Zunftblaettli 2016

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INHALT Der Sonntag vor dem Schmutzigen Donnerstag, das ist alljährlich das Datum des närrischen Stelldicheins in Seelbach. Beim großen Narrenumzug nehmen in diesem Jahr nahezu 3000 Hästräger und Musiker und mehr als 70 Zünfte teil, allen voran der Seelbacher Schellebott. Startschuss ist um 14 Uhr. u Seite 10

Es ist ein ungewöhnliches Schauspiel der Seelbacher Fasent: die Befreiung des Geheimrats Dr. jur. Philipp Carl Edler von Schmidt zu Dautenstein aus seiner Flasche. Der schillernden Narrenfigur, die es seit Gründung der Eulenzunft im Jahr 1967 gibt, sind vier Seiten gewidu Seiten 4, 8, 14 und 18 met.

Die Eulenzunft ist stets darum bemüht, dass der sogenannte Narresome zum einen die Fasent richtig feiern kann und zum anderen deren Tradition und Vielfältigkeit kennenlernt. Genauso liegt es ihr aber auch am Herzen, den Kindern im Ort und darüber hinaus die Fasent näu Seite 16 herzubringen.

Impressum

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Grußwort Die Geschichte des Geheimrats Eine Tiroler Narrenfreundschaft Die Gesichter des Dr. Schmidt Der Umzug durch Seelbach Die Seelbacher Fasent 2016 Innenansichten des Geheimrats Der »Narresome« Der Geheimrat im Interview Die Karbatschenschneller Mitglied werden

Verlag und Herausgeber Lahrer Zeitung GmbH Kreuzstraße 9, 77933 Lahr Geschäftsführung und Anzeigenleitung Ulrike Lambart Redaktion Matthias Buschert, Peter Bühler, Hanjo Bolanz Fotos Eulenzunft, Seite 4, 10 (oben) und 16 (unten): Baublies, Seite 6 (unten): Dach Druck Druckzentrum Südwest GmbH 78052 Villingen-Schwenningen Erscheinungstermin 30. Januar 2016

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Eulenzunft Seelbach e. V.

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Werte Leserinnen und Leser, liebe Narrenfreunde

Hanjo Bolanz, Oberzunftmeister der Eulenzunft Seelbach

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ieles ist in 2015 geschehen – und vieles scheint so weit entfernt und ist doch so nah. Denken wir an die weit entfernten schrecklichen Kriege in Syrien, dem Irak und in Afghanistan und daraus resultierend die Flüchtlingskrise in Europa, in Deutschland, in unseren Gemeinden, vor unseren Haustüren. Die Veränderungen in der Bevölkerungsstruktur werden auch in der Fastnacht nicht ohne Auswirkungen bleiben. Dies bedeutet, dass sich die Narrenzünfte mit dem Thema Migration auseinandersetzen müssen. Insofern sind wir Zünfte bei dem Thema Integration direkt gefordert, mit den Themen Veränderung unserer Vereins- und Mitgliederstrukturen sowie unserer Fastnacht. Wir können nicht die Käseglocke über uns stülpen, den Kopf wenden und glauben, das Ganze ginge uns nichts an, denn es wird uns früher oder später einholen. Schon jetzt dürfte dies spürbar sein, denn spätestens bei den vielzähligen Narrentreffen und Fastnachtsveranstaltungen werden auch Migranten unter den Zuschauern und vielleicht sogar bei den Protagonisten sein. Jedoch nicht nur die Veränderung der Bevölkerungsstruktur ist eine Herausforderung, der wir uns stellen müssen. Auch der demografische Wandel, unsere schnelllebig gewordene Zeit mit einem veränderten Freizeitverhalten und den Flexibilisierungen der Arbeitsprozesse verändern unsere Vereinsund Feierkultur. Unsere Fastnacht wird sich weiter verändern, was nicht bedeutet, unsere kulturellen Werte aufzugeben. Die Fastnacht

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unterlag schon immer vielen Einflüssen und erreichte erst so ihre Vielgestaltigkeit und ihren unverwechselbaren Reichtum. So gilt es die gewachsenen Bräuche und Traditionen zu pflegen, aber auch vorausschauend sich Neuem gegenüber nicht zu verschließen. Die Pflege der örtlichen Fastnacht zu erhalten, zu gestalten und zu fördern, zählt zu den wichtigsten Aufgaben. Dies bedeutet ein Stück Identität zu wahren. Hierzu hat sich die Eulenzunft seit ihrer Gründung verschrieben. In diesem Sinne möchten wir wieder alle ganz herzlich zur Seelbacher Volks- und Brauchtumsfasent einladen, in dem ernsthaften Bemühen, eine traditionelle, festfreudige und niveauvolle Fasent in Seelbach zu erhalten, zu gestalten und zünftig zu feiern. Ich wünsche allen beim Lesen des Zunftblättlis viel Spaß und eine glückselige Fasent 2016.

Wer sind wir? ? Wir sind wer!!

Eulen laden zu m Verweilen, Hexen treibe n Schabernac k, wenn Schalm eien noch erkl ingen, fertig ist ein Z auberpack. Bei uns gibt’s ni nur das Beste e Langeweile, ist parat. Kommt zu un s uns’re Zunft, in Windeseile, die hat Form at, kommt zu un s in Windese ile uns’re Zunft, die hat Form , at.

Hanjo Bolanz, Oberzunftmeister der Eulenzunft Seelbach

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Ein besonderes Charakteristikum Die Geschichte des Seelbacher Geheimrats Dr. Schmidt / Fasentfigur gab es wirklich

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nicht mehr. Er starb am 19. Juni 1822, der Vergleich kam erst am 4. August zustande. Die letzte Familie aus den Nachkommen des Geheimrats war die der Anna Edler von Schmidt zu Dautenstein, die 1886 in Frankfurt den kaiserlichen Reichsbankdirektor Wilhelm Julius Waenker von Dankenschweil aus Waldshut heiratete. Sie starb 1942 in Freiburg, ihr Sohn Dr. phil. nat. Kuno Eduard Waenker von Dankenschweil starb 1945 ebenfalls in Freiburg.

lljährlich kann man zur Fasent in Seelbach Zeuge eines ganz ungewöhnlichen Schauspiels werden: der Befreiung des Geheimrats Dr. jur. Philipp Carl Edler von Schmidt zu Dautenstein aus seiner Flasche. Diese findet mittlerweile im Gegensatz zu früher nicht mehr am Schmutzigen Donnerstag, sondern direkt nach der Narrenbaumaufstellung statt. Die Zeremonie ist indes seit Gründung der Eulenzunft gleich geblieben: Der Geheimrat wird in seiner überdimensionalen Flasche geweckt und im weiteren Verlauf daraus befreit, damit er später aus den Händen des Bürgermeisters den Schlüssel für die Gemeindekasse entgegennehmen kann, um die Regentschaft über die Fasent in Seelbach zu übernehmen. Am Abend des Fasentdienstags wird ihm dann im Klostergarten vom Narrengericht der Prozess gemacht. Der Geheimrat wird bezichtigt, die Bürger Seelbachs betrogen zu haben, worauf er zum dreimaligen Tode verurteilt wird. Er wird gehängt und verbrannt, was auch symbolisch für das Verbrennen der Fasent zu sehen ist. Seinen Geist verbannt man wieder in die Flasche und er muss ein weiteres Jahr ins »Luxenloch« – die Fasent ist vorbei.

Seinen Amtssitz hatte der Beamte in der Marktstraße 9 Was jedoch steckt hinter dieser »sagenhaften« eigentümlichen Zeremonie? Wo sind die Quellen zu finden? Als das Geschlecht der Fürsten von der Leyen in Seelbach im 18. und 19. Jahrhundert auf Schloss Dautenstein regierte, gab es auch einen Geheimrat Dr. jur. Philipp Carl Edler von Schmidt zu Dautenstein. Er wurde am 22. November 1754 in Blieskastel geboren. Im Jahre 1776 trat er in die Dienste der Fürsten von der Leyen ein, 1778 kam er nach Seelbach. Verheiratet war er mit der sechs Jahre jüngeren Luise Georges aus Metz in Lothringen. Seinen Amtssitz hatte Schmidt im Fürstlich Leyenschen Amtshaus in der Marktstraße 9, der ehemaligen Vogtei-Apotheke. Als »Mitbeamter, Forst- und Bergbeamter, Rentmeister und Oberamtsschreiber« hatte er auch als »Oberamtmann« die Geschicke der fürstli-

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Geist wurde der Sage nach in eine Flasche gesteckt

Teil der alljährlichen Zeremonie: Der Geheimrat wird in seiner überdimensionalen Flasche geweckt und daraus befreit. chen Herrschaften im Ort zu leiten. Schmidt war ein sehr tüchtiger Beamter, denn er erhielt von seinem Herrn, dem durch den Beitritt zum Rheinbund 1806 vom Grafen zum Fürsten aufgestiegenen Philipp von der Leyen und zu Hohengeroldseck, am 1. August 1810 den erblichen Adelsstand »zu Dautenstein«. 1812 kaufte Schmidt seiner Herrschaft einen großen Teil seiner Domäne ab, darunter auch das heute noch bestehende Schloss Dautenstein. Die damals um das Schloss bestehenden Sümpfe, Rinnen und Dämme ließ er trocken legen, ein Fisch- und vier Wässerungsweier wurden errichtet und die Schutter und Mühlbäche gefasst und mit Reisigbündeln befestigt. Außerdem ließ von Schmidt den inneren und äußeren Hof einebnen und 20 000 Bäume pflanzen. Das heutige architektonische Anwesen ist in erster Linie dem Geheimrat zu verdanken. Neueren Datums ist jedoch die Fachwerk-

scheune, die sein Sohn Rudolph, Fürstlich Leyenscher Kammersekretär, für 1000 Gulden zwischen 1822 und 1827 hinzubaute. Geheimrat Dr. Schmidt gründete in Seelbach eine Schulstiftung mit dem Zweck, Grundarme zu unterstützen, Kranken Linderung zu verschaffen, armen Schulkindern das Schulgeld zu bezahlen und arme Knaben ein Handwerk erlernen zu lassen. Das Verhältnis zu den Herrschaften der Fürsten von der Leyen trübte sich jedoch gewaltig. Der treue und tüchtige Beamte wurde von seinem Fürsten des Vertrauensmissbrauchs, der Veruntreuung fürstlichen Eigentums und der persönlichen Bereicherung bezichtigt. Am 17. Februar 1822 wird von Schmidt am Hofgericht zu Rastatt zur Rückgabe der erworbenen Domäne zum Kaufpreis und zum Ersatz der aufgewendeten Verbesserungen verurteilt. Der Prozess endete mit einem Vergleich. Eine Rehabilitierung erlebte der Geheimrat

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1906 schrieb der Seelbacher Heimatchronist Josef Himmelsbach ein Buch mit dem Namen »Geschichte des Marktfleckens Seelbach – Hauptort der ehemaligen Reichsgrafschaft Hohengeroldseck«. Hierin findet man die Sage des Geheimrats Dr. Schmidt zu Dautenstein. Der Volksmund erzählt, dass Schmidt in Seelbach auch eine Sparkasse gegründet hatte, in die brave und ehrsame Bürger und Bauern fleißig ihr mühevoll Erspartes einzahlten. Am 19. Juni 1822 starb Dr. Schmidt. Der Sage nach mussten die eifrigen Sparer feststellen, dass der Herr von Schmidt all ihre Gelder veruntreut hatte und nichts mehr davon übrig geblieben war. Kein anderer als der geheime Rat selbst konnte diese ungeheuerliche Unterschlagung begangen haben. Man verfluchte und verwünschte ihn, auf dass er im Grabe keine Ruhe fände. Viele Seelbacher Bürger wollen den Geist des Herrn Schmidt in Seelbach in der Nacht umherirren gesehen haben und man befürchtete, dass sich Geheimrat Schmidt an ihnen rächen würde. Die Sage erzählt weiter, dass man sich daran machte, seinen Geist in einer Flasche zu fangen. Als man glaubte, ihn eingefangen zu haben, vergrub man die Flasche im »Luxenloch«, einem Waldstück bei Seelbach. Die Figur des Geheimrats Dr. Schmidt und die damit verbundene Zeremonie ist sicherlich ein ganz besonderes Charakteristikum Seelbacher Fasent. So eigentümlich und vielfältig die Bräuche an der Fasent sind, so eigentümlich ist der Seelbacher Geheimrat, seine Befreiung NZ und Verurteilung.

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Eng verbunden: die Seelbacher Narren und die Amraser Matschgerer

Eine Tiroler Narrenfreundschaft Die Eulenzunft pflegt eine herzliche und innige Beziehung zu den »Matschgerern« aus Amras

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eit einigen Jahren pflegt die Eulenzunft Seelbach eine herzliche und innige Narrenfreundschaft zu den »Matschgerern« aus Amras, die beim großen Jubiläum der Zunft im Jahre 2011 in Seelbach die Narren und die vielen Zuschauer sehr beeindruckten. Unter dem Motto »Bleib im Land und nähr Dich redlich« hatten die Seelbacher Eulen bisweilen überwiegend Kontakt zu vielen Zünften im Land, die »Außenpolitik« jedoch wird auch eifrig betrieben. So ist man immer wieder stolz, namhafte Guggemusiken aus der Schweiz präsentieren zu dürfen. Ein mancher fragt sich jedoch, wie denn der Kontakt nach Tirol zu den Amraser Matschgerern zustande gekommen ist. Durch Buchrecherchen und Gesprächen mit Volkskundlern und Brauchtumern wurde Hanjo Bolanz auf die Amraser Matschgerer aufmerksam. Anlass war das Narrentreffen 2011, das nicht nach dem Motto Masse statt Klasse gefeiert werden sollte, sondern man wollte Qualität statt Quantität und die traditionelle Fastnacht in den Vordergrund stellen.

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Die Gäste aus Amras wurden beim letztjährigen Katharinenmarkt in das Programm zur historischen Eröffnung eingebunden. Eine erste Kontaktaufnahme mit den Amrasern erfolgte 2009 durch den Oberzunftmeister Bolanz. Nach mehreren Schriftwechseln und Telefonaten gab es schon viel Sympathie füreinander, sodass sich die Amraser Matschgerer entschlossen, das Seelbacher Narrentreffen 2011 zu besuchen. Der Gegenbesuch der Eulenzunft er-

folgte 2013 anlässlich 350 Jahre Fastnachtsbrauchtum in Amras. Seither besteht die Freundschaft. So wurde auch eine Einladung zum Katharinenmarkt 2015 ausgesprochen. Viele der Amraser Matschgerer gehören gleichzeitig auch dem Trachtenverein an und folgten der Einladung zum letztjährigen Kätterlismärkt. Bereits am

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Samstag reisten sie an und wurden durch die Eulenzunft begrüßt, bevor sie dann unmittelbar vor der historischen Eröffnung des Markts im Klostergarten einen Fackeltanz aufführten. Anschließend ging es dann in das »Zunfteck« der Eulenzunft, um zünftig zu feiern. Am Sonntagabend gab es dann im »Zunfteck« einen Tiroler Abend. Hier wurden verschiedene »Schuahplattler« aufgeführt und es wurde zünftig musiziert. Denn die Amraser brachten auch eine kleine Musik mit und natürlich »Ziachorgelspieler«, die mit ihrer »Steirischen« zur Stimmung beitrugen. Am Montag nahmen sie noch am Katharinenmarktumzug teil, bevor sie dann wieder die weite Heimreise antraten. Dieser Tage wurde von der Eulenzunft ein Gegenbesuch absolviert und es ging vom 22. bis zum 24. Januar nach Tirol zu den Amraser Matschgerern. Die gegenseitige Gastfreundschaft ist innig und so haben viele Eulenzunftnarren einmal mehr aufs Herzlichste die Tiroler Narrengepflogenheiten nebst der vorzüglichen einheimischen NZ Küche kennenlernen dürfen.

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Benno Erlewein schlüpfte als Erster in den Zwirn des Geheimrats.

Die Gesichter des Dr. Schmidt Narrenfigur gibt es seit der Zunftgründung 1967

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ie die Geschichte schon belegt, war der Geheimrat Dr. jur. Philipp Carl Edler von Schmidt keineswegs derjenige, der nur den Leuten das Geld aus den Taschen zog, wie dies alljährlich zelebriert wird. Er hatte zwei Gesichter, so erzählt man sich. Deutlich mehr als zwei Gesichter stellten die umstrittene und doch schillernde Narrenfigur der Eulenzunft dar. Es begann im Gründungsjahr der Eulenzunft 1967. Kein Geringerer als der damalige stellvertretende Vorstand, Benno Erlewein, schlüpfte in den Zwirn des Geheimrats und stellte diesen mit den ersten markigen Sprüchli bis ins Jahr 1973 dar. Mit den kernigen Worten »… unn jedes Johr zur Fasntzeit wurd´r uss däre Flasch befreit, damit er wie eh und je diä Posse, wo er domols triebe hett, au nit kann losse …« begann der zünftige Reigen der Geheimratsbefreiung. Dieses Narrensprüchli findet in abgewandelter Form auch heute noch seine Anwendung. Auch ein Mann der ersten Stunde, Helmut Meier, Gründungsmitglied und erster Beisitzer bei Zunftgründung, folgte Benno Erlewein nach und präsentierte eindrucksvoll und mit viel Leidenschaft die Person des Geheimrats Dr. Schmidt bis ins Jahr 1981. Herbert Himmelsbach hieß der Mann, der ab 1982 dem Dr.

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Schmidt Leben einhauchte und diese Figur in der Rangfolge im wahrsten Sinn des Wortes sehr zur Freude der Zünftler und Narrenfreunde bis 1986 lebte. In den Jahren 1986 bis 1989 stellten dann die Namensvetter Christian Faißt und Wolfgang Faißt den Geheimrat dar, bevor 1989 ebenfalls ein Mann der ersten Stunde mit Artur Griesbaum folgte. Griesbaum, der auch heute noch der Zunft sehr verbunden ist und mit einem verschmitzten Lächeln alljährlich die Possen des Dr. Schmidt beäugt, gab das Zepter dann im Jahre 1993 weiter. Es war zugleich der bisher letzte Wechsel. Clemens Gür nahm sich 1993 dieser Figur an und präsentiert sich seither bis auf das Jahr 2005, als der Zunftschreiber Peter Bühler einsprang, nahtlos als Geheimrat Dr. Philipp Carl Edler von Schmidt zu Dautenstein. Alljährlich besticht er mit seiner Schlagfertigkeit und bringt das »hoch ehrwürdige« und »unfehlbare« Seelbacher Narrengericht ins Wanken – und das Seelbacher Narrenvolk zum Lachen. Möge Clemens noch lange den Geheimrat präsentieren, so der Wunsch der Zünftler, die ihn mit Sicherheit mit dem einen oder anderen Getränk und der Seelbacher Narretei noch lange bei Laune halNZ ten werden.

Auch Artur Griesbaum, ein Mann der ersten Stunde, stellte die schillernde Narrenfigur der Eulenzunft dar.

Schlagfertig bringt Clemens Gür seit 1993 das Narrengericht ins Wanken und das Narrenvolk zum Lachen.

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Narrenvielfalt mit Niveau Am Seelbacher Umzug nehmen nahezu 2700 Hästräger und mehr als 70 Zünfte teil

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in festes Datum im Kalender eines jeden Fastnachters ist alljährlich der Sonntag vor dem Schmutzigen Donnerstag – das Datum des närrischen Stelldicheins in Seelbach, des großen Narrenumzugs. Was sich dem unbedarften Zuschauer und Narrenfreund nicht erschließt, ist die große und vielfältige Vorbereitung zu diesem Spektakel im Marktflecken. Angefangen von der Masse an Einladungen, die es zu bearbeiten gilt, bis hin zu den fleißigen Helfern am großen Tag, sind vor allem die Zunftmitglieder gefordert. Schließlich möchte man sich an diesem Tag zeigen und Narretei aus Nah und Fern bieten. Damit dies alles gelingt, greift ein Rad ins andere, um einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten. Ein besonderer Dank gilt auch der Gemeindeverwaltung, die die Zunft vielfältig unterstützt. Der Lohn ist zweifelsohne die Begeisterung der Zuschauer und der vielen Gastzünfte, die immer wieder gerne nach Seelbach kommen. Gerade in diesem Jahr lohnt sich der Weg ganz besonders, denn mit nahezu 2700 Hästrägern und mehr als 70 Zünften ist dies einmal mehr ein großer Narrenumzug. Wenn morgens ab 11 Uhr dann die ersten Glühweindüfte durchs Dorf ziehen, die ersten Bratwürste ihre Abnehmer finden und die Straßen sich mit dem süßen Narrenlärm der ankommenden Zünfte füllen, weiß man: Jetzt geht’s bald

Das Datum des närrischen Stelldicheins in Seelbach ist immer der Sonntag vor dem Schmutzigen Donnerstag. los. Während die Eulenzünftler sich an ihre harte Arbeit machen, darf der Beobachter diese Augenblicke genießen. Langsam füllen sich die Straßen und der Klostergarten immer mehr und Seelbach wird das närrische Leben eingehaucht. Musik liegt in der Luft gepaart mit närrischem

Eulen, Schägenesthexen (im Bild) und Zopfwiebli, das sind die Gruppen der gastgebenden Eulenzunft.

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Frohsinn – beim Blick auf die farbenfrohe Narrenschar im Klostergarten hüpft das Narrenherz. Hier liegt das Zentrum dieses Tages, dem über örtliche Grenzen hinaus bekannten Seelbacher Narrendorf. Alles, was das Herz und natürlich Leib und Seele begehren, ist hier zuhause. Die Kirchturmuhr schlägt zwölf und dies heißt für die Zunftoberen der Gastzünfte: »Bitte zum Empfang«. Im Zunftraum des nahen Rathauses werden bei Wein und Laugengebäck die Gäste von der Eulenzunft willkommen geheißen. Auch in diesem Jahr wird wiederum kein Geschenk an die Eingeladenen ausgegeben, sondern das Geld hierfür einem sozialen Zweck zugeführt. Der Betrag wird 2016 an die Hospizklinik in Oberharmersbach gespendet – eine ehrenwerte Geste, die sich immer mehr durchsetzt und auch durch Spenden der Gastzünfte unterstützt wird. Mit großem »Hallo« geht es dann zum Aufstellungsplatz, die Ehrengäste nehmen auf der Ehrentribüne Platz. Um Punkt 14 Uhr erfolgt der Startschuss und das große närri-

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sche Sammelsurium setzt sich in Bewegung. Allen voran der Seelbacher Schellebott, dicht gefolgt vom bereits befreiten Geheimrat Dr. Schmidt. Auch dieses Jahr haben sich zahlreiche Zünfte aus Nah und Fern angesagt. So sind Narren vom Kinzigtal bis zum Ried zu sehen und auch, wie immer in Seelbach, besonders sehenswerte Häser, unter anderem aus der uralten Narrenstadt Villingen. Zahlreich vertreten sind auch die Narrenfreunde aus Leinstetten, um nur stellvertretend zwei zu benennen. Nach nahezu mindestens zwei Stunden Staunen und Lachen findet dieses Schauspiel sein jähes Ende. Doch mit der Umzugsauflösung ist der närrische Tag noch lange nicht vorbei. Eine Einkehr in die Lokale und Kneipen Seelbachs oder aber ins Bürgerhaus oder an einen der vielen Stände versüßt den sonntäglichen Frohsinn noch weiter. Viel Musik und närrisches Treiben wird wie immer noch lange zu hören sein. Und bei einem gemütlichen Gläschen folgt für gewöhnlich der närrische Schluchzer »Scheen war’s! Wir kommen wieder!«. NZ

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Die Seelbacher Fasent 2016 S

tellen des Narrenbaums und Geheimratsbefreiung, 30. Januar ab 10 Uhr am Kirchplatz Zunftabend und großer Fasentsumzug – beides ist aus Seelbach nicht mehr wegzudenken. Der Auftakt des närrischen Wochenendes 30. und 31. Januar ist am Samstag bereits um 10 Uhr: Zimmermänner nebst den Eulen und Hexen tragen den Narrenbaum durchs Dorf, um ihn dann auf dem Kirchplatz aufzustellen. Kinder sind aufgerufen, den Baum zuvor ab 9.45 Uhr im Klostergarten mit Selbstgebasteltem zu schmücken. Musikalisch unterhält die Lumpenkapelle der Zunft. Mit dem Stellen des Baums wird auch der Geheimrat Dr. Schmidt aus der Flasche befreit. Die Zeremonie ist dabei seit Gründung der Eulenzunft 1967 dieselbe geblieben.

Hästrägern und mehr als 70 Zünften ist dies einmal mehr ein großer Narrenumzug. Zünfte aus nah und fern haben sich angesagt. So sind Narren vom Kinzigtal bis zum Ried zu sehen und auch, wie immer in Seelbach, besonders sehenswerte Häser, unter anderem aus der uralten Narrenstadt Villingen. Zahlreich vertreten sind auch die Narrenfreunde aus Leinstetten. Musikkapellen und Guggemusiken sorgen obendrein für fastnächtliche Tö-

im Anschluss dann auch das Rathaus gestürmt und dem Bürgermeister die »Leviten« verlesen, um dann in die alte Fabrik zu ziehen und dort gemeinsam ein Narrenmahl zu verzehren. Auch die Senioren im Seniorenheim werden besucht. Um 19 Uhr beginnt der Hemdglunkerumzug am Narrenbaum. Mit Lärminstrumenten aller Art und mit Lampions und Laternen bewaffnet, ziehen große und kleine

Abends gibt es den großen Zunftabend. Die Eulenzunft lädt ein zu den Fasentsspielen: Los geht’s um 20.11 Uhr – dann stehen Seelbachs Narren auf der Bühne! Neben einem bunten und sehr vielseitigen Programm mit vielen Akteuren treten an diesem Abend auch die »Schiewebuebe« in Aktion. Die »Schiewebuebe« glossieren auf ganz spezielle und eigentümliche Weise das Seelbacher Dorfgeschehen. Musikalisch umrahmt wird der Zunftabend von »d’ Gälfiäßler«.

Wie der Zunftabend ist auch der traditionelle Umzug nicht mehr aus Seelbach wegzudenken. Dieser startet am Sonntag, 31. Januar, um 14 Uhr. Wer die Seelbacher Umzüge kennt, weiß, dass vor allem auch traditionelle Zünfte aus der schwäbisch-alemannischen Fastnachtslandschaft zu bewundern sind, die ihr bodenständiges Brauchtum in Seelbach durch ihre Narrenfiguren präsentieren. Gerade in diesem Jahr lohnt sich der Weg ganz besonders, denn mit nahezu 2700

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Fasentssonntag, 7. Februar Am Fasentssonntag freut sich die Eulenzunft auf die Narrenmesse in der Kirche St. Nikolaus. Beginn des Gottesdienstes ist um 10 Uhr. Bereits ab 7 Uhr wird mit dem Karbatschenschlagen die Bevölkerung geweckt. Fasentsdienstag, 9. Februar ab 14.11 Uhr

Zunftabend, 30. Januar ab 20.11 Uhr im Bürgerhaus

Großer Narrenumzug, 31. Januar ab 14 Uhr

10 Uhr, Treffpunkt ist am Bauernmarkt. Alle Seelbacher Kinder sind hierzu eingeladen. Um 10.11 Uhr ist »Elfi-Mess«: Kaffeetanten, Frauen, Wieber, Damen, Alti und Jungi, Dicki und Dünni treffen sich zum »Wieberkaffeeklatsch« auf dem Klosterplatz unter dem Motto »Gosche un rätsche, Gaudi un Spaß«.

ne. Das Narrendorf im Klostergarten mit einem reichhaltigen Speiseangebot steht Besuchern und Narren bereits ab 11.30 Uhr offen. Schmutziger Donnerstag, 4. Februar Der Schmutzige Donnerstag beginnt schon am Morgen. Eulen und Hexen treffen sich, um die Schulen zu stürmen, die Lehrer in ihr Gewahrsam zu nehmen und die Schüler zu befreien. Natürlich werden

Hemdglunker mit der weißen Narrenschar mit, die durch den Fasentsausrufer angeführt wird. Anschließend geht es ins Foyer des Bürgerhauses zum Hemdglunkerhock. Fasentssamstag, 6. Februar ab 10 Uhr Am Fasentssamstag zieht am Morgen der Narrensamen beim »Gizigumzug« durchs Dorf. Los geht’s um

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Der Fasentsdienstag ist für die Kinder reserviert. Um 14.11 Uhr beginnt der »Pflug- und Kinderumzug« zum Bürgerhaus. Aufstellung ist am Klosterplatz, der kurzerhand zum »Schokladeplatz« umbenannt wird – und in der »Gummibärlestraße« (Litschentalstraße) und in der »Gutzelistraße« (Marktstraße) werden die kostümierten, am Umzug teilnehmenden Kinder von der Eulenzunft belohnt. Es wird verstärkt Wert darauf gelegt, dass möglichst viele Kinder in Gruppen und Motiven beim Kinderumzug mitmachen. Beim Motto »Im Land der Apachen« sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Im Bürgerhaus angekommen, heißt es dann »Action«, viele Spielstände laden dort zum Mitmachen ein. Am Abend, 19 Uhr, heißt es dann ein weiteres Mal Abschied nehmen von der Fasent. Nicht jedoch, bevor noch einmal das Narrengericht zusammengetreten ist, um den Geheimrat Dr. Schmidt in einem närrischen Schauspiel im Klostergarten für seine Taten zu verurteilen und ihn für ein weiteres Jahr in seine Flasche zu verbannen. Beim »Besenumzug« zieht das ganz in schwarz gekleidete, närrische Trauervolk im Gänsemarsch durchs Dorf. Mit der Fasentsverbrennung und dem Rollmopsessen im Bürgerhaus ist dann endgültig die Fasent 2016 beendet – und es heißt wieder: »s’ goht degege.«

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Freude über mehr Narrenluft Innenansichten des Geheimrats Dr. Schmidt

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aum jemand kann sich vorstellen, wie man sich fühlt in dieser elenden Flasche, in die man mich alljährlich hineinstopft, auch wenn ich nur ein Geist bin. Und dann wird diese Flasche auch noch im »Luxenloch« vergraben, als wäre es nicht schon Strafe genug, meine Zeit in dieser dunklen und modrigen Flasche fristen zu müssen. Doch ist es mir tatsächlich gelungen, die Narren davon zu überzeugen, mich aus dieser misslichen Lage schon früher zu befreien, um etwas länger Narrenluft atmen zu dürfen. Nicht erst am Schmutzigen Donnerstag, nein bereits am Samstag davor. Was für ein Gefühl überkommt mich, wenn pünktlich um 11.11 Uhr das Narrenvolk endlich meinen Namen ruft und ich Freiheit atmen darf. Wenn der Korken aus der Flasche fällt und ich blinzelnd in die erwartungsfrohen Gesichter blicke, muss ich erst einmal meine eingerosteten Glieder recken und den angesammelten Staub von den Schultern klopfen. Und dann werde ich gehuldigt und verehrt, bejubelt und besungen, so wie es mir geziemt als Geheimrat des Marktfleckens Seelbach. Inmitten dieser Narrenschar fühle ich mich, mit Verlaub, sauwohl! Mal sehen, ob der Schultes dieses Mal die Gemeindekasse rausrückt – beim letzten Mal bekam ich sie erst mit Verspätung und wie immer war sie schlecht gefüllt. Ja, ja, die Tradition macht auch vor der Gemeindekasse nicht halt. Mein Weib wartet auch schon auf mich, die treue Seele. Steht sie mir doch auf meiner Narrenreise zur Seite.

dem die Flasche stand, durch die Straßen Seelbachs. Wir Kinder durften dann oft verkleidet auf diesem Wagen mitfahren. Und manchmal gab es sogar ein paar Gutseli. Diese historische Figur seit vielen Jahren verkörpern zu dürfen, ist für mich tatsächlich schon eine große Ehre. Der Mittelpunkt einer von Brauchtum und Tradition geprägten Fastnacht zu sein, hat schon etwas ganz Besonderes. Zum einen habe ich den emotionalen Bezug von Kindesbeinen an, zum anderen ist das ein urtypischer Seelbacher Fastnachtsbrauch. Denn ein Flaschengeist als Hauptfigur einer Fastnacht ist e

Als Kind auf dem Wagen mitgefahren Schon als Kind habe ich aufgeregt und voller Staunen die Geheimratsbefreiung an Fastnacht erlebt. Ein Geist, der aus der Flasche kommt. Das hatte auch immer ein bisschen etwas Gruseliges. Doch war der Geheimrat auch immer weit genug weg, weil auf der Flasche sitzend. Früher fuhr der Geheimrat dann mit einem Wagen, auf

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nmalig in der schwäbisch-alemanni- Narrenspielen, dem Zunftabend schen Fastnacht. Hinzu kommt, der Eulenzunft, dabei sein zu dürdass der Geheimrat Dr. Schmidt fen. Aber auch am Morgen des tatsächlich einmal in Seelbach exis»Schmutzigen« kann ich nun auch tiert hat. Da wird Geschichte auf schon bei der Schulstürmung dabei eine ganz besonsein, bei der Sparkassenfasent dere Art und und bei Weise alljährlich der RatRealität und hausstürDe G’heim schafft für mich mung. Die rat Dr. Sch midt, de G’heimra eine besondere vielen Ant de G’heim Dr. Schmidt, Identität mit lässe sind rat Dr. Ph ilipp Schmidt unserem Dorf auch Gelenahm die und unserer genheit, Gemeindek mit, asse Vergangenheit. mit vielen Natürlich hat Menschen basse uff ih sich in den viein Kontakt r liebi Litt, vor’em len Jahren zu kommen G’heimrat Schmidt, Dr. auch einiges und hier sunscht nim verändert. und da ein mt der noch das letschte Früher wurde Schwätzchen Geld vun uns’re der Geheimrat zu halten. r Fasent mit . erst am FastNeu ist auch, nachtssamsdass ich bei tag aus der Flasche dem einen befreit. Anschließend war dann oder anderen Umzug und abends ging es zum Narrentreffen in der Vorfastnacht Zunftball. Das heißt, der Geheimrat teilnehme. Früher wäre das unwar »nur« vier Tage in Seelbach denkbar gewesen. unterwegs und hatte deutlich weniAm Fasentsdienstag ger Möglichkeiten, die Seelbacher Freispruch oder Verurteilung? Fasent zu feiern und zu repräsentieren. Dass der Geheimrat inzwischen deutlich früher das Licht der Narrenwelt erblickt, halte ich für Am Abend des Fasentsdienstags eine gute Entwicklung. Der Brauch werden auch in diesem Jahr wieder und die Tradition bleiben unverdie »Richter« Platz nehmen und rückbar erhalten, entwickelt sich das Seelbacher Volk präsent sein. aber vorsichtig weiter. Wie jedes Jahr wird mir dann vorVerändert hat sich auch die über- geworfen, ich hätte Gelder verundimensionale Flatreut und damit die armen SeelbaAus dieser sche. Diese war ancher Bürger betrogen. Deshalb Flasche wird fänglich auf einem werde ich zum Tode durch Erhänder Geist des Wagen aufgebaut, gen verurteilt, anschließend verzunächst mit einem Geheimrats brannt und mein Geist soll in einer am Samstag Thron vor der FlaFlasche verbannt werden. Doch vor dem sche, auf dem der dieses Mal wird dies nicht passieSchmutzigen Geheimrat nach der ren! Ich habe gewichtige Gründe, Befreiung saß, wenn Donnerstag dieser Strafe zu entgehen. er anschließend befreit. Mein Edelmut war so groß, dass durchs Dorf gefahich die armen und schwachen Kinren wurde. Später dann fand die der unterstützte so gut es ging. Befreiungszeremonie am Abend Nur durch Missbilligung der Obrigdes Schmutzigen Donnerstags nach keit wurde ich völlig zu Unrecht dem Hemdglunkerumzug im Klosverunglimpft! Ich war immer dem tergarten statt. Bis dann die BeVolke nahe und habe niemanden freiung zusammen mit dem Narbetrogen! Diese Gründe sollten renbaumstellen auf den Samstag dieses Mal ausreichen, mich nicht vor der Hauptfastnacht gelegt wurzu verurteilen. Das »hochlöbliche« de. Das gab mir die Möglichkeit, Narrengericht und das Seelbacher schon beim großen Narrenumzug Volk werden einsichtig sein und in die Figur des Dr. Schmidt zu mich unter großem Jubel freispreschlüpfen. chen – oder auch nicht? Doch bis Ein völlig neues Gefühl ist es dahin vergeht eine sicher wieder NZ auch, abends bei den Seelbacher fröhliche Zeit: die Fasent.

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Die Fasent feiern und kennenlernen Der »Narresome« wird von der Eulenzunft gehegt und gepflegt

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tets ist die Eulenzunft darum bemüht, dass der sogenannte Narresome zum einen die Fasent richtig feiern kann und zum anderen deren Tradition und Vielfältigkeit kennenlernt. Genauso liegt es aber auch der Eulenzunft am Herzen, den jungen Nichtmitgliedern im Ort und darüber hinaus die Fasent näherzubringen – und dies nicht nur zur Hauptfasent. Jedes Jahr werden die Kinder auf ein Neues auf die Fasent vorbereitet. Bereits im Kindergarten wird dem Nachwuchs mit dem »närrischen Unterricht« die Angst vor den Masken genommen. Mit Hilfe einer kleinen Geschichte lernen die Kinder die Fasentfiguren kennen. Danach ist Anfassen der Häser und sogar Anprobieren möglich und erwünscht. Ein bisschen tiefer geht der Unterricht in der dritten Klasse der Grundschule. Hier wird altersgerecht Brauchtum, Tradition und Bedeutung vieler fastnächtlicher Dinge erklärt. Aber auch hier ist es ein Unterricht zum Anfassen. Den ersten Kontakt nach dem »närrischen Unterricht« haben die Kinder dann beim Narrenbaumstellen am Samstag vor der Hauptfasent. Hier können alle Kinder mit ihren selbst gebastelten Dingen den Baum schmücken und somit dazu beitragen, dass die Seelbacher Dorffasent beginnen kann. Alle Kinder freuen sich nun auf ein erlebnisreiches Wochenende mit unterhaltsamem Zunftabend und vielen Narrenfigu-

Der Zunftabend ist Plattform für Jung und Alt: Chiara Klumpp stieg 2015 in die Kinderbütt.

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Mit selbst gebastelten Dingen können die Kinder den Narrenbaum schmücken und dazu beitragen, dass die Seelbacher Dorffasent beginnen kann. ren am Umzugssonntag. Der Zunftabend ist Plattform für Jung und Alt und erlaubt ist, was gefällt. So betreten an diesem Abend auch junge Narren die Bretter, die die Welt bedeuten. Die Kinderbütt sorgt für die Betätigung der Lachmuskeln und die Jugendtanzgruppe zeigt in tollen Kostümen das Ergebnis von einem halben Jahr Training. Immer wieder ein Augenschmaus ist auch der Kinderhexentanz der Schägenesthexen, der die Entstehung der Figur als solche erklärt. Der Umzugssonntag ist für die jungen Hästräger und die jungen Zuschauer immer ein Highlight. Denn wann kann man im eigenen Dorf schon mal so viel Schabernack treiben und fremde Masken bestaunen, wenn nicht an diesem großen Tag? Nach diesem aufregenden Wochenende muss noch mal bis zum Schmutzigen Donnerstag gewartet werden, bis die Zunft die Schule stürmt. Die Schüler werden vom Unterricht befreit und gemeinsam wird in der Schulturnhalle die Fasent eingeläutet. Narrensprüchle werden mit Süßigkeiten und Auftritte mit lautstarkem Applaus belohnt. Aber auch die Kindergartenkinder kommen nicht zu kurz. Zum Ende deren Tour durch das Dorf treffen sie auf die Zünftler, die sie mit lautem »Narri! Narro!« empfangen. Nach dem Verteilen von Miniwürstchen und Bonbons werden die Kinder zurück zum Kindergar-

ten begleitet. Spielstände, passend zum Motto, Am Fasentssamstag um 10 Uhr sind aufgebaut. Die Kinder, die alle trifft sich die närrische Kinderschar Stände bespielt haben und das auf dem Bauernmarkt, um dann ge- Glück haben, aus dem Lostopf gemeinsam mit viel Spaß durch die zogen zu werden, erhalten ein kleiSeelbacher Geschäfte zu ziehen nes Geschenk. Außerdem werden und mit dem Gizig-Singen ordentdie zehn schönsten Kostüme prälich Beute zu machen. Es ist ein urmiert. Ein weiterer Höhepunkt des alter Brauch, und die Seelbacher Programms ist der Auftritt der JuGeschäftsleute sind überaus großgendshowtanzgruppe der Eulenzügig. Nach dem Gizig-Singen komzunft. Zum Abschluss des tollen men alle Kinder im Rathaus zusamNachmittags sind die Kinder nochmen – dort wird die Beute dann mals selbst gefordert, das Tanzbein aufgeteilt. zu schwingen. Der Fasentsdienstag ist für die Auch unter dem Jahr ist einiges Kinder wahrscheinlich der schönste los. Jedes Jahr aufs Neue bietet die Tag der Dorffasent. An diesem Tag Eulenzunft im Rahmen des Ferienfindet der Kindernachmittag statt, programms in Seelbach einen aufder mit dem Kinderumzug vom regenden und abwechslungsreichen Klosterplatz zum Bürgerhaus beTagesausginnt. Während flug für des UmKinder und ch de Beck zugs müsJugendliis ig iz g , ig izig wär, Gizig, giz g it n sen die che an. In k ec B de und wenn kli her. Kinder, pasden verec W a au no gäb er send zu den gangenen guter Ma, einzelnen Jahren ä ch is . es ra d De Beck Bretschel ä Narrenfigustanden au s n u er drum wirft ren, die am Ausflüge Straßenrand zu einer Somstehen, Narmerrodelbahn oder auch eine rensprüchle aufsagen, um dann mit Dorfrallye auf dem Programm. Süßigkeiten belohnt zu werden. Die Jugendarbeit findet natürlich Die Kinderfasent steht jedes Jahr nicht nur auf Vereinsebene statt, unter einem neuen Motto. Dieses sondern hat auch einen hohen Jahr lautet es »Im Land der ApaStellenwert beim Verband Oberchen«. Passend dazu sollten sich rheinischer Narrenzünfte. Das gandie Kinder auch verkleiden. ze Jahr über finden Sitzungen statt, Gemeinsam in der Halle angebei denen sich die Jugendleiter der kommen, beginnt das Programm verschiedenen Verbandszünfte trefder Kinderfasent. Verschiedene fen, um sich auszutauschen. NZ

Eulenzunft Seelbach e. V.

2016



Zeichen der Machtübernahme: Die Narren halten die Gemeindekasse in Händen. Mittendrin der Geheimrat.

»Gewisse Anspannung ist da« Der Geheimrat steht Rede und Antwort

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ie große und geheimnisumwitterte Kulturgestalt des Geheimrats Dr. Schmidt wird schon seit dem Jahre 1993 von Clemens Gür, dem Bruder des Ehrenoberzunftmeisters Wolfgang Gür, verkörpert. Wer nun glaubt, der fleischgewordene Geheimrat wohnt natürlich in Seelbach, der irrt. Als echter Seelbacher lebt er inzwischen im benachbarten Reichenbach. Dort trifft man Clemens Gür mit Frau und Kind, Pferden und allerlei sonstigem Getier an. Nur knappe 200 Meter trennen ihn von Seelbach – denn ab dort beginnt die Gemarkung des Marktfleckens. Immerhin, so verrät er uns, ist er unter der Seelbacher Vorwahlnummer zu erreichen. Und um zu zeigen, wer hier wohnt, weht hoch über seinen Zinnen obendrein auch die Fahne der Seelbacher Eulenzunft. Die Lage, die Möglichkeit der ungestörten Tierhaltung, so versucht er sich herauszuwinden, hätten ihn und seine Familienmitglieder, die im Übrigen auch keine Reichenbacher sind, hierher gelotst. Fast ent-

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schuldigend fügt er hinzu, dass in der ehemaligen Residenz des Dr. Schmidt, der alten Seelbacher Apotheke in der Marktstraße, nach der Zeit des Geheimrats dort nie mehr Kinder zur Welt gekommen sind! Bemerkenswert, aber keine Entschuldigung, so unser humorig-bissiger Kommentar. Nachdem sich der Blutdruck aller etwas gesenkt hat, wird Clemens Gür von der Redaktion mit Fragen traktiert, die er in seiner unendlichen Ruhe und Gelassenheit gerne beantwortet: Wie bist du auf die Figur Geheimrat aufmerksam geworden? Bereits als Kind habe ich an der Seelbacher Fasent teilgenommen. Daher war mir der Geheimrat sehr gut bekannt. Wie bist du zur Eulenzunft gekommen? Meine älteren Geschwister waren bereits in der Eulenzunft aktiv, daher war der Bezug zur Zunft sehr nah. Ich stand bereits als Kind, damals beim Männergesangverein, zur Fasentszeit auf der Bühne. Bei der

Eulenzunft bin ich seit Jahrzehnten mit meinem Bruder als »Schiewebuebe« auf der Bühne.

so weiter! Bei unvorhersehbaren Dingen improvisiere ich aber auch gerne, damit alles klargeht.

Wie stimmig ist deine Identifizierung mit der Person des Geheimrats? Ich lasse mich auf die Figur ein und identifiziere mich dadurch mit ihr. Auch im realen Leben bin ich Kaufmann und habe mit Zahlen und Geld zu tun. Eine Sparkasse habe ich bislang allerdings noch nicht gegründet.

Was für ein Bauchgefühl bleibt, wenn du alljährlich zu »Unrecht« verurteilt wirst? (lacht) Leider gehört auch dieses Verfahren zur Geschichte der Figur und jede Fasent hat leider auch ein Ende. Die Verurteilung und das Erhängen, Verbrennen, Verbannen und Vergraben ist schon etwas befremdlich. Ist ja keine alltägliche Sache.

Seit wann und warum stellst du diese Person dar? Seit 1993 stelle ich die Figur dar. Damals wurde ein neuer Darsteller für den Geheimrat gesucht. Ich wurde von meinem Bruder Wolfgang gefragt, ob ich das nicht mal machen wolle. Dabei ist es irgendwie bis heute geblieben. Hast du heute immer noch Lampenfieber? Ja. Eine gewisse Anspannung ist vor jedem Auftritt da. Ich möchte es ja so gut als möglich machen, zum Beispiel den Text nicht vergessen und

Eulenzunft Seelbach e. V.

Wann vor dem Auftritt steigst du in die Flasche? Na das ganze Jahr natürlich, vergraben im »Luxenloch«! Komische Frage….! Wie erlebst du die Fasentszeit als Geheimrat? Ich bin näher am Geschehen dran und kann die Fasent aktiv mitgestalten. Ich lerne in dieser Zeit viele Menschen kennen, die die Fasent leben – und das schon seit vielen Jahrzehnten. Das beeindruckt mich immer sehr.

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Mitglied werden in der Eulenzunft Seelbach e.V. Als aktives Mitglied? Eulen - Schägenesthexen - Zopfwiebli - Karbatschenschneller Showtanzgruppe - Lumpenkapelle Fünf gute Gründe für eine Mitgliedschaft: - „Fasent machen“ - Spaß haben - Brauchtum pflegen - Neue Freunde gewinnen - Ein original Seelbacher Narrenhäs tragen

Als passives Mitglied? Unterstützen Sie die Eulenzunft Seelbach e.V., mit einer passiven Mitgliedschaft bei der Pflege und dem Erhalt der Seelbacher Volks- & Brauchtumsfasent.

Vor dem Können liegt das Wollen!!! Mach mites lohnt sich!

FrankSchwörer

Weiterer Informationen zur Eulenzunft Seelbach e.V. finden Sie auf unserer Homepage unter: www.eulenzunft-seelbach.de

Eulenzunft Seelbach e.V. Brauchtums- u. Narrenverein

Postfach 1230 | 77956 Seelbach | Mail: narro@eulenzunft-seelbach.de | www.eulenzunft-seelbach.de




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