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echt stark
Erfolgsgeschichten aus der Region
SONDERBEILAGE
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MEINE HEIMAT
Mit 100 Jahren noch an der Platte Einer der ältesten Ortenauer spricht über sein bewegtes Leben / Ernst Jäger aus Sulz spielt trotz Beinprothese regelmäßig Tichtennis /Im Schach ist er einmal Stadtmeister in Lahr gewesen
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r ist einer der ältesten Bewohner der Ortenau. Ernst Jäger ist vor wenigen Monaten 100 Jahre alt geworden - und dürfte damit einer der wenigen Menschen in der Region sein, die ihr Alter in drei Ziffern angeben. Sein Leben ist geprägt vom Zweiten Weltkrieg. Dort wurde er schwer verwundet, verlor sein rechtes Bein und seinen linken Arm. Ernst Jäger erinnert sich noch genau an diesen Schicksalsschlag aus dem Jahre 1941. »Splitter trafen Arm und Bein, das war am 31. Dezember 1941.« Seither helfen ihm eine Prothese und seit drei Jahren auch ein Rollstuhl bei der Bewältigung seines langen und glücklichen Lebens. Vor allem Letzteres trifft auf den alten Mann aus Sulz zu. »Mir geht es gut, ich versuche noch aktiv am Alltag teilzunehmen«, sagt der gebürtige Ichenheimer, der 1974 nach Sulz zog, um ein großes Haus für seine Familie zu bauen. In diesem Haus lebt er noch immer, allerdings alleine, seine beiden Frauen sind schon lange tot. Jetzt kümmert sich die nette Agatha aus Polen um Ernst Jäger und seine etwas verschlafen dreinblickende schwarze Katze. Es ist schon faszinierend, wie agil und geistig präsent Ernst Jäger ist. Wie er spricht, erzählt, Witze reißt. »Mein Rezept für ein langes Leben ist es, nicht zu rauchen, nicht zu saufen und keine anderen Frauen zu haben«, witzelt er. Damit er vom Kopf her nicht abbaut, »schreibe ich mir viele Sachen auf.« Jäger führt ganz akribisch Buch über seine Einnahmen und Ausgaben – in einem Haushaltsbuch. Berufskrankheit? Schließlich war der vierfache Familienvater, der inzwischen vier Urenkel hat, jahrelang Gemeinderechner, »Kassenverwalter«, wie Jäger es nennt. Als er 1974 mit knapp 64 Jahren in Rente ging, blickt Jäger nicht nur auf ein spannendes Berufsleben zurück, sondern auch auf eine bewegte Sportlerbiografie.
Immer noch regelmäßig Tischtennis im Keller mit Haushälterin Agatha Jäger begann nach 1945 Tischtennis zu spielen, kämpfte auf badischen Meisterschaften um Titel und hat noch immer eine Tischtennisplatte im Keller stehen. Dort spielt er noch regelmäßig mit Agatha. Er sitzt dann in seinem Rollstuhl, wenn ihm Agatha die Bälle zukontert. Auch spielt er noch immer Schach, wurde einmal Stadtmeister in Lahr. Eine Urkunde im Wohnzimmer dokumentiert den Erfolg. Seine heutige Trainingspartnerin ist wieder einmal seine polnische Pflegerin, die er überdies versteht, auf Trab zu halten. Man muss aber ins Jahr 1980 zurückblicken, damals war Jäger 62 Jahre alt, um seinen größten sportlichen Erfolg zu
Noch schwer aktiv: Der 100-jährige Ernst Jäger aus Sulz spielt noch regelmäßig Tischtennis. Eine Platte steht bei ihm seit Jahren im Keller. Foto: Bieber erkunden. »Ich nahm bei den Olympischen Spielen für Behinderte in Arnheim in den Niederlanden als Schwimmer teil.« Ein »Diploma« belegt die Teilnahme des Sulzers, der zu jener Zeit als ältester deutscher Teilnehmer bei Olympischen Spielen für Behinderte galt. Auch präsentiert Jäger stolz einen vergilbten Zeitungsartikel. Er zeigt ihn bei einer Ehrung beim Lahrer Alt-Oberbürgermeister Dietz. »Ich wurde damals für meine langen Verdienste bei Sportverbänden und Vereinen geehrt.« Insgesamt war Ernst Jäger in dreizehn Vereinen aktiv und bekam dafür die Ehrennadel des Landes Baden-Württemberg verliehen. »Ich möchte mich nicht selber loben«, lässt er immer wieder bescheiden verlauten, als er von seiner erstaunlichen Sportler-Karriere erzählt. Braucht er auch nicht, denn seine Erfolge stehen für sich. Dann zeigt Jäger einige Fotos aus längst vergangener Zeit. Auf einem sieht man, wie der einarmige und -beinige Hobbyschwimmer von der Mühlbachbrücke in Meißenheim in den gleichnamigen Bach
springt. »Manchmal musste ich mich vom zwei Meter tiefen Kiesboden mit meinem Arm wieder nach oben katapultieren«, lacht Jäger. Natürlich war er schnell die Attraktion des Dorfes. Es hieß nur noch: »Kommt schnell zusammen. Der Mann springt wieder.« Es ist selbstredend nicht gerecht, ein 100jähriges Leben auf nur einer Seite abzubilden, deshalb muss unbedingt noch gesagt werden, dass Jäger an einem Film mitgewirkt hat. »Ich spielte in einer kleinen Nebenrolle bei ’Lenz oder die Freiheit’ mit.« Der 1986 ausgestrahlte Film behandelt die badische Revolution. Auch hier wieder tolle Aufnahmen aus Jägers Foto-Archiv. Dann sagt er, dass er zu seinem Auto müsse – einem großen Opel Zafira. Das bedeutet im Klartext, dass der 100-Jährige noch immer Auto fährt. »Solange es der Arzt mir nicht untersagt, fahre ich, aber maximal 50 bis 60 Kilometer pro Stunde«, sagt Jäger mit einem schelmischen Blick. n
David Bieber
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Gemeinschaftsgefühl im dunklen Saal Curt Prinzbach ist ein Cineast mit Leib und Seele – und sein Kinobetrieb in der Neuen Eisenbahnstraße blickt auf eine 100-jährige Geschichte in Haslach zurück
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Auf 100 Jahre Kinotradition blickt Haslach zurück. Was heutzutage für eine Stadt dieser Größe eine Besonderheit ist, geht direkt auf die Hochzeiten des Lichtspiels zurück. Und auch heutzutage hat das Kino mit seinen drei Sälen durchaus seine Daseinsberechtigung, ist sich Betreiber Curt Prinzbach sicher. Denn die nächsten Kinos liegen in Offenburg, Lahr, Triberg oder gleich Emmendingen. Und viele Kinogänger schätzen die familiäre Atmosphäre, die der Haslacher Betrieb ausstrahlt. Nicht selten begrüßt der Chef selbst seine Gäste per Handschlag. Neben dem gerade geforderten Normalprogramm legt Curt Prinzbach zudem Wert darauf, auch ungewöhnliche Filme ins Programm zu nehmen. Prinzbach hat ein Gespür für Neuerungen. »Seinerzeit waren wir das erste Kino in der gesamten Ortenau, das komplett auf Dolby Sorround umgestellt hatte«, blickt er zurück. Heute ist das Kino auf Digitalbetrieb umgestellt, die klassische Filmrolle hat ausgedient. In Zeiten von Netflix und anderen Streamingdiensten drängt sich die Frage auf, ob ein Kino überhaupt noch nötig ist. »Natürlich«, sagt der Betreiber überzeugt und zieht einen treffenden Vergleich: »Man kann doch auch sein Bier allein zu Hause trinken, aber wo schmeckt es am besten? In der Kneipe.« Ähnlich sei es mit dem Anschauen eines Films: Daheim werde dies schnell zu einer Nebensache. Im Kino sei der Zuschauer komplett auf den Film konzentriert. Gleichzeitig entstehe mit den anderen Zuschauern im Saal eine Gemeinschaft. »Das ist einzigartig und zu Hause nicht zu schaffen.« Dieses Gemeinschaftsgefühl ist seit fast genau 100 Jahren in Haslach erlebbar. Denn im August 1919 veröffentlichte der Betreiber des
»Mit den anderen Zuschauern im Kinosaal entsteht eine Gemeinschaft.« Curt Prinzbach Bayerischen Hofs eine Anzeige. In dieser schrieb er: »Daß ich in meinem Saale ein Kinematographentheater auf eigene Rechnung errichtet habe und mit den Vorführungen demnächst beginnen werde.« Damit sprang das Städtle auf einen Trend auf, der die Welt in dieser Zeit rasant erfasste. 1895 flimmerten die ersten Vorführungen von Bewegtbildern über die Leinwand. Schnell hatten sich Kinos und Lichtspieltheater auch in Deutschland etabliert, sie schossen förmlich wie Pilze aus dem Boden. Deutschland sollte sich in der Folge zu einer florierenden Produktionsstätte entwickeln. Noch immer gelten Filme wie Fritz Langs »Metropolis« als Klassiker und Meilensteine in der Entwicklung des Mediums. Lange vor dem Fernseher, lange vor der Digitalisierung von Filmen wurden Kinos zu Stätten der Information und Unterhaltung. Von live durch Kinomusiker begleiteten, schwarz-weißen Stummfilmen entwickelte der Film sich in-
Monika und Curt Prinzbach führen die Haslacher Kinotradition seit vielen Jahren. Foto: Störr nerhalb der vergangenen Jahrzehnte zu hochtechnisierten digitalen Produktionen. Mit Video, DVD und Internet mussten die Lichtspielhäuser immer wieder auf existenzbedrohende Entwicklungen reagieren. Eine Herausforderung, die das Haslacher Kino bislang gut überstanden hat, mehr noch: Der »Totengräber« Fernsehen half sogar, das Kino zu erhalten. Aber der Reihe nach: Seit 1919 lief also der Betrieb im Bayerischen Hof. Im Jahr 1951 dann legte Alfred Prinzbach, der Vater des heutigen Betreibers Curt, mit dem Bau des »Scala« in der Neuen Eisenbahnstraße den Grundstein für die Kinodynastie Prinzbach. »Meine Mutter war leidenschaftliche Kinogängerin«, erinnert Curt Prinzbach sich. Sie war es auch, die den Betrieb nach dem frühen Tod ihres Ehemanns mehr als 20 Jahre lang allein weiterführte. Für drei Jahre liefen der Betrieb im Bayerischen Hof und im »Scala« parallel, dann übernahmen die Prinzbachs. Aus »Bayerischer Hof Lichtspiele« wurde damit im Jahr 1954 »Hali« – »Haslacher Lichtspiele«. 1959 folgte der nächste Neubau: Das »Rio« entstand an derselben Stelle, an der auch heute noch der gesamte Kinokomplex mit seinen drei Sälen steht. Auf rosige Zeiten folgte vielerorts jedoch schnell Ernüchterung. Als der Fernseher Einzug in die Privathaushalte hielt, verzichteten viele
auf den Filmgenuss auf der Leinwand. Prinzbach bezeichnet den Fernseher daher gern als »Totengräber«, betont jedoch gleichzeitig, dass gerade dieser seinen eigenen Betrieb gerettet hat. Denn der Familie gehört auch das Unternehmen Elektro Prinzbach, das Vater Alfred 15 Jahre vor dem Kino gegründet hatte. Dort wurden die Geräte von den Haslachern gekauft. »Hali«, »Scala« und »Rio« überlebten. Obwohl es für die Gebäude des Öfteren Übernahme-Angebote von Supermärkten gab. »Nur mit dem Kino wäre es sehr eng geworden«, gibt Prinzbach zu. Mit dem Aufkommen der Videotheken erlebten die Kinos eine erneute Krise. 1985 wurde das »Scala« geschlossen. Bis 1997 hatte Haslach nurmehr ein Kino mit einem Saal. Um gegenüber Heimkinoanlagen bestehen und auf Erscheinungsdaten und die Nachfrage reagieren zu können, reicht das jedoch nicht aus: »Wir müssen mit dem Programm flexibel sein können und das geht nur mit mehreren Sälen.« 1997 wurde ein zweiter Saal angebaut, 2007 folgte der dritte. Sie sind nach den alten Haslacher Kinos benannt: »Rio«, »Scala« und »Hali« sind nun unter einem Dach vereint und bieten insgesamt mehr als 550 Sitzplätze. Sechs Teilzeitkräfte stehen hier in Lohn und Brot. n
Lisa Kleinberger
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Die Betrachter lächeln vor Freude Evgeniya Scherer hat die ersten Europa-Park-Briefmarken überhaupt gestaltet / Schon als Kind war sie eine begeisterte Sammlerin / Kunst ist die große Leidenschaft der Juristin aus Lahr
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utten sind süß, wohlgenährt, sehen glücklich aus – man muss sie einfach gern haben. Den kindlichen Engeln hat Evgeniya Scherer ein Gemälde gewidmet. Es zeigt die pausbäckigen Knabenfiguren in einer römisch angehauchten Fantasielandschaft, wie sie sich mit ganz unterschiedlichen Dingen beschäftigen – einer der kleinen Engel fährt sogar Motorroller. Das lebens- und farbenfrohe Bild ist typisch für die Lahrerin, deren Werke beim Betrachter eher ein Lächeln als ein Stirnrunzeln erzeugen. Das Bild steht auf einer Staffelei in Scherers Atelier, etliche weitere fertige Arbeiten lehnen an einer Wand. Auf einem Schreibtisch liegt eine Mappe mit Malutensilien, daneben steht ein Scheinwerfer, wie ihn professionelle Fotografen benutzen. Scherer braucht die Lichtquelle, da sie meist erst abends mit dem Malen beginnt – dann aber ist die Künstlerin häufig bis in die tiefe Nacht kreativ. Der Raum wirkt aufgeräumt, von Chaos keine Spur. Darin scheint eine Persönlichkeit auf, die Ordnung schätzt. Das passt zu Scherers Beruf – die 41-Jährige ist promovierte Juristin, Spezialgebiet Medienrecht. Ihr Beruf und ihre liebste Freizeitbeschäftigung stehen scheinbar in Kontrast zueinander, doch gerade das sei auch reizvoll, sagt Scherer: »Als Juristin muss ich Regeln und Gesetze beachten, in der Kunst ist alles möglich.« Von dieser Freiheit macht sie in ihren surrealistischen Öl- und Acrylbildern regen Gebrauch. Neben dem Bild mit den Puttenfiguren steht etwa eine Staffelei mit einem Gemälde, auf dem Drachenwesen zu sehen sind. Scherer fertigt aber auch Collagen an, die reale Bezüge haben.
»Als Juristin muss ich Regeln und Gesetze beachten, in der Kunst ist alles möglich.« Evgeniya Scherer Künstlerin – das war ihr großer Berufswunsch, als sie zehn Jahre alt war, wie Scherer heute erzählt. Doch dann habe ihre Mutter ein ernstes Wort mit ihr geredet. »Sie hat betont, dass man auch daran denken muss, eine Familie zu ernähren.« Bald danach stand für die gebürtige Bulgarin fest, dass sie Richterin werden will. Woher kam dieser ungewöhnliche Berufswunsch für ein junges Mädchen? »Gerechtigkeitsgefühl«, antwortet sie heute. Scherer ist in Sofia aufgewachsen und hat dort ein deutsches Gymnasium besucht. Ihr Jura-Studium absolvierte sie in der Hauptstadt Bulgariens und in Hamburg. Verheiratet ist sie mit Landrat Frank Scherer, mit dem sie in Lahr zusammenlebt. In der Stadt fühle sie sich sehr wohl, sie sei jetzt ihre Heimat. An Lahr gefallen
Viermal Ed und Edda: Evgeniya Scherer präsentiert ihr Acrylbild mit den vier Motiven für die Europa-Park-Briefmarken. Darauf sind jeweils die Maskottchen des Freizeitparks zu sehen. Foto: Schabel ihr besonders »das kulturelle Angebot und das Zusammengehörigkeitsgefühl der Bürger«, das sich etwa in den vielen Initiativen zur Landesgartenschau zeige. Wie passen aber die Juristerei und die Kunst zusammen? Nun, beides erfordert ein feines Wahrnehmungsvermögen – und in beidem lässt sich eine positive Lebenshaltung ausdrücken. Scherer sagt, als Juristin sei es ihr wichtig, Verträge so zu gestalten, dass keine Konflikte entstehen. Als Künstlerin erschafft sie surrealistische Welten, in denen es eher harmonisch zugeht. Scherer hat von Kindesbeinen an Briefmarken gesammelt. Als sie dem EuropaPark im Vorjahr vorschlug, Briefmarkenmotive für ihn zu gestalten, war Parkchef Roland Mack sofort begeistert. Bei mehreren Besuchen im Park sammelte sie Ideen, die sie danach auf eine Leinwand brachte. Entstanden sind so vier Briefmarken, die Ed und Edda zeigen, die Maskottchen des Ruster Freizeitunternehmens. Liebhaber des Freizeitparks werden in Scherers filigranen Briefmarkenmotiven vieles wie-
dererkennen, so tummeln sich »Euromaus und Euromausi« bei ihr zum Beispiel im russischen oder italienischen Themenbereich. Es sind winterliche Bilder, die dem Betrachter ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Das Honorar hat Scherer den karitativen Vereinen von Mauritia und Marianne Mack gespendet. Vom Erfolg angespornt, hat die 41-Jährige in diesem Jahr eine Frühlingsbriefmarke für den Park gestaltet, die die Serie fortsetzt. »Als Künstlerin kann ich Welten erschaffen«, sagt Evgeniya Scherer. 2016 hat sie sich einen Traum erfüllt und ein Studium an der Akademie für Bildende Kunst Lahr im Zeit-Areal begonnen. Dazu gehört auch eine Abschlussausstellung, der sie mit Vorfreude und Nervosität entgegenblickt, da sie ihre Bilder noch nie öffentlich gezeigt hat. Dabei hat sie mit ihren Briefmarkenmotiven für den Europa-Park die »Feuertaufe« bereits bestanden: Laut Auskunft des Parks sind die Briefmarken bei den Gästen sehr beliebt. n
Herbert Schabel
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Kleine Züge, große Leidenschaft Die Schwarzwald-Modellbahn in Hausach zeigt die Heimat im Miniaturformat und ihr »großes« Vorbild, wie man es sonst nur aus dem Flugzeug kennt.
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in Tag hat 15 Minuten. Täglich muss das rote Cabrio halten, weil eine Kuh den Weg versperrt, in jeder Nacht wird eine Bardame in einem einsamen Haus von einem Jäger erschossen. Und an jedem Tag bleibt das Feuerwehrauto an der selben Kreuzung stehen, um eine alte Dame mit Rollator über die Straße zu lassen. Sollte es jedenfalls. Thomas Panzer schüttelt den Kopf, klaubt das Auto von der Straße und setzt es vorsichtig wieder darauf. Wie von Zauberhand fährt es weiter, vorbei an Schwarzwaldhöfen, Bergen und Bahnhöfen. Der 54-Jährige ist Herr über den Schwarzwald im Miniaturformat. Die »große« Schwarzwaldbahn fährt seit Ende des 19. Jahrhunderts zwischen Offenburg und Konstanz. In unmittelbarer Nähe des Hausacher Bahnhofs rattern Miniatur-Züge aktueller und historischer Baureihen durch die künstliche Landschaft der SchwarzwaldModellbahn, nach eigenen Angaben die größte Modellbahn nach realem Vorbild. Auf der etwa 400 Quadratmeter großen Anlage überwinden die Züge 1,80 Meter Höhenunterschied und passieren auf ihrem Rundweg unter anderem die Bahnhöfe Hornberg und Triberg – alles im Maßstab 1:87. Ein Miniatur-Hausach findet sich rund um den Ausgangsbahnhof, die Häuser sind teilweise originalgetreu nachgebaut. Zwischen 40 und 50 Züge drehen dabei ständig ihre Runden durch die idyllische Landschaft. Dazwischen gibt es winzig kleine Sommerfeste zu bestaunen, Wanderer, die den Blick ins Tal genie-
Die Schwarzwald-Modellbahn zeigt den Streckenverlauf der Schwarzwaldbahn – mit kleinen Freiheiten, die sich Inhaber Thomas Panzer erlaubt hat Fotos: Beule ßen oder Bewohner, die im Garten graben. An vielen Stellen bekommen die Besucher Informationen zur Schwarzwaldbahn, den Bahnhöfen oder Sehenswürdigkeiten. »Die schönste Stimmung herrscht, wenn es dunkel ist und die Züge klappern vor sich hin«, sagt Panzer. Das passiert im Mini-
Bis ins kleinste Detail: Neben den Zügen gibt es perfekte kleine Wunderwelten zu entdecken.
Schwarzwald alle 15 Minuten, dann werden die LED-Lichter langsam dunkler, um gleich darauf den nächsten Tag zu simulieren. Er habe bewusst darauf gesetzt, die Anlage nicht zu überladen und die Züge auch mal mehrere Meter durch die grüne Hügellandschaft fahren zu lassen, so Panzer. »Die verschiedenen Ebenen der Bahn erlauben unterschiedliche Blickwinkel«, erklärt der 54Jährige. Besucher können also von unten die Berge hinauf oder, nach einem kleinen Rundgang, von oben in saftig grüne Täler schauen. Die Wandbilder, die durch eine spezielle Maltechnik dreidimensional wirken, machen die Illusion perfekt. Etwa 45 Minuten brauche ein Zug, um die ganze Runde zu fahren – immerhin 1,3 Kilometer. Allein 60 000 Tannenbäumchen und 12 000 Obst- und Laubbäume haben Panzer und seine Mitstreiter in die Hügellandschaft geklebt. Hinzu kommen 3800 Figürchen, Kühe und Schafe, die die Miniwelt bewohnen. Die liebevollen Details setzen sich bis ins Innere der etwa 160 Häuser fort: Während im Obergeschoss ein Streit tobt, ma-
chen es sich im Untergeschoss die Kühe gemütlich. Panzer grinst. Das seien die kleinen Freiheiten, die er sich erlaubt habe. »Manchmal stehen Kinder davor und rufen: ›Mama, bei denen im Schwarzwald stehen die Kühe im Wohnzimmer‹«. n
Katharina Beule
Impressum Verlag und Herausgeber Lahrer Zeitung GmbH Kreuzstraße 9, 77933 Lahr Telefon 07821/27 83-0 Geschäftsführung und Anzeigenleitung Kirsten Wolf Redaktion Thomas Kroll, Jörg Braun (V.i.S.d.P.) Titelseite Annette Fellner-Höhne Druck Druckzentrum Südwest GmbH Villingen-Schwenningen
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Freude an der Natur: Andreas Kaufmann ist Vereinsvorsitzender und einer der Hüttenwarte des Lahrer Schwarzwaldvereins, die die Lahrer Hütte betreuen. Foto: Schabel
Leichter leben auf der Lahrer Hütte In dem urigen Haus des Lahrer Schwarzwaldvereins auf dem Geisberg herrscht eine besondere Atmosphäre / Jedes Wochenende kümmern sich neue Hüttenwarte um das Wohl der Wanderer
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attes Grün, frische Luft, Ruhe: Kaum etwas eignet sich so gut zum Abschalten und Auftanken wie ein Spaziergang im Wald. Diese wohltuende Atmosphäre spürt auch jeder, der sich der Lahrer Hütte auf dem Geisberg nähert. Vom Parkplatz Hallenwasen, drei Kilometer hinter dem Ortsende von Schweighausen gelegen, geht es 15 Minuten auf einem Waldweg zu Fuß leicht bergauf – dann taucht »Lahrs höchstes Haus« hinter hohen Bäumen auf. Hellblaue Fensterläden, in der Mitte rote Herzen, geben dem urigen Gebäude eine freundliche Anmutung. Eigentümer ist der Schwarzwaldverein Lahr, der die Lahrer Hütte das ganze Jahr hindurch stets von Samstag 12 Uhr bis Sonntag 17 Uhr durchgehend öffnet; wer mag, kann dort also übernachten. Der Verein hat nicht einen Hüttenwart, sondern viele. Wechseln sich doch die Mitglieder mit dieser Aufgabe ab, jedes Wochenende schließt ein anderes ZweierTeam die Holztür mit der Raute des Schwarzwaldvereins in Blickhöhe auf. Einer der Hüttenwarte ist Andreas Kaufmann, der auch Vereinsvorsitzender ist. Für ihn ist der Aufenthalt dort immer etwas Besonders, etwas, worauf er sich jedes Mal von Neuem freut. Kaufmann gerät ins Schwärmen, wenn er von der Lahrer Hütte erzählt: »Im Win-
ter ist es dort winterlicher als im Tal, im Sommer kühler. Man ist dort wie in einer anderen Welt.« Doch nicht nur die Lage inmitten intakter Natur mache das Haus zu etwas Besonderem: »Man trifft hier auch nette Leute.« Menschen, die entspannter sind als in der Stadt, wie Kaufmann beobachtet hat. »Man ist gefühlt weit weg von allem«, charakterisiert er die Atmosphäre. Das Hüttenleben ist unkompliziert, die Abläufe sind für jedermann schnell verständlich. Es gibt einfache Regeln, zum Beispiel muss jeder die Wanderschuhe ausziehen, der ins obere Stockwerk will, wo die meisten Schlafräume liegen. Übernachtet wird nicht im Massenlager oder auf Stroh, sondern in Betten und in hütteneigener Bettwäsche. 23 Schlafplätze stehen insgesamt zur Verfügung, verteilt auf vier Zimmer. Es gibt auch moderne sanitäre Anlagen. Das Herzstück der Lahrer Hütte ist die rustikal eingerichtete gute Stube im Erdgeschoss. Gleich linker Hand hinter der Tür steht ein Kachelofen, der in der kalten Jahreszeit für wohlige Wärme sorgt. Das Feuerholz holt der Hüttenwart aus einem Schuppen nebenan. Außerdem ist der Hüttenwart auch Herbergsvater und Gastwirt – er bewirtet Wanderer mit einem Brotzeitteller und selbstgebackenem Kuchen.
Schwarzweiß-Fotos im kleinen Foyer erinnern an frühere Generationen des Schwarzwaldvereins, der die Lahrer Hütte 1931 eröffnete. Mitglieder haben das Haus mehrfach saniert; zuletzt ist die Küche modernisiert worden. Dort gibt’s alles, was Köche sich wünschen – außer einem Geschirrspüler, soll doch das gemeinsame Abräumen und Abwaschen das Gemeinschaftserlebnis stärken. Heutzutage ist die Lahrer Hütte eine Selbstversorgerhütte für Abenteurer aus der Stadt – der Verein vermietet sie an Gruppen –, sowie ein beliebter Anlaufpunkt für Tagesausflügler, die mit dem Auto auf den Geisberg kommen und dann nur das letzte Stück zu Fuß gehen. Zugleich ist sie aber auch nach wie vor eine romantische Berghütte für alle, die auf den Schuttertäler Wanderwegen unterwegs sind und rasten sowie vespern wollen. Kaufmann hat schon mitten in der Nacht Wanderer aufgenommen, die froh waren, Unterschlupf gefunden zu haben. Viele Besucher bringen Grillgut mit und erleben am Abend romantische Stimmung am Feuer. Auch drinnen in der guten Stube rückt man zusammen, genießt die Auszeit vom Alltag. Es ist dieses besondere Lebensgefühl, das den Aufenthalt auf der Lahrer Hütte so reizvoll macht. n
Herbert Schabel
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Gemeinsam lachen, sprechen und diskutieren gehören unter anderem zu den monatlichen Treffen verschiedener Hornberger Gruppen. Der Vereinsstammtisch ist eine wichtige Institution in der Stadt. Fotos: Stangenberg
Sie bewegen und gestalten Hornberg Beim Vereinsstammtisch treffen sich seit 1999 Ehrenamtliche in lockerer Atmosphäre, um sich auszutauschen und das Leben in ihrer Heimatstadt gemeinsam voranzubringen
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ornberg – die Stadt des Hornberger Schießens. Nicht zu Unrecht sind die Hornberger stolz auf eines ihrer Aushängeschilder, die sie weit über die Grenzen des Kinzigtals hinaus berühmt machen. Die 4300-Einwohner-Stadt mit ihren Stadtteilen Reichenbach und Niederwasser steht aber noch für viel mehr. Und das sind, wie Bürgermeister Siegfried Scheffold sagte, die zahlreichen großen und kleinen Vereine, die das Leben, den Alltag in Hornberg mit kulturellen und sportlichen Veranstaltungen bereichern, sich für Kinder, Jugendliche, Erwachsene und Senioren gleichermaßen einsetzen, Menschen in Not unterstützen, Traditionen pflegen, Brände löschen und und und. Hinter ihnen stehen die Menschen, die sich im Vorstand engagieren, Anträge stellen, Finanzen prüfen, Nachwuchs suchen oder »den Laden zusammenhalten«. Da sind aber auch die Menschen, die vielleicht in der zweiten Reihe stehen, aber bei jedem Treffen, jeder Probe, jedem Arbeitseinsatz dabei sind, für das Sommerfest Kuchen backen oder ihren Verein mit ihrem Charakter und ihrer Persönlichkeit bereichern – eben die »Originale«, die dem Verein auf ihre eigene Art und Weise ihre persönliche Note geben. Eines zeichnet alle Vereine aus: Sie stiften Gemeinschaft. Eine Besonderheit in Hornberg ist der Vereinsstammtisch, bei dem sich die Vertreter der mehr als 40 Hornberger Vereine
circa acht Mal im Jahr in lockerer Atmosphäre in einem Gasthaus treffen. Keine offizielle Tagesordnung, sondern die Gespräche miteinander, das sogenannte „gemütliche Beisammensein« stehen im Vordergrund. Jeder der möchte, berichtet über die Aktivitäten, die demnächst im eigenen Verein anstehen: Dass die nächste Blutspende, das Suchen nach Helfern für die nächste Weihnachtsfeier oder die Organisation der Kinderbelustigung beim nächsten Stadtfest sein können. Einzigartig ist auch Tag, an dem sich einige Hornberger zum ersten Mal zu einem Stammtisch trafen: Am 9.9.1999.
Das Stiften von Gemeinschaft und der Einsatz für die Mitmenschen zeichnet alle Gruppen gleichermaßen aus »Wir haben damals festgestellt, dass jeder Verein ähnliche Probleme, gleiche Anliegen hat. Also warum sollten wir uns nicht mal zusammensetzen, Meinungen austauschen oder auch gemeinsam Projekte entwickeln«, berichtet Rolf Hess, der die Treffen koordiniert. Vor 19 Jahre habe Karin Kupka, die
damalige Leiterin der Tourist-Information in Hornberg, den Stammtisch geleitet, so Hess. Als erstes Projekt stellte der Stammtisch die Veranstaltung »Spiele ohne Grenzen« auf die Beine. Seit 2008 organisieren die Vereine ihr monatliches Treffen in Eigenregie und laden dazu auch Vertreter verschiedener Institutionen ein: So berichtet Beate Brohammer von der TouristInformation bei einem Treffen über die Vorbereitungen zum Stadtfest. Die Polizei informierte die Vereine über das Thema Jugendschutz, das Landratsamt über Hygienevorschriften oder andere über Gema-Gebühren für Veranstaltungen. Eben alle Themen, die Vereine für die Organisation von Feiern oder Konzerten benötigen. In den 2000er sei gewiss auch mal »Flaute« gewesen, erzählt Hess. »Da haben wir vielleicht zu dritt zusammengesessen.« Heute würden regelmäßig bis zu 15 Hornberger zum Stammtisch kommen. Mal mehr, mal weniger. Im Sommer unternehmen sie auch mal einen Ausflug zusammen. Dass die Vereine das offene Treffen durchaus ernst nehmen, sehe man daran, dass sich einige Vertreter sogar vorher abmelden – was sie gar nicht brauchen, so Hess. Die regelmäßige Teilnahme vieler Vereine zeichne den Erfolg des Stammtisches aus. »Der Grundgedanke des Treffens ist der Dialog zwischen den Hornberger Vereinen«, sagt Rolf Hess. Und das schon seit dem 9.9.1999. n
Lena Stangenberg
www.galerie - ortenau.de
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Der Mensch als Teil der Landschaft: »Fliegenfischer« heißt diese Fotografie von Thomas Kaiser. Fotos: Kaiser
Die Heimat in Bildern festhalten Thomas Kaiser verewigt die Landschaft »vor seiner Haustür« auf seinen Fotos. Entstanden sind Aufnahmen aus dem Schwarzwald, vom Oberrhein, von den Vogesen oder aus Frankreich.
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ur Landschaft gehören für Thomas Kaiser auch Menschen dazu: »Wir sind ja nicht in einer Wildnis, sondern von einer Kulturlandschaft umgeben, die der Mensch beeinflusst. Sei es etwa der Schäfer, der mit seinen Tieren den Strauchbewuchs gering hält, der Bauer, der seine Rinderherde weiden lässt, oder der Förster, der für einen gesunden Baumbestand sorgt. So gesehen ist der Mensch Teil der Landschaft und der Natur«, erklärt er. Der 56-Jährige aus Kappel ist weit über den Ortenaukreis hinaus bekannt für seine Tierfotografien, für die er viele Preise bekommen hat. In der letzten Zeit hat er sich aber mehr der Landschaftsfotografie zugewandt. Derzeit arbeitet er am Bildband »Der Himmel über der Ortenau«, der vorraussichtlich Ende des Jahres erscheint. Einige Bilder sind auch auf seiner Homepage www.naturfoto-thomaskaiser.de zu Bewundern. Seine Bilder, so sagt er, entstehen bei ihm zunächst im Kopf, für seine Fotografien ist er auf der Suche nach nicht-alltäglichen Motiven. Derzeit schwebt ihm ein alter Schwarzwaldhof vor, »so wie es ihn kaum mehr gibt«. Wenn dann die Bäuerin davor sitzt und strickt und der Bauer mit der Pfeife daneben, dann sei das zwar einerseits ein Klischee, andererseits aber auch ein Idyll. »Es ist ein schmaler Grat zwischen Klischee und Kitsch auf der einen und Realität und Zeitbezug auf der
anderen Seite«, weiß Kaiser. Das was er in seinen Fotografien umsetze, sei seine Idee von Bildästhetik – in der übrigens viel Arbeit steckt. Um Bilder von solcher Eindringlichkeit zu schaffen, wie Kaiser es tut, ist es notwendig, eine Beziehung zu dem aufzubauen, was man fotografiert – sei es Landschaft oder Mensch. Ein Jahr Kennenlernen hat es etwa gebraucht, bis eines seiner bekanntesten Bilder, »Wanderschäfer«, entstehen konnte. Wie man Landschaften – seien sie mit oder ohne Menschen – fotografiert, erklärt er in seinem Buch »Der Start in die Naturfotografie – Landschaft, Tiere und Pflanzen gekonnt in Szene setzen« (Verlag Schlütersche). Bei der Landschaftsfotografie komme es weniger auf die Brennweite an als auf das, was für sie typisch sei, sagt er: »Wenn man Landschaften oh-
Beim Fotografieren: Thomas Kaiser
ne Menschen mit einer möglichst kleinen Brennweite fotografiert, dann wird man zwar mit dem Weitwinkelobjektiv alles draufbringen – aber das wird nicht das sein, was man zeigen wollte.« Der Grund: Sämtliche Emotionen, die der Fotograf beim Betrachten hatte, fehlen. Das was die Landschaft ausmache, könnten einzelne Blickfänge wie ein alter Baum oder bestimmte sich wiederholende Kennzeichen sein (sogenannte Grafiken). »Erst wenn man das herausarbeitet, wird die Aufnahme halbwegs gültig«, erklärt Kaiser. Zufrieden mit einer Aufnahme zu sein, bedeute für ihn, dass der Betrachter sich emotional von dem Bild angesprochen fühlt: »Nur das zählt – und nicht wie viel Technik oder wie viel Aufwand ich in das Foto hineingesteckt habe.« Ein Unternehmen, das selten auf einmal klappt: »Wenn man vorhat, eine schöne Landschaft zu fotografieren, sollte man dort häufiger hingehen und sich genau überlegen, von welchem Standpunkt aus, mit welchem Licht und zu welcher Tageszeit man sie fotografieren will«, rät Kaiser. Die schönste Lichtsituation ist für ihn am Morgen eine Stunde vor oder nach dem Sonnenaufgang und am Abend die sogenannte blaue Stunde vor dem Untergang der Sonne. Denn dann mischen sich die kalten Farben der Nacht mit den warmen Rottönen der tiefen Sonne. n
Julia Göpfert
Das Ideale Geschenk
ALLES WAS KINDER INTERESSIERT UND INTERESSIEREN SOLLTE – IN EINER ZEITUNG. Mehr Infos unter www.schwarzwaelder-kinderbote.de Gefördert durch:
AOK Baden-Württemberg
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»Wohne auf der Vorstufe zum Paradies« Bestseller-Autor Horst Lapp spricht im Interview über Heimat und den Weg zum Glücklichsein / Gäste kommen aus aller Herren Länder auf den Staighof im Wolfacher Seitental Langenbach
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orst Lapp ist ein Bestsellerautor und schreibt immer wieder über die Heimat. Doch er, ein Westflüchtling, hat sie bis jetzt noch nicht richtig gefunden. Der 81Jährige, der mit seiner Frau auf dem Staighof im Wolfacher Seitental Langenbach lebt, fühlt sich in seiner Umgebung im Großen und Ganzen wohl – und das hat verschiedene Gründe. Aus aller Herren Länder bekommen Sie auf dem Staighof Besuch... Ich habe drei Gästebücher. Wer darin sucht, findet keinen Erdteil, von dem mich Menschen nicht schon hier besucht haben. Selbst aus Feuerland und Alaska kommen sie. Warum sind Ihre Gäste so international? Durch meine Bücher »Heimat – deine Sünder« (1987), »Schwarzwald Liebe Lumperei« (1990) und »Mein bitteres Brot« (2015). Selbst Chinesen und Japaner waren hier und haben Skizzen von mir gemacht. Das ist schön. Daheim bin ich leider verpönt. Anfangs kam das auch, weil ich als Flüchtling und ehemaliger Hirtenbub die Tochter aus dem größten und reichsten Gehöft, dem St. Romaner Äckerhof, geheiratet habe. Aber Neid ist für mich das rustikale Wort für Bewunderung. Ich freue mich daher auch, denn man keine Neider mehr hat, wird es ruhiger. Kann das auf Dauer nicht anstrengend sein? Natürlich. Dann werden auch böse Geschichten erfunden. Es gab nie Verhandlungen, nur wurde immer gesagt: »Horst Lapp« hat dies und jenes gemacht. Ich habe im neuen Buch »Mein bitteres Brot« extra für die Leserschaft in der Welt ein Führungszeugnis beigelegt. Und darin ist kein Eintrag vom Generalbundesanwalt zu finden. Was erfreut Sie denn im Gegensatz dazu? Ich bin mit Tieren groß geworden und ein großer Bewunderer von Kleinigkeiten sowie der Natur. Ich hebe alles auf, für mich ist alles Kunst. In Ihrem Hausflur hängen unter anderem Gemälde von Wolfacher Schellenhansel und Tieren. Ist das auch für Sie ein Weg, die Heimat zu konservieren? Ich suche meine Heimat noch, träume von ihr, habe sie hier nicht gefunden. »Wenn du’s nicht fühlst, du wirst es nie erjagen«, hat Goethe einst gesagt. Heimat ist da, wo man verstanden und geliebt wird und fühlt, dass man dazu gehört. Aber sind Sie hier denn nicht glücklich? Doch. Ich wohne hier auf der Vorstufe zum Paradies, habe einen guten Draht zur Natur und zum Herrgott. Mit dem Bodenpersonal habe ich manchmal ein bisschen Probleme, aber nicht mit »meinem Chef«. Ich bin jetzt 81 Jahre und fast gesund – bis auf meinen Rücken. 1944 sind Sie nach Wolfach gekommen, dann haben Sie im Schloss gelebt ... Ich war Schlossherr von Wolfach. Als hätte man gewusst, dass meine Vorfahren adlige Leute sind. Meine Urgroßmutter Carola Elisabeth ist eine Lapp. Wenn wir Hochzeiten oder Taufen
Auf dem Staighof im Wolfacher Seitental Langenbach lebt und schreibt der Bestsellerautor Horst Lapp. Foto: Steitz in der Familie haben, gehen wir nach Plobsheim ins Elsass. Dort steht die Kirche, die meine Vorfahren gebaut haben. Sie sind in einem Elsässer Haushalt mit Kindermädchen aufgewachsen, hatten alle nur erdenklichen Annehmlichkeiten und waren umringt von vielen Tieren. Dann mussten
»Ich war Schlossherr von Wolfach. Als hätte man gewusst, dass meine Vorfahren adlige Leute sind.« Sie im Zweiten Weltkrieg über Nacht mit wenig Gepäck fliehen. Was hat das in Ihnen ausgelöst? Und haben Sie jemals etwas aus Ihrer »alten Heimat« vermisst? Als Kind überhaupt nicht. Es war für mich herrlich im Schwarzwald, weil es drüben im Elsass ähnlich ist. Die Probleme fingen erst in der
Schule an, in Straßburg waren wir kaum im Unterricht, jede zweite Nacht herrschte dort Fliegeralarm. In Wolfach bin ich sitzengeblieben und nach der sechsten Klasse abgegangen. Wenn man nicht lesen und schreiben kann, ist das Leben schwierig. Erst, als ich Metzgerlehrling in Obertürkheim war, begegnete ich zufällig einer Schauspielerin vom Stuttgarter Staatstheater. Und sie brachte mir mit 18 Jahren das Lesen bei. Andere Menschen haben Sie bestärkt ein Buch über Ihr Leben zu schreiben. Für Sie – als ehemaliger Analphabet – muss dieser Erfolg sicher auch eine Genugtuung gewesen sein. Haben Sie insoweit mit Ihren »Sündern«, über die Sie im ersten Buch berichtet haben, auch endgültig abgeschlossen? Genau! Da war ein wunderschöner Freitag im Herbst und ich habe mir gesagt, einmal am Tag muss man etwas Gutes tun und habe allen Menschen, die sich an mir versündigt haben, in meinem dritten Band vergeben. n
Melanie Steitz
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MEINE HEIMAT
Weinbau ist ein ständiger Prozess Der Friesenheimer Winzer Martin Michael Erb hat sieben Goldmedaillen geholt. Warum eine solche Prämierung nicht nur fürs Image wichtig ist und warum Frost für Qualität spricht.
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ieles kombiniert Martin Michael Erb in seinen Weinen – die Liebe zu den Weinbergen, die Leidenschaft zur Traube und die Einzigartigkeit eines Jahrgangs. Jährlich beteiligt sich der Weinbautechniker an den DLGPrämierungen. Diesmal wurde er mit sieben Goldmedaillen ausgezeichnet, so vielen wie noch nie. Bei aller Freude stellt er sein Licht lieber etwas unter den Scheffel und betont: »Alle Kollegen haben insgesamt sehr gut abgeschlossen.« Den Jahrgang 2016 zeichne auch das Mengen-Güte-Verhältnis aus, das seit vielen Jahren erstmals wieder gepasst habe. »Im Gegensatz zum Jahrgang 2017, als 30 bis 40 Prozent der Menge infolge des Frostereignisses vom April weniger als im langjährigen Schnitt geerntet wurden«, erläutert Erb. Beim 2017er dürfe der Verbraucher wieder auf eine sehr gute Qualität hoffen. Sobald weniger Trauben geerntet werden, konzentrierten sich Mineral- und Bouquetstoffe in weniger Trauben. Für Erb gilt: Weinbau ist ein ständiger Prozess. Vielmehr versteht er sich als freischaffender Künstler, der zwar kreiere, dies aber nicht aus sich selbst heraus.Winzer und Kellermeister seien nur Sekundärproduzenten. Alles geschehe im Einklang und unter Beobachtung der Natur. Das sei die besondere Herausforderung am Beruf. »Der Winzer muss auf die Witterungsverhältnisse, gegenwärtigen Bodenverhältnisse, auf den gesamten Jahreslauf Rücksicht nehmen«, so Erb. Ganzheitlicher Weinbau sei eine entscheidende Philosophie. Will heißen: dem Wein die optimale Zeit zur Reifung schenken, nicht nur aus der Theorie denken und lenken, auch ein gutes Stück Gespür für die Natur und Pflanze mitbringen. In Demut verneige er sich vor den vorhe-
Erlesener Tropfen: Weinbautechniker Martin Michael Erb mit einem Spätburgunder Spätlese 2015, einem seiner prämierten Weine. Fotos: cbs rigen Generationen, die Weinbau ganz ohne technische Hilfeleistung betrieben haben. »Leider geht im Zeitalter der Technisierung und Digitalisierung altes Wissen Stück für Stück verloren«, bedauert Erb. Ein großes Anliegen ist ihm, dieses Wissen zu bewahren und zu berücksichtigen. Es gelte im Selbstkorrektiv zu bleiben. »In keinster Weise können wir heute
sagen, dass wir alles besser wissen.« Bei aller Ganzheitlichkeit habe auch Wirtschaftlichkeit seine Berechtigung. Selbstreflexion im Weinbau sei etwas Anstrengendes. »Ich kann mir nicht selbst auf die Schulter klopfen«, so Erb. Umso wichtiger sei, neben dem Urteil der Kundschaft, die Teilnahme an Prämierungen. Fachleute probieren blind die Weine und wählen aus. Über Geschmack lasse sich bekanntlich streiten, aber Erfolge bei Prämierungen seien fachliche Rückmeldungen, auf die sich der Winzer verlassen könne. Natürlich brauche es auch ein Quäntchen Glück, ob der eingereichte Wein auch den Geschmacksnerv der Prüfungskommission treffe. Offensichtlich haben seine Weine den Nerv getroffen. n
Christine Bohnert-Seidel
Biografie
»Wir wissen heute nicht alles besser«: Erb ist Tradition wichtig, dennoch geht er bei den Weinfässern mit der Zeit.
Martin Michael Erb, 49 Jahre ist Weinbautechniker und seit seinem 16. Lebensjahr im Weinbau tätig. Im Jahr 1990 machte er seinen Techniker für Weinbau und Önologie.
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