Labhards
Ausgabe 2021 D/A € 5,00 CHF 7.50
Gartenjahr am Bodensee lädt ein in grüne Oasen
Oberschwäbisches Idyll
BUGA in Erfurt Ganz Thüringen feiert mit
mit historischen Wurzeln
Die „Alltagsmenschen“ vom Wittener Lechnerhof
Liebe Gartenfreunde, liebe Reiselustige, vor zwei Jahren durfte ich Sie das letzte Mal an dieser Stelle zu einer Entdeckungstour durch die große deutsche Gartenlandschaft einladen. Ich hatte damals mit einem Zitat von Mahatma Gandhi begonnen: „Es gibt Wichtigeres im Leben, als beständig dessen Geschwindigkeit zu erhöhen.“ Zwei Jahre später weiß ich nun gar nicht mehr, wie ich diesen Satz einordnen soll. Hinter uns liegt eine so herausfordernde Zeit, die zu ganz unterschiedlichen neuen Lebenssituationen führte. Homeoffice hat bei vielen für ein langsameres, bewussteres und oft auch entspannteres Leben gesorgt. Wenn gleichzeitig die Kinder zu Hause unterrichtet werden mussten, war das natürlich etwas anderes und führte zu selten erlebtem Stress. Zukunftssorgen und die Einschränkungen sozialer Kontakte waren emotional extrem belastend. Sie mögen mir verzeihen, wenn ich all dies in der Vergangenheitsform anspreche, aber ich bin nun mal ein unverbesserlicher Optimist. Manchmal frage ich mich, ob dieser Optimismus nicht auch oder vielleicht gerade mit meiner Liebe zur Natur zusammenhängt. Wenn im Frühling die ersten Schneeglöckchen durch die Erde brechen und leuchtende Narzissen die Sonne auf die Erde zu holen scheinen – kann man da anders, als zu glauben, dass die Welt irgendwie doch in Ordnung ist, wenigstens für einen kleinen Moment? Diese unbändige Kraft eines unscheinbaren Zwiebelchens, das den größten Teil seines Lebens in der Erde verbringt, ist für mich immer wieder ein kleines Wunder. Natürlich ist das rational gesehen ein rein biologischer Prozess, aber es zaubert mir jedes Mal ein Lächeln auf die Lippen. Und glücklicherweise war das Angebot der Natur, uns zum Staunen zu bringen, nicht eingeschränkt, ganz im Gegenteil. Wie hat sie sich doch für unser unfreiwilliges Innehalten bedankt. Schwäne glitten auf dem Canale Grande dahin, im Bosporus tummelten sich Delfine und viele Strände wurden statt von zweibeinigen Sonnenanbetern von Schildkröten und ihrem Nachwuchs bevölkert. Doch so exotisch muss es gar nicht sein. Allein das plötzlich deutlich zu hörende Vogelzwitschern vor dem eigenen Fenster verhilft doch schon zu einem guten Start in den Tag. Genießen Sie diese kleinen Momente ganz bewusst, bleiben Sie fröhlich! Herzlichst Ihre Catherina Ruffing Gräfin Bernadotte af Wisborg Mitherausgeberin der GartenTour
Foto: Mainau GmbH
EDITORIAL
INHALTSVERZEICHNIS
Themen und Inhalte
EXOTISCHER SÜDEN Baden-Württemberg, Bayern & internationale Bodenseeregion Einladung zum Gartenjahr am Bodensee – Grüne Oasen in vier Ländern entdecken
Editorial 1
Gärten im Wandel Essbarer Pomp – Vom Küchengarten auf die königliche Tafel
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Die gute alte Zeit? Was die Bauerngärten im Museumsdorf Kürnbach erzählen
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Universitäten für die Bäume von morgen – Historische Parks und Gärten im Zeichen des Klimawandels
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ANMUTIGER OSTEN Thüringen Heute Schau, morgen Park – 70 Jahre BUGA und IGA Apolda – Zwischen schattigen Alleen und sonnigen Teichen Bad Langensalza – Wohlbefinden mal zehn Einzigartige Schönheiten – Unterwegs in der Region Südharz Kyffhäuser
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Sachsen-Anhalt Berg- und Rosenstadt Sangerhausen – Großer Auftritt für die Königin Perfektes Zusammenspiel von Natur und Kunst – Gartenschätze schmücken Weltkulturerbe in Sachsen-Anhalt Kloster Michaelstein – Die Geheimnisse des Mittelalters Gartenschätze in Bad Schmiedeberg und auf dem Brocken Verliebt in den Elbauenpark Magdeburg Schloss Hundisburg – 300 Jahre Gartenkunst am Börderand
IDYLLISCHER WESTEN
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52 54 57 58 60 61 64 65
Obstkultur im Schlosspark Bad Homburg RosenPark Dräger – Rosige Aussichten Ein lebendiges Stück Natur – Einblicke in 150 Jahre Palmengarten Frankfurt
67 68 69 70
76 76 77
Nordrhein-Westfalen 30 34 34 35 35 36
Das Besondere im Alltäglichen – Lechners Skulpturen feiern die Normalität Charmante Kontraste im Neuhäuser Schlosspark Damals im Münsterland … Premiere für die Herbstpartie Kloster Kamp – Kreative Ideen mit Stil
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Rheinland-Pfalz 37 38 38 39
Garten der Schmetterlinge und Neues Museum Schloss Sayn – Zwei bezaubernde Welten 87 Das grüne Herz von Zweibrücken – Im Rosengarten die Seele baumeln lassen 88
Literaturtipps Deutscher Gartenbuchpreis 2021 mit Gewinnspiel Neu im Buchregal – Zum Selberpflücken und Verschenken
LEUCHTENDER NORDEN Niedersachsen Lustwandeln und genießen – Ein Spaziergang durch die Herrenhäuser Gärten Ruhezone Bad Pyrmont – Platz zum Durchatmen Gartenschätze in Seebüll, Bad Bevensen und Kiel
Ein Spaziergang durch die Gärtnerstadt Bamberg – Zwischen Süßholz und Steckzwiebeln Gartenschätze in Bad Berneck, Ingolstadt und Erlangen Rothenburgs Paradiese in all ihrer Vielfalt Mit Elan und Leidenschaft – Die vielen Gesichter des Schlossparks Dennenlohe
Hessen
Berlin & Brandenburg Ferne Länder ganz nah – 365 Tage Lebenslust in den Gärten der Welt Wassermusik im UNESCO-Welterbepark Schloss Babelsberg Grenzenlose Gartenträume in der Lausitz Gartenschätze in Branitz, Petzow und in der Uckermark
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Bayern
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Sachsen Sehnsuchtsort Kleingarten – Einfach herrlich normal Der Waldenburger Weg zur Weisheit Bizarre Formen im Schlosspark Wechselburg Schloss und Park Lichtenwalde – Pompöse Perle des Barock Göschengarten Grimma – Mit südlichem Charme Gartenschätze in Krobnitz, Zabeltitz und Weesenstein
Überlingen feiert die erste Landesgartenschau am See – 192 Tage Inspiration und Unterhaltung Wasserspuren im Inselreich – Perlende Blütenträume auf der Mainau Kloster und Schloss Salem – Eine Zeitreise durch klösterliche Gartenkultur Vom Blühen, Wachsen und Ernten – Einmalige Schätze am westlichen Bodensee Genuss für alle Sinne – Rosenduft und Gaumenfreuden in der Kartause Ittingen Malerische Impressionen – Auf aussichtsreichen Wegen durch Lindau und Bregenz Urlaub nach Maß zu allen Jahreszeiten – Mit den Bodenseehotels florale Höhepunkte erleben Gartenschätze in Bad Mergentheim, Lahr und Meßkirch
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Veranstaltungskalender 2021 42 44 45
Parkfeste, Gartenmessen, Pflanzenmärkte und mehr
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Katalogservice Kataloge und Prospekte gratis bestellen
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Mecklenburg-Vorpommern Den Sternen ein Stück näher – Ein neuer Astrolehrpfad lockt ins Mecklenburger ParkLand
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Impressum 95 Datenschutz bei Labhard Medien 96
INHALTSVERZEICHNIS
Ausgewählte Schlösser, Gärten und Parks in der GartenTour 2021 … auf den kommenden Seiten gibt es noch viele mehr zu entdecken. SCHLESWIG-HOLSTEIN 1 Noldes Garten auf Seebüll 2 Alter Botanischer Garten Kiel MECKLENBURG-VORPOMMERN 3 Mecklenburger Parkland NIEDERSACHSEN 4 Kurpark Bad Bevensen 5 Herrenhäuser Gärten Hannover 6 Kurpark Bad Pyrmont BERLIN & BRANDENBURG 7 Schlosspark Babelsberg 8 Gärten der Welt Berlin 9 Branitzer Park in Cottbus 10 Ostdeutscher Rosengarten Forst (Lausitz)
SACHSEN-ANHALT 11 Kurpark Bad Schmiedeberg 12 Elbauenpark Magdeburg 13 Schloss Hundisburg 14 Gärten am Kloster Michaelstein in Blankenburg 15 Europa-Rosarium Sangerhausen
NORDRHEIN-WESTFALEN 23 Schloß- und Auenpark Paderborn 24 Gärten am Kloster Kamp
SACHSEN 16 Deutsches Kleingärtnermuseum Leipzig 17 Göschengarten Grimma 18 Schloss und Park Lichtenwalde 19 Grünfelder Park Waldenburg
RHEINLAND-PFALZ 27 Schloss Sayn und Garten der Schmetterlinge in Bendorf 28 Rosengarten Zweibrücken
HESSEN 25 Schlosspark Bad Homburg 26 Palmengarten Frankfurt
BADEN-WÜRTTEMBERG 29 Kurpark Bad Mergentheim 30 Gartenschau Eppingen 31 Bauerngärten im Museumsdorf Kürnbach 32 Landesgartenschau Überlingen
THÜRINGEN 20 Parks und Gärten in Weimar 21 BUGA Erfurt 2021 22 Parks und Gärten in Bad Langensalza
BAYERN 33 Gartenschau Lindau 34 Landesgartenschau Ingolstadt 35 Schlosspark Dennenlohe in Unterschwaningen 36 Gärten und Parks in Rothenburg ob der Tauber
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Kiel
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1 3
Mitglieder des Gartennetzes Deutschland in der DGGL
Schwerin
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Potsdam
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Düsseldorf
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Erfurt
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30 Hintergrundgrafik: Artspace/shutterstock.com
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Saarbrücken
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Dresden
Gartenroute Mecklenburg-Vorpommern Gartenkulturzentrum Niedersachsen – Park der Gärten 3 gARTenakademie Sachsen-Anhalt 4 Gartenträume – Historische Parks in Sachsen-Anhalt 5 Gartenland Brandenburg 6 Grün Berlin 7 GartenKulturPfad Oberlausitz 8 GartenKultur Thüringen 9 Straße der Gartenkunst zwischen Rhein und Maas 10 Route der Welterbe-Gärten Mittelrheintal 11 GartenRheinMain 12 Gärten ohne Grenzen 13 Gartenakademie Baden-Württemberg 14 Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg 15 Insel Mainau
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deutschlandweit: Deutsche BundesgartenschauGesellschaft mbH IG Park im Kurort im Deutschen Heilbäderverband e. V. Schlösser und Gärten in Deutschland e. V.
europaweit: Europäisches Gartennetz EGHN
Stuttgart
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31 32 15
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München
gartennetz-deutschland.de
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GÄRTEN IM WANDEL
Essbarer Pomp Vom Küchengarten auf die königliche Tafel
Um die wertvollen exotischen Kübelpflanzen im Park Sanssouci in Potsdam vor Kälte geschützt zu überwintern, wurde zwischen 1851 und 1864 das Orangerieschloss mit seinen seitlichen Pflanzenhallen errichtet.
Im teilweise wiederhergestellten Küchengarten des Hofgartens Veitshöchheim werden unter anderem historische Obst- und Gemüsesorten angebaut.
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Foto: Bayerische Schlösserverwaltung, schloesser.bayern.de
Foto: SPSG/Wolfgang Pfauder
Foto: PackShot/stock.adobe.com
von Catherina Ruffing Gräfin Bernadotte af Wisborg
Der französischen Sonnenkönig Ludwig XIV. genoss zu jeder Jahreszeit Köstlichkeiten aus seinem Küchengarten am Schloss Versailles, selbst Spargel im Januar und Erdbeeren im März.
Gemüse als Statussymbol klingt für die meisten wohl erst einmal etwas merkwürdig. Nur zu oft sehen Erwachsene es lediglich als empfohlen-notwendige Beilage und Kinder fragen sich, was denn das grüne Zeug überhaupt auf ihrem Teller zu suchen hat. Doch wenn man etwas genauer darüber nachdenkt, ist es nur logisch. Seit der Mensch sesshaft wurde, durfte sich derjenige glücklich schätzen, der sich und die Seinen mit den Erträgen des eigenen Stück Landes versorgen konnte. Das Wissen um den Nutzen einzelner Pflanzen sowie verschiedenster Anbautechniken wurde gesammelt, verfeinert und von Generation zu Generation
weitergegeben. Kloster- und Schlossherren spielten dabei eine wichtige Rolle, denn hier war in den meisten Fällen nicht nur genug Platz, sondern auch genug Geld und Arbeitskraft vorhanden. Mit der Zeit jedoch hatten besonders die Küchengärten in Schlossanlagen zusätzlich zur reinen Nahrungsproduktion noch einen weiteren Zweck zu erfüllen. Sie wurden zu Prestigeobjekten. Durch umfangreiches gärtnerisches Wissen und Anzuchtmöglichkeiten in den Vorläufern moderner Gewächshäuser wurde es möglich, die Ernte zeiten von Obst und Gemüse weit über ihren natürlichen Zyklus hinaus zu verlängern.
Herrscher über die Gesetze der Natur Der Park eines der bekanntesten Schlösser der Welt, Versailles, umfasste unter anderem einen neun Hektar großen Küchengarten, den sogenannten „potager du roi“, den „Küchengarten des Königs“. Der Sonnenkönig Ludwig XIV. war wohl so stolz auf diesen Teil seines Parks, dass er hochrangige Gäste selbst dort herumführte. Er sah darin seinen absoluten Herrschaftsanspruch bestätigt – und warum sollte er auch nicht so denken? Schließlich hatte er sich hier sogar die Natur Untertan gemacht und konnte das ganze Jahr beinahe beliebig über ihre heimischen und exotischen Erträge verfügen.
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GÄRTEN IM WANDEL
Buchtipp CHRISTA HASSELHORST
Das Paradies ist überall Zwischen Schlosspark und Küchengarten Corso EUR 26,90 224 Seiten, durchgängig farbige Abbildungen Format 17 x 24 cm gebunden mit Schutzumschlag ISBN 978-3-7374-0764-9
Foto: Stiftung „Fürst-Pückler-Park Bad Muskau“
Wer sich tiefer in das faszinierende Thema der Parks und Gärten berühmter Persönlichkeiten einlesen will, dem sei das neu erschienene Buch „Das Paradies ist überall“ von Christa Hasselhorst empfohlen. Die Journalistin hat in ihrer Wahlheimat Potsdam die Liebe zum Grün entdeckt und bei verschiedenen Verlagen mittlerweile 13 Gartenbücher veröffentlicht. Ihr jüngstes Werk widmet sich den Refugien so großer Namen wie Winston Churchill, Christian Dior oder Max Liebermann. Natürlich darf auch der bekannteste aller „Parkomanen“, Fürst Pückler, nicht fehlen. Die Gärten waren ihren Besitzern Quelle der Inspiration, kulinarische Schatzkammer oder Ort glücklicher Erinnerungen.
Ganz wie im Sinne Fürst Pücklers arbeitet die Schlossgärtnerei im Muskauer Park. Selbst Ananas gedeihen hier wieder.
Auch Heinrich VIII. von England war ein dem Essen überaus zugetaner Herrscher. Wer einmal den imposanten Küchenkomplex in Hampton Court im Süden Londons besichtigt hat, kann sich eine Vorstellung von den Gelagen machen, die zubereitet wurden. Da durfte ein Küchengarten natürlich auch nicht fehlen. Dieser ist heute wiederhergestellt, allerdings nicht im Stil der Tudorzeit, sondern nach zeitgenössischen Überlieferungen aus dem 18. Jahrhundert. Dort kann man unter anderem erfahren, dass damals gemischte Salate äußerst beliebt waren, natürlich kunstvoll angerich-
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tet und präsentiert. Da wurden nicht einfach Kopfsalat, Gurke und Petersilie zusammengeworfen. Um den königlichen Gaumen zu erfreuen, wurden ungewöhnliche Zutaten wie Felsen-Fetthenne (Sedum rupestre), Leberbalsam-Schafgarbe (Achillea ageratum) oder Frauenminze (Tanacetum balsamita) hinzugefügt. Exotische Genüsse aus dem Schlosspark Doch man muss gar nicht in die Ferne schweifen, denn in Deutschland waren Nutzflächen zur Selbstversorgung Teil der meisten Schlossgärten. Man denke nur an das Ensemble Sans-
souci in Potsdam mit seinen imposanten Weinbergterrassen. Sie dienten dem Anbau verschiedenster Wein- und Obstsorten aus aller Herren Länder. In den Sommermonaten wurde das Bild durch Exoten in Kübeln komplettiert und man wandelte zwischen kunstvoll gezogenen Obstspalieren und wertvollen Zitruspflanzen. Den geschätzten Kübelpflanzen wurde sogar die Ehre zuteil, dass im Park ein eigenes Schloss für sie gebaut wurde. Die „Neue Orangerie“ umfasste zwar auch Repräsentations- und Wohnräume, ihre Hauptaufgabe war es jedoch, die empfindlichen Schönheiten gut durch den Winter zu bringen. Im Sommerschloss Veitshöchheim, in der Nähe von Würzburg, gingen Ästhetik und Nutzen schon früh Hand in Hand. Viele Flächen im repräsentativen Teil des zwölf Hektar großen Hofgartens waren mit Obstbäumen bepflanzt und bei der Gestaltung der Beete wurden Kräuter und Gemüse mit einbezogen. Der in den 1990er Jahren teilweise wiederhergestellte reine Küchengarten, in dem ebenfalls Wert auf eine ansprechende Optik gelegt wurde, umfasste denn auch lediglich einen Hektar. Wer die Anlage heute besucht, kann dort nicht nur Obstbäume bestaunen, die durch geschickten Schnitt mit sogenannten „Kesselkronen“ gezogen werden. Auch historische Obst- und Gemüsesorten gibt es zu sehen. Da wächst die „Goldene Königin“ (Tomate) neben „Eiszapfen“ (Radieschen) und dem „Frühen Heinrich“ (Zuckererbse). International wird es mit der „Schweizer Wasser-
Foto: IRStone/stock.adobe.com
Was dem englischen Hof des 18. Jahrhunderts mundete, lässt sich im Küchengarten von Hampton Court Palace in London nachempfinden.
birne“, der „Italienischen Zwetsche“ und dem „Katalonischen Spilling“. Ein kleines, aber feines Beispiel für die Kombination von Lust- und Nutzgarten ist der Pomeranzengarten des Leonberger Schlosses. Die Beete unter den Pomeranzen waren und
werden auch heute wieder nicht nur mit Zierblumen, sondern auch mit Duft- und Heilkräutern bepflanzt. Somit belieferte er wohl eher die Hausapotheke als die herzogliche Küche, aber er darf sich ruhig auch in die Liste der herrschaftlichen Küchengärten einreihen.
Ein Nutzgarten kann also nicht nur den Magen füllen, mit ein bisschen Geschick und Fantasie kann er auch zu einem echten Schmuckstück werden. Ob im eigenen Garten oder in einer der zahlreichen Schlossanlagen Deutschlands – einen Blick ist er allemal wert.
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Foto: visuals-and-concepts/stock.adobe.com
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Elemente aus Lust- und Nutzgarten vereint der Pomeranzengarten am Leonberger Schloss bei Stuttgart.
Zur Person: Seit frühester Kindheit dreht sich das Leben von Gräfin Catherina um Gärten, Parks und Blumen. Aufgewachsen ist die studierte Landschaftsarchitektin auf der elterlichen Insel Mainau im Bodensee. Sie ist Initiatorin des freien Fachportals hortipedia.com, das Gartenwissen aus den verschiedensten Bereichen bietet. Ein besonderes Feature stellt die Pflanzendatenbank dar.
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GÄRTEN IM WANDEL
Die gute alte Zeit ? Was die Bauerngärten im Museumsdorf Kürnbach erzählen
Das Gemüse direkt vor dem Haus wachsen sehen, ländliche Idylle weit weg vom Lärm und Trubel der Stadt genießen und mit den eigenen Händen etwas erschaffen:
Fotos: Oberschwäbisches Museumsdorf Kürnbach
Das macht die Vorstellung von historischen Bauerngärten nahezu romantisch.
Wohlhabende Bauernfamilien konnten es sich leisten, auch Blumen anzupflanzen – so wie im Garten am Haus Hueb als Beispiel für die Zeit um 1850.
Im Oberschwäbischen Museumsdorf Kürnbach tauchen Besucher in drei dieser grünen Refugien ein – und in das Leben verschiedener Gesellschaftsschichten vergangener Jahrhunderte. Vor allem aus dem Kräutergarten ziehen feine Düfte durch die Luft. Es fehlt nur die Bäuerin, die aus ihrem urigen Haus tritt, um sich an den Pflänzchen zu bedienen.
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Die Bezeichnung „Bauerngärten“ wurde erst Mitte des 19. Jahrhunderts geprägt, als der Botaniker Anton Kerner eine Schrift über die „Flora der Bauerngärten in Deutschland“ veröffentlichte. Mit Einführung des Begriffs hielt gleichsam ein die Gärten verklärender Gedanke Einzug: Kerners bildhafte Beschreibung der emporrankenden Bohnen und von Nel-
ken, die der Liebhaber des Bauernmädchens an den Hut geheftet bekam, stand der schnelllebigen und anonymen Moderne entgegen. Diese romantisierte Vorstellung ist bis heute präsent. Bauerngärten gelten als schick und werden in gängigen Zeitschriften immer wieder aufgegriffen. „Teilweise bedienen die Autoren aber fast schon kitschige Klischees. Umso
Kristel Buttschardt gibt ihr Gartenwissen regelmäßig an die Besucher des Museumsdorfes weiter.
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GÄRTEN IM WANDEL
wichtiger ist es, wie in Kürnbach mit der Realität oberschwäbischer Bauerngärten von früher aufzuwarten“, sagt Kristel Buttschardt, die mit Hingabe die historischen Bauerngärten des Museumsdorfs pflegt. Seit 2012 ist sie hier die gute Seele und gibt ihr breites Wissen rund ums Gärtnern weiter. Ein Idyll zum Überleben Gemüse spielte schon seit dem Mittelalter in der Ernährung der Menschen eine große Rolle. Ein wesentlicher Teil der Ackerfläche in Oberschwaben war jedoch lange Zeit gezelgt, was bedeutete, dass die Äcker einheitlich mit dem gleichen Getreide bepflanzt werden mussten. Um trotzdem eine ausreichende Menge an Gemüsepflanzen zu haben, wurden diese direkt vor dem Haus angebaut. „Die Bäuerinnen wollten keine idyllische Oase der Ruhe schaffen oder alte Gemüsesorten erhalten – sie wollten vielmehr die Familie satt bekommen“, erzählt Museumsleiter Jürgen Kniep. Die drei Bauerngärten von Kürnbach stehen exemplarisch für unterschiedliche Epochen und Themen. Auf
welche Weise sie Essgewohnheiten und sozialen Status spiegeln und vor allem, wie wichtig dieses eigene Stückchen Land für seine Besitzer war, können Gruppen in 60- oder 90-minütigen Führungen erfahren. Zwischen Kraut und Rüben Der kleine Garten des Voggenhauses, eingerahmt von einem einfachen Weidenzaun, ist ein Beispiel für die Gärten der dörflichen Unterschicht des 17. Jahrhunderts. Er zeugt vom kargen und harten Leben der Menschen. Blühende Vielfalt findet man hier kaum, eher herrscht Eintönigkeit vor, denn „Blumen helfen bekanntlich nicht gegen den Hunger“, erklärt Kniep. Statt bunter Pflanzenpracht sprießen im Voggengärtle demnach hauptsächlich Kraut und Rüben, das typische Arme-Leute-Essen. Landfrauen zeigen heute im Museumsdorf, wie das Kraut damals gehobelt und eingelegt wurde – eine aufwändige Arbeit, aber Kohl war eine wichtige Nahrungsquelle für den Winter. Auch mit den gut lagerbaren Rüben konnte die kalte Jahreszeit überbrückt werden.
Heil- und Küchenkräuter, die im Oberschwaben des 19. Jahrhunderts bekannt waren, liegen Gärtnerin Regina Neumann am Herzen.
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Reiche Ernte am eigenen Haus Bei wohlhabenden Bauernfamilien um 1850 sah der Speiseplan etwas großzügiger aus, auch wenn weiterhin Kraut und Rüben dominierten: „O ihr liebe Leut, Betet, dass‘s Rübe geit; Betet au laut, Geit‘s au e Kraut“, war eine bekannte Redensart im Oberschwaben des 19. Jahrhunderts. Der Garten am Haus Hueb unterscheidet sich trotzdem nicht nur durch seine fast symmetrisch angelegten Parzellen stark vom Gärtchen des Voggenhauses. Da die Kartoffel, die in jener Zeit ihren Durchbruch hatte, zusammen mit dem Kohl auf den Ackerflächen angebaut wurde, konnten die Bäuerinnen vor dem eigenen Haus andere Gemüsesorten anpflanzen. Dank Samenhändlern gab es bereits ein umfangreiches Angebot an Bohnen, Blumenkohl und Sellerie. Auch einzelne Blumen wachsen im Garten der Hueb, aber nicht zu reinen Dekorations-
Fotos: Oberschwäbisches Museumsdorf Kürnbach
Das schlichte Voggengärtle erzählt mit seinen Gemüsepflanzen vom harten Leben im 17. Jahrhundert.
zwecken: Die unreifen Früchte der Kapuzinerkresse wurden anstelle von Kapern verzehrt, die Blüten genossen die Bauern im Salat. Heilkraft aus der Natur Wenn das Pferd lahmte oder das Kind Bauchschmerzen hatte, kamen in den Dörfern oft Heilkräuter zum Einsatz. Diese wurden gesammelt – einen reinen Kräutergarten fand man auf keinem Bauernhof. Der Kräutergarten im Freilichtmuseum Kürnbach ist deswegen ein Schaugarten, der einen Einblick in das mannigfaltige Wissen rund um die nützlichen Gewächse gewährt. Zahlreiche Wirkungen wurden später durch die Forschung bestätigt, wie die Kräfte der gelb blühenden Ringelblume, die schon vor Jahrhunderten die Wundheilung förderte. Daneben gab es einige Pflanzen, deren Gebrauch als Aberglaube enttarnt wurde: So verfütterte man
die Silberdistel an Pferde, um sie besonders stark zu machen. Gleichzeitig sollten die Pferde des Nachbarn geschwächt werden, wenn dieser seinen Tieren nicht das gleiche Futter gab.
Pflänzchen seinen Weg in die Gärten anderer Begeisterter gefunden hat“, berichtet Jürgen Kniep. Und so wachsen heute vielleicht im ein oder anderen Vorgarten Gemüse und Kräuter, die einst das Überleben sicherten.
Weniger romantisch, dafür echt Auch wenn die kleinen Gärten vor den rustikalen Bauernhäusern dazu verleiten, nostalgisch in der Vergangenheit Oberschwabens zu schwelgen – sie zeigen nur auf den ersten Blick eine verträumte, heile Welt auf dem Land. Bereits eine Missernte konnte bei den Bauernfamilien eine Hungersnot hervorrufen – statt romantischem Zeitvertreib waren die Gärten lebensnotwendig. Was Besucher außer diesen wertvollen Eindrücken in die Gegenwart mitnehmen können? „Klare Antwort: Saatgut! Wir freuen uns, dass schon manches Samenkorn und manches
Sandra Schwarzwalder
Info Oberschwäbisches Museumsdorf Kürnbach Griesweg 30 88427 Bad Schussenried Tel. +49 7351 526790 museumsdorf@biberach.de museumsdorf-kürnbach.de Öffnungszeiten bis 31.10.: täglich 10–18 Uhr
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GÄRTEN IM WANDEL
Universitäten für
die Bäume von morgen
Foto: Stefan Schulze
Historische Parks und Gärten im Zeichen des Klimawandels
Als einziger Park Deutschlands zählen die Herrenhäuser Gärten in Hannover zur neuen „European Route of Historic Gardens“.
Foto: Philipp Sattler
Vom chinesischen Gelehrten Konfuzius ist der weise Satz überliefert „Wer Bäume pflanzt, wird den Himmel gewinnen.“ Ob dies auch der berühmte Gartenfürst Hermann von Pückler-Muskau im Sinn hatte, als er vor 175 Jahren den herausragenden Branitzer Park schuf, lässt sich zwar nicht sagen – sicher jedoch ist, dass er sein Gartenkunstwerk nur mit Hilfe der sogenannten „Baumuniversität“ in die Tat umsetzen konnte. In der so betitelten Baumschule auf dem Gelände der Schlossgärtnerei wurden größere Bäume und besondere Solitärgehölze herangezogen, womit Pückler den kargen Sandböden und der schlechten Wasserversorgung seines Anwesens im Brandenburgischen trotzte. Barocke Formen prägen den Schlossgarten Schwetzingen.
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Heimische Gewächse leiden unter Extremen Im Zeichen des Klimawandels erlebt diese Idee heute eine Renaissance. Gefahren wie der gesunkene Grundwasserspiegel, zunehmende Hitzeperioden und Starkwetterereignisse oder die Verschiebung der Vegetationszyklen schädigen jahrhundertealte Bäume und Gehölze und bedrohen damit ganze Gartenanlagen. Buchen sind ebenso betroffen wie Eichen, Rosskastanien, Ahornbäume, Kiefern und Rhododendren. Ein „Gegenmittel“ könnten die ursprünglich als Arboreten und große private Pflanzensammlungen entworfenen Parks mit ihrer botanischen Vielfalt aus aller Welt, eigenen Baumschulen und -universitäten sein – denn: Die Zukunft des Gehölzbestandes innerhalb Europas liegt vor allem darin, Arten und Sorten zu etablieren, die an die künftigen
Foto: Jens Spanjer
GÄRTEN IM WANDEL
klimatischen Verhältnisse angepasst sind. Und hier sind historische Parks von unschätzbarem Wert, denn sie zeigen, welche Gewächse aus anderen Klimazonen auch in hiesigen Breitengraden „alt“ werden können.
Regenwasser zu sammeln, Bienenweiden und Balkonkästen erblühen zu lassen, Insektenhotels aufzustellen, Fassaden zu begrünen und vieles mehr tragen dazu bei, dem Klimawandel entgegenzuwirken.
Mit gebündeltem Wissen aktiv gegensteuern Um solches Wissen zu bündeln, haben sich im November 2019 die Deutsche Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur (DGGL) und der Verein Schlösser und Gärten in Deutschland zu einem „Initiativbündnis Historische Gärten im Klimawandel“ zusammengeschlossen. Darin sind private, kommunale und staatliche Besitzer meist denkmalgeschützter Parkanlagen organisiert. Es geht um viel, nicht zuletzt um das „Gesicht“ der bedeutenden Gartenkunstwerke. Ihre Bäume und Sträucher wurden einst mit Bedacht ausgewählt, mit ihnen gestalteten die Parkschöpfer ganz bewusst bemerkenswerte Szenerien; wenn jetzt neue Arten, Wuchseigenschaften, Farben und Blattformen ins Spiel kommen, stellt sich die Herausforderung, dieses Antlitz zu bewahren. Der geplante Ausbau der Branitzer Baumuniversität, in der unter anderem gartenhistorisch wichtige Gehölze vermehrt werden sollen, ist nur ein Beispiel, den Veränderungen zu begegnen. Das Initiativbündnis setzt auf gegenseitige Hilfe und Unterstützung, will künftig Forschungsergebnisse, Erkenntnisse zu praktischer Baumpflege und zur Standortverbesserung teilen. Veranstaltungen zur Umweltbildung stehen ebenfalls auf der Agenda. Davon werden auch verhältnismäßig junge Parks und Gärten profitieren, denn hier leidet die Flora nicht weniger.
Beate Reuber Fo
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s ta on n nti n er
Zur Person: Beate Reuber ist seit 1991 bei der Grün Berlin GmbH beschäftigt und übernahm 1992 die Leitung der heutigen Gärten der Welt. Mittlerweile fungiert sie als Parkbotschafterin. Für das Gartennetz Deutschland ist sie seit 2010 ehrenamtlich tätig und seit April 2019 Vizepräsidentin der Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur e. V. (DGGL).
gartennetz-deutschland.de schloesser-gaerten-deutschland.de dggl.org
Foto: Staatliche Schlösser und Gärten Hessen/Kilian Schönberger
Foto: SFPM/Christoph Haase
Wichtige Rückzugsorte auf vielfältige Weise erhalten Auf einer Bank zu sitzen, hochaufragende Bäume zu betrachten oder außergewöhnlich geschnittene Gehölze zu bewundern, ist immer Nahrung für Geist und Seele. Gleichzeitig wirken die „grünen Lungen“ als Lernorte, als Mittler zwischen Natur, Kultur, Botanik oder Gesundheit. Sie zu hegen, zu pflegen und zu erhalten, heißt auch, wichtige Rückzugsorte zu bewahren. Max Frisch sagte einmal: „Krise ist ein produktiver Zustand. Man muss ihm nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen.“ Kaum ein Gedanke passt besser zur heutigen Zeit. Es gibt durchaus Möglichkeiten, aktiv zu werden, egal ob als Gartenbesitzer oder einzelner Blumenfreund. Den „Baum von morgen“ zu pflanzen,
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Zwischen 1820 und 1835 ließ der passionierte Pflanzensammler Fürst Joseph zu SalmReifferscheidt-Dyck den Landschaftsgarten rund um Schloss Dyck anlegen.
Die Baumuniversität des Branitzer Parks in Cottbus geht auf den legendären Fürsten Pückler zurück. Im idyllischen Staatspark Fürstenlager im hessischen Bensheim-Auerbach wächst unter anderem einer der ältesten Mammutbäume Deutschlands.
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THÜRINGEN
70 Jahre BUGA und IGA
Heute Schau, morgen Park
Gartenschauen haben in deutschen Städten eine 150-jährige Tradition. Die ersten Blumenschauen veranstalteten Pflanzengesellschaften; darauf folgten Spezialausstellungen, mit denen sich eine Sortimentssichtung verband. Von diesen Anfängen bis zu den geradezu inflationär wachsenden Freiland-Schauen im 19. Jahrhundert standen stets Pflanzen, Bäume und Sträucher im Mittelpunkt und dienten der Darstellung der „Kunst- und Handelsgärtnereien“ der Grünen Branche. Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts erkannte man die Chance, auf diese Weise auch Erholungsflächen zu entwickeln. So finden seit 1951 Bundes- und internationale Gartenschauen (BUGA/IGA) in regelmäßigem Rhythmus statt. Stets für ein halbes Jahr locken sie in eigens gestaltete Parks, präsentieren sämtliche Pflanzenbereiche sowie Neuzüchtungen
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Fotos: egapark Erfurt gGmbH/Ch. Fischer
THÜRINGEN
NEUE NATUR Experimente Ausstellungen Debatten
2021 www.klassik-stiftung.de/neue-natur 17. / 18. April 2021 | Park an der Ilm Auftakt mit Kulturparcours, illuminierter Klangpromenade, Werkstätten im „Grünen Labor“, neuen interaktiven Ausstellungen u.v.m. 17. April bis 29. August 2021 | Schiller-Museum Ich hasse die Natur! Mensch, Natur, Zukunft 5./6. Juni 2021 | Schlosspark Belvedere Weimarer Gartenlust. Eröffnung der Gartensaison mit einem großen Gartenfest im Schloss und Schlosspark Belvedere 28. August 2021 | Römisches Haus Weimar feiert Goethe. Ein Flaniergeburtstag am Römischen Haus im Park an der Ilm
Zur BUGA Erfurt 2021 gibt es viel Raum zum Entspannen, aber auch zum Entdecken von Pflanzen und Gestaltungsideen.
und sind Schauplatz des gärtnerischen Wettbewerbs. Außerdem sind BUGAs und IGAs für ihre Ausstellungen, Kulturveranstaltungen und grünen Bildungsangebote bekannt. Sie schaffen es, Städte nachhaltig zu touristischen Destinationen zu machen und die Lebensqualität ihrer Bürger zu verbessern.
16. Oktober 2021 bis 9. Januar 2022 | Schiller-Museum Landschaften im Licht. Der Impressionist Ludwig von Gleichen-Rußwurm
Bundesgartenschauen vermitteln den Wert des Grüns in Städten Im Lauf von sieben Jahrzehnten haben sich die Gartenschauen zu Großprojekten mit städtebaulichen, ökologischen, demografischen, kulturellen und wirtschaftlichen Effekten für die jeweilige Kommune und ihr Umland entwickelt. Ihre Funktion ist dabei immer von den zeitlichen Umständen geprägt. Dienten die Schauen nach dem Krieg dem
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THÜRINGEN
Fotos: DBG
Die Rheinaue, die mit der BUGA 1979 entstand, ist heute ein beliebtes Nah erholungsgebiet der Bonner.
Wie eine Alpenvorlandschaft gestaltete man zur IGA 1983 den Westpark in München. Noch heute hat er einen hohen Freizeitwert, vor allem an den beiden Seen.
Foto: Lichtschwärmer
Aufbau zerstörter Städte, sorgten sie ab Mitte der 1960er bis in die 1990er Jahre hinein für mehr Grün und waren Motor für die Entwicklung neuer Freizeitareale – Naherholung war das Thema. Parks hielten so die innerstädtische Verdichtung in Zeiten des autofreundlichen Bauens auf: zum Beispiel in Hamburg mit drei Internationalen Gartenausstellungen – heute besitzt die Elbmetropole einen 4,5 Kilometer langen Grünzug, der nur dank der IGAs 1953, 1963 und 1973 entstanden ist. Auch in der einstigen Bundeshauptstadt Bonn weckten die grünen Freiflächen in Richtung Bad Godesberg Begehrlichkeiten. Eine Bebauung verhinderte der Rheinauenpark, der für die BUGA im Jahr 1979 angelegt wurde.
Einmal über der Hangkante schweben und den Rhein-Mosel-Blick genießen – dazu lädt seit der BUGA 2011 die Stadt Koblenz ein.
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Im Süden Hamburgs öffnete 2013 die internationale Gartenschau mit dem blütenreichen Wilhelmsburger Inselpark.
Die 1990er Jahren brachten grundlegende Änderungen in der Stadtund Landschaftsplanung. Zum einen gewann Nachhaltigkeit bei ökologischen und wirtschaftlichen Zielen immer mehr an Bedeutung, zum anderen bewirkten die politischen Entwicklungen einen neuen Ansatz für Bundesgartenschauen: Nun förderten sie die Umnutzung und Renaturierung verrotteter Industriegebiete, insbesondere stillgelegter Bergbauregionen oder verlassener Militärbereiche und Flughäfen der ehemaligen DDR. Im neuen Jahrtausend spielte dann die Öffnung der Städte zum Wasser, zum Beispiel in Schwerin und Koblenz, eine Rolle. Zu den jüngsten prägenden Herausforderungen zählen der demografische Wandel, der Schutz der Umwelt und die Folgen sich abzeichnender Klimaveränderungen. Zudem ging das Format in die Region: das erste Mal an der Havel mit der BUGA Havelregion 2015 an fünf Standorten entlang des Flusses. Von den Erfahrungen dieser Gartenschau werden zwei zukünftige, dezentrale Dekadenprojekte in Landschaftsräumen profitieren: die IGA Metropole Ruhr 2027 und die BUGA Oberes Mittelrheintal 2029. BUGA Erfurt 2021 – ein Parkjuwel wird aufpoliert In diesem Jahr steht Erfurt im Rampenlicht und wird in den 178 Tagen ab dem 23. April sprichwörtlich aufblühen. Auf den ersten Blick begrüßt die beeindruckende Silhouette des Ensembles von Dom und St. Severikirche, umrahmt von der historischen Altstadt, die BUGA-Gäste. Wer aus Richtung Norden kommt, den empfängt hingegen der jahreszeitlich wechselnde Blick auf farbenfrohe Blumenfelder links und rechts der Bundesstraße. Dies ist Teil einer jahrhundertelangen Gartenbau historie, denn grüne Kompetenz war und ist in Erfurt zu Hause: von den Ursprüngen des Christian Reichart im 18. Jahrhundert über die Samenzucht des Ernst Benary, der seit 1843 Spitzenqualitäten für die Pflanzenproduktion entwickelte, weiter über die Saatgut-Spezialisten Volmary/ Kiepenkerl und Chrestensen, gegründet 1867, bis hin zu Europas ältester Kakteenzucht Kakteen Haage.
PARKS & GÄRTEN
IN THÜR
INGEN
Ein BUGA -Projekt
Kunstvolle Anlagen, fürstliche Parks, romantische Gärten. Reisen Sie durch die Gartenepochen und besuchen Sie die 25 Thüringer Außenstandorte der BUGA Erfurt 2021. Alle Infos unter buga2021.de
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Fotos: egapark Erfurt gGmbH/Steve Bauerschmidt
Foto: egapark Erfurt gGmbH/S. Nuernberger
THÜRINGEN
Als iga Erfurt wurde der heutige egapark 1961 eröffnet. Familien mit Kindern können sich hier zur BUGA auf den größten Spielplatz Thüringens freuen.
zweiten Geländeteil, dem Petersberg, präsentiert sich der Erwerbsgartenbau am und im Festungsgraben, der mittels Rutsche vom Plateau erkundet werden kann. Die BUGA bestimmt das Gartenjahr nicht nur in der Landeshauptstadt – ganz Thüringen hat sich dem Thema verschrieben. 25 Außenstandorte tragen die Idee der Bundesgartenschau in die Regionen, wo beispielsweise in Weimar, Bad Langensalza, Apolda oder im Südharz und am Kyffhäuser weitere spannende Gartenerlebnisse warten. Auf Erfurt, das sicher einen mehrtägigen Besuch wert ist, folgt in zwei Jahren die BUGA Mannheim, die sich dem Thema Klimawandel verschrieben hat. Für die Zukunft steht die Deutsche BundesgartenschauGesellschaft bis in die 30er Jahre dieses Jahrhunderts in Kontakt mit interessierten Städten und Regionen. Tradition verpflichtet: Schon 1865 fand in Erfurt die erste Gartenschau mit internationaler Beteiligung statt.
Gartenschauen haben hier ebenfalls Tradition. Die erste mit internationaler Beteiligung öffnete bereits 1865 ihre Tore. Ab 1961 wurde die iga, die größte und bedeutendste Gartenschau der sozialistischen Länder, regelmäßig auf dem Cyriaksberg veranstaltet. Das 36 Hektar große Gelände des heutigen egaparks ist nunmehr denkmalgeschützt und steht jetzt im Zentrum der BUGA 2021. 30 Themengärten wurden nach den Entwürfen namhafter Garten- und Landschaftsplaner zum großen Teil neugestaltet oder restauriert. Hier wartet die Gartenschau vor allem mit Pflanzenklassikern auf und zeigt auch, wie Gärtnern im Einklang mit den aktuellen Umwelt- und Klimaveränderungen funktioniert. Pünktlich zur BUGA wird das einzigartige Wüsten- und Urwaldhaus Danakil eingeweiht, in dem sich die Besucher auf die Spur des Wassers begeben. Im Karl-Foerster-Garten wogen 100 Sorten Rittersporn, ein 4.000 Quadratmeter langes Staudenbeet beeindruckt mit aparten Mischungen trockenresistenter Pflanzen aus Prärie und Wüste. Und auf dem
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Sibylle Eßer
Zur Person: Sibylle Eßer M. A. leitet die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Deutschen Bundesgartenschau-Gesellschaft in Bonn. Sie ist leidenschaftliche Gärtnerin und bereist seit Jahren Parks und Gärten im In- und Ausland.
bundesgartenschau.de buga2021.de