EuGH Urteil: Neuregelung der Familien­leistungen 1.6.2022

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selben Mechanismus einer länderweisen Anpassung unterliegen.5 Die Umsetzung der genannten Vorhaben erfolgte sodann mit BGBlI 2018/836 bzw dem JStG2018.7

Eine analoge Indexierung jener Absetzbeträge, welche tatsächlich in die Berechnung der Einkommensteuer eingehen und der Berücksichtigung von Kinderlasten im EStG dienen, wurde wenig später zusammen mit dem neu erdachten Familienbonus Plus vorgeschlagen. Als zusätzlicher Absetzbetrag sollte auch dieser von Beginn an dem-

für Kinder im Ausland rückwirkend aufgehoben PETER BRÄUMANN* Am 16.6.2022 besiegelte der EuGH mit seinem Urteil in der Rs Kommission/Österreich1 das Schicksal einer von Anfang an umstrittenen Neuregelung im System der österreichischen Familienleistungen. Diese betraf die Familienbeihilfe sowie die kinderbezogenen Absetzbeträge in der Einkommensteuer. Wenn diese für Kinder gewährt wurden, deren ständiger Aufenthalt in einem anderen Staat als Österreich lag, wurde die Höhe der Ansprüche seit 1.1.2019 an das relative Preisniveau dieses Staats angepasst. Wenngleich sich diese Anpassung rechnerisch in beide Richtungen auswirken konnte, führte sie insb bei Kindern in östlichen EU-Mitgliedstaaten zu einer deutlichen Verringerung (zB auf 52% für Bulgarien, 59,5% für Polen oder 64,5% für Ungarn). Der deswegen von der Kommission erhobenen Klage entsprach der EuGH und beurteilte den gesamten Mechanismus der Anpassung auf Basis des Wohnstaats eines Kindes als Verstoß gegen das Unionsrecht. Die Gesetzgebung reagierte rasch und regelte noch vor der parlamentarischen Sommerpause die rückwirkende Beseitigung der betroffenen Normen.2 Dieser Beitrag umreißt die nunmehr abgeschaffte Regelung, stellt die wesentlichen Aussagen des EuGH in seinem Urteil dar und schildert abschließend, welche Konsequenzen diese Entscheidung und die anschließende Änderung der Rechtslage nach sich ziehen.

I.Ausgangslage: Indexierung staatlicher Familienleistungen im österreichischen Recht ab 1.1.2019 A.Hintergrund*12 der Einführung

EuGH-Urteil: Indexierung von österreichischen Familienleistungen

STEUERN, BEIHILFEN UND SOZIALLEISTUNGEN August 2022Nach180

Die gesetzliche Anpassung der Höhe der Familienbeihilfe für im Ausland lebende Kinder („Leistungsexport“) an die Kaufkraft des jeweiligen Staats („Indexierung“) war das erste legistische Projekt der von ÖVP und FPÖ unter Bundeskanzler Kurz gebildeten Bundesregierung. Der diesbezügliche Ministerialentwurf wurde bereits am 5.1.2018 –keine drei Wochen nach Angelobung der Regierung – veröffentlicht.3 Neben der Familienbeihilfe ieS nach §§2ff FLAG betraf der Vorschlag auch den Kinderabsetzbetrag nach §33 Abs3 EStG, der aus Gründen des Finanzausgleichs zwar im EStG geregelt ist, ansonsten aber rechtlich und wirtschaftlich ausschließlich einen Zuschlag zur Familienbeihilfe darstellt und insb mit dieser unmittelbar ausbezahlt wird.4

Der Anspruch auf Familienbeihilfe gebührt nach §2 Abs2 FLAG und §2a FLAG in erster Linie nicht einem Kind selbst, sondern jener Person, die den Haushalt führt, zu dem dieses gehört. Der Gesetzestext in §2 Abs1 und Abs8 FLAG sowie §3 FLAG verlangt von dieser Person einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, wo auch der Mittelpunkt der Lebensinteressen liegen muss, sowie die österreichische Staatsbürgerschaft (oder einen bestimmten Aufenthaltstitel). Diese restriktiven Vorgaben werden aber für Staatsangehörige von EU-Staaten, EWR-Staaten und der Schweiz vom Europarecht – insb der VO (EG) 883/20048 –weitgehend verdrängt.9 Eine Person, die im Gebiet dieser Staaten wohnt und nach der genannten VO dem österreichischen Sozialsystem unterliegt, zB weil Österreich nach Art11 Abs3 lita leg cit der einzige Ort ihrer Erwerbstätigkeit ist, genießt unabhängig von weiteren örtlichen Erfordernissen einen Anspruch auf Familienbeihilfe unter denselben Bedingungen wie im Inland lebende österreichische Staatsangehörige. Das anspruchsbegründende Kind kann seinen ständigen Aufenthalt dabei ebenso in einem beliebigen EU- oder EWR-Staat oder der Schweiz haben (§5 Abs3*MMag. Dr. Peter Bräumann ist Assistenzprofessor am Institut für betriebswirtschaftliche Steuerlehre der Johannes Kepler Universität Linz und Mitglied des Law Lab des Linz Institute of Technology (LIT). 1 EuGH 16.6.2022, Kommission/Österreich, C-328/20 (Indexierung von Familienleistungen).

2 Bundesgesetz, mit dem das FLAG1967 und das EStG1988 geändert werden, BGBlI 2022/135. 3 ME betreffend Bundesgesetz, mit dem das FLAG1967 und das EStG1988 geändert werden, 1/ME 26.GP. 4 S Herzog in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG (22.Lfg, 2021) §33 Tz51; Bräumann, Die steueroptimale Familie (2014) 65. 5 ME betreffend Bundesgesetz, mit dem das EStG1988 geändert wird, 24/ME 26.GP. 6 Bundesgesetz, mit dem das FLAG1967, das EStG1988 und das Entwicklungshelfergesetz geändert werden, BGBlI 2018/83. 7 Jahressteuergesetz2018 (JStG2018), BGBlI 2018/62. 8 VO (EG) 883/2004 des europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, ABlL 166 vom 30.4.2004, S1. 9 S zB VwGH 27.9.2012, 2012/16/0066.

Die kinderbezogenen Absetzbeträge im EStG (mit Ausnahme des Kinderabsetzbetrags) reduzieren generell die für ein Kalenderjahr geschuldete Steuer; einzelne von ihnen (der Alleinverdiener- und Alleinerzieherabsetzbetrag sowie der Kindermehrbetrag) sind bei niedrigen Einkommen auch über die eigene Steuerschuld hinaus auszahlungsfähig.15 Voraussetzung für ihre Geltendmachung ist jedoch die unbeschränkte Steuerpflicht in Österreich, dh ein Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt im Inland (§1 Abs2 EStG iVm §26 BAO) oder ein Antrag unter den Voraussetzungen des §1 Abs4 EStG.16 Seit dem JStG2018 ist die Geltendmachung der Absetzbeträge auf solche Kinder von unbeschränkt Steuerpflichtigen begrenzt, die sich wiederum ständig innerhalb der EU, des EWR oder der Schweiz aufhalten.17 Aus dieser Beschränkung sowie der Indexierung analog der Familienbeihilfe versprach sich die Bundesregierung einen budgetentlastenden Effekt von rund 55Mio€ im Jahr.18 B.Die Regelung(en) Formal gab es nicht „die eine“ Indexierungsregelung. Zwar galt für alle betroffenen Ansprüche an sich dieselbe Vorgangsweise, dafür wurden aber einzelne (gleich gelagerte) Bestimmungen an den jeweiligen Stellen im Gesetz geschaffen: ■ §§8a und 53 Abs4 FLAG für die Familienbeihilfe, ■ §33 Abs3 Z1 und 2 (mit Einleitungssatz vor Z1) EStG für den (praktisch zur Familienbeihilfe zu rechnenden) Kinderabsetzbetrag, §33 Abs3a Z2 EStG für den Familienbonus Plus, ■ §33 Abs4 Z4 EStG für den Alleinverdienerabsetzbetrag, den Alleinerzieherabsetzbetrag und den Unterhaltsabsetzbetrag sowie ■ §33 Abs7 Z2 EStG für den Kindermehrbetrag (der als auszahlbare Erstattung für steuerliche Alleinverdiener und Alleinerzieher eingeführt wurde, die wegen geringen Einkommens nicht vom Familienbonus Plus profitieren können).19 Alle betroffenen Begünstigungen haben gemein, dass sie bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen (dem Grunde nach) in einer gesetzlich fixierten Höhe zustehen, welche nicht weiter etwa mit dem Einkommen oder den tatsächlichen Unterhaltslasten der Anspruchsberechtigten variiert.20

19 Die genannten Bestimmungen verstehen sich hier idF vor BGBlI 2022/135, mit welchem die Indexierungsregelungen sämtlich wieder abgeschafft wurden. 20 Eine gewisse Einkommensabhängigkeit im Hinblick auf die effektive Auswirkung besteht allerdings beim Familienbonus Plus und dem Unterhaltsabsetzbetrag des EStG. Beide können die Einkommensteuerschuld bis minimal null reduzieren; ein danach (bei zuvor geringer Steuerschuld) rechnerisch verbleibender Teil dieser Begünstigungen kann nicht ausgezahlt werden und geht daher verloren.

Eine vorrangige Leistungspflicht anderer Staaten für dasselbe Kind führt dabei aber zu einer entsprechenden Kürzung der österreichischen Familienbeihilfe, sodass nur ein allenfalls verbleibender Unterschiedsbetrag bis zu deren Höhe zusteht.12

22 Maßgeblich war der Index „Vergleichenden Preisniveaus des Endverbrauchs der privaten Haushalte einschließlich indirekter Steuern“; s bereits ErlRV 111 BlgNR 26.GP, 4, und ErlRV 190 BlgNR 26.GP, 9. 23 In diesen Fällen kommt allenfalls der Ansatz der halben Unterhaltskosten als außergewöhnliche Belastung nach §34 EStG in Betracht; s dazu Rz866 LStR2002; etwa auch ErlRV 190BlgNR 26.GP, 9 (zum JStG2018).

10 Für den Kinderabsetzbetrag ergibt sich dies ausdrücklich aus §33 Abs3 EStG. 11 S zum Ganzen etwa Wanke in Lenneis/Wanke, FLAG2 (2020) §3 Rz2, 6, 26, 182ff, und Gebhart in Lenneis/Wanke, FLAG2, §53 Rz83ff. 12 Art68 VO (EG) 883/2004; s dazu etwa die Kommentierung von Gebhart in Lenneis/ Wanke, FLAG2, §4 Rz3ff. 13 Die Reihenfolge entspricht absteigenden Anteilen; s Bericht des Rechnungshofs: Rechnungshof, Familienbeihilfe – Ziele und Zielerreichung, Kosten und Kontrollsystem, Reihe BUND2018/36, 004.507/009-PR3/18, 166 BlgNR 26.GP, Rz15.1. 14 S Vorblatt und WFA RV111 BlgNR 26.GP, 1. 15 S §33 Abs7 und 8 Z1 und5 EStG. 16 S dazu etwa Rz7ff LStR2002. 17 S §33 Abs3a und Abs4 (jeweils Satz1) EStG. Interessanterweise findet sich diese Einschränkung bei der Regelung zum Kindermehrbetrag in §33 Abs7 EStG nicht. Weil diese Bestimmung aber den Anspruch auf andere Absetzbeträge (lita) oder einen Familienbeihilfeberechtigten (litb) voraussetzt, werden auch hier Kinder in Drittstaaten ausgeschlossen sein; so offenbar auch Rz810a LStR2002. 18 S Vorblatt und WFA RV 190 BlgNR 26.GP, 2.

Mit Wirksamkeit der angeführten Indexierungsregelungen ab 1.1.201921 gelangten die gesetzlichen Beträge nur mehr zur Anwendung, wenn die Ansprüche für ein Kind geltend gemacht wurden, das sich ständig in Österreich aufhielt. Bei Kindern in anderen Staaten der EU, des EWR oder der Schweiz mussten die jeweils zustehenden Beträge „auf Basis der vom Statistischen Amt der Europäischen Union veröffentlichten vergleichenden Preisniveaus für jeden einzelnen“ dieser Staaten bestimmt werden.22 Für Kinder in sonstigen Staaten stehen die genannten Transferleistungen und Absetzbeträge nicht zu.23

Für das Jahr2016 ermittelte der Rechnungshof näherungsweise, dass für ca 130.000 Kinder im Ausland die österreichische Familienbeihilfe geltend gemacht wurde. Auf sie entfielen rund 290Mio€ und damit etwa 6% der gesamten Auszahlungen für die Familienbeihilfe (samt Kinderabsetzbetrag). 95% dieser Auslandsfälle betrafen dabei Kinder in den EU-Mitgliedstaaten Ungarn, Slowakei, Polen, Rumänien, Slowenien, Tschechien, Kroatien und Bulgarien.13 Da in diesen Staaten ein generell niedrigeres Preisniveau als in Österreich herrscht, erwartete sich die Bundesregierung durch die daran ausgerichtete Indexierung der Familienbeihilfe jährliche Ersparnisse von rund 114Mio€.14

Die tatsächlich anzuwendenden landesweisen Werte für alle indexierten Beträge mussten per Verordnung kundgemacht werden.24 Eine Aktualisierung der Umrechnungsfaktoren sollte alle zwei Jahre, und zwar zum 1.1. auf Basis der Statistik zum 1.6. des Vorjahres erfolgen. Dementsprechend kam es nach der erstmaligen Festlegung nur einmal, zum 1.1.2021 zu einer solchen Aktualisierung.25 Seit dieser bewegte sich die Anspruchshöhe im Bereich zwischen 46,4% (Bulgarien) und 144,9% (Island) des Niveaus für Kinder in Österreich. Wie im vorigen Abschnitt ausgeführt, erfolgt ein „Export“ österreichischer Familienbeihilfe allerdings weitaus überwiegend für Kinder in östlichen EU-Mitgliedstaaten, was nur Anspruchsminderungen auslöste (am geringsten war noch Slowenien mit einer Reduktion auf 77,8% betroffen).Dermaßgebliche ständige Aufenthalt des Kindes ist terminologisch im Übrigen wohl §5 Abs3 FLAG entnommen. Der VwGH hatte dieses Merkmal lange Zeit ausdrücklich nach den Gesichtspunkten des dauernden Aufenthalts gem

21 S §8a Abs2 FLAG und §33 Abs3 Z2 lita EStG jeweils idF vor BGBlI 2022/135; §124b Z335 EStG.

STEUERN, BEIHILFEN UND SOZIALLEISTUNGEN August 2022 181 FLAG und §53 FLAG).10 Der „Export“ von Sozialleistungen innerhalb dieses Raums ist ein fundamentaler Gedanke der VO (EG) 883/2004.11

24 Dazu ergingen die Familienbeihilfe-Kinderabsetzbetrag-EU-AnpassungsV, BGBlII 2018/318, und später BGBlII 2020/482, sowie die Familienbonus PlusAbsetzbeträge-EU-AnpassungsV, BGBlII 2018/257, zuletzt idF BGBlII 2022/193. 25 BGBlII 2020/417 und BGBlII 2020/482.

C.Unionsrechtliche Zweifel

STEUERN, BEIHILFEN UND SOZIALLEISTUNGEN August 2022182 §26 Abs2 BAO interpretiert.26 In jüngeren Entscheidungen bezeichnete der Gerichtshof den ständigen Aufenthalt im Lichte der unionsrechtlichen Begrifflichkeiten27 aber zumeist nur mehr schlicht als Wohnort.28

Die Kommission zeigte sich von den österreichischen Argumenten offenbar unbeeindruckt. Noch am 24.1.2019 wurde ein Vertragsverletzungsverfahren33 nach Art258 AEUV gegen Österreich eingeleitet und nach Abschluss des Vorverfahrens am 22.7.2020 eine Vertragsverletzungsklage beim EuGH eingebracht.34 Die Rechtsfrage hat durchaus für Resonanz gesorgt; so haben sich acht andere Staaten sowie die EFTA-Überwachungsbehörde als Streithelfer am Verfahren beteiligt.35 Das vom EuGH jüngst am 16.6.2022 gefällte Urteil betraf diese Klage. Auch das BFG hat den EuGH in zwei Verfahren, in denen im Wesentlichen die Vereinbarkeit der Indexierung der Familienbeihilfe mit dem Unionsrecht hinterfragt wurde, bereits um Vorabentscheidung nach Art267 AEUV ersucht.36 Infolge des genannten Urteils wurde vom BFG aber bereits eines seiner Ersuchen zurückgezogen.37

B.Ungerechtfertigte mittelbare Diskriminierung von Wanderarbeitnehmern

II.Urteil des EuGH in der Rs Kommission/Österreich

Der EuGH beurteilte die Indexierung in allen betroffenen Bereichen als mittelbare Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit. Wenngleich dabei der Wohnort eines Kindes ein scheinbar neutrales Kriterium darstellt, seien im Wesentlichen Wanderarbeitnehmer betroffen, da vor allem deren Kinder in anderen Mitgliedstaaten leben würden. Außerdem wären gegenüber Österreich vor allem solche Staaten betroffen, die wegen niedrigerer Preisniveaus eine Leis26 S zB noch VwGH 26.1.2012, 2012/16/0008; 15.11.2005, 2002/14/0103 (jeweils mit Verweisen auf frühere Judikatur); dazu Reinalter in Lenneis/Wanke, FLAG2, §5 Rz9. 27 Insb Art1 litj VO (EG) 883/2004. 28 S zB VwGH 12.11.2019, Ra2019/16/0133; 27.9.2012, 2012/16/0066. 29 S zB Parlamentskorrespondenz vom 24.10.2018, PK-Nr1160. 30 So Kühbacher, Die geplante Indexierung der Familienbeihilfe aus unionsrechtlicher Sicht, ASoK2018, 82; Kühbacher, Der Familienbonus Plus aus Sicht des Unionsrechts, ÖStZ2018, 291; Laudacher, Unionsrechtswidrige Indexierung der Familienleistungen, SWK10/2018, 480; Bräumann, Der Ministerialentwurf zum „Familienbonus Plus“, SWK10/2018, 470; Bräumann, Umfassende Reformen der steuerlichen Familienförderung, iFamZ2018, 186; Marhold/Ludvik, Dürfen die Behörden die Indexierung der Familienleistungen anwenden? iFamZ2018, 199; Mayr, Quod licet lovi, non licet bovi? Die Indexierung der Familienbeihilfe aus unionsrechtlicher Sicht, ZÖR2018, 317; Leidenmühler, Indexierung der Familienbeihilfe ist mit geltendem EU-Recht nicht vereinbar, ÖGfE Policy Brief 5/ 2018; Gebhart in Lenneis/Wanke, FLAG2, §53 Rz99; Kovacs, Die Koordinierung von Familienleistungen, ZAS2022, 59 (67). 31 Mazal, Rechtsgutachten zur Neugestaltung der Familienbeihilfe für Kinder, die im EU-Ausland leben, für das BMF (2017), verfügbar unter ung_Familienbeihilfe_Kinder_EU-Ausland.pdffileadmin/user_upload/p_oif/andere_Publikationen/Rechtsgutachten_Neugestalthttps://www.oif.ac.at/(Zugriffam8.8.2022); Lang/ Langer, Unionsrechtliche Überlegungen zur länderweisen Indexierung des „Familienbonus Plus“, SWK15/2018, 667. 32 ErlRV 111BlgNR 26.GP, 1ff. 33 Geschäftszahl der Kommission: INFR(2018)2372. 34 S zum Verfahrensgang EuGH 16.6.2022, Kommission/Österreich, C-328/20, Rn23ff. 35 Tschechien, Kroatien, Polen, Rumänien, Slowenien, die Slowakei und die EFTAÜberwachungsbehörde auf Seite der Kommission; Dänemark und Norwegen auf der Seite Österreichs. 36 BFG 16.4.2020, RE/7100001/2020; 21.10.2020, RE/7100004/2020. 37 BFG 18.6.2022, RE/7100001/2022.

38 VO (EU) 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5.4.2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union, ABlL141 vom 27.5.2011, S1. 39 Schlussanträge GA de la Tour 20.1.2022, Kommission/Österreich, C-328/20, Rn123ff. 40 S EuGH 16.6.2022, Kommission/Österreich, C-328/20, Rn97; so zum Familienbonus Plus etwa Lang/Langer, SWK15/2018, 667 (668ff), aber mit Einschränkung in FN17; aA und für eine Beurteilung der steuerlichen Maßnahmen als Familienleistungen iSd VO (EG) 883/2004 Wanke in Lenneis/Wanke, FLAG2, §3 Rz182b; Bräumann, iFamZ2018, 186 (189ff). 41 S ABlC297 vom 7.9.2020, S36. 42 EuGH 16.6.2022, Kommission/Österreich, C-328/20, Rn98.

Der EuGH betonte zudem, dass Art4 VO (EG) 883/2004, der eine Gleichbehandlung im Bereich der sozialen Sicherheit ohne Unterschied nach der Staatsangehörigkeit normiert, und Art7 Abs2 VO (EU) 492/2011, der Wanderarbeitnehmern die gleichen sozialen und steuerlichen Vergünstigungen wie inländischen Arbeitnehmern zusichert, gleichermaßen nur die primärrechtliche Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art45 AEUV konkretisieren. Beide Bestimmungen sind deshalb „grundsätzlich in gleicher Weise und im Einklang mit Art45 AEUV auszulegen“.42 Die zusätzliche Anwendung der VO (EG) 883/2004 nur für die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag machte daher auch im Ergebnis keinen Unterschied; dem Klagsvorbringen der Kommission folgend erkannte der EuGH lediglich, dass die Indexierung dieser Leistungen gegen mehr ausdrückliche Vorschriften des sekundären Unionsrechts verstieß als die steuerlichen Maßnahmen, wie vor allem auch der Urteilstenor verdeutlicht.

Die Indexierung mit ihrer praktisch vielfachen Reduktion von Familienleistungen für Kinder in anderen Mitgliedstaaten wurde nicht nur von politischen Gegenstimmen als „Bruch von EU-Recht“ beurteilt.29 Auch im Fachschrifttum gingen zahlreiche Meinungen von einer Unionsrechtswidrigkeit dieser Vorgangsweise aus;30 nur vereinzelt fanden sich verteidigende Stimmen.31 Die damalige Bundesregierung selbst hat ihre Argumente für die Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht in der Regierungsvorlage zur Indexierung der Familienbeihilfe dargelegt.32 Diese entsprachen inhaltlich bereits dem, was auch im späteren EuGH-Verfahren als Rechtfertigung für die länderweise Indexierung vorgebracht werden sollte.

A.Anwendbare unionsrechtliche Grundlagen Die Klage der Kommission richtete sich gegen die länderweise Anpassung der Familienbeihilfe und der steuerlichen Absetzbeträge gleichermaßen (nur der Kindermehrbetrag wurde nicht ausdrücklich erwähnt). Die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag beurteilte der EuGH dabei nach den Maßstäben der bereits erwähnten VO (EG) 883/ 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit sowie nach Art7 Abs2 VO (EU) 492/2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer38 gleichermaßen; auf die steuerlichen Absetzbeträge wurde hingegen nur die letzte Vorschrift angewandt. Der EuGH ist damit – unter Verweis auf die Schlussanträge39 und ohne weitere Erwägungen – nicht davon ausgegangen, dass auch die steuerlichen Maßnahmen als „Familienleistungen“ im Anwendungsbereich der VO (EG) 883/2004 (nach deren Art1 litz) einzuordnen sein würden.40DieseEinordnung war aber offenbar ohne Weiteres bereits aus der Klage der Kommission übernommen worden.41

46 EuGH 16.6.2022, Kommission/Österreich, C-328/20, Rn106ff. 47 EuGH 16.6.2022, Kommission/Österreich, C-328/20, Rn47ff. 48 EuGH 16.6.2022, Kommission/Österreich, C-328/20, Rn57. 49 S bereits EuGH 22.6.1989, Costanzo, C-103/88, Rn31f; ausführlich dazu etwa Posch/Riedl in Mayer/Stöger, AEUV (Stand 1.8.2013, rdb.at) Art260 Rz6f; Wolfram/Cremer in Calliess/Ruffert, AEUV6 (2022) Art260 Rz5f; Karpenstein in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der EU (75.Lfg, 2022) Art260 AEUV Rz9f. 50 Vgl Kokott, Das Steuerrecht der Europäischen Union (2018) §11 Rz8. 51 S Art288 AEUV.

gerichtete Kernargument Österreichs im gesamten Verfahren war, dass die Indexierung keinerlei Benachteiligung, sondern vielmehr gerade erst eine Art Gleichbehandlung herstelle, weil nur eine Anpassung der Leistungen an das Preisniveau im Staat des jeweiligen Kindes die unterschiedlichen Unterhaltsbelastungen der Anspruchsberechtigten zutreffend abbilden könnte. Kinder in unterschiedlichen Staaten würden verschiedene und daher auch differenziert zu behandelnde Sachverhalte darstellen.44

STEUERN, BEIHILFEN UND SOZIALLEISTUNGEN August 2022 183 tungskürzung im Vergleich zu inländischen Arbeitnehmern herbeiführten.43Dasdagegen

Das wies der EuGH knapp und deutlich zurück: Die fraglichen Leistungen würden auch im Inland pauschal allenfalls nach Zahl und Alter der Kinder gewährt, ohne auf deren tatsächliche Bedürfnisse abzustellen. Außerdem würden auch unterschiedliche Preisniveaus zwischen den Regionen in Österreich zu keinen Anpassungen führen, obwohl diese teils deutlicher ausfielen als die Unterschiede zwischen Österreich und anderen Mitgliedstaaten. Dass die Reduktion der Höhe gerade für gebietsfremde Kinder deshalb eine gleiche Berücksichtigung von Lasten herbeiführen solle, „entbehrt […] jeder Grundlage“. Das österreichische Vorbringen in diesem Punkt wurde weder als Argument gegen eine mittelbare Diskriminierung noch als objektive Rechtfertigung für eine solche akzeptiert.45 Auch die weiteren Rechtfertigungsversuche ließ der EuGH nicht gelten: Das finanzielle Gleichgewicht des österreichischen Sozialsystems sei nicht gerade durch ungeschmälerte Zahlungen für ausländische Kinder, die nur 6% der gesamten Ausgaben für die Familienbeihilfe ausmachen, gefährdet; Risiken würden allenfalls durch mangelnde Kontrollen in diesem Bereich entstehen. Darüber hinaus komme insb in der VO (EG) 883/2004 das Prinzip der Gleichbehandlung zum Ausdruck, wonach alle wegen ihrer Beschäftigung unionsrechtlich dem Sozialsystem eines Mitgliedstaats zugeordneten Personen auch die gleichen Leistungen wie Staatsangehörige erhalten sollen. Bei der Festsetzung der Arbeitgeberbeiträge oder der zu entrichtenden Einkommensteuer zur Finanzierung der indexierten Begünstigungen würde weiters auch nicht danach unterschieden, ob die Kinder der Arbeitnehmer im In- oder Ausland wohnten. Insofern kann auch die Ausgewogenheit der Sozialsysteme zwischen den Mitgliedstaaten oder ein (kindbezogenes) Abstellen auf die „Unterhaltsfunktion“ eine mittelbar diskriminierende Anspruchsverringerung bei Kindern in anderen Staaten nicht rechtfertigen.46 Sämtliche Indexierungsregelungen verstießen damit gegen Art7 Abs2 VO (EU) 492/ 2011. C.Auslegung von Art67 VO (EG) 883/2004 Art4 VO (EG) 883/2004, die auf die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag anzuwenden ist, gebietet für den Anwendungsbereich der VO ebenso die Gleichbehandlung von Unionsbürgern mit eigenen Staatsangehörigen. Ihr Art67 regelt darüber hinaus ausdrücklich, dass Ansprüche auf Familienleistungen für Unionsbürger in einem Mitgliedstaat so zustehen, „als ob die Familienangehörigen in diesem Mitgliedstaat wohnen würden“. Österreich wollte auch hier das „als ob“ im Sinne einer Kaufkraftparität der gezahlten Transferleistungen im Wohnstaat des Kindes verstehen, was der EuGH nicht teilte. Die Leistungsansprüche der in einem Mitgliedstaat Erwerbstätigen dürfen der Höhe nach nicht nur deshalb geschmälert werden, weil am Wohnort ihrer Familienangehörigen in der Union ein geringeres Preisniveau herrscht. Schließlich würden österreichische Arbeitnehmer auch keiner Anpassung nach Wohnregion ihrer Kinder innerhalb Österreichs unterliegen und darüber hinaus ein pauschaler Betrag ohne Abstellen auf den tatsächlichen Unterhalt gewährt werden.47 Die Indexierung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag verstieß somit nicht nur gegen Art7 Abs2 VO (EU) 492/2011, sondern auch gegen Art4 und 67 VO (EG) 883/2004. Deutlich wies der EuGH auch das österreichische Argument ab, wonach dem Vereinigten Königreich vor dessen Austritt aus der Union von Rat und Kommission zugesichert worden sei, eine ähnliche Indexierung für „exportierte“ Familienleistungen einführen zu können. Eine solche Regelung wäre nach Aussage des EuGH – wenn sie sekundärrechtlich umgesetzt worden wäre – jedenfalls nach Art45 AEUV ungültig gewesen.48 III.Folgen des Urteils A.Unmittelbare Auswirkungen EuGH-Urteile in Vertragsverletzungsverfahren sind an sich Feststellungsurteile ohne rechtsgestaltende Wirkung. Nach Art260 Abs1 AEUV muss ein verurteilter Staat aber „die Maßnahmen ergreifen, die sich aus dem Urteil des Gerichtshofs ergeben“. Damit ist nicht nur eine Pflicht zur Anpassung des nationalen Rechts verbunden; vielmehr haben auch Gerichte und Verwaltungsbehörden das Urteil unverzüglich zu beachten und die mit unmittelbarem Unionsrecht kollidierenden nationalen Vorschriften nicht mehr anzuwenden.49 Mit seinem Urteil legt der EuGH das geltende Unionsrecht verbindlich aus; die Unionsrechtswidrigkeit einer nationalen Norm wirkt damit auch auf bereits abgeschlossene Sachverhalte bis hin zum ursprünglichen Inkrafttreten dieser NormDiezurück.50österreichischen Indexierungsregelungen widersprachen Verordnungen aus dem Unionsrecht, die als solche in den Mitgliedstaaten unmittelbar anwendbar sind.51 Finanzämter und Gerichte dürfen diese Vorschriften daher jedenfalls in laufenden und zukünftigen Verfahren nicht mehr anwenden. Das BFG hat seit dem Urteil des EuGH bereits einige

43 EuGH 16.6.2022, Kommission/Österreich, C-328/20, Rn101 und 103, mit Verweis auf Schlussanträge GA de la Tour 20.1.2022, Kommission/Österreich, C-328/ 20, Rn130f. 44 S bereits ErlRV 111BlgNR 26.GP, 1ff, wo mangels Indexierung wiederholt von „Verzerrungen“ gesprochen wird. 45 EuGH 16.6.2022, Kommission/Österreich, C-328/20, Rn52, 102 und 105 (ergänzend zu den Parteivorbringen Rn67 und 72).

56 Dazu zB Öhlinger/Potacs, EU-Recht5, 67f. 57 S dazu Wanke in Lenneis/Wanke, FLAG2, §26 Rz12ff. 58 Vgl VfGH 14.7.2020, G202/2020 ua und V408/2020 ua; 16.6.2011, G6/11. 59 So AB 1633 BlgNR 27.GP, 3. 60 So AB 1633 BlgNR 27.GP, 3f.

52 S zB BFG 20.6.2022, RV/7100125/2022; 27.6.2022, RV/7101364/2020; 30.6.2022, RV/7102376/2021; 18.7.2022, RV/7101943/2020; 26.7.2022, RV/ 7101863/2022.

53 S dazu Ritz/Koran, BAO7 (2021) §303 Rz40 mwN; krit Öhlinger/Potacs, EURecht und staatliches Recht5 (2014) 75f. 54 S dazu ausführlich Posch/Riedl in Mayer/Stöger, AEUV (Stand 1.8.2013, rdb.at) Art260 Rz10ff. 55 In BFG 28.6.2022, RV/3100054/2020, wurde auch eine begünstigende Indexierung als unionsrechtswidrig abgelehnt. Im noch offenen Vorabentscheidungsersuchen aus BFG 21.10.2020, RE/7100004/2020, wird hingegen für diese Möglichkeit argumentiert und eine entsprechende Frage an den EuGH gerichtet.

Die Gesetzgebung hat auf das Urteil nämlich rasch reagiert und die diesbezügliche innerstaatliche Vorgangsweise mit BGBlI 2022/125 vom 28.7.2022 normativ festgelegt.

Über das österreichische Niveau hinaus indexierte Begünstigungen werden aus verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzüberlegungen60 bis zu bestimmten Stichtagen unverändert gewährt und sind nicht zurückzuzahlen. In der Familienbeihilfe gelten bereits erfolgte „Überzahlungen“ bis Ende Juni2022 als rechtmäßig zuerkannt. Die monatsweise zustehenden Absetzbeträge in der Einkommensteuer (Familienbonus Plus, Unterhaltsabsetzbetrag) werden sogar bis Ende Juli 2022 im höher indexierten Ausmaß gewährt; die auf das Jahr bezogenen Absetzbeträge sollen korrespondierend zu sieben Zwölftel in dieser Höhe und zu fünf Zwölftel ohne Indexierung berücksichtigt werden.

Innerhalb eines Jahres können Bescheide im Anwendungsbereich der BAO nach §299 BAO auf Antrag oder von Amts wegen geändert werden; eine EuGH-Entscheidung stellt aber keinen Wiederaufnahmegrund für länger zurückliegende Verfahren dar.53 Aus der EuGH-Judikatur selbst lässt sich kein genereller Anspruch auf Beseitigung bereits rechtskräftiger innerstaatlicher Individualrechtsakte ableiten. Eine subjektive Wiedergutmachung kommt in solchen Fällen allenfalls über das vom EuGH ersonnene Instrument der Staatshaftung in Betracht.54 Uneins scheint das BFG dahingehend zu sein, ob das Unionsrecht auch einer begünstigenden Anspruchserhöhung durch die Indexierung (zB für ein Kind in der Schweiz) entgegensteht.55 Streng betrachtet hat der EuGH in seinem Urteil den gesamten Anpassungsmechanismus als Verstoß gegen die geprüften und unmittelbar anwendbaren Verordnungen bezeichnet, ohne weiter nach dessen Wirkung für die Betroffenen zu differenzieren. Anders als im Bereich nicht (rechtzeitig) umgesetzter Richtlinien56 gibt es bei unmittelbar anwendbarem Unionsrecht auch keine Dogmatik, wonach dieses ausschließlich zu Gunsten der Rechtsunterworfenen gegenüber dem betroffenen Staat dessen nationales Recht zurückdrängen könnte.

STEUERN, BEIHILFEN UND SOZIALLEISTUNGEN August 2022184 Entscheidungen in zuvor offenen Verfahren gefällt, die ebendies umsetzen und keine Indexierung mehr vornehmen.52 Auch Anträge auf nicht indexierte Familienbeihilfe nach §10 FLAG müssten schon auf Basis des EuGH-Urteils positiv entschieden werden. Schwieriger ist die Lage für bereits rechtskräftig abgeschlossene Verfahren (gerade auch im Bereich der Einkommensteuer).

Das wirft freilich die Folgefrage auf, ob auch eine Rückforderung von über das österreichische Niveau hinaus indexierten und bereits ausgezahlten Leistungen möglich wäre. Da die „Überzahlung“ nach der hier dargestellten Ansicht objektiv (unions)rechtswidrig erfolgte, hätte eine Rückforderung überall dort möglich sein müssen, wo ein entsprechender Verfahrenstitel offenstand (etwa wiederum nach §299 BAO oder §26 FLAG57). Ein entgegenstehender Vertrauensschutz aufgrund der nationalen Rechtslage hätte sich aus der bisherigen VfGH-Judikatur wohl kaum ableiten lassen: Weder wurde in beitragsfinanzierte Rechtspositionen eingegriffen noch hatte die Gesetzgebung die Begünstigten mit den erhöhten Leistungen zuvor zu einem bestimmten Handeln veranlasst.58 Hinzu tritt, dass die bisherige unionsrechtswidrige Anwendung der Indexierung womöglich lediglich als Vollzugsfehler zu beurteilen wäre.

Für alle anderen Fälle gilt die fünfjährige Verjährungsfrist des §10 Abs3 FLAG nicht und sollen Schreiben der Betroffenen auch „großzügig“ als Anträge beurteilt werden.59 Im EStG wird die Rechtsänderung als rückwirkendes Ereignis nach §295a BAO behandelt, was eine Änderung bereits rechtskräftiger Bescheide erlaubt (wofür nach §208 Abs1 lite BAO auch erst mit Jahresende die Verjährungsfrist zu laufen beginnt). Beim Lohnsteuerabzug für das laufende Jahr haben die Arbeitgeber (soweit technisch und organisatorisch möglich) bis spätestens 30.9.2022 eine Aufrollung nach §77 Abs3 EStG durchzuführen und dabei die ungeschmälerten Absetzbeträge zu berücksichtigen.

B.Gesetzesreparatur mit BGBlI 2022/135 Nach §55 Abs56 FLAG und §124b Z409f EStG werden sämtliche Indexierungsregelungen rückwirkend zum 1.1.2019, dem Datum ihrer erstmaligen Wirksamkeit, abgeschafft. Dadurch entstehende Nachzahlungen an Familienbeihilfe haben soweit als möglich automatisch zu erfolgen (va wenn die Kontodaten der Empfänger bekannt sind).

IV.Fazit

Die zuletzt aufgeworfenen Fragen, insb nach der zeitlichen Wirkung des EuGH-Urteils, der verfahrensrechtlichen Vorgangsweise und dem Umgang mit bereits erfolgten Überzahlungen, werden jedoch eher theoretischer Natur bleiben.

Die Gesetzgebung beendet damit für die Betroffenen erfreulich deutlich diesen österreichischen Versuch, die Grenzen des Unionsrechts bei den Familienleistungen – entgegen den vielen kritischen Stimmen aus der Fachwelt – auszuloten. Aus der politisch erhofften Budgetersparnis ist letztlich ein zweifacher Mehraufwand geworden: erstens für die aufrecht erhaltenen Indexierungen „nach oben“, zweitens für Verwaltungs- und Verfahrenskosten. Zudem wurde ein unschönes Signal an ausländische Unionsbürger gesendet, dass Österreich sie im Sozialrecht offenbar soweit als möglich hintanstellen möchte. Der EuGH scheint indes einer höhenmäßigen Anpassung von Familienleistungen nicht absolut die Tür zugeschlagen zu haben. Aus unionsrechtlichen Gesichtspunkten müsste eine solche aber wohl inländische wie ausländische Begünstigte gleichermaßen betreffen (etwa durch regionale Differenzierung auch innerhalb Österreichs oder ein Abstellen auf die tatsächlichen Unterhaltslasten).

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INHALT114 Juni 2022 Grundrechte und Familie Zuständigkeit in Fragen zur gesetzlichen Abstammung Michael Löffler 116 Rechtsprechung ● Keine Bedenken gegen Unterhaltsregelung zur Berücksichtigung der Betreuung118 ● Verfassungswidrige erbrechtliche Ungleichbehandlung von ehelichen und unehelichen Kindern118 Kindschaftsrecht Rechtsprechung ● Abfertigung als Teil der Unterhaltsbemessungsgrundlage und Anspannung in der Elternteilzeit120 ● Ehegattenunterhalt als Teil der Unterhaltsbemessungsgrundlage121 ● Abschlag für überdurchschnittliches Kontaktrecht121 ● Über das übliche Ausmaß hinausgehendes Kontaktrecht121 ● Bemessung der Belastungsgrenze iZm pauschalem Kinderbetreuungsgeld122 ● Enterbungsgründe und Kindesunterhaltsrecht122 ● Kalifornischer Unterhaltstitel für zwei Kinder123 ● Exekutionsführung auf Wiedereingliederungsgeld123 ● Beschwer im Vorschussrückersatzverfahren124 ● Obsorgestreit mit zahlreichen Beteiligten und vielen Kindeswohlkriterien124 ● Aufrechterhaltung der gemeinsamen Obsorge zur Verminderung der „Labilität“ eines Elternteils?125 ● Zur Überprüfung der vorläufigen Obsorgemaßnahme des KJHT nach § 107a Abs 1 AußStrG125 ● Einschränkung der Informationsrechte wegen Kindeswohlgefährdung126 ● Bestellung eines Kollisionskurators für vermögende Kinder127 ● Kontaktverweigerung eines zwölf Jahre alten Kindes129 ● Kontaktverweigerung eines elf Jahre alten Kindes129 ● Verweis als Zwangsmittel zur Durchsetzung einer Erziehungsberatung?130 ● Verfristung des Antrags auf Unwirksamerklärung eines Vaterschaftsanerkenntnisses131 ● Vaterschaftsnachweis ohne DNA-Analyse131 ● Schadenersatz: Piñata beim Kindergeburtstag132 ● Keine gerichtliche einstweilige Verfügung gegen das Land Tirol wegen Corona-Impfinformationen133 ● Unzulässigkeit des Rechtswegs zur Bekämpfung von COVID-19-Maßnahmen in Schulen133 Steuern, Beihilfen und Sozialleistungen Rechtsprechung ● Keine Kostenerstattung für pränataldiagnostische Untersuchungen134 ● Rechtsprechungsänderung: Anteiliger Anspruch auf Familienzeitbonus im „Papamonat“134 ● Familienzeitbonus („Papamonat“) und Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit134 ● Gemeinsamer Haushalt und Familienzeitbonus („Papamonat“)134 ● Berechnung der Frist für Nachweis von Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen134 ● Nachträglicher Nachweis der Mutter-Kind-Pass-Untersuchung134 ● Kinderbetreuungsgeld auch bei Familienbeihilfe in der Höhe von 0 €134 ● Verhältnis Heimopferrente – Schadenersatz134 Erwachsenenschutzrecht Rechtsprechung ● Genehmigung der Einwilligung des gerichtlichen Erwachsenenvertreters nach dem HESÜ135 ● Keine strikte Obergrenze für übernommene Erwachsenenvertretungen bei besonders geeigneten Rechtsanwälten oder Notaren135 ● Versagung der Bestätigung der Schlussrechnung135 ● Vertretung in gerichtlichen Verfahren136 ● Bestellung eines einstweiligen Erwachsenenvertreters und eines Rechtsbeistands136

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Ausgabe 3/2022IMPRESSUM: Interdisziplinäre Zeitschrift für Familienrecht UbG/HeimAufG/Medizinrecht Rechtsprechung ● Neuerungserlaubnis im Rekursverfahren nur bei noch aufrechter Unterbringung138 ● Probeentnahme im Rahmen eines Antigen-/PCR-Tests unter Anwendung von Zwangsmaßnahmen138 ● Beschränkung der Bewegungsfreiheit auf einen Raum139 ● Anwendbarkeit des HeimAufG auf einer Intensivstation 139 ● Portiersdienst durch Bewohner begründet keine Abhängigkeit vom Willen Dritter140 Ehe- und Partnerschaftsrecht Rechtsprechung ● Eingebrachte Ehewohnung und Haftung für Schulden141 ● Mietzins- und Räumungsklage zwischen Ehegatten142 ● Einstweilige Verfügung auf Grundlage der sicherheitsbehördlichen Dokumentation143 ● Rechnungslegungsanspruch beim Ehegattenunterhalt144 ● Einstweiliger Ehegattenunterhalt und Anrechnung eines fiktiven Mietwerts145 Erbrecht Erbschaftserwerb und Baumhaftung – Aus der Erbrechtspraxis des Dr. S. Patrick Schweda 146 Rechtsprechung ● Aufhebung einer letztwilligen Verfügung nach Beendigung der Lebensgemeinschaft147 ● Beginn des Laufs der kenntnisabhängigen Verjährungsfrist151 ● Voraussetzungen für die Pflichtteilsminderung153 ● Keine Hinzurechnung mangels Treuhandschaft157 Internationale Aspekte Die Verordnung Brüssel IIb – ein erster Überblick zu Anerkennung, Vollstreckung undinternationaler Zusammenarbeit Robert Fucik 158 Rechtsprechung ● Keine Rückführung in ein anderes Land als jenes, in dem der gewöhnliche Aufenthalt vor der Entführung lag 167 ● Anerkennung einer Entscheidung eines Schariagerichts zur Bestätigung der Eheschließung168

INHALT Juni 2022 115 Herausgeber- und Redaktionsteam

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