brot+backwaren 2021-06 digital

Page 38

FORSCHUNG

Prozessdesign mittels forcierter Teigentspannung Mittels invasiver mechanischer und elektrischer Impulse kann die Teigruhezeit von Weizenteigen nach mechanischen Energieeinträgen drastisch verkürzt werden. Teigeigenschaften lassen sich äquivalent zu geruhten Teigen in Sekundenschnelle erzielen.

Abbildung 1: Schematische Darstellung der Glutenstruktur unmittelbar nach einer mechanischen Belastung (links), sowie deren Veränderung durch eine Ruhezeit bzw. eine forcierte Entspannung (rechts)

+

Die mechanisch-elektrische Stimulation zur Optimierung der Teigruhezeiten bei Weizengebäck ist ein AiF/FEI-gefördertes Forschungsprojekt, welches an der TU München, Lehrstuhl Brau- und Getränketechnologie in der Arbeitsgruppe Getreidetechnologie und -verfahrenstechnik durchgeführt wurde. Das Projekt verfolgt das Ziel, die zeitintensiven und prozessunterbrechenden Ruhezeiten der Backwarenherstellung auf ein Minimum zu reduzieren, sodass die Prozessschritte der Teigentspannung in-line in bestehende Abläufe integriert werden können und Prozessunterbrechungen durch Ruhezeiten wegfallen können. Zwar stehen bereits einige verfahrenstechnische Lösungen zur kontinuierlichen Teigverarbeitung ohne Entspannungsphasen zur Verfügung (z. B. Extrusionsverfahren), allerdings sind diese zum einen aufgrund der Anlagengröße oftmals ungeeignet. Zum andern stellen diese häufig Speziallösungen für spezifische Anwendungen dar [1] und erzeugen z. T. Produkte mit veränderten texturellen Eigenschaften [2]. Folglich sind die derzeit am Markt verfügbaren Lösungen für die meisten Produkte und Unternehmen ungeeignet. Somit müssen für die meisten Backwaren komplexere Prozesse mit dem Zwischenschritt der Teigruhe eingehalten werden.

www.brotundbackwaren.de 06/2021

Dies liegt in den strukturellen Eigenschaften von Weizenteigen begründet. Nach einem mechanischen Energieeintrag, wie beispielsweise dem Kneten, ist das Glutennetzwerk sehr elastisch. Hierdurch ist vor allem die maschinelle Verarbeitbarkeit des Teiges eingeschränkt. In der anschließenden Ruhephase erfolgt eine Restrukturierung des Glutennetzwerkes, welches die mechanischen Eigenschaften des Teiges verändert. Relaxierte Teige sind plastischer und weisen eine höhere Dehnbarkeit sowie Nachgiebigkeit auf. Diese Veränderung der Teigeigenschaften ist unbedingte Voraussetzung für die erfolgreiche Weiterverarbeitung. Ohne sie wäre die einwandfreie maschinelle Teigteilung bzw. Formgebung drastisch erschwert [3]. Je nach Knettechnik und Kleberqualität betragen diese Ruhezeiten zwischen 10 bis 30 Minuten [4], was sich vor allem bei Kurzzeit-Gärführungen deutlich in der Prozesszeit widerspiegelt. Ebenso werden produktabhängig in vielen Unternehmen zwischen dem Rundwirken und dem Langwirken Ruhezeiten angewandt, da ansonsten die Oberfläche durch die zu starke Belastung beim Backen aufplatzen könnte. Die Aufeinanderfolge von mechanischen Belastungen mit anschließenden Entspannungsphasen ist also unumgänglich, um die gewünschten Struktureigenschaften im Endprodukt

© TUM

38


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.