PFLANZENBAU
«In der Gesellschaft häufen sich die kritischen Stimmen» PFLANZENSCHUTZ Der Kanton Bern nimmt im Gewässerschutz eine Pionierrolle ein. Die UFA-Revue erkundigte sich, warum dies so ist, und welche Massnahmen im Pflanzenschutz-Bereich zu sauberen Gewässern beitragen.
Matthias Roggli
Kurt Gasser sieht in den GewässerschutzRegelungen der Schweiz eine wichtige Errungenschaft, die nicht aufs Spiel gesetzt werden darf.
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Bereits seit zwei Jahren schreibt der Kanton Bern vor, dass die Pflanzenschutzspritzen nach dem Einsatz sofort auf dem Feld gereinigt werden und dazu über einen Spülwassertank mit mindestens 10 % des Brühebehälter-Nenninhaltes verfügen müssen. Ab 2011 gilt diese Vorschrift schweizweit. Kurt Gasser, Gewässerschutzinspektor beim Kanton Bern, und Michel Gygax, Leiter der kantonalen Pflanzenschutz-Fachstelle, geben Auskunft über die ersten Erfahrungen. Seit 1990 wurde der mengenmässige Einsatz an Pflanzenschutz-Wirkstoffen in der Schweiz um rund 30 % gesenkt. Ist die Gewässerqualität vor diesem Hintergrund noch ein Thema? Kurt Gasser: Es stimmt, dass die eingesetzte Menge an Pflanzenschutzwirkstoffen abgenommen hat. Heute werden jedoch neue Stoffe appliziert, die in geringeren Konzentrationen viel wirksamer sind. Ob die Umweltbelastung dadurch abgenommen hat, ist noch offen. Michel Gygax: Die Methoden zur Messung des Wirkstoffeintrags in die Gewäs-
ser werden dauernd weiterentwickelt. Die Analyse von Glyphosaten im Wasser ist beispielsweise erst seit fünf Jahren möglich. Daher lassen sich über die wirkliche Gewässerbelastung nur beschränkt Aussagen machen.
terschiede gezeigt. Nach der Herbstbehandlung blieb es eher trocken, weshalb wenig Wirkstoff ins Fliessgewässer gelangte. Im Frühjahr dagegen führte viel Regen nach der Applikation zu 20-mal mehr Toxinspuren im Wasser .
Warum müssen die Gewässer eigentlich so sauber sein? Kurt Gasser: Der Trinkwasserbedarf des Kantons Bern wird zu 98 % aus Grund- und Quellwasser und zu 2 % aus Seewasser gedeckt. Darum sind im Gewässerschutzgesetz und in der eidgenössischen Gewässerschutzverordnung die ökologischen Ziele und Qualitätsanforderungen für oberirdische und unterirdische Gewässer definiert.
Wie beurteilen Sie die neuen Wirkstoffe in Bezug auf die Gewässergefährdung? Wurden Fortschritte in deren Entwicklung gemacht? Michel Gygax: Die gewässerschützerischen Anforderungen an die Wirkstoffe sind europaweit hoch, weshalb es nur wenige neue Produkte bis zur Markteinführung schaffen. Den idealen Wirkstoff gibt es nicht. Er wäre für Mensch und Tier sowie die Umwelt absolut ungefährlich und würde dennoch eine hohe Pflanzenschutzwirkung erzielen.
Welche Pflanzenschutzmittel gefährden die Gewässer am meisten? Michel Gygax: Die meisten Insektizide und Fungizide findet man selten. Auch Blattherbizide lassen sich in Drainagewasser oder Erosionspartikeln kaum nachweisen. Problematischer sieht es bei den Bodenherbiziden aus. Entscheidend sind die Einsatzbedingungen. In französischen Untersuchungen haben sich beispielsweise zwischen einer Isoproturonapplikation auf Getreide im Herbst und im Frühling deutliche Un-
Welche Optimierungsmöglichkeiten gibt es im Pflanzenschutz? Michel Gygax: Die Abbaugeschwindigkeit der Wirkstoffe und die Gefahr, dass sie ins Wasser gelangen, wird durch die Bodenart beeinflusst. In schweren und humusreichen Böden ist das Risiko kleiner, in sandigen Böden grösser. Niederschläge nach dem Spritzen begünstigen die Gewässerverschmutzung. Wer spritzt, muss die
12 2009 · UFA-REVUE
PFLANZENBAU Wetterprognosen berücksichtigen und seine Böden kennen. Wenn immer möglich gilt es, Blatt- statt Bodenherbizide einzusetzen. In Kartoffeln und Rüben sowie Sonnenblumen gibt es allerdings fast nur Bodenherbizide. Bereits seit 2007 schreibt der Kanton Bern vor, dass die Spritzen über Frischwassertanks verfügen müssen, bundesweit gilt diese Vorschrift erst per 2011. Warum diese Eile? Michel Gygax: Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln wird von der Bevölkerung, dem Konsumentenschutz, den Gesundheitsbehörden und den Umweltverbänden zunehmend kritisch betrachtet. Jede Meldung über Pestizidspuren in Lebensmitteln oder im Wasser verstärkt den Druck auf die landwirtschaftliche Produktion. In der EU wurde die Wirkstoffzulassung kürzlich verschärft. Dabei geraten agronomische Aspekte wie das erschwerte Resistenzmanagement mit weniger verfügbaren Wirkstoffen oft etwas in den Hintergrund. Ein gezielter Einsatz ist daher unbedingt nötig, um auch langfristig auf genug wirtschaftliche Pflanzenschutzprodukte zurückgreifen zu können. Die Gewässerqualität wird laufend gemessen. Weist man beispielsweise weiterhin Metamitron-Spuren nach, wird dieses Herbizid vielleicht eines Tages verboten. So erging es auch dem Atrazin, das bereits nicht mehr zugelassen ist. Die Alternativen kosten häufig 150 bis 200 Fr./ha mehr. Lässt sich im Kanton Bern bereits feststellen, dass sich die Gewässerqualität dank der vorgeschriebenen Feldreinigung der Spritzen verbessert hat? Kurt Gasser: Dazu laufen Analysen, wobei die Auswertungen und Interpretationen noch nicht abgeschlossen sind. Frühere Studien in Deutschland haben
aber gezeigt, dass die Gewässerverschmutzung durch eine richtig durchgeführte Feldreinigung deutlich abnimmt, weil die technischen Restmengen, die in den Spritzen zurückbleiben, nicht durch Vorplatzentwässerungen direkt oder indirekt über die Abwasserreinigungsanlagen (ARA) in die Oberflächengewässer gelangen. Wie soll man bei der Spritzenreinigung auf dem Feld konkret vorgehen? Michel Gygax: Gleich nach der Pflanzenschutzbehandlung wird die leere Spritze auf dem Feld mit dem Wasser aus dem integrierten Spülwassertank gewaschen. Das Spülwasser wird auf die behandelte Kultur ausgebracht. Am grössten ist der Reinigungseffekt, wenn das Wasser aus dem Spülwassertank mehrmals in den Brühebehälter eingefüllt und auf dem Feld verteilt wird. Die Aussenreinigung der Spritzen darf dann auch auf dem Waschplatz stattfinden. Erfolgt sie im Feld, muss darauf geachtet werden, dass das Reinigungswasser nicht in ein Gewässer abfliessen kann. Besteht nicht die Gefahr, dass beim Verteilen der Reinigungsbrühe der vorher applizierte Wirkstoff ab den Blättern abgewaschen wird und der Behandlungseffekt dadurch abnimmt? Michel Gygax: Nein, dazu bräuchte es viel mehr Reinigungsbrühe. Zudem lässt sich feststellen, dass die Blätter fünf bis zehn Minuten nach dem Spritzen meist wieder trocken sind. Oder gibt es ein Risiko, dass die Kultur durch die Reinigungsbrühe beschädigt wird? Michel Gygax: Auch hier gilt, dass die gespritzte Menge grundsätzlich zu klein ist. Die Pflanzenschutzfirmen testen generell alle Mittel mit der doppelten Dosierung, ohne dass dabei bedeu-
tende phytotoxische Schäden entstehen. Am ehesten gibt es ein Risiko bei den Herbiziden für Rüben- oder Rapskulturen, wobei sich diese Pflanzen von allfälligen Schäden erfahrungsgemäss wieder erholen. Wie viel kostet es, Spritzen mit einem Spülwassertank nachzurüsten? Michel Gygax: Eigenhändiges Nachrüsten eines Frischwasserbehälters inklusive eines Schlauches zum Spritztank kostet 300 bis 350 Fr. Erledigt es der Landmaschinenmechaniker, beläuft sich der Aufwand auf rund 700 Fr. Luxuriösere Nachrüstvarianten, beispielsweise mit Rücklaufventil oder Händewaschmöglichkeit, erstellen die Mechaniker für 1000 bis 2000 Fr. Neue Geräte sind standardmässig mit einem Frischwassertank ausgerüstet. 䡵
Michel Gygax attestiert sowohl der Beratung als auch der landwirtschaftlichen Praxis in der Schweiz im Allgemeinen ein hohes Bewusstsein für gewässerschützerische Anliegen.
Zentral für den Gewässerschutz ist, dass die Spritzgeräte auf dem Feld gereinigt und das Reinigungswasser auf die behandelte Kultur verteilt wird.
Im Pflanzenschutz-Zielsortiment der fenaco sind die Gewässergefährdung der verschiedenen Produkte sowie entsprechende Vorbeugungsmassnahmen aufgeführt.
INF BOX INFO
www.ufarevue.ch
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