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WIRTSCHAFTSMAGAZIN
SACHSEN 2018/2019
Nr. 14
Leipzig hat die Spitze im Blick
Kerma verbindet in fünfter Generation ßem Mit gro ender al Messek , LDUNG I B S U A E RRIER A K & JOB 019 2018/2
Von der Geschäftsidee zum Start-up
www.volkswagen-sachsen.de
Zukunft ist, was wir daraus machen. Volkswagen Sachsen setzt auf eine aktive Gestaltung der Automobilität von morgen.
Auf der Basis unseres heutigen Wissens, der Erkenntnisse von Forschung und Entwicklung und sich verändernder Rahmenbedingungen gestalten wir unsere Zukunft. Für die sächsischen Standorte heißt das konkret: Das Fahrzeugwerk in Zwickau wird zum größten europäischen Kompetenzzentrum für E-Fahrzeuge entwickelt. Ab Ende 2019 laufen hier die ersten Modelle der ID-Familie vom Band. Sie basieren auf dem Modularen E-Antriebs-Baukasten (MEB). Das Motorenwerk in Chemnitz entwickelt seine Kompetenz bei den kompakten Benzinmotoren sowie bei den Hybriden weiter. Die Gläserne Manufaktur in Dresden wird als Center of Future Mobility der Marke Volkswagen Vorreiter und Wegbereiter für Elektromobilität und Mobilitätslösungen der Zukunft sein. Hier wird derzeit der e-Golf gefertigt.
EDITORIAL
INHALT
Es geht uns gut, die Wirtschaft boomt, das Land freut sich über hohe Steuereinnahmen. Gerade jetzt ist es wichtig, an die kommenden Jahre zu denken. Wie gehen wir um mit dem Wertewandel in der Gesellschaft? Wie positionieren sich Unternehmen in dem neu gestalteten Verhältnis Arbeitnehmer – Arbeitgeber? Wie gelingt es, der nächsten Generation Starthilfe für den beruflichen Alltag zu geben? Antworten auf diese Fragen, Ideen und Projekte für die Zukunft finden sich in dieser Ausgabe des Wirtschaftsmagazins SACHSEN. Netzwerke spielen eine wichtige Rolle in unserer digitalen Welt. Miteinander kommunizieren und gemeinsam handeln ist unabdingbar, um das Morgen zu meistern. Städte und Regionen investieren in die Infrastruktur, präsentieren sich als lebenswert und attraktiv, um Zuzügler und Rückkehrer zu gewinnen, aber auch um die Sachsen in Sachsen zu halten. Ich wünsche viel Vergnügen beim Lesen. Iris Kupferschmied Verlagsleitung Sachsen der Labhard Medien GmbH
4 Durch und durch eine Familie Die Kerma Verbandstoff GmbH aus Hainichen behauptet sich in mittlerweile fünfter Generation erfolgreich am Markt.
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> UNTERNEHMEN & NETZWERKE Kerma Verbandstoff GmbH: Wenn der Ritter sein Schwert senkt . . . . . . . . 4 Kaleidoskop . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Volkswagen Sachsen GmbH: Auf neuer Mission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 ONI Temperiertechnik Rhytemper GmbH: Mehr Platz für positive Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 SACHSEN!TEXTIL: Erfolgsgeheimnis Networking . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 VEMASinnovativ: Gedankenaustausch fördern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Silicon Saxony: Digitale Halbleiter-Innovationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
> STANDORTMARKETING
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Gemeinsam für den Freistaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Tourismus in Sachsen auf der Überholspur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 SPEZIAL LEIPZIG: Eigenwillig und erfolgreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Neue ZWL Zahnradwerk Leipzig GmbH: Eigeninitiative ist gefragt . . . . . . Von Leipzig in die Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schkeuditz: Die Stadt der kurzen, schnellen Wege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eine Kiste Inspiration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mehr als schöne Oberflächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Standortkompetenzen als Motor des Kongressgeschäfts . . . . . . . . . . . . . .
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Regionalmanagement Erzgebirge: Olympiahelden treffen Hidden Champions . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Glück auf UNESCO! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Landkreis Mittelsachsen: Spitzentechnologie auf Weltniveau . . . . . . . . . . Freiberg: Lebendige Gründerszene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gründernetzwerk SAXEED: Von der Geschäftsidee zum Start-up . . . . . . . Zwickau: Ein innovatives wirtschaftliches Kraftzentrum . . . . . . . . . . . . . . . Industrie-Center Neustadt GmbH: Starker Investor für die Zukunft . . . . . . Görlitz: Moderne Ideen in alten Gemäuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bautzen: Vielseitig, frisch und fortschrittlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bischofswerda: Im Herzen Europas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ebersbach-Neugersdorf: Dynamische Synergieeffekte . . . . . . . . . . . . . . . .
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> CHANCEN ERGREIFEN Messekalender Ausbildung, Job & Karriere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arbeitgeber stellen sich vor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Blick in die reale Berufswelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kaleidoskop . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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> SERVICE Unternehmer- und Branchenmessen 2018/2019 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 4. Sächsische Landesausstellung 2020: 500 wechselvolle Jahre . . . . . . . 60 Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64
SPEZIAL Wirtschaftsregion Leipzig Der traditionsreiche Messestandort punktet mit gewaltiger Strahlkraft und setzt Maßstäbe.
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40 Freiberg fördert findige Geschäftsideen Der Wettbewerb „Lebendige Innenstadt“ und das Gründernetzwerk SAXEED unterstützen junge Unternehmer.
Volkswagen Sachsen GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . U 2 ENSO Energie Sachsen Ost AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 VEMASinnovativ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 European Energy Exchange (EEX) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Zweckverband „Gewerbegebiet Hoffeld“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Stadtverwaltung Neustadt in Sachsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Scholz Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 Lausitz Elaste GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Staatsbetrieb Zentrales Flächenmanagement Sachsen . . . . . . . . . . . . . . . 51 Azubi- & Studientage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 apra-Gerätebau GmbH Chemnitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 Schneider + Partner GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Große Kreisstadt Limbach-Oberfrohna . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 Stadtverwaltung Wurzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 Labhard Medien GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Centrum Babylon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . U 3 Tourismus Marketing Gesellschaft Sachsen mbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . U 4
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UNTERNEHMEN UND NETZWERKE „Gemeinsam sind wir stark!“: Die sächsische Wirtschaft unternimmt sehr viel, um diesen Leitsatz mit Leben zu füllen. Unternehmensnetzwerke, Cluster, gemeinsame Messestände, gegenseitige Hilfen, Grundlagenforschung, Workshops zur Weiterbildung – die Liste an Beispielen und Maßnahmen ist lang. Es geht darum, Verbindungen zu knüpfen, Beziehungen zu stärken, aus dem Ich ein Wir zu machen, um dadurch besser am Markt agieren zu können, Synergien zu schaffen, Vorteile zu nutzen und ganz am Ende das stetige Wachstum der vergangenen Jahre aufrechtzuerhalten. Denn egal, ob Familienunternehmen in fünfter Generation, Großkonzern oder Start-up, sie alle eint der Wille nach Erfolg – und der ist in der sächsischen Wirtschaft angekommen. Auch international ist ein konzertantes Auftreten von Vorteil, schafft es doch Aufmerksamkeit und erhöht die Chancen, sich an das weltweit immer schneller ändernde Wettbewerbsumfeld anzupassen.
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Unternehmen & Netzwerke
WENN DER RITTER SEIN SCHWERT SENKT Meist reinweiß und äußerst unauffällig treten sie in Erscheinung und doch sind sie bei nahezu jeder medizinischen Behandlung im Einsatz: beim Blutabnehmen durch den Hausarzt, zum Abtupfen bei einer Operation oder beim Abstrich der Mundschleimhaut – die großen und kleinen Medizinprodukte der Kerma Verbandstoff GmbH.
Rund 220 Artikel, darunter Kompressen, Tupfer, Verbandmullstreifen oder auch Krankenunterlagen produzieren die Hainichener und erschließen zunehmend neue Vertriebszweige: Wer hätte 1886 bei der Gründung der Firma daran gedacht, dass die hergestellten Zellstoffunterlagen einmal bei einer Schokoladenmassage im Schönheitssalon zum Einsatz kommen. „Mein Ururgroßvater sicherlich nicht. Aber wir stehen seit Anfang an im Dienste der Medizin und versorgen Apotheken, Fachhändler, Krankenhäuser und Pharmagroßhändler. Über die Jahrzehnte hinweg mussten wir uns immer den Marktgegebenheiten und Nachfragen anpassen, Neues wagen oder Altes abstoßen, sonst wären wir nicht mehr am Markt erfolgreich“, erklärt die Geschäftsführerin und Ururenkelin des Firmengründers, Ulrike Kermes.
kate und Urkunden schmücken die Wände. Bereits verblichene Verpackungen und nicht mehr hergestellte Produkte, wie Glasspritzen, stehen liebevoll drapiert in den Vitrinen und zeigen die Verbundenheit und Wertschätzung gegenüber der Vergangenheit. „Ich arbeite seit 2004 im Unternehmen und habe alles mitbekommen, das Andenken an unsere Vorfahren, das zeitaufwändige Engagement meiner Eltern, die Verantwortung für die Mitarbeiter und Kunden und nicht zuletzt das Ringen um den nächsten Auftrag. Ich führe das Unternehmen im Sinne meiner Familie weiter“, erklärt Ulrike Kermes, die am 1.1.2012 in die Fußstapfen ihres Vaters trat und die Geschäftsführung übernahm.
Vergangenheit wertschätzen
In einem großen Backsteingebäude, das mit seinen dicken Mauern Beständigkeit und Gelassenheit ausstrahlt, werden die Produkte des Familienbetriebes in fünfter Generation oft noch per Hand hergestellt. Die großzügig gestalteten Büroräume vermitteln Besuchern einen guten Einblick in die ereignisreiche Geschichte des Unternehmens. Alte Schwarz-Weiß-Aufnahmen aus der Produktion, Zertifi-
”
„Der ehrbare Kaufmann ist für uns nicht nur ein Spruch. Er ist das Synonym für unser Handeln. Der Handschlag gilt, Vereinbarungen werden eingehalten und wir setzen auf Langfristigkeit und Nachhaltigkeit.“
Ulrike Kermes Geschäftsführerin der Kerma Verbandstoff GmbH
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Alles begann in den 1860er-Jahren, als sich der Wirtschaftszweig der Verbandstoffe völlig neu entwickelte. Friedrich Max Kermes gründete am 4. April 1886 unter eigenem Namen einen Vertrieb von Flanellund anderen Binden sowie Verbandstoffen. Nur sechs Jahre danach verstarb er und so musste seine Frau Marie Kermes die Zügel in die Hand nehmen. Zusammen mit ihrem ältesten Sohn Alfred baute sie die Firma weiter auf. Auch ihr zweiter Sohn Georg trat in das Familienunternehmen ein. „Mein Ururgroßvater begann in den Wohnräumen
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in der Talstraße sein Geschäft. 1911 wurden diese dann trotz Umbauten zu klein und so zog die Firma 1913 in das heutige Gebäude. Seitdem sind wir hier in der Ziegelstraße“, blickt sich Ulrike Kermes nicht ohne Stolz um. Große Räume, mehr Tageslicht, neueste Technik und ein Fahrstuhl sorgten für große Stückzahlen in der Produktion. Sogar eine Hausdruckerei für Etiketten und Prospekte wurde eingerichtet. „In Hochzeiten arbeiteten bei uns rund 200 Beschäftigte, meist Frauen“, erklärt die Geschäftsführerin. „Einige Maschinen stammen noch aus
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dieser Zeit und auch die Druckmaschinen von 1913 werden wir als Erinnerung und eine Art kleines Museum behalten.“ Denn von den damals rund 25 Gründerfirmen der Branche existieren heute nur noch wenige, die erfolgreich am Markt agieren. Wieder einen Namen erarbeitet
1958 verstarb der von allen – gerade wegen seiner großen Menschlichkeit – geschätzte Georg Kermes, der die Firma seit 1927 auch
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durch die schwierige Zeit der Kriegs- und Nachkriegszeit steuerte. Von da an musste der bereits als Juniorchef tätige älteste Sohn Erich das Steuer in die Hand nehmen. Bis 1972 führte dieser dann das im In- und Ausland geachtete Unternehmen erfolgreich weiter. Mit der unausweichlichen Zwangsverstaatlichung, die zu seiner Ablösung und zum Ausscheiden aus der Firma führte, brach für ihn jedoch eine Welt zusammen. In den folgenden fast 20 Jahren als Werk Vliestextilien Lößnitztal gingen auch viele Zeugnisse und Nachweise verloren. „Wir wohnten nur wenige Meter von unserer enteigneten Firma entfernt und hatten alles ständig im Blick, produziert wurde nach der Verstaatlichung weiter. Meine Großmutter arbeitete sogar noch im Lohnbüro und erhob 1990 Anspruch auf Rückübertragung“, erinnert sich Ulrike Kermes. „Sie bat meinen Vater, Eckart Rüdiger, den Schwiegersohn von Erich Kermes, die alleinige Geschäftsführung zu übernehmen. Die Bedenken waren damals groß: Können wir mit dem Westen mithalten? Gibt es noch genügend Kunden? Kommen wir mit der Automatisierung klar? Aber es klappte, wir haben uns wieder einen Namen erarbeitet. Die Krankenhäuser mussten schließlich auch nach der Wende beliefert werden, die alten Maschinen, wie die Stanzmaschine der Augenkompressen, liefen noch einwandfrei und auch viele Apotheker waren noch da, die uns und den Namen Kermes kannten.“ Die Urenkelinnen des Gründers, Monika Kermes-Rüdiger und Verena Kermes, agierten nun als mitarbeitende Gesellschafterinnen – alles wurde wieder in die Hände der Familie gelegt. Nach der politischen Wende wurde der alte Markenname Kerma als Firmenname gewählt. Das Logo – ein Ritter, der sein Schwert senkt, Wirtschaftsmagazin SACHSEN 2018/2019
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Unternehmen & Netzwerke
damit die Verwundeten versorgt werden können – zierte bereits kurz nach der Gründung die Verpackungen. Nach und nach wurden neue Maschinen, wie ein Verpackungsautomat und ein Sterilisator, dazugekauft – und alles aus dem laufenden Betrieb finanziert. „Der Spitzname meiner Mutter war nicht ohne Grund Baulöwin“, schmunzelt die 40-Jährige „Wir mussten von den Fenstern über Heizung, Fußböden und Telefonanlagen alles erneuern.“ Durch und durch eine Familie
Die fünfte Generation, Ulrike Kermes selbst, studierte nach dem Abitur Betriebswirtschaftslehre, schon insgeheim mit dem Wissen, die Firma irgendwann einmal übernehmen zu wollen. „Doch das war nicht ganz so mein Ding. Ich sattelte um und studierte in Chemnitz Germanistik, Geschichte und Philosophie, das wollte ich wirklich machen“, erinnert sie sich. „Nach dem Studium habe ich aber im Betrieb gearbeitet. Irgendwann stellte sich die Frage, promovieren oder nicht. Ich musste mich entscheiden, wollte eine Sache aus vollem Herzen betreiben und tendierte in Richtung Verantwortung übernehmen.“ Als Assistentin ihres Vaters erlangte sie Einblicke in alle Geschäftsbeziehungen und übernahm schließlich 2012 den Geschäftsführerposten. „Ein bisschen Muffensausen war auf jeden Fall dabei, aber man rutscht unweigerlich hinein.“ Die Historie des sächsischen Familienunternehmens, wie der unerwartete Tod ihrer Mutter, lehrt aber auch, dass niemand unersetzbar ist, und so ist sich Ulrike Kermes bewusst, dass „auch mal etwas liegen bleiben kann und man vertraute Personen an seiner Seite haben muss, an die man Dinge delegiert.“ Zu ihren Mitstreitern zählt ihre Tante, Verena Kermes, die den Verkauf leitet und die ebenso in die Entwicklung neuer Produkte oder Vertriebswege eingebunden ist – ein Familienunternehmen durch und durch.
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Der ehrbare Kaufmann
Es gibt nicht viel im Bereich der Verbandstoffe, das Kerma nicht herstellt. Darunter finden sich auch die bereits erwähnten BeautyUnterlagen oder Nasenschlitztücher. Sie werden in Physiotherapiepraxen auf Liegen eingesetzt, um Verschmutzungen zu vermeiden. „Wir versuchen, uns auch mit solchen Nischenprodukten am Markt zu halten. Gerade wir als kleines Unternehmen müssen uns viel einfallen lassen, auf Kundenwünsche sofort reagieren und auch mal neue Wege gehen“, meint Ulrike Kermes. Und so ist es nicht verwunderlich, dass andere Industriezweige auf ihre Produkte aufmerksam wurden. Die Carl Zeiss Jena GmbH empfiehlt beispielsweise zur Reinigung ihrer Mikroskope die Augenwatte der Hainichener. „Darauf sind wir schon ein bisschen stolz.“ Auch die Zusammenarbeit mit regionalen Partnern wird, soweit das möglich ist, praktiziert. So kommen die Holzstäbchen für die handgefertigten Stieltupfer von einer Firma aus dem Erzgebirge und der Nähfaden aus Oederan. „Die Qualität muss stimmen, denn es bestehen starke Reglementierungen bei Medizinprodukten. Ohne die erteilten Zertifizierungen zur Qualitätssicherung hätten wir keine großen Absatzmärkte. Aber diese hohen Anforderungen stellen wir an uns selbst auch“, erklärt die Mutter eines kleinen Sohnes. „Der ehrbare Kaufmann ist für uns nicht nur ein Spruch. Er ist das Synonym für unser Handeln. Der Handschlag gilt, Vereinbarungen werden eingehalten und wir setzen auf Langfristigkeit und Nachhaltigkeit“, blickt Ulrike Kermes zuversichtlich in die Zukunft, so dass auch weiterhin ihre weißen, unauffälligen Produkte in vielen Bereichen des Lebens eine große Rolle spielen werden. www.kerma.de
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Christiane Schwarzbach 8
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Unternehmen & Netzwerke
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Bei der Herstellung der Augenkompressen kommt noch eine makellos arbeitende und generalüberholte Stanzmaschine aus den 1940er Jahren zum Einsatz. Durch den hohen Druck bei der Herstellung werden die Kompressen zusammengehalten – ganz ohne verfestigte, harte Außenränder.
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Stieltupfer werden bei Kerma handgefertigt. Eine Firma aus dem Erzgebirge liefert dafür die Rohstiele aus Holz.
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Zellstoff-Mull-Kompressen in diversen Abmessungen können steril und unsteril geliefert werden und sind besonders saugfähig sowie luftdurchlässig.
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Der Verpackungsautomat für Sterilprodukte wird mit Spezialpapier bestückt, das das Sterilisieren in der Verpackung erlaubt. Insgesamt vertreibt Kerma rund 220 Artikel, von Kompressen über Tupfer bis hin zu Krankenunterlagen und Spezialverbandstoffen.
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Die neuen Räumlichkeiten boten ab 1913 mehr Platz und vor allem mehr Licht für die Produktion.
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23. Oktober 1913 – kurz vor dem Umzug ins neue Domizil: Blick in das Geschäftsführerbüro der beiden Brüder Georg (links) und Alfred Kermes. An der Wand hängt ein Bild des Vaters und Firmengründers Max Kermes sowie eine Ansicht des neuen Firmengebäudes in der Ziegelstraße.
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Zu Hochzeiten arbeiteten in Hainichen rund 200 Beschäftigte, darunter meist Frauen.
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Noch heute produziert die Kerma Verbandstoff GmbH in dem Gebäude, das 1913 gebaut wurde, und profitiert von den großzügigen Räumlichkeiten.
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Kaleidoskop UNTERNEHMER DES JAHRES
Foto: Thomas Kretschel
Mit mehr als Nullen und Einsen konnte der Preisträger des Wettbewerbs „Sachsens Unternehmer des Jahres 2018“ punkten: Rainer Gläß, Geschäftsführer der GK Software SE aus Schöneck, wurde im Rahmen der Preisverleihung in der Gläsernen Manufaktur von Volkswagen in Dresden für seine herausragenden unternehmerischen Leistungen ausgezeichnet. Die neunköpfige Jury honorierte die beachtenswerte wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens seit seiner Gründung 1990. Die GK Software überzeugte jedoch nicht nur durch eine sehr hohe Bonität, ein gutes Krisenmanagement und erfolgreiche Akquisitionen. Vor allem das Engagement in den Bereichen Digitalisierung und Förderung einer Start-up-Kultur sowie die Sponsoring-Aktivitäten im Wintersport zeichnen Rainer Gläß und sein Team aus. Stolz nahm der Unternehmer die von der polnischen Künstlerin Malgorzata Chodakowska gestaltete Preisskulptur „Die Träumende“ entgegen. Neben dem Hauptpreis ehrte die Jury nach dem großen Erfolg im vergangenen Jahr auch wieder die erfolgreichste Neugründung des Freistaates mit dem Sonderpreis „Sachsen gründet – Start-up 2018“. Aus mehr als 50 Bewerbungen wurden fünf junge Unternehmen ausgewählt. Sie erhielten am Festabend die Gelegenheit, das Publikum mit einer kurzen Präsentation von ihrer Idee zu überzeugen. Als Gewinner ging daraus die HERO SOCIETY Impact gGmbH aus Leipzig hervor. Das 2015 gegründete Unternehmen bietet Workshops und Projekttage für Kinder und Jugendliche an, in denen diese ihre Superkräfte entdecken und entfalten können. Daneben helfen sie Unternehmen dabei, die Potenziale ihrer Mitarbeiter zu erkennen und auszubauen. www.unternehmerpreis.de
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EIN VIERTELJAHRHUNDERT FLEXIBILITÄT 25 Jahre steht die Käppler & Pausch GmbH mit Sitz in Neukirch/ Lausitz bereits für hochqualifizierte Metallbearbeitung und Baugruppenfertigung. Gegründet 1993 mit nur zwei Mitarbeitern, wuchs die Firma schnell weiter und zählt heute mit etwa 180 Beschäftigten und einem Maschinenpark von 14.000 Quadratmetern zu einem der führenden Unternehmen der laserbasierten Metallbearbeitung in Sachsen. In die Qualität der Dienstleistung wurde stets in Form von neuester Technik investiert: Neben modernsten Laser- und Wasserstrahlschneidanlagen stehen heute 3D-Laserschweiß- und Rohrlaserzentren sowie CNC-gesteuerte Kant- und Schwenkbiegebänke. Ebenso gibt es eine Schweißerei, unter anderem mit robotergeführter Schweißtechnik, und eine eigene Farbgebung. Ob anspruchsvolle Maschinenverkleidungen, ästhetisch hochwertige Kioskterminals oder drehbare und beleuchtete Litfaßsäulen – inzwischen produziert die Käppler & Pausch GmbH für verschiedenste namhafte Kunden aus dem Maschinen- und Schienenfahrzeugbau, der Automobilindustrie, der Luft- und Raumfahrt bis hin zur Informationsund Medizintechnik. Für die Zukunft ist das Unternehmen gut gerüstet. Der eigene Webshop (www.laserteilespezialist.de) bietet Kunden die Möglichkeit, Laserteile und -zuschnitte bequem und flexibel online zu bestellen. Durch die stetige Investition in Entwicklung und Technik, ein starkes Qualitätsbewusstsein und die Bildung umfangreicher Netzwerke sind die Weichen für eine langfristige Wettbewerbsfähigkeit gestellt. www.kaeppler-pausch.de
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rund eine Milliarde Euro in der Landeshauptstadt investieren. Die ersten Mitarbeiter sollen im Frühjahr 2020 ihre Arbeit im neuen Werk aufnehmen. www.bosch.de 1
Gemeinsam tragen die künftigen Werkleiter der Halbleiterfertigung Dresden, Otto Graf und Patrick Leinenbach, Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer, Bosch-Geschäftsführer Dr. Dirk Hoheisel, Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier und Jens Fabrowsky, Mitglied des Bereichsvorstands des Geschäftsbereichs Automotive Electronics bei Bosch (v. r. n. l.), eine symbolische Mörtelschicht für die Grundsteinplatte auf.
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Mit der traditionellen Grundsteinlegung am 25. Juni 2018 in Dresden erreichte der Bau der modernsten Halbleiterfabrik der BoschGruppe einen wichtigen Meilenstein: Bereits Ende 2019 soll der Komplex fertig sein, um mit dem Einzug der Fertigungsmaschinen zu beginnen. „Halbleiter sind die Schlüsseltechnologie für das Internet der Dinge und die Mobilität der Zukunft. In Steuergeräten von Autos eingesetzt, ermöglichen sie zum Beispiel automatisiertes, ressourcenschonendes Fahren sowie bestmöglichen Insassenschutz“, sagte Dr. Dirk Hoheisel, Mitglied der Geschäftsführung der Robert Bosch GmbH, anlässlich des Festaktes. Auch der Ministerpräsident des Freistaates, Michael Kretschmer, betonte die große Bedeutung dieser Investition: „Der Bau der neuen Halbleiterfabrik hier bei uns schafft viele weitere attraktive Arbeitsplätze, stärkt den Technologie- und Wirtschaftsstandort Sachsen und ist auch gut für Deutschland und ganz Europa. Denn das Vorhaben trägt entscheidend dazu bei, dass die gesamte europäische Industrie auch künftig bei Zukunftstechnologien ganz weit vorne mitspielt.“ Die Bosch GmbH hatte sich nach einem weltweiten Städtevergleich für den neuen Standort entschieden und wird
Foto: Robert Bosch GmbH
STÄRKUNG DES HOCHTECHNOLOGIESTANDORTES
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Unternehmen & Netzwerke
Foto: Henriette Braun
Kaleidoskop 150 JAHRE MADE IN GERMANY 1868 gründete Friedrich Wilhelm Kunath die F.W. Kunath GmbH im Großröhrsdorfer Ortsteil Bretnig. 150 Jahre später lenkt an gleicher Stelle seine Ururenkelin, Grit Hartmann, die Geschicke des Textilunternehmens. Seit nunmehr fünf Generationen steht der Familienbetrieb für Berufsbekleidung „Made in Germany“ und auch heute noch ist die im eigenen Haus entwickelte und produzierte Kunath-Kollektion zu 100 Prozent Ergebnis deutscher Handarbeit. Neben der eigenen Produktion an Berufsmode für Medizin, Pflege und Therapie ist die F.W. Kunath GmbH aber auch Großhändler von Berufsbekleidung für Industrie, Handwerk, Küche und Service. Die regionale Kundschaft kann sich in den zwei Fachmärkten in Bretnig und Neukirch/Oberlausitz ausstatten. Am 1. Juni 2018 wurde mit Kunden, Geschäftspartnern, Mitarbeitern und Freunden im Barockschloss Rammenau das 150-jährige Firmenjubiläum gefeiert. Ein guter Grund, um auf die Geschichte zurückzu-
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blicken. Trotz der zahlreichen Hochs und Tiefs konnte sich das Familienunternehmen in der Branche behaupten, denn jede Generation für sich traf grundlegende Entscheidungen, um am Markt weiterhin erfolgreich zu sein. Dieser familiäre Unternehmergeist vererbte sich und auch die sechste Generation in Form von Tochter Stefanie und Sohn Christian hat ihren Platz im Betrieb bereits gefunden. www.kunath-textilien.de 1
Stehen als Familie zusammen: Christian, Stefanie und Grit Hartmann
MUTMACHER MITTELSTAND erfolgreichen Veranstaltung, mit der die neuen Initiatoren Simone Dake und Daniel Zein Schlüsselfiguren und Entscheider der Wirtschaft zusammenbringen, um gemeinsam den Standort Deutschland mitzugestalten. Stark inhaltlich geprägt ermöglicht der MUT durch seine verschiedenen Foren und Sonderformate einen intensiven Wissenstransfer. Die Teilnehmer können beispielsweise unter einem Internationalisierungsforum, einem Lounge-Gespräch zum Thema intelligente Führung, einem Power-Tool Marketing oder einer Speed-Connection zu Vernetzung in kürzester Zeit wählen. www.mut.business
Foto: MUT Event und Messe GmbH & Co. KG
Der Mittelständische Unternehmertag (MUT) ist Deutschlands wichtigster themenübergreifender Leitkongress für Unternehmer und verbindet bewährte Kongresskonzepte mit zeitgemäßen und teils unkonventionellen Formaten. Wissenstransfer und Geschäftsanbahnungen machen ihn jährlich zum Anziehungspunkt für Mittelständler, aufstrebende Player und Newcomer. Der Leitkongress findet 2018 am 15. November im Congress Center Leipzig statt und gilt als die verbindende Begegnungsplattform für Entscheider, Gestalter, Hidden Champions und Multiplikatoren aus Wirtschaft, Politik, Bildung und Medien. Es ist die offene und kreative Betrachtungsweise einer seit 13 Jahren
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