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STADTGESTALTUNG UND HALTUNG

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STAmEBAUllCI-ES ENTWERFEN

1. Stadtgestalt und Stadtbild 1.1 Stadtgestall Die Stadtgestalt ~t ein wesentliches Thema des Städtebaus. Sie umschießt sowohl die materielle, physische Gestalt als auch immaterielle Faktoren wie Atmosphöre oder V1e~an.

"Folgerichtig geh&'en zu den Bementen der urbanen Umwelt ebenso materiele wie immatetiele Faktoren. d.h. phyJikafsche PhC5nomene genauso wie etwa wirtschaftliche oder soziale Aspekte (...). Die Ebene

der Stadtgestalt Ist ein umschlossenes Kontinuum. das durch Begrenzungen detfnierl wro. (...) mit dem der Mensch bewusst oder unb&WU$St in stdndiger Wechselbeziehung steht... (Michael Trieb)

Als Bewohner in der Stadt nutzen wT bestimmte Wege und ~ännen deshalb nur Teilräume der Stadtgestan wahmehmen. Jeder Beobachter speicher! den städt~chen Raum als sein "inneres" BiSet ois sog. "Stadt-Erscheinung" ob. Die Umwelt wirKt auf uns ein und ist damit mehr als die Summe der mathematisch physi~al~hen Umwelt. Dieses Bild wTd durch die Stadtgestan stru~riert und durch die subjelctive Ebene der Stadt-Erscheinung gefiltert. Das so entstandene Stadtbild Ist das Ergebnis einer Wechselbeziehung zwischen IndMduum und Umwelt. Als Produkt einer ständigen Wechselbeziehung ~t die reale Welt konlcrete Wirldichkeit und damit für den Beobachter die existente Performance des Raumes. Stadlgestan und Stadt-Erscheinung bedingen einander und werden

heute, zu 8eginn des 21. Jahrhunderts, durch die Ebene der Medien ergänz!. Dieser AspeIct führt zu einer Erwe~ terung und neuen Definition der Wahrnehmungsebenen

des "Stadtbildes",

l.2Stadtbld Städte werden heute zunehmend über Bilder kommuniziert. In der Wahmehmung von Städten spielt die physische Stadlgestan sowohl nach auBen a~ auch nach ir>nan eine wichtige Rolle. Bilder tragen zum Verstehen der WrkJichkeit bei. Dabei stellt ein Bild ewas dar, was es selbst nicht ist, es bindet Einzelmerkmale zu einem Ganzen zv. sammen.

StadlbHd·Yentöndnls nach Kevln Lynch Das Bild der Stadt oder eines Ortes setzt sich nach Kevin Lynchs Untoouchungen aus fünf typisierenden Bementen zusammen. die sich auf gegenständliche Formen beziehen: Wege, Grenzlinien, Bereiche, Brennpunkte und M~­ zeichen. Die Bemente beschreiben städt~che Kontexte, aber auch landschaften oder Ausschnitte aus dem ge-

samtstädltschen Kontext.

Wege besctveiben die 8ewegungsinien im städtischen Kontext. Hierunter versteht Lynch StraBen, Spazferwege,

Verbindungswege, Wasserwege, Eisenbahn- oder UBahnverbindungen. Durch diese Kanäle bewegt sich der ~eabachter gewohnheitsmäßig, gelegenlfich oder möglicherweise selten. Sie sind der wichtigste Betrachtungs.. raum des Beobachters und die Verbindung zwischen den weiteren Elementen. Von hier aus wird der Raum wahrgenommen. Wege zeichnen sich dlXCh iIYe Charokt~ti~ (Enge, W~e, Fassodengestaltung, Beschaffenh~, Ar>pflanzung, Lage, Oberslchtlich~eit etc.), Kontinuität (Länge und Veflauf) und Richtung aus. Die Hierarchislerung der Wege geschieht jedoch nicht nur über die räumliche Dirnensionierung. Durch Leitsysteme kann der Wegverlauf. also der primäre Wahmehmungsrcum, gerade für Touristen und Fremde gesteuert werden.

.welche ~önnen als zweidimensionaJe Zonierungen ar>gesehen werden. Der Beobachter gliedert so die Stadt in unterschJedliche Abschnitte, dJe von Innen oder außen

durch einen indivlduenen Charakter identiftzierbar sind. Typische Eigenschaften von Bereichen sind nach Lynch Kontinunät und ein einheitlicher Charakter, z. 8. in Topographie. sozialer Struktur. der Art der vorherrschenden Nutzung ocer stödlebaulichen und gestan~n M~­ malen.

Grenzen bilden die ROnder von Bereichen aus, die von

dem Beobachter nicht als Wege verwendet werden. Sie können als Raum gliedernde Elemente interpretiert werden. Hierbei ~nd sie eher, so Lynch, seitliche Richtmarl:en u~d Koordinationsachsen wie z.B. Topographiesprünge,

Kusten, ~enbahnstrecken, Mouem, Autobahnen oder Baugebietsronder. Sie sind entweder unüberwindbare Schranken mit einem trennenden Charakter oder öhneln verbindenden NÖhten, weiche den belebten Austausch zwischen Z'N'ei Bereichen ermöglichen.

Brennpunkte stelen die VerknOptungen im Nelzwerl: der Wege oder das Zentrum der Bereiche dar. Damit werden

sie zu strategischen Punkten ei"ler Stodt: intensiv genutzte Zentralpunkte, Ziel und Ausgangspunkt, Knotenpunkte im Sinne einer Kreuzung oder Konzentrationspunkte in Bezug auf nulzungsspezlßsche Verdichtungen. Viele Brennpunkte sind doppelt belegt - Knoten- und Konzenfrafionspunlde zugleich. Brennpunkte sind begifHich nur Punkte im Stodtbild. In WrkJichkeit kann es sich aber um groBe Plätze, im internationalen Maßstab sogar um ganze Städte handen. An Knotenpunkten muss häufig eine Entscheidung getroffen werden (z. 8. Kreuzung) oder man hält sich dort ewas länger auf (z. 8. Platz). Durch die direkte Kopplung zwischen Brennpunkt und Erlebnis formen diese Orte das Image besonders stark:.

Merkzeichen stelen optische Bezugspunkte

mn

aullae lendem Ausdruc~ dar. Hierunter fallen einfache Objekte: Gebäude, Schilder, Worenhäuser oder auch Anhöhen. Sie werden durch einen Aussonderungsprozess des einzelnen 8ementes aus dem Kontext geflltert. Merl:zeichen 9iedern auf untoochiedichen Ebenen den Stadtraum. Sie sind Makro- oder Mikroraum orientiert und spannen so efi Orientierungsnetz auf. Grundsötzich überragen

C. Reicher, Städtebauliches Entwerfen, DOI 10.1007/978-3-8348-8257-8_8, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2012


7.1.1~wk:.... a..n.m.ln

....... lC..tnLynr:h

sie Ideinere Bemente und dienen als "Radiolmorken". Hierzu gehören TOnne, galdene Kuppeln sowie topogaphlsche Merkzeichen. Lalcole Merkzeichen sind nur van bestimmten Punlcten aus sichtbar. wie z. B. Schilder und Plalcote, Kaufhausfronlen oder Bäume (vgl. EI Khanf 2(09).

Das Image einer gegebenen physischen Realitöt Iconn sich je nach PerspelcHve des Beobachters Ondern: ein Schnellverlcelnweg Ist für den Fahrer eine Straße und für den FußgOnger eine Begrenzung. Kevin Lynch verdeuHlchteweiter, dass nur ein gut einprägsames Bild der Stadt, also ein Bild, das den Bewohnern Idar in Erinnerung bleibt, eine Idenlitöt produzieren Iconn, die wiederum eine Identlftlcotlon der Bewohner und Bewohnerinnen impnzierl. Das Vorstellungsbild enthOlt hierbei drei Komponenten, die für die Einpragsomkeit des Images von Bedeutung sind: Identität, Slruldur und Bedelllung. Alle drei Elemente sind miteinander verbunden. Sie werden in Lynchs Analysen jedoch getrennt voneinander betrachtel. IdenlllOt bedeutet In diesem Zusammenhang eine Idare Erkennbar1ceit des Ortes. Der Ort löst sich vom Kontext durch den Aspekt der Individuanlöt ab und wird somit idenliftziert. Der Betrachter muss eine räumnche und strukturelle Beziehung zu dem Ort aufbauen können, die wiedenJm mit einer Sinnhaftigkeit verknüpft ist. Die vorhandene Slrukt1.l; also der physische Raum, besllmmt durch seine Erkennbar1ceit, Bedelllung und Sinngebung dIe IdenlilOt des Ortes. Die Bedeutung ist nach Lynch jedoch sehr sUbjektiv mit der Sozialisation und der Geschichte des Betrachters verbunden und Ist daher für ihn kein Belang der Planung. "Dia vieIeicht wich~ Aufgabe zuI:Onfflger Arbeit ist {...}: die sMdliscI1e Szene als INTlfassendes komp/exes Gebilde D.I begreifen. Ver.stöndnb zu wecken fOr die WechseJbe2fehvng Z'Mschen den EIemenhtn, f(Jr GIt:SCI7lIsIruId lmd zeiliche AbSöufe. Die Watvnehmung der SIodt ist im Wesenlichen ei1 ~ ftfeOOI\ das sich auf ein sehr ~ O/;J/el:t lichtet. Wenn die Umwelt als orgonIsches Ganzes empfunden Wllfden sol. dann ist die ErfassU119 der Einzft/teje in ihrem di'ekten Zusammenhang rKK ein eßIef SChrift. Es wi'd 0uBem' wIchf1g seb\ Wege zum vemöndnls lmd Z!JT MonIpuIctfon der goBen ZusammItllhOnge zu ftnden oderzumindest die PIobIeme der milichltll Abfolge und der sich enlfo/tenden SIrvId<.K zu bew6'ligen. " (lCevfn Lynch)

stadtbild-Verständnis von Michael TrIeb Das 1977 erschienene Wer1c. von Michael Trieb ,.stadtgestaltung - Theorie und Praxis" baut zehn Jahre später auf dem Gedankengut von Lynch auf. Trieb versucht in seinem Forschungsonsalz eine Zwischenbilanz der bestehenden Theorten zur Raurnwohmehmung zu ziehen und verlieft hIerbei die psychologischen Aspekte der Wahrnehmung sowie die Oberlrogbarlceit dieser Erkenntnisse auf die Planungspraxis. verschiedene Aspekte erscheinen im Rahmen seiner Arbeit weiterführend: die Differenzierung der Wahmehmungsstufen, die Aspekte des Imageprozesses sowie dIe mOgnche Beeinnussung dieses Prozesses. Trieb themotisiert, dass Raum - hier als "Umwelt" bezeichnet - nicht einfach wahrgenommen wird, sondern dass sich Raum im Prozess der WatTnehmung über mehrere Ebenen ver-

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STÄDTEBAULICHES ENTWERFEN

wandelt. bis er als Abbild dessen abgespeichert wird und in Erinnerung bleibt. Trieb etabliert den Begrifl "Stuten der Umwelterfahrung" und unterscheidet zwischen der "vorhandenen," der "wirksamen" und der "erlebten Umwelt". Das Handlungsfeld der Planenden ist dabei zunächst die vorhandene Umwelt. der Mensch nimmt von dieser vorhandenen Umwelt nur einen Ausschnitt wahr und verwandelt diese wirksame Umwelt in eine erlebte Umwelt. Hier nehmen individuelle Parameter wie Erinnerungen, Assoziationen und Werte eine prägende Rolle ein. Die erlebte Umwelt ließe sich. in Einldang mit den Ansätzen von Kevin Lynch, als "Image" zusammenfassen. Sie beruht dabei einerseits auf Faktoren, die vom Wahmehmungsvermögen und der Wertevorstellung des Beobachters abhängen. und andererseits aut Faktoren. die als Muster durch die vorhandene und wirksame Umwelt vorgeprägt werden. "Die erlebte Umwelt das Produkt eines Prozesses. der als Wechselbeziehung zwischen dem Beobachter und seiner vorhandenen Umwelt stattnndet. Dieser Vorgang ist durch die soziooKonomische struktur der vorl'landenen Umwelt und ihrer fÖum/ichen Erscheinung ebenso bestimmt wie durch die Bedeutung, die ihr der Beobachter einMeits als Individuum, andereTleffs als MffgUed verschiedener sich in ihm überlagernder Gruppen gibt." (Michael Trieb)

Die vorhandene urbane Umwelt beschreibt somit die Gesamtheit der berechenbaren Parameter. Sie wird durch den physikalischen und den mathematischen Raum mit seinen topologischen und metrischen Untergruppen bestimmt. Ferner gilt für die vorhandene Umwelt. dass sie nur von einem allwissenden Beobachter wahrgenommen wird. Die wirksame urbane Umwelt integriert den Aspekt der eingeschränkten Wahrnehmung. Wenn sich ein Passant durch den urbanen Stadtraum bewegt, nimmt er den Raum von einer eigenen Perspektive wahr, die lediglich einen Ausschnitt der real vorhandenen Umwelt zeigt. Die erlebte urbane Umwelt impliziert den Begriff der individuellen Bewertung und kann mit dem Lynchen Wahmehmungsansatz gleichgesetzt werden. Sie ist das allgemeine geistige Bild, das sich eine Person von der äußeren Welt macht. Trieb betont jedoch den Aspekt der Syntheseleistung und die Bedeutung des Aktions- und Reaktionsraumes. Beim Entwerfen sind die Elemente. aus denen sich ein Stadtbild zusammensetzt, sowohl hinsichtlich ihrer Nutzung und ihrer Bedeutung genauso wie hinsicht1ich ihrer Erscheinung zu planen. Da die Stadtbildelemente die Basis der erlebten Umwelt des Städters darstellen, sind sie im gesamten stadtgestalterischen Prozess eine der wichtigsten Stufen. Das bewusste Planen von Stadfbildelementen setzt voraus, dass an jedem Ort ein sorgfältiges Analysieren der Situation vorgenommen wird, bevor ein entsprechender Eingriff erfolgt.

2. Dimensionen der Stadt 2.1 GestaltqualItäten Eine städtebauliche Qualität ist nicht ohne weiteres anhand von einzelnen Gestaltmerkmalen zu bestimmen. Vitruvi hat in seinen Büchern "Grundlagen der Baukunst" bereits die Forderung nach Qualität formuliert und damit eine angemessene Anordnung der Elemente zu einem Ganzen nach ihrer ZweckbesHmmung gemeint. Die Anforderungen an den Städtebau sind rNar von ihrem Grundverständnis gleich geblieben, haben sich aber auch in Einzelaspekten im Laufe der Zeit verändert. Ein qualitätvoller Städtebau führt unterschiedliche Aspekte und Anforderungen zusammen: den funktionalen Gebrauchswert, die soziale Verantwortung, die ökologische und ökonomische Angemessenheit. das kulturelle Verständnis und die ästhetische Gestalt. In Abhängigkeit von der Entwurfs- und Planungsaufgabe fällt die Gewichtung der Anforderungen unterschiedlich aus. Ziele wie die Förderung eines unverwechselbaren Charakters einer Stadt, einer lebendigen Atmosphäre oder auch der Schönheit eines Quartiers dienen letzten Endes dazu, die Lebensqualität für den Menschen an dem jeweiligen Ort zu stärken. Städtebauliche Qualität ist demnach auf verschiedenen Ebenen zu diskutieren und in einem Entwurfsprozess anzustreben: Objektqualität (Gebäude. Architektur) stadtstrukturelle Qualität (Dialog zwischen Gebäude und räumlichem Kontext) funktionale Qualität (Nutzung und Funktionsweise) Freiraumqualität (Öffentlicher Raum und Landschaff) ökologische Qualität (Nachhaltigkeit. Umgang mit Natur) Erschließungsqualität (Verkehrswege und sonstige Erschließung) soziokulturelle Qualität (soziale Aneignung des Ortes) ökonomische Qualität (Wirtschafflichkeit und Folgekosfen) Verfahrensqualität (Prozess- und Verfahrenskulfur) Die dargestellten Ebenen sind je nach Planungsaufgabe in unterschiedlicher Art und Weise miteinander verflochten, so dass sie im Zusammenhang betrachtet werden müssen. Ein Sezieren in diese unterschiedlichen Ebenen macht es möglich. Qualitäten zu erkennen, in einen Entwurfsprozess einzubringen und das Ergebnis später zu überprüfen.


stA.DTGESW.lUNG UND HALlUNG

2.2 Dimensionen der Stadt

Im Gegensatz zur Stadtplanung führt der Stödtebau konkrete raumrelevante Dimensionen ein. Das städtebauliche Entwerfen geht Jedoch Ober die dritte Dimension des Raumes hinaus. Folgende Dimensionen beeinflussen maßgeblich die Gestalt und das Bild der Stadt und greifen beim Entwerfen ineinander.

1. DImenilon: Slruldurebene

Die 1. Dimension des Stödtebaus meint zunöchst Strukturen im Sinne von Grundmustern. Dies können Raster; aber auch differenziertere geometrische und organische Muster sein, die dem weiteren städtebaulichen Entwerfen als Grundlage dienen. 2 Dimension

2. Dlmen.lon: Löngen- und areHenau.dehnung Die 2. Dimensian des Stödtebaus führt eine Löngen- und Breitenausdehnung der Strukturen ein. Der strukturellen Aussage werden flächenhafte Zuardnungen der überbauten und freien Bereiche hinzugefügt. Sie kann aus einer urregelmäßigen oder auch einer gleichmäßigen Struktur bestehen; Zäsuren und Brüchen können entsprechende Spannungen erzeugen, wie dies an dem RgurGrund-Plan von Manhattan sichtbar wird.

3. DImenilon: HöhenentwIcklung Die 3. Dimension verleiht der zweidimensionalen Struktur eine vertikale Komponente. Das Muster mit seiner Tiefenund Längenausdehnung erfährt eine Höhenentwicldung, die sich in der Nahwirkung auf den erfahrbaren Stadtraum auswi1d und in der Fernwirkung die Stadtsilhouette prögt. Die 3. Dimension kann im Einldang mit der2. Dimension der Struktur stehen oder auch eine jeweils eigene Aussage haben, wie dies die Skyline von Manhattan deuffich macht.

4. DImenilon: Gestalt und Atmosphäre

Die Gestalt kommt in der Ausgestaltung der Fassaden, ihren Proportionen, ihrer MateriaUtät, aber auch in der Dachlandschaft, der 5. Fassade der Stadt, zum Ausdruck. Dabei kann die entworfene Form nie neutral in ihrer Wirlrung sein. Sie Obt immer eine sUbjektive Wirkung auf denjenigen aus, der sie betrachtet oder erlebt. Unter der -4. Dimension des Städtebaus sind die gebaute Form und ihre Ausstrahlung zu verstehen. welche subjektiv von dem Betrachter wahrgenommen wird. Das Gebaute und die Aktivität, die davon ausgeht, verbreitet eine atmosphärische Wirkung, die In Abhllnglgkelt von der Individuellen Aufnahmefähigkeit und Empfindung den Betrachter beeinflusst, im positiven sowie im negativen Sinne. Diese vier Dimensionen stehen je nach Ort und Aufgabenstellung für einen stödtebaulichen Entwurf in einer komplexen Ordnung zueinander.

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STADTEBAUUCHES e.lTWERF9I

3. Die Hierarchie und das Kollektivgedächtnis der Stadt

Die Hierarchie der Elemente der Stadt ist eng mit dem "Kollektivgedächtnis" verbunden. HelVorgehobene Elemente der Stadt. die aufgrund ihrer Größe. Höhenentwicldung aber auch ihrer Funktion einen besonderen Stellenwert für sich in Anspruch nehmen, prägen sich im Gedächtnis der Menschen. sowohl der Bewohner als auch der Besucher. besonders ein. Ein aus der Stadtsilhouette hervortretender Kirchturm markiert eine besondere Stelle der Stadt. betont aber zugleich auch eine spezifische Nutzung.

Die Stadt als solche ist nicht auf eine einzige Grundstruldur

Kirchen prägen als primäre Elemente ganz wesentlich das Bild unserer Städte. zugleich sind sie für das Gedächtnis. also das. woran wir uns erinnern. eine zentrale Komponente. Dagegen betont das Hochhaus mit Dienstleistungsnutzungen am Stadteingang zwar das Entree zur Stadt und kann demzufolge zwar eine wichtige räumliche Bedeutung besitzen, eine besondere Nutzung beinhaltet es jedoch nicht.

oder Grundidee zurückzuführen, sondern sie besteht aus zahlreichen Teilen, von denen jeder einen eigenen Charakter hat.

Der italienische Architekt und Stödtebauer Aldo Rossi unterscheidet im Gefüge der Stadt zwischen den "primören

Elementen" und den "sekundären Elementen" und ge-

steht beiden unterschiedliche Rollen zu: die primären Elemente wie Kirchen, Rathäuser; Hochschulen usw., die eine zentrale Bedeutung im Sinne von Identität stiftenden Ele-

menten spielen und besonders akzentuiert werden können, und die sekundären Elemente, die Wohngebäude. die Alltagsbauten. die sich in ihrer Gestalt einfügen sollten.

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"Dabei kann man diese pIImCJren Elemente aus einer rein funldlonellen Sicht als ftxed activities der Gemeinschaft für die Gemeinschaft beIrochten oder als genou umschriebene st6dtebouliche Totbest6nde, die als Schauplolz eines Ereignisses oder als Bauwerl:: die Gesaml3tadt charakterisieren. Als solche sind sie Ausdruck der Geschichte und der Idee einer stadt... ". (Aldo Rossi)

Aldo Rossi führt in die wertigkeit der Stadt noch einen anderen wichtigen Begriff ein, den des so genannten "Kollektivgedächtnisses" . So wie "das GeclOChtnis on TatbesMnde und Orte gebunden ist, so ist die stcdt der Ort des KoIIeldivgedächtnisses. ciesren Ausdruck Archifektur und Landschaft sind ... In diesem Sinne wird das Gedlichtnls zum Leitfaden durch die gesamte komplexe stadts1nJldur." (Aldo Rossi)

7.3.1 _laullch. HI...-c:h_ ~ Dartmund PrirTlÖre Elemente treten gegenOber den selrundören 8ementen in der Stadtsilhouette hervor.

Aus diesen analytischen Gedanken zur Stadtstruldur lassen sich für das städtebauliche Entwerfen folgende Erkenntnisse ableiten: Eine Differenzierung von Gebäuden und Strukturen nach der räumlichen Hierarchie und der Bedeutungshierarchie ist wichtig für den Stellenwert, der einem einzelnen Element im Kontext des Gesamtgefüges zugeordnet werden kann (vgl. Bausteine der Stadt). Die exponierte Lage und die Höhenentwicldung bezieht ihre Berechtigung aus der Hierarchie des Gebäu-

des. In der Auseinandersetzung mit der gebauten Stadt gilt den Stadtelementen. die aus dem Kontext der Stadt herausgehoben sind. besonderes Augenmerk, weil sie das Gedächtnis der Stadt in der Vergangenheit wesentlich bestimmt haben.

7.3.2 _ HlerarcN'. d.. B.m.nt. d.. Stadt ~CIU. 1ocI. ._ KirchlOrme dominieren die Hierarchie der Stadt vor dem Bergponoramo


STADTGESTALTUNG UND HALTUNG

4. Haltung gegenüber dem Bestand Städte als die Motoren gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Entwicldung sind Orte der Modernisierung und zugleich auch die Wahrer der Tradition. In diesem Spannungsfeld bewegt sich auch die Suche nach räumlichen Antworten für wachsende. stagnierende und schrumpfende Städte und Quartiere. Welche Parameter und Gesetze spielen für das städtebauliche Entwerfen beim Weiterbauen von städtischen Strukturen eine Rolle? WeIche Strulduren sind erhaltenswert. welche können auch zugunsten einer überzeugenderen Lösung überplant und durch neue Strulduren ersetzt werden? Welche Haltung nimmt der Entwerfer in der jeweiligen Situation ein?

4.1 Konstonte und Varloble Die Veränderungsprozesse von städtischen Strulduren verlaufen einmal mehr und einmal weniger schnell. Es gibt Bereiche. die eher konstant geblieben sind. und andere. die von einer extremen Dynamik geprägt sind. Dieses Nebeneinander des unterschiedlichen Umgangs mit der gebauten Stadt. sogar innerhalb ein und derselben Stadt. also einer Gleichzeitigkeit von 8"halt. Weiterentwicldung und Überformung durch Neues, hat es zu allen Zeiten der Stadtentwicldung gegeben. Im Umgang mit der gebauten Stadt ist zu differenzieren zwischen zwei unterschiedlichen Kategorien den Konstanten (historische Stadt als Identitätsträger. markante Gebäude usw.). die es zu erhalten und bewahren gilt. Eine fundierte Analyse der Bestandsstruktur ist die Vorbedingung für mögliche Eingriffe. die für die Zukunftsfähigkeit der Struktur punktuell erforderlich sein können. den Variablen (aufgegebene Orte. Brachen. "Niemandsland" usw.). die es weiterzuentwickeln und neu zu planen gilt. In diesen Bereichen kann eine neue. stärker auf sich selbst bezogene Raumqualität entwickelt werden. Zu beachten sind die Anschluss- bzw. Nahtstellen zum umgebenden Kontext. Das Zusammenspiel von Konstanten und Variablen folgt nicht einer vorgegebenen Rezeptur. sondern ist jeweils neu zu definieren. Ihr Wechselspiel macht die Vielfalt und Lebendigkeit städtischer Strulduren aus. "Dos, Weiterbauen ' von Architektur und Stadt ist eine der wesentlichen Aufgaben der Zukunft: Unsere Städte müssen so konzentriert, umgebaut und verbessert werden dass sie die demographischen. klimatischen und mentalen VerOnderungen verlaaften. die unsere GeseNschaft durchmacht ... Von der denkmalpflegerischen Anpassung bis rum offenen Wid~pruch gegen das "Alte" reichen die Ansätze." (Andreas Denk)

Phosen der Vorherrschoft des "Voriobien" über

das "Konstante··

Ein prägnantes Beispiel für den Vorrang des Variablen über das Konstante ist das Phänomen "Automobilität und Verkehr" in unterschiedlichen Phasen der Stadtentwicklung. Das Auto hat in extremem Maße die Gestalt und das Gefüge der Stadt bestimmt. Insbesondere im Bereich der Mobilität haben technische Errungenschaften die Lebenswelt radikal verändert - nicht immerzu ihren Gunsten. Zunächst hat der technische Fortschritt große Hoffnungen gewecld. wie historische Szenarien über die Auswirkungen des Kraftverkehrs aus dem Jahre 1885 zeigen: "Dos V~chwinden der pferde aus dem S1raBenverlcehr wird sich vorteilhaft auswirken. Der Lärm auf den Straßen wird stark abnehmen. Bei der SchnelNgkeit der Motorfahrzeuge muss man auch nicht mehr befürchten. dass es zu Verkehrsstockungen kommt. Jeder wird zügig und ohne Aufenthalt vorankommen. Varallem wird die Anzahl derVerlceh~ unfälle entscheidend WfÜckgehen. denn ein Automobil ist wesentUch leichter ru meistem als ein pferdefuhrwerk. " (Englische Broschüre "Horseless Age" - Zeitolterohne PferdeI)

Etwa 40 Jahre später wird diese Einschätzung der technischen Errungenschaften von Le Corbusier in statistische Untersuchungen und Prognosen zur Rolle des Automobils in der Stadtentwicklung übersetzt. Le Corbusier prognostiziert den "Erstickungstod" der Städte, falls sie nicht autogerecht weiterentwickelt und umgebaut werden. Sie bilden den Hintergrund für seinen vom gleichnamigen Autofabrikanten ftnanzierten "Plan Voisin", mit dem er das alte Pariser Zentrum durch eine autogerechte Neue Stadt ersetzen will.

Das städtebauliche Leitbild der autogerechten Stadt aus den 1950er Jahren hafte schließlich gravierende Auswirkungen auf den Umgang mit dem vorhandenen Stadtgefüge. insbesondere in zahlreichen Innenstädten. in denen neue Verkehrstrassen ohne nennenswerte Rücksicht auf erihaltenswerte städtebauliche Strukturen geplant und realisiert wurden. 4.2 Überordnung - Unterordnung - Einordnung Städtebauliches Entwerfen erfordert kontextbezogene Lösungen, die gerade im Hinblick auf den Umgang mit dem baulichen Bestand eine groBe Herausforderung darstellen. Es gibt keine vorgefertigten Lösungen, jede Situation erfordert eine individuelle Antwort. Damit eine Lösung überzeugen kann, ist die intensive Auseinandersetzung mit dem Vorgefundenen uner1ässlich. Dies führt - je nach Ergebnis - zu unterschiedlichen Haltungen. die sich im städtebaulichen Entwurf wiederfinden. Ein Entwurf kann das Neue dem Vorhandenen unterordnen. das Neue aber auch zum bestimmenden Element werden lassen. Der städtebauliche Entwurf kann aber dem Neuen seine Eigenständigkeit zugestehen. ohne die vorhandene Struldur und die vorhandenen Qualitäten zu beeinträchtigen.

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STÄDTEBAULICHES ENTWERFB-I

Überordnung

Das Prinzip der Oberordnung rOckt des neue Geböude in den Vordergrund und lässt damit bestehende GestclhJngskriterien unbeachtet. Im MiHelpunkt steht die 8genstöndigkeit des Neuen, die nur dann als unkritisch beurteilt werden Iccnn, wenn die bestehende Situation keine Qualltöten besitzt und erst des Neue solche schaffen Iccnn.

Unterordnung

Bei einer unterordnenden Haltung tritt das Neue gegenüber der bestehenden Struktur und Architektur zurOck. Kritisch wird des Prlnzlp der Unterordnung, wenn Neues als solches nicht mehr erkennbar ist, oder wenn es sich um eine neuere Rekonstruktion einer Bebauung des letzten Jahrhunderts handelt. die auch hellte noch in dieser Art und Weise praldiziert wid.

Einordnung

Wichtige Vorausse1zung fOr eine Einordnung des Neuen in eine vorhandene Situation ist in erster Unie der Respekt vor dem Bestehenden. Das 8nordnen schlieBt die Verwendung neuer Materia~en bzw. eine Neuinterpretation vorhandener Bauten und Typologien nicht aus. Gerade das sensible Sichtbarmachen von Altem und Neuem 1«Inn eine wertvolle Welteren1wlcldung der vorhandenen Qualltöten und Strukturen darstellen.

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Oberordnung, Unterordnung, 8nordnung - nicht immer lassen sich solche prinzipiellen HaHungen konsequent durchhalten, oder die konkrete Enlwurfsaufgabe lässt bezogen auf die Dimensionen von Strukturen, Raum und Gestalt nur einen Mix aus solchen Haltungen zu. Entscheidend fOr die jeweilige Beurteilung sind die 1«Inkrete Situation und die erkennbare Auseinallderse1zung mit dem Vorgefundenen und seiner Geschichte. In einer Stadt, an einem Ort existieren- mehr oder weniger ausgeprögt - erkennbare und datierbare Abfolgen von historischen Schichten. "Geschichte" ist daher va allem eine Momentaufnahme, die jederzeit mit neuen Schichten verändert und angereichert werden kann. Auch Traditionen sind zu jedem zeitpunkt ihres Entstehens immer auch eine Se1zung, eine Erftndung. Des bedeutet nicht, dass es sie nicht gibt. Es macht aber deutlich, dass Traditionen kulturelle Leistungen sind, die ihren eigenen Wert besi1zen.

7"'1_~AoI;:h ... ~+"'" In dar3. Dmenslon der StadIIHOhenentv.1cklmg} verh!lH sieh der Ge-

böudekompiex tI'11 BOche! !Til einem V..ft!rrrigen Slhouette, die den Blei: auf den Dom twetrnet. Im 9lne einer lXIteron::1NJng lXId am Hol In! der AufnalTne der Glebelslrulctur Im Shne einer Ehordrung.

In dar 4. Dmenslon der StadllGeslaH lXId AImo5ph/DJ rlrrml der Ge~ dekomplex.zu den versctiedenen Seilen die HalhJng einer OberardnlXlll ein. DIe McmrIalen lXId deren PrOgung Im Detail heben !Ich von Yi:lrhan-

denem beY.\Jsst ob.


STADTGESTALTUNG UND HALTUNG

Der planerische Umgang mit dem "Kaiserbad" in Aachen zeigt, dass die Haltung gegenüber dem Ort vielschichtig ist und sich im Laufe der Geschichte verOndem kann. Der Standort im historischen Kontext der Stadt ist gepragt durch seine dreieckigen PIOIze, die sich aus einer Oberlagerung der römischen und mITtelalterlichen ergeben haben. Diese. über Jahrhunderte hinweg geprägte 2. Dimension der Stadt (LOngen- und Breitenausdehnung) wi'd von dem Pro/eid "Kaiserbad" im Sinne einer überordnung ignoriert. weil sich der GebäudeIromplex In den drelecldgen Hof hInein schiebt.

uteratur 1. Stadtgestalt und Stadtbild

Boehm, Gollfried (Hrsg.) 1994: Was ist ein Bild? München: Fink. Lynch, Kevin 1965: Das Bild der Stadt. Bauwelt Funda· mente 16_ Braunschweig.

Schirmacher, Ernst 1988: Stadtvorstellungen. Die Gestalt der mittelalterlichen Städte - Emaltung und planendes Handeln. Zürich. München: Artemis. Trieb, Michael 1977: Stadtgestaltung - Theorie und Praxis. Braunschweig: Vieweg.

2. Dlmenslanen der Stadt

Krause, Karl-Jürgen 2006: Enzyklopädie der Stadtbaukultur. Dortmund. (unveröffentlicht)

von Meiss, Pierre 1994: Vom Objekt zum Raum zum Ort. Dimensionen der Architektur. Basel. Berlin. Boston: Birkhäuser

o

3. Die Hierarchie und Kallekllvgedächtnls der Stadt Rossi, Aldo 1975: Die Architektur der Stadt - Skizze zu einer grundlegenden Theorie des Urbanen. Düsseldorf: Bertel.. mann Fachverlag.

4. Haltung gegenüber dem Bestand

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