch gleichzeitig die erfolgreichste Fernsehserie, das meist verkaufte Buch und den erfolgreichsten Film des Jahres. Der sogenannte Mere-Exposure-Effekt bezeichnet die Wirkung, dass wir unter der Voraussetzung, dass eine erste Begegnung positiv ausgefallen ist, bei mehrfachem bzw. wiederholten Kontakt mit Personen, Dingen oder Situationen unterschwellig etwas Positives damit ver-


knüpfen. Der Mere-Exposure-Effekt stärkt somit positiv das Ziel der Cross-Promotion.

nähern auch wir uns bereits diesem Thema in Form von Gated Communities?

Disney baut seine eigene Stadt In den 1990er Jahren errichtet Disney dann seine eigene Stadt: die Celebrationsiedlung in Orlando, Florida. Stararchitekten schaffen mithilfe von urbanen Symbolen z.B. einem Wasserturm (der ohne wirkliche Nutzung mehr einer Kulisse gleicht) eine traditionelle Kleinstadt, die stark den Disneyparks gleicht. Besonders auffallend ist hier die Hauptstraße, die fast identisch mit der Main Street USA aus den Themenparks ist. Die also nun Jahrzehnte vorgelebte Stadtidylle kann somit für die AmerikanerInnen Realität werden. Die Celebrationsiedlung unterscheidet sich jedoch von den bisher bekannten Städten: So gibt es keine/n BürgermeisterIn, ein neues Schulsystem und beim Einzug wird ein Wohnvertrag unterschrieben, der beispielweise das Verhalten in der Celebrationsiedlung festschreibt. Hierdurch soll eine fröhliche, entspannte Atmosphäre entstehen – wie auch schon in den Disney Themenparks. Wir sprechen hier vom „Disney realism“ – dem Ein- bzw. Ausblenden von bestimmten Aspekten.

Aus einem Inputvortrag von Dr.-Ing. Frank Roost vom 12.11.2013 zum Thema „Disneyfizierung und Unsichtbare Stadt“ im Rahmen des Projektes „PlanerInnentreffen 2014 - Unsichtbare Stadt“

Wir stellen also fest, dass Disney mit seinem Konzept von einer sauberen und sicheren Welt und den damit zusammenhängenden Regeln spannende Fragen für die Planungsdisziplin und das Thema „Unsichtbare Stadt“ aufwirft: Welche Folgen haben diese Sanktionen für den öffentlichen Raum? Wie wird die Stadt durch das Ausblenden bestimmter Aspekte beeinflusst und inwiefern

Donald Duck: Eigene Darstellung auf Grundlage von: my.englishclub. com (2013): Oh Mr. Walt Disney, Why you did so with my Love..., http://my.englishclub.com/profiles/blogs/oh-mr-walt-disney-why-youdid-so-with-my-love (letzter Zugriff am 30.03.14).

Abbildungen: Mickey Mouse: Eigene Darstellung auf Grundlage von: my-favorite-coloring.net (2014): Coloring, drawings to print, http://www. my-favorite-coloring.net/Drawing/Colors/Print/Famous-characters/ Walt-Disney/Mickey-Mouse/21148 (letzter Zugriff am 30.03.14).

spraypainstencils.com (2007): November 2007 Stencil Requests, http:// www.spraypaintstencils.com/07-november-stencils.htm (letzter Zugriff am 30.03.14).

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unsichtbare bausteine Inwiefern, die gefundenen Exkursionsthemen unsichtbare, regionale und aktuelle Aspekte beinhalten, wird durch fünf Fragen gesichert.

Die Exkursionen formen sich durch die „unsichtbaren“ Bausteine. Aufgrund der Erkenntnisse der Wahrnehmungsreferate, sinngemäß nach Goethes Zitat „man sieht nur, was man kennt“ sollen die ExkursionsteilnehmerInnen zunächst für das jeweilige Thema sensibilisiert werden. Angedacht dazu sind Vorträge, Blickschulen, geführte Begehungen usw. Wichtig ist es, den Blick zu öffnen und ein Verständnis dafür zu 48

schaffen. Alle Exkursionen beinhalten die Beantwortung der Fragen in Form von fünf Bausteinen. Der erste Baustein befasst sich mit der „Unsichtbarkeit“, er dient der Herausarbeitung der unsichtbaren Aspekte der Exkursionen. Im zweiten Baustein wird das Exkursionsthema regional vertieft, denn jedes PIT beschäftigt sich örtlich mit der Austragungsregion. Im dritten Bau-

stein wird Übertragbarkeit auf andere Städte sichergestellt. Dabei soll den Teilnehmenden die Möglichkeit geboten werden ihre gewonnenen Erkenntnisse in ihrer Region anzuwenden. Der letzte Baustein hinterfragt die Aktualität des jeweiligen Themas für Kassel und die Region. Ferner besteht ein Anspruch, die Thematiken mithilfe alternativer Formaten zu vermitteln.


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„(d)ornröschenschlaf“ Die documenta weckt Kassel alle paar Jahre aus ihrem Dornröschenschlaf und macht Nutzungsmöglichkeiten sichtbar, die sonst nicht möglich wären.

Die documenta hat bemerkenswerte Auswirkungen auf die Stadt Kassel. Begonnen 1955 unter der Leitung von Arnold Bode, sollte zunächst die unzugängliche Kunst während des Krieges wieder zugänglich gemacht werden. Inzwischen hat sich das Format documenta etabliert (vgl. Oswalt, Ebert, Schmidt 2007: 9). Einst von der Stadtverwaltung Kassels und den BürgerInnen ungewünscht trägt Kassel inzwischen den Titel documenta-Stadt (vgl. Oswalt, Ebert, Schmidt 2007: 5). Das besondere an der documenta ist, dass während der Ausstellung die ganze Welt auf Kassel blickt. Oder ist es doch nur die künstlerische Szene? Fest steht, dass die documenta Kassel für 100 Tage verändert. 100 Tage alle 5 Jahre wird Kassel aus ihrem „Dornröschenschlaf“ erweckt und zahlreiche besondere Nutzungen sowie Potenziale werden sichtbar gemacht. Während der Ausstellung strahlt Kassel einen einzigartigen Flair aus. Diesen gibt es nur während dieser Ausstellung, wobei sich nicht jede documenta gleicht. Aber immer ist die Stadt durchmischter, farbenfroher und vielfältiger in dieser Zeit. Stadtplanerisch prägt sich das Großevent documenta in stetig steigenden Besucherzahlen aus. Diese wollen unterhalten und versorgt werden. Es poppen Restaurants, Bars und Diskotheken auf. Das unmögliche scheint während dieser Zeit realisiert zu werden. Die Stadt befindet sich im Ausnahmezustand. Es fühlt sich für die BesucherInnen so an, als würden BürgerInnen und Stadtverwaltung gemeinsam an einem Strang ziehen, um Kassel in voller Blüte präsentieren zu können. Die documenta ist etwas Besonderes für Kassel, kein anderes Event nimmt in solchen Ausmaßen Platz in der Stadt ein (vgl. Oswalt, Ebert, Schmidt 2007: 11).

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Und dann passiert es, die 100 Tage gehen zu Ende und Kassel verfällt in diesen „Dornröschenschlaf“. Jahre der Ruhe und Vorbereitung, bis die Euphorie erneut entfacht. Zahlreiche besondere Orte werden zurückgebaut, die bunte gesellschaftliche Durchmischung verschwindet und zurück bleiben die „wahren“ Kasselaner. Sie schwelgen in Erinnerung darüber, welch ein toller „Großstadtflair“ zu dieser Zeit geherrscht hat, wie sie auch darüber in Erinnerung schwelgen, welch eine tolle Stadt Kassel vor der Zerstörung war - gehört es schon zur Kasseler Nostalgie? In dieser Exkursion begehen wir Kassel während dieser Ruhephase. Die nächste documenta wird 2017 stattfinden. Exemplarisch laufen die TeilnehmerInnnen mit Expertenführung im Stadtraum erhaltende Exponate ab und bekommen Einblicke in die Documentageschichte, die Verbindung zur Stadtverwaltung sowie der Hintergründe der Künstler als auch der jeweiligen künstlerischen Leitung. Auch werden Orte der temporären Nutzung besucht, angedacht ist der ehemalige Standort der Diskothek BASE (13) und deren Initiatoren. Bedeutend ist, dass die Gruppe einen Sinn davon spürt, wie weit die Stadt sich zur documenta ändert, welche Möglichkeiten entstehen und welche übrig bleiben.

Literatur: Oswalt, Philipp; Ebert, Carola; Schmidt, Anne; Studierende der Projektwerkstatt documenta EFFECTS (2007): documenta EFFECTS, Was macht die documenta mit der Stadt?, Kassel.


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denk|mal Inwiefern können Denkmäler Räume transformieren ? In welchem Fall machen sie Raum sichtbar?

Das erste Denkmal im öffentlichen Raum gab es in Kassel 1686 (online: Liste der öffentlichen Kunstwerke und Baudenkmäler in Kassel). Das zeigt, dass öffentliche Kunstwerke, Denkmäler, Mahnmale und Kunstobjekte im Raum auf eine über 300 jährige Geschichte zurückblicken. Aber nicht nur das - sie schreiben und schrieben auch selbst Geschichte. Die Exkursion „denk mal“ schreitet vorbei an diesen geschichtsträchtigen Orten und macht mithilfe von ExpertInnen, Diskussionen und Vermutungen deren ursprüngliche Intension sichtbar. Es werden zunächst die Wurzeln der Kunst im Raum sichtbar gemacht: Aus welchem Grund steht das Objekt an dieser Stelle, transformiert es den Raum, welcher Gedanke soll vermittelt werden? Anhand der Liste der öffentlichen Denkmäler und mit Entwicklung des Denkmalschutzes in Kassel wird ein facettenreicher Stadtspaziergang erstellt. Die Documentarelikte rücken dabei in den Hintergrund, denn diese werden in einer speziellen Exkursion behandelt. Diese Exkursion behandelt eher die ursprüngliche Form von Kunst, Denkmal und Mahnmal in der Stadt. Ziel ist es den TeilnehmerInnen zu veranschaulichen, was zur jeweiligen Zeit die Intensionen

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hinter dem Objekt war, wie die BürgerInnen damals damit umgegangen sind und wie heute. Durch die Untersuchung der geschichtlichen Hintergründe werden die ExkursionsteilnehmerInnen tiefgründig in die Thematik eingeführt, sensibilisiert und erlangen damit einen ExpertenInnenblick auf die Objekte. Zum Schluss haben sie einen epochalen Überblick und können darüber debattieren, welche Objekte Räume sichtbar und welche ihn unsichtbar machen. Weiterhin wird darauf darüber spekuliert, was aus planerischer Sicht erhaltenswert wäre, wo Handlungsbedarfe sind und welche Objekte eventuell zu vernachlässigen wären.

Literatur: online: http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_öffentlicher_Kunstwerke_und_Denkmäler_in_ Kassel (Zugriff: Feb. 2014).


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digitale urbanität existenz einer unsichtbaren parallelwelt Social Media, Augmented Reality, Digitale Urbanität: Begriffe einer medialen Gesellschaft, die die Stadt schon heute beeinflussen und in Zukunft stark prägen werden. Die Grundlage für diese Phänomene ist das Internet, welches in der heutigen Zeit, nicht mehr wegzudenken ist. Die Stadt von heute muss sich auf die digitale Realität einstellen und sie muss dafür auch geplant werden.

Di|gi|tal| auf Digitaltechnik, Digitalverfahren beruhend duden.de

Ur|ba|ni|tät städtische Atmosphäre duden.de

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Die digitale Urbanität ist bereits ein fester Bestandteil unseres Alltags geworden. Gut ausgebaute Informations- und Kommunikationsnetzwerke sind prägender Einfluss- und Standortfaktor, der für Fortschritt und Entwicklung steht. Für heutige UnternehmerInnen, ob national oder international, ist das Internet ein essenzieller Bestandteil ihrer Arbeitswelt. Es ist ausschlaggebend für Städte eine gute Internetanbindung zu gewährleisten. Insbesondere Dienstleistungsunternehmen, aber auch die gesamte Wirtschaft sowie die Politik werden immer mehr durch die stetig wachsende Bedeutung der immer neueren Informations- und Kommunikationstechnologien beeinflusst. Stichworte sind unter anderem Bildungswesen, Sicherheit und Mobilität. „Die neuen Technologien stellen also einen bedeutenden Treiber für die Evolution moderner Städte dar“ (Jaekel, Bronnert 2013: 8).

Weiterhin erlaubt die Nutzung des Internets vieles sichtbar zu machen, was in der Stadt für das menschliche Auge außer Reichweite oder gar unsichtbar ist. So verwundert es nicht, dass mit Hilfe von Applicationen wie „Wardriving“ die Dichte von Wlan Routern sichtbar gemacht werden kann, ohne sie selbst überhaupt erahnen zu können. Man kann mit Hilfe von Google Streetview Städte besuchen, bevor man überhaupt vor Ort war. Entsteht neben der analogen Stadt eine unsichtbare digitale Stadt? Oder ist dieser Prozess bereits soweit fortgeschritten, dass man die Grenzen zwischen Realität und Virtualität kaum unterscheiden kann? Bei diesem Exkursionsthema versuchen die TeilnehmerInnen dies herauszufinden.


Abb.: A Kasseler Augmented Reality 55


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Das Unsichtbare Gesellschaftsnetz Social Media

nur Interessenskonflikte ausgetragen werden können, sondern auch eine Partizipation der BürgerInnen im Stadtgeschehen erfolgen könnten (vgl. Pfeiffer, 2011). Man sieht, digitale Kommunikation ist nicht nur für den Einzelnen, sondern für die „Stadtgemeinschaft“ im Allgemeinen von größter Bedeutung. Für die junge Generation, die mit der Benutzung von Computern aufgewachsen ist, ist die Nutzung dieser Kommunikationsform längst Alltag geworden, so dass man mittlerweile zwischen „Digital natives“ und „Digital Immigrants“ unterscheidet (vgl. Prensky 2001). Die meisten haben diese Begriffe gehört, aber können ihnen keine klare Bedeutung zuordnen. Geprägt wurden diese Begriffe von Mark Prensky 2001 in der Zeitschrift „on the Horizont“. Er nutzte die „Sprache“ als Meta-

senger. Im Gegensatz dazu steht der „Digital Immigrant“, der ohne all den Einfluss aufgewachsen ist und sich solch ein Wissen erst aneignen muss. Sei er auch noch so fasziniert, benutzt dieser nicht selbstverständlich das Internet um zu chatten, bloggen oder posten. Dies führt häufig zu Generationskonflikten sowohl in der privaten Gesellschaft als auch in der Arbeitswelt. Zum Beispiel sind häufig in den Führungspositionen noch „Digital Immigrants“ vertreten. Dennoch wird es immer essenzieller für Unternehmen jeder Größe sich den stetig voranschreitenden Entwicklungen der digitalen Welt anzupassen. Durch die neue Generation der Digital natives in den Firmen erfolgt solch ein Schritt. Die Führungsetagen müssen dies nur zulassen. Prensky sagte dazu:

„75 Prozent der Onliner in Deutschland nutzen Social Media-Angebote “ (IMWF, 2013), so lautet das Umfrageergebnis aus dem Social Media Atlas 2013, der vom IMWF – Institut für Management- und Wirtschaftsforschung ermittelt wurde und der Trend sei steigend. Durch die steigende Nutzung von tragbarer digitaler Zugangshardware, wie Smartphones sowie Social-Media Apps wie Twitter, Facebook und Co kommt es zu einer starken globalen Vernetzung der BürgerInnen innerhalb und außerhalb von Städten. Dabei wird soviel wie nie zuvor kommuniziert, jedoch nun vermehrt digital anstatt durch direkten zwischenmenschlichen Kontakt. Die Werbeindustrie hat dieses Potenzial längst erkannt. Grund dafür ist, dass sich mehr „Our Digital Immigrant instructors, who speak an potenzielle Kunden für die meisten Unternehoutdated language (that of the pre-digitalage), men auf der Facebook are struggling to teach a population that spreaks Plattform befinden, als an an entirely new language“ ausgewählten Standorten - Mark Prensky in der Stadt und durch Zugriff auf die Profildaten eine exakte Zielgruppe angesprochen werden kann. pher für die damals noch recht neue Augmented Reality Solch ein Potenzial könnte auch für digitale Welt. Die junge Generation Institutionen wie die Stadtverwal- sei damit aufgewachsen wie „Mut- Besonders zu beachten ist auch die tung interessant sein. Bisher gehen tersprachlerInnen“, also „digital „Augmented Reality“, die vor eiInitiativen nur von den BürgerInnen natives“. Menschen dieser nigen Jahren noch als Utopie in und bürgernahen Planungsbüros aus. Altersgruppe sind so mit den mo- Kinofilmen galt, wird gegenwärtig Dafür nutzen sie Blogs wie „urban- dernen Technologien und digitalen zunehmend zur Realität. Besonders shit“ als Sprachrohr, um durch stei- Netzwerken vertraut, dass in deren durch die zunehmende Nutzung von gende Leserzahlen das Interesse an Alltag die Trennung zwischen digi- modernen Smartphones und Tablets. Stadt und Architektur zu erhöhen. taler und realer Welt immer weiter Man versteht darunter eine ergänAuch für die Stadt könnte auf die- verschwimmt. Sei es bei der Nut- zende computergestützte Wahrnehsem Weg ein viel größerer öffentli- zung von Suchmaschinen als „In- mung, bei der sich reale und virtuelcher Diskurs angeregt werden. Sol- ternetrecherche“ oder die Nutzung le Welt vermischen. che Blogs würden damit zu einer von „Instant Messaging Apps“ wie Über die gerade betrachtete reale Diskussionsplattform, auf der nicht Whatsapp oder dem Facebook Mes- Welt werden in Echtzeit Textinfor56


mationen und Grafiken geblendet. Die Anwendungszwecke reichen von der Information über die unmittelbare Umgebung, über die ins Sichtfeld eingeblendete Navigation bis hin zu urbanen Spielen (Dörner, Broll, Grimm, Jung 2013). Man kann also sagen, dass eine „Ergänzung des mit unseren „nackten“ Sinnen Wahrnehmbaren durch eine oder mehrere weitere Informationsebenen“ stattfindet (Jaekel, Bronnert

cules und auf einer angebrachten Erklärungstafel befindet sich solch ein QR-Code. Scannt nun einer der Touristen diesen Code, sei es nur aus Neugierde, eröffnet es ihm eine Reihe von Nutzungsmöglichkeiten. Es würde sich ein Mediathek mit multimedialen Inhalten, sei es Text, Bild, Audio und/oder Video öffnen, die zum Beispiel den geschichtlichen Hintergrund des Kasseler Wahrzeichens erläutern. Das geht natürlich

Das Internet verändert nicht nur die Kontaktaufnahme, z.B. durch Werbung, zwischen Unternehmen und Kunden, sondern auch der Einzelhandel und damit das Bild der Innenstädte. Online Händler wie Amazon oder Zalando mit ihrem breitgefächerten Angebot dringen immer intensiver auf den Markt. Dadurch dass bequem von zu Hause die Waren bestellt und diese gebracht werden, scheinen sie den lokalen HändlerInnen die KundInnen immer mehr abzuwerben und für sich „Der elektronische Marktplatz wird unsere zu gewinnen. Ehemals florierende Geschäfte Kultur ebenso verändern wie Gutenbergs insb. Familienbetriebe Druckerpresse die Welt des Mittelalters“ verschwinden aus dem - Bill Gates Stadtbild. Lediglich Ladenketten wie P&C, Saturn oder Edeka schei,2013: 63). Durchführbar machen auch mehrsprachig (Live QR, o.A.). nen weiterhin im Stadtbild präsent das u.a. Tablets und Smartphones, Dadurch wären große Informations- zu sein. Insbesondere Großkonzerne die als Verbindungsstück zwischen tafeln, die das Ambiente des Denk- wie Zalando und Amazon scheinen Realität und Virtualität dienen und males beeinträchtigen, in Zukunft den lokalen Läden mit dem Direktüberall hin mitgenommen werden überflüssig. Außerdem kann man vertrieb die KundInnen abzujagen. können. Die Anwendungsmög- den Touristen eine Tour ohne Guide Untergangszenarien geistern durch lichkeiten sind dabei vielfältig und und zu jeder Zeit ermöglichen. die Handelswelt. Doch verdrängt universell. Richtet beispielsweise Daran merkt man, dass digitale An- das Online-Geschäft tatsächlich den der NutzerInnen die Kamera des wendungen in Zukunft immer mehr klassischen Einzelhandel (vgl. HanSmartphones auf ein Objekt in seiner die Präferenzen der NutzerInnen sen 2013)? Umgebung, kann dieses in Echtzeit erkennen, sich an diese anpassen Die Unternehmensberatung Rodurch weitere Elemente ergänzt wer- und damit dessen Alltag direkt oder land Berger hat zusammen mit dem den. Sei es die Entfernung oder zu- indirekt unterstützen. Dabei ist das ECE, dem MarktführerInnen von sätzliche Informationen zu Objekt. Potenzial nicht ansatzweise ausge- innerstädtischen Einkaufszentren Erste Schritte in Richtung aug- nutzt und kann nicht nur für private in Europa, eine Studie zu diesem mented reality sind bereits erfolgt. Unternehmen, sondern auch von den Thema durchgeführt. Dabei kamen Häufig sind QR-Codes bereits auf Städten für eine intensive Bindung sie zu einem überraschenden ErWerbeplakaten, digitalen Visitenkar- mit Ihren BürgerInnen und Besuche- gebnis. Der Online Handel holt viel ten oder auf Informationstafeln von rInnen genutzt werden. schneller den Einzelhandel auf als Denkmälern zu finden. Diese kann gedacht. (vgl.Neumann [o.A.]) Einman als „Brücke“ zwischen Realität Auswirkung des Internets auf den zelhändlerInnen dürfen die Gefahr und Virtualität verstehen. Solch eine Einzelhandel von Online-Shops nicht unterschätquadratische Matrix hat einige Vorzen. Denn: Einerseits fühlt sich ein/e teile für eine Stadt, heute besonders Besonders zu beachten sind derzeit Kunde/in an einen Onlineshop emoim Bereich des Tourismus. Nehmen die Auswirkungen der Digitalisie- tional gebunden, wir an, eine Gruppe internationaler rung für den städtischen EinzelhanTouristen besucht den Kasseler Her- del. 57


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kauft er hier doppelt so häufig ein als in einem Ladengeschäft. Der Handel vor Ort verfügt dagegen über deutlich mehr Umsatz, eine höhere Kauffrequenz und zieht mehr SpontankäuferInnen an – ein Potenzial, das EinzelhändlerInnen nutzen sollten. (vgl. Wirtschaftswoche ([o.A]) Doch warum sind Onlineshops so beliebt? Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum einen möchten viele „ShopperInnen“ auf ganz bequeme Art einkaufen gehen. Keine langen Wege mehr von Laden zu Laden und auch kein Tragen von schweren Einkaufstüten dank komfortabler und flexibler Lieferung direkt bis zur Haustür. Flexibel bedeutet, dass man genau dann einkaufen kann, wann es gerade in den Alltag passt, ohne auf Ladenöffnungszeiten achten zu müssen. Das nennen, laut der Studie, vier von fünf EinkäuferInnen. Ungefähr 57 Prozent haben dabei eine Zeitersparnis erkannt. Zeitersparnis empfinde man dabei als Entlastung des Alltags. Eine derzeit diskutierte Möglichkeit dem daraus resultierenden Verdrängungsprozess von Einzelhandelsfilialen in Innenstädten entgegenzuwirken, ist Multi Channel Retailing. Dabei werden nicht nur die Waren in den lokalen Läden, per Katalog oder im Netz angeboten, sondern der KundIn kann auf mehrere dieser „Kanäle“ zurückgreifen. So zum Beispiel können Information im Onlineshop und der Kauf aber im stationären Geschäft stattfinden. Oder eben andersherum. Dadurch werden die Vorteile des On- und Offline Shoppings verknüpft (vgl. Koening [o.A. ]). Also die reale wird mit der virtuellen Welt verknüpft.

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Wächst die digitale mit der realen Welt zusammen? Wie im Rahmen des „Multi Channel Retailings“ dargelegt, stellt sich die Frage, ob nicht intensiv nach Möglichkeiten gesucht werden muss, die digitale Welt immer intensiver mit der realen Welt zu verbinden. Die Synergieeffekte zu erkennen und sie zu nutzen muss Aufgabe der zukünftigen öffentlichen und privaten Stadtplanung sein. Schon heute werden durch Social media oder in digitalen Netzwerken wie „urbanshit.de“ unter anderem Treffen mit Gleichgesinnten oder urbane Interventionen organisiert. Seien es Flashmobs, Streetart oder Laser-Tagging. Was vorher durch Mundpropaganda oder Flyer zeitintensiv und langwierig geplant worden ist, wird heute in sekundenschnelle durch „Posts“, „Tweets“, oder „Chats“ verbreitet. Auch ein viel breiteres Publikum kann dadurch erreicht werden. All das belebt den urbanen Raum. Sozialräumliche Bindungen werden immer weniger notwendig. Durch das Internet und der grundsätzlichen Erreichbarkeit wandelt sich das gesellschaftliche Stadtbild und es verändert sich die gebaute Umwelt. Überall kann man sich in das Internet einloggen und ist dadurch nicht mehr an einen bestimmten Raum gebunden.

Konferenzen können via Webcam organisiert werden ohne das eigene Büro zu verlassen, von zu Hause kann „geshoppt“ werden und man muss sich auch nicht mehr treffen, um sich zu unterhalten. Damit wird die „Kneipe von nebenan“ überflüssig. Man muss feststellen, dass eine digitale Welt neben der realen existiert. Fast alles was man in der analogen Welt erledigen will und muss, kann man auch im Internet tun. Doch dabei gibt es einen eklatanten Unterschied, der für die zukünftige Planung beachtet werden muss, die Erlebnisqualität ist nicht ansatzweise vergleichbar. Zwar erhöhen sich die Berührungspunkte zwischen analoger und digitaler Welt immer mehr, doch sind die Grenzen immer noch klar zu erkennen. Um in die digitale Welt eintauchen zu können, benötigt man aktuell noch ein Medium. Dennoch wird der Zugang immer leichter, in dem man mit Hilfe von Smartphones sich von überall, wo man Netz hat, einloggen kann. Auch wenn eine vollständige Verschmelzung zwischen Realität und Virtualität nicht für alle Lebensbereiche möglich ist, gilt, dass die Virtualität eine immer größer werdende Rolle in der Realität spielt.


Literatur: 1) Michael : „Die digitale Evolution moderner Großstädte – App basierte innovate Geschäftsmodelle für neue Urbanität“ (S.8), Wiesbaden. 2) IMWF – Institut für Management- und Wirtschaftsforschung [2013]: „Social Media Atlas 2013“ http://www.faktenkontor.de/ leistungsangebot/b2b-befragung/faktenkontor-studien (Zugriff: 10.03.1014).

http://www.wiwo.de/unternehmen/handel/ einzelhandel-fuenf-vor-zwoelf-fuer-konventionelle-einzelhaendler/7812208-2.html (Zugriff: 05.03.2014). 13) Edriaan Koening (o.A.): What Is the Purpose of the Retailing Mix? http://smallbusiness.chron.com/purpose-retailing-mix-17933.html (Zugriff: 06.03.2014). 14) Bill Gates (1994): http://www.quotty.de/ zitate/thema/computer?page=3 .

3) Stadtleben.de (o.A.): Online als Unternehmen präsent sein http://stadtleben.de/deutschland/ news/2013/12/01/online-als-unternehmen-praesent-sein/ (Zugriff 09.02.2014).

weiterführende Literatur

4) Verena Pfeiffer (2011): Stadtgestalter und Stadtgestalten – die digitale Urbanität http://www.bauwelt.de/sixcms/media. php/829/bw_2011_24_0040-0043.pdf S.42 (Zugriff: 15.03.2014).

Abbildungen:

Deutsche Post, tnsinfratest (2012): Einkaufen 4.0 - Der Einfluss von E-Commerce auf Lebensqualität und Einkaufsverhalten, Bonn.

Abb. A: „Kasseler Augmented Reality“ eigene Darstellung nach: h t t p : / / w w w. x c e n t r i c . d e / w p - c o n t e n t / uploads/2009/03/city-point.jpg.

5) Mark Prensky (2001): Digital Natives, Digital Immigrants http://www.marcprensky.com/writing/Prensky%20-%20Digital%20Natives,%20Digital%20Immigrants%20-%20Part1.pdf (Zugriff: 15.03.2014). 7) Ralf Dörner, Wolfgang Broll, Paul Grimm, Bernhard Jung 2013 : „Virtual und Augmented Reality (VR/AR) (S. 242), Heidelberg 8) Michael Jaekel, Karsten Bronnert (2013): „Die digitale Evolution moderner Großstädte – App basierte innovate Geschäftsmodelle für neue Urbanität“ (S.63), Wiesbaden. 9) Live QR (o.A.): QR-Codes und Augmented Reality für Städte und Tourismus, http://www. liveqr.de/einsatz/qr-codes-und-augmented-reality-fuer-staedte.php (Zugriff: 10.03.2014). . 10) Nele Hansen (2013): Einzelhandel - Die fünf Dogmen des Internethandels http:// www.wiwo.de/unternehmen/handel/einzelhandel-die-fuenf-dogmen-des-internethandels/7812208.html (Zugriff: 05.03.2014). 11) Helge Neumann (o.A):Studie: Den Kunden auf der Spur http://www.schuhkurier.de/handel/unternehmen/studie-den-kunden-auf-der-spur/ (Zugriff: 05.03.2014). 12) Wirtschaftswoche (o.A): Die fünf Dogmen des Internethandels 59


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arme stadt? warum die räumliche polarisierung von armut in unseren städten immer weiter zunimmt Wenn von Armut in Deutschland gesprochen wird, neigen wir oft dazu die Betroffenen schnell in eine bestimmte Schublade zu stecken, um so auch eine künstliche Distanz aufzubauen. Das sind doch die Hartz-IV-Familien mit den Problemkindern, die alleinerziehende Mutter mit zwei Nebenjobs oder die gerade eingewanderten Rumänen, die sich mit ihren Kindern in die Fußgängerzone zum Betteln aufstellen. Die von Armut betroffene Bevölkerungsschicht wird medial überrepräsentiert und verwandelt sich in eine durch und durch von Stigmatisierung betroffene Klasse. Aber was wissen wir wirklich über die Armut in deutschen Städten, was sind die Geschichten und Biografien und vor allem die Bedürfnisse und Probleme dieser Menschen? Und welche Auswirkungen hat Armut auf die Struktur unserer Städte? Wir als Stadt-und RaumplanerInnen stehen in der Verantwortung einen Blick hinter die Fassade des medial gemalten Bildes dieser durchaus unsichtbaren Bevölkerungsschicht zu werfen. Dabei lohnt sich auch ein Blick nach der geschichtlichen Entwicklung und den Ursachen dieser Problematik. Das nach dem Zweiten Weltkrieg einsetzende Wirtschaftswachstum der 50er- und 60er Jahre und die Zunahme an staatlichen Unterstützungssystemen sorgten für eine Entspannung der durchaus von Unsicherheit geprägten Lage der Nachkriegszeit und ließen Armut und soziale Entmischung zu Randerscheinungen einer wirtschaftlichen gesunden Nation werden. Den Wendepunkt dieses positiven Trends wurde jedoch spätestens durch die Deindustrialisierungswelle der 70er Jahre eingeleitet und hat sich bis zur gegenwärtigen Wirtschaftskrise fortgesetzt. Im Zuge des Niedergangs der großformatigen Industriestandorte und der Aufrüstung des Dienstleistungssektors gab es einen stetigen Anstieg der Arbeitslosigkeit. Die Nachfrage nach geringqualifizierten Arbeitskräften hat abgenommen, da der aufstrebende tertiäre Sektor Qualifikation statt Quantität fordert. Stattdessen stieg die Zahl der konsumorientierten Dienstleistung im Niedriglohnsektor. Der gesellschaftliche Aufstieg und der Anschluss an einen mittelständischen Lebensstil, den die verhältnismäßig hohen Löhne der verarbeitenden 60

Industrie den ArbeitnehmerInnen ermöglichten, ist in den Mechanismen des Dienstleistungssektors deutlich erschwert. Hinzu kommt die steigende Dynamik des Arbeitsmarkts, die mit ihren befristeten Beschäftigungsverhältnissen für einen Verlust an Stabilität sorgt und die Menschen verunsichert. Ebenfalls mit verantwortlich für die Segregation in Städten ist die in erster Linie in den 60er- und 70er Jahren angestoßene Welle der Pluralisierung der Gesellschaft, eng verbunden mit dem Streben nach Individualismus. Die Tatsache das die Menschen den individuellen über den kollektiven Willen stellen führte zum Abbau der vormals essenziellen verwandtschaftlichen Unterstützungsnetzwerken und folglich auch zur Zunahme von Vereinsamung (vgl. Farwick 2009: 40-41). Wenn also die Einkommen der GroßverdienerInnen weiter ansteigen und die Löhne der GeringverdienerInnen währenddessen sinken, die Ausbreitung von struktureller Arbeitslosigkeit zunimmt, immer mehr Menschen in Abhängigkeit zu staatlichen Sozialleistungen stehen und Probleme wie Überschuldung und Vereinsamung an der Tagesordnung sind, kann man die sich vollziehende soziale Spaltung der Gesellschaft kaum noch leugnen. Dass sich diese Entwicklung der wachsenden sozialen Ungleichheit eine grundlegende Veränderung unserer Städte mit sich bringt, zeigt sich vor allem in den verschiedenen Wohnstandortsmustern der gesellschaftlichen Gruppen. Die Ausprägungen der räumlichen Polarisierung von Armut unterstehen somit den Mechanismen des Wohnungsmarkts. In den letzten Jahren hat sich die öffentliche Hand mehr und mehr aus diesem Markt zurückgezogen und so schreitet die Privatisierung der Wohnraumversorgung weiter voran, während die Bestände des sozialen Wohnungsbaus schrumpfen. Da sich auf dem freien Wohnungsmarkt in der Regel die Vergabe von Wohnraum an wirtschaftlichen und profitorientierten Prinzipien orientiert, ist die Wohnstandortswahl von GeringverdienerInnen dementsprechend beeinflusst. Es findet somit ein alarmierender Umbau der sozialen Wohnraumverteilung statt. Die Angebotsseite kann also anhand von Faktoren wie ökonomischen Ressourcen oder der gesellschaftlichen Stellung die MieterInnenstruktur eines Gebietes maßgeblich mitbestimmen. Auch


die Diskriminierung bestimmter Bevölkerungsgruppen spielt bei der Wohnungsverteilung eine Rolle. Das Wohnangebot einzelner Quartiere ist also oft auf eine bestimmte Gruppe von Nachfragenden zugeschnitten und kanalisiert bestimmte gesellschaftliche Gruppen in bestimmte Wohnquartiere. Diese Quartiere mit Entwicklungsbedarf, welche oft buchstäblichen an den Rändern der Städte liegen, befinden sich in einer stetigen Abwärtsspirale. Dadurch, dass dem Mittelstand zugehörige Haushalte diese Gebiete aus Zukunftsängsten meiden oder aus ihnen abwandern, führt zu einer fortschreitenden Entmischung. Dieser Umstand hat vor allem auf die ansässigen Bildungseinrichtungen Einfluss, in denen der Anteil von SchülerInnen mit Sprach- oder Lernproblemen prozentual über dem Durchschnitt liegt. Ebenfalls ist besteht eine Beeinträchtigung durch den Mangel an sozialen und kulturellen Kapital und Einrichtungen sowie dem oft nicht ausreichend gegebenen Anschluss an den öffentlichen Personennahverkehr, der zu einer Immobilität führt. Durch diese Kontexteffekte werden die BewohnerInnen zusätzlich benachteiligt (vgl. Häußermann 2007: 148-50). Die Symbolik, die ein solches Viertel nach außen trägt, ist geprägt von Stigmatisierung und Diskriminierung. Die Wahrnehmung dieses Ortes im Gesamtgefüge der Stadt ist häufig, auch durch die mediale Berichterstattung, eine negative. Über die stigmatisierten Personengruppen hinaus gelten besonders verfallene Räume oder Gebäude als Art symbolischer Beweis für den Zustand des Quartiers. In der breiten Stadtbevölkerung entsteht bedingt durch diese Mythen ein Angstgefühl und es wird versucht entsprechende Gegenden zu meiden, was sie in gewisser Weise unsichtbar werden lässt. In der Stadtentwicklung ist man sich dieser Probleme durchaus bewusst und versucht mit Förderprogrammen

wie „Soziale Stadt“ gezielt dagegen anzukämpfen und integrierte Lösung für die betroffenen Stadtteile zu finden. Allerdings kann diese Vorgehensweise aufgrund der beschränkten finanziellen Mittel nur partiell erfolgreich sein und letztendlich setzt man wieder nur an der Bekämpfung der Symptome an, anstatt das Problem an der Wurzel zu packen. Die Kommunen müssen wieder mehr Einfluss auf den Immobilienmarkt nehmen und diesen nachhaltig regulieren, um die Zersplitterung der Stadt und der Entstehung von schwarzen Löchern entgegenzuwirken. Es muss eine frühzeitige Erkennung und Realisierung der Problematik stattfinden und integrierte gesamtstädtische Lösungen entwickelt werden, die das Entstehen von Synergien ermöglichen und Vorteile über die unsichtbaren, stigmatisierten Orte abbaut, um ein besseres Verständnis für die lokalen Probleme zu erlangen. Vor allem aber müssen entstandene Vorurteile und das Misstrauen in der Stadtgesellschaft abgebaut werden. Es muss ein Blick hinter die Fassaden dieser Quartiere geworfen und durch einen Perspektivwechsel die monorationale Sichtweise auf das Stadtbild überdacht werden.

Literatur: Farwick, Andreas (2007): Die räumliche Polarisierung von Armut in der Stadt - Ursachen, Ausprägungen und soziale Folgen, in: Arbeitnehmerkammer Bremen (Hrsg.), Armutsbericht 2007, Bremen, S. 38-53. Häußermann, Hartmut (2009): Die soziale Dimension unserer Städte – von der „Integrationsmaschine“ zu neuen Ungleichheiten, in: Biedenkopf, Kurt/Bertram, Hans/Niejahr, Elisabeth (eds.): Starke Familie – Solidarität, Subsidiarität und kleine Lebenskreise. Bericht der Kommission „Familie und demographischer Wandel“, Stuttgart, 147–155. 61


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Von Reizüberflutung und der Unsichtbarkeit von Gesellschaftsschichten Gedanken und Ansichten Die (Groß)Stadt, ein Pool voller unterschiedlicher Menschen, mit noch unterschiedlicheren Weltanschauungen, Kulturen, Verständnissen, Denkweisen und Auffassungen. Mit vielen dieser Faktoren stehen wir in Konflikt, in Konflikt mit unserer eigenen Weltanschauung, Kultur, Verständnis Denkweise und Auffassung. Vielleicht stört uns das spielende Kind, der arrogante Anzugträger, der Jugendliche der konstant auf sein Handy starrt, der Obdachlose der bettelt, die Lebenseinstellung der Punks, die politischen Wahlhelfer im öffentlichen Raum oder einfach nur der Geruch des Vorderläufers. In der (Groß)Stadt, so Benjamin Davy, sind wir ungewollt dem Nebeneinander unpassender Erscheinungen und Lebensformen ausgesetzt (vgl. Davy 2008: 55). Der Philosoph Georg Simmel spricht sogar von der Vergewaltigung der Großstadt. Wir als Bewohner sind die Opfer dieser Vergewaltigung. Über Menschen und Situationen, die nicht in unser Weltbild passen, regen wir uns auf, wir ärgern uns über die anderen Denkweisen, teilen ihre Auffassungen nicht oder finden Dinge unangemessen, weil sie nicht unserer eigenen Kultur entsprechen. Auch heutige Umweltpsychologen haben sich dem Thema angenommen und reden im Bezug darauf von Reizüberflutung. In der Großstadt sind wir einer Vielzahl von Informationen und Reizen ausgesetzt, die unser Gehirn verarbeiten muss. Reichen unsere Verarbeitungskapazitäten für die eingehenden Informationen nicht mehr aus, sind wir überlastet und eine sogenannte Reizüberflutung tritt ein. Stress und Unwohlsein sind einige der üblichen Folgen. Ein zu hohes Maß an Informationen, unabhängig von der Informationsart, führt zu einer Reizüberflutung. Umweltpsychologen machen allerdings auch „die Heterogenität der Bevölkerung und die hohe physische Dichte“ als Faktor der Reizüberflutung verantwortlich. (vgl. Eisenhardt 2008: 104) Doch was tun wir um uns vor der Reizüberflutung zu schützen? Georg Simmel führt als Antwort den Begriff der „Verstandesmäßigkeit“ (vernünftig, ohne Emotion, rational) ein. Damit ist gemeint, dass Erscheinungen und Lebensformen, die wir als unpassend, unerwünscht, unangebracht und/oder unangenehm erachten wir ungern und damit seltener von uns wahrgenommen werden. Wir gehen ihnen aus dem Weg, versuchen sie aus unseren Gedanken zu verbannen. An diesem Punkt fangen wir an, Gesellschaftsschichten unsichtbar werden zu lassen.

Benjamin Davy nennt dabei zusätzlich den Begriff der Monorationalität. Wir beschäftigen uns lieber mit Personen und Situationen, die unserer Rationalität = (Weltanschauung, Kultur, Verständnis, Denkweise, Auffassung) entsprechen. Um es mit seinen Worten zu sagen: „Das „Wegschauen erspart uns Kopfschmerzen und Streit“. Denken wir monorational, so beschäftigen wir uns nicht mit den Rationalitäten der Anderen und stempeln sie folglich als „falsch“ ab. Dies ist für uns einfacher und führt nicht zu Konflikten (vgl. Davy 2008: 55). Benjamin Davy vertritt dabei die Meinung, dass es für einzelne Bewohner angemessen und verständlich ist, monorational zu denken. Doch stimmt das? In Bezug auf die Verständlichkeit kann zugestimmt werden, denn es ist nützlich und rational sich selbst vor „Gefahren“ zu schützen. Angemessen ist es eher weniger. Die Frage kann hier aber nicht vollständig beantwortet werden. Viel wichtiger bleibt die Frage was passiert, wenn wir wegschauen und damit andere gedanklich ausgrenzen. Wenn andere gedanklich ausgrenzt werden, ist es dann nicht nur noch ein kleiner Schritt, dies auch auf räumlicher Ebene zu fordern, um auch die eigene körperliche Unversehrtheit zu wahren? Was daraus folgen kann, ist eine Verdrängung von Bettlern aus öffentlichen Räumen, Bahnhöfe und Einkaufszentren, der Bau von Gated Communities (um andere sowohl psychisch, als auch physisch auszugrenzen) oder der Umbau von Treffpunkten bestimmter Gesellschaftsschichten. Planer müssen definitiv auf jener Seite stehen, die sich mit diesen Konflikten, diesem Streit und anderen Rationalitäten auseinander setzen muss. Jeder Mensch hat ein Recht auf Stadt, auch wenn sie nicht unserem persönlichen Verständnis entspricht. Unsere Aufgabe ist es schließlich, keine Stadt für uns, sondern für alle zu bauen. Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wurde im Text die männliche Form der personenbezogenen Bezeichnungen gewählt. Selbstverständlich gelten die Aussagen für Männer und Frauen gleichermaßen. Eisenhardt, Thilo (2008): Mensch und Umwelt. Peter Lang GmbH Internationaler Verlag der Wissenschaften. Frankfurt am Main. Davy, Benjamin (2008): Die Neunte Stadt, In: Reicher Christa, et. al (Hg.): StadtPerspektiven. Positionen und Projekte zur Zukunft von Stadt und Raum. Stuttgart + Zürich, S. 54-62.

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Ästhetik des Hässlichen Stadt der Nachkriegsmoderne und attestierter Hässlichkeit. Eine Statement für Architektur und Kassel.

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Loch und Rasterfassaden: Glatte Wände mit symmetrischer Fenstereinteilung, vorgefertigte Bauteile

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Vordächer Leicht herausragende, fast schwebende Vordächer. Oftmals mit abgerundeten Ecken

D

er Nationalsozialismus und die damit verbundene aggressive Kriegspolitik waren Ursache für die enorme Zerstörung der Städte in Deutschland. Dresden, Hamburg, Berlin und Kassel wurden im Luftkrieg bombardiert und stark zerstört. Der Aufbau verlief auf zwei verschiedenen Wegen: Zum einen der Wiederaufbau nach alten Mustern oder der tatsächliche Neuaufbau nach neuen architektonischen und stadtplanerischen Idealvorstellungen. Das Leitbild der gegliederten und aufgelockerten Stadt und die damit verbundene Verringerung der Dichte hatte bis in die späten 50er Jahre bestand. Die Kritik an der „Antiurbanität“, der Monotonie und der rigiden Funktionstrennung führten zu dem neuen ganz gegenteiligen Ideal der urbanen und verdichteten Stadt. Während sich die Anfänge der 50er Jahre durch den Wiederaufbau

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Fliegende Dächer Ein bis zwei Meter über den Grundriss hinausragende Dächer


und Materialknappheit auszeichneten, schuf das deutsche Wirtschaftswunder ein Fundament für die Bauten der späten 50er und 60er Jahre.

G

emeinsam haben die beiden Epochen jedoch, dass sie in ihrem ästhetischen Ausdruck oft nur für ArchitekturtheoretikerInnen zu unterscheiden sind. In den meisten Fällen weisen gerade Städte, die sich einem Neuaufbau nach Maßstäben der Moderne widmen, Bauten aus beiden Epochen auf. Eine weitere Gemeinsamkeit ist, dass sowohl die 50er als auch die 60er Jahre Architektur ihre Wurzeln in der klassischen Moderne und dem Bauhaus hat (vgl. Reinhold-Postina 1990: 11). Deshalb wird im Weiteren auch nicht von einzelnen Epochen, sondern von der Nachkriegsmoderne gesprochen. Sie definiert sich durch die veränderten Rahmenbedingungen der Nachkriegszeit und beschreibt sowohl innerstädtische wie außerstädtische Neuplanungen im Städtebau und in der Architektur. Zeitlich ist diese Periode zwischen 1945 und 1975 einzugrenzen.

D

ie Epoche der Nachkriegsmoderne ist oft gehasst, wenig geliebt und löst meist nur unter Fachleuten Bewunderung aus. Von vielen wird sie „als hässliche, seelenlos und grau“ (Ricker, 2011) beschrieben. Dabei waren die ArchitektInnen und PlanerInnen auch Spiegel ihrer Zeit. Politische Konflikte, die Zeit der Außerparlamentarischen Opposition (APO), der Kalte Krieg zwischen Ost und West gaben Anlass für diese Architektur. (Ricker 2011). Unter diesen Aspekten sollten jene Bauten gelesen werden. Sehr gut beschreibt es Julia Ricker in ihrem Beitrag zur 60er Jahre Architektur: „Doch wagt man einen zweiten Blick auf die Architektur der 1960er Jahre, dann entdeckt man sie - die individuellen Einzelbauten, deren ästhetischer Anspruch und innovativer Geist bis heute mustergültig sind“ (Ricker 2011). Dieser ästhetische Anspruch wird durch die Bilder

auf diesen Seiten illustriert. Die von Reinhold-Postina (1990) stammenden Merkmale wurden mit Fotografien aus Kassel belegt. Während die 50er Jahrebauten durch Leichtigkeit, Dynamik und Transparenz einen Gegensatz zu der Architektur der 30er und 40er Jahre mit ihrer Massivität, Geschlossenheit und Symmetrie darstellen, verflüchtigen sich diese Merkmale in den Bauten der 60er Jahre teilweise. Es wurde nun in anderen Maßstäben und massiver gebaut. Die Umgebung wurde weniger sensibel einbezogen (vgl. Lübke/ Janz/Schmitt 2005: 5).

Z

ur Zeit scheint die Nachkriegsmoderne ein relativ aktuelles Thema zu sein. Neben einer Wertschätzung vergangener Zeiten und Leistungen sind auch DenkmalschützerInnen geneigt dieser Architekturepoche Aufmerksamkeit zu schenken. In die Jahre gekommene Bauten, energetische Sanierungen und ein anders Verständnis von Stadt verändern auch das Verhältnis zur Nachkriegsmoderne. Während StadtbewohnerInnen durch Globalisierung, einer erhöhten Mobilität, den immer gleichen Einkaufsmöglichkeiten in Innenstädten ein größeres Verlangen nach Identität haben, könnte die Nachkriegsmoderne diesen Bedürfnis erfüllen. Bisher sind die BürgerInnen aber zu weit von dem identitätsstiftend Charakter der Nachkriegsmoderne entfernt (vgl. Architektursalon Kassel 2007: 05). Dieses Problem dürfte Kassel aufgrund seiner Geschichte besonders stark treffen. Es ist aber auch auf jede andere, kriegszerstörte Stadt anzuwenden. Während Dresden die Frauenkirche wiederaufbaut, Frankfurt den Römerberg rekonstruiert, sollte Kassel lernen mit seiner Stadt umzugehen. Städte wie z.B. Köln haben dies bereits geschafft. Deren Architekturen, hiermit ist nicht der Kölner Dom gemeint, sondern „eine architektonische Patchwork-Ästhetik, die aus […] gekachelten 50er-Jahre Zweckbauten, 60er- und 70er-Jahre-Architektur, anmutiger

Detail: Lampe Einfache in Bronze gehaltene Leuchtelemente

Detail: Fensterrahmen Dünne, fast zerbrechliche Rahmen

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Vordächer herausragende, fliegende, schwebende Eingangssituationen

Gründerzeit-Bausubstanz und einigen repräsentativen Großprojekten“ (Bauer (o.A.)), wird aktiv inszeniert. Die Installation „Liebe deine Stadt“ ist weit über Köln hinaus bekannt und durch die Überzeugung entstanden, dass Bauten der Nachkriegsmoderene „[...] die eigentlichen identitätstiftenden Wahrzeichen Kölns“ (Bauer (o.A.)) sind. Die sehr gelungene Intervention kommentiert der Künstler (Merlin Bauer) selbst so: „Die Abläufe ähneln sich. Über Jahre wird die Bausubstanz der betreffenden Gebäude massiv vernachlässigt. Der damit einhergehende Verfall überträgt sich auf die Außenwirkung der Bauten und im Auge des Betrachters stellt sich ein gewisses Unbehagen ein. Aber auch mangelnder Respekt und fehlendes Wissen über diese baulichen Symbole des bürgerschaftlichen Wiederaufbaus Kölns treten immer wieder in der öffentlichen Diskussion zum Vorschein“ (Bauer (o.A.)). 68

W

ir fordern dazu auf eine gerechte Beurteilung vorzunehmen, ohne die Probleme, Umstände und negative Seiten der Entstehungszeit und Gegenwart zu verschweigen. „Hybris, Geschäftemacherei, Gedankenfaulheit und Rücksichtslosigkeit waren verbreitete wie eh und je und schlugen angesichts der hoher Produktionszahlen noch stärker durch“ (Buttlar 2007: 12). „Stadtzerstörung zugunsten ausfressender Verkehrswege, hinterließen Brachen, die noch heute schmerzen“ (ebd.). Schmerzhafte Einschnitte sind sicherlich auch in Kassel ein Problem. Es tut jedoch in keinem Fall gut, die ewigen Phrasen über das „schöne, alte“ Kassel zu hören. Würde Kassel seine eigene Rolle annehmen, könnte es Vorbild für viele Städte mit ähnlichen Problemen in der gesamten Bundesrepublik sein. Auch wenn Kassel mit der Bewerbung als Kulturhauptstadt 2003 einen Anfang in der Auseinandersetzung um die Nachkriegsmo-

derne gemacht hat (vlg. Lübke/Janz/ Schmitt 2005: 5 und Architektursalon Kassel 2007: 5) so ist, aus der Perspektive eines Studierenden der Stadtplanung, nicht viel hiervon übrig geblieben. Wir sollten die Augen öffnen für die „Bauten für den zweiten Blick [s]“(Lübke/Janz/Schmitt 2005: 5), also für die Bauten der Nachkriegsmoderne.

I

m Folgenden werden ein städtebauliches Ensemble der Kasseler Nachkriegsarchitektur beschrieben. Wir reden hierbei von Büround Sonderbauten. Auch wenn alle anderen Gebäudetypen (Wohngebäude, Sakralbauten etc.) eine große Rolle für diese Epoche gespielt haben, so ist das Bild, welches man von Kassel erhält oft durch die Innenstadt und deren Ästhetik geprägt und so beschreiben wir auch Gebäude und Strukturen die sich hier wiederfinden lassen.


A

m 9.11.1953 wurde mit der Treppenstraße die erste Fußgängerzone Deutschlands eröffnet (vgl. Focus Online (2013)). Vor dem Bau der Gebäude des städtebaulichen Ensembles wurden bereits die 104 Treppenstufen errichtet, welche den Bahnhof mit dem Friedrichsplatz verbinden. Durch die Achse hat man einen Blick aus dem Stadtzentrum bis in die angrenzenden Berge (Kaufunger Wald). Andere nur für Fußgänger nutzbaren Wege waren aufgrund äußerer Bedingungen entstanden (Topografie u.ä.). Die Treppenstraße hingegen wurde im Unterschied dazu geplant und bewusst als Stadtentwicklungsprojekt angelegt. Dabei sind erste Planungsansätze schon seit den 1833 vorhanden. Umgesetzt wurden sie aber erst nach dem 2. Weltkrieg. Die Treppenstraße diente als erste Adresse zum Einkaufen und war hoch frequentiert. Heute, nach der Stärkung der gesamten Königsstraße, u.a. durch die Ansiedelung von drei Malls, ist die

wirtschaftliche Lage schwieriger geworden und einige der Geschäfte stehen leer. Das klar gegliederte Erscheinungsbild lässt den Eindruck eines einheitlichen, zusammenhängenden Ensembles entstehen. Die zweigeschossigen Bauten mit Spitzdach rechts und links der Treppenanlagen beherbergen Geschäfte und Büros. Begrenzt wird sie im Norden durch das EAM-Hochhaus und im Süden den Friedrichsplatz. Brunnen und Blumenbeete sind nach wie vor gestalterische Elemente der Treppenstraße. Im Jahr 2013 war u.a. die Treppenstraße Ort für die Ausstellung „Alles unter dem Himmel gehört allen“. Welche Innovationskraft und fortschrittliche Ästhetik die Treppenstraße besaß wird auch klar, wenn man sich vergegenwärtigt, dass die Treppenstraße Filmkulisse für zahlreiche Filme war (So u.a. Heinz Erhardt - „Nicht so eilig“, „Rosen für den Staatsanwalt“ (1959) und „Ohne Dich wird es Nacht“ (1956) Curd Jürgens gedreht) (vgl.

Heise-Thonicke/Schwaab (2013)).

D

as wohl auffälligste Gebäude ist das EAM-Hochhaus, welches am nördlichen Ende der Treppenstraße am Scheidemannplatz liegt. Das 1955 fertiggestellte Objekt ist das erste Hochhaus der Nachkriegszeit in Kassel und bildet den Abschluss des Ständeplatzes und ist zudem das dominante Kopfgebäude der Treppenstraße (Kluthe 2009: 18). Das überhöhte Eingangsgeschoss ist für eine Nutzung als Laden oder Ausstellungsfläche geeignet und wie fast alle anderen Merkmale häufig bei Gebäuden der 50er Jahre zu erkennen. Die geschwungene, freitragende Erschließung führt zu Seite der Kölnischen Straße bis zum obersten Geschoss. Die zu dem Zeitpunkt neue Stahlskelettbauweise spiegelt sich auch durch die reliefartige, zur linearen gegliederten Fassadenoptik wieder. Das herausragende Flachdach geht über die Grundrissfläche hinaus. 69


Detail: Handläufe

S

tädtebaulich erfüllt das EAM-Gebäude zwei Funktionen: a) Abschluss der Treppenstraße: Der städtebaulich dominante Abschluss bildet einen Fixpunkt an der Treppenstraße und ein prägnantes Merkmal auf dem Weg zwischen Bahnhof und Innenstadt. b) Unterbrechung der Kölnischen Straße: Vor dem Bau der Treppenstraße führte die Kölnische Straße als Achse bis zum Königsplatz. Das EAM-Hochhaus stellt sich mitten in diese Achse und bricht sie. Gleichzeitig wird der Scheidemannplatz neugeordnet und in einen Verkehrsring um die Innenstadt eingegliedert. Damit verbunden ist auch eine Stärkung des motorisierten Individualverkehrs (vgl. Heise-Thonicke/Schwaab 2013 und Focus Online 2013).

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Treppen: großräumige, geschwungene Treppenhäuser


Literatur:

Internet:

Vorträge:

Architektursalon Kassel (Hg) (2007): Die Aktualität der Moderne und die 50er Jahre 12 Vorträge, Kassel.

Ricker, Julia (2011): Schlicht und schön, Die Baukunst der sechziger Jahre. http:// www.monumente-online.de/11/04/sonderthema/60er_Jahre_Architektur.php, [25.02.2014].

Lübke,Prof. Ingrid/ Janz, Nadine/ Schmitt, Torben: „Die 1950er Jahre in Kassel in einem neuen Licht“; Vortrag im „Kasseler Kultursalon“ am21.05.05 in Kassel zu finden unter: http://www.uni-kassel.de/fb6/kep/kassel.pdf [10.03.2014].

Brückner, Christine/Lometsch, Fritz (Hg,) (1977): Kassel: moderne Stadt mit Tradition (Vol. 76), Kassel. Von Buttlar, Adrian (Hg) (2007): Denkmal! Moderne. Architektur der 60er Jahre, Berlin. Durth, Werner (1990): Architektur und Städtebau der Fünfziger Jahre. Ergebnisse der Fachtagung in Hannover, 2.-4. Februar 1990, Schutz und Erhaltung von Bauten der Fünfziger Jahre, Bonn. Flemming, Jens/Krause-Vilmar, Dietfrid (Hg.) (2013): Kassel in der Moderne, Studien und Forschungen zur Stadtgeschichte, Marburg. Hackelsberger, C. (1985): Die aufgeschobene Moderne: ein Versuch zur Einordnung der Architektur der fünfziger Jahre, München.

Bauer, Merlin (o.A.): Liebe deine Stadt. http://www.liebe-deine-stadt.de/frameset. html, [10.03.2014]. Focus Online (Hg) (2013): Focus Online -Architektur, Erste Fußgängerzone: 60 Jahre Treppenstraße in Kassel,http://www.focus. de/panorama/welt/architektur-erste-fussgaengerzone-60-jahre-treppenstrasse-in-kassel_aid_1152312.html [10.03.2014]. Heise-Thonicke, Martina/Schwaab, Ellen (2013): Deutschlands erste Fußgängerzone: Die Treppenstraße wird 60, http://www.hna. de/lokales/kassel/deutschlands-erste-fussgaengerzone-treppenstrasse-wird-3207832. html [08.12.2013].

Heiss, Nikolaus/Reinhold-Postina, Eva (1990): Darmstädter Architekturgeschichte [von der Romanik zur Postmoderne] : 4. Expressionismus und Internationaler Stil, Darmstadt. Kluthe, Gerit (2009): Strukturformen der modernen Architektur der 50er Jahre in Deutschland. zum Einfluss der Wechselwirkung der Trag-Konstruktion auf die ästhetische Gestaltung vorbildlicher Bauten aus Düsseldorf und Kassel im Vergleich, Unpublished doctoral dissertation. Licata, Gaetano (2005): Transformabilität moderner Architektur. über die Disposition moderner Gebäude transformiert zu werden, Unpublished doctoral dissertation, Zu finden unter: https://hds.hebis.de/ubks/ Record/HEB183827406 (letzter Zugriff am: 20.02.2014).

Neon-Schrift Geschwungene, beleuchtete Namen der jeweiligen Geschäfte, Cafes oder kulturellen Einrichtung

Van Reijen, Willem (2007): Zur Aktualität der Moderne - die 50er Jahre. Dokumentation der Vortragsreihe vom 14.10.2005 14.7.2006, Kassel. Reinhold-Postina, Eva (1990): Darmstädter Architekturgeschichte [von der Romanik zur Postmoderne], 5. Die Architektur der fünfziger Jahre, Darmstadt. Wittmann-Englert, Kerstin (2006): Zelt, Schiff und Wohnung. Kirchenbauten der Nachkriegsmoderne. Lindenberg im Allgäu.

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siedlungen. Eigentlich ganz einfach. Ein geographischer Ort, an dem Menschen in Gebäuden oder temporären Bauwerken zum Zweckes des Wohnens und Arbeitens zusammenleben. Ist das so?

Die Heterogenität von Kassel zeichnet sich nicht nur durch bauliche, sondern auch durch Wohn- und Siedlungsstrukturen aus. Geschuldet ist dies vor allem der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg und dem danach folgendem Wiederaufbau. Doch in Kassel sind nicht nur die Siedlungen der 50/60er Jahre präsent. Es finden sich auch Wohnstrukturen aus der Gründerzeit, Siedlungen im Stil der klassischen Moderne, oder auch neue Siedlungen auf Konversionsflächen vor. Diese Vielfältigkeit und deren jeweilige unterschiedlichen Merkmale sollen anhand von Beispielen im nachfolgenden Text aufgezeigt werden. Aufgrund der großen Besonderheit der Rothenbergsiedlung und der Siedlung am Heilhaus in Kassel werden diese beiden Orte dabei genauer und ausführlicher beschrieben. Die Auefeld- und die Belgische Siedlung 72

werden hingegen auf das Wichtigste gekürzt. Rothenbergsiedlung Die in Rothenditmold gelegene Rothenbergsiedlung gilt als eine der am Besten erhaltenen Siedlungsprojekte des Architekten Otto Haesler. Der geborene Münchner Haesler war neben Walter Gropius und Ludwig Mies van der Rohe einer der bedeutendsten Vertreter des Neuen Bauens und setzte sich weiterhin sehr für den sozialen Wohnungsbau ein, indem er vielen MieterInnen einen bezahlbaren Wohnraum schaffte (vgl. Kassel-Kulturell). Dies verfolgte er auch in der zwischen 1929 und 1931 entstandenen Rothenbergsiedlung. Die Situation in Kassel war in dieser Zeit durch einen starken Bedarf an Neubauwohnungen geprägt. Als Konsequenz wurde von der Stadtverordnetenversammlung beschlossen, Neubauwohnungen mit höchstmöglichem Nutzeffekt und großer Wirt-

schaftlichkeit zu verbinden – „Billiger Bauen!“ war die Devise. Doch trotz der geringen Kosten sollten eine Einbauküche, Einbauschränke, eine Bade- und Waschgelegenheit sowie eine zentrale Heizungsanlage gewährleistet werden (vgl. Kassel-Kulturell). Nach der Verabschiedung des Wohnungsbauprogramms 1929 und einer verlorenen ersten Abstimmung in der Stadtverordnetenversammlung, erhält Haesler in einer zweiten Abstimmung im März desselben Jahres den Auftrag für einen Erschließungs- und Bebauungsvorschlag für das Gelände auf dem Rothenberg. Auch die Durchführung des ersten Bauabschnitts mit 220 Wohnungen wurde genehmigt. AuftraggeberInnen war damals die Städtische Wohnungsfürsorgegesllschaft Kassel (heute: Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft Kassel (GWG)) (vgl. Kassel-Kulturell).


Konzeption: Der Lagenplan sah 2.500 Wohnungen mit ausschließlich nord-süd-ausgerichteten, viergeschossigen Zeilen vor, welche von ost-westlichen Erschließungsstraßen und nord-südlichen Wohnstraßen durchzogen werden. Weiterhin wurden zentrale Platzanlagen für gemeinschaftliche Bauten zwischen den Zeilen geplant, jedoch nicht realisiert. Die zentralen Heiz-, Wasch- und Badehäuser kom-

plettieren die Konzeption (vgl. Otto Haesler Initiative). Ausstattung: Durch die für diese Zeit sehr ungewöhnliche Stahlskelettkonstruktion war es möglich, den hohen Anforderungen und Ansprüchen der Stadtverordnetenversammlung gerecht zu werden. Die Wohnungen sind in ihrer Form und Ausstattung gleich. Unterschiede finden sich bei der Zahl der

Wohnräume sowie der Anzahl der für die jeweiligen Familienmitglieder benötigten Schlafkabinen. Auch eine separate Arbeitsnische, eine nach Westen orientierte Loggia und eine belüftete Speisekammer gehörten zum Standard in den Wohnungen der Rothenbergsiedlung (vgl. Otto Haesler Initiative). Doch trotz der hohen Qualität der Wohnungen und den bezahlbaren Mietpreisen war die doch sehr minimalistische

Lageplan der Rothenbergsiedlung (Ausschnitt)

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Gebäude in der Rothenbergsiedlung

Architektursprache der Stahlskelettkonstruktion mit Bimsteinausfachung bei vielen Honoratioren und der Kasseler Architektenschaft schlecht angesehen und starke Skepsis machte sich breit. Letztendlich führte diese dazu, dass lediglich 216 Wohnungen des ersten Bauab-

schnitts fertiggestellt worden sind und der Weiterbau der im Volksmund sog. „Stahlhäuser“ gestoppt wurde (vgl. Stadt Zeit). Eingriffe: Zwischen 1973-1977 wurden durch Sanierungs- und Modernisierungs-

Musterwohnung in der Rothenbergsiedlung

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maßnahmen erhebliche Eingriffe an der Bausubstanz vorgenommen. Die Wohnungsfenster und Haustüren wurden erneuert und die Grundrisse so verändert, dass jeweils die Loggia mit einem Fenster geschlossen und das Bad umgebaut wurde. Das Wasch- und Heizhaus ist jedoch bis heute intakt und immer noch in Benutzung (vgl. Otto Haesler Initiative). Die heutige Modernisierungsstrategie verfolgt dagegen die Strategie, den einstigen Originalzustand der Wohnungen wieder herzurichten, dabei jedoch nicht auf heutige Qualitätsstandards zu verzichten. Diese Strategie wurde im Dialog mit ExpertInnen aus der gesamten Republik entwickelt, nachdem die Siedlung einen hohen Leerstand verzeichnete und Maßnahmen ergriffen werden mussten, um sie wieder attraktiver zu machen. Dazu orientierten sich die Umbaumaßnahmen an den historischen Bauelementen, Materialien und den Farbkonzepten der damaligen Zeit (vgl. Stadt Zeit). Die Loggias, die damals im Zuge der ersten Sanierungsmaßnahmen zum Wohnraum umfunktioniert wurden, werden in ihre ursprüngliche Form gebracht und dadurch wieder ein Bezug zum Freiraum hergestellt. Die Modernisierungsmaßnahmen werden immer dann vollzogen, wenn ein Mieterwechsel ansteht. So wird nach Aussagen des GWG-Architekten Volker Oestereich die Modernisierung aller Wohnungen etwa 20 Jahre in Anspruch nehmen. Nach Betrachtung der Vermietungszahlen steht die Rothenbergsiedlung beim Thema Leerstand sehr gut da und soll in Zukunft auch weiterhin eine sozial gut durchmischte Siedlung in Kassel bleiben (vgl. Stadt Zeit).


Heilhaussiedlung Die ebenfalls in Rothenditmold liegende Siedlung am Heilhaus ist ebenso besonders in Kassel. 1989 rief Ursa Paul den Verein Freundeskreis für Lebensenergie e.V. ins Leben und initiierte damit eine Gemeinschaft von Menschen, welche die Arbeit des Heilhauses trägt. Im darauffolgenden Jahr wird das Heilhaus auf dem Gewerbehof Clasen eröffnet. Nach und nach siedelten sich Mitglieder des Vereins auf dem Gewerbehof an und betrieben Dienstleistungen rund um das Heilhaus. 1997 wird die Baugenossenschaft Gemeinschaftliches Leben eG gegründet, wodurch die Idee von Wohnen und Arbeiten am gleichen Ort gestärkt wurde (vgl. Die Siedlung am Heilhaus). Letztlich wurde mithilfe der Genossenschaft und der Umformung des Heilhaus in eine Stiftung, das Projekt Siedlung am Heilhaus realisiert. Auf derselben Gewerbefläche, welche 2005 von der Stiftung gekauft wurde, werden fünf Häuser mit 52 Wohneinheiten als Eigentums-, Miet- und Gästewohnungen gebaut (vgl. Kompetenznetzwerk Wohnen). Der erste Spatenstich wurde im März 2006 gesetzt und die Siedlung Ende 2008 fertiggestellt. Mittlerweile leben dort rund 130 Menschen. Das gemeinsame Leben, die gegenseitige Unterstützung, die Beteiligung am sozialen und kulturellen Leben des Stadtteiles, die Gemeinschaftsbildung sowie die spirituelle Praxis prägen den Alltag der BewohnerInnen. Dieses gemeinschaftliche, eigenständige Wohnprojekt verfolgt das Ziel des Heilhauses als einen Ort für alle Generationen, für Familien, Paare, Alleinstehende und auch Bedürftige in Form des betreuten Wohnens (vgl. Die Siedlung am Heilhaus). Weiterhin befindet sich auf dem Gelände der Siedlung zwei

Wohnhaus in der Siedlung

Lageplan Siedlung am Heilhaus

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Panoramaaufnahme vom Auefeld

Gruppen einer Kindergemeinschaft für unter Dreijährige, eine Schule für schwer kranke Kinder und Jugendliche sowie Praxen für Logopädie und Akupunktur (vgl. Siedlung am Heilhaus). Finanzierung Die Siedlung am Heilhaus zählt als eines der größten aus eigener Hand bezahlten Wohnprojekte in Kassel. Die Gesamtkosten für die gesamte Siedlung, einschließlich der Erschließung dieser, betragen rund sechs Millionen Euro. Realisiert wurde dies durch die eigene Stiftung in Zusammenarbeit mit der Baugenossenschaft Gemeinschaftliches Leben eG. Weiterhin wurden für drei Wohnungen im sozialen Wohnungsbau Wohnungsbauförderungsmitteln des Landes Hessen und der Stadt Kassel in Anspruch genommen (vgl. Kompetenznetzwerk Wohnen). Konzeption Die Wohngebäude sind strahlenförmig auf das im Bau befindliche Haus der Mitte ausgerichtet. Im Haus der Mitte soll ein Mehrgenerationenhospiz, ein medizinisches Versorgungs76

zentrum, eine Beratungsstelle für Gesundung und Heilung, therapeutische Angebote, Heilarbeit sowie Angebote zur Meditation gebündelt werden. Die Wohnfläche aller Wohnungen beträgt insgesamt ca. 3700qm. Weiterhin sind die Häuser von Außenanlagen in Form von Gärten, Spielmöglichkeiten und kleinen Plätzen umgeben. Besonders in der Siedlung ist der allgegenwärtige Bezug zum Spirituellen, was auch bei der Gestaltung der Häuser zum Tragen kommt. So ist jedem Haus der Siedlung entsprechend der Chakren des menschlichen Körpers eine Farbe zugeordnet (vgl. Die Siedlung am Heilhaus). Das Heilhaus ist mittlerweile ein fester Bestandteil in Rothenditmold und möchte mit der Erbauung der Siedlung neue Akzente in einen Stadtteil setzen, welcher mit städtebaulichen und sozialen Problemen zu kämpfen hat.

Auefeldsiedlung Die in der Kasseler Südstadt gelegene, 165.321qm große Auefeldsiedlung war vor der Bebauung durch die GEWOBAG im Jahr 1955 vor allem Gartengelände. Damals wurden Einfamilienhäuser im Reihenhausstil sowie Mehrfamilienhäuser erbaut. Die Mieten zu dieser Zeit beliefen sich am Anfang zwischen 1,10 bis 1,43DM je qm² (vgl. Regiowiki). Die Eigenheime wiesen vier bis fünf Zimmer, Küche, Bad und einen Vorgarten auf. Schon zu dieser Zeit war die Belegung der Häuser sehr gemischt und Bundes- und Landesund städtische Bedienstete wohnten neben Henschelanern und Flüchtlingen oder Umsiedlern. Die ersten Häuser waren 1962 bezugsfertig und mit der Vollendung der Häuser in der Rubensstraße war der Bau der Siedlung 1963 abgeschlossen (vgl. Der historische Weinberg). Noch heute sind die Häuser ein Musterbeispiel für Siedlungstypen der 50er Jahre und stechen aus der umgebenen Bebauung heraus. Darüber hinaus war die Errichtung dieser Siedlung ein Meilenstein beim Kas-


seler Wiederaufbau. „Möge dieses Richtfest Symbol der Wiedergeburt Kassels sein.“ Dr. Georg August Zinn, damaliger Ministerpräsident von Hessen (SPD, 12.1950-10.1969) (vgl. Der historische Weinberg). Belgische Siedlung Als Behausung für die in Kassel stationierten belgischen Truppen wurde nach den Plänen von Paul und Theo Bode die Belgier-Siedlung, bzw. Belgische Siedlung ,1952 im Kasseler Stadtteil Wehlheiden erbaut. Vom Typ her entsprach sie einer klassischen 50er-Jahre Reihensiedlung mit 104 Reihenhäusern mit einer Wohnfläche zwischen jeweils 80

und 110 m² (vgl. Regiowiki). Nach dem Abzug der belgischen Truppen 1970 übernahm das Bundesvermögensamt (mit Ausnahme des Schulgebäudes) die komplette Siedlung mit der Absicht, sie an Angehörige der Bundeswehr zu vermieten (vgl. HNA-Online). Nachdem dieser Prozess nur sehr langsam von statten ging, wurden im Mai 1971 sechs leerstehende Häuser von StudentInnen besetzt. Diese wollten mit der Besetzung der Häuser gegen den aufkommenden Leerstand von rund 100 Häuser in der Siedlung protestieren und auf die Wohnungsnot aufmerksam machen. Anfang Juni waren bereits 32 Häu-

ser von ca. 250 Menschen, darunter Familien mit Kindern, Lehrlinge und SchülerInnen, besetzt, ehe die Siedlung durch die Polizei geräumt wurde (Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen). Nach dem Abzug der Bundeswehr aus Kassel wurden die Häuser an Interessierte verkauft. Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben teilte mit, dass die Häuser der Belgischen Siedlung in Kassel, bis 2015 veräußert werden sollen (vgl. HNA-Online). Die Zukunft der 50er-Jahre Siedlung ist offen.

Gebäude der Belgischen Siedlung

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Literatur: Der historische Weinberg, letzter Zugriff am 29.03.2014 http://www.der-historische-weinberg.de/6. html Die Siedlung am Heilhaus, letzter Zugriff am 29.03.2014 h t t p : / / w w w. h e i l h a u s . o rg / c / d o cument_library/get_file?uuid=5d42196e-a06a-47e9-b1f 3 - 5 d f 6 9 e 9 b d7a8&groupId=43073 GWG Kassel, letzter Zugriff am 29.03.2014 http://www.gwg-kassel.de/mieten/wohnformen/wohnen-mit-familie/liste-familie/ wohnen-in-der-rothenberg-siedlung.html?tx_ gwgHouses%5BsingleView%5D=468&tx_ gwgHouses%5Bback%5D=193 Heilhaus Vision, letzter Zugriff am 29.03.2014 https://www.heilhaus.org/web/guest/eine-vision-und-ihre-verwirklichung HNA Online, letzter Zugriff am 29.03.2014 http://www.hna.de/lokales/kassel/kassel3000-belgier-stadt-2856148.html HNA Online, letzter Zugriff am 29.03.2014 http://www.hna.de/lokales/kassel/belgische-siedlung-wird-2015-verkauft-3277533. html Kassel Kulturell, letzter Zugriff am 29.03.2014 http://www.uni-kassel.de/fb6/ssu/pers/17_Otto-Haesler_kassel-kulturell_1990.PDF Kompetenznetzwerk Wohnen, letzter Zugriff am 29.03.2014 http://www.kompetenznetzwerk-woh nen.de/sub/de/wissenspool/19bestpractise/20090214-142126.php Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen, letzter Zugriff am 29.03.2014 http://lagis.online.uni-marburg.de/de/subjects/xsrec/current/3/sn/edb?q=YToxOntzOjQ6InplaXQiO3M6NjoiNy4xOTcxIjt9 Otto Haesler Initiative letzter Zugriff am 29.03.2014 h t t p : / / o t t o - h a e s l e r- i n i t i a t i v e . d e / b a u ten/1929-1931/siedlung-rothenberg Regiowiki, letzter Zugriff am 29.03.2014 http://regiowiki.hna.de/Auefeld Regiowiki, letzter Zugriff am 29.03.2014 http://regiowiki.hna.de/Belgier_Siedlung Stadt Zeit, letzter Zugriff am 29.03.2014 http://www.rothenditmold.de/leben_in/ Schaake/SZ37-arch-rothenberg.pdf

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Siedlung am Heilhaus, letzter Zugriff am 29.03.2014 http://www.heilhaus.org/web/guest/siedlung-am-heilhaus2 Abbildung: Lageplan der Rothenbergsiedlung (Ausschnitt) http://www.uni-kassel.de/fb6/ssu/pers/17_Otto-Haesler_kassel-kulturell_1990.PDF Gebäude in der Rothenbergsiedlung http://www.gwg-kassel.de/mieten/wohnformen/wohnen-mit-familie/liste-familie/wohnen-in-der-rothenberg-siedlung.html Musterwohnung in der Rothenbergsiedlung http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/immobilien/wohnen/rothenbergsiedlung-fuer-jeden-bewohner-ein-eigenes-bett-1911265. html Wohnhaus in der Siedlung http://www.heilhaus.org/web/guest/siedlung-am-heilhaus2 Lageplan Siedlung am Heilhaus http://www.heilhaus.org/web/guest/siedlung-am-heilhaus2 Panoramaaufnahme Auefeld http://regiowiki.hna.de/Auefeld Gebäude der Belgischen Siedlung http://regiowiki.hna.de/Belgier_Siedlung


Stadtentwicklung, Migration und die größenwahnsinnige Idee der totalen Stadt Durch den 30 jährigen Krieg, Anfang des 15. Jahrhunderts, wurden weite Teile Deutschlands durch diesen Flächenbrand überzogen und stark verwüstet. Die Menschen in Europa erholten sich gerade von diesem Konflikt, da bahnte sich im damaligen absolutistischen Frankreich bereits der nächste an. Flucht und Vertreibung gibt es seit Anbeginn der Menschheit. Durch den 30 Jährigen Krieg, Anfang des 15. Jahrhunderts, wurden weite Teile Deutschlands durch diesen Flächenbrand überzogen und stark verwüstet. Die Menschen in Europa erholten sich gerade von diesem Konflikt, da bahnte sich im damaligen absolutistischen Frankreich bereits der nächste an. Durch das Edikt von Fontainebleau befahl der damalige Herrscher Ludwig der XIV. den Katholizismus als Staatsreligion festzusetzen und die protestantische Kirche zu verbieten. Einer Bevölkerungsminderheit, den protestantischen Hugenotten, wurde dies zum Verhängnis, da sie durch das Edikt das Land verlassen muss-

Blick in die Frankfurter Straße - Oberneustadt

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unsichtbare stadt

hugenottischer Abstammung und in Kassel geboren war, u.a. der Friedrichsplatz, das Fridericianum und der Königsplatz. Alf Hofbaumeister war er maßgeblich mit der Entstehung der Oberneustadt in Kassel befasst. Die größenwahnsinnige Idee von der totalen Stadt

Kasseler Synagoge 1938 nach den Plünderungen

ten - an manchen Orten kam es zu kriegerischen Auseinandersetzungen. Die Vertreibungswellen erreichten im Jahre 1685 ihren Höhepunkt, was viele protestantische Adlige dazu veranlasste, die flüchtenden Hugenotten aufzunehmen. So folgten ca. 3000 bis 4000 Hugenotten dem Aufruf des Landgrafen Karl der Landgrafschaft Hessen-Kassel, sich in eben dieser niederzulassen (vgl. Körner: 2004). Da die Hugenotten über sehr gute handwerkliche Fähigkeiten verfügten, sah der Landgraf darin die Möglichkeit, seine Manufakturen im Stadtgebiet spezialisieren zu lassen. Durch die Ansiedlung der Hugenotten entstand in Kassel die Oberneustadt, welche die Bauarbeiten maßgeblich durch ihre Fähigkeiten vorantrieben und prägten (vgl. Körner: 2004). So entstand durch Simon Louis du Ry, welcher 80

Auch die jüdische Gemeinde, seit je her ein Verfolgung und Leid geplagtes Volk, prägte die Stadt Kassel. Es gab am Rande der damaligen Altstadt die Synagoge der jüdischen Gemeinde, welche durch die Abtragung der Wallanlagen mehr ins Zentrum der Innenstadt rückte, da sie direkt am Holländischen Platz stand. Kontext der Stadtentwicklung ist der Name Sigmund Aschrott zu nennen, welcher ein deutsch-jüdischer Kaufmann, Industrieller, Bankier und

Am Tag nach der Pogromnacht - Große Rosenstraße, Kassel


Aschrottbrunnen

Immobilienunternehmer in Kassel war. In seiner Zeit in Kassel versuchte er sich auch als Stadtteilplaner, was ihm auch sichtlich gelang (vgl. Demme: 2006). Durch seinen Beitrag konnte der Stadtteil Vorderer Westen erschlossen werden, was zu diesem Zeitpunkt Mitte des 19. Jahrhunderts, eine große Herausforderung darstellte, da dort die Topographie sehr stark ansteigt. Der Vordere Westen wurde als Raster mit kleineren Diagonalverbindungen angelegt, was dem damaligen Geist des Städtebaus entsprach. Ebenfalls im Geiste dieser Zeit war die Wahl der Wohngebäude - man entschied sich für vier bis fünfgeschossige Blockrandbebauung, welche als optimal für den neuen Stadtteil angesehen wurde. Aber auch Aschrott musste mit Anfeindungen kämpfen. So wurde ihm während des Deutsch-Französischen Krieges Bestechung von BeamtInnen vorgeworfen, was jedoch, mit Rückendeckung des Kreisgerichts Kassels als haltlos abgewiesen wurde (vgl. Demme: 2006). Mit dem verlorenen 1. Weltkrieg wurden Schuldige gesucht und so

wurde erneut Stimmung gegen die jüdische Bevölkerung gemacht, welche mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Flucht und Vertreibung endet. Im Kasseler Stadtgebiet begannen, wie im ganzen Reichsgebiet, ab 1933 immer wieder Übergriffe auf die jüdische Bevölkerung. Die Stadt Kassel gilt in vielen Bereichen als Vorreiterstadt, was trauriger weise auch auf die antijüdischen Pogrome zutrifft. So wurden bereits am 07. November 1938, also zwei Tage vor der Reichskristallnacht am 09. November, das jüdische Gemeindehaus und die Synagoge geplündert und angezündet. Mit der Ausschaltung und Enteignung der jüdischen Bevölkerung war auch die finanzielle Grundlage für den Ausbau der Gauhauptstadt Kurhessen gelegt. Den Auftakt bildete das 1938 fertiggestellte Generalkommando (heute Bundessozialgericht) an der Wilhelmshöher Allee (Vgl. Krause-Vilmer: 1984). „Deshalb sollen diese Bauten nicht gedacht sein für das Jahr 1940, auch nicht für das Jahr 2000, sondern hineinragen gleich den Domen unserer Vergangenheit in die Jahrtausende der Zukunft.“ Adolf Hitler, 1937 (Lüken-Isberner: 1993).

So wurde auch das Generalkommando in der bekannten Herrschaftsarchitektur erbaut, was wegweisend für die Kasseler StadtplanerInnen war, die eine repräsentative Gauhauptstadt schaffen wollten. Die Wilhelmshöher Allee sollte ganz im Sinne der 1000-jährigen Stadt umgebaut werden. So sollte sie breiter und prunkvoller werden, die Bestandsgebäude hätten weichen müssen. Ein gigantischer Fernbahnhof war an ungefähr der Stelle geplant, an welcher heute der Wilhelmshöher Bahnhof steht (gl. (Lüken-Isberner: 1993). Auch mit der verkehrstechnischen Anbindung war man seiner Zeit voraus, oder bediente sich einfach an den verpönten Planungen aus der Weimarer Republik - so wurde für die Erschließung der neuen Gauhauptstadt ein Ringbahnsystem angedacht, welches bereits von Fritz Stück in den 1920er Jahren für Kassel geplant wurde. Wie wir heute wissen, wurde, bis auf das Generalkommando, von der Gauhauptstadt Kurhessen keine größeren Baumaßnahmen umgesetzt. An der Stelle, an der das Gauforum geplant wurde, entsteht momentan die Grimm-Welt auf dem Weinberg.

Generalkommando am Reichskriegertag, Kassel 1937

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unsichtbare stadt Literatur: Hugenotten http://regiowiki.hna.de/Hugenotten_in_Kassel Zugriff 28.03. 2014 Körner, Heinz: Stadtentwicklung - Stadterweiterung http://www.weinberggeschichte.de/24.html Zugriff 28.03. 2014 Demme, Roland: Der jüdische Kaufmann, Verleger und Stadtplaner Sigmund Aschrott – eine Persönlichkeit des 19. Jahrhunderts. In regiowiki.hna.de. Kassel 2006. Kammler, Jörg; Krause-Vilmar, Dietfried: Volksgemeinschaft und Volksfeinde. Kassel 1933-1945. Bd. 2. 1984. http://www.nordhessen-online.com/wp-content/data/hundert/1938/a1938.htm Zugriff 28.03. 2014 Lüken-Isberner, Folckert: Von der Gauhauptstadt zur Gigantomanie in Trümmern, Leben in Ruinen Kassel 1943-1948. Aufsatz 1993. http://www.nordhessen-online.com/wp-content/data/hundert/1938/a1938.htm Zugriff 28.03. 2014 Abbildungen: „Blick in die Frankfurter Straße - Oberneustadt“ Quelle: Stadtmuseum Kassel „Kasseler Synagoge 1938 nach den Plünderungen“ Quelle: HNA online, Erinnerung an den 7. November 1938. 29.10.13 „Am Tag nach der Pogromnacht - Große Rosenstraße, Kassel“ Quelle: HNA online: Porgromnacht 1938 in Kassel: Ein Zeitzeuge erzhält. 07.11. 2013 „Aschrottbrunnen“ Quelle: http://www.chgs.umn.edu/museum/ memorials/hoheisel/ „Generalkommando am Reichskriegertag, Kassel 1937“ Quelle: http://geo-west.de/Bundessozialgericht_/_Graf-Bernadotte-Platz

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von der henschelei in den krieg und zurück auf null Der zweite Blick - was ist das eigentlich? Um es ein wenig verständlicher zu formulieren, liegt der Schwerpunkt auf dem gebauten zweiten Blick. Es ist ein Streifzug durch verschiedene Ebenen der Betrachtung und ein Wechsel der Perspektiven, welche es zu über- und unterwandern gilt. Jede/r BürgerIn der Stadt Kassel tut es, die einen bewusst, die Mehrzahl jedoch unbewusst. Viele wissen gar nicht, dass es unter sichtbaren gebauten Stadt noch eine zweite, eine unsichtbare Stadt gibt. Es sind Spuren, welche bis in die Gründungszeit der Stadt Kassel im Jahre 913 gehen. Viele dieser zugänglichen Spuren stammen jedoch aus einer jüngeren Vergangenheit. Die Stadt Kassel war von Anbeginn ihrer Gründung ein wichtiger Knotenpunkt in den verschiedenen Epochen der deutschen Geschichte. So zieht sich noch heute eine der wichtigsten Handelsrouten durch die Stadt - die Holländische Straße. Hervor ging sie aus der Holländischen Poststraße, welche eine Verlängerung der Via Regia war, eine der wichtigsten Handels- und Verkehrsstraßen des Mittelalters und der frühen Neuzeit. Längst zu einem bedeutenden Zentrum in der Land-

grafenschaft Hessen-Kassel ausgebaut, wurde unter Stadtbaumeister Klocke im Jahre 1749 der Ausbau der Holländischen Straße, damals noch Müllergasse, angeordnet. Mit der Schleifung der Festungsanlagen im Jahre 1769 wurde die Holländische Straße weiter ausgebaut, um die Stadterweiterung außerhalb des Altstadtrings voranzutreiben - der Stadtteil Nord-Holland entsteht. Damals war die Holländische Straße noch eine Pappel-Allee, der heutige Hauptfriedhof gerade erst entstanden und längs der Hauptstraße erst vereinzelt Häuser im Bau (vgl. regiowiki: 2013). Mit dem Einzug der Industrialisierung entstand ein rascher Bau-boom, welcher nicht zuletzt auf die am Holländischen Platz neu gebaute Fabrik von Carl Anton Henschel zurückzuführen ist. Die Familie Henschel setzte mit der Gründung der Gießerei Henschel & Sohn den

Startpunkt für eine Phase des Aufschwungs und des Wohlstands für die BürgerInnen der Stadt Kassel - in der Gründungszeit bestand die Fabrik aus ca. 200 ArbeiterInnen, um 1900 waren es bereits 2220 und im Zenit der Rüstungsindustrie im Nationalsozialismus waren es 6149 ArbeiterInnen (vgl. Gieseler: 2009). Die Fabriken von Henschel & Sohn, auch Henschelei genannt, lieferte die Gerätschaften für das militärisch hochgerüstete preußische Kaiserreich, zwischenzeitlich auch für die französischen BesatzerInnen unter Napoleon Bonaparte und später für die NationalsozialistInnen (vgl. Ulbricht: 2009). Die Rüstung war also ein bedeutendes Standbein in der Stadt Kassel. Nach dem 1. Weltkrieg erkannten dies auch weitere Unternehmen, welche durch die von den NationalsozialistInnen verbreitete Lüge der „Schande von Versailles“ ihre Chance witterten. So wurden 83


unsichtbare stadt

Eine Lok verlässt über den Holländischen Platz die Henschelei

Unternehmen, welche überwiegend zivile Erzeugnisse herstellten, in die Rüstungsmaschinerie der neuen MachthaberInnen eingespannt und gleichgeschaltet. Mit der Verleihung des Titels „Stadt der Reichskriegertage“ und dem geplanten Ausbau der Stadt Kassel zur Gauhauptstadt des Gaus Kurhessen siedelten sich immer mehr - zu der Zeit war öffentlich von kriegswichtig noch nicht die Rede - Betriebe und weitere Einrichtungen in Kassel an. Neben den Henschelwerken siedelten sich noch die Fieseler Werke, die Junkers Motorenwerke in Kassel an – Henschel sollte sich ab 1942 zum drittgrößten Panzerhersteller im III. Reich entwickeln, da sich das Unternehmen im Rüstungswettstreit um einen neuen Kampfpanzer gegen Porsche behaupten konnten und vom Rüstungsministerium mit der Fertigung des schweren Kampfpanzers Tiger und später auch des schweren Kampf84

panzers Tiger II „Königstiger“ be-

auftragt wurden. Neben dem Tiger aus Henschelproduktion wurde ab Anfang 1942 in den Fieseler Werken mit dem Entwurfsprojekt der Fieseler Fi 103 begonnen, welche später unter dem Namen V1 (Vergeltungswaffe 1) einen traurigen Namen in der Geschichte eingenommen hat. Ab ihrer Einsatzbereitschaft im Frühjahr 1944 wurden insgesamt bis kurz vor Kriegsende (März 1945) 12.000 dieser Flugbomben hergestellt und auf Ziele in England und Belgien abgeschossen (vgl. regiowiki: 2009). Diese dramatische Entwicklung blieb den alliierten Streitkräften nicht verborgen, wodurch Kassel auf der Liste der zu bombardierenden Städte sehr weit oben rangierte. Auch die Führung des nationalsozialistischen deutschen Reiches erkannte diese Situation und begann ihre Anstrengungen im aktiven und passiven Luftschutz weiter voran zu

Auer Raumfilteranlage - Privater Luftschutz - Kassel Reuterstraße


Zerstörte Flakstellung in Kassel-Sandershausen

treiben. Seit 1935 konnte durch den Erlass des Reichsluftschutzgesetzes jeder EinwohnerInnen des Reiches zum Luftschutz herangezogen werden. In der Anfangsphase des 2. Weltkrieges stießen diese Maßnahmen bei der Bevölkerung noch auf

spöttisches Unverständnis, da diese nach den anfänglichen Erfolgen der deutschen Kriegsmaschinerie noch voller Siegeswillen waren und die grauen Betonblöcken als unnötig empfanden – ab 1942 sollten sie die bittere Realität am eigenen Leibe

zu spüren bekommen. Auf Weisung des Reichsluftschutzes wurden die Keller der Wohnhäuser in der Stadt Kassel durch Mauerdurchbrüche verbunden, damit die Menschen, welche in den Luftschutzkellern Schutz suchten, im Notfall durch einen anderen Keller aus ihrem eigenen zerbombten Haus entkommen konnten. Zwar war jede Stadt im damaligen deutschen Reich in dieser Weise auf die Luftangriffe vorbereitet, doch wurden diese Maßnahmen in Kassel mit sehr großer Akribie umgesetzt, was zur Folge hatte, dass die Luftschutzmaßnahmen zu 90% im Stadtgebiet umgesetzt wurden (vgl. Meyer: 2009). Doch wie wir aus der Geschichte wissen, hat auch dieser Schutz nicht annähernd für die gesamte Bevölkerung gereicht und so kamen in der verheerenden Bombennacht vom 22. auf den 23. Oktober 1943 ca. 10.000 Menschen durch britische Bomber ums Leben. Deutschland steuerte ab diesem Jahr in den totalen Krieg und somit immer weiter in den Abgrund der Geschichte. Anfang April kapitulierte die kurz zuvor zur Garnison ernannte Stadt und am 05. April 1945 war der Krieg für Kassel vorbei. Mit dem Neuaufbau wurden auch bestehende Schutzbauten miteinbezogen. Die Menschen fürchteten sich vor dem aufkommenden Kalten Krieg und so hielt auch der Luftschutz erneut Einzug in den Städtebau. Die Infrastruktur wurde so ausgerichtet, dass sie im Falle eines Krieges gegen die Truppen des Warschauer Paktes schnell zerstört werden konnten, Wohnblöcke wurden so errichtet, dass Druckwellen der Bombenexplosionen schnell entweichen konnten und die Bunker wurden „atomsicher“ gemacht.

Kassel 1945 - grün das K10 am Campus Holländsischer Platz

Exkursionsinhalt Gauhauptstadt Kurhessen, Stadt der Reichskriegertage, Stadt der Soldaten, einer der wichtigsten Rüstungs85


unsichtbare stadt standorte des nationalsozialistischen 3. Reiches. Gebäude, von denen einst Angst und Schrecken ausgingen, wie der repräsentative Bau im „Königstor 31“ - einst Machtzentrum der Gestapoleitstelle in Kassel, strahlt dieses Gebäude noch heute eine düstere Atmosphäre aus (vgl. Krause-Vilmar: 2008). Ein Prunkbau im Zeichen der nationalsozialistischen Architektur am heutigen Grafen-Bernadotte-Platz. Errichtet als Generalkommando des Wehrkreises IX der deutschen Wehrmacht, beherbergt es heute das Bundessozialgericht. Im Krieg unzerstört geblieben, ist es mit der einzige bauliche Zeuge der Gauhauptstadt Kurhessen. Die heutige Walter-Hecker-Schule an der Hoffmann-von-Fallersleben-Straße - damals Umschlagplatz für die Deportation der jüdischen EinwohnerInnen der Stadt Kassel, welche auf Gleis 13 im Kasseler Hauptbahnhof in die Todeslager im Osten deportiert wurden.

Generalkommando in den 1930er Jahren

Es sind nur einige Beispiele, wie Kassel sich in die gleichgeschalteten Städte des 3. Reichs eingegliedert hat. Ab den 1940er Jahren wurde der aktive und passive Luftschutz in der Stadt immer bedeutender. Anfangs in Endsiegstimmung, machten die EinwohnerInnen der Stadt noch scherzhafte Bemerkungen über die klobigen Betonklötze, welche aus dem Boden wuchsen. Ab dem Jahr 1942 holte sie die bittere Realität ein - keiner machte mehr Witze. Bei dieser Exkursion wird zusammen mit ExpertInnen die Ideologie hinter dem „gebauten Krieg in Kassel“ beleuchtet und zu verstehen gegeben, was diese Ideologie für die Stadt und ihre BewohnerInnen bedeutet hat.

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Das heutige Bundessozialgericht am Graf-Bernadotte-Platz 5


Literatur: Henschel http://regiowiki.hna.de/Henschelei Zugriff 28.03. 2014 Unternehmensgeschichte Henschel & Sohn http://www.albert-gieseler.de/dampf_de/firmen0/firmadet1260.shtml Zugriff 28.03. 2014 Ulbricht, Annette et.al. (2009): Von der Henschelei zur Hochschule, S. 13-23. Meyer, Lola (2006): Wieviel „gebauter“ Krieg steckt in der Stadt? Die Suche nach dem Krieg in Architektur und Städtebau am Beispiel Kassels, S. 16-21. Krause-Vilmar, Dietfried (2008): Orte der Erinnerung und Mahnung Kassel 1933 - 1945 - Ein Wegweiser, S. 5. Abbildungen: „Eine Lok verlässt über den Holländischen Platz die Henschelei“. S. 2. Quelle: Henschelmuseum „Auer Raumfilteranlage - Privater Luftschutz - Kassel Reuterstraße“ S. 2. Quelle: Eigene Fotografie „Zerstörte Flakstellung dershausen“. S. 3. Quelle: HNA

in

Kassel-San-

„Kassel 1945 - grün das K10 am Campus Holländsischer Platz“. S. 3. Quelle: Amt für Vermessung und Geoinformation „Generalkommando in den 1930er Jahren“ S. 4. Quelle: Ebayauktion „Das heutige Bundessozialgericht am Graf-Bernadotte-Platz 5“ S. 4. Quelle: google+ Profil Bundessozialgericht

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r9 ein rückblick Viel bewegte Bilder, seltsame Geräusche, Lichter und eine Atmosphäre wie im heimischen Wohnzimmer - das war der Rundgang

Unsere Ziele der am Rundgang gezeigten Ausstellung waren:

• der • •

Bruch mit der typischen Art einer Rundgangsausstellung (Plakate, viel Text, wenig Interaktives) den BesucherInnen Lust auf die Organisation eines solchen Kongresses zu machen und sie im besten Fall zur Mithilfe und aktiven Teilnahme zu bewegen die Schaffung einer lockeren Atmosphäre, die den BesucherInnen zum Verweilen einlädt und ihm einen ersten Eindruck vom PIT verschafft

Entscheidend geprägt hat uns dabei die Frage, wie wir unsere Projektarbeit, die im Wesentlichen eine Mischung aus Selbstfindung, inhaltlicher Findung, Schärfung und Vertiefung der Thematik „Unsichtbare Stadt“, grafischer Arbeit und der Organisation des Kongresses selbst am besten in dem Format einer Ausstellung präsentieren können. Wir gehen aufgrund von eigenen Erfahrungen unserer bisherigen Rundgangspräsentationen davon aus, dass der/die durchschnittliche BesucherIn wenig Zeit, kaum Vorwissen und in der Regel auch wenig Motivation, sich mit einem Thema auseinanderzusetzen, mitbringt.

Oft machte sich auch eine gewisse Unsicherheit und Unbehagen bemerkbar, was wohl zum einen aus dem Gefühl beobachtet zu werden und der Angst etwas kaputt zu machen, resultierten könnte. Wir haben aus diesem Grund bewusst visuelle, auditive und haptische Schwerpunkte gesetzt, um die Wahrnehmungssinne des/der BesucherIn zu stimulieren und Lust zu wecken, etwas auszuprobieren oder anzuschauen. Wir haben den Inhalt unserer Ausstellung auf einige wenige akzentuierte Beiträge beschränkt, die nicht den Anspruch hatten eine Fülle an Inhalt zu überbringen, sondern eher dazu dienen sollten, für jeden Gast einen individuellen Anknüpfungspunkt an die Thematik der „Unsichtbaren Stadt“ zu bieten. Uns ist es so gelungen Teile unserer inhaltlichen Ausarbeitung in einer interaktiven Form, aber relativ unerklärt, darzustellen, um zu gewährleisten, dass der/die BesucherIn im besten Fall die Ausstellung mit einer eigenen Position oder Vorstellung zur „Unsichtbaren Stadt“ verlässt. Da wir unsere Ausstellung als eine Art Experiment sehen, haben wir an den drei Tagen des Rundgangs eine Webcam laufen lassen, die alle zehn Sekunden ein Bild macht. So konnten wir die Dynamik und Interaktion der Gäste präzise aufnehmen.

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rundgang

animativ Die beim Rundgang gezeigten GIF-Animationen waren ein Patchwork aus handgezeichneten Animationen, Illustrationen, Fotomontagen und Fotografien. Die Animationen greifen „starre“ und unbewegliche Objekte und Orte, wie das EAM-Hochhaus, die Statur von Friedrich II. oder das Trafohaus am Lutherplatz auf und lassen sie zum Leben erwachen. Es entsteht durch die Kombination einer Fotografie, welche nur einen Moment

einfängt, diesen auf unbewegliche Art und Weise abbildet und der Animation durch Techniken des Trickfilms, aus zwei grundverschiedenen Techniken und Kontexten eine dritte Dimension. Durch die Animierung gelingt es zudem einen neuen Interpretationsschwerpunkt zu setzen und bestimmt Merkmale in den Vordergrund zu heben.

Was sind eigentlicht GIF – Animationen? Die GIF (Graphics Interchange Format) Animationen spielen mit dem eher starren Format der Fotografie. Dinge erwachen zum Leben, verschwinden oder beginnen eine Transformation. So gelingt es die Bilder in eine neue Situation zu setzen und eine Dramaturgie zu kreieren.

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EAM-Hochhaus Beim EAM-Hochhaus handelt es sich aus meiner Perspektive um einen unsichtbaren Ort. Obgleich der prominenten Platzierung am Ende der Treppenstraße und direkt am Scheidemannplatz ist er mir bisher weitestgehend verborgen geblieben. Der 50er-Jahre-Bau ist aufgrund seiner Höhe ein nicht zu vernachlässigender Bestandteil der Kasseler Skyline. Trotz all dieser eindrucksvollen Faktoren bin ich doch drei Jahre nur an dem Gebäude vorbei gelaufen und habe ihm keinerlei Beachtung geschenkt. Erst durch die Beschäftigung mit dem Thema „Unsichtbare Stadt“ ist mir diese eindrucksvolle Architektur für mich aufgefallen und ist seitdem ein prägendes Element des Kassler Stadtbildes. 91


Friedrich II. Jahr für Jahr steht Friedrich der II. auf seinem Podest und schaut auf sein Fridericianum. Jetzt ist die Zeit reif für eine kleine Verschnaufpause. Mit dieser GIF-Animation soll die Aufmerksamkeit auf den Landgrafen von Hessen-Kassel gelenkt werden, der mit dem Bau des ersten frei zugänglichen Museums auf dem europäischen Festland einen Grundstein für Kunst und Kultur in Kassel setzte. Oft wirkt Friedrich an seinem Platz etwas verloren – oft bleiben die Geschichten hinter den vielen Staturen einer Stadt verborgen und sie werden zu reinen Accessoires. 92


Trafo-Haus am Lutherplatz Die Animation zum Trafohäuschen am Lutherplatz entstand aus aktuellem Anlass. Seit etlichen Jahren ist das Gebäude aus den 50er-Jahren Teil des Stadtgesprächs, als ein Ort zwischen der Kunst- und der Drogenszene. Schon ewig scheint es Streit, um diesen Ort zu geben, der wohl in den meisten Köpfen der Kassler BürgerInnen Angst und Unbehagen hervorruft. Mit dem Aus der Kulturinitiative Trafo im Jahre 2013 wurde auch das Ende des Gebäudes besiegelt. Anfang dieses Jahres wurde das Gebäude mit einem Bauzaun abgesperrt und die dort seit einigen Jahren ansässige Drogenszene muss sich wohl nach einem anderen Ort umschauen. Die Animation ist ein Vorab-Nachruf und möchte zum Nachdenken über den Umgang der Stadtentwicklung mit solchen Orten anregen. 93


rundgang

dèrive (Who is tracking you?) Dieser Text dient der Zusammenfassung und Auswertung von Gedanken über das Video „Dèrive (Who is tracking you?)“, welches im Rahmen der Vorbereitung des PlanerInnentreffens im Januar 2014 entstanden ist. Er soll somit Interpretationsansätze liefern, die weder einen Anspruch auf Richtigkeit noch auf Vollständigkeit erheben.

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rundgang

Selbstaufnahme A.Winkelman

Das Vorbild

A

m 14.10.2011 lud der Nutzer Falentin das Musikvideo Burial / Four Tet — „Moth“ auf die Plattform vimeo.com. Das Video wurde in den ersten sieben Tagen 2827-mal gespielt. Es zeigt einen Zusammenschnitt von Jean-Luc Godards 1964 erschienen Film Une femme mariée (Eine verheiratete Frau) (Fußnote: Eine verheiratete Frau. Regie: Jean-Luc Godard, FR 1964; (Orig. Une femme mariée: Suite de fragments d‘un film tourné en 1964)) und des Kurzfilms „Adolf Winkelmann, Kassel, 9.12.1967 11.54h“, welchen Adolf Winkelmann im Jahre 1978 veröffentlichte. Letzteres spielt im neuen, nach den Maßstäben der Moderne aufgebauten Kassel, konkreter gesagt der Königsstraße. Unterlegt wurden diese beiden parallel montierten Filmteile durch das Lied „Moth“ der beiden Künstler Burial und Four Tet.

A 96

dolf Winkelmann drehte 1978 den Film „Die Abfahrer“. In ihm stehlen drei arbeitslose Jugendliche einen Möbeltransporter und fahren mit ihm

durch Nordrhein-Westfalen (vgl. Munzinger o.A.). Zu dieser DVD hat der Regisseur als Bonusmaterial einen Kurzfilm beigefügt, dessen Titel „Adolf Winkelmann, Kassel, 9.12.1967 11.54h“ lautet. In diesem vom noch jungen Winkelmann produzierten Kunstfilm richtet er eine vor sich befestigte Kamera auf sein Gesicht und seinen Oberkörper. So bewegt er sich durch die Königsstraße in Kassel. Der in schwarz-weiß gehaltene Film zeigt die Innenstadt Kassels, PassantInnen und Straßenbahnen. Er endet mit dem Verzehr einer Bratwurst auf dem mit Menschen gefüllten Königsplatz. Trotz der zentralen Position des Regisseurs im Film, ist er irrelevant/nimmt er eine untergeordnete Rolle ein. Es scheint als wäre ihm nur wichtig, was im Hintergrund passiert: Menschen die sich nach ihm Umdrehen, die alten Trams, der heute erweiterte Kaufhof, der mit Autos befahrene Königsplatz. Dies gilt heute als historische Überlagerungen aus einer vergangenen Zeit (vgl. Kultur Kenner o.A.).


Eine verheiratete Frau - Godard

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ine Verheiratete Frau (Orginal: Une femme mariée: Suite de fragments d‘un film tourné en 1964 (Jean-Luc Godard, 1964)) Jean-Luc Godard gilt als ein führender Vertreter der Stilrichtung der Nouvelle Vague, die sich mit ihrer freien und experimentellen Form vom klassischen Hollywoodkino abgrenzt. So kommt es, dass Godard nicht in bekannter Art Dialoge aufnahm, sondern mit Kamerabewegungen und Positionen experimentierte. Es werden collagenhafte Abbilder der Realität produziert. Im Film „Außer Atem“ arbeitete er als erster Regisseur mit dem Jump-Cut. (Jump-Cut ist eine Methode, mit der durch einen harten Schnitt ein Gegenstand oder eine Person aus dem Bild verschwindet und damit das Raum-Zeit-Kontinuum aufgebrochen wird) Ein mögliches Ziel des Films ist es, eine eigene, subjektive Betrachtungsweise durch eine andere, ungewohnte Wahrnehmung des Films aufzulösen. Durch die ständige Überprüfung von Wörtern, Bildern und Tönen ist Godard ständig auf der Suche nach dem richtigen

Ton, Bild und Wort. Er zeigt damit gleichzeitig auch, wie begrenzt das sichere Wissen der RezipientInnen und wie subjektiv die eigene Wahrnehmung ist. Für den Kurzfilm Dérive (Who is tracking you?) waren Ausschnitte aus Godards Werk „Eine verheiratete Frau“ inspirierend. In diesem „Fragmenten eines 1964 gedrehten Films“ (Munzinger b) werden 24 Stunden aus dem Leben einer verheirateten Frau gezeigt. Sie ist schwanger, weiß jedoch nicht ob sie ihr zweites Kind von ihrem Ehemann oder ihrem Liebhaber erwartet (vgl. Munzinger b). Im Film sind an verschiedenen Stellen sieben Interviews eingearbeitet. Für Godard ist „Eine verheiratete Frau“ ein Objekt, das sich zusammensetzt aus einem Ehemann, einem Liebhaber, einem Auto und einer Wohnung, aus Armen, Beinen, Augen und Bauch, aus Hemden und Höschen - aber auch aus Zärtlichkeit und Lügen“ (Der Spiegel 1965). Der zunächst zensierte Film wurde nach Änderungen schließlich doch freigegeben (vgl. Der Spiegel 1965). 97


rundgang

Burial und Four Ted

Burial und Four Tet

M

unzinger Online meint, dieser Film betrete den Bereich der Semiotik. Es solle das komplexe Zeichensystem aufbrechen. Godard nutzt dazu Bilder, Wörter, Musik und Geräusche, die in scheinbar nicht logischer Art und Weise kombiniert werden und so die alltägliche Wahrnehmung stören. Äußerst schlecht fällt die Kritik durch Munzinger Online aus, da dem Film ein künstlerischer und intellektueller Anstrich zugeschrieben wird: Die „ausschließlich fotografischen Qualitäten der einzelnen Bilder und Einstellungen können [...] [den Film] nicht zum Rang einer künstlerisch beachtlichen Leistung erheben, weil optische Delikatessen ohne gehaltliche Gegengewichte bedeutungslos sind“ (Munzinger b).

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B

ei Burial und Four Tet handelt es sich um zwei britische Künstler, welche experimentelle elektronische Musik produzieren, die sich den Genres Ambiente, House, Dubstep und Drum ‚n Bass einordnen lassen. Der Track „Moth“ ist eine Co-Produktion der beiden Musiker und besticht durch seine lineare und vorwärtstreibende Rhythmik und den experimentellen Vocals. Die Musik passt also sehr gut zum Bild eines laufenden Menschen.

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er Künstler Falentin hat das Musikvideo zu „Moth“ als eine Auftragsarbeit produziert.


Titelbild

Die Adaption

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ie Erstellung des Films „Dérive (Who is tracking you?)“ erfolgte auf intuitive Art und Weise. Inspiriert durch die Arbeit von Godard, Winkelmann, Burial, Four Tet sowie Falentin bestand die ursprüngliche Idee darin, Winkelmanns Filmszenen durch eigene Aufnahmen zu ersetzen und die Szenen Godards sowie die Musik beizubehalten. Erst im Laufe der Zeit entwickelte sich die Vorstellung, komplett neues Filmmaterial zu kombinieren und ein anderes Lied zu wählen. Es ging darum, die technischen Möglichkeiten für eigene Aufnahmen zu konstruieren, den heutigen Eindruck der Königsstraße aus einem individuellen und subjektiven Blick wiederzugeben und keinen fachlichen, korrekten, einfach verständlichen Kurzfilm zu produzieren. Deshalb sind alle hier angebotenen Erklärungen nur Interpretationsmöglichkeiten, die (zum Teil) nach der Erstellung des Videos entstanden sind.

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ur Selbstaufnahme wurde eine einfache GoPro-Kamera verwendet. Diese kleine, robuste mit Weitwinkel ausgestattete Kamera ermöglichte einen einfachen Umgang ohne großes technisches Vorwissen. Ganz im Sinne Godards, der sagte: „In dieser Hinsicht bin ich eher ein Amateur und benutze folglich Mittel, die dem Amateur zur Verfügung stehn, nur mit dem Unterschied, daß ich versuche, sie professionell zu gebrauchen“ (Godard 1981: 63). Wir würden uns nicht anmaßen zu sagen, dass wir unsere „Mittel“ professionell verwenden, aber wir sind uns sicher, dass wir Mittel nutzen, die dem/der AmateurIn zur Verfügung stehen. Ohne Zoom zu arbeiten, ermöglichte uns, keine Detailaufnahmen machen zu müssen, was zu keinen weiteren Ablenkungen führte.Unser filmisches Bild gestaltet sich durch den Bezug zwischen der starren halbnah aufgezeichneten Haltung des Darstellers und dem Hintergrund. 99


rundgang

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ch glaube, daß die künstliche Geschwindigkeit des Films die Vermutung nahelegt, es sei eine Repräsentation des Lebens. Man kann sie wieder als ein künstliches Moment begreifen und sagen, daß es andere gibt, daß es im Leben eine Menge unterschiedlicher Geschwindigkeiten gibt“ (Godard 1981: 85) Diese, ebenfalls von Godard stammende Aussage sehen wir als Teil unseres Films. Die insgesamt drei verschiedenen Geschwindigkeiten legen nahe, dass auch bei diesem Kurzfilm nur ein kleiner Ausschnitt von Lebenswirklichkeiten dargestellt werden konnte. Achtet man auf die Menschen und Gegenstände (Straßenbahnen) im Hintergrund, so sieht man diese sich in individuell verschiedenen Geschwindigkeiten in Bewegung, (man auch bei ihnen sehr viele verschiedene Geschwindigkeiten, die je nach ihrem Verhalten variieren.)

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it dem Lied „Everything You Do is a Balloon“ des schottisches Musikerduo Boards of Canada wurde ein Stück aus dem Electronica Genre genutzt. Wir haben diesen Track ausgewählt, da er unsere Bilder melancholisch unterstreicht, eine Spannung aufbaut, jedoch niemals einen Höhepunkt erreicht. Er zeichnet sich zudem durch ein langsames, schleppendes Tempo aus, welches durch verspielte Melodien komplettiert wird. Dies passt in unseren Augen sehr gut zum Gang unseres Protagonisten durch die Stadt. Zudem wirkt die Melodie und der Rhythmus in Verbindung mit den be-

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wegten Bildern eher introvertiert und kreiert so ein atmosphärisches Bild zum Video.

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nser vorliegender Kurzfilm zeichnet sich, wie das inspirierende Vorbild, durch zwei miteinander verschnittene Filmsequenzen aus. Diese beiden ‚Handlungsstränge‘ resultieren aus dem von Alma W. Bär gezeichneten Kurzfilm „fuckin´ situation blues“ sowie eigenen Aufnahmen.

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er Zeichentrickfilm „fuckin´ situation blues“ der Kasseler Künstlerin Alma W. Bär zeigt eine Person, welche durch Ihre Gesten und Handlungen den Eindruck erweckt, einer durch Einsamkeit erzeugten negativen Stimmung zu unterliegen. Der Figur fällt es schwer aufzustehen, sie läuft, ohne ein wirkliches Ziel zu haben, und trifft am Ende auf eine weitere Person. In welchem Verhältnis sie zu dieser steht, bleibt offen. Der Zeichentrickfilm ist mit verschiedenen, Filmsequenzen zusammengeschnitten. Zeichentrick kann in seiner Art, eine Fiktion darstellen, die einen hohen Grad an Abstraktion ermöglicht. So ist z.B. der Raum, in dem sich die Hauptperson bewegt, nicht gezeichnet. Sie (die Person) befindet sich quasi in einem luftleeren Raum. Somit könnte man ihre Situation in die unterschiedlichsten Umgebungen projizieren und das Augenmerk wird auf der Handlung gelegt.


Handlungsstrang A und B

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anz nach dem Vorbild Winkelmanns wurden eigene Aufnahmen in Kassel angefertigt. Beim Gang durch die Königsstraße wurde der Darsteller frontal in naher Kameraposition gefilmt. Die Route verläuft vom Kasseler Rathaus bis zum Kasseler Stern. Neben verschiedenen Drehungen zur Treppenstraße und auf dem Königsplatz ist der Verzehr eines Dürüms auf dem Königsplatz der dramaturgische Höhepunkt. Dabei ist das Essen eine alltägliche Handlung, die in ihrer Profanität dem ebenfalls im Video befindlichen Gang durch die Stadt ähnelt.Was als besonders durch die Rezipierenden wahrgenommen wird, ist jedoch nur durch die ungewohnte, neue Perspektive entstanden, nicht durch neue, ungewohnte Handlungen.

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a sich der Kurzfilm durch eine nicht handlungsorientierte Dramaturgie auszeichnet, müssen die zwei eben beschriebenen Teile nicht miteinander in Verbindung gebracht werden. Sie sind in unterschiedlichen Stilen (Nahe und Halbtotale sowie Film und Zeichentrickfilm), haben keine gemeinsame Dramaturgie und somit auch kein gemeinsames Ende. Trotz dessen sind sie in einem Film vorhanden und erzeugen ein gemeinsames Gesamtbild. Dass so etwas in einer filmischen Arbeit durchaus möglich ist, zeigt das folgende Zitat Godards: „Film heißt nicht: ein Bild nach dem anderen, sondern ein Bild plus ein Bild, woraus ein drittes Bild entsteht. Dieses dritte Bild wird

übrigens vom Zuschauer in dem Augenblick gebildet, wenn er den Film sieht.“ (Liebe - Arbeit - Kino: Seite 108). Dieses dritte Bild ist genauso wie unsere Gedanken eine individuelle Angelegenheit der Rezipierenden. Es könnten aber auch weitere Ansatzpunkte für diese beiden Filmteile gefunden werden. Als Mensch ist man nicht mehr auf einen Ort reduziert. Der hohe Grad an Mobilität hat zur Folge, dass man in kurzer Zeit in verschiedenen Städten sein kann. Der Film greift mit der Königsstraße in Kassel einen konkreten Raum auf, der für den/die RezipientIn gut sichtbar ist. Der Zeichentrickfilm zeigt hingegen keinen konkreten Ort und könnte deswegen überall angewendet werden. Somit könnte der Filme einen Hinweis darauf bieten, dass nicht nur Kassel mit dem Film gemeint sein könnte, sondern ein globaler Anspruch besteht. Der Grund, weswegen die Betrachtenden ein Unverständnis empfinden könnten oder die Bilder eine ‚sinnlose‘ Abfolge attestieren würden, ist die uneindeutige Verbindung der beiden Filmteile. Es gibt keinen offensichtlichen semiotischen Zusammenhang, was zur Erkenntnis führt, dass die Rezipierenden eigene Defizite in der Wahrnehmung erkennen könnten, da ihnen das Wissen fehlt, um beide Teile als eine Einheit zu verstehen. Das offene Ende könnte die Frage aufwerfen, wie es weiter geht, was kommen wird und welchen ‚Zweck‘ dieses Video hat oder sogar welchen Mehrwert die Rezipierenden für sich herleiten können. Wir lassen es offen und 101


rundgang

Szene im Film

nutzen dafür Friedrich Schlegels Worte: „Nur das Unvollendete kann begriffen werden.“

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er Weitwinkel der Go-Pro ist durch die Verzerrung des Gesichtes der zu sehenden Person eine Möglichkeit, um die Situation als grotesk und unwirklich erscheinen zu lassen. Sie bietet die Möglichkeit, einen größeren Ausschnitt der urbanen Situation zu erfassen. In der Kameraeinstellung liegt deswegen bereits eine wichtige Erfahrung. Subjekt und Stadt können hier in einen direkten Zusammenhang gebracht werden. Die voyeuristische Position der Rezipierenden trägt dazu bei, die Situationen vergleichen zu können.

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chwarz/Weiß oder Farbe? Fast jeder Mensch sieht in Farbe. So steht das farbige, bunte Bild für den Alltag und die Realität. Der schwarz-weiß Filter, welcher im Film angewendet wurde, könnte ein Ausdruck davon sein, dass dieser Film nicht für das Alltägliche stehen soll. Die Abstraktion fällt zugunsten der Verallgemeinerung aus. Unterstrichen wird dies auch von der fast depressiven Grundstimmung, die von der Musik etabliert wird.

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érive (fr. herleiten, ableiten) ist ein Konzept der Situationisten, welches im engeren Sinne durch „mit den Bedingungen der städtischen Gesellschaft verbundene experimentelle Verhaltensweise“ oder auch „Technik des eiligen Durchqueren

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abwechslungsreicher Umgebungen“ (Biene Baumeister Zwi Negatort (2005): Situationistische Revolutionstheorie, Eine Aneignung. S. 185) beschrieben werden kann. Dieser zuerst in Frankreich angewandten Methode verstand sich als subversive Art der Stadterkundung. „Who is tracking you?“ (frei übersetzt: Wer verfolgt dich?), ist eine Frage, die an einen Krimi erinnern könnte. Hierbei nimmt der Titel Bezug zur Kameraführung, welche die hinter dem Subjekt liegende Umgebung aufnimmt. Für die Rezipierenden ist es möglich, den Hintergrund zu sehen und mögliche Verfolgende zu erkennen. Doch zu sehen sind nur flanierende, konsumierende oder arbeitende Personen. Das zu sehende Subjekt ist vielmehr durch sich selbst verfolgt, durch seine Gedanken, durch seine Verbindung mit der semiotisch aufgeladenen Stadt und die überall präsenten Konsumangebote. Godard beschreibt in einer Pressekonferenz zu seinem Film „Rette sich wer kann (Das Leben)“, dass der Film eine Co-Produktion sei und deshalb habe er auch den Titel so gewählt, um einen kommerziellen und einen klassischen Titel zu kreieren. Gleichzeitig entstünde daraus ein weiterer dritter Titel, ähnlich wie bei den Handlungssträngen, die ein drittes Bild erzeugen.Diesen Effekt erhoffen wir uns auch bei unserem Titel.

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ie unsichtbaren Aspekte dieses Kurzfilms sind auf Anhieb nicht leicht zu erkennen. In erster Linie wird das im Hintergrund liegende


Szene im Film

ganz konkret sichtbar. Man sieht etwas, dass wir nicht im täglichen Leben bemerken. Die Perspektive hinter dem Darsteller ist eine ungewohnte und fßr viele bestimmt auch neue Sichtweise. Zudem stellt die Mimik und Gestik des Darstellers eine Art Spiegel dar, in dem sich die von ihm gesehen Situationen widerspiegeln.

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Literatur: Farocki, Harun/ Silvermann, Kaja 1998: Von Godard sprechen, Berlin.

Selbstaufnahme A.Winkelman: Faltin (2011): Adolf Winkelmann, Kassel, 9.12.1967 11.54h. http://vimeo.com/30549453 [10.01.2014]

Godard, Jean-Luc 1981: Liebe Arbeit Kino, Rette sich wer kann (Das Leben), Berlin.

Eine verheiratete Frau - Godard: Faltin (2011): Adolf Winkelmann, Kassel, 9.12.1967 11.54h. http://vimeo.com/30549453 [10.01.2014]

DER SPIEGEL (1965): GODARD, Frauen wie Raupen. http://www. spiegel.de/spiegel/print/d-46169213.html [05.02.2014]

Burial und Four Ted: Thom-Yorke (2011): http://www.culturebully.com/wp-content/uploads/2011/03/Thom-Yorke-Four-Tet.jpg [27.03.2014]

Kultur Kenner Nordrhein-Westfalen (o.A.) b: Adolf Winkelmann. http://kulturkenner.de/pages/adolf-winkelmann [08.01.2014] Munzinger Online/Film - Kritiken aus dem film-dienst (o.A.) a: Die Abfahrer. URL:http://www.munzinger.de/document/10000022071 [08.01.2014] Munzinger Online/Film - Kritiken aus dem film-dienst (o.A.) b) : Eine verheiratete Frau. http://www.munzinger.de/document/10000013622 [5.2.2014] Abbildungen:

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Abspann

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Auditiv

Als auditiv bezeichnet man die Sinneswahrnehmung von Schall durch Lebewesen Benjamin Davy schreibt in seinem Buch „Die neunte Stadt“ (2004) über die unterschiedliche Wahrnehmung von Menschen von der Stadt. Er orientiert sich hierbei an der von Mary Douglas erstellten Theorie der „Rationalitätstypen“, bei denen es um die generelle menschliche Wahrnehmung geht (vgl. Davy 2004:58). Auf dieser Grundlage wurde sich entschieden, die subjektive Wahrnehmung eines Ortes aus Sicht eines bzw. einer ProjektteilnehmerIn beim Rundgang darzustellen. In Vorbereitung auf dieses Experiment wurden innerhalb der Projektgruppe Vorschläge für geeignete Orte im Stadtraum Kassel gesammelt, die 20 Interessantesten herausgefiltert und den ProjektteilnehmerInnen zugelost (teils doppelt, um die unterschiedliche Wahrnehmung vergleichen zu können). Die Aufgabe bestand darin, mithilfe eines Tonaufnahmegerätes für den Ort typische Geräusche einzufangen, eine

charakteristische Beschreibung zu erstellen und aussagekräftige Fotos zu machen. Zum Rundgang Wintersemester 2013/2014 wurden die Ergebnisse aufbereitet und den Besuchern in der Station „Auditiv“ zur Verfügung gestellt. An einem Kleiderständer wurden Kleiderbügeln, an denen Overheadfolien befestigt waren, ausgestellt. Die Folien zeigten die von den ProjektteilnehmerInnen aufgesuchten Orte. Ergänzt wurden diese visuellen Eindrücke durch Tonaufnahmen, die mit Hilfe von zwei MP3-Playern inkl. Kopfhörern den Besuchern zur Verfügung gestellt wurden. Neben dem Kleiderständer wurde ein Overheadprojektor aufgebaut, dessen Projektionsfläche auf eine an der Wand dafür ausgewiesene Fläche strahlte. Die Folien wurden mit Zahlen versehen, die die Zuordnung des visuellen Eindrucks zum Akustischen ermöglichte.

„Die Stadt ist auf unterschiedliche Art und Weise wahrnehmbar. Auch ohne der Möglichkeit einen Raum zu sehen, kann dieser zum Beispiel durch vor Ort herrschende Geräusche erfasst werden. Also an die Kopfhörer und los geht’s!“ (Stationshinweis während des Rundgangs) Auf den folgenden Seiten finden Sie einen Teil der genannten Stadträume in Kassel mit ausgewählten Zitaten der Ortsbeschreibungen. Literatur: Davy, Benjamin (2008): Die Neunte Stadt, In: Fachgebiet Städtebau und Bauleitplanung Fakultät Raumplanung, Universität Dortmund (Hrsg.) (2008): StadtPerspektiven, Positionen und Projekte zur Zukunft von Stadt und Raum, Zürich. Douglas, Mary (1985): Reinheit und Gefährdung: eine Studie zu Vorstellungen von Verunreinigung und Tabu, Berlin.

Die Stadt ist auf unterschiedliche Art und Weise wahrnehmbar. Auch ohne der Möglichkeit einen Raum zu sehen, kann dieser zum Beispiel durch vor Ort herrschende Geräusche erfasst werden.

Station Auditiv beim Rundgang

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„Ich stehe hier und unter mir rauscht es – so ein bisschen wie Meeresrauschen (aber nicht so schön). Ich laufe einen matschigen Weg entlang.“

Am Weinberg, Kassel

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Schulhof (Schule am Wall, Kassel)

„Ich sehe viele verschiedene Anoraks, verschiedene Farben, verschiedene Größen. Ich sehe einfach viele Kinder, die gerade Spaß haben.“

I„Der Ort an dem ich mich befinde, wird ziemlich deutlich von einer Barriere dominiert, die allerdings aufgrund ihrer Natürlichkeit attraktiv wirkt. In meinem Sichtfeld befinden sich weiterhin Gebäude, relativ hohe Gebäude für Wohnbebauung, die aber sehr unterschiedlich gestaltet sind. Dadurch entsteht ein abwechslungsreiches Bild, es entsteht keine Monotonie und die Gebäude befinden sich ziemlich nah an dieser natürlichen Barriere.“ 110


Belgische Siedlung, Kassel

„Die Vorgärten sind so gebaut, dass eine Nutzung eher schwierig ist, ansonsten wirkt der Ort aber grün und idyllisch.“

Karlsaue, Kassel

„Und ich sehe eine große Wiese und viele Bäume, die leider gerade alle kahl sind.“

Karl-Branner-Brücke, Kassel

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Holländische Straße, Kassel

„Diese lange Straße ist stark befahren. Zu stark für die meisten die hier Wohnen.“ „Es ist eine der dicht befahrensten Straßen und so ziemlich jeder Student/jede Studentin kennt diese Straße.“

Stimmengewirr „Nächste Haltestelle: Königsplatz“

Tram, Kassel

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II„Doch ist dieser Ort auch in der Vergangenheit auch heftig in Kritik geraten. Erst jüngst wurde die Geschichte von bedeutenden Personen der Stadt Kassel ausgegraben, hinterfragt und öffentlich angeprangert. Sollte man Namen dieses Ortes wechseln? Sollte man ihn beibehalten?“

Karl-Branner-Brücke, Kassel

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„Ich stehe hier – relativ freie Sicht – laufe über eine graue Asphaltfläche. Neben mir kommt so ein Ding aus dem Boden – undefinierbar. Gerade kommt eine Bahn hereingefahren. Hier warten relativ viele Leute.“ Königsplatz, Kassel

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„Wie riesig dieser Straßenraum ist! Ich fühle mich ein wenig klein in dieser Umgebung. Vor mir liegen vier Fahrbahnen und zwei Tramspuren. Weit kann ich blicken. Bis zu einem Wahrzeichen Kassels. Wilhelmshöher Allee, Kassel

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„Ich passiere ein Cafè und auch heute Abend ist es mal wieder gut besucht. Letzte Woche hab ich n paar Nudeln dort gegessen, waren ziemlich lecker.“

Schlachthof Ecke Nordstadtpark, Kassel

„Die bunten Reklameschilder der einzelnen Läden leuchten und versuchen die Aufmerksamkeit der Leute auf sich zu ziehen.“

City-Hall, Kassel

„Der Ort hier ist eng und beklemmend.“ „Ein weiter Punkt ist, dass man den Verkehrslärm hier zwar hören aber nicht sehen kann.“

Unterführung Holländischer Platz, Kassel

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R9 „PIT“ Fotoalbum

al|bum einem Buch ähnlicher Gegenstand mit meist unbedruckten stärkeren Seiten, Blättern, auf denen Fotografien, [...] zum Aufbewahren befestigt werden. duden.de

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In persönlichen Erinnerungen werden unzählige Eindrücke und Bilder abgespeichert. Sei es der Klang von Stimmen nahestehender Menschen, der Geruch von Sonnenmilch, das Gefühl der Sonnenstrahlen auf der Haut und der damit verbundenen Erinnerung an den Sommerurlaub oder einfach die Erinnerung an einen bestimmten Ort. Durch Fotografien werden solche Erinnerungen und Geschichten festgehalten, gesammelt und aufbewahrt. Sie ermöglichen es auch Jahre später emotional in das bereits Geschehene einzutauchen. Obwohl eine Fotografie nur eine Momentaufnahme ist, so erlaubt es den Betrachter weiter zu träumen und ein Ereignis Revue passieren zu lassen. Erinnerungen verschwimmen, Fotos bleiben. Zuletzt bieten Fotografien die Chance Gefühle auszudrücken und diese anderen mitzuteilen. Fotografie ist eine Bildsprache, die alle verstehen und genau deswegen haben wir dieses

Medium in einem Album festgehalten und gesammelt. Das PlanerInnentreffen-Fotoalbum ist entstanden. Es soll dem Außenstehenden ein Einblick in die Stimmung eines PlanerInnentreffens ermöglichen. Es nehmen die unterschiedlichsten Studierende daran teil, so viele Erfahrungen gesammelt und so viele Geschichten danach erzählt. Deswegen ist es zwingend notwendig, dass all diese in Form von Bildern und Impressionen festgehalten werden. Neben Exkursionen und Seminaren werden unter Anderem auch besondere Partymomente oder Eindrücke von der Stadtaufgabe eingefangen, die jeden Tag während dieser kurzen Zeit, einzigartig machen. Es soll Lust auf mehr machen und aufzeigen was die Studierenden Ende Mai 2014 in Kassel zur „unsichtbaren“ Stadt zu erwarten haben. Im Fotoalbum sind noch einige Seiten ungefüllt und haben Potenzial durch viele Fotos ergänzt zu werden.


Fotoalbum beim R9

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katalog „unsichtbar“ Die Bilderrahmeninstallation dient als erweiterbarer Katalog der „unsichtbaren Aspekte“. Sie öffnet den Blick, gibt Anreize und lässt der Fantasie freien Lauf.

Die Wandinstallation „visuell“ bot uns die Möglichkeit unsere unterschiedlichen Erkenntnisse zur „unsichtbaren Stadt“ für die BesucherInnen visuell aufzubereiten. Gefüllt wurde die Bilderrahmensammlung mit der Aufgabe an jeden einzelnen ProjektteilnehmerIn, sich ein oder mehrere Bilderrahmen auszusuchen und diese mit ihren Gedanken zum Thema „unsichtbare“ Stadt zu füllen.

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Zeitpunkt der Ausstellung lediglich ein Abbild unseres derzeitigen Erkenntnisgewinns dargestellt.

Die Idee dabei ist es, das zahlreiche unterschiedliche Anknüpfungspunkte zu zeigen, um den Betrachter zu inspirieren statt ihm eine vorgefertigte Denkweise aufzuerlegen.

Das Format, der ungleichen Bilderrahmen ermöglicht nicht nur unterschiedliche Erscheinungsformen, sondern auch beliebig viele Anknüpfungspunkte zur Erweiterung. Weiterhin lassen sich im Detail unterschiedliche Wertigkeiten beim Betrachten erblicken, die wiederum durch die Masse an Bilderrahmen aufgehoben werden kann. Weiterhin kann diese Art der Darstellung umherwandern und dient somit als Katalog von Aspekten zur „unsichtbaren Stadt“.

Die Bilderrahmen stellen ein Sammelsurium an Aspekten zum Thema dar, die nur einen Ausschnitt der unendlich vielen, stetig variierenden Aspekte der „unsichtbaren“ Stadt zeigen sollen. Es wird damit zum

Zum PlanerInnenTreffen wird die Installation aufgehangen, dient dann unter anderem als Inspiration oder Diskussionsgrundlage. Die Bilderrahmen können stetig erweitert oder verändert werden.


Wir suchen die unsichtbare Stadt

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resümee Aus unserer Sicht ist die Rundgangswoche sehr erfolgreich verlaufen. Neben viel positivem Feedback von Lehrenden, Studierenden und anderen Gästen, hatten wir auch selber das Gefühl, dass die Ausstellung insgesamt gut gelaufen ist. Es kam zu vielen interessierten

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Nachfragen und Gesprächen. Lediglich ließen sich die Menschen, wie befürchtet, nicht allzu oft auf die interaktive auditive Station ein, sondern beließen es oft bei einem schnellen Umschauen.


r_afterhour Am Ende des ersten Abends des Rundgangs luden wir noch Freunde, Bekannte und jede Person, die gerade vorbei kam, zu einer kleinen Rundgangs-Afterhour ein. Um bei Cocktails und Lounge-Atmosphäre mit den

Leuten ins Gespräch zu kommen und weiter für unser Projekt zu werben. Im Laufe des Abends haben circa 50 Menschen die Chance genutzt, sich unsere Ausstellung auch außerhalb der Öffnungszeiten anzuschauen, Kontakte zu knüpfen und Spaß mit uns zu haben.

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Eine Magazin des Organisationsteams des PlanerInnentreffen Kassel 2014 c/o Universität Kassel HenschelstraĂ&#x;e 2 34127 Kassel aktuelle Infos unter: http://planerinnentreffen.de Alle Rechte vorbehalten Kassel 2014

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