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Engagement für hohen Inlandanteil OBST Ausländische Discounter, Agrarfreihandel, Feuerbrand – die schweizerische Früchtebranche steht vor zahlreichen Herausforderungen. Mit der Lancierung neuer Sorten und dem Aufbau eines Exportmarktes hat fenaco viel unternommen, um die inländische Früchteproduktion zu stärken.

Matthias Roggli

Rudolf Zesiger rechnet wegen der Verknappung bei den Agrarprodukten mittelfristig auch mit besseren Zeiten für die Obstproduzenten.

Ganze 25 kg Äpfel verzehrt eine Schweizer Person pro Jahr. Damit sind die Schweizer Weltmeister. Rund ein Drittel des gesamten Früchtekonsums wird hier zu Lande durch den Apfel abgedeckt. «Und der Konsum steigt immer noch», freut sich Rudolf Zesiger, Leiter des Obst- und Gemüsebereichs bei der fenaco. Hingegen sei bei ausländischen Früchten eher eine Stagnation zu verzeichnen. Dennoch müssen rund 60 % der frischen Früchte aus Europa und Überseeländern importiert werden. Die Gründe für den tiefen Schweizer Marktanteil liegen in

den beschränkten Produktionsmöglichkeiten. Citrusfrüchte, Bananen, Trauben und Exoten sind wegen der für den Lebensmittelsektor einzigartigen Abhängigkeit von Jahreszeiten und klimatischen Bedingungen in der Schweiz nicht zu produzieren. Das Einfuhrsystem für Obst funktioniert nach dem Zweiphasen-System – genau wie beim Gemüse. Fehlen Produkte, dann werden mengenmässig und zeitlich begrenzte Zollkontingente bewilligt. Einfuhren ausserhalb der Saison können die Grenze praktisch zollfrei passieren.

Freihandel «Was die Beurteilung eines allfälligen Freihandels mit der EU betrifft, hängt einiges davon ab, ob dieses zweiphasige Importsystem beibehalten werden kann», erklärt Rudolf Zesiger. Unabhängig davon beurteilt er ein solches Handelsabkommen als Gefahr für die Schweizer Obst- und Gemüsebranche. Auch die WTO-Verhandlungen, die eine weitere Senkung der Schutzzölle zum Ziel haben, würden sich negativ auswirken. Denn das Schweizer Produktionsumfeld ist teurer als jenes im

Geerntet wird der «Jazz»-Apfel jeweils Anfang bis Mitte Oktober.

Ausland. Die durchschnittlichen Personalkosten für fest angestellte Mitarbeiter liegen hier zu Lande bei 32 Fr./h, in der EU nur bei 16 Fr. Das trifft die auf allen Stufen besonders arbeitsintensive Früchtebranche stark. Rund 30 % höher sind die hiesigen Energiekosten im Vergleich zu EU. Hinzu kommt, dass genossenschaftliche Vermarkter und Erzeugerorganisationen aufgrund der europäischen Obst- und Gemüsemarktordnung bis zu 50 % ihrer Investitionen aus Mitteln der EU finanzieren können. Zinslose oder vergünstigte Kredite bis zu 30 % des Investitionsvolumens werden durch einzelne EU-Länder zusätzlich vergeben. Auch Provinzen, Bundesländer und Gemeinden beteiligen sich mit bis zu 20 % an den Kosten. Weiter können Förderprogramme ohne direkten Bezug zur Landwirtschaft beansprucht werden.

Discounter Doch auch ohne weitere Marktliberalisierungen untersteht die Schweizer Obstbranche einem grossen Druck. Um sich gegen die Konkurrenz der deutschen Discounter zu wappnen, haben die Detailhändler ihre Billiglinien eingeführt und ausgebaut. Doch beim 12 2007


Obst gibt es da ein Problem, wie Rudolf Zesiger erklärt: «Die Früchte der Billiglinien unterscheiden sich qualitativ kaum von Standard-Ware. Kein Wunder bevorzugen die Konsumenten die günstigeren Produkte», analysiert er. Bereits habe die Billiglinie beim Obst einen Anteil von 25 % des Gesamtkonsums und drücke so auf den Verkauf von Klasse I. Im Gegensatz zu diesem Trend, der die Erlöse auf allen Stufen reduziert, fordert Rudolf Zesiger höhere Früchtepreise, um die inländische Produktion zu sichern. Das Jahresbudget der Schweizer Konsumenten würde dadurch nur unmerklich beeinflusst. Dafür könnten Arbeitsplätze auf dem Land erhalten und ökologische Leistungen besser abgegolten werden. Eine weitere aktuelle Entwicklung: Die Grossverteiler Coop und Migros wollen ihre Kosten minimieren, indem sie die Beschaffung unter anderem im Früchte- und Gemüsesektor weiter rationalisieren und die Anzahl Lieferanten drastisch einschränken. Der Handel stellt sich durch Kooperationen und Fusionen darauf ein. Auch auf die Produzenten wächst der Druck, in grösseren Betriebseinheiten zu produzieren und sich vermehrt auf bestimmte Kulturen zu spezialisieren.

Was tun? «Obwohl wir die aktuellen Marktentwicklungen kritisch betrachten, stellen wir uns durch Strukturoptimierung und Innovationen darauf ein», versichert Rudolf Zesiger. Neben dem Kauf der Firma Bongni (2006), der Union-Fruits (2007) und einer Beteiligung an der Steffen-Ris AG, bei der zum Zeitpunkt dieser Berichterstattung noch der Entscheid der Wettbewerbskommission offen war, setzt fenaco auf den Export und die Markteinführung neuer Apfelsorten in der Schweiz. Mit den Clubsorten «Tentation» und «Jazz» können höhere Erlöse erzielt werden und innovativen Bauern, Produktionsmöglichkeiten geboten werden. Der Marktanteil bei den Clubsorten dürfte künftig aber 10 bis 20 % nicht überschreiten.

«Tentation», «Jazz» Die gelben «Tentation»-Äpfel kennzeichnet ein blumiges Aroma, das an Haselnüsse und Anis erinnert. Die Sorte wurde 1990 in Frankreich nach fast zwanzigjähriger 12 2007

Forschungsarbeit aus der Taufe gehoben. Es handelt sich um eine Kreuzung aus «Grifer» und «Golden Delicious». Dank der Einführung durch die fenaco als Lizenzinhaberin in der Schweiz wird diese Clubsorte nun im Genferseegebiet auf mittlerweile 25ha angebaut. Dabei geht es darum, das Angebot an gelben Apfelsorten zu segmentieren und eine Alternative zu «Golden Delicious» zu schaffen. «Jazz» ist eine Kreuzung aus «Gala» und «Braeburn». Die Sorte wurde 2006 als Sieger von den holländischen Obstund Gemüsespezialisten gekrönt. Kennzeichnend ist ihr harmonischer, süsssäuerlicher Geschmack sowie ihre Knackig- und Saftigkeit. Wie bei «Tentation» umfasst die «Jazz»-Produktion hier zu Lande 25 ha.

Export Um die Schweizer Produktion zu stärken, exportiert die fenaco momentan – in Abhängigkeit von der Ernte – 600 bis 900 t Tafeläpfel der Marke «Golden Victor» ab dem Betrieb in Perroy nach Frankreich. «Das Exportgeschäft erfordert eine aufwändige Aufbauarbeit», weiss Rudolf Zesiger und fügt an: «Wir können uns vor allem mittels Qualität profilieren» und solche Top-Ware sei auf dem Apfelmarkt momentan sehr gesucht. Unter Qualität versteht Rudolf Zesiger besonders die äussere Qualität wie Grösse, Form und Farbanteil sowie die innere Qualität wie Zucker-/Säuregehalt und Festigkeit. Zudem wird die umweltgerechte Produktion gerade vom Schweizer Konsumenten sehr geschätzt. Rudolf Zesiger erklärt, dass bei gleichzeitigem Angebot von ausländischer Ware doch mehrheitlich auf die einheimischen Früchte zugegriffen werde.

Geschäftsbereich «Obst und Gemüse» der fenaco Der Geschäftsbereich «Obst und Gemüse» ist innerhalb der fenaco dem Departement Landesprodukte unterstellt. Die Lager-, Verarbeitungsund Verpackungsstandorte liegen in Perroy (VD), Charrat (VS), Ins (BE) und Sursee (LU). Die Frunoba in Gelterkinden (BL) dient als Plattform für Steinobst in der Nordwestschweiz. Den örtlichen Obst- und Gemüsebauern garantiert die Verwertung in den Regionen eine gute Absatzmöglichkeit. Auch der Produktionsberatung durch die Handelsbetriebe kommt eine wichtige Bedeutung zu. Mit den veränderten Marktbedingungen werden die Standortfrage, die Abläufe sowie das Dienstleistungsangebot innerhalb der fenaco-Gruppe laufend überprüft und optimiert. «Doch die Regionen werden weiterhin ihre Wichtigkeit behalten», ist Rudolf Zesiger, Leiter des Bereichs, überzeugt. Als genossenschaftliche Organisation im Besitz der Bauern habe das Unternehmen eine besondere Verpflichtung gegenüber den Produzenten. «Wir bemühen uns, trotz den oft harten Marktbedingungen möglichst gute Bedingungen für die Produzenten zu ermöglichen», versichert Rudolf Zesiger. Dass dies im Obst- und Gemüsebereich gut gelinge, zeige sich auch daran, dass die Produzenten allgemein gerne der fenaco liefern würden.

«Aber aus Sicht der betroffenen Betriebe ist der Feuerbrand ganz klar eine Katastrophe», zeigt Rudolf Zesiger Verständnis für die Forderung der Produzenten nach Streptomycin, zumal Antibiotika in der EU bewilligt sei. In erster Linie müsse die Bekämpfung des Feuerbrands jedoch wie bisher via intensive Krankheitskontrollen, rechtzeitiges Zurückschneiden von befallenen Ästen, die Bäumerodung und möglicherweise – wie Rudolf Zesiger besonders darauf hofft – durch den Einsatz von natürlichen Präparaten vorangetrieben werden. 䡵

Die Obsthalle in Sursee (LU) beschäftigt rund 50 Mitarbeitende.

«Tentation» – eine Apfelsorte für höhere Ansprüche.

Antibiotika? Welchen Einfluss hätte denn ein Streptomycin-Einsatz gegen den Feuerbrand auf diese «Swissness»? Hier vertritt Rudolf Zesiger die gleiche Meinung wie auch Swisscofel, der Verband des Schweizerischen Früchte-, Gemüse- und Kartoffelhandels. Der Schweizer Konsument sei äusserst sensibel beim Kauf von Früchten. Die 2007 vom Feuerbrand befallenen Flächen hätten sich mit 2 % (rund 100 ha, 3000 t Äpfel) in Bezug auf die gesamte Erntemenge nicht so stark ausgewirkt.

Mehr zum fenaco Geschäftsbereich «Obst und Gemüse» – so etwa zu seiner Geschichte, zu den Standorten, den Tätigkeitsgebieten und Sortimenten sowie die Kontaktadressen für eine Produktionsberatung – steht unter www.obsthalle.ch.

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