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NACHRUF II: Joel Schumacher ist gestorben

NACHRUF

„Batman“- und „Falling Down“Regisseur Joel Schumacher ist 80-jährig verstorben.

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Fotos: zVg; Archiv, Warner

EIN MAGIER DES MAINSTREAM

Auch, wenn aus dem Schmunzeln nicht mehr herauskommt, wer sich „Batman & Robin“ aus dem Jahr 1997 ansieht, man tut Joel Schumacher jetzt unrecht, ihn dieser Posse wegen in Erinnerung zu behalten. Die üppig ausgestalteten Verschalungen am Kostüm von Batman (George Clooney) und Robin (Chris O’Donnell), in denen jeweils deren Gemächt Platz fand, wurden nur mehr durch die sexy platzierten Nippel auf den Brustpanzern übertroffen. Und ja, auch Arnold Schwarzenegger als „Mr. Freeze“ machte in dem Film nicht die beste Figur. Aber Joel Schumacher stand dazu: Dieser Batman war - nach drei vorangegangenen Filmen - immerhin einer, der auch dem komischen Aspekt dieser meist als düster dargestellten Comicfigur gerecht werden wollte - und es da und dort auch schaffte. Wie man aus der Batman-TV-Serie der 1960er Jahre weiß, hat dieser Superheld durchaus ein (unfreiwillig) ulkiges Potenzial, und Schumacher könnte man durchaus unterstellen, er hätte damit spielen wollen. Auch seine offen gelebte Homosexualität trug dazu bei, dass das Batman„Nippelgate“ legendär wurde. Schumacher hatte sich seinen ganz persönlichen Superhelden designt - denn das war sein Erstberuf: Kostümbildner, ehe er ins Regiefach wechselte. Und George Clooney hat nicht nur einmal gesagt, dass er Batman in diesem Film durchaus als schwul angelegt hat.

Strich drunter. Joel Schumacher, der am 22. Juni 2020 im Alter von 80 Jahren einen jahrelangen Kampf gegen den Krebs verloren hat und in seiner Geburtsstadt New York verstarb, ist ein Magier des US-Mainstream gewesen, der viel zu bieten hatte, vor allem fürs Auge: Opulenz war vor allem in seinen beiden Batman-Filmen wichtig: In „Batman Forever“ (1995) trat er das Erbe von Tim Burton an, der zuvor mit „Batman“ (1989) und „Batmans Rückkehr“ (1992) die Franchise völlig neu ersonnen hatte. „Batman Forever“ mit Val Kilmer in der Heldenrolle war eine erfrischende Fortführung, voller Fantasie und bei den Fans beliebt. Nach „Batman & Robin“ wurde ein geplanter fünfter Film gestrichen, und Schumacher widmete sich kleineren Projekten.

Denn da kam er eigentlich her, von den eher unterschätzten Dramen, die sich dann als Überraschungshits entpuppten, aber nie die Welt kosteten. Großes Hollywood-Kino, das Unsummen verschlang, war nie Schumachers Welt, auch, wenn er darin reüssieren konnte.

Begonnen hat alles mit „St. Elmo‘s Fire - Die Leidenschaft brennt tief“ (1985), Schumachers dritter Regiearbeit, die ihm viel Applaus brachte. Der Film mit den damaligen sogenannten Brat-Pack-Stars (Schauspieler, die häufig zusammen auftraten und auch feierten) Emilio Estevez, Ally Sheedy, Rob Lowe und Demi Moore drehte sich um Drogen- und Liebesprobleme rebellischer Teenager. Der Regisseur bekannte sich damals offen zu seiner früheren Drogen- und Alkoholsucht, die ihm lange Jahre zu schaffen machte. In „The Lost Boys“ (1987) probierte er sich mit Kiefer Sutherland (ein langjähriger Weggefährte) erfolgreich im Horrorgenre aus, in „Seitensprünge“ (1989) zeigte er ein US-Remake der französischen Komödie „Cousin, Cousine“. Kein Genre schien Schumacher fremd, und als er 1990 mit „Flatliners“ einen Thriller um Nahtod-Erfahrungen drehte, in dem sich neben Kiefer Sutherland auch Julia Roberts und Kevin Bacon in den klinischen Tod versetzten, erhielt seine Regiekarriere in Hollywood den größtmöglichen Auftrieb.

Mit „Falling Down“ ließ Joel Schumacher 1993 Michael Douglas mit einer Sporttasche voller Waffen in ein Fast-Food-Restaurant gehen und dort seinen Amoklauf beginnen, weil er zwei Minuten nach halb elf kein Frühstück mehr serviert bekam. Es ist vielleicht der Film, der in Schumachers Werk die USGesellschaft am besten skizzierte, sich an ihren Wunden abarbeitete, und vieles darin hat bis heute erschreckend aktuelle Gültigkeit.

In diesem Höhenflug realisierte Schumacher die John-Grisham-Bestsellerverfilmungen „Die Jury“ und „Der Klient“ mit den Oscar-Gewinnern Susan Sarandon, Sandra Bullock, Tommy Lee Jones und Matthew McConaughey. Schumacher war ganz oben. „Batman Forever“ war dann sein finanziell erfolgreichster Film.

Nach dem „Batman & Robin“-Flop drehte Schumacher „8mm“ (1999) mit Nicolas Cage - ein Film, der sich mit dem Phänomen der Snuff-Filme (Filmen eines Mordes zur sexuellen Erregung oder zur Unterhaltung) auseinandersetzte. Mit „Nicht auflegen“ (2002) folgte ein großartiges Kammerspiel, das nur in einer Telefonzelle in New York spielte: Als der PR-Agent Stu (Colin Farrell) einen Anruf in einer Zelle entgegennimmt, hat er einen Scharfschützen in der Leitung, der ihm mit der Erschießung droht, sollte er auflegen. Es sind schaurige 78 Minuten im Post-9/11-New York, die man gesehen haben muss.

Seinen letzten Mainstream-Film „Trespass“ drehte er 2011, mit Cage und Nicole Kidman, danach verpflichtete man ihn noch für zwei Folgen von „House of Cards“ (2013). Gut sichtbar bleibt seine Bandbreite quer durch alle Genres, auch, wenn er am Ende doch vermutete, dass ihn der Flop von“ Batman & Robin“ für immer verfolgen würde: „Es wird auf meinem Grabstein stehen, das weiß ich“.

Wird es nicht. DORIS NIESSER

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