2 minute read

Ein bisschen bleiben wir noch

uvwxy

Arash T. Riahi erzählt überaus emotional und präzise von zwei tschetschenischen Flüchtlingskindern, die bei heimischen Pflegeeltern untergebracht werden.

Advertisement

Filmladen

Es gibt Filme, da stimmt alles zusammen: Da passt die Besetzung haargenau zum emotionalen Momentum, da sind Rhythmus und Tempo immer im Gleichschritt mit den Anfordernissen der Dramaturgie. Da durchwühlt einem das Gefühlvolle, da bekommt man einen Spiegel vorgehalten und da entdeckt man neue Perspektiven. „Ein bisschen bleiben wir noch“ von Arash T. Riahi ist so ein Film, bei dem alles stimmt. Er schildert eine emotionale Achterbahnfahrt aus der Perspektive von Flüchtlingskindern, erzählt in Wahrheit aber von uns allen, und wie wir am Vorsatz, es gut zu meinen mit den anderen und mit uns selbst, fortwährend scheitern.

Auf Basis des Romans „Oskar & Lilli“ von Monika Helfer erzählt Riahi nach eigenen Drehbuch von den tschetschenischen Flüchtlingskindern Oskar (Leopold Pallua) und Lilli (Rosa Zant), die von ihrer Mutter (Ines Miro) getrennt werden, nachdem diese einen Selbstmordversuch knapp überlebt. Eingewiesen in die Psychiatrie kann man sie und ihre Kinder immerhin nicht in die Heimat abschieben, was aber der ursprüngliche Plan der Behörden war. So kommen Oskar und Lilli getrennt zu Pflegefamilien; der Bub landet bei einer vegetarischen Lehrerfamilie, findet dort keinen rechten Zugang zur Pflegemutter (Alexandra Maria Nutz) und freundet sich stattdessen mit der an Parkinson leidenden Oma (Christine Ostermayer) an, zu der er eine Verbindung aufbauen kann. Seine Schwester Lilli hingegen kommt zu der überengagierten, alleinstehenden Ruth (Simone Fuith), in deren Leben bald ein neuer Mann (Rainer Wöss) tritt, der das zarte Beziehungsgeflecht zwischen Lilli und Ruth zu stören scheint.

AKZEPTANZ Daneben erleben wir den Alltagskampf der beiden Kinder auch außerhalb der Familien mit; dann etwa, wenn Lilli sich in der neuen Schule zu integrieren versucht, aber Akzeptanz nur bei der übergewichtigen Außenseiterin in der Klasse findet. Integration ist, das wird hier besonders deutlich, keine Verordnung, die man über die Menschen drüberstülpen kann; sie ist keine Regel und kein Gesetz, sondern sie muss gelebt werden von denen, die sie annehmen und von denen, die sie anbieten.

Arash T. Riahi hat schon mehrfach gezeigt, dass er poetische und kraftvolle Inszenierungen beherrscht, etwa in „Ein Augenblick Freiheit“. Das Fremdsein ist ihm, der 1982, im Alter von zehn Jahren, vom Iran nach Österreich kam, ein Lebensthema geworden, von dem er immerzu erzählt. Das kann - wie im vorliegenden Fall - durchaus eine mitreißende Geschichte sein, die einem nahe geht. Mit den beiden jungen Darstellern Leopold Pallua und Rosa Kant ist Riahi zudem der Coup geglückt, seine beiden wichtigsten Rollen mit einfühlsamen, aber auch präzise spielenden Nachwuchsdarstellern zu besetzen, in deren Spiel es keinerlei Künstlichkeit gibt. Der Trumpf von „Ein bisschen bleiben wir noch“ ist die kindliche Perspektive: Sie lässt uns das Geschehen aus Kinderaugen miterleben, die Kamera ist zumeist auf Augenhöhe mit den Kindern, und interessanterweise ist diese Perspektive ein Stück weit naiver als die Sicht der „Großen“; das ist aber nicht negativ gemeint, sondern man kann diese Naivität auch als positiven Begriff erleben, solange an ihn Hoffnungen geknüpft sind. Und so ist das Drama dieser Geschichte aus diesem Blickwinkel auch eines voller hoffnungsvoller, ja sogar glücklicher Momente. MATTHIAS GREULING

EIN BISSCHEN BLEIBEN WIR NOCH Ö 2019. Regie: Arash T. Riahi. Mit Leopold Pallua, Rosa Zant, Simone Fuith, Rainer Wöss AB 02.10.2020 IM KINO.

This article is from: