GartenTour 2017

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Labhards Reisemagazin

Ausgabe 2017 D/A E 5,00 CHF 7.50

Die heilende Kraft der Natur

Ein ritterlicher Gartentraum

im Schaumburger Land

Heinrich Siesmayer zum 200. Geburtstag

Raum zum Durchatmen

RĂźckzugsorte in der Stadt


www.essengreen.capital

MEIN GRÜNES ESSEN

Foto: Jochen Tack

Drittgrünste Großstadt Deutschlands 3.100 ha Grün- und Waldflächen 2020: nur 500 m zum nächsten Grün

Stadtgarten, Essen-Südviertel

ESSEN IST DURCH UND DURCH GRÜN. Mehr als die Hälfte des Stadtgebietes sind Grün-und Freiflächen, Wasser, Wälder, Äcker und Stadtgrün, sie sorgen für ein gutes Stadtklima. Fußläufig erreichbare Parks wie der über 150 Jahre alte Stadtgarten sind Orte der Begegnung, Aktivität und Erholung. Essen ist die lebenswerte Metropole. Entdecke das Programm unter www.essengreen.capital

Erlebe Dein grünes Wunder ÖFFENTLICHE FÖRDERER

HAUPTSPONSOREN

PROJEKTTRÄGER


Liebe Leser, liebe Gartenfreunde, auch in diesem Jahr laden wir Sie wieder ein zu einer Reise durch Deutschlands grüne Seele. Vom paradiesischen Norden in den imposanten Süden, vom idyllischen Westen bis in den romantischen Osten. Das sind doch herrliche Worte, um einen Garten zu beschreiben. Paradiesisch – friedlich, überwältigend. Imposant – durch Ungewöhnlichkeit ins Auge fallend, effektvoll. Idyllisch – arkadisch, verträumt. Romantisch – malerisch, reizvoll. Das sagt zumindest der Duden, unter anderem, zu den vier Attributen. Und genau das bietet die vielfältige Gartenlandschaft in Deutschland. Vom arkadischen Barockgarten bis zum überwältigenden Findlingspark, vom malerischen Rittergut bis hin zu Gartenfesten, die zum Bummeln einladen und effektvolle Accessoires für den eigenen Garten anbieten. Privatpersonen öffnen ihre Gartentore, um uns, manchmal auf kleinstem Raum, ihre persönliche Vorstellung vom Paradies zu zeigen, und gesellen sich so zu den großen Gartenschauen und öffentlichen Grünflächen, die moderne Ansätze der Landschaftsarchitektur auf großen Flächen umsetzen. Es geht aber nicht nur um die reine Freizeitgestaltung. Einige Beiträge beleuchten die Wichtigkeit der Natur für unsere Gesundheit und auch hier ist die Vielfalt groß. Ganz klar spielt gesunde Ernährung eine Rolle und so geht es um Initiativen, in denen sich Menschen zusammenschließen, um in Harmonie mit der Natur gesundes Obst und Gemüse anzubauen. Es finden sich auch Therapiegärten, die uraltes traditionelles Wissen mit modernen wissenschaftlichen Erkenntnissen verbinden, um ganz gezielt bestimmte Leiden zu behandeln. Und natürlich die öffentlichen Grünflächen, die es alleine durch den Zugang zur Natur ermöglichen, dass wir uns an der frischen Luft bewegen und etwas Ruhe im hektischen Alltag finden können. Es ist wirklich für jeden etwas dabei in dieser GartenTour: Natur- und Kunstliebhaber, Gesundheitsbewusste und Sportfans, Kinder und Erwachsene. Und ob Sie nun die lauten Effekte suchen oder das stille Arkadien, Sie werden sicher fündig werden. Also, liebe Leser, vertiefen Sie sich in den bunten Strauß gärtnerischer Vielfalt, den unser Land zu bieten hat, und machen Sie sich auf ins friedliche, ungewöhnliche, verträumte und malerische Grüne. Herzlichst Ihre Catherina Ruffing Gräfin Bernadotte af Wisborg Mitherausgeberin der GartenTour

Foto: Mainau GmbH

EDITORIAL

Zur Person: Seit frühester Kindheit dreht sich das Leben von Gräfin Catherina um Gärten, Parks und Blumen. Aufgewachsen ist die studierte Landschaftsarchitektin auf der elterlichen Insel Mainau im Bodensee. Sie ist Initiatorin des freien Fachportals www.hortipedia.com, das Gartenwissen aus den verschiedensten Bereichen bietet. Ein besonderes Feature stellt die Pflanzendatenbank dar.


INHALTSVERZEICHNIS

Themen und Inhalte Editorial

IDYLLISCHER WESTEN Hessen Kernig und künstlerisch – Heinrich Siesmayer zum 200. Geburtstag 1

Stadtoasen Natur schafft Raum zum Durchatmen – Rückzugsorte in der Stadt Düsseldorf und seine Parks – Mehr als eine grüne Lunge Von grün zu grau zu grün – Essen lebt den Wandel Internationale Gartenausstellung Berlin – Ein florales Feuerwerk inmitten der Großstadt

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Garten und Gesundheit Den eigenen Körper wieder spüren – Gärtnern macht gesund und glücklich Die ersehnte Pause vom Alltag – Innehalten und auftanken in gepflegten Kurparks Sehnsucht nach dem Süden – Exotisches Flair im Palmengarten von Bad Pyrmont Heilende Gärten – Ein neues Paradies am Bodensee

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Fürstlicher Glanz und Pflanzenpracht – Gartenkunst in Vollendung in den Herrenhäuser Gärten

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Ein ritterlicher Gartentraum – Gut Remeringhausen im Schaumburger Land

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Schleswig-Holstein 33

ROMANTISCHER OSTEN Brandenburg 36

Sachsen-Anhalt Zwischen altem Wissen und neuen Visionen – Die Gartenakademie Sachsen-Anhalt setzt auf Initiativen mit Nachhall Reformer in Geist und Garten – Eindrucksvolle Quellen der Inspiration Gartenschätze in Wernigerode und Hundisburg Gartenträume in Ballenstedt und Rieder Der Elbauenpark Magdeburg – Eine paradiesische Freizeitwelt für die ganze Familie

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Nordrhein-Westfalen Pflanzen, Lifestyle und Entertainment auf Schloss Dyck – Das Besondere erleben Auszeit vom Alltag auf der Landpartie Engelskirchen – Den Sommer genießen Flora-Westfalica in Rheda-Wiedenbrück Kultur im Neuhäuser Schloßpark Gartenschätze in Köln, Bad Honnef und im Münsterland

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Den Jahreszeiten nachspüren – Königin und Hofstaat im Rosengarten Zweibrücken Kulturpark Sayn – Blaues Blut und Himmelsfalter

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Baden-Württemberg & Schweiz So schön wie gemalt – Grüne Kostbarkeiten von Meisterhand in Weikersheim und Schwetzingen Gartenschätze in Reutlingen und Weinheim Gartenschau Bad Herrenalb im blühenden Schwarzwald Der Luisenpark in Mannheim Auf Zeitreise am Bodensee – Vom Privatgarten bis zur Blumeninsel Mainau Idyllen und innere Ruhe – Unterwegs auf dem Überlinger Gartenkulturpfad (Insel x Palme)² – Zahlenspiel und Farbenplus auf der Insel Mainau Welch paradiesische Fülle … – Zum Garten-Rendezvous an den Untersee Festliche Stimmung im schönsten Schloss am Bodensee – Drei Jubiläen auf dem Arenenberg Eine eigene Welt – Genuss und Kultur in der Kartause Ittingen Rosen, Kräuter, Beerensträucher – Im Kloster Bronnbach gedeihen traditionelle Pflanzen in historischem Ambiente

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Wege des Wohlgefühls – Streifzüge durch bayrische Pflanzenwelten

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Literaturtipps Strahlende Sieger – Schloss Dennenlohe kürt die besten Gartenbücher Neu im Buchregal – Zum Selberpflücken und Verschenken

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Veranstaltungskalender 2017 Treffpunkte für Gartenliebhaber

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Katalogservice

Sachsen Ein Blick in die Geschichte im Barockgarten Zabeltitz Lausitzer Findlingspark Nochten – Im Gartenreich der Fantasie

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Bayern

Thüringen Blütezeit in Apolda – Gemeinsame Erlebnisse zur 4. Thüringer Landesgartenschau

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IMPOSANTER SÜDEN

Niedersachsen

Ostdeutscher Rosengarten Forst (Lausitz) – Rosen, Liebe und Romantik

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Rheinland-Pfalz 19 20

Mecklenburg-Vorpommern

Gartenschätze in Uetersen, Schleswig und Jübek

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PARADIESISCHER NORDEN Der Wangeliner Garten – Ein magischer Ort Sommerliche Sinneszauber in Schwerin – Einmalige Kulisse für großartige Events

Vom Regenwald zur Subantarktis – Faszinierende Pflanzenwelten im Palmengarten Frankfurt Landschaftspark trifft Jugendstil – In Bad Nauheim blühen Kunst und Natur Herbstbuntes für Haus, Hof und Garten – Schloss Laubach feiert die ländliche Lebensart

Kataloge und Prospekte gratis bestellen 47 47

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Impressum 88


INHALTSVERZEICHNIS

Ausgewählte Schlösser, Gärten und Parks in der GartenTour 2017 … auf den kommenden Seiten gibt es noch viele mehr zu entdecken. SCHLESWIG-HOLSTEIN 1 Mustergarten der Gärtnerei Schröder in Jübek 2 Bibelgarten Schleswig 3 Rosarium Uetersen MECKLENBURG-VORPOMMERN 4 Schloss Schwerin 5 Wangeliner Garten

11 Essen – Grüne Hauptstadt Europas 2017 12 Schloss Dyck

20 Elbauenpark Magdeburg 21 Schloss Hundisburg 22 Gut Zichtau

RHEINLAND-PFALZ 13 Schloss Sayn und Garten der Schmetterlinge 14 Rosengarten Zweibrücken HESSEN 15 Palmengarten Frankfurt am Main 16 Gärten und Parks in Bad Nauheim

NIEDERSACHSEN 6 Herrenhäuser Gärten 7 Rittergut Remeringhausen 8 Kurpark Bad Pyrmont

SACHSEN 25 Findlingspark Nochten 26 Barockgarten Zabeltitz

THÜRINGEN 17 Landesgartenschau Apolda

NORDRHEIN-WESTFALEN 9 Schloß- und Auenpark Paderborn 10 Flora Westfalica in Rheda-Wiedenbrück

BAYERN 27 Kurpark Bad Staffelstein 28 Rosengarten Bamberg 29 Schloss- und Landschaftspark Dennenlohe

SACHSEN-ANHALT 18 Schlosspark Ballenstedt 19 Brockengarten Wernigerode

BADEN-WÜRTTEMBERG 30 Schlossgarten Weikersheim 31 Kurpark Bad Mergentheim 32 Abteigarten Kloster Bronnbach 33 Luisenpark Mannheim 34 Schlossgarten Schwetzingen 35 Landesgartenschau Bad Herrenalb

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Kiel

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4 5

Schwerin

Mitglieder des Gartennetzes Deutschland e. V.

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Berlin Hannover

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Dresden

Erfurt

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Wiesbaden Mainz

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1 Gartenkulturpfad Recknitz-Barthe 2 Gartenroute Mecklenburg-Vorpommern 3 Parks in Bremen 4 Gartenregion Hannover 5 Parks und Gärten im Münsterland 6 Gartenschaupark Rietberg 7 Kräuterwind Genussreich Westerwald 8 Gärten ohne Grenzen 9 GartenRheinMain 10 gARTenakademie Sachsen-Anhalt 11 Gartenträume – Historische Parks in Sachsen-Anhalt 12 Gartenland Brandenburg 13 Grün Berlin 14 GartenKultur Thüringen 15 Gartennetzwerk Bayern 16 Gartennetz Baden-Württemberg 17 Insel Mainau 18 Bodenseegärten

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8 Saarbrücken

BERLIN & BRANDENBURG 23 IGA Berlin 24 Ostdeutscher Rosengarten Forst (Lausitz)

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deutschlandweit: 19 Gartenkulturpfade Deutschland der DGG 1822 e. V. 20 Park im Kurort 21 Bund Deutscher Landschaftsarchitekten bdla 22 Deutsche Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur e. V.

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35 Stuttgart

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München

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europaweit: 23 Europäisches Gartennetz EGHN www.gartennetz-deutschland.de

Hintergrundgrafik: Artspace/shutterstock.com

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Natur schafft Raum

zum Durchatmen

RĂźckzugsorte in der Stadt

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STADTOASEN

Foto: readytogo/fotolia.com

Foto: nikhg/fotolia.com

ziergang ohne große sportliche Ambitionen stimmt uns positiv und senkt unser Stresslevel, denn in der Natur können wir abschalten. Wir können für eine Weile der Reizüberflutung unserer schnelllebigen Welt entfliehen, unseren Sinnen eine Pause von Straßenlärm und Neonreklamen gönnen und uns dann wieder mit Energie und mit besserer Konzentration ins Leben stürzen.

Manhattans Central Park erlaubt Ruhe im Großstadtdschungel.

von Catherina Ruffing Gräfin Bernadotte af Wisborg Ein Spaziergang im Stadtpark, ein Kaffee im Schatten eines Baumes oder einfach nur der flüchtige Blick auf einen schön bepflanzten Kreisverkehr: Der Alltag in unseren Städten bietet normalerweise viele „grüne Eindrücke“, wenn man die Augen offenhält. Es muss auch nicht immer die weitläufige Parkanlage sein, manchmal reicht vielleicht schon die Geranie

auf Nachbars Fensterbrett, um uns ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Untersuchungen zeigen, dass der Kontakt zur Natur gut für die Gesundheit ist, sowohl körperlich als auch geistig. Viele von uns brauchen wahrscheinlich keine Studie, um zu dieser Erkenntnis zu gelangen, aber es ist doch schön, wenn die Wissenschaft bestätigt, was der Mensch instinktiv sowieso schon richtig macht. Fußläufig gut erreichbare Parks regen uns dazu an, uns zu bewegen, an die frische Luft zu gehen und unsere Umwelt wahrzunehmen. Bereits ein schlichter Spa-

Grünflächen in unseren Städten sind allerdings immer auch eine Geldfrage. Sie müssen angelegt, gepflegt und von Zeit zu Zeit erneuert oder ausgebessert werden. Dabei bringen sie aber kein Geld ein, sondern sind ein Verlustgeschäft. Doch darf man das tatsächlich so betrachten – dass etwas nutzlos ist, nur weil es keinen direkten monetären Nutzen bringt? Sicher nicht, denn es kommt auf den größeren Zusammenhang an. Es werden immer wieder Listen der lebenswertesten Städte veröffentlicht, oft mit unterschiedlichen Gewinnern. Das ist nicht verwunderlich, denn jede Liste berücksichtigt dabei verschiedene Faktoren wie zum Beispiel Wohnkosten, Kulturangebot, Kriminalität, öffentliche Verkehrsmittel oder das Nachtleben. Ein Kriterium beziehen sie aber alle ein: die Natur. Es ist auch ganz interessant, sich die Fotos anzusehen, die oft mit solchen Listen einhergehen, denn meistens suchen die Redaktionen Bilder aus, auf denen zumindest ein bisschen, am besten aber sehr viel Grün zu sehen ist. Dies geschieht wahrscheinlich unbewusst, einfach weil Natur in der Stadt unserem Auge und unserer Seele gut tut. In Zeiten, in denen Begriffe wie Work-Life-Balance in aller Munde sind, dürfen Städte das Angebot von Naherholungsflächen also nicht vernachlässigen. Denn Städte werben darum, dass sich Unternehmen ansiedeln. Und diese Unternehmen suchen qualifizierte und motivierte Mitarbeiter. Und eben diese Mitarbeiter wol-

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Foto: WilhelmGeorg/fotolia.com

STADTOASEN

len ein lebenswertes Umfeld. In der Volkswirtschaft nennt man das Umwegrentabilität, den indirekten Nutzen für eine Region durch an sich nicht rentable Einrichtungen wie beispielsweise Museen, Konzerte oder eben öffentliches Grün.

Foto: oscity/fotolia.com

Lebensqualität im Hochhausdickicht? Der Interessenskonflikt zwischen der Nutzung als Bauland und als Erholungsfläche ist ebenfalls ein wichtiger Aspekt. Zwar ist der Nutzen von Grünflächen für die Bewohner einer Stadt heute zumeist unbestritten, doch steht er auch immer in Konkurrenz zum Bedarf an neuer Wohnfläche und dem Streben nach Profit. Nur ein kleines Rechenbeispiel: Der Central Park in New York hat eine Größe von etwa 350 Hektar, was immerhin etwa sechs Prozent der Gesamtfläche Manhattans entspricht. Wenn man nun einen Quadratmeterpreis von 10.000 Euro

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für Wohnraum annimmt, und das ist in dieser Lage nicht außergewöhnlich, läge der Wert eines bebauten Central Parks bei rund 35 Milliarden Euro, selbst wenn man ihn nur mit Bungalows bebauen würde. Und um wieviel höher wäre er, wenn man hier Hochhäuser errichten würde? Was aber würde wohl passieren, wenn man genau dies täte? Wenn die grüne Lunge der Insel verschwunden wäre und stattdessen Autos und Betonwände bis in den Himmel das Bild dominierten? Sicher, auf Basis der aktuellen Bevölkerungsdichte Manhattans von etwa 27.500 Einwohnern pro Quadratkilometer würde Wohnraum für knapp 100.000 Menschen geschaffen, doch die Lebensqualität wäre um so vieles schlechter, dass Manhattan sicher stark an Attraktivität verlieren würde. Dieser Konflikt zwischen Wohn- und Grünflächen verschärft sich zunehmend durch die

wachsende Weltbevölkerung und besonders in boomenden Metropolen, wie zum Beispiel Singapur, die sich in der Fläche nicht mehr ausdehnen können. Wir müssen also gänzlich neue Wege beschreiten. Eine Möglichkeit ist natürlich die Landgewinnung durch Aufschüttung im Wasser, aber dies geht wiederum einher mit Eingriffen in das Ökosystem Ozean, deren Auswirkungen sich schwer abschätzen lassen. Deshalb versuchen Architekten und Stadtplaner vermehrt, das Grün nicht nur am Boden, sondern auch dreidimensional in die Städte zu bringen. Solche futuristischen Entwürfe zeigen beispielsweise Hochhäuser mit grünen Außenwänden, die nicht nur die Gebäude isolieren und zur Energiegewinnung – in manchen Fällen auch zur Nahrungsproduktion – dienen, sondern gleichzeitig die Biodiversität steigern. In manchen Fällen sind die Fassaden traditionell bepflanzt und dienen auch als Erholungsraum, in anderen wird die Außenhaut aus Algenmembranen gebaut und dient rein ökologischen Zwecken. Andere Projekte kehren das Innen nach außen und zeigen Türme, in denen durch ein ausgeklügeltes System das Tageslicht in jedes Stockwerk geleitet wird und sich eine grüne Lunge vom Erdgeschoss bis in das oberste Stockwerk zieht. Wiederum andere Konzepte bauen Parks auf sogenannten „sky bridges“, Brücken, die sich über Autobahnen und hohe Gebäude spannen. Sie stellen das uns Bekannte quasi auf den Kopf, indem sie die Natur emporheben und über dem Leben und Arbeiten schweben lassen. Sicher wird es noch einige Zeit dauern, bis die kühnsten dieser Ideen umgesetzt sind. Sie alle haben aber eine wichtige Botschaft: Wir haben verstanden, dass das Leben ohne Kontakt zur Natur auf Dauer kein gutes Leben sein kann.


STADTOASEN

Düsseldorf und seine Parks

Mehr als eine

grüne Lunge

Wo einst Frachtschiffe in Hafenbecken ankerten und Arbeiter Ladungen löschten, treiben heute agile Düsseldorfer Open-Air-Sport, um schwungvoll in den Tag zu starten. Der Rheinpark Bilk ist nur eine von vielen Grünanlagen in der Metropole. Manche von ihnen liegen unmittelbar am Fluss und man kann sie nacheinander entlang einer Promenade bis zum Nordpark erkunden und dabei jede Menge Kunst, Kultur und Gastronomie erleben.

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Foto: Silke Mayer

Der Tanzring im Nordpark verzaubert mit üppiger Blütenpracht.


STADTOASEN

Im Hofgarten findet man nicht nur märchenhafte Idylle, …

Die Entfernung zwischen dem Rheinpark Bilk im Süden der Düsseldorfer Rheinpromenade und dem Nordpark kurz vor dem Messegelände beträgt nur rund fünf Kilometer – ideal also für eine Radtour oder einen ausgedehnten Spaziergang. Und wer sich vor lauter Überwältigung am Ende zu ermattet fühlt für weitere körperliche Bewegung, kann auf öffentliche Verkehrsmittel zurückgreifen. Denn trotz aller Idylle: Weit entfernt vom Geschehen ist man hier nie … Einst Rheinhafen, jetzt Rheinpark Der Rheinpark Bilk liegt am Rande des quirligen Medienhafens und inmitten architektonischer Besonderheiten. Er wurde erst Ende der 1980er Jahre angelegt, als ein Teil des Industriehafens umfunktioniert wurde. Dabei

wandelte sich der Zollhafen zu einem Yachthafen und auf den zugeschütteten Hafenbecken entstanden der Rheinturm, das WDR-Landesstudio, der Landtag und das 80 Meter hohe Stadttor, der Amtssitz der Ministerpräsidentin Nordrhein-Westfalens. Als verbindendes Element dient der vier Hektar große Rheinpark mit imposantem Blick auf das Düsseldorfer Ufer sowie mit Sichtachsen auf futuristische Bauten des angrenzenden Medienhafens, etwa die drei schrägen Türme des Architekten Frank Gehry mit wellenförmiger, teils metallisch glänzender Fassade oder das bereits erwähnte Stadttor in Form eines gläsernen Portals. Als ursprünglicher Kontrast zu diesem Ambiente der Postmoderne wirkt eine Allee aus 220 Platanen in typischem Schirmschnitt. Gemein-

Ein Anker zeugt von der Hafen-Historie des Rheinparks Bilk.

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… sondern auch zeitgenössische Kunst.

sam mit rund 200 Linden, Pappeln, Ahornbäumen und Eschen bildet sie mitten im Großstadttrubel eine grüne Oase, die an heißen Sommertagen manch schattiges Plätzchen für die Mittagspause bereithält. Ältester Volkspark Deutschlands Folgt man dem platanenbepflanzten Rheinufer Richtung Norden, ist in Kürze die Düsseldorfer Altstadt erreicht, die mit dem Charme alter Gebäude, individueller Lädchen und Brauhäuser jederzeit einen Abstecher wert ist. Wer es jedoch stiller und grüner mag, findet an der Heinrich-Heine-Allee den Eingang zum Hofgarten – dem zentralsten Düsseldorfer Park, der sich nach Osten bis zum Schloss Jägerhof ausdehnt und nordwärts bis zu den Museen „NRW Ehrenhof“ und „Kunstpalast“ am Flussufer. Mit einem Teil, der bereits aus dem Jahr 1769 stammt, ist der 24 Hektar große Hofgarten Deutschlands ältester Volkspark. Und noch immer wird er von der Bevölkerung gerne genutzt: Familien genießen das Grün zwischen Weihern, Brücken und Brunnen genauso wie Jogger, in- und ausländische Touristen oder auch Musikliebhaber, die von Mai bis September unter altehrwürdigen Bäumen jeden Sonntag einem Konzert von Pop bis Klassik lauschen können. Seit 1964 gibt es die Tradition der Hofgartenkonzerte, die allein alljährlich mehr als 7.000 Gäste hierher führen – dank Musikpavillon selbst bei Regen. Etliche Denkmäler und Skulpturen beleben den Hofgarten. Weitere Hingucker sind die vom Düsseldorfer Stefan Sous entworfenen Parkbänke, die des Nachts zu Lichtobjekten werden. Dann nämlich leuchten die aus Kunststoffröhren bestehenden Sitzflä-


Romantik pur und magische Stille umgeben die Besucher des Golzheimer Friedhofs.

Gartenkunst vom Meister Später wurde der Park unter Maximilian Friedrich Weyhe im englischen Stil naturnäher weitergestaltet, es finden sich sanfte Hügel und Täler und großflächige Wiesen mit einzeln platzierten Bäumen. Weyhe, der seit 1804 in Düsseldorf lebte und es vom Hofgärtner bis zum Königlichen Gartendirektor brachte, ent-

warf für die Stadt an die 25 Anlagen, darunter auch den nahegelegenen Golzheimer Friedhof, auf dem er schließlich selbst seine letzte Ruhestätte fand. Auf Weyhes Konzept hin wurde der Friedhof aus dem Jahr 1804 in acht rechteckige Felder unterteilt, mit einer Weißdornhecke umrandet und das Wegenetz gesäumt mit Linden. Bestat-

Fotos: Silke Mayer

chen bläulich-weiß und tauchen die Bäume der Reitallee in mystischen Schimmer. Die Reitallee, die zum Schloss Jägerhof führt, besteht anders als gewohnt nicht aus zwei, sondern aus vier Baumreihen, was die Ursprünge des Hofgartens im französischen Klassizismus ebenso verrät wie der linealgerade Verlauf der Düssel.

Das Grabmal Middendorf

Der besinnlichste Ort im Nordpark: der Japanische Garten

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Fotos: Silke Mayer

Rasen und Himmel so weit das Auge reicht im groĂ&#x;zĂźgig angelegten Rheinpark Golzheim

Wassergarten mit Pergola im Nordpark

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