Links!
im Digitalabo. Jede Ausgabe schon drei Tage früher im Mailpostfach! Jetzt kostenlos bestellen: www.links-sachsen.de/abonnieren, aboservice@links-sachsen.de oder 0351/84 38 9773.
Politik und Kultur für Sachsen, Europa und die Welt Juli-August 2019
Foto: strassenstriche.net/ flickr.com / CC BY-NC 2.0
Naziterror ist nicht erledigt
Nicht nur der Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, hinter dem möglicherweise ein rechtes Netzwerk steckt, deutet darauf hin: Nazi-Terror ist eine bleibende Bedrohung. In Sachsen haben sich seit dem „Nationalsozialistischen Untergrund“ weitere Terror-Strukturen gebildet: die „Gruppe Freital“, die „Oldschool Society“ oder die Gruppe „Revolution Chemnitz“. Gegen sie muss mit aller Härte vorgegangen werden – unter Beachtung ihres NetzwerkCharakters, der Strukturermittlungen und einen verlässlichen Informationsaustausch der Behörden erfordert. Das ist eine wichtige Lehre aus dem staatlichen Versagen vor dem NSU, der weitaus mehr war als ein „Trio“. Nach mehr als vier Jahren hat der zweite Untersuchungsausschuss des Sächsischen Landtages, der sich mit dem NSU befasste, seine Arbeit beendet. CDU und SPD haben ein dünnes Heft als Abschlussbericht vorgelegt, das auf sächsischer Seite weder ernste Fehler erkennt noch politische Schlussfolgerungen ziehen will. Dagegen haben wir als LINKE gemeinsam mit den Grünen ein umfangreiches Sondervotum erarbeitet, das die Themen und Resultate der Ausschussarbeit erschöpfend darstellt. Wichtigstes Ergebnis: Der sächsische „Verfassungsschutz" hat bei der Suche nach dem Trio rundweg versagt. Erstens hat das Amt viel zu wenig getan, um die 1998 untergetauchten Neonazis zu finden – obwohl die zutreffende Annahme bestand, dass sich die Flüchtigen hier aufhalten. Zweitens behielt der Geheimdienst Informationen für sich, die wichtig für die Polizei gewesen wären – etwa Hinweise, nach denen das „Trio“ einen Überfall plant und eine Waffe beschafft wird. Drittens waren die Versuche der Behörde, mit der Operation „Terzett" an die Flüchtigen heranzukommen, stümperhaft
– und sie endeten gerade als die NSU-Mordserie begann. Andernfalls hätten die Flüchtigen womöglich gefunden und die NSU-Anschläge und -Morde verhindert werden können. Ausgehend von konkreten Fehlern sächsischer Behörden und angesichts der Tatsache, dass neue rechtsterroristische Strukturen entstanden sind, fordern wir politische Konsequenzen. Unser Bericht schließt mit einem Katalog aus 46 Einzelvorschlägen. Zu ihnen gehört, dass sich die Staatsregierung zu ihrer Verantwortung bekennt – und die Betroffenen und Hinterbliebenen des NSU endlich entschädigt. Für das Landesamt für Verfassungsschutz sehen wir keine Zukunft: Die Behörde muss aufgelöst werden, sie hat mehr geschadet als genutzt und ist reformunfähig. Dagegen braucht der Freistaat ein Gesamtkonzept zur Zurückdrängung der extremen Rechten. Zudem muss die Zivilgesellschaft viel stärker gefördert werden. Wir stehen nun am vorläufigen Ende einer der aufwändigsten parlamentarischen Untersuchungen, die es bisher in Sachsen gab. Einen Schlussstrich aber kann und darf es nicht geben. Den weiteren Kampf gegen Rassismus und die extreme Rechte sehen wir vielmehr als eine wichtige gesamtgesellschaftliche Aufgabe. • Kerstin Köditz Mehr: bit.ly/2NLf1Ii Den Morden des NSU fielen zum Opfer: Enver Şimşek Abdurrahim Özüdoğru Süleyman Taşköprü Habil Kılıç Mehmet Turgut İsmail Yaşar Theodoros Boulgarides Mehmet Kubaşık Halit Yozgat Michèle Kiesewetter