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Pfullendorf

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Bad Saulgau

Bad Saulgau

Trotz Krise wird weiter investiert

Interview mit Bernd Mathieu, dem Wirtschaftsförderer der 13.000Einwohnerstadt Pfullendorf im Süden des Landkreises Sigmaringen

Stadt Pfullendorf Kirchplatz 1 D-88630 Pfullendorf www.pfullendorf.de

Thomas Kugler Bürgermeister / Mayor Tel. +49 (0) 7552 251002 info@stadt-pfullendorf.de

Bernd Mathieu Wirtschaftsförderer / Business Developer Tel. +49 (0) 7552 251111 bernd.mathieu@ stadt-pfullendorf.de Herr Mathieu, wie sind die Pfullendorfer Betriebe durch die Corona-Krise gekommen? Ich denke, unsere größeren Betriebe sind bislang soweit ganz gut durch die Krise gekommen. Es gibt aber Betriebe, die es schon vor der Krise schwer hatten. Ein Gradmesser für die generelle momentane wirtschaftliche Situation ist mitunter die Nachfrage nach Gewerbeflächen. Und die ist ungebrochen hoch. Die Tendenz, Geld in Grund und Boden zu investieren, ist deutlich zu erkennen. Ein weiterer Gradmesser ist die Investitionstätigkeit. Die kann man am einfachsten messen durch Betriebserweiterungen und Neubauten - es laufen einige Bauanträge. Wir haben 2020 zudem 22 Anträge im Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum (ELR) eingereicht, mit einem Antrag aus einem Sonderprogramm sind es sogar 23. Die Jahre zuvor waren es jeweils zwischen fünf und zehn Anträgen. ELR fördert vor allem bauliche Tätigkeiten. Trotz Krise wird also weiter investiert.

Sind noch Gewerbeflächen verfügbar? Das Gewerbegebiet in Aach-Linz ist komplett verkauft, dasselbe gilt für das in Schwäblishausen. In der Mengener Straße gibt es noch Flächen, ebenso im Hesselbühl. Das Gewerbegebiet in der Denkinger Malaienstraße soll erweitert werden. Eine Erschließung ist für 2022 angedacht. Darüber hinaus planen wir neue Flächen im Flächennutzungsplan auszuweisen.

Wie steht es um kommunale Investitionen? Die Stadt ist weiter aktiv, stellt aber weniger dringliche Aufgaben zurück. Neben einigen Bauprojekten wird auch in den Breitbandausbau, einem vornehmlichen Anliegen der Gewerbetreibenden, weiter investiert. Mit dem Ausbau im Süden und im Osten sollen so das Hesselbühl mit Glasfaserkabel versorgt werden, genauso wie die Teilorte und Weiler in diesem Bereich. Schulen, die bisher unterversorgt sind, werden auf den technisch neuesten Stand gebracht. Die Stadt Pfullendorf nimmt für diesen Ausbau selbst Geld in die Hand, als Teil eines kommunalen Zusammenschlusses, der Breitbandversorgungsgesellschaft im Landkreis Sigmaringen, BLS. Über diesen Verbund ist ein wirtschaftlicher Betrieb durch die NetCom BW möglich.

Der Standort Pfullendorf setzt also auf Digitalisierung? Der Breitbandbandausbau wird zunehmend zum Standortfaktor. Es gibt in Pfullendorf ansässige Unternehmen, die täglich große Datenmengen bewegen. Aus dem Ärmel schütteln können die Kommunen einen Ausbau in Eigenregie aber nicht. Da gilt es, sämtliche Fördermöglichkeiten auszuschöpfen. Deswegen freuen wir uns über die Fördergelder des Bundes im Bereich Süd/Ost in Höhe von 50 %. Wenn die Landesgelder dazukommen, können wir in die Umsetzung gehen. Wir gehen davon aus, dass bis Mitte 2023 die passive und aktive Technik steht und das Netz in Betrieb gehen kann.

Betriebe klagten zuletzt über den Fachkräftemangel. Können nun von Unternehmen freigestellte Arbeitnehmer davon profitieren, dass vielerorts nach wie vor Mitarbeiter gesucht werden? Entscheidend ist, in welchen Bereichen die Arbeitsuchenden ausgebildet sind. Eine 1:1-Übernahme aller neu hinzugekommenen Arbeitssuchenden wird

es nicht geben. Durch die veränderte Lage seit Beginn der Krise haben sich neue fachliche Ausrichtungen ergeben, der ein oder andere Betrieb wird möglicherweise seine gesamte Struktur hinterfragen. Die schwierige Suche nach passenden Fachkräften wird also weitergehen. Dafür dient jedes Jahr unsere Ausbildungsmesse, bei der regelmäßig viele Ausbildungsplätze vergeben werden. Sie wurde jetzt zunächst in das Frühjahr 2021 verschoben.

Gibt es weitere Aktivitäten bei der Förderung des Einzelhandels? Nachfrage für Geschäftsgründungen gibt es nach wie vor, eine geplante Eröffnung ist allerdings wegen Corona erstmal auf Eis gelegt worden. Die Stadt Pfullendorf hat sich bei dem landesweiten Wettbewerb Start-up BW Local als „Gründerfreundliche Kommune“ beworben. Wir möchten nach dem Erfolg des letztjährigen Wettbewerbs „Lebe deine Idee!“ das Konzept der Förderung des Einzelhandels in der Innenstadt nicht versanden lassen. Deswegen haben wir analysiert, wie der Wettbewerb gelaufen ist, was gut war und was verbessert werden muss. Dafür gab es eine große Befragung bei Gründern, Gründungsinteressierten, bei den Eigentümern von Leerstand und bei der IHK. Was bleibt ist der Gründungszuschuss und die intensive Betreuung und Beratung, die als sehr gut bewertet wurde. Ausgebaut werden soll die Möglichkeit der Kommunikation der Gruppen untereinander, was zukünftig über eine Plattform zur digitalen Vernetzung möglich sein soll. Wir wollen zudem mit Hilfe von ehrenamtlich tätigen „Vernetzern“ die Kontakte zwischen den Gruppen noch intensiver fördern. Im Gespräch sind auch ¼-jährlich stattfindende Gründungstage und, um Leerstand zu füllen, ein Konzept zur Schaffung von Co-WorkingSpaces. Es gilt nach wie vor unser 3-säuliges Konzept von Vernetzung, Unterstützung und Förderung sowie Sensibilisierung, und es ist nicht ausgeschlossen, dass wir unseren Wettbewerb von 2019 nochmals abgewandelt durchführen.

Der Online-Einkauf nahm 2020 nochmal kräftig zu. Wie reagieren der Einzelhandel bzw. die Wirtschaftsförderung darauf? Der Online-Einkauf ist ein Trend, der bleiben wird. Die Stadt Pfullendorf und die Stadt Mengen arbeiten deswegen gemeinsam an einem OnlineMarktplatz für den städtischen Einzelhandel. Ziel ist es, Einzelhändlern, die nicht zu einer Kette gehören oder einen eigenen Online-Shop aufbauen können, die Möglichkeit zu eröffnen, ihre Produkte online anzubieten. Das geschieht in Zusammenarbeit mit der Firma Locamo mit Sitz in Weingarten. Lokale Einzelhändler können dort ihr Geschäft präsentieren und im Shopbereich ihre Produkte verkaufen. Locamo betreibt einen bundesweiten Marktplatz, man kann als Käufer sowohl lokal als auch überregional nach Angeboten schauen. Die Aktion „Ich lebe hier, ich kaufe hier“ wird über diesen Weg online wieder aufgegriffen. Das Gesamtpaket gefällt uns, und ich bin sicher, dass weitere umliegende Städte und Gemeinden auf Landkreisebene hinzukommen werden. Auch Dienstleister und Gastronomen können dort ihre Leistungen anbieten, und meines Erachtens sind die Jahresgebühren moderat. Die ersten Reaktionen der Händler, mit denen wir gesprochen haben, waren äußerst positiv. Das Angebot der Händler im Marktplatz-Shopbereich muss natürlich gepflegt werden. Aber ich denke, der Spagat zwischen Mehraufwand und Ertrag sollte gelingen. Spätestens im Februar sollten die Endkunden in einigen Pfullendorfer Geschäften online einkaufen können. Zuvor wird die Stadt und Locamo selbst mit der Bewerbung der Website loslegen.

2019 sprachen wir über den Ausbau der Eisenbahn in Pfullendorf. Wie ist der derzeitige Stand? Der reaktivierte Umschlagplatz im Gewerbegebiet Hesselbühl kann ab sofort genutzt werden. Was die genossenschaftliche Bürgerbahn betrifft, so befinden wir uns auf einem guten Weg. Wir haben seit Oktober eine Koordinatorin für dieses Projekt und eine Co-Finanzierung über das Verkehrsministerium erwirkt. Wir wollen zunächst einen zur bisherigen Räuberbahn ergänzenden Fahrbetrieb aufbauen. Von November bis April soll die Bürgerbahn an Wochenenden und Feiertagen fahren. Fernziel ist ein ganzjähriger täglicher Betrieb mit getakteter Anbindung an das Netz der Deutschen Bahn. Die Räuberbahn fungierte bisher eher als Ausflugsbahn, wir hatten 2019 aber einen Zuwachs beim Passagieraufkommen von 45 %. Wir werden uns bei der weiteren Entwicklung vom Eisenbahninfrastrukturunternehmen zu einem Eisenbahnverkehrsunternehmen wandeln müssen, was eisenbahnrechtlich ein großer Unterschied ist. Aber ich denke, in Zukunft werden ÖPNV-Alternativen zum Individualverkehr generell eine größere Rolle spielen. Da wird der im Vorteil sein, der die nötige Infrastruktur aufgebaut hat.

Verladegleise am reaktivierten Industriestammgleis im Gewerbegebiet Hesselbühl Wirtschaftsförderer Bernd Mathieu

Talent Talk

Bildungsmesse als digitales Format

„Schafferle“ Lea Lichownik moderiert den Talent Talk und muss auch technisch alle Knöpfe selbstständig drücken können.

Verrückte Zeiten erfordern verrückte Ideen. Mit diesem Motto im Gepäck hat sich die Wirtschaftsförderung des Landkreises Sigmaringen auf eine neue Reise in eine bisher unentdeckte digitale Welt begeben. Im Herbst stehen im Landkreis Sigmaringen traditionell verschiedene Veranstaltungen zum Thema Berufsorientierung auf dem Veranstaltungsplan. Absagen war keine Option! Da wurde ein brandneues Veranstaltungsformat mit Namen „Talent Talk“ entwickelt.

Wirtschaftsförderungs- und Standortmarketinggesellschaft Landkreis Sigmaringen mbH Fürst-Wilhelm-Straße 12 D-72488 Sigmaringen Tel. +49 (0) 7571 728900 info@wis-sigmaringen.de www.wirtschaftsradar.net Auf diesem Wege konnten Schülerinnen und Schüler der Oberstufen mit Unternehmensvertretern aus dem Landkreis Sigmaringen von Bildschirm zu Bildschirm ins direkte Gespräch kommen. Anja Brzoska-Müller von der Gesundheits- und Krankenpflegeschule der SRH Kliniken in Pfullendorf bedankt sich bei der WIS für die Umsetzung „Danke, dass sie uns das ermöglicht haben. Es hat viel Spaß gemacht und technisch hat alles super funktioniert. Jetzt werden wir sehen, was das Ganze gebracht hat und ob wir ein paar Bewerbungen bekommen“.

Dem schließt sich auch Eva Natter von der Volksbank Bad Saulgau an: „Ich war wirklich erstaunt, dass das Format so professionell ist. Ich bin froh, dass es dieses Jahr geklappt hat und wir mit den Schülern noch Kontakt aufnehmen konnten“. Der direkte Austausch wurde von spannenden Kurzfilmen, Präsentationen und Informationen von Hochschulen und Kammern flankiert. Das Veranstaltungsformat ist im Herbst 2020 mit sieben Teilveranstaltungen gestartet. Im Frühjahr 2021 wird das Format fortgesetzt. Rund 800 Oberstufenschülerinnen und -schüler können auf diesem Wege erreicht werden. Berufsorientierung mal anders.

Schon im Jahr 2018 ist die Wirtschaftsförderung des Landkreises Sigmaringen mit dem Format „Talentschmiede“ auf den Social-Media-Kanälen YouTube, Instagram und Facebook gestartet. In den letzten zwei Jahren sind so viele Filmbeiträge entstanden, die Einblicke in verschiedene Unternehmen und Einrichtungen des Landkreises bieten. Das „Schafferle“ Lea Lichownik schaut sich in den

Jonas Krahl betreut die Technik vor Ort in den Schulen, begrüßt die Teilnehmer und motiviert zur aktiven Beteiligung.

„Ich war wirklich erstaunt, dass das Format so professionell ist. Ich bin froh, dass es dieses Jahr geklappt hat und wir mit den Schülern noch Kontakt

aufnehmen konnten.“ Eva Natter, Volksbank Bad Saulgau

Das mobile Studio der WIS zu Gast in vielen Klassenzimmern im Landkreis Sigmaringen.

Vertreter der Firma Trumpf aus Hettingen beantworten die Fragen der interessierten Zuschauer. Die Resonanz bei den Geschäftsführerinnen und Geschäftsführern ist sehr positiv.

Unternehmen und Einrichtungen um, sie bekommt Einblicke in die Abläufe, Herstellungsprozesse, Projekte und vieles mehr und darf auch selbst mit anpacken – immer begleitet von Kameramann Jonas Krahl, der auch für die finale Zusammenstellung der Filmbeiträge verantwortlich ist.

Die Resonanz bei den Geschäftsführerinnen und Geschäftsführern ist sehr positiv. Viele Chefinnen und Chefs trauen sich sogar, eine Fahrt im AzubiTaxi mitzumachen und sich von ihren Azubis mal so richtig ausquetschen zu lassen. Absolut nahbar und ein Aushängeschild für die vielschichtigen Ausbildungs- und Studienmöglichkeiten in unserer Region. Dieses Projekt zur Fachkräftesicherung wird mit Fördermitteln der Europäischen Union (interreg) unterstützt.

SCHWEIZ

Eine (reale) Brücke über den Bodensee gibt es noch nicht, auch wenn beim Blick auf den 270 Meter in den See ragenden Steg in Altnau diese Vermutung fast schon aufkommen könnte. Die wirtschaftliche Brücke zwischen der Schweiz und der Europäischen Union aber ist fest verankert in zahlreichen Abkommen und Vereinbarungen.

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