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Juni 2011
Chancen der Schweizer Bio-Landwirtschaft
Willy Gehriger: Wachstumspotenzial ist da 2 Der Bio-Landbau und die Agrarpolitik 4 Der Markt verlangt nach mehr 6 Eine Umstellung braucht seine Zeit 8 Bio-Getreide: Sich lohnende Herausforderung 10 Sch채dlingsregulierung im Bio-Landbau 12 Schnecken sind und bleiben ein Thema 14
INTERVIEW BIO-PRODUKTION
Wachstumspotenzial vorhanden FÜR WILLY GEHRIGER, Vorsitzender der Geschäftsleitung der fenaco, könnte sich der Umsatz mit Bio-Lebensmitteln bei einer entsprechenden Marketingstrategie der Grossverteiler bis in fünfzehn Jahren verdoppeln. Dabei bestehe die Chance, dass rund die Hälfte der zusätzlich nachgefragten Bio-Lebensmittel in der Schweiz produziert werden könnten.
UFA-Revue Wie beurteilen Sie Simon Marti
«Bei der Nachhaltigkeit hat die Politik mehr erreicht als der Markt.»
den Bio-Markt bezüglich Schweizer Rohstoffe? Wo sehen Sie Marktchancen? Willy Gehriger Als grösster BioVerkaufskanal realisierte Coop 2009 bei einem Kassenverkauf von total 19.7 Mrd. Fr. mit Schweizer Bio-Produkten einen Umsatz von über 700 Mio. Fr., das sind rund vier Prozent des Gesamtumsatzes. Die Importprodukte eingerechnet, liegt der Bio-Anteil am Umsatz von Coop bei etwa 8 %. Migros ist mit einem grösseren Gesamtumsatz weniger weit im Bio-Bereich. Der Marktanteil von Bio ist in der Schweiz immer noch relativ klein. Beim Gemüse sind es zehn, bei der Milch acht und beim Fleisch unter 2 %. Die Westschweiz kennt noch ein Wachstum, weil Bio dort später aufkam als in der Deutschschweiz.
machen aber keine grossen Mengen aus.
Beim Fleisch besteht ein Nachfragewachstum. Im Moment spürt man eine steigende Wie sieht die Situation beim Brotgetreide Nachfrage beim Bio-Fleisch – auf niedaus? rigem Niveau. Einige stellen jetzt auf Bio Das Bio-Brotgetreide wird heute zum um. Das ist gut, doch wir müssen aufgrössten Teil importiert. Bio-Brot hat passen. Wenn man zwar mit elf bis versucht, den zwölf Prozent einen «Die BioMarktanteil des Biohohen Marktanteil, Organisationen Fleisches von heute aber es gibt viel zu haben es immer 1.8 % rasch zu verwenig inländischen Bio-Weizen. Im verstanden, den doppeln, ist die Gefahr gross, dass man Ackerbau ist es Markt im Griff plötzlich zu viele schwierig, weil man zu behalten.» Bio-Schweine hat. wegen der Bio-PhiEs ist schlecht, wenn losophie fast gejemand mit den entsprechenden Kosten zwungen ist, Tiere zu halten, damit man biologisch produziert und dann das Prowirtschaftlich überleben kann. dukt nicht als Bio verkaufen kann. Die Die professionalisierten AckerbaubeBio-Organisationen haben es immer triebe in der Westschweiz können sich verstanden, den Markt mit sorgfältigen nicht leisten, Bio-Dünger für den ganMassnahmen im Griff zu behalten – es zen Betrieb einzukaufen. Dann hat man gab nie grosse Überhänge. In den meisviele kleine Betriebe mit Vieh – diese
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ten Marktsegmenten haben wir ein kleines Wachstum, das die bestehenden Produzentinnen und Produzenten decken können. Nur bei Getreide und Fleisch wird das Wachstum nicht gedeckt – aber wie gesagt, beim Fleisch muss man vorsichtig sein. Welches sind die Schwerpunkte der fenaco im Bio-Markt, wo sehen Sie Perspektiven? Wir haben zertifizierte Betriebe für Früchte, Gemüse, Fleisch und Getreide. Es gibt Bereiche, wo der Markt wächst, und andere Märkte, wo einige Zwischenstufen Schwierigkeiten haben werden und wir neue Lösungen suchen müssen. Es ist nicht unsere Strategie, jetzt die Bio-Welt zu erobern. Wir waren aber immer dabei. Im vorgelagerten Bereich sind wir seit über zehn Jahren in den Bereichen Saatgut, Dünger und Pflanzenschutz tätig. Im Mischfuttermarkt ist die fenaco mit einem Drittel Marktanteil die Nummer zwei in der Schweiz. In Herzogenbuchsee haben 6 2011 · UFA-REVUE
INTERVIEW BIO-PRODUKTION wir für 2 Mio. Fr. das Mischfutterwerk Hofmatt erneuert und voll auf Bio umgestellt. Bio Suisse möchte mit einem Aktionsplan die Konsumenten stärker für Bio sensibilisieren. Welches Potenzial sehen Sie? Es gibt noch ein Wachstumspotenzial, aber dieses ist nicht spektakulär und abhängig von der Marketingstrategie der Grossverteiler. Die Konsumentinnen und Konsumenten reagieren auch auf Werbung. Die Frage ist, wer diese in einem Stil machen kann, dass Tausende plötzlich mehr Bio konsumieren. In der Schweiz haben mit Migros und Coop nur zwei diese Kraft. Dann könnte sich der Umsatz in fünfzehn Jahren verdoppeln. Für mich ist dies der beste Fall für die Bio-Welt. Dann besteht die Chance, dass man etwa die Hälfte in der Schweiz produzieren wird. Ich möchte aber keine generelle Umstellungsempfehlung abgeben. Wer sich interessiert, müsste mit Bio Suisse und den Kunden sorgfältig abklären, ob es für seine Produkte in seiner Region einen Markt gibt. Wie beurteilen Sie bei vermehrter Marktöffnung die Wertschöpfungsmöglichkeiten für Bio im Vergleich zur konventionellen Landwirtschaft? Wenn die Grenzen aufgehen, mache ich mir um Bio mindestens so viele Sorgen wie um die konventionelle Landwirt-
französische Agrarminister sagte, man schaft. Möglich ist, dass man politisch habe langsam genug von all der Nachhilft. Doch der Staat wird die Förderung haltigkeit, man wolle wieder produzienicht ausweiten, wenn der Markt nicht ren. Es gibt diese mitmacht. Für den Export sind wir «Was der Markt Gegenbewegung in der EU. Es existieren nicht prädestiniert. bei der zwei Sichtweisen: Wir haben wenig Nachhaltigkeit Die einen sagen, ihr Fläche, viele Berge Schweizer seid auf und vor allem kauferreicht hat, dem richtigen Weg. kräftige Konsumenist eher Dann gibt es EUten. Gut, wir könnenttäuschend.» Länder wie Däneten beschliessen, mark, Holland oder ein schönes Biodie ehemaligen Oststaaten, die hyperinLand Schweiz zu machen, und dann, tensiv wirtschaften. Dort zählt nur der wenn der Heimmarkt gesättigt ist, Bio in Preis. Die EU ist in einer Clinchsituation, die EU exportieren. Aber wir haben, ihre Agrarpolitik ist in einem Tief, ohne wenn bei einer Marktöffnung die Preise klares Ziel. sinken, das Problem der hohen Arbeitskosten, besonders in der arbeitsintensiWie nehmen Sie persönlich die Bio-Landven Bio-Landwirtschaft. wirtschaft wahr – konsumieren Sie Bio? Meine Frau und ich sind viel auf dem Stellen Sie einen Konsumtrend Richtung Wochenmarkt. Wir wollen vor allem mehr Nachhaltigkeit fest? wissen, woher die Produkte kommen. Nachhaltigkeit ist überall ein Thema. Dabei habe ich gerne Schweizer ProAm Ende entscheiden die Konsumendukte – aber nicht nur. Wenn ich bei tinnen und Konsumenten, was für sie Früchten zwischen Italien oder Spanien richtig ist. Was der Markt bei der Nachwählen kann, nehme ich lieber die aus haltigkeit erreicht hat, ist aber eher entItalien. Bei Fleisch schaue ich immer, ob täuschend. es aus der Schweiz kommt. Swissness funktioniert bei mir sehr gut. Ich suche Warum? nicht speziell Bio-Produkte. Aber ich Die Politik hat mehr erreicht – nach dem habe damit auch keine Probleme. Die Grundsatz: «Wenn du Direktzahlungen Geschäftsleitung und Verwaltung der willst, musst du nachhaltig wirtschaffenaco besucht hier in Bern oft ein Bioten.» Man muss auch aufpassen, dass Restaurant. man die Leute nicht müde macht. Der 䡵
Zur Person Willy Gehriger ist Vorsitzender der Geschäftsleitung der fenaco. Der promovierte Ingenieur-Agronom ETH arbeitete zunächst an der landwirtschaftlichen Forschungsanstalt Changins, ehe er vor 20 Jahren zur fenaco wechselte. Willy Gehriger ist verheiratet und hat einen Sohn sowie ein Grosskind. Er wohnt in Pully bei Lausanne.
«Wer sich für die Umstellung auf Bio interessiert, müsste sorgfältig abklären, ob es für seine Produkte in seiner Region einen Markt gibt.»
Autor Simon Marti ist Politologe und freier Journalist in Bern. Dieses Interview erschien in der Zeitschrift «bioaktuell» vom Februar dieses Jahres (1/2011).
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AGRARPOLITIK BIO-PRODUKTION
Brot und Blumen AGRARPOLITIK 2014 – 2017 Die zukünftige Agrarpolitik ist bezüglich biologischer Landwirtschaft auf Konsolidierung und nicht auf Wachstum ausgerichtet. Das ist gut für den bestehenden Bio-Betrieb, hat jedoch schwerwiegende Folgen für den Schweizer Bio-Markt.
Mareike Jäger
Noch bis Ende Juni ist der Vorschlag zur neuen Agrarpolitik 2014 – 2017 in der Vernehmlassung. Die Beiträge für den Bio-Landbau sind in den Produktionssystembeiträgen zur Förderung besonders naturnaher, umweltund tierfreundlicher Produktionsformen zu finden. Grosse Änderungen gibt es keine – die Höhe der Beiträge bleibt in etwa gleich und auch die bisherige Abstufung des Beitrages nach Nutzungsart (Spezialkulturen, übrige offene Ackerfläche sowie übrige LN) wird beibehalten. Neu soll die graslandbasierte Milch- und Fleischproduktion gefördert werden und damit Betriebe, die ihren Futterbedarf überwiegend durch Gras, Heu, Emd und Grassilage decken. Davon durften auch viele Bio-Betriebe profitieren.
Klare politische Signale Die Bio Suisse begrüsst die grundsätzliche Stossrichtung der Agrarpolitik. Die
Schweizer (Bio-)Landwirtschaft kann sich mit einer nachhaltigen Produktionsweise hervorragend an den sich öffnenden Märkten profilieren. Es brauche eine Kombination aus «Brot und Blumen» hiess es an der Jahresmedienkonferenz der Bio Suisse Ende März. Heftig kritisiert wird allerdings die vorgesehene Verteilung der Mittel. Nur 20 % sollen in die leistungsorientierten Bereiche wie Biodiversität, Landschaftsqualität und Produktionssysteme fliessen. Der grösste Teil wird weiterhin einfach dafür ausbezahlt werden, dass Landwirte Flächen bewirtschaften (Kulturlandschafts- und Versorgungssicherheitsbeiträge) oder bereits früher Direktzahlungen bezogen haben (Anpassungsbeiträge). Daneben sei es absolut unverständlich, wieso von den rund 2.8 Mia. Fr. Direktzahlungen weiterhin nur 1 % für die Bio-Beiträge vorgesehen sind, meint die Bio Suisse. Sie stellt deshalb drei Forde-
rungen an die Neuausrichtung der Agrarpolitik: • Erhöhung der leistungsbezogenen Mittel. • Aktionsplan Bio etablieren, der unter anderem strategische Instrumente wie Forschungs- und Beratungsbeiträge zur Erhöhung des Bio-Flächenanteils enthalten soll. • Produktionssystembeiträge für den Bio-Landbau um das Doppelte erhöhen.
Wie machen`s die Nachbarn? Aus einzelbetrieblicher Sicht bleibt auch unter der AP 2014 – 2017 das Schweizer Direktzahlungsniveau für die biologische Produktion im Vergleich zu anderen Ländern Europas sehr hoch. In Deutschland zum Beispiel haben einzelne Bundesländer die Bio-Förderung seit diesem Jahr gestrichen, solange die Kofinanzierung durch die EU für die nächste Förderperiode nicht zugesichert ist.
Gesucht: Schweizer Bio-Produzentinnen und Bio-Produzenten
Stephan Jaun, Leiter Information und PR Bio Suisse. www.bio-offensive.ch 4
In Sachen Bio soll man den Markt entscheiden lassen – das hört man oft. Und tatsächlich: Der Markt hat entschieden. Die Knospe-Produzenten erzeugen eine hervorragende Qualität, die Verarbeiter bringen jährlich über 1000 neue KnospeProdukte auf den Markt, und von Jahr zu Jahr verkauft der Detailhandel rund 5 % mehr biologisch produzierte Lebensmittel. Inzwischen werden für jährlich über 1.6 Mia. Fr. Bio-Produkte verkauft, Tendenz weiter steigend. Um die wachsende Nachfrage zu decken, unterstützt Bio Suisse mit der Bio-Offensive die bisherigen Bio-Bauern und sucht neue Knospe-Produzenten. Trotz lukra-
tiven Produktionsmöglichkeiten stellen nämlich bislang zu wenig Bauern auf Bio um. Die Schweizer Landwirtschaft verliert so immer mehr Marktanteile ans Ausland. Die grösste Nachfrage herrscht zurzeit bei Bio-Getreide, Bio-Eiweissträgern und BioWeidefleisch. Vollkostenrechnungen zeigen, dass der Getreidebau nach Knospe-Richtlinien für Bauernfamilien finanziell attraktiv ist. Umsteller berichten, dass die biologische Produktionsweise ihrer Aufgabe als Landwirt zusätzliche Befriedigung verleiht. Zudem hilft Bio bei der Werterhaltung des Betriebes, unter anderem weil vielfältige Fruchtfolgen, mechanisches Unkrautmana-
gement, ein naturlicher Nährstoffkreislauf und eine hohe Biodiversität den Boden und die Umwelt gesund erhalten – auch für ihre Hofnachfolger. Bio Suisse informiert über die Marktmöglichkeiten und Chancen. Das Forschungsinstitut für biologischen Landbau, die kantonalen Bio-Berater und die regionalen Bio-Organisationen stehen bei Bedarf beratend zur Seite. Den unternehmerischen Entscheid, ob eine Umstellung sinnvoll ist, müssen die Bauern natürlich selber fällen. Bio Suisse setzt sich mit der Bio-Offensive für alle ihre Mitglieder ein. Sie wird etwa in Bundesbern für einen Aktionsplan Bio vorstellig, um die 6 2011 · UFA-REVUE
AGRARPOLITIK BIO-PRODUKTION
Förderinstrumente AP 2014 – 2017 • Kulturlandschaftsbeiträge zur Offenhaltung der Kulturlandschaft • Versorgungssicherheitsbeiträge zur Erhaltung der Produktionskapazitäten für den Fall von Versorgungsengpässen • Biodiversitätsbeiträge zur Erhaltung und Förderung der Artenvielfalt • Landschaftsqualitätsbeiträge zur Erhaltung, Förderung und Weiterentwicklung vielfältiger Kulturlandschaften • Produktionssystembeiträge zur Förderung besonders naturnaher, umwelt- und tierfreundlicher Produktionsformen • Ressourceneffizienzbeiträge zur nachhaltigen Nutzung von Ressourcen wie Boden, Wasser und Luft sowie zum effizienten Einsatz von Produktionsmitteln • Anpassungsbeiträge zur Gewährleistung einer sozialverträglichen Entwicklung der Landwirtschaft
Die Höhe der Bio-Prämie liegt im Durchschnitt bei etwa 160 Euro/ha Acker- und Grunland. Der Bio-Landbau ist zudem von solchen Extensivierungsund Naturschutzprogrammen ausgeschlossen, dessen Anforderung er sowieso erfüllt. Extensobeiträge für BioBetriebe wären demnach nicht möglich. Die unklare Fördersituation führt bei den Betrieben zu Planungsunsicherheit und ist ein Hauptgrund, weshalb die Umstellungsrate in Deutschland deutlich hinter dem Umsatzwachstum der Bio-Branche zurück bleibt.
Rahmenbedingungen für die biologische Landwirtschaft in Zukunft weiter zu verbessern. Von einem ausgewogenen Marktwachstum profitiert nämlich die ganze Branche: Wenn zum Beispiel mehr Bio-Schweinefleisch zur Verfügung steht, können auch mehr Bio-Schlachtkühe zu Bio-Wurstwaren verarbeitet werden. Und wenn hierzulande mehr Bio-Sonnenblumen wachsen, ist die Ernte plötzlich gross genug, dass die Verarbeiter ein Schweizer Knospe-Sonnenblumenöl pressen können. Der Markt ruft. Nutzen Sie jetzt die Chance, werden Sie Bio-Bäuerin oder Bio-Bauer! UFA--REVUE · 6 2011
Die Macht von Fördertöpfen, aber mit anderen Konsequenzen, zeigt sich auch am Beispiel Österreich. Mit einem Bio-Flächenanteil von 19.5 % steht Österreich an der Spitze Europas. Dort ist eine Umstellungswelle vor allem dadurch ausgelöst worden, dass nur bis Ende 2009 Beiträge aus dem österreichischen Agrarumweltprogramm ÖPUL für die aktuelle Förderperiode bis 2013 beantragt werden konnten. Diese Tatsache sowie die katastrophalen Preise für konventionelle Marktfrüchte haben in Österreich 2008 und 2009 zu einem sprunghaften Anstieg von Umstellungsbetrieben geführt. Bis ein neuer Förderzeitraum festgelegt ist, werden aktuell aber keine BioBeiträge mehr für Neuumsteller ausgezahlt.
Fazit Aus einzelbetrieblicher Sicht wird mit der AP 2014 –17 erreicht, dass es den bestehenden Bio-Betrieben in Bezug auf die Förderung weiterhin gut
geht. Als nachhaltiges Produktionssystem per se erhalten sie zudem mehr Spielraum, positive Leistungen geltend zu machen und von neuen Förderinstrumenten zu profitieren. Um die Schweizer Bio-Landwirtschaft in einem chancenreichen Markt aus eigener Kraft wettbewerbsfähig zu machen, ist jedoch ein staatlicher Anschub notwendig. Dieser musste z. B. bessere Rahmenbedingungen für die Vermarktung von Umstellungsware schaffen. Der Schweizer Bio-Markt hat in erster Linie ein Beschaffungsproblem. Die Nachfrage wäre da aber die Ware nicht vorhanden. Einzelne Produktionszweige im Pflanzenbau drohen ganz ins Ausland abzuwandern. Beim Brotgetreide fehlen zum Beispiel 5000 ha zusätzliche Anbaufläche, was eine Verdreifachung der jetzigen Fläche bedeuten wurde. Beim Futtergetreide und bei den Körnerleguminosen sieht es ähnlich aus. Die Rahmenbedingungen der AP 2014 –17 bieten jedoch zu wenig Anreiz zur Umstellung und damit zu einer Vergrösserung der Gesamt-Biofläche, die einheimische Marktanteile sichern wurde. 䡵
2010 arbeiteten 5521 Betriebe nach Bio Suisse Richtlinien. Mit den rund 400 nach BioVerordnung des Bundes produzierenden Betrieben macht dies einen Anteil von rund 11% der gesamten Landwirtschaftsbetriebe in der Schweiz aus.
Autorin Mareike Jäger, Fachgebiet Bio-Landbau, Agridea, Eschikon 28, 8315 Lindau
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MARKTANALYSE BIO-PRODUKTION
Der Bio-Markt bietet Chancen DER BIO-ABSATZ WÄCHST Der Markt verlangt immer mehr Bio-Produkte in Knospe-Qualität. Besonders nachgefragt sind Getreide, Raps, Beeren, Steinobst, Birnen, Fisch und Eier. Die detaillierte Marktabklärung mit den künftigen Abnehmern ist einer der wichtigsten Schritte für eine erfolgreiche Umstellung.
Der Umsatz mit Bio-Produkten ist im Jahr 2010 in der Schweiz auf Stufe Detailhandel um 6.1 % auf über 1.6 Mia. Fr. gestiegen. Kräftig zugelegt haben Migros (+14 % auf 416 Mio. Fr.) und Coop (+4.7 % auf 800 Mio. Fr.). Die Umsätze gesteigert haben auch die Direktvermarkter. Um die steigende Nachfrage zu decken, sind Knospe-Produzenten gesucht. Die Situation in den verschiedenen Bio-Teilmärkten ist jedoch unterschiedlich. Produzenten, die sich für die Umstellung auf Bio mit der Knospe interessieren, sollten Fragen bezüglich Logistik, Sorten, Qualität und Menge mit den Abnehmern prüfen.
Reto Bergmann
Grafik 1: Mengenentwicklung Bio-Tafel-Kernobst in t
Quelle: Swisscofel
5000 4000 3000 2000 1000 0
2000
2002
2004
2006
2008
2010
Grafik 2: Produzentenpreise Bio-Eier 50
in Rp.
Quelle: BLW, Marktberichte
40 30 20 10 0
2001
2003
2005
Bio 53 – 63 g Freilandhaltung 53 – 63 g Bodenhaltung 53 – 63 g 6
2007
2009
Import Konsum-Eier Import Verarbeitungs-Eier
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Steinobst mit Potenzial
BioFrüchte erreichen mit 7 % des Früchtemarktes einen überdurchschnittlichen Marktanteil und verzeichnen gute Wachstumsraten. Auch der Kernobstmarkt entwickelt sich gut. Abgesehen von den natürlichen jährlichen Schwankungen der Bio-Produktion wächst der Marktanteil seit Jahren kontinuierlich. Das zurzeit grösste Wachstumspotenzial liegt bei den Birnen. Die Nachfrage bei Steinobst und Beeren kann bei Weitem nicht gedeckt werden. Der Markt könnte heute problemlos die Produktion mehrerer Hektaren professionellen Kirschen- und Zwetschgenanbaus aufnehmen. Während der Schweizer Steinobstsaison ist zudem kaum Konkurrenz durch Importware zu befürchten. Auch bei Bio-Aprikosen und den Bio-Beeren besteht Wachstumspotenzial. Erdbeeren und Sommerhimbeeren werden mangels inländischen Angebots in grossem Stil importiert. Für Bio-Früchte werden gute Preise erzielt. Die Preisentwicklung ist seit Jahren stabil. Die Absatzmöglichkeiten bleiben mittelfristig gut bis sehr gut.
Bio-Ackerflächen gesucht Im Bereich der Ackerkulturen kann die Nachfrage seit Jahren nicht gedeckt werden. Zwar legt die Produktion jährlich leicht zu, doch noch immer werden tausende Tonnen Bio-Ackerfrüchte importiert. Brotgetreide wird zu mehr als 50 % importiert. Flächenmässig fehlen rund 5000 ha Weizen, 500 ha Roggen und 200 ha Dinkel. Noch ausgetrockneter ist das Angebot beim Futtergetreide. Seit einigen Jahren werden auf rund 400 ha Bio-Kartoffeln angebaut. In guten Jahren kann der Bedarf an Bio-Kartoffeln
durch die Inlandproduktion gedeckt werden. Die Nachfrage nach einheimischem Raps ist hingegen bei Weitem nicht gedeckt. Sonnenblumen, Hirse, Lein und Soja werden auf kleinen Flächen angebaut. Die Märkte entwickeln sich positiv und die Entwicklungschancen werden in Zusammenarbeit mit den Abnehmern ausgelotet.
Wachstum bei Bio-Eiern Der BioEiermarkt verzeichnet seit einigen Jahren ein kontinuierliches Wachstum. Um die Nachfrage zu decken, wird die Produktion laufend ausgebaut. Von 2007 bis 2010 ist die jährliche Menge Schweizer Bio-Eier um knapp 40 % auf rund 97 Mio. Stück gestiegen. Etwa jedes dritte Ei wird direkt von den Höfen weg verkauft. Für die industrielle Verarbeitung werden geschätzte 15 % der Bio-Eier importiert. Die Preise sind an die Legehennen-Futterpreise gekoppelt und weisen eine relativ hohe Stabilität auf. Der Produzentenpreis für ein Bio-Ei liegt rund 70 % über demjenigen für ein konventionelles Freiland-Ei. Die aktuelle Marktsituation bietet gute Vermarktungsmöglichkeiten.
Bio-Milch: Verarbeitungsmenge steigt Der Schweizer Bio-Kuhmilchmarkt entwickelt sich positiv. Bio macht über 5% der Verwertungsmenge aus. Der Detailhandel erwirtschaftete im Jahr 2010 trotz Preissenkungen über 167 Mio. Fr. Umsatz mit Frischmilchprodukten und über 73 Mio. Fr. Umsatz mit Biokäse. Sehr erfreulich die MehrjahresMengenbilanz: Seit 2005 wurden 30% mehr Bio-Milch verarbeitet, die Produktion stieg lediglich um 4 %, so dass der 6 2011 · UFA-REVUE
MARKTANALYSE BIO-PRODUKTION Anteil der konventionell verwerteten Milch um 50 % zurückging. Seit Sommer 2010 wurde keine Bio-Milch deklassiert, der Bio-Milchmarkt ist im Gleichgewicht. Hält das Wachstum an, braucht es längerfristig einen Produktionsausbau. Das Wachstum wird unter anderem durch Marketingmassnahmen der Bio-Milchmarktrunde gestützt. Seit 2005 organisiert sie mehrmals jährlich Promotionen und Degustationen von Knospe-Milchprodukten für Konsumenten. Preislich ist Bio-Milch vom konventionellen Markt abhängig. Der Produzentenpreis ist 2009 unter Druck geraten, erholt sich aber seit Sommer 2010 leicht.
Gesucht Bio-Fleisch Der Fleischmarkt entwickelt sich positiv. Die Migros hat den Absatz von Bio-WeideBeef markant gesteigert und sucht gezielt nach neuen Produzenten. Auch das Bio-Natura-Beef entwickelt sich positiv. Dank dem Engagement von Coop sind Natura-Beef mit Knospe gesucht. In der Verarbeitung sind qualitativ hochwertige Schlachtkühe und Schweine gesucht. Die Migros übernimmt seit März 2010 keine Bio-Kälber mehr. Die saisonalen Angebots- und Preisschwankungen vermindern die Attraktivität des Marktes zusätzlich. Dem Angebot von über 50 000 Knospe-Lämmern steht eine Nachfrage nach nur 10 000 Lämmern gegenüber. Knospe-Pouletfleisch zeigt eine positive Tendenz. Pou-
letbrüste verkaufen sich gut, Schenkel und Flügel jedoch weniger. Coop hat den Umsatz von Bio-Pouletfleisch von 2007 bis 2009 verdreifacht, die Verkäufe bei Migros entwickeln sich ebenfalls positiv. Auch Bio-Fisch ist sehr gefragt. Coop könnte jährlich über 100 t mehr inländische Bio-Fische – vor allem Forellen – verkaufen und will den Markt weiter ausbauen. Seit drei Jahren sind Bio-Schweine gesucht. Das Bio-Engagement der Migros verstärkt diese Entwicklung. 2011 werden jedoch bestehende Züchter ausbauen und neue auf die Knospe umsteigen, sodass die Abnehmer besser versorgt werden können. Die Preise für Knospe-Schweinefleisch entwickeln sich relativ unabhängig vom konventionellen Schweinefleisch auf konstant hohem Niveau. Die Preise für Knospe-Kälber, Bank- und Verarbeitungstiere schwanken je nach Angebot und werden unter anderem durch das Geschehen auf dem QM-Markt mitbestimmt.
Grafik 3: Bio-Milch Verwertung 250 000
in t
Quelle: SMP, TSM Treuhand
200 000 150 000 100 000 50 000 0
2005
2006
2007
2008
2009
2010
Bio-Milch Produktion Bio-Milch Verwertung
Grafik 4: Produzentenpreis Bio-Schweinefleisch 8.00
in Fr./kg SG
Quelle: Proviande
6.00 4.00 2.00 0 2007
2008
2009
2010
IP Suisse QM
Bio-Knospe Coop Naturaplan M7
Grafik 5: Produzentenpreis Bio-Brotgetreide
Bio-Gemüse beliebt Bio-Gemüse hat mit 11% einen hohen, stetig wachsenden Marktanteil. Die Versorgungslage bei Frisch- und Lagergemüse ist gut. In produktiven Jahren übersteigt das Angebot die Nachfrage. Einzelne Produkte wie Chicorée oder Spargel sind gesucht. Bio-Gemüse erzielt Mehrpreise von 15 bis 35 %. Wie Bio-Gemüse ist auch Bio-Wein für Direktvermarkter attraktiv. Seit zwei Jahren nimmt die Anbaufläche zu. Im Trend liegen bio-dynamisch produzierte Weine. 䡵
140 120 100 80 60 40 20 0
in Fr./100 kg
2001
Quelle: Bio Suisse Pool Brotgetreide, Swissgranum
2003
Knospe-Dinkel Knospe-Weizen Knospe-Roggen
2005
2007
2009
Dinkel Weizen Roggen
Chancen und Risiken der Bio-Produktion Obst, Beeren
Bio-Eier
Bio-Milch
Bio-Fleisch
Getreide
+ Entwicklungspotenzial – Investitionskosten für Neuanlagen
+ Freilandbetriebe einfach umzustellen – Vermarktung von Umstellungseiern
+ Aufwand für Umstellung gering – kein Markt für Umstellmilch
+ oft wenig bauliche Investitionen nötig – hohe Produktionskosten
+ Produzenten gesucht + gut mechanisierbar – Vermarktung während Umstellung
Autor Reto Bergmann, Produkt Management Fleisch, Bio Suisse. Margarethenstr. 87 4053 Basel www.bio-suisse.ch
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TIERHALTUNG BIO-PRODUKTION
Umstellung braucht Zeit ANDREAS RAMSER UND JÖRG MESSERLI produzieren seit über zehn Jahren biologisch. Sowohl die Hauptbetriebszweige Milchproduktion, Schweinezucht und Pouletmast als auch den Pflanzenbau haben die beiden in dieser Zeit laufend optimiert. Verändert wurden unter anderem die Genetik der Tiere, die Fütterungsstrategie als auch der Umgang mit Krankheiten.
Daniel Schmied
Patrick Meier
Michael Minnig
Den Schritt, auf Bio umzustellen, haben Jörg Messerli und Andreas Ramser nie bereut. Aber die BioProduktion ist eine Wissenschaft für sich und es braucht Zeit, bis ein Betrieb optimal darauf ausgerichtet ist. Jörg Messerli hat 1998 auf Bio umgestellt, Andreas Ramser zwei Jahre später. Aus ökologischen, aber auch wirtschaftlichen Gründen. Beide bewirtschaften auf dem Belpberg (800 m ü.M.) einen 14 ha grossen Betrieb. Jörg Messerli mit einem Milchlieferrecht von 75 000 kg, Andreas Ramser mit 90 000 kg pro Jahr. Daneben hat sich Jörg Messerli auf die Schweinezucht spezialisiert: 30 Muttersauen und zwei Eber. Ein weiteres Standbein des Betriebs Ramser ist die Pouletmast mit vier Mobi-Ställen à 425 Plätzen.
Gute Bedingungen für Getreidebau Schon immer produzierten die beiden Betriebe fast biologisch. Eine Umstellung auf Bio lag deshalb auf der Hand. Inspiriert wurde man unter ande-
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rem von Bio-Betrieben in der Region. Man realisierte, dass auf dem Belpberg für den biologischen Ackerbau ideale Bedingungen herrschen. Dank windiger Lage und sandigen Böden trocknen die Felder schnell. Das erleichtert das rechtzeitige Striegeln und vermindert den Pilzkrankheitsdruck. Totalausfälle gab es zwar auch, aber selten. Meist erreichen beide Landwirte heute so hohe Saatgetreide-Erträge wie vorher mit konventioneller Bewirtschaftung. So seien 60 kg/a Weizen und 50 kg/a Dinkel keine Seltenheit. Neben Saatgetreide werden ebenfalls Saatkartoffeln erfolgreich kultiviert. Weniger bewährt habe sich der Maisanbau. «Das Jäten ist mir zu aufwändig», erklärt Andreas Ramser, weshalb er dieses Jahr auf diese Kultur verzichtet habe.
Doppelte Stallfläche, doppelter Aufwand Was die Tierhaltung betrifft, hat die biologische Produktion zahlreiche
Vorteile wie höhere Verkaufserlöse und die tierfreundliche Haltung. «Aber in der Schweinezucht ist der Arbeitsaufwand doppelt so hoch», spricht Jörg Messerli aus seiner Erfahrung. Wegen den vorgeschriebenen 7 m2 Buchtenfläche pro Sau. Jörg Messerli managt seine Schweine im 3-Wochen-Rhythmus mit sieben Gruppen à vier Sauen, die zu 100 % via Natursprung belegt werden. In der Fütterung kommt die 2-Phasen-Strategie zum Zug – mit UFA 450 Galt- und UFA 450-2 Säugendfutter. Ferkel erhalten UFA 456.
Auf die Rasse kommt es an Auf die Idee, Mastpoulets zu halten, kam Andreas Ramser, weil diese gesucht waren und die Investition für die MobiStälle sich im Rahmen hält. Im bestehenden Schweinestall wäre es unmöglich gewesen, einen biokonformen Auslauf zu installieren. Daher wurde er für die dreiwöchige Poulet-
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TIERHALTUNG BIO-PRODUKTION vormast umgebaut. Andreas Ramser ist zufrieden mit seiner Poulet-Rasse, bei der es sich um eine Weiterzüchtung aus den robusten Nackthals-Hennen handelt. Es gebe selten Probleme mit Krankheiten. Einzig der Fuchs oder der Habicht sorgen zwischendurch für Verluste. Gefüttert wird UFA 648, ab dem 30. Masttag ergänzt mit 20 g UFA 504 Körnermischung pro Tier und Tag.
Natürliche Heilmethoden Wie beim Geflügel ist die Wahl von geeigneter Genetik auch in der Milchproduktion ein wichtiger Erfolgsfaktor. Eine gute Zellzahl lässt sich nur mit gesunden Eutern erreichen. Jörg Messerli und Andreas Ramser haben die Kühe mit allzu leichtem Milchfluss konsequent ausgemerzt. «Langsam melkige Kühe sind weniger anfällig für Euterentzündungen», bestätigen die beiden. Wenn eine Kuh doch einmal eine akute Entzündung macht, mixt Jörg Messerli 2 bis 3 dl Essig, zwei Esslöffel Salz und ein Ei in einem Joghurtbecher und verteilt den Brei auf das erkrankte Euterviertel. Vier Mal in einem halbtäglichen Intervall. Der Brei kühlt das Euter ab und fördert die Heilung. Auch Andreas Ramser setzt auf alternative Heilmethoden, die er sich an Kursen angeeignet hat.
Kraftfutter in Startphase Sowohl Jörg Messerli als auch Andreas Ramser setzen das mengenmässig beschränkte Kraftfutter beim Milchvieh vorwiegend in der Startphase ein. So bleiben die Kühe gesund und erreichen 6000 kg Milch pro Laktation. 䡵
Trends in der Bio-Fütterung In der EU sollen künftig nicht nur Wiederkäuer, sondern auch Schweine, Geflügel und Co. künftig zu 100 % mit Bio-Futter ernährt werden. Ob, wie und wann die vollständige BioFütterung von Nichtwiederkäuern auch in der Schweiz umgesetzt werden muss, ist noch offen. Methionin und Lysin Bis anhin war für Nichtwiederkäuer ein Anteil von 95 % BioFutter vorgeschrieben. In der Praxis wird viel Bio-Sojakuchen eingesetzt, weil er ein gutes Aminosäuremuster aufweist. Aber für Schweine hat Sojakuchen nicht genug Lysin und für Geflügel nicht genug Methionin. In die Lücke springen könnten Maiskleber und Kartoffelprotein. Beide Komponenten sind auf den internationalen Märkten aber nicht in Bio-Qualität verfügbar. Daher wird diskutiert, bei den Nichtwiederkäuern in einzelnen Phasen noch gewisse konventionelle Produkte zuzulassen. Bei einer hundertprozentigen Bio-Fütterung muss die Nährstoffkonzentration in Rationen für Schweine und Geflügel zurückgenommen werden. Sonst resultieren Überschüsse einzelner Nährstoffe und damit negative Folgen auf die Gesundheit oder die Schlachtqualität. Bio-Forschung auf UFA-Bühl Gefragt sind neue Erkenntnisse in der Forschung, welche die Ernährung und Haltung von Bio-Tieren optimieren helfen. Im UFA-eigenen Forschungsbetrieb Bühl, Hendschiken (AG), wird auch für die Bio-Tierhaltung geforscht. Die Erkenntnisse fliessen laufend in die UFA Beratung und in neue Bio-Futter ein. Momentan läuft auf UFA-Bühl je ein Versuch mit Bio-Junghennenaufzucht und BioLegehennen, die zu 100 % mit Bio-Futter versorgt werden. Bei Rindvieh, Schafen und Ziegen ist nicht in erster Linie die seit 2009 vorgeschriebene hundertprozentige Bio-Fütterung der grosse Schritt, sondern die Umstellung auf Bio. Denn der maximale Anteil von 10 % Kraftfutter an der Trockensubstanz schränkt ein. Wichtig ist, dass die Genetik der Kühe auf den Betrieb passt und dass die Ergänzungsfütterung gezielt erfolgt. Eine Frage des Fütterungssystems Der Ausgleich von Energie und Protein nach dem NEL-/APD-System und die Raufutterbewertung mit der Weenderanalyse genügen heute nicht mehr. Mit dem Fütterungssystem UFA W-FOS wird zusätzlich berücksichtigt, welche Bestandteile der Futtermittel im Pansen verwertet werden können und zu welchen Anteilen und in welcher Geschwindigkeit die Nährstoffumsetzung geschieht. Das Ergebnis sind weniger Nährstoffverluste (Ammoniak), eine effizientere Nutzung der eingesetzten Futtermittel sowie eine bessere Tierleistung und -gesundheit. Bio-Milchpulver Was die Wiederkäuer betrifft, war es bisher in der Kälbermast am schwierigsten. Über die Hälfte der Knospe-Kälber haben bis 2010 einen ungenügenden Ausmastgrad (Fettklasse 1 bis 2) ausgewiesen. Seit anfangs 2011 ist nun der Einsatz der Bio-Kälbermilch UFA 213 möglich. Praxiserfahrungen zeigen, dass mit diesem Vollmilchergänzer die Schlachtresultate wesentlich verbessert werden können.
Auf den Betrieben Messerli (r.) und Ramser herrschen gute Bedingungen für den Bio-Landbau.
Autoren Daniel Schmied, Schweinespezialist und Ressortleiter; Patrick Meier, Schweinespezialist; Michael Minnig, Milchviehspezialist; UFA-Beratungsdienst, 3052 Zollikofen. www.ufa.ch
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Eine lohnende Herausforderung BIO-ACKERBAU Die Nachfrage nach biologisch produzierten Ackerfrüchten ist ungebrochen hoch. Entsprechend überlegenswert wäre momentan eine gesamtbetriebliche Umstellung. Immer mehr Bio-Betriebe und Bio-Umstellbetriebe entscheiden sich für die Vermarktung ihrer Ernte über die fenaco-LANDI Gruppe und profitieren von den Vorzügen der bäuerlichen Organisation.
Andreas Rohner
Seit der Aufhebung der staatlichen Getreidemarktordnung hat die fenaco-LANDI Gruppe dank der erfolgreichen Vermarktung von ÖLNGetreide und Ölsaaten eine führende Rolle übernommen. Jahr für Jahr sind auch die Übernahmemengen von biologisch produzierten Druschfrüchten angestiegen.
Zentrale Rolle der Sammelstellen Im Rahmen des Systems Maxi ar-
Aus Sicht der BioProduzenten ist es erfreulich, dass sich das Bio-Sammelstellennetz in der Westschweiz durch die baldige BioAnerkennung der Sammelstellen Caro Oron-la-Ville (Bild) und LANDI Nord vaudois Venoge SA (Standort Orbe) verdichten wird.
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beitet die fenaco Getreide, Ölsaaten, Futtermittel (GOF) seit über zehn Jahren eng mit einem landesweiten Netz von rund hundert Getreidesammelstellen zusammen. Zwischen den Sammelstellen und fenaco GOF besteht eine klare Rollenverteilung. Während sich die Sammelstellen auf die Erfassung und Gesunderhaltung der angenommenen Produkte konzentrieren, setzt die fenaco GOF ihre Stärken in der Kommissionsvermarktung um. Die Sammelstellen im System MAXI sind einerseits Schaltstellen für die zentrale Erhebung von Mengen und Qualitäten zuhanden der fenaco GOF und tragen andererseits Informationen zur Anbausteuerung an die Produzenten weiter. Etwa dreissig Maxi-Partner nehmen in rund 40 separaten Lagerstellen Bio-
Druschfrüchte zur Vermarktung durch die fenaco GOF an. Zahlreiche Beispiele zeigen, dass sich die Erfassung von BioDruschfrüchten für die Sammelstellen zu einem wesentlichen Betriebszweig entwickeln kann. Stellvertretend sei hier die Getreide Mittelthurgau AG in Märstetten genannt. Die unermüdliche Aufbauarbeit der Sammelstellenverantwortlichen in der bio-starken Bodenseeregion hat dazu geführt, dass die Sammelstelle aus der Ernte 2011 rund 2000 t Bio-Getreide und Bio-Ölsaaten erwarten darf. «Bio-Produkte machen unterdessen rund 10 % unserer Annahmemengen aus und wir sind zuversichtlich, dass die Mengen weiter zunehmen werden», schätzt Sammelstellenleiter Max Ulrich die Situation ein.
Westschweiz holt auf Erfreut vermeldete kürzlich der Produzentenverband Bio Suisse, dass sich die Zahl der Bio-Betriebe nach dem rückläufigen Trend der letzten Jahre stabilisiert hat. Ein massgeblicher Teil der neuen Umstellerbetriebe befindet sich in den Ackerbaugebieten der Westund Nordwestschweiz. Umso willkommener ist es, dass gleich zwei neue Sammel-
Bio-Bauern profitieren von effizienter Vermarktung In der Vermarktung der Bio-Druschfrüchte setzt die fenaco auf eine konsequente Minimierung der Vermarktungskosten. Beim Bio-Brotgetreide konnten die Produzenten dadurch in den Vorjahren von Auszahlungspreisen an die Sammelstellen profitieren, die 2 Fr. pro Dezitonne über dem Richtpreisniveau lagen. fenaco GOF sucht Vertragsproduzenten von Bio-Getreide und Bio-Ölsaaten, auch von Raps mit Umstellknospe.
stellen, die bereits Maxi-Partner der fenaco GOF im konventionellen Segment sind, in Zukunft in ihren Sammelstellen auch Bio-Produkte annehmen und damit die wenigen Westschweizer BioSammelstellen optimal ergänzen werden. In Gesprächen zwischen der fenaco GOF und der Bio-Produzentenorganisation Progana wurde über mögliche Standorte diskutiert, die aus Sicht des Bio-Ackerbaus und der Transportlogistik am sinnvollsten erschienen. Neben den heute in der Region aktiven BioSammelstellen, dem Maxi-Partner LANDI Chablais-Lavaux SA in Collombey (VS) und der privaten Moulin Chevalier in Cuarnens (VD), werden voraussichtlich ab der Ernte 2011 auch die LANDI Nord vaudois Venoge SA (Silostandort Orbe, VD) sowie die Caro Oron in Oron-la-Ville (VD) ihre Dienste den Bio-Produzenten anbieten. «Im Rahmen der Gesamtsanierung unserer Silos in Orbe haben wir uns für die Erfassung von Bio-Produkten entschlossen», erklärt Geschäftsführer Daniel Develey, «66 Lagerzellen und zwei 6 2011 · UFA-REVUE
PFLANZENBAU BIO-PRODUKTION Tabelle 1: Deckungsbeitrag Bio-Raps Vollknospe (DB/ha) Körner (18 dt/ha) Biosaatgut Dünger Hagelversicherung 5,6 % Trocknung Annahme/Reinigung Lohn Saat Miete Striegel Miete Hackgerät Lohn Mähdrusch DB/ha exklusive Beiträge Direktzahlungsbeiträge Ölsaatenbeitrag Extensobeitrag DB/ha inklusive Beiträge
– – – – – – – – –
in Fr. 3600.00 206.80 400.00 201.60 57.00 128.00 180.00 27.00 88.00 500.00 1811.60 2630.00 1000.00 400.00 5841.60
Basis Fr. 200.00/dt (1.1 dt/ha)
1 Durchgang 2 Durchgänge
ÖLN, offene Ackerfläche, Bio
Tabelle 2: Deckungsbeitrag Bio-Raps Umstellung (DB/ha) Körner (18 dt/ha) Biosaatgut Dünger Hagelversicherung 5,6 % Trocknung Annahme/Reinigung Lohn Saat Miete Striegel Miete Hackgerät Lohn Mähdrusch DB/ha exklusive Beiträge Direktzahlungsbeiträge Ölsaatenbeitrag Extensobeitrag DB/ha inklusive Beiträge
– – – – – – – – –
in Fr. 2520.00 206.80 400.00 141.10 57.00 128.00 180.00 27.00 88.00 500.00 792.10 2630.00 1000.00 400.00 4822.10
Basis Fr. 140.00/dt (1.1 dt/ha)
1 Durchgang 2 Durchgänge
ÖLN, offene Ackerfläche, Bio
Tabelle 3: Deckungsbeitrag Bio-Sonnenblumen (DB/ha)
Tabelle 4: Deckungsbeitrag Bio-Winterweizen TOP (DB/ha)
in Fr. Basis Körner (25 dt/ha) 3375.00 Fr. 135.00/dt Biosaatgut – 196.00 (1.0 dt/ha) Dünger – 200.00 Hagelversicherung 5,6 % – 84.40 Trocknung – 118.00 Annahme/Reinigung – 124.00 Miete Sämaschine – 50.00 Miete Striegel – 27.00 1 Durchgang Miete Hackgerät – 88.00 2 Durchgänge Lohn Mähdrusch – 420.00 DB/ha exklusive Beiträge 2067.60 Direktzahlungsbeiträge 2630.00 ÖLN, offene Ackerfläche, Bio Ölsaatenbeitrag 1000.00 Extensobeitrag 400.00 DB/ha inklusive Beiträge 6097.60 Quellen: Agridea Lindau / kant. Bioberatung Thurgau
in Fr. Basis Körner (45 dt/ha) 4680.00 Fr. 104.00/dt Biosaatgut – 368.00 (1.0 dt/ha) Dünger – 200.00 Hagelversicherung 5.6 % – 117.00 Trocknung – 49.00 Annahme/Reinigung – 184.00 Miete Sämaschine – 50.00 Miete Striegel – 54.00 2 Durchgänge Lohn Mähdrusch – 420.00 Lohn Stroh pressen – 209.00 DB/ha exklusive Beiträge 3029.00 Direktzahlungsbeiträge 2630.00 ÖLN, offene Ackerfläche, Bio Extensobeitrag 400.00 DB/ha inklusive Beiträge 6059.00 Risiken (Ertragsausfall oder Auswuchs) wurde bei allen Varianten nicht einkalkuliert.
Trocknungsanlagen erlauben uns, auch kleinere Chargen und regionale Spezialitäten effizient aufzubereiten und zu lagern». Darüber hinaus ist der Silo Orbe für Produzenten aus einem sehr weiten Einzugsgebiet gut gelegen. Caro Oron hatte bereits vor einigen Jahren Erfahrungen als Bio-Sammelstelle gesammelt und wagt nun einen zweiten Anlauf. Dazu der Sammelstellenleiter Roland Cherpillod: «Wir wollen den Bio-Produzenten in unserer Region insbesondere helfen, lange und teure Transporte vermeiden zu können». Auch die Bio-Ackerbauern im Jura dürfen künftig auf ein verstärktes Engagement der LANDI ArcJura www.landiarcjura.ch zählen, die an den bestehenden beiden Bio-Standorten (Delémont und Alle) die Übernahmemöglichkeiten und die Dienstleistungen ausdehnen wird. UFA-REVUE · 6 2011
Attraktive
Deckungsbeiträge
Ein grosser Bedarf an Knospeware besteht für das ganze Spektrum der Druschfrüchte, also für Mahlgetreide, für Futtergetreide, insbesondere aber auch für Ölsaaten und Körnerleguminosen, die eine Auflockerung in die mehrheitlich Getreide lastigen Bio-Ackerfruchtfolgen bringen. Zwar ist der biologische Ackerbau arbeitsintensiver als der konventionelle. Höhere Deckungsbeiträge machen den Zusatzaufwand jedoch bezahlt. Bei einer Ertragserwartung von 45 dt/ha und einem Auszahlungspreis von 104 Fr./dt darf für Bio-Mahlweizen unter Einbezug der Flächenbeiträge ein Deckungsbeitrag von rund 6000 Fr./ha einkalkuliert werden (Quellen: Agridea Lindau/Kantonale Bioberatung Thurgau). Ähnlich interessant rechnet sich der Bio-Raps: Bei einem Ertrag von 18 dt/ha und einem
Auszahlungspreis von 200 Fr./dt liegt der Deckungsbeitrag bei rund 5800 Fr./ha. Nicht eingerechnet ist dabei ein Ausfallrisiko, welches beim Raps relevant sein kann.
Gut informiert in die Umstellung Die Umstellzeit dauert zwei Jahre. Getreide erhält schon während der Umstellzeit den höheren Bio-Futtergetreidepreis. Auch Bio-Raps in der Umstellphase löst einen Mehrpreis. Für Umstellwillige lohnt sich ein Gespräch mit der kantonalen Bio-Beratung. Die Adressen sind auf der Homepage www.bio-suisse.ch zu finden. Der Besuch eines Umstellungskurses oder ganz einfach ein Austausch mit biologisch produzierenden Berufskollegen, lohnt sich. Wer ab 2012 umstellen möchte, meldet sich bis spätestens Ende August 2011 bei der Bio Suisse an.
Autor Andreas Rohner, Leiter Ressort Bio-Rohprodukte, Getreide, Ölsaaten, Futtermittel (GOF), 8401 Winterthur, 058 433 64 91, andreas.rohner @fenaco.com Fragen zum Anbau und zur Koordination mit einer regionalen BioSammelstelle beantwortet Ueli Zürcher, 058 434 06 66
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PFLANZENSCHUTZ BIO-PRODUKTION
Schädlingsregulierung im Bio-Anbau VORBEUGEN IST BESSER ALS HEILEN Auf diesem Motto basiert die Schädlingsregulierung im Bio-Landbau. Grundlage der Schädlingsregulierung bilden angepasste Kulturmassnahmen und Nützlingsförderung. Falls es trotz dieser vorbeugenden Massnahmen zu einer bedrohlichen Schädlingsvermehrung kommt, stehen den BioBauern auch gut wirksame Bekämpfungsmittel zur Verfügung.
Claudia Daniel
Die Pflanzenschutzstrategie im BioLandbau lässt sich in einer Pyramide darstellen (Grafik). Die breite Basis dieser Pyramide bilden die Kulturmassnahmen. So lassen sich viele Schädlingskalamitäten schon durch die richtige Standortwahl vermeiden: Windoffene Lagen sorgen zum Beispiel dafür, dass der Befall mit Möhrenfliege gering bleibt. Andere Schädlinge (Drahtwürmer oder Maiswurzelbohrer) lassen sich durch angepasste Fruchtfolgen in Grenzen halten. Zudem ist die richtige Sortenwahl entscheidend. Dies gilt zum Beispiel für den Raps: Obwohl es keine direkten Resistenzen gegen Schädlinge gibt, wie sie etwa von blattlausresistentem Salat bekannt sind, spielt die Entwicklungsgeschwindigkeit der Sorten im Frühjahr eine entscheidende Rolle. Die Knospenentwicklung früh blühender Rapssorten ist beim Einflug der Schädlinge schon so weit fortgeschritten, dass weniger Schäden verursacht werden. Zur indirekten Schädlingsregulierung gehört auch eine angepasste Düngung, die bei den meisten Kulturen einem starken Blattlausbefall vorbeugen kann. Oder der Einsatz der Hacke im Raps, der neben dem Unkraut auch die ältesten Rapsblätter mit wegreisst und so einen Teil der daran sitzenden Erdflohlarven vernichtet.
Nützlingsförderung Die zweite Stufe in der Pyramide bildet die Nützlingsförderung. Durch gezielte Gestaltung der Lebensräume (Habitatmanagement) soll die natürliche Vielfalt gefördert werden, sodass mehr Gegenspieler von Schädlingen angelockt werden (funktionelle Biodiversität). Das Zusammenspiel zwischen Schädling, 12
Buntbrache zur Nützlingsförderung neben einem Kohlfeld. Bild: Eric Wyss, FiBL
Biocontrol im Gewächshaus: Einsatz von Schlupfwespen gegen Weisse Fliegen an Tomaten. Bild: Claudia Daniel, FiBL
Nützling, Biodiversität und Landschaftsfaktoren ist in den meisten Fällen recht komplex. Entsprechend gross sind die Wissenslücken, die in diesem Bereich noch bestehen. Am FiBL laufen dazu zwei Forschungsprojekte. Das erste Projekt im Kohlanbau konzentriert sich auf Kohlschädlinge (Kohleule, Kohlmotte, Weisslinge) und deren Gegenspieler. Buntbrachen in der Landschaft fördern die Parasiten und Räuber von Kohlschädlingen. Häufig bleiben diese Nützlinge jedoch in der Nähe der Buntbrache und wandern kaum in die Felder ein. Im derzeitigen Projekt wird geprüft, ob Beipflanzen innerhalb des Kohlfeldes die Schlupfwespen aus der Buntbrache in die Felder locken können. Die richtige Auswahl der Beipflanzen ist dabei entscheidend: einerseits müssen die Beipflanzen für die Schlupfwespen attraktiv sein, sodass sie auch angeflogen wer-
den. Andererseits müssen sie Nektar bereitstellen, der für die Schlupfwespen zugänglich und bekömmlich ist. Darüber hinaus ist es wichtig, dass das Nektarangebot nicht auch die Schädlinge fördert. Erste Ergebnisse deuten auf die Kornblume als ideale Beipflanze hin. Ein weiteres Projekt ist der pestizidfreie Apfelanbau. Seit 2006 steht in Frick eine Modellanlage, wo Nützlinge durch verschiedene indirekte Massnahmen gefördert werden, sodass der Einsatz von Pestiziden überflüssig werden soll. Die Anlage wird eingerahmt von vielfältigen Hecken. Fahrgassen und Baumstreifen sind mit Blühpflanzen begrünt, um den Nützlingen einen vielfältigen Lebensraum zu bieten. Die Zusammenhänge sind auch im Obstbau komplex: durch die blühenden Kräuter wird eine Vielzahl kleiner Fliegen und Mücken in die Anlage gelockt. Dank dieser kleinen In6 2011 · UFA-REVUE
PFLANZENSCHUTZ BIO-PRODUKTION sekten können sich die Spinnen besser ernähren und vermehren sich deutlich. Die Spinnenförderung im Frühjahr und Sommer zahlt sich dann im Herbst aus: wenn die Blattläuse zu den Apfelbäumen fliegen, um dort ihre Wintereier abzulegen, werden sie von den Spinnennetzen abgefangen. Somit gibt es weniger Blattlauseier im Herbst und folglich weniger Blattläuse im Frühjahr.
Grafik: Die Bio-Pflanzenschutz-Pyramide Gestufte Pflanzenschutzstrategie im biologischen Landbau. Die Glühbirnen stehen für das Know-how, das für die entsprechenden Techniken vorhanden ist. Die Knospen zeigen an, wie kompatibel die Methoden mit den Grundsätzen des Biolandbaus sind.
Biokompatible Insektizide
Nützlingsfreilassung, Biocontrol
Nützlingsförderung, Habitatmanagement, funktionelle Biodiversität
Freisetzung von Nützlingen und Gegenspielern Falls die vorbeugenden Massnahmen zur Schädlingsregulierung nicht ausreichen, kommt die nächste Stufe der Bio-PflanzenschutzPyramide zum Einsatz: die gezielte Freisetzung von Nützlingen und Gegenspielern (Biocontrol). Bei den Gegenspielern handelt es sich dabei häufig um kleine Mikroorganismen, wie Bacillus thuringiensis (Bt) zur Regulierung des Kartoffelkäfers oder verschiedener Gemüseschädlinge oder um Granuloseviren zur Bekämpfung des Apfelwicklers im Obstbau. Insektenbefallende Pilze können zur Regulierung von Maikäferengerlingen oder der Kirschenfliege eingesetzt werden. Fadenwürmer (Nematoden) haben eine gute Wirkung bei Dickmaulrüsslerbefall. Gut etabliert ist die Anwendung von Nützlingen im Gewächshaus: Hier stehen viele verschiedene Raubmilben, Raubwanzen und Schlupfwespen zur Regulierung von Spinnmilben, Blattläusen, Schildläusen und anderen Schädlingen zur Verfügung. Abgesehen von der Regulierung des
Schädliche Kohleulen-Raupe und deren Gegenspieler, eine parasitische Schlupfwespe. Bild Thomas Alföldi, FiBL UFA-REVUE · 6 2011
Kulturmassnahmen wie Fruchtfolge, Bodenqualität, resistente Sorten Quelle: Eric Wyss, Daniel Gorba (FiBL)
Maiszünslers mit TrichogrammaSchlupfwespen, werden Nützlinge im Feldbau kaum eingesetzt.
Biokompatible Insektizide Insektizide sollten im Bioanbau erst eingesetzt werden, wenn alle anderen Massnahmen ausgeschöpft sind. Alle für den Biolandbau zugelassenen Hilfsstoffe sind in der Betriebsmittelliste des FiBL aufgeführt. Bei den Insektiziden handelt es sich in vielen Fällen um Pflanzenextrakte: Natur-Pyrethrum wird aus einer Chrysanthemen-Art extrahiert und Neem-Öl zur Blattlausregulierung wird aus den Samen des indischen NeemBaumes gepresst. Darüber hinaus werden Ölprodukte (Rapsöl, Mineralöl, Paraffinöl) und pflanzliche Seifen gegen
Kornblumen zur Nützlingsförderung als Beipflanzen im Weisskohlfeld. Bild: Marius Born, FiBL
Blattläuse, Schildläuse oder Spinnmilben eingesetzt. Weiterhin kommen Tonerdeprodukte (Kaolin gegen den Birnenblattsauger) und Schwefel (Spinnmilben) zum Einsatz. Spinosad, ein Fermentationsprodukt aus einem Bodenpilz, ist ein weiterer biotauglicher Wirkstoff, der gegen viele Schädlinge eine gute Wirkung aufweist. Zudem können Pheromone zur Verwirrung der Obstschädlinge eingesetzt werden. Da die biotauglichen Insektizide keine systemische Wirkung aufweisen, stellen die unterirdisch lebenden Insekten (Kohlfliege, Möhrenfliege, Drahtwürmer, Eulenraupen) wie auch die schwer zugänglich lebenden Insekten (Kirschenfliege) bei der Regulierung mit Insektiziden eine grosse Herausforderung dar. Bei diesen Schädlingen ist die konsequente Ausschöpfung der indirekten Regulierungsmassnahmen daher besonders wichtig. Im Gegensatz zu den Spezialkulturen ist im Bio-Ackerbau der Einsatz von Insektiziden generell verboten. Dieses Insektizidverbot für den Bio-Ackerbau geht über die Extenso-Richtlinien hinaus und verbietet den Insektizideinsatz nicht nur in Getreide und Raps, sondern auch in allen weiteren Ackerkulturen. Daher können z.B. zur Blattlausregulierung in Körnerleguminosen nur indirekte Massnahmen eingesetzt werden. Der Einsatz von Biocontrol-Organismen in Ackerkulturen ist jedoch gemäss Bioverordnung erlaubt, sodass zur Regulierung des Kartoffelkäfers Bt eingesetzt werden kann. 䡵
Autorin Dr. Claudia Daniel, Pflanzenschutz und Biodiversität, Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL), 5070 Frick
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Im Bio-Anbau eine Daueraufgabe SCHNECKENREGULIERUNG Auch wenn das Jahr 2011 bisher ausnehmend trocken ist, bleiben Schnecken im Bio-Anbau ein wichtiges Thema. Den Bio-Landwirt bewegen vor allem folgende Fragen: Welches sind die gefährlichsten Arten? Welche Kulturen sind am meisten gefährdet? Was kann ich dagegen tun?
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Bernhard Speiser
Martin Koller
In der Schweiz verursachen hauptsächlich die spanische Wegschnecke, die Garten-Wegschnecke und die Ackerschnecke die grössten Schäden.
Die spanische Wegschnecke ist die grösste einheimische Schadschneckenart. Ab Mitte des 20. Jahrhunderts wurde sie durch Pflanzen-Transporte von Spanien und Portugal nach Mitteleuropa eingeschleppt und verdrängte hier vielfach die heimische Rote Wegschnecke. Diese Wegschnecke lebt und vermehrt sich auf wenig gestörten Flächen wie Wiesen, Feldrändern und Rändern von Folientunnels. Von dort wandert sie in die Kulturen ein. Die Eiablage erfolgt meist im August. Ein Teil der Jungtiere schlüpft schon im Herbst, der Rest erst im Frühjahr. Die meisten Alttiere sterben im Spätsommer nach der Eiablage; einzelne überwintern jedoch. Die Jungtiere haben verschiedene Farbtöne und sind längs gestreift, die erwachsenen Tiere sind einheitlich braun gefärbt. Schadbild: Die Spanische Wegschnecke verursacht grosse Schäden an oberirdischen Pflanzenteilen, bis hin zu To-
Schnecken-Schutz Die hier beschriebenen Schnecken-Arten sind landwirtschaftliche Schädlinge. Der Vollständigkeit halber weisen wir jedoch darauf hin, dass die meisten in der Schweiz vorkommenden Schneckenarten (sowohl Gehäuse- als auch Nacktschnecken) keine Schädlinge sind, und viele von ihnen sogar zu den bedrohten Tierarten gehören.
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talfrass; unterirdische Pflanzenteile befällt sie jedoch kaum. Die Schäden treten vor allem an Rand von Äckern und Beeten auf. Meist sind deutliche Schleimspuren am Boden und auf den übriggebliebenen Pflanzenteilen sichtbar.
Garten-Wegschnecken sind auf der Oberseite dunkel gefärbt, und auf der Unterseite gelb bis orange. Sie werden nur rund 4 cm lang. Hinter diesem Namen verstecken sich streng genommen zwei verschiedene Arten, welche beinahe identisch aussehen und sich auch in Sachen Schadwirkung und Bekämpfung nicht unterscheiden. Die Garten-Wegschnecken leben vor allem unterirdisch. Schadbild: Kleinere Frassstellen, oft unterirdisch. Die Schäden können im ganzen Acker auftreten und nicht nur am Rand. Ackerschnecken sind hellbeige bis braun gefärbte, kleine Schnecken. Man erkennt sie am zierlicheren Körperbau und am schlüpfrigen Schleim. Diese Art ist am häufigsten und kommt über den ganzen Acker verteilt vor. Ackerschnecken und Garten-Wegschnecke schlüpfen normalerweise im Frühjahr aus Eiern und wachsen im Laufe des Sommers zur vollen Grösse von 3 – 4 cm heran. Schadbild: Gleich wie bei GartenWegschnecken. Risiko-Kulturen Im Ackerbau am meisten gefährdet sind frisch aufgelaufene Pflanzen von Raps, Sonnenblumen, Zucker- und Futterrüben. Später sind diese Pflanzen kaum noch anfällig. Ebenfalls grosse Schäden können
Schnecken in Kartoffeln anrichten. Hier passieren die meisten Schäden kurz vor der Ernte. Bei den Spezialkulturen sind es Gemüse und Zierpflanzen sowie Erdbeeren, die auf Schneckenfrass anfällig sind. In manchen Fällen werden junge Setzlinge so stark angefressen, dass ihr Wachstum verzögert wird. In vielen Fällen verursachen die Schnecken aber auch nur kleinere Frassschäden, sodass das Erntegut unverkäuflich wird (Beispiel: Radies). In einigen Fällen wird auch schon die blosse Anwesenheit von Schnecken zum Problem, beispielsweise wenn sich kleine Ackerschnecken in Salatköpfen verstecken. Meist gilt: frisch aufgelaufene oder frisch gepflanzte Jungpflanzen sind am empfindlichsten auf Schneckenfrass. Auch in Hausgärten verursachen Schnecken grosse Probleme. Empfindliche Blumen und Gemüse wechseln sich auf engstem Raum mit Schlupfwinkeln für Schnecken wie Hecken und Komposthaufen ab. Die Spanische Wegschnecke kann sich oft ausgezeichnet 6 2011 · UFA-REVUE
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te vor besonders empfindlichen Kulturen (Salate, Karottensaaten) das Saatund Pflanzbeet genügend fein vorbereitet werden. In Betriebsnähe können Buntbrachen, Randstreifen oder Zwischenstreifen von Folientunnels auch von Laufenten beweidet werden. Schneckenempfindliche Kulturen können mit Schneckenzäunen vor dem ärgsten Ansturm der Schnecken bewahrt werden. Einen vollständigen Schutz bieten sie jedoch nicht. Günstig ist es zudem, solche Kulturen am morgen früh zu bewässern. Der Boden ist dabei während der Nacht trockener und damit weniger schneckenfreundlich, als wenn am Abend bewässert wird.
Bekämpfung Seit einigen Jahren
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vermehren. Nachtsüber kriecht sie dann aus den Schlupfwinkeln und richtet grosse Schäden an.
Risiko-Situationen Der
Schneckendruck kann von Feld zu Feld, aber auch innerhalb eines Feldes, stark variieren. Erhöhtes Risiko besteht an folgenden Orten: • Feuchte, schattige Standorte. • Parzellen mit schweren Böden. • In unmittelbarer Nachbarschaft von Dauergrünland, Brachen, Buntbrachen und Säumen. • Nach milden, feuchten Wintern, sowie nach Kulturen mit dichter Bodenbedeckung (z. B. Raps, Sonnenblumen) ist das Risiko ebenfalls erhöht. UFA-REVUE · 6 2011
Vorbeugende Massnahmen Die Schnecken profitieren leider von den Massnahmen, die zu einer höheren Biodiversität führen und dem Bodenschutz dienen. In extensiven Grasstreifen und Buntbrachen fühlen sie sich wohl und können sich dort auch vor ihren Feinden verstecken. Andererseits fördern z. B. Hecken und Buntbrachen auch Igel, Spitzmäuse und Laufkäfer. Wichtig ist, dass ein Randstreifen zum Acker während empfindlichen Kulturstadien regelmässig gemulcht und damit kurz gehalten wird. Falls Gründüngungen vor empfindlichen Kulturen angebaut werden, müssen diese frühzeitig eingearbeitet werden. Schnecken ziehen sich gerne in Bodenritzen zurück, daher soll-
dürfen Produkte auf der Basis von Eisenphosphat eingesetzt werden (z. B. Ferramol, Sluxx), damit hat sich die Schneckenregulierung vereinfacht. Für Bio Suisse-Betriebe gelten jedoch strenge Auflagen (siehe FiBL-Betriebsmittelliste). Im Ackerbau sind diese Produkte ausschliesslich bei Raps, Sonnenblumen, Zucker- und Futterrüben zugelassen. Bei Ackerkulturen und Gemüsen ist die Anwendung zudem auf die ersten zwei Wochen nach dem Auflaufen, resp. der Pflanzung beschränkt. Diese Produkte bewirken einen schnellen Frassstopp, die Schnecken sterben jedoch nicht sofort. Bei Sluxx ist die Dosierung tiefer als bei den übrigen Produkten, die Anwendung ist dardurch kostengünstiger geworden. Eine weitere Bekämpfungsmöglichkeit bieten die im Handel erhältlichen Schnecken-Nematoden. Allerdings ist der Nematodeneinsatz vergleichsweise teuer und relativ heikel. Die Nematoden müssen kühl gelagert und rasch eingesetzt werden, wobei sie möglichst wenig direkter Sonneneinstrahlung ausgesetzt sein sollten. Falls es nicht kurz nach der Ausbringung regnet, müssen sie mit viel Wasser in den Boden eingespült werden. Die Nematoden wirken gut gegen Ackerschnecken, jedoch weit weniger zuverlässig gegen Wegschnecken. Der Nematodeneinsatz ist also nur sinnvoll, wenn die Schneckenpopulation hauptsächlich aus Ackerschnecken besteht. 䡵
1 · Die Spanische Wegschnecke ist die grösste einheimische Schadschneckenart. Bild: B. Speiser
2 · Zwei Jungtiere der Spanischen Wegschnecke in unterschiedlichen Farbtönen. Gut sichtbar sind die braunen Längsstreifen. Bild: B. Speiser
3 · Garten-Wegschnecken erkennt man an der gelb bis orange gefärbten Unterseite. Bild: D. Röthlisberger
4 · Ackerschnecken sind die häufigsten Schnecken. Bild: B. Speiser
Autoren Dr. Bernhard Speiser, Pflanzenschutz und Biodiversität, Martin Koller, Anbautechnik Pflanzenbau, Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL), 5070 Frick
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