Kleinstadtreparatur - Neue Schichten für ein altes Gasthaus

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Lavinia A. Wagner

KLEINSTADTREPARATUR Neue Schichten für ein altes Gasthaus



Danksagung Wir bedanken uns bei der Stadt Tittmoning, dem Bürgermeister Andreas Bratzdrum, Franz Blüml, Familie Krutzke und Andreas Greither für die Unterstützung vor Ort. Von Seiten der Technischen Universität München möchten wir uns vor allem bei unserem Betreuer Prof. Florian Nagler und bei Benedict Heidecker bedanken. Vielen Dank auch an all die Freunde und Familie, die uns unterstützt haben und ohne die wir nie zu diesem Ergebnis gekommen wären! Besonders erwähnen möchte ich an dieser Stelle Amadé, Eva, Jogi, Matthias, Mariska, Nina und Riccardo, die alle auf unterschiedlichste Weise Unentbehrliches zum Ergebnis beigetragen haben.



Inhalte

Kontext & Konzept Lage 8 Einem alten Gasthaus neues Leben einhauchen 10 Eine Geschichte des Weiterbauens

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Die neuen Schichten 18 Konzept Außenräume 22 Pläne Grundrisse 26 Schnitte 34

Konstruktion & Atmosphäre Neue Schichtem im Detail

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KONTEXT & KONZEPT

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1:100

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50

Abb.1.1: Lageplan Gasthaus Post

1:200

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1:500


Einem alten Gasthaus neues Leben einhauchen Die Arbeit „Kleinstadtreparatur - Neue Schichten für ein altes Gasthaus“ beschäftigt sich mit dem Weiterbauen, Ergänzen und Weiterentwickeln historischer Strukturen und Qualitäten. Aufbauend auf einer Konzeptidee für die Stadt Tittmoning steht in diesem dritten Teil der Entwurf für den Umbau des „Gasthaus Post“ im Vordergrund. Das „Gasthaus Post“ ist eines der repräsentativsten Gebäude am Stadtplatz. Viele der typischen Merkmale eines Inn-Salzach-Gebäudes sind am Gebäude bis heute erhalten. Seine Tradition als Gasthaus und Herberge geht schon auf die Zeit Tittmonings als Umschlagpunkt an der Handelsroute Salzach zurück. Durch den fast 20 Jahre andauernden Leerstand des Gebäudes leidet die Bausubstanz. Außerdem gibt es seitdem keine Übernachtungsmöglichkeit in Tittmoning. Bedarf für ein kleines Hotel könnte es jedoch geben - die pittoreske Stadtanlage und die unmittelbare Nachbarschaft zu den Salzachauen und verschiedenen Badeseen machen die Stadt als Urlaubsdestination attraktiv. Mehrere überregionale Radwege führen durch den Ort und bringen müde, hungrige Radfahrende nach Tittmoning. In meinem Entwurf gehe ich der Frage nach, wie dieses denkmalgeschützte Gebäude in Zukunft wieder als Hotel genutzt werden kann. Dabei war mir wichtig, den charakteristischen Charme des Gebäudes mit seinen unterschiedlichen Räumen zu bewahren und dessen Struktur so zu erweitern, dass diese Qualitäten des gewachsenen Ensembles auch in den neuen Gebäudeteilen zu spüren sind. Meine Annäherung an das Gebäude ist von großer Wertschätzung für die Bausubstanz geprägt.

Abb. 1.2: Blick auf das Ensemble von Richtung Stadtplatz, Modellfoto

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Die Geschichte weiterschreiben Im Inneren des Gebäudes sind die typische durchgesteckte Gangstruktur und die verschiedenen Bauphasen erkennbar, in denen das Gebäude seine heutige Gestalt erhalten hat. Das Gebäude entstand aus zwei vormals eigenständigen Gebäuden, die zunächst durch einen angebauten Gang und eine Treppe verbunden und in späteren Phasen um ein zweites, dem Barock zuzuordenes Geschoss mit einem Saal erweitert wurden. Auf der Rückseite des Grundstücks entstanden Stallungen und Unterkünfte für Bedienstete. Mit der Zusammenlegung der beiden Gebäude um 1900 mussten die bis dahin unterschiedlichen Geschoßhöhen der beiden Gebäude durch einen Teilabbruch angeglichen werden. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde eine weitere Aufstockung des Stalltraktes und der Neubau einer Treppe vorgenommen, die allerdings nie ganz fertiggestellt wurden. Der kleine Innenhof im nördlichen Gebäudeteil wurde überbaut und von der Metzgerei im Erdgeschoß genutzt. (Details zur Geschichte des Gebäudes und Fotos des Bestands: siehe Heft Nr. 2/ Kleinstadtreparatur - Recherche) Im Laufe seiner Geschichte wurde das Gebäude stetig Anpassungen unterzogen. Es wurde erweitert und nach den aktuellen Bedürfnissen umgebaut. Bei allen Ergänzungen wurde nach dem „Stand der Technik“ gebaut und zeitgenössische Konstruktionsmethoden verwendet. So sieht man den Räumen ihre unterschiedliche Erbauungszeit bis heute an. Die verschiedenen Bauetappen im Gebäude gehen oft nahtlos und selbstverständlich ineinander über. Bei genauerem Hinsehen verraten viele Details mehr über die Geschichte des Gebäudes. Die Wände werden nach oben leichter, die Decken höher und teils aufwändig verziert. An diese Tradition des An- und Weiterbauens will ich mit meinem Entwurf anknüpfen.

Abb. 1.3: Blick in die Postgasse, Modellfoto

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Obergeschoß 2

Stadtplatz

Obergeschoß 1

Erdenschoß

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Postgasse


Querschnitt

Entwicklungsetappen bis Heute Vor 1571: Zwei ursprünglich freistehende Gebäudeteile aus der Zeit vor dem Stadtbrand

Nach 1571: Nördlicher Gebäudeteil wird durch Gang und Treppe ergänzt, die Lücke zwischen den beiden Gebäuden wird geschlossen 18. Jahrhundert: Das zweite Obergeschoß, in dem auch der Saal liegt werden im Barockstil ergänzt.

Um 1900: Die beiden Gebäude werden zusammengelegt. Um die verschiedenen Höhenniveaus anzugleichen wird im nördlichen Gebäude ein Teil abgerissen und neu gebaut Nach 1950: Aufstockung des Nebenflügels (nicht fertig gestellt), Überdachung des Innenhofes für die Nutzung als Metzgerei, Neubau einer Treppe

Abb. 1.4: Bauabschnitte im Bestandsgebäude

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Obergeschoß 2

GSEducationalVersion

Stadtplatz

Obergeschoß 1

GSEducationalVersion

Postgasse

16 GSEducationalVersion

Erdgeschoß


Obergeschoß 3

Bestand und Ergänzungen Bestand

Neubau: Ergänzungsgebäude, Treppenhäuser und eine neue Schicht vor dem Stallgebäude werden ergänzt

Abb. 1.4: Ergänzende Bauteile

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Die neue Schichten

Damit das Gebäude den zeitgemäßen Ansprüchen an ein kleines Hotel gewachsen ist, wird es in meinem Entwurf mit „neuen Schichten“ versehen, die das Ensemble ergänzen. Diese möglichst sparsamen und behutsamen Eingriffe greifen die Idee des fortwährenden Weiterbauens auf. Ein neuer verputzter Baukörper schließt das Grundstück nach Westen ab und bildet mit der Mauer zur Postgasse die Fassung für den Garten. Dieses giebelständig zur Gasse orientierte Gebäude in Ziegelmassivbauweise mit einem flachen Satteldach und einer reduzierten Formensprache orientiert sich an der lokalen Gebäudestruktur. Gemeinsam mit dem Hauptgebäude und der Mauer bildet es die Spange, die den Gebäudekomplex zu einer Einheit verschmilzt. Der bestehende Stalltrakt wird auf seine historische Struktur rückgebaut. Zwei neue Obergeschoße in Holzmassivbauweise schaffen weitere Zimmer und verbinden die beiden Steingebäude. Eine neue thermische Hülle in Holzbauweise erweitert im ersten Obergeschoß die Zimmer zum Garten. Im Erdgeschoß schließt diese Zone an den Gang der Mittelerschließung des Hauptgebäudes an und bildet die Verbindung aller Baukörper. Die Erdgeschoßzone des historischen Stallgebäudes besteht aus Tonnengewölben, deren introvertierter Charakter für einen Saunabereich genutzt wird. Beide öffnen sich zum ganz von Wänden umschlossenen Hof auf der Innenseite des Ensembles. Die Struktur des denkmalgeschützten Hauptgebäudes kann im Wesentlichen erhalten werden. Bäder werden ergänzt und der Dachstuhl ausgebaut. Der bereits bestehende Gastraum im Erdgeschoß wird freigespielt und bekommt eine lange Theke. Der Raum ist zugleich Frühstücksraum und Bar und steht den Hotelgästen genauso offen wie den Stadtbewohner*innen. Das Gartenzimmer im Erdgeschoß des Neubaus steht den Gästen im Normalbetrieb als Yoga- und Fitnessraum zur Verfügung. Bei Veranstaltungen kann der separat erschlossene Raum auch eigenständig genutzt werden.

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Bestandsgebäude Massivbau Tuffstein, verputzt

Ergänzungskörper

Bestand +

Massivbau

Ergänzung und Aufstockung

Ziegel, verputzt

aus Holz

Abb. 1.5: Konzeptdarstellung Baukörper

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Außenräumliches Konzept

Die Räume zwischen den Baukörpern sollen eine spannungsvolle und differenzierte Abfolge schaffen. Dem urbanen Charakter des großmaßtäblichen Stadtplatzes und der von hohen Steingebäuden gefassten Gasse wird ein umschlossener Garten gegenübergesetzt. Der Garten steht den Hotelgästen als Treffpunkt und Aufenthaltsbereich zum Entspannen zur Verfügung. Noch gefasster und intimer ist der kleine Innenhof auf der Nordseite des Ensembles, der mit einem kleinen Wasserbecken den Außenbereich für Sauna und Wellness bildet.

Abb. 1.6 (S.22): Modellfoto Abb. 1.7: Konzeptdarstellung Außenräume

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Urbane Außenräume

Hortus Conclusus

Steinerner Innenhof

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PLÄNE

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Abb. 2.1: Grundriss Erdgeschoss

GSEducationalVersion

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N

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12

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GSEducationalVersion

1

2

1 Rezeption 2 Bar & Frühstücksraum 3 Hortus Conclusus 4 Sauna 5 Ruheraum 6 Hof mit Wasserbecken 7 Fahrräder 8 Gartenzimmer | Yoga & Events 9 Wäscherei 10 Büro 11 Küche 12 Spülen

1:2 1

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1:5


Abb. 2.2: Grundriss Obergeschoss 1

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N


GSEducationalVersion

1:2 1

5

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1:5


Abb. 2.3: Grundriss Obergeschoss 2

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N


13 Lager 14 Kaminzimmer 15

Lichthof

16 Lager GSEducationalVersion

1:2 1

5

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1:5


Abb. 2.4: Grundriss Obergeschoss 3

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N


GSEducationalVersion

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Lichthof

16 Lager

1:2 1

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1:5


Abb. 2.5: Geländeschnitt

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1:200

1

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1:500

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Abb. 2.6: Längsschnitt

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1

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Abb. 2.7: Querschnitt Bestandsgebäude

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1:2 1

5

Abb. 2.8: Längsschnitt

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KONSTRUKTION & ATMOSPHÄRE

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Neue Schichten im Detail

Der Dreh- und Angelpunkt meines Entwurfs ist der Mitteltrakt des Gebäudes, der das Hauptgebäude und den Neubau verbindet. Durch die Verbindung von Bestandsgebäude und Anbau stellt dieser Gebäudeteil auch konstruktiv die größte Herausforderung dar. Deshalb finden Sie im Folgenden Überlegungen dazu, wie Altes und Neues konstruktiv sinnvoll und gleichzeitig sinnlich gefügt werden kann. Das Gebäude wird zunächst auf die historische Bausubstanz zurückgeführt. Die nie fertiggestellten Ergänzungen im zweite Obergeschoß und das Treppenhaus werden rückgebaut. Das Erdgeschoß mit Tonnengewölbe wird zum Saunabereich, in den Obergeschoßen werden Zimmer geschaffen. Die bis dahin über den Laubengang erfolgte Erschließung wird auf die Nordseite des Gebäudes verlegt um den Zimmern Privatsphäre nach Süden und den Blick in den Garten zu ermöglichen. Anstelle des Laubengangs tritt eine neue Gebäudehülle, die die Zimmer in Richtung Garten erweitert. Die leichte Konstruktion aus Holz und Glas bildet den thermischen Gebäudeabschluss und beherbergt alle neuen Installationen, die für die Zimmer nötig sind um den Bestand möglichst frei von komplizierten und kostspieligen Eingriffen zu halten. Außerdem werden zwei neue Geschoße in Holzmassivbauweise aufgestockt. Die Zimmer in den neuen Geschoßen entsprechen in ihrer modernen, reduzierten Ästhetik den Regeln des Holzbaus, der an vielen Stellen sichtbar bleibt. Im Sinne der Geschichte, in der neue Gebäudeteile nach Stand der Technik und dem aktuellen ästhetischen Bedürfnissen ergänzt wurden, bringe ich das damals aus Brandschutzgründen fast verdrängte Baumaterial Holz zurück in die Stadt. Holz war typischerweise das Baumaterial für Nebengebäude und balkonartige Strukturen, die man hauptsächlich auf den Gebäuderückseiten und in den Höfen zu Gesicht bekam. In meinem Entwurf nimmt die neue Holzfassade das Motiv dieser Balkone auf und verbindet die drei Baukörper miteinander. Abb. 3.1: Neubau und Mitteltrakt im Modell (M 1:200)

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Trennwand

Brise Soleil

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Bestand Tuffstein

Aufstockung Holzmassivbauweise

Leichte Fassade Holzkonstruktion

Abb. 3.2: Explosionsaxonometrie

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Abb. 3.3: Konstruktiver Querschnitt durch Bestand und Ergänzungen

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Abb. 3.4: Innenraum eines Zimmer im 1. OG. Blick vom Bestandsgebäude in die neue Gebäudeschicht

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Abb. 3.5: Zimmer 1. OG Bestand mit neuer Gebäudeschicht

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Abb. 3.6: Zimmer Aufstockung in Holzmassivbauweise

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Abb. 3.7: Innenraum eines Zimmer im aufgestockten Gebäudeteil mit Blick in Richtung Garten

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Bauteile

Dachaufbau Blechdeckung 50 mm

Schalung

50 mm

Hinterlüftung

20 mm

Schalungsbahn

180 mm

Mineralwolledämmung

15 mm

Gipsfaserplatte

140 mm

Brettsperrholz

Deckenaufbau 60 mm

Sichtestrich

Außenwand Holzfassade 12,5 mm

Gipsfaserplatte

Trennschicht

Dampfbremse

40 mm

12,5 mm

Gipsfaserplatte

Mineralwolle

160 mm

Wärmedämmung/Holzständer

60 mm

25 mm

Gipsfaserplatte x2

Trittschalldämmung, Wabenschüttung

Rieselschutz, Kraftpapier

Fassadenbahn

140 mm

Vertikallattung

Brettsperrholz

Fassadenplatten Holz

Bodenaufbau 60 mm

Sichtestrich

Trennschicht 20 mm

Trittschalldämmung,

Mineralwolle 8 cm

Stahlbetonplatte

15 cm

Dämmschicht

Außenwand Brandwand Kalkputz 170 mm

Hochlochziegel

240 mm

Wärmedämmziegel

Kalkputz

Glasschaumschotter Ausgleichsschicht Magerbeton

Abb. 3.8: Ansicht Südfassade

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Abb. 3.9: Modellfoto Garten und Postgasse (M 1:200) Abb. 3.10: Modellfoto Fassade 1. und 2. OG (M 1:20)

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Impressum Lavinia A. Wagner

Teil der Masterarbeit am Lehrstuhl für Entwerfen und Konstruieren, Prof. Florian Nagler Technische Universität München, Wintersemester 2020/21 © 2021 Urheberin aller Darstellungen und Bilder Lavinia A. Wagner


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