So Gesund

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Das Journal für Gesundheit und Leben DIE NATUR RUFT NACHHALTIG EINKAUFEN SANFTE & ALTERNATIVE HEILMETHODEN GUT SEHEN UND HÖREN FUßGESUNDHEIT


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Die Natur ruft

Hilft immer: Kopfhörer raus! So begegnet man wilden Tieren in Wald und Flur am Besten – Tipps zum richtigen Verhalten

Wenn beim Wandern in Wald und Flur plötzlich Groß- oder Wildtiere den Weg kreuzen, kann einem das einen ganz schönen Schrecken versetzen. Doch Wegrennen ist nicht immer die beste Idee. Eine Verhaltens-Anleitung.

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ie sehen so harmlos aus, wie sie da gemütlich grasen und ihr Glöckchen bimmeln lassen. Doch von wegen chillen: So eine Kuh kann auch ganz anders. Wenn sie ihren Kopf hebt, sollte man verschwinden! Wer weiß, wie man bei plötzlichen Begegnungen mit großen oder wilden Tieren am besten reagiert, ist klar im Vorteil. »Die meisten Wildtiere sind scheu. Sie trauen sich erst gar nicht in die Nähe von Menschen«, beruhigt Eckhard Wiesenthal, Biologe und Vorsitzender des Deutschen Wildgehege-Verbands. Vorausgesetzt, kein Mensch gibt ihnen etwas zu fressen. »Auf gar keinen Fall dürfen Wildtiere gefüttert werden!«, warnt Wiesenthal. Sonst verlieren die Tiere ihre Scheu und greifen auch mal Menschen an, wenn sie von diesen nichts zu essen bekommen. Dennoch kann es passieren, dass einem bei einem Waldspaziergang oder beim Joggen im Park ein Fuchs oder Wildschwein gegenübersteht. Das raten die Tier-Profis:

Wer auf ein Wildschwein trifft, sollte erst einmal still stehenbleiben, leise sein oder sich hinter einem Baum verstecken. Dann das Tier beobachten und sich langsam in eine andere Richtung zurückziehen. Foto: Warnecke

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und sich langsam in eine andere Richtung zurückziehen. Ein feines Näschen ist ebenfalls hilfreich. »Wenn es nach MaggiWürze riecht, dann ist vermutlich ein Wildschwein in der Nähe – dann gleich den Weg nehmen, den man gekommen ist, und die Distanz vergrößern«, erklärt Jenifer Calvi von der Deutschen Wildtier Stiftung.

Wildschweine: Besonders gefährlich sind Wildschweinmütter, die mit ihren Jungen unterwegs sind. Waldbesucher könnten zu jeder Jahreszeit auf solche Familien treffen. Wer auf ein Wildschwein trifft, sollte erst einmal still stehen bleiben, leise sein oder sich hinter einem Baum verstecken. »Denn Wildschweine können sehr schlecht sehen«, sagt Wiesenthal. Dann gilt: Das Tier beobachten

Wölfe: In der Regel halten Wölfe ausreichend Distanz zum Menschen. In der Paarungszeit zwischen Februar und März kommen die Tiere aber auch mal in die Nähe von Menschen: »Da sind die Wölfe manchmal etwas wirr im Kopf«, erklärt Wiesenthal. Wer einem Wolf gegenübersteht, sollte nicht wegrennen. Ähnlich wie Hunde halten Wölfe den Menschen sonst für ein flüchtendes Beutetier, erklärt Wiesenthal. Stattdessen könne man sich mit einem Stück Holz verteidigen. Außerdem hilft es, Stärke zu zeigen und sich groß zu machen. »Richten Sie sich auf, klatschen Sie in die Hände, rufen Sie laut, seien Sie dominant«, rät Calvi. Wer einen Wolf gesehen hat, sollte dies immer der Behörde, zum Beispiel der Polizei, melden.

Kühe: Es ist keine gute Idee, mitten durch eine Kuhherde zu laufen, sagt Wiesenthal. An Kühen sollten Wanderer mit ausreichend Abstand zügig vorbeigehen. Mindestens zwei Meter Distanz und nicht stehen bleiben, empfiehlt die amerikanische Outdoor-Expertin Rachel Levin in ihrem Buch »Kühe anstarren verboten!«. Wie schon der Titel verrät, mögen Kühe keinen direkten Augenkontakt.

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n Schafe: Trifft man auf Schafe, sollte man abwarten, bis die Herde vorbei ist. »Radfahrer sollten unbedingt vom Rad absteigen und einen weiten Bogen um die Tiere machen«, empfiehlt Tierpfleger Gorniak. Man sollte sich natürlich und selbstbewusst verhalten, nicht wedeln oder schreien. »Laute Geräusche versetzen die Tiere in Panik.« Wollen Kinder die Schafe streicheln, sollte man sie davon abhalten. «Wenn das die Tiere nicht mögen, boxen sie das Kind einfach um und rennen es über den Haufen», erklärt Gorniak.

n Füchse: Füchse sind harmlos, wenn sie nicht krank sind. Die Tollwut gibt es in Deutschland zwar nicht mehr, aber manche Füchse leiden an Räudemilben, berichtet Wiesenthal. Diese Krankheit ist auch für Menschen und insbesondere für Hunde ansteckend. Also: Abstand halten, zurückweichen und Hunde an die Leine nehmen. Zu erkennen sind erkrankte Füchse daran, dass ihr Fell fürchterlich aussieht und die Tiere verletzt sind. Der Biologe rät, den Jäger zu informieren, damit er sich um das Tier kümmert.

n Luchse: Hier gibt Wiesenthal Entwarnung: »Luchse sind so scheu. Sie sollten sich freuen, wenn Sie überhaupt einen sehen.« Die Tiere fliehen dann ganz von alleine.

n Dachse: Die Tiere klingen gefährlicher, als sie sind: »Dachse schnaufen und grunzen ziemlich ungehemmt, wenn sie auf Nahrungssuche sind«, so Calvi. Sie rät: Nicht erschrecken, sondern Ruhe bewahren. Denn wer das Tier einfach in Frieden lässt, hat nichts zu befürchten.

Hirsche: Ein Hirsch ist vor allem in der Brunstzeit von September bis Oktober gefährlich. Dann gilt: Distanz wahren und sich an einen sicheren Ort zurückziehen, so Wiesenthal. Am besten ist, die Tiere erst gar nicht aufzuscheuchen, erläutert Calvi. Wichtig ist: Hunde anleinen! So können Menschen verhindern, dass die Tiere sich erschrecken und gefährlich werden. n

Egal, um welches Tier es sich handelt – einen Tipp hat Eckhard Wiesenthal noch parat: »Um von keinem Tier überrascht zu werden, gilt auch beim Joggen: Kopfhörer raus!« Dann höre man auch rechtzeitig , ob sich ein Tier im Dickicht verbirgt. red/tk


Die Natur ruft

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Nicht nur joggen gehen

Ein Outdoor-Training kann sich für den ganzen Körper lohnen / Ständige Variation im Mittelpunkt Wegen der Corona-Pandemie sind die Fitnessstudios seit Monaten geschlossen. Das hat sicher dazu geführt, dass viele Deutsche das ein oder andere Pfund zugelegt haben. Joggen gehen darf man weiterhin, um etwas Gutes für seine Fitness zu tun. Doch es gibt auch abwechslungsreiche Alternativen.

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onne statt Glühbirne, Frischluft statt Mief im Homeoffice: Jetzt, wo die Temperaturen langsam wieder steigen, trainieren viele Hobbysportler gerne draußen. Dabei muss es aber nicht immer nur Joggen sein, sagt Daniel Kaptain, Sportwissenschaftler an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement. Mit der richtigen Trainingsgestaltung lassen sich draußen

Schuhe und Rucksäcke

Es muss nicht immer Joggen sein: Ein Outdoor-Training kann Foto: Gollnow Abwechslung in den sportlichen Alltag bringen. und ganz ohne Geräte Kraft, Koordination und Ausdauer gleichermaßen trainieren. Im Mittelpunkt steht dabei ständige Variation, erklärt Kaptain.

Die ist gerade für Einsteiger besser als hohe Intensität. Outdoor-Sportler sollten sich zunächst eine geeignete, nicht zu lange Laufstrecke suchen – zum Beispiel von etwa

Outdoorbekleidung

Radsportbekleidung

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Hauptstraße 34 - 77709 Wolfach - 07834 86 51 24

drei bis fünf Kilometern Länge. Sie absolviert man aber nicht am Stück, sondern in fünf bis sechs Etappen, mit verschiedenen Übungen zwischen den Laufeinheiten. Welche das genau sind, ist jedem Sportler selbst überlassen. Kaptain empfiehlt ein Programm aus Liegestützen, Kniebeugen, dem Unterarmstütz (Plank), Ausfallschritten und einer Ruderübung, zum Beispiel mit einem sogenannten Schlingentrainer. Ein solches Training ist flexibel und lässt sich fast überall in der Natur absolvieren – und im Notfall sogar im eigenen Garten, als reines Zirkeltraining ohne Laufen. Einsteiger sollten sich aber auch scheinbar einfache Übungen und Programme von einem Trainer zeigen lassen, rät der Experte. Denn zu hohe Intensität oder falsche Bewegungsabläufe sind natürlich auch beim Outdoor-Training nicht ungefährlich. red/tk

Fitnessbekleidung


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Gesund & nachhaltig einkaufen

»Regional« feiert Siegeszug

Hofläden, Märkte und Automaten sowie Gemüse-Lieferdienste haben mehr Zulauf als je zuvor

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Landwirte berichten von einer gestiegenen Nachfrage nach ihren direkt zum Verkauf angebotenen Foto: von Ditfurth Produkten. Dafür könnte die Corona-Pandemie gesorgt haben.

egionale und saisonale Produkte sind längst in Mode. Diese Entwicklung hat sich im Zuge der Corona-Pandemie offensichtlich noch verstärkt – die Wertschätzung für heimisch produzierte Lebensmittel scheint unaufhaltsam zu steigen. »Die BadenWürttemberger rennen unseren Landwirten regelrecht die Bude ein«, verriet Ariane Amstutz, Sprecherin des Landesbauernverbands, der Deutschen PresseAgentur. So habe der Trend mit der ersten Corona-Welle begonnen – möglicherweise, weil die Menschen Sorge hatten, sich in den prall gefüllten Supermärkten mit dem neuartigen Virus zu infizieren. Daher seien zahlreiche Bauern im Zuge der Krise neu in die Direktvermarktung eingestiegen, sagt Amstutz. Aber nicht nur Hofläden, Märkte und Automaten bieten die Möglichkeit, regional und direkt vom Landwirt zu kaufen. Es falle auf, dass sich viele neue Gemüse-Lieferdienste gegründet hätten, sagt Andrea Gierden, die als Regionalmanagerin von der Landesregierung beauftragt wurde, in der Region Freiburg Landwirte und andere »Akteure der Wertschöpfungskette« miteinander zu vernetzen. Bestehende Lieferdienste hätten zudem eine deutlich höhere Nachfrage erfahren. »Corona hat ja schon gezeigt wie stark abhängig unserer Versorgung von globalen Warenströmen ist.« Vielen sei bewusst geworden, dass essenzielle Produkte wie Lebensmittel tatsächlich vom Bauern nebenan gekauft werden könnten. red/tk


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Die Pfunde sollen purzeln

Zum Abnehmen empfehlen Experten viel Gemüse – doch ganz ohne Fett geht es auch nicht Homeoffice, geschlossene Schwimmbäder und Fitnessstudios – da legt so mancher ein paar Kilos zu. Umso wichtiger ist es, besonders jetzt seine Ernährung im Blick zu haben. Dann purzeln schon bald auch die Pfunde.

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enn selbst der Weg zur Arbeit wegfällt, kann Bewegung rar werden. Dazu ist der Weg zu den Süßigkeiten zu Hause nicht weit. Wer die überflüssigen Pfunde dauerhaft verlieren will, muss bei der Ernährung ansetzen. Mehr Gemüse, Vollkorn und gesunde Fette, dafür weniger Zucker und Alkohol, rät die Verbraucherzentrale NRW in einem Ratgeber. Gesundes Fett liefern etwa Nüsse und Kerne. Isst man sie nicht in Unmengen, machen sie auch nicht dick, sondern können – in kleinen

täglichen Mengen – sogar das Abnehmen unterstützen. Tipp: Eine Handvoll Sonnenblumen- oder Kürbiskerne über den Salat oder auf die Suppe streuen. Viele Menschen, die auf ihr Gewicht achten, gehen beim Fettsparen sogar zu weit. Salat ohne Öl, Brot ohne Butter und Kartoffeln ohne Soße schmecken nicht nur fad. Mit etwas Fett und Eiweiß hält das auch länger satt. Wichtig ist daher eine ausgewogene Mahlzeit mit Kohlenhydraten, Eiweiß und einer angemessenen Menge Fett.

Besser mehr Gemüse essen als stark zuckerhaltiges Obst Gemüse, Salate und Hülsenfrüchte sind ideal, weil sie wenig Kalorien enthalten und trotzdem satt machen. Generell gilt: Besser mehr Gemüse essen als Obst. Beim Obst sollte man Sorten mit geringem

Zuckergehalt bevorzugen, zum Beispiel Beerenobst. Bananen, Mangos, Weintrauben und auch Trockenfrüchte dagegen nur in kleinen Mengen essen! Beim Einkauf gehören Vollkornstatt Weißmehlprodukte in den Wagen. Sie enthalten viele Ballaststoffe, die dem Darm guttun, lange satt machen und den Blutzuckerspiegel gleichmäßig halten. Milchprodukte sind pur und ohne Zucker am besten. Sie können sogar das Abnehmen fördern, weil sie viel Eiweiß liefern, das vor dem Abbau von Muskelmasse schützt. Kohlehydratreiche Zwischensnacks wie Kuchen, Kekse und Reiswaffeln sind tabu. Wer dagegen viel trinkt, hält seinen Hunger besser im Zaum. Und oft wird Durst mit Appetit verwechselt, was zum Essen verleitet. Regelmäßig Wasser oder Kräutertee zu trinken, vermeidet somit unnötige Kalorienzufuhr. red/tk

Wer abnehmen möchte, macht mit frischem Gemüse nichts falsch. Foto: Sommer


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Gesund & nachhaltig einkaufen

Weltweit Wasser sparen

Konsum in Deutschland ist nicht nachhaltig genug / Weniger Fleisch und mehr Obst aus der Region Duschen statt baden, den Wasserhahn zudrehen beim Zähneputzen: Die Deutschen sind stark im Wassersparen – jedenfalls im eigenen Land. Doch global gesehen werden Unmengen von Wasser verbraucht. Auch deutsche Verbraucher können helfen, die Menge zu reduzieren.

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b Kaffee oder Klamotten, landwirtschaftliche Erzeugnisse oder Rohstoffe wie Aluminium: Für die Produktion wird oft viel Wasser verbraucht. Oft kommen diese Produkte außerdem aus Ländern, die unter Trockenheit und Dürre leiden. Um den Wasserverbrauch dort zu reduzieren, können auch Verbraucher in Deutschland etwas tun.

n Wie viel Wasser verbraucht ein Deutscher am Tag? »Mit 120 Litern Trinkwasser pro Tag für Duschen, Trinken, Kochen und Putzen liegen die Deutschen beim Wasserverbrauch im Mittelfeld«, sagt Silvia Bender vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in Berlin. Beim sogenannten virtuellen Wasser, das zur Herstellung von Lebensmitteln und anderen Produkten benötigt wird, liege Deutschland jedoch mit 4200 Litern pro Tag über dem weltweiten Durchschnitt. »Das zeigt, dass der Konsum hier nicht so nachhaltig ist, wie er es zum Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen sein müsste.«

Wo wird das meiste virtuelle Wasser verbraucht? In der Landwirtschaft, erklärt Bender. 85 Prozent des virtuellen Wassers werden zur Bewässerung von landwirtschaftlichen Produkten verwendet. »Daran hat das graue Wasser einen großen Anteil. Das ist Wasser, das nicht direkt verbraucht, aber verschmutzt wird, zum Beispiel durch Pestizide.« Sehr wasserintensiv ist zum Beispiel der Anbau von Kaffee und Kakao. Aber auch Erdbeeren, die durchgängig etwa in Südspanien produziert werden, brauchen viel Wasser, das eigentlich in der Region nicht vorhanden ist. Dafür werden die Grundwasserreserven angegriffen, was auch schützenswerte Ökosysteme gefährdet.

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Statt zu exotischen Früchten sollte öfter zu Produkten aus der Region gegriffen werden. n Wie können Verbraucher ihren virtuellen Wasserverbrauch verringern? »Vielen Menschen ist nicht bewusst, dass sie mit ihrem Konsum so große Mengen an Wasser verbrauchen, und das oft in Gebieten, wo das kostbare Nass ohnehin schon rar ist«, meint Tristan Jorde von der Verbraucherzentrale Hamburg. »Hier hilft nur Aufklärung.« Wer weiß, wie viel Wasser zur Produktion des Aluminiums in Kaffeekapseln nötig ist, wird vielleicht künftig darauf verzichten. Auch die Mandelmilch verliert ihren Reiz, wenn bekannt ist, dass der größte Teil der hier angebotenen Mandeln aus Monokulturen in kalifornischen Trockengebieten oder ähnlich belasteten Regionen in Chile oder Australien stammt.

Welche Produkte schlucken besonders viel Wasser? »Fleisch ist einer der größten Klimakiller und Wasserverbraucher«, sagt Philipp Wagnitz vom WWF Deutschland in Berlin. So werden für die Erzeugung von einem Kilo Rindfleisch 15 000 Liter benötigt. Ein Baumwoll-T-Shirt kommt auf 2000, eine Jeans auf 11 000 Liter. Eine Tasse Kaffee verbraucht 140 und ein Liter Bier 300 Liter Wasser. Regional kann das dazu führen, dass viel Brauchwasser in die Produktion n

fließen muss. Wird etwa Kaffee in regenreichen Regionen angebaut, muss nur wenig zusätzlich gegossen werden. »Insgesamt zählen Lebensmittel und Textilien zu den größten Wasserverbrauchern«, so Wagnitz. Auch bei technischen Produkten ist die Wassermenge für die Herstellung groß. »Je mehr Hightech, desto mehr Wasser steckt drin«, bringt es Tristan Jorde auf den Punkt. Ein Auto verbraucht zum Beispiel 400 000 Liter, ein Computer 20 000 Liter. Wie können Verbraucher sinnvoll sparen? Ein Lebensstil ändert sich nicht von heute auf morgen, glaubt Philipp Wagnitz. »Die meisten haben schon davon gehört, dass Fleisch klimaschädlich ist, und trotzdem werden in Deutschland jährlich immer noch pro Kopf 88 Kilogramm Fleisch verzehrt.« Es seien kleine Schritte. »Immer mehr Menschen leben vegetarisch. Und sie verhalten sich insgesamt umweltbewusster. Wenn zunehmend regional, saisonal und ökologisch eingekauft wird, dann wirkt sich das positiv auf den virtuellen Wasserverbrauch aus.« Allerdings sind auch die Unternehmen in der Verantwortung, ihre Lieferanten zu n

Foto: Nolte

unterstützen, sorgsam mit Wasser umzugehen. Tabu sollte es laut Wagnitz sein, Produkte aus Standorten zu beziehen, wo das Wasser sich nicht erneuern kann, so wie bei Wüstenaquiferen. »Verbraucher sollten ihren Händler durchaus fragen, woher die Produkte kommen und unter welchen Bedingungen sie produziert werden.« n Wo ist Sparen besonders effektiv? Viele technische Produkte und Textilerzeugnisse haben eine sehr schlechte Wasserbilanz. »Also nicht zuviel davon kaufen«, rät Silvia Bender. »Verbraucher sollten sich schon überlegen, ob sie die vierte Jeans wirklich benötigen oder ob es alle zwei Jahre ein neues Handy sein muss.« Noch stärker zu Buche schlägt aber der tägliche Konsum von Obst, Gemüse und verarbeiteten Lebensmitteln. »Hier kann man viel erreichen, wenn statt weit gereister Produkte öfter Früchte und Gemüse aus der eigenen Region ausgewählt werden«, meint sie. Und alle Lebensmittel sollten sparsam verwendet werden, damit möglichst wenig Abfall entsteht. »Nachhaltig einkaufen, weniger konsumieren, Bioprodukte verarbeiten – damit lässt sich auch sinnvoll Wasser red/tk sparen.«


Zahngesundheit

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Besser als ihr Ruf

Die Wurzelbehandlung kann Zähne retten / Kosten übernimmt teilweise die Krankenkasse Beliebt wie eine Wurzelbehandlung: Was eigentlich die Zähne retten soll, hat einen schon sprichwörtlich miesen Ruf. Ist das berechtigt – oder komplett übertrieben?

mit Zuzahlungen rechnen. Und zum dauerhaften Verschluss des Zahnes, etwa in Form einer Krone, müssen Patienten in der Regel ebenfalls etwas zuzahlen. Wie viel das ist, hängt unter anderem vom verwendeten Material und der Größe des Defekts ab. »In jedem Fall muss der Zahnarzt den Patienten über alle anfallenden Kosten auch in Form eines schriftlichen Heil- und Kostenplanes aufklären«, sagt Oesterreich.

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urzelbehandlung: Allein das Wort treibt vielen schon den Angstschweiß auf die Stirn. Dabei sind die Ziele der Behandlung ja nicht verkehrt, im Gegenteil. Sie soll Patienten die Schmerzen nehmen, ohne den betroffenen Zahn zu ziehen. Und doch haben viele Angst davor. Warum ist das so? Die wichtigsten Fragen und Antworten rund um die Wurzelbehandlung im Überblick: Wann ist eine Wurzelbehandlung notwendig? »Die meisten Fälle entstehen in Folge einer tiefen Karies«, sagt Dietmar Oesterreich, Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer. Wird ein betroffener Zahn nicht rechtzeitig behandelt, kann sich durch Bakterien das weiche Zahninnere entzünden. Die sogenannte Pulpa besteht aus Nerven und Gefäßen – entsprechend schmerzhaft ist eine Enzündung. Diese Infektion kann sich wiederum auf den Kieferknochen ausweiten, das sorgt für weitere starke Schmerzen und eine geschwollene Wange.

Die Wurzelbehandlung hat einen sehr schlechten Ruf - einen Foto: Scholz richtigen Grund dafür gibt es aber eigentlich nicht.

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n Was genau passiert bei der Wurzelbehandlung? Bevor es an die eigentliche Behandlung geht, ist eine genaue Diagnostik sehr wichtig. »Ein Röntgenbild ist dabei ein Muss»«, sagt Oesterreich. Dort kann der Zahnarzt zum Beispiel sehen, ob die Entzündung sich schon auf den Knochen ausgeweitet hat. Es wird auch geschaut, wie die Wurzelkanäle verlaufen, in denen der Zahnnerv liegt, und wie viele der Kanäle es im betroffenen Zahn gibt. So erfährt der Arzt, ob eine Wurzelbehandlung überhaupt möglich ist und welche Risiken es dabei gibt. Bei der Behandlung wird der Zahn zunächst betäubt. Dann wird in der Regel ein Gummituch gespannt, aus dem nur der betroffene Zahn herausschaut. Dieser sogenannte Kofferdam soll den Zahn vor Speichel und Bakterien schützen. Patienten werden vor dem Verschlucken oder Einatmen kleiner Instrumente und Materialien geschützt.

Anschließend wird der Zahn mit einem Bohrer geöffnet. Mit kleinen Feilen werden die Wurzelkanäle erweitert, um sie danach ebenfalls zu reinigen und zu desinfizieren. Dann werden die entstandenen Hohlräume gefüllt, die Zahnkrone wird provisorisch verschlossen. Nach der Behandlung kann der betroffene Zahn noch ein paar Tage zu spüren sein. Was passiert nach der Wurzelbehandlung? Das ist ganz unterschiedlich: Bei manchen Patienten reicht eine Kunststofffüllung, die den wurzelbehandelten Zahn dauerhaft verschließt, andere benötigen eine Krone. Wichtig ist laut Bijan Vahedi, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Endodontologie und zahnärztliche Traumatologie (DGET), den Zahn so schnell wie möglich dauerhaft zu verschließen. »Früher gab es die Richtlinie, damit sechs Monate zu warten, um sicherzugehen, dass alles ausgeheilt ist. Dafür gibt es keinen Grund.« Denn erst wenn ein Zahn gut verschlossen, also gefüllt oder überkront ist, kann er auch richtig ausheilen. n

Welche Risiken gibt es? »Das größte Risiko ist, dass es nicht funktioniert und der Zahn nicht erhalten werden kann«, sagt Vahedi. Dann muss der Zahn gezogen werden. Allerdings seien Wurzelbehandlungen in den allermeisten Fällen erfolgreich. Wie bei jedem Eingriff sind Komplikationen bei der Behandlung aber möglich – n

zum Beispiel, wenn der Zahnarzt nicht das gesamte entzündete Gewebe entfernt oder nicht ausreichend desinfiziert. Mit welchen Kosten müssen Patienten in etwa rechnen? Darauf gibt es leider keine allgemeingültige Antwort. »In der Regel ist die normale Wurzelbehandlung mit einem vorübergehenden Verschluss der Zahnkrone Leistungsbestandteil der gesetzlichen Krankenkasse«, sagt Oesterreich. Es gibt aber Leistungsausschlüsse für bestimmte Kiefersituationen. Auch wenn besondere Behandlungsverfahren eingesetzt werden – etwa eine elektronische Längenmessungen der Wurzelkanäle, bestimmte Methoden der Wurzelkanalspülung oder Aufbereitungsinstrumente – müssen Patienten

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n Gibt es Alternativen zur Wurzelbehandlung? »Die Alternative ist, den Zahn zu entfernen und zu ersetzen«, sagt Vahedi. Um die Lücke zu schließen, kommt dann etwa ein Implantat oder eine Brücke infrage – was die Kosten angeht, ist das nicht unbedingt günstiger als die Wurzelbehandlung.

Warum ist dann gerade die Wurzelbehandlung unter Patienten so gefürchtet? Oesterreich glaubt, dass das nicht unbedingt an der Behandlung selbst liegt – sondern an den Schmerzen, die diese notwendig machen. Außerdem arbeite der Zahnarzt gerade bei der Wurzelbehandlung tief im Kiefer. »Diese Assoziation ist für viele höchst unangenehm.« Vahedi sieht noch einen anderen Grund: »Entzündetes Gewebe lässt sich unter Umständen nicht so gut betäuben, da kann es sein, dass die Behandlung trotz Betäubungsspritze sehr schmerzhaft ist.« Wer sich davor fürchtet, sollte auf jeden Fall vorher mit seinem Zahnarzt sprechen, wie man die Wurzelbehandlung schmerzfrei gestalten kann. red/tk

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Sanfte & alternative Heilmethoden

Vielfältige Wirkungsweisen

Ätherische Öle offenbaren große Potenziale / Aromatherapie noch nicht in Kliniken angekommen

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therische Öle werden seit der Antike angewendet, um das körperliche und psychische Befinden zu verbessern. Inzwischen spielen duftende Pflanzenstoffe eine aus der Wellnesslandschaft nicht mehr wegzudenkende Rolle. Sie werden auch zur Vorbeugung und Behandlung von Krankheiten angeboten. Viele Anwendungen der sogenannten Aromatherapie beruhen allerdings allein auf Erfahrungen – es gibt kaum wissenschaftliche Studien.

Die Öle werden eingeatmet, als Massage-Öle und Emulsionen in die Haut einmassiert, als Badezusatz in die Wanne gegeben, mit Wasserdampf inhaliert oder auch als Kapseln und Zäpfchen angewendet. Zum Einsatz kommen sie zum Beispiel bei Entzündungen und Infekten, bei Erkältungen, Verdauungsproblemen, Appetitlosigkeit, Schmerzen oder Bluthochdruck. Aber auch Schlafstörungen, Befindlichkeitsstörungen und De-

pressionen oder Krankheiten wie Demenz sind Anwendungsgebiete der Aromatherapie. «Kein Schulmediziner wird heute mehr bestreiten, dass Eukalyptus- und Thymian-Öl eine große Hilfe bei Atemwegserkrankungen sind», sagt die Inhaberin der Aromatherapieschule AiDA Aromatherapy International in Glengarriff (Irland), Eliane Zimmermann. Alles Humbug? Die Wirkungsweisen der Pflanzen-Öle sind vielfältig, ihre Erfor-

schung steckt noch in den Kinderschuhen. Viele Anwendungen beruhen allein auf Erfahrungen. Dennoch offenbaren sich große Potenziale: zum Beispiel durch die antimikrobielle Wirkung vieler ätherischer Öle, gegen Krankheitserreger. Speziell bei Atemwegsinfekten ist die positive Wirkung gut erforscht. »Hier könnte der Einsatz ätherischer Öle dazu führen, den Verbrauch von Antibiotika zu reduzieren«, sagt Rainer Stange, leitender Arzt der Abteilung Naturheilkunde des Immanuel Krankenhauses in Berlin und Präsident des Zentralverbands der Ärzte für Naturheilverfahren und Regulationsmedizin. Im Klinikbereich sei die Aromatherapie insgesamt noch wenig etabliert, sagt Stange. Das liege unter anderem an Vorurteilen. Die Aromatherapie wird oft in der esoterischen Ecke gesehen. Zudem machten die Komplexität der natürlichen Öle und ihre unterschiedliche Qualität den Wirkungsnachweis nach wissenschaftlichen Kriterien schwer. Auch zu den Dosierungen fehlten für viele Anwendungen verlässliche Angaben. red/tk

Rainer Stange, leitender Arzt der Abteilung Naturheilkunde des Immanuel Krankenhauses in Berlin und Präsident des Zentralverbands der Ärzte für Naturheilverfahren und RegulationsmeFoto: Immanuel Krankenhaus dizin


Sanfte & alternative Heilmethoden

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Gutachten einfordern

Alternative Heilbehandlungen können bei der Einkommensteuer manchmal Probleme machen Krankheitskosten können steuerlich berücksichtigt werden. Das gilt nicht immer für alternative Heilmethoden. Sie können nur unter gewissen Voraussetzungen bei der Einkommensteuer abgesetzt werden.

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rankheitskosten, die der Patient aus eigener Tasche zahlt, können in der Einkommensteuererklärung als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht werden. »Handelt es sich um Ausgaben für wissenschaftlich nicht anerkannte Heilmethoden, ist aber ein vor Beginn der Therapie ausgestelltes amtsärztliches Gutachten oder die Bescheinigung des medizinischen Dienstes der Krankenkasse erforderlich«, erläutert Isabel Klocke vom Bund der Steuerzahler. Das bestätigt ein aktuelles

Urteil des Finanzgerichts Niedersachsen (Az.: 9 K 182/19). In dem Fall litt der Sohn der Kläger an einer krankhaften Überempfindlichkeit gegen Schall. Auf Vorschlag des behandelnden HNO-Arztes ließen die Kläger bei dem Sohn eine Hörtherapie nach Tomatis durchführen. Dabei handelt es sich um eine Horch- und Hörtherapie, die vom französischen Arzt Alfred Tomatis entwickelt wurde. Zwar bestätigte der HNO-Arzt den Erfolg der Behandlung, die Krankenkasse übernahm die Kosten jedoch nicht. Daher machten die Eltern die Ausgaben von gut 4000 Euro in ihrer Einkommensteuererklärung als außergewöhnliche Belastung geltend. Allerdings ohne Erfolg. Nach Auffassung des Finanzgerichts Niedersachsen handele es sich bei der Therapie um eine wissen-

schaftlich nicht anerkannte Heilmethode. Daher muss die Zwangsläufigkeit der Ausgaben vorab durch ein amtsärztliches Gutachten oder die Bescheinigung des medizinischen Dienstes der Krankenkasse festgestellt werden. Dieser Nachweis fehlte.

Unbedingt Bescheinigungen erstellen lassen Patienten, die eine kostenintensive Heilbehandlung planen, sollten daher vor Antritt der Behandlung daran denken, entsprechende Gutachten oder Bescheinigungen erstellen zu lassen. Dies gilt nach der Einkommensteuerdurchführungsverordnung zum Beispiel auch für Frisch- und Trockenzellenbehandlungen oder Eigenbluttherapien. »Für Zuzahlungen zu Medikamenten, Zahnersatz oder Brillen ge-

Alternative Heilmethoden können nur unter gewissen Voraussetzungen bei der Einkommensteuer abgesetzt werden. Foto: Wiedl nügt hingegen eine ärztliche Verordnung«, so Klocke. Bei Folgebrillen erkennt das Finanzamt sogar die Bestätigung durch den Optiker an. red/tk


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Sanfte & alternative Heilmethoden

Selbstheilung als ein Weg

Arzt und Autor Dietrich Grönemeyer ist sich sicher: »Wir sind selbst der wahre Medicus« Schließen sich die moderne Medizin und andere Heilmethoden gegenseitig aus? Nein, sagt Dietrich Grönemeyer. Eine ganzheitlich angelegte Heilkunst verbinde nämlich beides. Im Interview erklärt er auch, warum manchmal gar nicht unbedingt ein Arzt vonnöten ist.

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oderne Medizintechnik oder doch lieber das Kraut aus dem Garten? Ein Termin beim Facharzt oder das Gespräch mit dem Heilpraktiker? Schulmedizin und alternative Heilmethoden werden einander gern gegenübergestellt. Dietrich Grönemeyer, selbst Schulmediziner, plädiert in seinem Buch »Weltmedizin« dafür, diese Trennung ein Stück weit aufzugeben. Beides müsse Hand in Hand gehen, sagt er. Wie das geht und was Patienten selbst dafür tun können, erklärt er im Interview. Herr Grönemeyer, Sie untertiteln Ihr Buch »Auf dem Weg zu einer ganzheitlichen Heilkunst«. Was ist eigentlich ganzheitliche Medizin? Eine Medizin, die die verschiedenen Heilweisen der Welt, bewährte Therapien anderer Epochen und Kulturen ebenso nutzt wie die Erkenntnisse der Schulmedizin. Außerdem sollte die ganzheitliche Medizin den Menschen stets in seinem psychosozialen Umfeld betrachten. Ist das denn in der modernen Schulmedizin nicht der Fall? Nicht durchweg. Im Zuge der fraglos exzellenten fachärztlichen Spezialisierung hat sich eine sozusagen segmentierte Medizin herausgebildet. Der eine behandelt Herz und Kreislauf, der andere die Haut und so weiter und so fort. Jeder mag auf seinem Gebiet eine Koryphäe sein. Als denkende, fühlende und soziale Wesen werden die Patienten dabei aber kaum noch wahrgenommen. Das ist dann nicht mehr ganzheitlich. Ist das der Grund, warum sich manche Patienten von der Schulmedizin abwenden und lieber zum Heilpraktiker gehen? Davon bin ich überzeugt. Wir Schulmediziner behandeln den

Dietrich Grönemeyer ist Arzt und Autor mehrerer Bücher. 1997 hat er das interdisziplinär ausgeFoto: Galuschka richtete Grönemeyer Institut für Mikrotherapie in Bochum gegründet. Patienten zu oft nur funktionell und unter Ausnutzung aller Möglichkeiten der modernen Gerätemedizin. Das ist einerseits richtig. Andererseits bleibt uns so kaum noch Zeit für das Gespräch mit dem Patienten. Wir machen dem Patienten häufig Angst, weil er nicht versteht, was wir über seinen Kopf hinweg besprechen und beschließen. Dann doch lieber der Heilpraktiker, der sich mitfühlend auf einen einlässt, mögen sich da viele sagen. Diese Tendenz ist unverkennbar und gefährlich insofern, als sie manchen dazu verführt, schulmedizinische Behandlung auszuschlagen, wo sie dringend geboten wäre.

Grenzen aufzeigen und dann auch klar entscheiden: Kernspin, Katheter oder Operation.

Wie erkenne ich als Patient einen Arzt, der ganzheitlich behandelt? Erstmal erkennt man ihn daran, dass er meine Sprache spricht, kein Fachchinesisch; dass er auch auf meine Körpersprache achtet, dass er mich beruhigt, aber nicht betört, sondern ernsthaft prüft: Wie kann ich helfen? Ich sollte merken, dass der Arzt nicht meine Krankheit behandelt, sondern mich. Er sollte auch versuchen, meine Selbstheilungskräfte zu aktivieren, gleichzeitig aber die

Welche Rolle spielt eigentlich der Patient selbst? Wir sind selbst der wahre Medicus oder die wahre Medica. Wenn wir in uns hineinhorchen, erfahren wir, was uns gut tut und was nicht. Das Wissen darum steckt zuerst in uns selbst, dazu brauchen wir keinen Arzt. Da ist vielmehr Achtsamkeit uns selbst gegenüber gefragt. Es ist nicht damit getan, dass wir unseren Körper, wenn er Beschwerden bereitet, in dieser oder jener Praxis behandeln lassen, so wie wir das Auto, wenn der Motor

Wie aktiviert ein Arzt Selbstheilungskräfte? In dem Moment, da ich mich auf den Patienten einlasse und ihm somit das Gefühl gebe, ihn menschlich verstehen zu wollen, gebe ich ihm auch Hoffnung. Ich stimuliere seinen Lebenswillen, also die Selbstheilungskräfte. Im Grunde etwas ganz Einfaches. Ohne viel darüber nachzudenken, tut das jede Mutter, wenn ihr Kind krank ist. Das geht auch in der Schulmedizin. Denken Sie nur an die Hausärzte, denen viele Familien über Generationen vertrauten.

stottert, in der Werkstatt abliefern. Ja, kompetente Hilfe brauchen wir dann auch. Aber wir selbst sollten uns um uns selbst ebenso kümmern. Vorsorgend genauso wie bei schwerer Erkrankung. Die Verantwortung dazu liegt in unseren eigenen Händen. red/tk

Impressum Sonderbeilage des Verlags der Lahrer Zeitung Verlag und Herausgeber Lahrer Zeitung GmbH, Kreuzstraße 9, 77933 Lahr Geschäftsführung und Anzeigenleitung Kirsten Wolf Redaktion Jörg Braun (V.i.S.d.P.), Thomas Kroll Druck Druckzentrum Südwest GmbH, 78052 Villingen-Schwenningen Ausgabe Lahrer Zeitung und Schwarzwälder Bote Kinzigtal 8. Mai 2021


Fußgesundheit

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Weg mit der Hornhaut

Probleme an den Füßen können vielseitige Ursachen haben / Tipps zur bestmöglichen Pflege Zeigt her eure Füße? Wenn sie gepflegt und schön sind: kein Problem! Mit Fußpilz, Hornhaut oder Hühneraugen sieht die Sache allerdings ganz anders aus. Was können Betroffene dagegen tun?

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ie Füße gehören zu den weniger beachteten Körperteilen, ausgiebige Pflege brauchen sie aber. Der Fußgesundheit dienen etwa Massagen und häufiges Barfußgehen. Wie man typischen Problemen vorbeugen kann, erklärt die Apothekerkammer Niedersachsen. Hornhaut: Wer sie entfernen will, sollte sanft vorgehen, denn sonst kann es zu Entzündungen kommen. Kosmetische Maßnahmen wie Fußbäder und salicylsäurehaltige Cremes können helfen. Überschüssige Hornhaut beseitigen Spezialfeilen aus Glas oder Keramik oder ein Bimsstein.

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n Rissige Hacken: Dieses Problem lässt sich mit einer Schrundensalbe oder Wund- und Heilsalben vermindern. Zudem helfen harnstoffhaltige Cremes, die den Füßen Feuchtigkeit spenden.

Barfuß unterwegs Barfußlaufen ist die natürlichste und effektivste Fußreflexzonen-Massage der Welt. »Den Untergrund mit allen Sinnen ergründen hilft, innere Spannungen zu überwinden und Stress abzubauen«, sagt Dieter Breithecker von der Bundesarbeitsgemeinschaft für Haltungs- und Bewegungsförderung in Wiesbaden. »Schuhe dagegen beeinträchtigen unsere Fußgesundheit, das Gleichgewichtsvermögen und die Körperhaltung.« Es lohne sich, zumindest in der Wohnung, im Garten und auf sauberen Wiesen auf Schuhwerk zu verzichten. Perfekt für die Füße seien Spaziergänge an Sand- oder Kieselstrand. Gleichzeitig trainiere das Barfußlaufen die Gefäße. Breithecker empfiehlt es gerade bei venösen Erkrankungen red/tk der Beine.

Gesunde Füße sind auch eine Frage der richtigen Pflege: Wer ihnen regelmäßig genug AufmerkFoto: Klose samkeit widmet, kann auch Hühneraugen und Fußpilz verhindern. n Fußpilz: Vorbeugen kann man gegen die ungeliebte Infektion, indem man die Füße nach dem Baden oder Duschen gut abtrocknet oder föhnt. Denn Fadenpilze, die häufig eine Ursache für Fußpilz sein können, mögen ein warmfeuchtes Klima.

Hühneraugen: Sie treten, ebenso wie Druckstellen oder Blasen, häufig bei Platzmangel im Schuh auf. Dies gilt auch für schlimmere Fehlstellungen wie einem Hammerzeh oder Krallenzehen. Deshalb ist es wichtig, Schuhwerk zu tragen, in dem die Zehen genün

gend Platz an den Seiten und nach oben haben. Auch der Hackenbereich sollte geschmeidig sein. Ein häufiger Wechsel verschiedener Schuhe kann helfen, die Füße zu trainieren und nebenbei für ein gesundes Klima in den Schuhen zu red/tk sorgen.


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Fußgesundheit

»Der Fuß ist weit weg vom Kopf« Orthopädieschuhmachermeister Achim Oberle rät dazu, die Fußgesundheit nicht zu unterschätzen

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ie Füße gehören ohne Zweifel zu den wichtigsten Körperteilen des Menschen. Sind sie nicht gesund, können auf die Betroffenen große Probleme im Alltag zukommen. Wir sprachen mit Orthopädieschuhmachermeister Achim Oberle über das Thema Fußgesundheit. Der 52-Jährige Ettenheimer leitet das Unternehmen Oberle – Gesunde Schuhe nun bereits in der fünften Generation.

Herr Oberle, würden Sie sich als Experte für Fußgesundheit bezeichnen? Was wissen Sie, was viele andere nicht wissen, und woher? Ja, ich würde mich so bezeichnen. Ich bin sehr wissbegierig und führe meinen Beruf mit Leidenschaft aus, mein Beruf ist gleichzeitig mein Hobby. Neben meiner langjährigen Berufserfahrung habe ich durch Seminare, Weiter- und Fortbildungen auch einige Zusatzqualifikationen erlangt, beispielsweise bin ich Techniker für Sportorthopädie und habe und habe Fortbildungen im Bereich Sensomotorik absolviert. Derzeit erfülle ich einen Lehrauftrag an der Hochschule Kaiserslautern im Studiengang Orthopädieschuhtechnik. Auch der Austausch über Gesundheit innerhalb der Familie hilft mir. Eine Tochter ist Physiotherapeutin, die andere Medizinische Fachangestellte. Mein Sohn Philipp ist als Orthopädieschuhmachermeister und Sportwissenschaftler seit mehr als fünf Jahren ebenfalls im Betrieb.

Im Gespräch mit

Achim Oberle Über welche Beschwerden an den Füßen klagen Ihre Kunden am Häufigsten? Das Kundenspektrum ist sehr unterschiedlich, das gilt auch für die Fußbeschwerden. Vom Leistungssportler bis zum Kunden mit schwersten Fußfehlstellungen ist alles dabei. Fußbeschwerden können sehr individuell sein, da wird der Fuß und seine Komplexität oft

Achim Oberle ist als Orthopädieschuhmachermeister Experte für Fußgesundheit. unterschätzt, genauso wie die Auswirkungen und Abhängigkeiten zwischen Fußbeschwerden und anderen Körperregionen. Drei häufige Diagnosen sind der KnickSenk-Fuß, der Fersensporn sowie die Kniearthrose Welche vorbeugenden Maßnahmen helfen dabei, die Füße möglichst zu schonen? Bitte verraten Sie unseren Lesern einige Ihrer besten Tipps. Viel barfußlaufen, aber – das ist wichtig – auf Naturboden wie beispielsweise auf einem Barfußpfad. Auf diese Weise wird nämlich die Fußmuskulatur stimuliert. Sowieso ist Bewegung generell immer gut. Dazu gehört aber unbedingt gutes, fuß- und situationsgerechtes Schuhwerk. Auch Fußgymnastik hilft, hierzu gibt es gute Bücher. Ab welchem Alter sollte man besonders auf die Gesundheit seiner Füße achten, und warum? Generell sollte man in jedem Alter auf die Gesundheit seiner Füße achten. Ich sage immer gerne: »Der Fuß ist weit weg vom Kopf«. Wie wichtig das Körperteil Fuß ist, wird oft unterschätzt und bei der eigenen Gesundheitsvorsorge oftmals weniger beachtet. Im Kindesalter ist es besonders wichtig,

Fußfehlstellungen frühzeitig zu erkennen, ansonsten sollte im Alter im Hinblick auf Begleiterkrankungen noch einmal mehr auf die Fußgesundheit geachtet werden. Da aber in jungen Jahren der Grundstein für das Alter gelegt wird, sollte die Fußgesundheit immer ein Thema sein Fallen Ihnen bestimmte Berufe ein, bei denen Füße besonders stark beansprucht werden und somit einem erhöhten Krankheitsrisiko ausgesetzt sind? Wie können sich diese »Risikogruppen« schützen? Tatsächlich sind hier Berufe zu nennen, die mit viel stehenden Tätigkeiten und mit wenig Abwechslung in Verbindung gebracht werden. Das sind beispielsweise Friseure, Bauarbeiter oder Handwerker. Schützen kann man sich mit gutem Schuhwerk mit einer stabilen Hinterkappe im Fersenbereich sowie einer dämpfenden und trotzdem stabilen Sohle. Außerdem ist Bewegung immer wichtig! Warum sind gesunde Füße überhaupt so wichtig? Dazu würde ich gerne auf einige interessanten Fakten verweisen, die der Professor Nicola Maffulli zusammengetragen hat. Danach

Foto: privat

ist der Fuß der meistbeanspruchte Teil unseres Körpers. Während eines Tages, an dem man viel zu Fuß unterwegs ist, tragen die Füße etwa einer 70 Kilogramm schweren Person 2520 Tonnen Gewicht – dies entspricht in etwa vier ICEZügen. Europäer im Alter zwischen 16 und 34 Jahren verbringen pro Tag rund 8,5 Stunden in Schuhen. An diesen beeindruckenden Zahlen sieht man, wie wichtig die Wahl des richtigen Schuhwerks ist. Denn Schuhe sind dafür da, unnatürliche Bewegungen des Fußes zu verhindern tk

Oberle – Gesunde Schuhe Der Hauptsitz des Unternehmens von Achim Oberle befindet sich in Ettenheim, eine weitere Filiale gibt es in Lahr. Mit mehr als 25 Mitarbeitern, darunter vier Orthopädieschuhmachermeister, profitieren die Kunden von einem hohen Erfahrungsschatz sowie viel Fach- und Expertenwissen. Infos zu Oberle – Gesunde Schuhe sind im Internet unter www.oberle-gesunde-schuhe.de zu finden.



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Gut schlafen

Richtig betten, besser liegen

Seiten-, Rücken- oder Bauchschläfer: Wer braucht welches Kissen? Experten zum Thema Schlaf Nachts tanken wir Kraft für den nächsten Tag. Doch das gelingt nur, wenn Körper und Kopf wirklich zur Ruhe kommen. Und dafür braucht es ein gutes Kissen. Das zu finden, ist gar nicht so schwer - wenn man auf seinen Körper hört.

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esonders groß, besonders weich, besonders lang. In Keilund Kugelform, mit eingebautem Lautsprecher oder extra für Paare, für Allergiker oder Rückenpatienten: Ein gutes Kissen zu kaufen, scheint angesichts der vielen möglichen Formen und Extras eine Wissenschaft für sich. Experten sagen jedoch: Alles gar nicht so wichtig – Hauptsache bequem. Ein Kissen muss vor allem drei Dinge leisten, erklärt Peter Young, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM). »Es muss einen schmerzfreien Schlaf ermöglichen, es darf keine Haltung erzwingen, und es muss sich subjektiv gut anfühlen.« Letztlich sei das Gefühl der Entspannung entscheidend für ein positives Schlaferlebnis. »Das Kissen kann dazu einen Beitrag leisten.« Dieses positive Schlaferlebnis ist nicht nur gut für die Laune und die Leistungsbereitschaft – es schützt auch vor Schmerzen und Verletzungen. »Wenn Sie gestresst und gerädert aufwachen, ist das ja auch für den Rücken und die Wirbelsäule nicht gut«, sagt Bernd Kladny, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU).

Formen und Extras ohne Ende: Der Kissenkauf scheint eine Wissenschaft für sich. Experten sagen aber: Alles gar nicht so wichtig – Hauptsache bequem. Foto: Klose

Mit dem richtigen Kopfkissen schläft es sich besser. Wer Rücken- oder Nackenprobleme hat, Foto: Warnecke braucht aber beim Kissenkauf eventuell Beratung. Aus Sicht des Orthopäden ist der Schlaf vor allem für die Wirbelsäule wichtig: »Sie muss tagsüber den Körper tragen und nachts regenerieren.« Damit das gelingt, müssen die Bandscheiben leicht aufquellen können, weil sie sich mit Nährstoffen vollsaugen. »Und das geht nur dann, wenn die Wirbelsäule in ihrer natürlichen Form ist und nicht gequetscht oder überdehnt ist«, sagt Kladny. »Matratze und Kissen müssen so gestaltet sein, dass sie die Wirbelsäule dabei unterstützen.« Passiert das nicht, funktionieren langfristig die Reparaturprozesse der Bandscheiben nicht mehr – das Risiko von Schäden steigt. Damit es nicht so weit kommt, sollte man ein neues Kissen möglichst ausprobieren. Rückengesunde Menschen könnten an sich selbst gut beobachten, welches Kissen ideal sei, sagt Kladny. Wer ohnehin Rücken- oder Nackenprobleme hat, braucht aber eventuell Beratung. »Denn da besteht die Gefahr, dass Fehlstellungen oder -haltungen noch untermauert werden.« Faustregel ansonsten: Wenn es bequem ist und der Schläfer sich auch am nächsten Tag gut fühlt, ist in der Regel auch das Kissen gut. Nur zu groß sollte es nie sein: »Wichtig ist gerade bei Bauch- und Rückenschläfern, dass nur der Kopf auf dem Kissen liegt«, sagt Kladny. »Deshalb ist

die normale Kissengröße von 80 mal 80 Zentimetern da nicht so geeignet.« Ob es sich bei dem neuen Kissen um ein Seitenschläfer- oder Bauchkissen handelt, ist für den Orthopäden dagegen nicht so wichtig. »Das eine ideale Kissen gibt es nicht, weil wir uns ja nachts auch bewegen«, sagt er. »Der Seitenschläfer liegt nicht die ganze Nacht auf der Seite.«

Bevorzugte Lage spielt beim Kissenkauf kaum eine Rolle Bevorzugte Lagen gibt es natürlich dennoch, und sei es nur zum Einschlafen: Manche liegen auf dem Bauch, andere auf dem Rücken oder auf der Seite. Aus Sicht des Orthopäden macht das kaum einen Unterschied, zumindest beim Kissenkauf: »Bei allen besteht das Risiko, dass man die Wirbelsäule knickt oder überstreckt«, sagt Kladny. Geht es nicht um die Wirbelsäule, kennen Experten aber doch ein paar Unterschiede zwischen den Liegepositionen: »Wer schnarcht, schläft oft auf dem Rücken oder auf der rechten Seite«, sagt Kneginja Richter. Sie leitet die Schlafsprechstunde an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Paracelsus Medizinische Privatuniversität (PMU) Nürnberg.

»Die gesündeste Lage zum Schlafen ist die linke Seite, weil so auch das Herz entlastet wird. Auf dem Bauch zu schlafen, kann dagegen mehr Falten verursachen«, erklärt die Expertin weiter. Mit bestimmten Kissen wäre es zwar durchaus möglich, diese Vorliebe zu verändern. Meist ist das aber ein langer und nervenaufreibender Prozess und damit die Mühe kaum wert. »Wenn jemand sein Leben lang Bauchschläfer war und jetzt auf den Rücken wechseln will, fällt das oft sehr schwer«, sagt Richter. Auch Schlafexperte Young rät daher, es gar nicht erst mit einem Wechsel der Schlafposition zu versuchen. »Eine Ausnahme sind höchstens Kissen, die den Rückenschlaf verhindern sollen.« Die brauchen zum Beispiel Patienten mit Apnoe, Atemaussetzern also, die nur in Rückenlage auftreten. Gleiches gilt seiner Meinung auch für andere Extras im Kissen – integrierte Musik oder Entspannungsgeräusche etwa: Erlaubt ist, was gut schlafen lässt. Pflicht sind solche Mätzchen aber nicht, ihre Wirksamkeit ist nicht erwiesen. »Im Einzelfall kann das sinnvoll sein – es kann aber beim Menschen mit Ein- und Durchschlafstörung auch dazu führen, dass sie erst richtig auf die Probleme fokussieren«, sagt Young. »Und das wäre kontraproduktiv.« red/tk


Gut schlafen

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Endlos lange Nächte

Wann kindliche Schlafprobleme als Störung gelten / Schwierigkeiten beim Kinderarzt ansprechen Wenn Kinder nachts oft aufwachen oder gar nicht erst nicht einschlafen können, bedeutet das Stress - für die Eltern und die Kleinen. In manchen Fällen sollte man das lieber abklären.

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ltern wissen: Einschlafen und Durchschlafen, das klappt bei vielen Kindern mal mehr und mal weniger gut. Doch wann wird daraus ein Problem, das man medizinisch abklären sollte? Gelegentliche Schlafstörungen jedenfalls seien unproblematisch. Der kleine Körper könne kurzzeitig fehlenden Schlaf durch intensiveres Schlafen ausgleichen, erklärt der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ). Wachsam werden sollte man laut Verband etwa, wenn das Kind sich abends weigert, allein im Bett

»Mama, Papa, bitte geht nicht!« Manche Kinder tun sich mit Foto: Klose dem Einschlafen schwer. zu bleiben oder wenn es regelmäßig nachts aufwacht und nicht ohne Mutti oder Vati wieder einschläft. Kinderarzt Ulrich Fegeler beschreibt es genauer: »Von einer

Einschlafstörung sprechen Schlafforscher beispielsweise, wenn ein Kind, das älter als ein Jahr ist, über einen Monat lang an mehr als fünf Nächten in der Woche mehr als

dreißig Minuten zum Einschlafen braucht.« Eine Durchschlafstörung liegt nach Worten des BVKJ-Experten vor, wenn ein Kind über einen Monat lang in mehr als fünf Nächten in der Woche dreimal oder häufiger pro Nacht aufwacht und wenn es dann im Schnitt länger als dreißig Minuten wach liegt oder zum Wiedereinschlafen die Unterstützung der Eltern braucht. Mögliche Schlafprobleme des Nachwuchses sollten Eltern beim Kinderarzt ansprechen. Mitunter stören auch bestimmte Krankheiten den Schlaf. Psychische Belastungen können sich ebenfalls auf diesem Weg bemerkbar machen. Eltern sollten in solchen Fällen ein Schlaftagebuch führen. Das hilft, die Beobachtungen zu bündeln und übersichtlich zu erfassen – das ist hilfreich für die Diagnose der Mediziner. (www.kinderaerzte-im-netz.de) red/tk


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Senioren-Spezial: Im Alter mobil

Clevere Lösungen

Mit diesen Hilfsmitteln bleiben Menschen auch im Alter möglichst flexibel Mit dem Alter lassen die Kräfte nach und man sieht schlechter. Doch es gibt Lösungen: Kleine Helferlein erleichtern den Alltag und schaffen ein Stückchen mehr Unabhängigkeit.

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as An- und Ausziehen kann im Alter zur Belastung werden. Die Schultern, Arme und Hände sind nicht mehr so mobil, der Rücken nicht mehr so beweglich, die Augen nicht mehr so gut. Anziehhilfen bieten hier eine gute Unterstützung – und manche zahlt sogar die Krankenkasse. Eine Knöpfhilfe ist so ein Beispiel. Sie hat an einem Ende eine Schlaufe, am anderen einen Griff. Mit der Schlaufe fädelt man durch das Knopfloch, fängt den Knopf ein und führt ihn durch das Loch. Hier ist aber Fingerspitzengefühl gefragt: »Das muss man üben, auch wenn es weniger Kraft erfordert und die Gelenke schont«, sagt Michael Hubert von der Agentur Barrierefrei NRW. »Wer das beherrscht, der kann fast selbst die Knöpfe zumachen«, meint Christine Gaszczyk vom Sozialverband VdK. Rein in den Strumpf: Auch Strumpf- oder Stützstrumpf-Anziehhilfen sind im Hilfsmittelverzeichnis der Krankenkassen aufgeführt, können also bezuschusst werden. Bei Stützstrumpfhilfen handelt es sich meist um eine Metallrahmen- oder Kunststoffkonstruktion, über die der Strumpf gen

Hilft auch beim Zurechtziehen der Socken: ein Anziehstab mit Haken am Ende.

Mit Hilfe dieses kleinen Trichters wird das Öffnen der Flasche leichter. zogen und dadurch vorgedehnt wird. Bei anderen Varianten können Socken oder Strumpfhosen über eine flexible, nach vorne offene Röhre gestülpt werden. Man steckt den Fuß hinein und zieht dann an Bändern den Strumpf nach oben. Für Stützstrümpfe, die vorne offen sind, gibt es eine Art Gleithilfe - Strumpfgleiter genannt. »Das ist ein Anziehstrumpf, den man später wieder rauszieht«, erklärt Michael Hubert. Die Anwendung dieser Hilfen erfordert nach Worten von Christine Gaszczyk einiges an Übung. Dazu kommt noch, dass man medizinische Kompressionsstrümpfe liegend vor dem Aufstehen anziehen sollte, da die Beine zu diesem Zeitpunkt noch nicht angeschwollen sind. Wer das nicht selbst kann, sollte einen Pflegedienst nutzen. Dafür sei eine Kostenübernahme durch die Krankenkasse möglich, so die Expertin. Ist die Schulter-, Hüft- oder Kniebeweglichkeit eingeschränkt, profitiert man eventuell von einer Anziehhilfe, die wie ein Stab mit einem Haken aussieht. Mit Hilfe des Hakens lassen sich sowohl Jacken als auch Strümpfe oder Hosen hoch- und anziehen. n Greifhilfe für alle Fälle: Ein nützliches Werkzeug ist die Greifhilfe. »Sie ist für alle Generationen prak-

tisch, weil es sie in verschiedenen Größen und mit verschiedenen Greifern gibt«, erläutert Gaszczyk. Ob Türklinken, Fenstergriffe oder heruntergefallene Dinge, damit lässt sich einiges erreichen. Beim An- und Ausziehen kann sie ebenfalls helfen. »Manche haben einen Magnetpunkt, mit dem man metallische Gegenstände anziehen und aufheben kann«, erläutert Hubert. Generell sollte man darauf achten, dass die Hilfe möglichst leicht ist und die Griffe sich mit wenig Kraft packen lassen.

schwanzgriff ideal. Spezielle Teller mit höherem Rand verhindern, dass man das Essen darüber hinaus schiebt. Das ist für alle praktisch, die hauptsächlich eine Hand benutzen. Dazu kommen Flaschenöffner oder Zangen, mit deren Hilfe man Gläser und Flaschen leichter öffnen kann – oder eine Schlüsseldrehhilfe. Die gibt es etwa in Form eines Dreiecks mit Loch in der Mitte, durch das der Zeigefinger geführt wird für einen größeren Hebel. Hilfsmittel für alle Zwecke: Es gibt unzählige clevere Hilfsmittel für alle Zwecke - für einen Überblick empfiehlt Hubert die Datenbank Rehadat, ein Projekt des Instituts der deutschen Wirtschaft. Wer darüber hinaus bestimmte Helfer in allen Varianten einmal ausprobieren möchte, kann das im Sanitätshaus vor Ort tun. Oder man sucht je nach Bundesland eine Beratungsstelle auf. Manche werden vom Land betrieben, wie die Agentur Barrierefrei NRW, für die Hubert arbeitet und die auch eine Demonstrationswohnung bereitstellt. Andernorts unterhält der VdK eigene Beratungsstellen – so wie in Berlin, wo Christine Gaszczyk zu den Senioren nach Hause kommt, um ihnen vor Ort Empfehlungen auszusprechen. red/tk

n

Breites Besteck mit Moosgummi-Schlauch: Wenn die Kraft nachlässt und die Finger nicht mehr so gut gehorchen, kann es sinnvoll sein, beim Essen und Trinken Hilfe in Anspruch zu nehmen - etwa mit extra dicken Besteckgriffen. »Der Klassiker der Griffverdickung ist ein MoosgummiSchlauch«, sagt Hubert. Der sei in verschiedenen Stärken und Durchmessern erhältlich und könne etwa auch um eine Zahnbürste gelegt werden. »Isolationsmaterial aus dem Baumarkt ist ebenfalls dafür geeignet, allerdings nicht, wenn es mit Lebensmitteln in Berührung kommt«, so der Experte. Für das Schneiden von Brot oder Gemüse ohne großen Kraftaufwand ist ein Messer mit Fuchsn

Fotos: Neumann


Senioren-Spezial: Gut sehen

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Gefährlich geblendet

Sonnenbrille mit polarisierenden Gläsern hilft am Steuer / Auch deren Größe muss stimmen Tiefstehende Sonne, reflektierende Oberflächen – gerade im Sommer können Autofahrer schnell geblendet werden. Eine Sonnenbrille kann helfen. Doch nicht jede eignet sich für den Straßenverkehr.

Gläser sind, kann beim Optiker nachfragen. Für Autofahrer sind selbsttönende Sonnenbrillengläser weniger sinnvoll. Je nach Intensität des Sonnenlichts, werden die Gläser automatisch heller oder dunkler. »Da Autoscheiben und Visiere aber bereits große Teile des UVLichtes filtern, dunkeln die meisten Brillengläser nicht ausreichend ein«, erklärt Kruschinski.

W

enn die Sonne blendet, kann das für Autofahrer gefährlich werden. Helfen kann die passende Sonnenbrille. Ähnlich wie beim Auto gebe es auch bei der Brille Zusatzausstattungen, sagt Kerstin Kruschinski vom Kuratorium Gutes Sehen (KGS). »Gegen lästige Reflexionen hilft eine Vorder- und Rückseitenentspiegelung der Gläser.« Auch Verlaufstönungen eigneten sich sehr gut für Autofahrten, weil sie zum einen Blendschutz böten und gleichzeitig den ungetrübten Blick nach unten auf die Armaturen ermöglichten.

Polarisierende Gläser im Auto besonders praktisch Sonnenbrillen mit polarisierenden Brillengläsern sind im Auto praktisch. Sie reduzieren auch Blendungen, die von unten oder von der Seite kommen und machen das Autofahren wesentlich angenehmer und sicherer. Vor dem Kauf sollten Autofahrer ausprobieren, ob die polarisierenden Brillengläser die Sichtbarkeit von gegebenenfalls verbauten Monitoren einschränken, rät die stellvertretende Geschäftsführerin des KGS. Gegen einfache Blendung helfen schon getönte Gläser. Von den fünf Blendschutzkategorien eignet

Keinesfalls zu dunkel Autofahrer sollten beim Kauf ihrer Sonnenbrille auf Modelle mit nicht zu dunklen Gläsern achten. Die Tönungsstufen der Kategorien 2 bis 3 eignen sich am besten, so der Tüv Rheinland. Ungeeignet und am Steuer verboten ist die Kategorie 4. Manche Modelle tragen daher auch eine Kennzeichnung mit einem durchgestrichenen Autosymred/tk bol.

Breite Bügel sind nicht empfehlenswert

Wer bei starkem Sonnenlicht Auto fährt, sollte Brillengläser Foto: Klose wählen, die entspiegelt sind oder sogar polarisieren. sich »2« hierzulande am besten, »3« nur eingeschränkt. Brillengläser der Kategorie »4« lassen nach Angaben des KGS nur weniger als acht Prozent Licht durch und sind

damit zu dunkel für die Straße. Wer mit einer zu dunklen Brille am Steuer sitzt, dem droht bei einer Kontrolle ein Verwarngeld. Wer nicht weiß, wie dunkel seine

Grundsätzlich gilt: Gläser sollten nicht zu klein sein. So können Autofahrer die Lage im Straßenverkehr uneingeschränkt überblicken. Sind die Brillengläser gebogen, schützen sie vor seitlich einfallendem Licht. Breite Bügel empfehlen sich nicht, da sie die Rundumsicht einschränken. red/tk


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Senioren-Spezial: Gut hören

Schwache Bilanz

Nur wenige Seniorenhandys schneiden bei Stiftung Warentest »gut« ab

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obiles Telefonieren mit Handicap muss keine Qual sein. Mit dem passenden Handy oder Smartphone kommen auch Menschen mit schwachen Augen, Ohren oder Fingern mit der Technik zurecht. Absolute Mobilfunk-Neu-

linge wählen dafür tendenziell besser Einfach-Handys ohne Apps und Internetzugang, während erfahrenere Nutzer auf Smartphones zurückgreifen können, denen die Hersteller extragroße Symbole und einfache Menüs verpasst ha-

Hörverlust oft schleichender Prozess Eine beginnende Schwerhörigkeit ist für die Betroffenen selbst nicht immer zu erkennen. Denn Hörverlust ist oft ein schleichender Prozess. Ein Anzeichen ist zum Beispiel, dass jemand Naturgeräusche wie Vogelgezwitscher nicht mehr wahrnimmt, erläutert der Deutsche Berufsverband der HNO-Ärzte. Typisch seien auch Schwierigkeiten, bei lauter Geräuschkulisse das Gegenüber zu verstehen.

Manchmal bemerken die Angehörigen zuerst, dass etwas nicht stimmt – etwa, weil der Fernseher viel zu laut gestellt wird. Darüber hinaus seien schwerhörige Menschen schneller erschöpft, weil sie sich beim Hören mehr konzentrieren müssen. Zeigen sich solche Anzeichen, sei es sinnvoll, das Gehör überprüfen zu lassen. Ein Hörgerät kann dann die Lebensqualität wieder deutlich verbessern. red/tk

ben. Das rät die Stiftung Warentest, die für ihre Zeitschrift »test« (Ausgabe 3/2021) jetzt 15 Seniorenhandys verglichen hat. Davon erreichten allerdings nur vier die Note »gut«. Auf der einen Seite sind dies die beiden EinfachHandys Doro 6040 für 58 Euro und Tiptel Ergophone 6420 für 70 Euro (jeweils Gesamtnote 2,4). Auf der anderen Seite sind es die beiden Smartphones Doro 8050 für 214 Euro (Note 2,4) und Emporia Smart.4 für 170 Euro (Note 2,5). Diese beiden Smartphones waren die einzigen beiden Geräte im Testfeld, die alle drei Handicaps – also Seh-, Hör- und Motorikschwäche – ausgleichen konnten. Die beiden mit »gut« bewerteten Einfach-Handys helfen laut Stiftung Warentest vor allem Menschen mit Hörschwäche, wobei das Tiptel mit seinem kontrastreichen Display auch gut bei Sehschwäche unterstütze. red/tk

Mit einem Preis von 58 Euro ist Doros Einfach-Handy-Modell 6040 das günstigste «gute» Senioren-Mobiltelefon im Foto: Stiftung Warentest Test.


Senioren-Spezial: Gut hören

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Kleine Hightech-Computer

Im Überblick: Zehn Extras für Hörgeräte im Kurzcheck / Nicht alle Tools sind unverzichtbar Hörgeräte schränken das Leben ein? Das war einmal. Heute sind es kleine HightechComputer, die sich nach individuellen Bedürfnissen aufrüsten lassen. Doch nicht jedes Zubehör ist sinnvoll.

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roß, klobig und unattraktiv: Dieses Klischee zu Hörgeräten war einmal. Heute können die kleinen Knöpfe im Ohr als MiniComputer Erstaunliches leisten. Standardmäßig sind moderne Hörsysteme mit mindestens drei Hörprogrammen, vier Kanälen, digitaler Technik und Unterdrückung von Störgeräuschen und Rückkopplungen ausgestattet. Weiteres Zubehör, dass der Bequemlichkeit, dem Komfort oder der Ästhetik dient, müssen gesetzlich Krankenversicherte allerdings oft selbst bezahlen. Was lohnt sich und was ist eher verzichtbar? Eine Auswahl an Zubehör und Werbeversprechen – mit Einordnung: 1. Fernbedienungen: Über sie können verschiedene Hörprogramme und Lautstärken des Hörsystems ein- und umgestellt werden. »Das ist komfortabel, wenn der Betroffene zum Beispiel eine eingeschränkte Feinmotorik durch Gicht oder Arthrose hat«, sagt die Präsidentin der Bundesinnung der Hörakustiker, Marianne Frickel. Nach Einschätzung des HNOMediziners Bernhard Junge-Hülsing aus Starnberg sind Fernbedienungen für Hörgeräteträger bis 75 Jahre eine gute Investition. »Vor allem dann, wenn sie an Sitzungen

teilnehmen oder Vorträgen folgen müssen.« 2. Ästhetische Optionen: Hier hat sich eine Menge getan. »Man kann die Entwicklung der Hörgeräte mit der vom Wählscheibentelefon hin zum iPhone 12 vergleichen«, sagt Junge-Hülsing. Auch Frickel betont die Miniaturisierung: »Nahezu alle Modelle sind dezent in der Form und bequem zu tragen.« Manche seien sogar kleiner als 2-Cent-Stücke. 3. Bluetooth-Anbindungen: Manche Hörsysteme können via Bluetooth mit dem Smartphone oder TV verbunden und gesteuert werden. »Infos und Worte können so selbst bei Umgebungslärm deutlich verstanden werden«, sagt Frickel. 4. Automatische Anpassungen an Hörsituationen: Die allermeisten Hörsysteme sind heutzutage digital und leiten den Schall teils in Echtzeit weiter. »Um sich auch auf unterschiedliche Hörsituationen einstellen zu können, verfügt jedes System über mindestens drei Programme«, sagt Frickel. High-EndGeräte erkennen die Geräuschsituation auch automatisch. Diese Funktion ist laut Junge-Hülsing für alle Hörgeräte zu empfehlen. 5. Gute Breitbandqualität: Gerade für Musikliebhaber eine Überlegung wert. »Vergangenes Jahr habe ich an mir mit 56 Jahren eine leichte Innenohrschwerhörigkeit mit vier Prozent Hörverlust beidseitig bemerkt«, erzählt HNO-Arzt Junge-Hülsing. »Da habe ich mir das Hörgerät meines Bruders, er

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hat 35 Prozent Hörverlust beidseitig, ausgeliehen. Ich konnte so ein Konzert der Berliner Philharmoniker noch besser genießen.« 6. Klangkomfort: Der Klang eines Hörsystems wird auf das subjektive Hörempfinden des Betroffenen eingestellt, erklärt Innungspräsidentin Frickel. Das ist also kein wirkliches Extra. 7. Reinigungsset und Trockenbox: Reinigungssets gibt es zur Pflege von Hörsystemen. Weil die Mikrofoneingänge nur wenige Zehntelmillimeter groß sind, können sie bei Verschmutzung leicht zusetzten. Für die Aufbewahrung nach dem Tragen gibt es Trockenboxen. Junge-Hülsing empfiehlt beides als »unverzichtbare Tools«. 8. Sportclips: Sie dienen der zusätzlichen Befestigung des Geräts hinter dem Ohr und sorgen dafür,

dass die Systeme beim Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes oder während des Sporttrainings nicht verloren gehen. »Sie können tatsächlich hilfreich sein«, sagt Junge-Hülsing. 9. T-Spule/Induktive Höranlage: Hörsysteme mit einer T-Spule können sich mit einer Induktionsschleife, die sich zum Beispiel im Museum oder in der Kirche befinden kann, verbinden und liefern dann akustische Signale störungsfrei – unabhängig von Entfernung und Raumakustik. 10. Freisprechfunktion beim Autofahren: Manche Hörsysteme können sich beim Autofahren als Freisprechanlage nutzen lassen. Gleichzeitig können Ansagen des Navigationssystems eingespielt werden. »Das erhöht die Sicherheit beim Autofahren erheblich«, red/tk sagt Junge-Hülsing.


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Senioren-Spezial: Gut hören

Auf Alarmzeichen achten

Um Schwerhörigkeit vorzubeugen hilft es, dem Ohr zwischendurch echte Ruhepausen zu gönnen

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ärm schadet dem Gehör, das weiß jeder. Aber wie viel Lärm ist zu viel? Und wer ist da besonders gefährdet – der Metallarbeiter im Dauerkrach seiner Fabrik oder der Festivalbesucher in der ersten Reihe? Beide, sagt Michael Deeg, Sprecher im Berufsverband der Hals-Nasen-Ohrenärzte. »Es geht immer um die Gesamtenergie, die auf das Hörorgan einwirkt. Und die berechnet sich aus dem absoluten Schallpegel und der Dauer.«

Moderater Dauerlärm kann genauso schaden wie 90 Minuten Heavy Metal Das bedeutet: Moderater Dauerlärm über acht Stunden hat unter Umständen die gleiche schädliche Wirkung wie 90 Minuten Heavy Metal. Einen genauen Schwellenwert für bleibende Schäden gibt es dabei nicht, höchstens Durch-

schnittswerte. »Da gibt es aber große, individuelle Unterschiede«, erklärt Deeg. Deshalb sollte jeder, der zumindest ab und zu Lärm ausgesetzt ist, auf die Alarmzeichen achten: ein dumpfes Gefühl, Hören wie durch Watte, dauerhaftes Fiepen. Spätestens dann ist es an der Zeit, dem Ohr eine richtige Ruhepause zu gönnen – an einem Ort, an dem es möglichst still ist. »Sie müssen jetzt nicht ins Kloster gehen«, sagt Deeg. »Aber es sollte schon ruhig sein.« Der Experte vergleicht Sinneshärchen im Innenohr mit einem Kornfeld: »Wenn da nach einem Sturm ein paar Halme umgeknickt sind, richten die sich mit etwas Windstille und Sonnenschein auch wieder auf.« Stürmt es dagegen dauerhaft oder zu heftig, geht irgendwann auch der Schaden nicht mehr weg. Genau so sei es mit dem Hörvermögen. red/tk

Manchmal braucht das Ohr richtige Ruhepausen. Dazu sollte man einen möglichst stillen Ort aufsuchen. Tut man dies nicht, kann das Hörvermögen rapide abnehmen. Foto: Remmers


Senioren-Spezial: Wohnen & Leben im Alter

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Ein später Neuanfang

So gelingt ein Umzug im Alter / Barrierefreie Wohnung alleine reicht noch nicht aus Am Lebensabend noch einmal umziehen? Die Vorstellung kann für ältere Menschen der Horror sein. Dass sie sich dagegen sträuben, hat oft vor allem emotionale Gründe. Wie packt man es dennoch an?

S

o lange wie möglich in den eigenen vier Wänden zu wohnen, das ist für viele ältere Menschen das Ziel. Ein Großteil von ihnen verbindet einen anstehenden Umzug vor allem mit Stress. Doch es geht anders. Denn auch wenn der Umzug nicht aus Gründen der Selbstverwirklichung, sondern aus rein praktischen Motiven erfolgt, muss er kein Horrorszenario sein. Worauf kommt es an, damit nicht nur der Umzug, sondern auch der Neuanfang bestmöglich gelingt? Wenn die Stufen hinauf zur Wohnung unüberwindbar scheinen und auch das Schmeißen des Haushalts zur immer größeren Herausforderung wird, beginnen viele ältere Menschen und ihre Angehörigen zu überlegen, ob nicht ein Umzug in eine barrierefreie Wohnung oder in eine betreute Wohnform das Leben erleichtern würde. Dadurch werde der Umzug allerdings oft negativ wahrgenommen, sagt die Psychologin Eva Asselmann. Nämlich als ein Hinweis darauf, dass man nicht mehr so fit und selbstständig ist, wie man sich das wünscht.

Damit der Umzug entspannt abläuft, sollte man rechtzeitig entschieden haben: Was kommt mit und Foto: Klose was kann weg? Wenn der Umzug dagegen noch nicht akut notwendig ist, lässt sich ein neutraleres Bild machen. Sie empfiehlt, sich schon relativ früh, mit 50 oder 60 Jahren, Gedanken zu machen, was einem im Alter wichtig sein könnte und wie man in 15 Jahren leben möchte. Für die Psyche kann ein Umzug am Lebensabend belastend sein. »Je älter Menschen werden, desto schwieriger werden Veränderungen für sie«, erklärt Sabrina Odijk, die das Soziale Ehrenamt beim

Vorher selbst ein Bild machen Betreutes Wohnen klingt für viele Ältere nach einer guten Mischung aus Pflegeheim und Selbstständigkeit. Entsprechende Angebote sollte man aber vor dem Einzug auf Herz und Nieren prüfen, heißt es im »Senioren Ratgeber« (Ausgabe 5/2019). Denn der Begriff ist nicht geschützt, dahinter können sich also ganz unterschiedliche - und auch unterschiedlich gute - Wohnformen verbergen. In der Regel zahlen betreut Wohnende eine Servicepauschale und bekommen dafür Grundleistungen wie ein Notrufsystem und Freizeitangebote. Hinzu kommen je nach Anbie-

ter Zusatzleistungen, von der Putzhilfe bis zum Essensdienst. Das kann schnell teuer werden. Interessenten sollten sich die möglichen Leistungen und ihre einzelnen Kosten daher genau aufschlüsseln lassen. Ansonsten gilt es, möglichst viele Häuser oder Wohnanlagen zu vergleichen. Denn Kosten, Inklusiv-Leistungen sowie Größe und Ausstattung der Wohnräume schwanken teils erheblich. Im besten Fall kann man sich vor Ort selbst ein Bild machen und mit den Bewohnern sprechen, bei einem gemeinsamen Essen oder FreizeitNachmittag zum Beispiel.

Malteser Hilfsdienst leitet. Gerade alte Menschen vertrauen viel auf Routinen, insbesondere wenn noch eine Demenz hinzukommt. Ein kompletter Neuanfang kann daher oftmals verunsichern. Dazu kommt: Wer schon lange an einem Ort wohnt, ist oft stark gebunden an sein Zuhause, die Umgebung und die Nachbarschaft oder die Gemeinde. Während also praktische Gründe für einen Umzug sprechen mögen, regt sich emotional oft noch großer Widerstand dagegen. Angehörige sollten das ernst nehmen. Am besten setze man sich gemeinsam hin und schreibe eine Liste mit allen Vor- und Nachteilen auf, rät der Psychologe und Alternsforscher Hans-Werner Wahl. Eine «wohlgemeinte Überfürsorglichkeit» könne indes schnell dazu führen, dass sich die ältere Person entmündigt fühlt, warnt Sabrina Odijk. Selbst bei kognitiv beeinträchtigten Menschen sei es wichtig, einen partnerschaftlichen Umgang zu wahren, sagt Wahl – damit die ältere Person Teil des Geschehens bleibe. Fühlt man sich bei den wichtigen Entscheidungen zum Umzug gut eingebunden, gelingt womöglich auch die Anpassung an den neuen Ort besser. Besonders bedeutsam ist dabei, wie aktiv man vor Ort am Leben teilhaben könne, sagt Psychologin Asselmann.

Denn eine barrierefreie Wohnung bietet zwar eine wichtige Grundlage, bringt aber nur wenig, wenn die Umgebung nicht passt. Wie weit ist es zum nächsten Supermarkt und zur Apotheke? Welche Seniorentreffs und Freizeitangebote gibt es? Sind Familie und Freunde gut erreichbar? Ein erfolgreiches Ankommen beginnt schon beim Abschiednehmen von der alten Heimat, sagt der Alternsforscher Frank Oswald. Besonders wenn der Umzug mit einer Verkleinerung einhergeht, muss man sich von vielen liebgewonnen Gegenständen trennen.

Beim Entrümpeln unbedingt selbst dabei sein Was wichtig ist, kann man nur selbst entscheiden – nicht die Angehörigen. Oft zählt nicht der materielle Wert, sondern die emotionale Verbundenheit. Beim Entrümpeln sollte man sich, wenn es geht, unbedingt aktiv einbringen. Das Aussortieren von Gegenständen fällt leichter, wenn ein Großteil weiterverschenkt oder gespendet wird. Statt rigoros zu entsorgen, rät Hans-Werner Wahl, sich Zeit für den Abschied zu nehmen und sich beispielsweise vor Augen zu führen, welche Rolle ein treues Möbelstück im Leben gered/tk spielt habe.


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Senioren-Spezial: Wohnen & Leben im Alter

Alternativen im Alter

Babyboomer stellen andere Lebensansprüche an den Herbst ihres Lebens / Gemeinschaft im Trend Wie möchte ich meinen Lebensabend verbringen? «In meiner gewohnten Umgebung», dürften die meisten älteren Menschen wohl antworten. Doch Forscher beobachten einen leichten Wandel.

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inen alten Baum verpflanzt man nicht, heißt es. Das meint: Menschen sollten im Alter nach Möglichkeit nicht mehr aus ihrer gewohnten Umgebung gerissen werden. Und viele Ältere wollen das auch nicht. Doch der Alternsforscher Hans-Werner Wahl sieht hier einen Wandel: Ältere Menschen seien länger mobil. Zu den »jungen Alten« zählt man mittlerweile die 65- bis 80Jährigen und auch sonst würde die Umzugsbereitschaft tendenziell eher steigen, so Wahl. Es seien

Wer keine Lust mehr hat, alleine zu wohnen, kann in ein MehrFoto: Klose generationenhaus oder eine WG ziehen. »Pioniere des neuen Alterns«, die auch hochbetagt noch einmal Lust auf neue Erfahrungen hätten. »Es ist eine neue Generation«, sagt der Alternsforscher Prof. Frank Oswald. Es sind die soge-

nannten Babyboomer, geboren in den 1950er und 1960er Jahren, die mit ganz anderen Lebensansprüchen aufgewachsen sind und diese jetzt ins Alter transportieren. »Dadurch ergeben sich neue Selbstbe-

wusstheiten, die es mit neuen Wohnangeboten zu beantworten gilt«, sagt Oswald. Aktuell seien es zwar noch weniger als ein Prozent der Älteren, die in alternativen Wohnformen wie dem »Gemeinschaftlichen Wohnen« leben, doch dieser Trend werde in den kommenden Jahren voraussichtlich zunehmen. Welche Wohnform am besten passt, hängt ganz von den individuellen Umständen ab. Dabei lohnt es sich, Zeit für die Entscheidung zu nehmen, sich ausgiebig zu informieren und Wohnungsbesichtigungen zu machen. Für Unentschlossene gibt es Angebote wie das Probewohnen. Man kann sich fragen: »Was wäre die beste Lösung, wenn man alles machen könnte, was man will?« So ein fiktives Gedankenspiel hilft, herauszufinden, was man im Alter wirklich möchte. red/tk


Senioren-Spezial: Wohnen & Leben im Alter

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Auch eine Typfrage

Im Alter mit anderen zusammenleben: ein Trend mit vielen verschiedenen Varianten Nicht mehr allein sein. In der Corona-Krise rückt die Gemeinschaft wieder in den Vordergrund – auch beim Wohnen. Ältere sollten sich so einen Schritt aber gut überlegen. Infos gibt es zum Glück genug.

G

emeinsam weniger einsam: Mit anderen Menschen zusammenwohnen, kann für ältere Menschen attraktiv sein. Doch wer lange allein gelebt hat, sollte nicht kopflos eine WG gründen, sich vorschnell an einer Baugemeinschaft beteiligen, oder überstürzt in ein Zimmer in einem Mehrgenerationenhaus ziehen. Man müsse der Typ dafür sein, erinnert Andrea Beerli vom Forum Gemeinschaftliches Wohnen. Lebe man zusammen, seien Offen-

heit und Kompromissfähigkeit gefragt. Jede und jeder müsse einen Teil zu der Gemeinschaft beitragen, erklärt die Expertin gegenüber dem Podcast »Zusammenhalten in dieser Zeit« der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO). Beerli sieht in »gemeinschaftlichen Wohnprojekten« einen Zukunftstrend. Vor allem, weil es viele verschiedene Varianten gebe – von der einfachen Baugemeinschaft bis zu fast familiären Strukturen. So finden fast alle Menschen, die nicht mehr alleine leben wollen, ein passendes Konzept. Hilfreich kann dabei laut der BAGSO ein Fragebogen sein, den das Netzwerk Frankfurt Gemeinschaftliches Wohnen anbietet und der eine Selbstreflexion über die eigenen Bedürfnisse und Wünsche ermöglicht - und mit dem Interessierte am Ende herausfinden

sollen, ob sie ein »gemeinschaftlicher Wohntyp« sind, oder nicht. Weitere Anlaufstellen, die mit Infos und Kontakten weiterhelfen können, seien etwa der Bundesver-

band und die Regionalbüros des Forum Gemeinschaftliches Wohnen, das Wohnprojekte-Portal der Stiftung Trias oder der Bundesverband Baugemeinschaften. red/tk


Fr. 16. Juli

Volksbank Lahr eG


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