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Amt für Wirtschaft und Arbeit Thurgau (AWA

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Pfullendorf

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Die Corona-Bewältigung

ein anspruchsvoller Balanceakt

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Die Nähe zu den Anspruchsgruppen des AWA ist Daniel Wessner wichtig, um den Puls der Wirtschaft zu spüren.

Im Gespräch mit Daniel Wessner, Leiter Amt für Wirtschaft und Arbeit (AWA) des Kantons Thurgau

Herr Wessmer, die Corona-Pandemie betrifft im Kanton Thurgau nicht nur gesundheitliche und gesellschaftliche Aspekte, sondern ganz direkt auch die Wirtschaft und somit ihr Amt für Wirtschaft und Arbeit. Damit stehen Sie unweigerlich in einem Zielkonflikt bei der Bekämpfung von COVID-19. Was genießt höhere Priorität: die Gesundheit, Gesellschaft oder Wirtschaft? Die Gewichtung der verschiedenen Aspekte und der Beschluss für einschneidende Schutzmaßnahmen ist tatsächlich ein anspruchsvoller Balanceakt. Im Vordergrund steht natürlich die intensivmedizinische Versorgungssicherheit. Die Schweiz und insbesondere der Kanton Thurgau waren dennoch stets zurückhaltend mit der Verordnung von Maßnahmen. Wir setzen viel daran, die Wirtschaft und das gesellschaftliche Leben nur dort einzuschränken, wo dies unumgänglich ist, um die Verbreitung des Virus zu verhindern.

Warum wollen Sie unbedingt einen Lockdown verhindern? Die Wirtschaftszahlen zeigen auf, dass ein direkter Zusammenhang besteht zwischen den Maßnahmen und der Wirtschaftsleistung. Folglich beeinträchtigt ein Eingriff in die Handels- und Gewerbefreiheit nicht nur den Betriebserfolg, sondern zieht auch eine Welle von Kurzarbeitsfällen, Entlassungen oder gar Konkursen nach sich. Dies wiederum hat schwerwiegende gesellschaftliche Folgen. Ich vertrete klar die Ansicht, dass unsere Grund- und Freiheitsrechte generell nicht übermäßig eingeschränkt werden sollten; das entspricht nicht unserem Schweizer Staats- und Politikverständnis.

Wo steht der Thurgau wirtschaftlich? Wirtschaftlich geht es unserem Kanton dank finanziellen Rücklagen aus den Vorjahren und einem verantwortungsbewussten und soliden Unternehmertum vergleichsweise gut. Wir hatten aber auch ein wenig Glück und verzeichneten im Schweizer Vergleich tiefere COVID-19-Fallzahlen. Allerdings ist die Exportindustrie weiterhin durch die schleppende Weltwirtschaft belastet und die Konsumausgaben sind immer noch gedämpft. Ökonomische Zweitrundeneffekte kann ich daher leider nicht ausschließen.

Die Schweiz erlässt im Kampf gegen Corona weniger einschneidende Maßnahmen als die Nachbarsländer. Was meinen Sie dazu? Der Schweizer Weg birgt gewisse Risiken, scheint aber erfolgreich zu sein. Bislang ergab sich kein Jojo-Effekt und die Wirtschaft sowie die Befindlichkeit in der Bevölkerung sind besser als in unseren Nachbarländern. Die dezentralen Entscheide der einzelnen Kantone sorgten zwar für ein uneinheitliches Vorgehen, hatten aber den Vorteil, dass die regionalen Maßnahmen auf die individuellen Verhältnisse zugeschnitten werden konnten. Der Wirtschaftsstandort Schweiz hat natürlich ebenfalls Einbußen erlitten durch die Corona-Pandemie, doch der Rückgang beim BIP und die Zunahme der Arbeitslosenzahlen waren vergleichsweise gering. Ich bin zuversichtlich, dass der Wirtschaftsstandort Thurgau gestärkt aus der Krise hervorgehen wird.

Corona erschwert nach wie vor die Geschäftstätigkeit vieler Thurgauer Unternehmen. Welche Unterstützung bietet das AWA? Ja, die betroffenen Unternehmen waren und sind konfrontiert mit einer tieferen Nachfrage ihrer Produkte oder Dienstleistungen. Zudem ist der Personalausfall wegen Krankheit oder Quarantäne nicht zu unterschätzen. In Bezug auf die geringere Auftragslage

Die Möglichkeit der Kurzarbeit respektive die Unterstützung durch Kurzarbeitsentschädigungen entpuppten sich als Erfolgsmodell in der Corona-Krise.

unterstützt das AWA, als Vollzugsbehörde des Staatssekretariates für Wirtschaft SECO, die Firmen mittels Kurzarbeitsentschädigungen für die Angestellten. Außerdem bieten wir in Zusammenarbeit mit Banken ein COVID-19-Kreditprogamm an. Damit erhielten zahlreiche Unternehmen innert 24 Stunden garantierte Kredite zur Liquiditätssicherung. Weiter entwickelten der Bund und die Kantone für Härtefälle spezielle Zusatzhilfen. Konkret setzte der Bundesrat die Spielregeln und den finanziellen Rahmen fest; die föderale Umsetzung lag anschließend nach Schweizer Tradition bei den Kantonen. Dies ist sinnvoll, denn die Kantone kennen ihr Umfeld bestens.

Stützungsmaßnahmen sind und waren wichtig für die Wirtschaft. Dennoch haben Sie diesbezüglich auch Bedenken. Warum? Ich sehe gleich mehrere Gefahren. Einerseits befürchte ich Wettbewerbsverzerrungen. Zudem ist die Missbrauchsgefahr hoch und ich habe auch Bedenken, dass Firmen in eine staatliche Abhängigkeit geraten. Meines Erachtens werden unsere Stützungsmaßnahmen, so wichtig und dringend sie auch sind, Verzögerungen im natürlichen Strukturwandel bewirken - und dies alles auf Kosten der Steuerzahlenden.

Welche Rolle spielt die Kurzarbeit im Thurgau? Die Möglichkeit der Kurzarbeit respektive die Unterstützung durch Kurzarbeitsentschädigungen entpuppten sich als Erfolgsmodell in der Corona-Krise. Schnell und einfach konnten Unternehmerinnen und Unternehmer ein COVID-19-Kurzarbeitsgesuch stellen und profitierten in der Regel von einer unkomplizierten Auszahlung der Kurzarbeitsentschädigung. Die Kurzarbeit konnte in vielen Fällen Kündigungen verhindern. Zwischen März und November 2020 gingen allein im AWA Thurgau rund 7'200 Voranmeldungen für Kurzarbeit ein. Insgesamt bezogen 3'882 Firmen Kurzarbeitsentschädigung. Ausbezahlt wurden in dieser Zeit 151 Millionen Franken an COVID-19-bedingten Kurzarbeitsentschädigungen.

Die Thurgauer Baubranche trotzte der Corona-Pandemie. Erstaunt Sie das? Ich bin nicht unbedingt erstaunt, aber ich freue mich darüber. Die Schweiz – und vor allem auch der Thurgau - haben immer noch eine hohe Zuwanderung; die Region ist attraktiv, sowohl als Lebens- wie auch als Unternehmensstandort. Das tiefe Zinsniveau sorgt zudem weiterhin für Investitionen in Immobilien und begünstigt dadurch die Baubranche.

Der Thurgauer Detailhandel profitierte phasenweise von den geschlossenen Grenzen und dem damit verhinderten Einkaufstourismus. Dennoch plädieren Sie für offene Grenzen. Der Rückgang der grenzüberschreitenden Einkäufe, vor allem während der Zeit der Grenzschließung, stützte unser lokales Gewerbe tatsächlich. Konstanz spürte dies schmerzlich. Der Solidaritätsgedanke der Thurgauer Bevölkerung zum regionalen Detailhandel hat seither an Bedeutung gewonnen. Vielen ist erst durch die Corona-Krise bewusst geworden, wie wichtig gute, lokale Angebote sowie Arbeits- und Ausbildungsplätze sind. Dennoch sind offene Grenzen sehr wichtig, insbesondere auch für die exportorientierte Industrie. Als Schweizer war ich erstaunt, wie schnell im Frühsommer 2020 – quasi über Nacht – alle Grenzen geschlossen wurden, trotz dem von der EU stets hochgehaltenen Prinzip der Personenfreizügigkeit. Die Corona-Krise hat den Digitalisierungsschub in allen Branchen massiv beschleunigt. Mit nachhaltiger Wirkung? Ja. Die Digitalisierung befindet sich in einem unaufhaltbaren Megatrend. Ich bin aber sicher – und erlebe dies auch persönlich – das Bedürfnis nach „realen” Erlebnissen wie Konzerte, Theater, Sport oder anderen Live-Events wird weiterhin bestehen. Es werden künftig auch nicht alle im Homeoffice arbeiten wollen oder müssen. Da werden sich individuelle Lösungen anbieten, die eine Win-Win-Situation sowohl für Arbeitnehmende als auch für Arbeitgebende ergeben. Und natürlich werden nach Corona auch die Einkaufserlebnisse vor Ort wieder an Attraktivität gewinnen.

Was ist Ihnen wichtig in dieser anspruchsvollen Zeit? Es ist ein schwieriger Weg zurück in die Normalität, auch wirtschaftlich. Die Staatsschulden sind sehr hoch und noch ist unklar, wie wir die Refinanzierung lösen werden. Für mich ist klar: Wir können die ganzen Lasten nicht einfach den nächsten Generationen überlassen. Mir ist die Zuversicht der Menschen wichtig. Dies braucht es, um sich auch in schwierigen Lagen auf positive Dinge zu fokussieren und Ziele zu erreichen. Und ich möchte, dass die bürgerlichen Freiheiten so rasch als möglich zurückkehren und sich der Staat wieder auf seine Kernaufgaben konzentriert. Das Interview wurde am 25. November 2020 geführt

Daniel Wessner, Leiter des AWA Kanton Thurgau, setzt sich für möglichst liberale Marktbedingungen ein, auch während der Corona-Krise.

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