LINKS! September 2019

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Fragend schreiten wir voran

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Politik und Kultur für Sachsen, Europa und die Welt September 2019

Das war vor noch nicht allzu langer Zeit eine Parteitagslosung der sächsischen Linken. Angesichts der Katastrophe vom 1. September muss man sie wieder aufnehmen, denn noch stehen wir ratlos da. Es sind die richtigen Fragen zu stellen und gute Antworten darauf zu finden, soll sich das ändern. Wir sind mit 10,4% der Stimmen in Sachsen auf den Stand unseres Anfangs im Jahr 1990 (10,2%) zurückgeworfen, obwohl wir dazwischen schon bei 23,6% standen und vier Wahlperioden lang (das sind 20 Jahre) die zweitstärkste Fraktion im Sächsischen Landtag stellten. Sind wir da plötzlich eingebrochen oder hat sich das lange angebahnt? Die Frage aller Fragen. Haben wir zu früh gejubelt, nicht mehr nur als PDS Ostpartei zu sein, sondern uns nach der Fusion mit der WASG als DIE LINKE gesamtdeutsch etabliert zu haben? War die Folge eine Vernachlässigung des Ostens und der besonderen Situation der Menschen, die dort leben? Was hätte deren Los mit Kapitalismus zu tun und wie kann man das verständlich erklären? Hat die Frage nach dem „Verständlich-Erklären“ etwas mit unserer Mitgliederentwicklung zu tun? Wieso kann man mit „Ende Gelände“ in Leipzig ein beachtliches Wahlergebnis erzielen, nicht aber im Lausitzer Kohlerevier? Haben wir Konzepte und Sprache, mit denen man Menschheitsinteressen (Klima) mit Gruppeninteressen (Arbeitsplatz) im Konfliktfall lösungsorientiert verbinden kann? Welchen Gebrauchswert hat eigentlich unsere Partei DIE LINKE? Wieso werden wir bei Kommunalwahlen in Leipzig stärkste Partei, man traut uns aber bei den gleichzeitig stattfindenden Europawahlen nur wenig zu? Kann das wer auf die Schnelle erklären? Juliane Nagel verteidigt in Leipzig ihr Direktmandat. Warum? Sie könnte es wahrscheinlich kaum anderswo. Oder? Dietmar Pellmann erkämpfte einst ein Direktmandat für den Landtag in Leipzig Grünau. Seinem Sohn gelang

ein noch größeres Kunststück, als er dort das Direktmandat für den Bundestag holte. Warum? Hätten die beiden das auch nach Belieben anderswo geschafft? Wieso machte unser Dorfkonsum drei Mal pleite, obwohl wir meinen, er wäre so wichtig? Haben wir alle eigentlich ausreichend begriffen, dass bei Wahlen eine Partei ihren Gebrauchswert zuvörderst für Menschen außerhalb der Partei nachweisen muss? DIE LINKE hat in Sachsen etwas über 7.000 Mitglieder. Würden uns nur diese wählen, wären wir weg vom Fenster. Das galt auch schon, als wir noch über 30.000 Mitglieder hatten. Ich frage deshalb, wie entstehen unsere Wahlprogramme? Sind es Programme, die Angebote machen, die weit über die Partei hinaus für Menschen verständlich und attraktiv sind, oder sind die stundenlangen quälenden Kämpfe oft nur um Worte und Satzzeichen eher dazu da, um in der Partei Harmonie zwischen allen letzten Gewissheiten herzustellen? Unterscheiden wir dabei immer ausreichend, dass wir mit einem Wahlprogramm vornehmlich über fünf Jahre künftiger Parlamentsarbeit Auskunft geben und nur sehr vermittelt auch in Geschichte eingreifen? Was hilft uns also die revolutionäre Attitüde und der Hinweis auf unser Ziel des Demokratischen Sozialismus? Verheimlichen sollten wir das nicht. Wie man es jedoch als Vorzug und Positivum, als mehrheitsfähige Zukunftsvorstellung in die Gesellschaft trägt, wer weiß und kann das wirklich? Politisches und ökonomische System bringen uns in Konkurrenz zu anderen und in Konkurrenz untereinander. Wie bewältigen wir das in Solidarität für das große Ziel sozialer Gerechtigkeit? Befragen wir uns kritisch. Und befleißigen wir uns bis zu umsetzbaren Antworten weniger einer Staatsraison, sondern sozialer Rebellion! • Peter Porsch


Links! 9/2019 Der Osten Deutschlands hat den aus Niedersachsen stammenden Historiker Helmuth Albrecht offenbar schon lange beschäftigt: 1997 wurde er mit der Schrift „Laserforschung in Deutschland 1960 – 1970. Eine vergleichende Studie zur Frühgeschichte von Laserforschung und Lasertechnik in der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik“ habilitiert. Albrecht ist kein reiner Geisteswissenschaftler, die Naturwissenschaften treiben ihn mindestens genauso stark um. Der Wissenschaftler lebt inzwischen seine Leidenschaft für Historie und Technik nutzbringend für die ganze Region Erzgebirge aus – und zwar an der Bergakademie Freiberg, wo er 1997 den Lehrstuhl für Technikgeschichte und Industriearchäologie übernahm. Der Professor hat mit dem Elfenbeinturm, in den sich manche Wissenschaftler zurückziehen, freilich nichts am Hut. Stattdessen hat er das gesamte Erzgebirge mit allen dort lebenden Menschen im Blick. Welcher Historiker darf von sich behaupten, federführend dazu beigetragen zu haben, dass eine Region mit mehreren hunderttausend Einwohnern von sich sagen kann: „Hurra, wir sind Welterbe!“? Ohne Professor Albrecht wäre Sachsen wohl um ein UNESCO-Erbe ärmer. Das Thema Bergbau ist bei ihm übrigens Familientradition: Sein gleichnamiger Großvater arbeitete als Bergbaudirektor. Ralf Richter hat in Freiberg mit ihm gesprochen. Herr Professor Albrecht, Sie sind ja familiär etwas „vorbelastet“, wenn ich das so sagen darf. War dies für Sie ein ausschlaggebender Punkt, um sich mit dem Thema Bergbau zu beschäftigen? Ja und nein! Ich wollte bewusst nicht Bergbau studieren wie mein Vater, Großvater und Urgroßvater, sondern bin Historiker geworden. Kurioserweise hat mich das Schicksal aber dann an die Bergakademie hier in Freiberg geführt. Hier ist mir klar geworden – anhand der Traditionen und Relikte –, was für ein spannendes Thema der Bergbau ist. Hatten Sie schon vorher Berührungspunkte mit dem Bergbau? Ich habe bereits als Student im Bergbau gearbeitet – nicht zuletzt weil man damals dort sehr viel Geld verdienen konnte. Über Vermittlung meines Vaters sind mein Bruder und ich zum Kali- und Steinkohlenbergbau gekommen. Mit dem dort erarbeiteten Geld haben wir in den 70er Jahren unsere Autos und Reisen finanziert. Insofern hatte ich schon eine Bergbauaffinität, aber in meinem historischen Studium hatte ich keine Berührung mit dem Bergbau. Was hat Sie im Studium beschäftigt? Im Wesentlichen Wissenschafts- und Technikgeschichte. Ich habe ja auch meine Habilitation über Lasertechnologie geschrieben im deutschen OstWestvergleich. Erst in Freiberg rückte die hiesige Bergbaugeschichte in mein Blickfeld. Wer hat Sie ins Thema eingeführt? Professor Wagenbrett, mein Vorgänger, hat mir die Region gezeigt. Bei dieser Gelegenheit habe ich erkannt, welche kulturellen Schätze hier in Verbindung

Links! im Gespräch

Wie die Montanregion Erzgebirge zum Welterbe wurde Ralf Richter sprach mit Professor Helmuth Albrecht, einem der Väter der Bewerbung

mit dem Bergbau liegen. So bin ich zu dem Thema gekommen. Das Thema Montanregion Erzgebirge wird seit 20 Jahren beackert. Wann stiegen sie ein? Das Land bzw. der Freistaat Sachsen haben 1998 das Erzgebirge durch die deutsche Kultusministerkonferenz zusammen mit dem Elbtal auf die deutsche Warteliste eintragen lassen. Ich hatte damit zum ersten Mal im März 2000 zu tun, als es in Dresden eine Sitzung im Wissenschaftsministerium gab, wo man überlegte, was man mit dem zweiten Antrag – das Elbtal war schon in Bearbeitung – machen könnte oder sollte. Dort habe ich mich gemeldet und vorgeschlagen, doch erstmal eine Machbarkeitsstudie durchzuführen. Damit wurde ich dann beauftragt und so habe ich Ende 2001 die Studie dem Ministerium vorgelegt, wo sie allerdings in der Schublade verschwunden ist … Man war wohl schon zu sehr mit dem „Welterbe Dresdner Elbtal“ beschäftigt … Als nichts passierte, bin ich mit dem damaligen Landrat Uhlig, dem jetzigen Vorsitzenden des Welterbevereins, nach Dresden gefahren und wir haben dort wissen wollen, warum keine Reaktion auf unsere Studie erfolgte. Die Studie hat nicht nur dargelegt, dass es möglich ist, ein Welterbe Montanregion Erzgebirge zu schaffen, sondern darüber hinaus wurden auch Wege für die Umsetzung aufgezeigt. Das Land hatte aber offenkundig sein Interesse verloren. Tatsächlich gab es zu dem Zeitpunkt bereits Probleme mit der Dresdner Bewerbung. Wir wurden deshalb aufgefordert zu zeigen bzw. zu beweisen, dass die Region das Welterbe will.

Man war offenbar in der Landesregierung verunsichert und wollte auf Nummer sicher gehen. Wie sind Sie dann vorgegangen? Wir haben daraufhin 2003 den Förderverein gegründet und versucht, geeignete Personen – auch Bürgermeister – zusammen zu bringen und für dieses Projekt zu gewinnen. Geld dafür bekamen wir weder vom Freistaat noch aus anderen Quellen der öffentlichen Hand. Ein Förderung erfolgte ausschließlich durch Sponsoren und mit diesem Geld haben wir die ersten EU-Projekte in Kooperation mit den Tschechen finanziert, nachdem wir dorthin Kontakte aufgebaut hatten. 2007 ist daraus dann die erste Realisierungsstudie entstanden, in der wir aus der Vielzahl der Denkmäler 500 ausgewählt haben, von denen man sagen konnte, dass diese sowohl die 800jährige Geschichte des Bergbaus als auch die Vielzahl der hier abgebauten Erze sowie die kulturellen Zusammenhänge repräsentieren. Das hat man dann akzeptiert in der Landesregierung? Der damalige Innenminister hat geantwortet, dass die Realisierungsstudie zwar schön und gut sei, wir sollten aber erst einmal prüfen, ob die Realisierung nicht etwa in Kommunen wie Annaberg oder Freiberg die wirtschaftliche Entwicklung behindert. Insbesondere die FDP hat in der Landesregierung moniert, dass Denkmalpflege und Wirtschaftsentwicklung nicht miteinander vereinbar seien. Die Waldschlösschen-Brücke würde das schließlich schon hinreichend beweisen. … und doch ist es Ihnen gelungen, allen Widerständen zum Trotz den Welterbetitel zu erringen.

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Wir wollten den Kritikern den Wind aus den Segeln nehmen, indem wir vorgeschlagen haben, eine Studie nicht nur für Annaberg und Freiberg anzufertigen, sondern gleich für alle Kommunen, die im Projektgebiet liegen. Eine Mammutaufgabe! Wir haben 2008 begonnen, mit 35 Kommunen und drei Landkreisen auf deutscher Seite zusammen zu arbeiten. Parallel dazu wurden Kontakte mit sechs Kommunen und zwei Distrikten auf tschechischer Seite aufgebaut. Anschließend haben wir ein Verfahren entwickelt, das im Kontext mit einem Welterbe ziemlich neu war: Normalerweise wird ein Welterbeprojekt vom Land beschlossen und praktisch von oben nach unten entwickelt – wir sind den umgekehrten Weg als Bottom-Up-Projekt gegangen und haben uns auf gemeinsame Umsetzungsstudien konzentriert. Das heißt, wir haben für alle vorgeschlagenen Objekte in allen Kommunen eine Art „rundes Tischverfahren“ gemacht, woraus in vier Jahren 27 Einzelstudien im Umfang von jeweils 30 bis 250 Seiten hervorgegangen sind. Das sind wissenschaftliche Untersuchungen, in denen wir die Objekte ausgewählt und geprüft haben, ob sie alle unter Denkmal- bzw. Naturschutz stehen – was eine Vorbedingung für die Anerkennung als Welterbe ist. Dann haben wir uns zusammengesetzt mit den Planungsbehörden, den Eigentümern und den Vereinen, die dort tätig waren, haben eine Vorort-Besichtigung vorgenommen und unsere Vorschläge diskutiert, haben Änderungen vorgenommen und dann ist daraus jeweils eine gemeinsame Umsetzungsstudie hervorgegangen.. Das hat sicher einiges gekostet – wenn aber im Vorfeld kein Geld vom Freistaat kam, wer hat sich an der Finanzierung beteiligt? Das Besondere war, dass im Vorfeld jeder Stadtrat oder Gemeinderat beschließen musste, dass er sich am Verfahren beteiligt, denn er musste zu einem Drittel die Kosten übernehmen. Die übrigen zwei Drittel hat der Förderverein übernommen – über unser Sponsoring. Es musste also ein kommunaler Beschluss gefasst werden, dass die Studie überhaupt gemacht wird und als sie vorlag, musste noch einmal beschlossen werden, ob sie von der Kommune angenommen wird. Wir waren dafür in sämtlichen Stadt- und Gemeinderäten sowie den relevanten Ausschüssen, was von 2008 bis 2012 gedauert hat. Sie haben ein unheimlich aufwendiges demokratisches Verfahren gewählt. Links! wird gern weiter über Entstehung und Entwicklung dieses Projektes berichten, leider ist uns Platz an dieser Stelle eingeschränkt. Darum eine letzte Frage: Wann wird offiziell mit großem Bahnhof die Urkunde von der UNESCO nach Freiberg gebracht? Am 14. September – das ist ein Sonnabend – wird mit großem bergmännischem Zapfenstreich die offizielle Verleihung des Titels auf dem Obermarkt in Freiberg gefeiert. Dazu sind natürlich auch Besucherinnen und Besucher herzlich willkommen!


Die dritte Seite

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Wer legte Feuer im Reichstag? Lange hielt man den insbesondere in der Historikergilde der Alt-BRD den Reichstagsbrand für abgehakt. Bereits mit dem Buch des US-amerikanischen Historikers Benjamin Carter Hett „Der Reichstagsbrand. Wiederaufnahme eines Verfahrens“ geriet 2016 die maßgeblich vom SPIEGEL kolportierte Mär vom Einzeltäter Marinus van der Lubbe jedoch stark unter Druck. Das Buch war eine geschichtswissenschaftliche Leistung mit umfangreichen, teilweise sensationellen Enthüllungen. In seinem Werk konnte Hett u.a. Fritz Tobias (1912-2011), dem Autor einer elfteiligen Artikelserie für den SPIEGEL in den Jahren 1959 und 1960, die Unterschlagung von Beweismitteln nachweisen. Ende Juli veröffentlichte nunmehr die „Hannoversche Allgemeine Zeitung“ ein weiteres Dokument, das belegt, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit die Nazis selbst den Reichstag am Abend des 27. Februar 1933 angezündet haben. Es handelt sich um die eidesstattliche Versicherung, mit der sich ein ehemaliger SA-Mann, Hans-Martin Lennings, im November 1955 vor einem Notar selbst bezichtigte, an dem besagten Abend den Niederländer Marinus van der Lubbe in den bereits brennenden Reichstag gefahren und dort einem ihm unbekannten Zivilisten übergeben zu haben. Damit hat zum ersten Mal ein Mittäter davon berichtet, wie er auf Befehl der Nazis an der Vorbereitung der Brandstiftung beteiligt war. An der Authentizität des Dokuments gib es keinerlei Zweifel. Der zentrale Satz lautet: „Es fiel uns auf, dass ein eigenartiger Brandgeruch herrschte und dass auch

schwache Rauschwaden durch die Zimmer hindurchzogen.“ So schilderte der ehemalige SA-Mann jenen Moment, in dem er van der Lubbe in den Reichstag brachte. Lennings erklärt, dass er sich auf Anordnung des SA-Führer Karl Ernst am 27. Februar 1933, wenige Stunden vor der Brandnacht, in einer Gartenwirtschaft in Berlin-Mahlsdorf einfinden musste. Dort habe ein ihm bekannter Polizeispitzel den schriftlichen Befehl übergeben, in der Lützowstraße einen Mann abzuholen und in den Reichstag zu bringen. Mit zwei SAKameraden und einem Chauffeur habe er ihn ausgeführt – und später auf Fotos in Zeitungen erkannt, dass es sich um Marinus van der Lubbe handelte. Durch einen Seiteneingang hätten sie den jungen Mann ins Gebäude gebracht und an eine Person übergeben, als schon Rauchschwaden sichtbar waren.

Man könnte es mit diesen Gedanken bewenden lassen. Aber ich dachte weiter, beziehungsweise ergriffen mich Assoziationen. Der Hundekot rief den Gedanken des in der Natur ebenso

Entdeckt wurde die Abschrift der Eidesstattlichen Versicherung übrigens ausgerechnet im Nachlass von Fritz Tobias, der es nicht für nötig befand, auch nur die Existenz des Dokuments öffentlich zu machen. Der Fund wirft ei-

nen weiteren düsteren Schatten auf die Arbeit des Erforschers der Geschichte des Reichstagsbrandes, der viele Jahre hochrangiger Mitarbeiter im niedersächsischen Verfassungsschutz war. Mit der Schuldzuweisung an den vermeintlichen Einzeltäter Marinus van der Lubbe schützte Tobias nicht nur die Nazis, sondern auch die seinerzeit ermittelnden NS-Kripobeamten, die nach dem Krieg erneut Karriere machten. Die Gralshüter der Alleintäterthese sind nach den jüngsten Enthüllungen in die Defensive gedrängt worden. An erster Stelle muss hier der SPIEGEL- und Welt-Redakteur Sven Felix Kellershoff genannt werden, der mit abenteuerlichen Unterstellungen aufwartete. Auch er konnte aber nicht verhindern, dass bereits durch Hetts Buch und nunmehr durch die jüngsten Enthüllungen immer deutlicher wird, wie die Nazis den Reichstagsbrand organisierten, um danach „das politische Feld abzuräumen“, wie der Historiker Sebastian Haffner es formuliert hat. Die jüngsten Entwicklungen erleichtern hoffentlich auch ein Anliegen, das man auf dem Leipziger Südfriedhof – hier wurde van der Lubbe am 15. Januar 1934 fünf Tage nach seiner Hinrichtung anonym begraben – seit Jahren verfolgt. Es geht um die Wiederherstellung einer öffentlichen Erlebbarkeit seines authentischen Grabes, denn der 1999 gestiftete Gedenkstein befindet sich bis zum heutigen Tag über einem Scheingrab, einem Kenotaph, dem lediglich eine memoriale Funktion zukommt. • Dr. Volker Külow

Vom Hundekot und Vogelschiss Unlängst habe ich eine bedenkenswerte Geschichte gelesen: Eine Frau ging mit ihrem Hund spazieren. Das Tier nutzte die Gelegenheit und kotete (so nennt man das, wenn es darauf ankommt, was hinten herauskommt). Das war nicht weiter aufregend. Brav packte die Dame das Endprodukt in eine Plastiktüte und suchte einen Abfallkorb zur Entsorgung. Leider fand sie keinen, gab bald die Suche auf und warf die Tüte resignierend in ein Gebüsch. Der Kommentar des Erzählers: So hatte sie etwas, das in ein bis zwei Wochen verrottet gewesen wäre, durch die Verpackung für etwa 200 Jahre konserviert. Freilich muss man einräumen, sie hat auch die Menschen vor dem unästhetischen Anblick eines Hundekots, vor der Gefahr, hineinzutreten und damit den Kot weiterzuverbreiten, gerettet. Eine gute Tat, wenn auch eine ökologische Katastrophe.

In dem Dokument erklärt Lennings auch, warum er erst 22 Jahre nach dem Geschehen auspackte. Mitte der 1950er wurde die Wiederaufnahme des Prozesses gegen van der Lubbe öffentlich diskutiert. Sein Bruder wollte posthum einen Freispruch erwirken. Lennings hatte offenbar Gewissensbisse und hegte den Wunsch, dass seine Version „in einem Verfahren auf Aufhebung des Todesurteils gegen Marinus van der Lubbe verwendet werden soll.“ 1962 starb Lennings, aber erst 1967 kam es zur Wiederaufnahme. So wurde das Dokument im Archiv vergessen.

häufig vorkommenden Vogelschisses hervor, womit das Auftauchen des so fatal sprechenden Namens GAULAND ja wirklich nicht mehr weit sein konnte. Dieser Mann, der schon mit seinem Namen beredte Propaganda für ein anderes Deutschland macht, wollte sein Faible für das andere, das ein altes, kaum vergangenes Deutschland wäre, verharmlosen, indem er meinte, die Zeit Adolf Hitlers und seines Nationalsozialismus wäre im Laufe der tausendjährigen so erfolgreichen deutschen Geschichte nur ein Vogelschiss. Nun hat jeder Vergleich ein „tertium comparationis“, etwas Drittes, das im Vergleich das mögliche Gemeinsame darstellt. Gauland will uns weismachen, dass dies offensichtlich die geringe Bedeutung dieser Zeit für die deutsche Geschichte insgesamt sei. Und genau dabei hat er sich mächtig verhauen. Würde man mit Hundekot vergleichen, hätte die gemeinte Zeit tatsächlich wenig Belang für das Ganze. Der Vogelschiss verbietet aber eine solche Annahme vollständig. Wie wir bereits wissen, verrottet der Ver-

dauungsrest vom Hund in ein bis zwei Wochen, außer man rettet ihn durch Verpackung. Beim Vogelschiss ist das völlig anders und das bringt auch ein völlig anderes tertium comparationis. In jeder Autozeitschrift ist zum Beispiel zu lesen, dass Vogelschiss auf dem Au-

tolack sehr schnell Schäden hervorrufen kann, man ihn also unvermittelt beseitigen müsse. Auf die Kleidung gekleckst, ist es ebenso geraten, diese Ausscheidungen der gefiederten Welt nicht allzu lange an ihrem Landeplatz verweilen zu lassen. Es träten Zersetzungsprozesse ein, die Flecken oder sogar Löcher in der Kleidung hervorrufen könnten. Andererseits ist der Vogelschiss von solcher Beschaffenheit, dass sicher niemand auf die Idee käme, ihn zu verpacken und auf diese Weise zu entsorgen. Und nun zum Ver-

gleich des Herrn Gauland. Mag sein der Nationalsozialismus war eine Epoche deutscher Geschichte mit der Bedeutung eines Vogelschisses. Es klingt plausibel, denn er kam, kaum vorhanden, zur Wirkung. Es begann Zersetzung, Zersetzung der Gesellschaft in Rassen, Zersetzung der Gesellschaft in Herrenmenschen und minderwertiges Leben, Zersetzung der Gesellschaft in Führer und zu Führende. Der Vogelschiss nagte an der Gesellschaft, ja erklärte ihr selbst den Krieg durch Krieg, in dem er Millionen Deutsche vernichtete und noch mehr Millionen anderer Völker. Der Vogelschiss scheint, wie Vogelschiss eben, manchmal schon verschwunden zu sein. An seinen Wirkungen ist er jedoch erkennbar – mit fatalen Folgen. Herr Gauland hat mit seiner Vergleichssuche für Adolf Hitler und die Zeit seines Nationalsozialismus kräftig in den Hundekot oder vergleichbare Exkremente gegriffen. Der „Vogelschiss“ hat tatsächlich gearbeitet, die Gesellschaft zersetzt, noch immer nicht getilgte Spuren hinterlassen. Zu viele noch meinen, auf diesen Spuren fänden sich die Wege in die deutsche Zukunft. Zu viele sondern immer noch Vogelschiss ab. „Menschen seid wachsam!“ (Julius Fucik, ermordet in Berlin Plötzensee am 8. September vor 76 Jahren; er hatte uns lieb.)


Hintergrund

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Modrow-Konzept als Modellfall Südkoreanische Journalisten studieren Wege zur Wiedervereinigung. Von Wulf Skaun Von Hans Modrow waren sie sichtlich beeindruckt. Der Ex-Ministerpräsident der DDR hatte sie mit seinem konföderalen „Deutschland, einig Vaterland“Konzept von 1990 überzeugt und in eigenen Auffassungen bestärkt. Für die zwölf südkoreanischen Journalisten war das Treffen mit dem Linksparteipolitiker sicher das Highlight ihrer Bildungsreise nach Deutschland. Galt sie doch dem Generalthema Wiedervereinigung und Journalismus. Vor ihrer interkontinentalen Exkursion hatte die Korea Press Foundation (KPF), eine öffentlich-rechtliche Organisation Südkoreas, die sich „Friedensjournalismus, sozialer Verantwortung und nationalem Dialog“ verpflichtet sieht, ihre Abgesandten gründlich auf ihr Besuchsprogramm in Berlin und Leipzig vorbereitet. In Seoul eigneten sich die Mitarbeiter von Rundfunk, Tageszeitungen und Nachrichtenagentur während eines zweiwöchigen Seminars einschlägiges Rüstzeug an, das vom „Verständnis für Nordkorea und dessen Medien“, über „Teilungs- und Friedensjournalismus“ bis hin zum „Verständnis für Teilung und Einheit Deutschlands“, „Zur Rolle des Journalismus für die deutsche Einheit“ und zum „Journalismus nach der Wende“ reichte. Keine Frage, dass die so instruierten Journalisten aus Fernost bereits ein konturiertes Bild ostdeutscher Verhältnisse in Vergangenheit und Gegenwart besaßen, das sie nun zwischen dem 18. und 25. Juni in Berlin und Leipzig konkretisierten.

Wendeereignisse von 1989/90 suchten die weitgereisten Gäste die Stiftung Friedliche Revolution, den MDR, die LVZ und das Zeitgeschichtliche Forum auf. Der im Programm ausgewiesene Themenpunkt „Universität Leipzig, Journalismus“ spezifizierte sich in einer Anfrage als Wunsch an den Autor, über die Journalistenausbildung in der DDR und die journalistische Tätigkeit vor und nach der Wende informiert zu werden. Dabei sollten möglichst persönliche Erfahrungen eingebracht werden. Das gab die Berufsbiografie des Autors in zwei Systemen her. Schließlich hatte er an der Sektion Journalistik der Karl-Marx-Universität Leipzig, der einzigen akademischen Ausbildungsstätte der DDR für den journalistischen Nachwuchs, studiert und später als habilitierter Hochschullehrer in Lehre und Forschung bis zu deren Abwicklung 1991 gewirkt, ehe er fast zwei Jahrzehnte als LVZ-Redakteur im tagesjournalistischen Geschäft tätig war.

Auf eineinhalb Stunden war die Begegnung mit den südkoreanischen Kollegen im Leipziger Ratskeller veranschlagt. Einem Impulsreferat sollte sich ein Frage-Antwort-Dialog anschließen. Dass der Diskurs dreieinhalb Stunden währte, war neben der Wissbegier der Gesprächsteilnehmer auch dem engagierten und vorzüglichen Informationstransfer durch Dolmetscherin Yujin Lee, freie Journalistin, und Professor Kim Yeong-Uk, Weiterbildungs-Chef der KPF, zu danken. Er war einst als Soziologiestudent in Siegen mit deutscher Sprache und Kultur vertraut geworden. Angespornt durch beider sach- und fachkundiges Vermittlungsgeschick wuchs sich das Geschehen rund um den Zwölfertisch bald zu einem intensiven Gedankenaustausch aus. Die Chemie stimmte, weil in den grundsätzlichen Anschauungen über Frieden, Solidarität, Völkerverständigung Übereinstimmung bestand. Als der Autor die Frage, ob

In der deutschen Hauptstadt standen unter anderem Bundestag, Deutsches Historisches Museum und Begegnung mit DDR-Journalisten auf dem Aktionsplan. In der sächsischen „Wiege“ der

er nach dem Untergang der DDR Sozialist geblieben sei, bejahte, applaudierte die Runde. Für atmosphärische Nähe sorgten die südkoreanischen Medienspezialisten auch, indem sie der Journalistenausbildung an der Sektion Journalistik Lob spendeten. Insbesondere die Einheit von theoretischer und praktischer Vermittlung alles dessen, was einen akademisch gebildeten und handwerklich professionellen Journalisten ausmacht, fand ihren Beifall. Die südkoreanischen Gäste vertieften sich mit heiligem Ernst in die vom Autor mitgebrachten Studienpläne. Der breite Fächerkanon, der neben journalistischer Methodik mit dem Übungssystem als Kernstück, theoretische Grundfragen des Journalismus, aber auch Psychologie, Soziologie, Stilistik, Literatur, Fremdsprachen und Sprecherziehung umfasste, wurde bewundert. Interessierte Fragen galten schließlich der Nachwende-Zeit des Autors als LVZ-Lokalredakteur, insbesondere der Frage, warum er von der Theorie in die Praxis gewechselt sei. Seine Antwort, dieser selbstbestimmte Schritt habe politische Gründe gehabt, führte die Diskussion fast zwangsläufig auf das Feld der aktuellen Politik. Warum das einstmals rote Sachsen eine Hochburg der AfD werden und die Linkspartei dies nicht verhindern konnte, wollten die Seouler Friedensjournalisten nun wissen. Als der Autor als eine Ursache für das Dilemma anführte, die LINKE habe ihren Kümmerer-Nimbus an die AfD verloren und werde heute selbst von Teilen der früheren Stammwählerschaft dem Establishment zugeordnet, quittierten das die Südkoreaner postwendend mit einem Autoritätsbeweis: „Das hat Hans Modrow auch gesagt.“ So hatte sich der Kreis geschlossen.

Regressforderungen bedrohen die Existenz von Ärzten Sozial-Skandal des Monats In Seifhennersdorf bangt eine Neurologin um ihre Existenz, weil die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen Regressforderungen in Höhe von fast 250.000 Euro gegen sie erhebt. Zu Regressforderungen kommt es, wenn Ärzte zu viele Patienten behandeln oder mehr verschreiben, als das vorher ausgehandelte Budget hergibt. Der eigentliche Skandal ist, dass das Sozialministerium von alledem nichts wusste. So konnte das Sozialministerium auf meine Kleine Anfrage lediglich Auskunft über Regressforderungen in Höhe von 10.000 Euro gegen einen Hausarzt im Leipziger Raum geben. Und das obwohl es die Rechtsaufsicht über die Kassenärztliche Vereinigung führt. Dabei ist die Ärztin aus Seifhennersdorf kein Einzelfall, wie mir Ärztin-

Susanne Schaper ärgert sich über die eigentlich unglaublichen Vorgänge

nen und Ärzte nach Veröffentlichung meiner Pressemitteilung in der Ärztezeitung mitteilten. Vielmehr scheint es an der Tagesordnung zu sein, dass Ärztinnen und Ärzte Rückforderungen ausgesetzt sind, obwohl sie Leistungen erbracht, also Patientinnen und Patienten behandelt haben. Angesichts solcher Ereignisse ist es wenig verwunderlich, dass sich immer weniger Medizinstudentinnen und Medizinstudenten für eine eigene Niederlassung als Arzt, egal ob in der Großstadt oder im ländlichen Raum, entscheiden. Als Arzt will man in erster Linie helfen und nicht, wie es die Praxis der Regressforderungen scheinbar zeigt, betrügen und die Sozialsysteme plündern.

Hier besteht dringender Handlungsbedarf. Lippenbekenntnisse im Wahlkampf helfen niemandem. Zwingend erforderlich ist vor allem, dass sich das Staatsministerium für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz ein umfängliches Bild über die Praxis der Regressforderungen macht, nachem wohl die letzten fünf Jahre kräftig geschlafen wurde. Natürlich bedürfen auch Ärzte einer demokratischen Kontrolle und es muss geschaut werden, ob Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung sinnvoll eingesetzt werden. Wenn aber Ärzte auf Grund horrender Forderungen vor der Praxisschließung stehen, schießt man weit übers Ziel hinaus. Eine Kontrolle darf auch nicht

dazu führen, dass Ärztinnen und Ärzte immer weniger Zeit für Patientinnen und Patienten haben, oder dass sie diese wegschicken müssen, ihnen nichts mehr verschreiben dürfen, weil sie ihr Budget ausgeschöpft haben. Wenn Ärztinnen und Ärzte sich Regressforderungen gegenübersehen, weil sie zu viele Patientinnen und Patienten behandelt haben, wird auch deutlich, wie realitätsfern die vom Bundestag beschlossene Erhöhung der Praxiszeiten von 20 auf mindestens 25 Wochenstunden ist. Man kann nur hoffen, dass in der neuen Wahlperiode des Sächsischen Landtages auch mehr Kompetenz und Fachkenntnis in die betreffenden Ministerien einziehen.


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Furioser Auftakt: Der Poetry-Slammer Jean-Philippe Kindler ist der Star des Eröffnungsabends Ende Juli auf der Attac-Sommerakademie in der ErichKästner-Schule in Bochum. Das Motto: „Auf dem Weg zum guten Leben für alle“. Auf den Sitzplätzen liegt eine Art Banknote: Die Libra! Darauf liest man „In f (für Facebook) we trust“ und „libra“. Weiter: „Unsere Daten hat Facebook schon. Jetzt will es unser Geld kontrollieren.“ Die Libra soll die digitale Weltwährung werden. Wozu online mit Euro bezahlen, wenn es über WhatsApp mit Libra einfacher geht? Jeder Nutzer wird voraussichtlich ab dem kommenden Jahr damit konfrontiert werden. Attac läuft sich schon dagegen warm. Dreht man die Banknote um, liest man: „Unschöne neue Welt: Dagegensein ist zu wenig: Das Geld gehört uns! Attac fordert die öffentliche Kontrolle von Geld und Zahlungsverkehr sowie gebührenfreien Zugang zu elektronischem Bargeld für alle Menschen.“ Warum, so fragt sich wohl der findige Eigentümer von Facebook, Whatsapp und Instagram, soll er – dem die Menschen weltweit ihre privatesten Daten anvertrauen – nicht gleich noch eine digitale Weltwährung einführen? Der „Privatbanker“ Mark Zuckerberg hat auf Facebook weltweit 2,3 Milliarden und bei Whatsapp 1,5 Milliarden Nutzerinnen und Nutzer. Niemand weiß dank der Smartphonesucht so gut wie er, wer sich wann wo befindet, welche Konsumund sonstigen Vorlieben er oder sie hat und wer wann wo wie mit wem worüber kommuniziert. Zuckerberg wäre 2020 der erste allwissende Banker, mit einer katastrophalen Manipulationsmacht. Die Attac-Arbeitsgruppe Finanzmärkte & Steuern sammelt alles zur „Libra-Thematik“ (www.Attac-netzwerk.de). Doch zurück zum Eröffnungsabend. Der Poetry-Slammer, der 1996 in Duisburg geboren wurde und in Bochum lebt, läuft zu Hochtouren auf bei seinem Poetry-Slam „Mindesthohn“. Er verarbeitet seinen Job an der Tankstelle und stellt seine Kollegin Petra in den Vordergrund, die sich für den „Mindesthohn“ kaputt schuftet. Auf der Wikipedia-Seite von Jean-Philippe Kindler ist das entsprechende youtube-Video eingebettet. Schon dieser Auftritt macht neugierig auf die Stadt und die Region, die durch den „Strukturwandel“ – man könnte auch vom industriellen Niedergang sprechen – so hart betroffen wurde wie viele Regionen Ostdeutschlands. Bereits am nächsten Tag bot sich die Gelegenheit, Bochum „ganz unten“ kennen zu lernen. Am Morgen meldet Radio Bochum den Umzug der Anlaufstelle von Bodo e.V. Dieser Verein, der in Bochum und Dortmund beheimatet ist, hilft seit 1994 „Menschen in sozialen Notlagen“. Man könnte denken, dass ja jeder einmal in eine „soziale Notlage“ kommen kann. Doch für manche Menschen ist das ganze Leben eine „soziale Notlage“! Sich das vorzustellen ist für jemanden, der Jahrzehnte vor der „Wende“ in Ostdeutschland geboren wurde, schwer erträglich. Den Bochumern jedoch, um die sich Bodo e.V. kümmert, fehlt heute oft jede Perspektive. Man stößt auf die „Klienten“ des Vereins, sobald man aus dem Bahnhof

Hintergrund

Licht und Schatten bei der Sommerakademie von attac Ralf Richter hat sich in Bochum umgesehen

kommt. Ein Mann unter Drogen, ungewaschen und unrasiert, die Klamotten verstreut auf dem Boden, vor sich hin murmelnd mit unsicheren schwankenden Schritten und mit wirrem Blick. Ist er Ende dreißig oder schon Mitte fünfzig? Es ist Anfang August kaum eine Woche her, dass in Frankfurt am Main ein Junge ins Gleisbett gestoßen wurde und umkam. In Bochum springt ein Mann um die Dreißig – offenbar nicht unter Drogen, sondern einfach „nur“ bettelarm – gleich mehrfach ins Gleisbett, sammelt Flaschen und Bierdosen. Für 15 Cent setzt er sein Leben aufs Spiel. Kein Bahnhofsmitarbeiter greift ein. Stattdessen läuft mit monotoner Stimme die immer gleiche Durchsage: „Achtung, Achtung! Lassen Sie ihr Gepäck nicht unbeaufsichtigt!“ Bedrohen eigentlich Diebe oder Armut und Ungleichheit diese Gesellschaft stärker? Wir sehen bei der Exkursion die Mörder und Prostituierten nicht, aber wir besuchen Einrichtungen, wo sie Zuflucht finden. Junge und Alte, Deutsche und Migranten, Frauen und Männer. Wir erfahren nicht viel von Einzelschicksalen, aber man sagt uns, dass es allein in Bochum – mit 365.000 Einwohnern die sechstgrößte Stadt Nordrhein-Westfalens – hunderte Obdachlose gibt. Aber da ist nicht nur die Obdachlosigkeit. Da sind auch noch Alkohol, andere Drogen und vor allem das, was zu all dem geführt hat: „Manche und mancher wurde als Kind von seinen Eltern für eine Flasche Bier verkauft. Diese Leute sind psychisch so kaputt, dass sie ihr Leben überhaupt nur unter Drogen ertragen können.“ Nähme man diesen Leuten die Drogen, so wären sie eine noch viel größere Gefahr für sich und ihre Umwelt. In einem Kriseninterventions-

zentrum sehen wir die Todesliste der Einrichtungsbesucher. 2019 sind schon mehrere verstorben. „Im Wesentlichen leisten wir Sterbehilfe“, heißt es knapp von einem Mitarbeiter. Hier können die Leute geschützt ihre Drogen nehmen. Es sind die ganz harten Fälle, die auf Heroin sind. Nur wer auf Methadon umsteigt, kann länger durchhalten: „Früher hieß es, mit 30 bist Du entweder clean oder tot – heute können die Leute mit Methadon noch Jahrzehnte länger leben.“ Die offizielle Zahl der Drogentoten für Deutschland ist eine Lüge. Denn dort ist ein Drogentoter nur einer, der sich den „goldenen Schuss“ setzt. Die tausenden Drogenabhängigen aber im ganzen Bundesgebiet, die nach jahrelangem Drogenkonsum „einfach so“ sterben, werden nicht gezählt. Das Kontrastprogramm gab es am Folgetag. Auf der „Gehzeug-Parade“, die dem Thema Fahrräder statt Autos gewidmet ist, herrschen Jubel, Trubel und Heiterkeit. Die „Gehzeuge“ bilden eine kleine Karawane. Es handelt sich um Auto-Imitate aus Holz mit einem Flächenverbrauch pro Stück von 2 x 4,5 Metern. 23 Stunden pro Tag steht ein Privatauto durchschnittlich auf einem Fleck – insofern sind Autos eher Standzeuge als Gehzeuge. Wenn sie sich aber in Bewegung setzen, dann sinkt weltweit von Jahr zu Jahr die Durchschnittsgeschwindigkeit. In Los Angeles ist sie schon bei 12 km/h angekommen. Die Parade soll zeigen, wie absurd es ist, mit Privatfahrzeugen die kostbaren Flächen in Großstädten zu belegen. Stattdessen werden „Kuss-Zettel“ verteilt und von Mitarbeitern der Bochumer Verkehrsbetriebe Bogestra vergnügt angenommen. Dazu passt, dass die Demo ihren Zug immer unterbricht, wenn

9/2019 Links! ein Bus hinter ihr auftaucht. Da gehen alle zur Seite und begrüßen Fahrer und Fahrgäste mit einer La-Ola-Welle. Die Demonstration gehört zur Attac-Kampagne „Einfach umsteigen – klimagerechte Mobilität für alle“. Wer erstmals dabei war, berichtet, dass man das Gefühl hatte, auf der richtigen Seite zu stehen. Die Reaktionen der Bochumer reichen von Zustimmung über Ignoranz bis zu Ablehnung. Junge Deutschtürken erklären: „Fahrrad? Wir wollen Auto fahren! Brumm, brumm, brumm ...“ Es sind noch dicke Bretter zu bohren. Passend zur Demo wählte ich am Folgetag eine Veranstaltung bei dem Mann aus, dessen Beiträge ich mit großer Begeisterung lese, den ich aber noch nie live erlebt hatte: Winfried Wolf. Er war der Verkehrsexperte der Linken und veranstaltete ein Seminar „Weltautoindustrie, e-mobility-Offensive und das Verkehrswendeprogramm“. 1986 hat er sein Auto verkauft und fährt seither Bahn. Flugreisen macht er nicht. Er entlarvt das „Wunder von Oslo“, wo angeblich schon fast alle E-Auto fahren. Das stimmt zum Teil. Die E-Autos von Oslo sind tatsächlich überwiegend Zweit- und Drittautos. Manche, die früher den Öffentlichen Nahverkehr nutzten, fahren jetzt E-Auto – und verstopfen die Busspuren. Den Benziner von Volvo holt man hervor, wenn es zum Wochenendausflug geht. Tatsächlich wird bei allen Erfolgsmeldungen zu EAutos stets verschwiegen, wie sich die Gesamtzahl der Autos entwickelt hat. Sie steigt unaufhörlich. Die neuen Fördermethoden von fossilen Brennstoffen haben dazu geführt, dass der Peak Oil, wie er vor Jahren noch von der Wissenschaft vorausgesagt wurde, auf unbestimmt verschoben ist. Wo man früher nie nach Öl bohren wollte, tut man es nun. Zum Beispiel auf dem Meeresboden oder unter arktischen Gewässern. Die Lösung für Innenstädte kann nur ein massiver Ausbau des ÖPNV sein. Wenn alles so abwechslungsreich und bereichernd war, wo lagen dann die Schattenseiten der Akademie? Fast zeitgleich fand der erste Fridays for Future-Kongress in Dortmund statt mit 1.700 Teilnehmern und über 200 Workshops. So groß war Attac einst bei seiner ersten Sommerakademie 2002 in Marburg. Es war ein Volksfest, voller Aufbruchsstimmung und Optimismus und ebenso „westlich international“ wie Fridays for Future. Attac war eine große Hoffnung der Linken verschiedener Strömungen. Diese Strömungen kommen auch heute noch zusammen, allerdings kommen immer weniger und viel zu wenige Junge. In Bochum waren kaum 300. Ein Teilnehmer, der schon lange dabei ist, konstatierte: „Das Ganze zerfasert zwischen zu vielen Themen“. Die Ortsgruppen seien schon festgefahren und zu etabliert. Vielleicht braucht es ein Zukunftspapier, denn so wenig wie man an „Aufstehen“ glauben konnte als Kopfgeburt, so wenig glauben die meisten erfahrenen Linken an eine wirklich Zukunft der „Ein-PunktBewegung“ Fridays for Future. Attac aber wäre es wert, reaktiviert zu werden. Denn die Hauptursache des Klimawandels ist der Kapitalismus. Wie er zu überwinden wäre, damit beschäftigt man sich bei Attac schon länger.


Links! 9/2019 Links! hatte im letzten Jahr in einem Interview schon einmal aus Frankenberg bei Chemnitz berichtet: Damals wurde die junge Lehrerin Anna Schüller vorgestellt, die sich dafür einsetzt, dass dieses frühe Konzentrationslager in Sachsen nicht in Vergessenheit gerät. Die SA und später die SS hatten 1933 nach einer Insolvenz leerstehende Industriegebäude im Zschopautal in eine Art provisorisches KZ umgewandelt. Später in der DDR wurde die Fabrik wieder als Textilfabrik genutzt und ein Museumsraum eingerichtet. Das Thema Textilindustrie und ihre Hinterlassenschaften beschäftigte auch die Macher der aktuellen Sächsischen Landesgartenschau in Frankenberg – es ist übrigens die achte ihrer Art. Im dritten Anlauf hat es mit der Bewerbung geklappt und Frankenberg hat endlich den Zuschlag bekommen, um die Gartenschau ausrichten zu dürfen. Wer so einfach mittendurch die bunte Pracht schlendert, wird sich an der Blumenfülle erfreuen – und das ist ja auch Sinn und Zwecke einer Gartenschau. Erst wenn man sehr genau hinschaut wird man gewahr, dass man auf historischem Industriegelände wandelt. Einzelne Tafeln weisen auf die Gebäude hin, die hier gestanden haben. „Natürlich mittendrin“ ist das Motto der Schau – natürlich mittendrin im Ausstellungsgelände ist einerseits das Blumen- und Naturareal an der Zschopau und andererseits das Mühlbachtal mit seinen „Paradiesgärten“. Aber beginnen wir mit der Anreise.

Hintergrund

Frankenberg wie's grünt und fließt Entdeckungen von Ralf Richter bei der Landesgartenschau gensatz zu Leipzig oder Dresden, wo Regionalverkehr und Stadtverkehr scharf getrennt sind, fahren die CityBahnen einerseits ins Herz der Großstadt, aber man kommt andererseits auch umsteigefrei ins Umland. Weder

In Zeiten des Klimawandels sollte es außer Frage stehen, dass öffentlichen Verkehrsmitteln der Vorrang gebührt. (Besucher aus Chemnitz oder Mittweida können noch viel romantischer anreisen, wenn sie den ZschopautalRadweg benutzen.) Die Reise damit ist wirklich angenehm: Egal ob man aus Dresden oder Leipzig kommt, wer

die Handelsmetropole noch die Landeshauptstadt haben vergleichbar moderne Verkehrskonzepte – wem die Begeisterung dafür nicht reicht, um das Auto stehen zu lassen, der lässt sich vielleicht mit monetären Ar-

in Chemnitz eintrifft, wird von dort mit der Chemnitzer City-Bahn nach Frankenberg gebracht. Dieses CityBahn-Modell fasziniert: Man steigt scheinbar in eine Straßenbahn, die dann plötzlich über Land fährt und auf der Strecke zur S-Bahn wird. Im Ge-

gumenten überzeugen: Mit dem Sachsenticket reist man nicht nur mit der Gruppe entspannt und kostengünstig an und spart zwei Euro Parkgebühren, sondern man bekommt obendrein noch zwei Euro Rabatt auf die Eintrittskarte.

Bis man aber das Kassenhäuschen erreicht, benutzt man für die verbleibende Wegstrecke entweder den Shuttle, der alle zwanzig Minuten kostenfrei Bahnhof und Ausstellungsgelände verbindet, oder man läuft

einfach zu Fuß und gewinnt schon einmal einen ersten FrankenbergEindruck. Durch die Stadt läuft man später ohnehin, denn um von einem Areal (Zschopauaue) zum anderen (Mühlbach) zu gelangen, verlässt man die Ausstellung und läuft dabei durch die historische Altstadt. Ein Höhepunkt des Spaziergangs im wahrsten Sinnen des Wortes ist die Überquerung der „Schlange“ – einer geschlungenen 262 Meter langen Brücke für Fußgänger. „Die Schlange“ ist eine Hängeseilbrücke, die sowohl die B 169 als auch einen Seitenarm der

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Zschopau überspannt und vom Areal im Zschopautal ins historische Stadtzentrum führt. Gleich am Eingangsbereich des größten Geländes und Haupteinganges befindet sich eine Blumenhalle und man glaubt es kaum, dass es sich hier um einen Industriebau handelt, der zur Blumenhalle umfunktioniert wurde. An diesem Ort wird – eine kleine Multivisionshow zeigt es im Inneren – bald ein Museum entstehen, in dem die Industriegeschichte Frankenbergs präsentiert wird. Über 300 Veranstaltungen kann man in den beiden Arealen erleben. Ein Höhepunkt wird sicher der Auftritt von Karat am 3. Oktober um 15 Uhr. Egal ob man selbst einen grünen Daumen hat und sich Anregungen holen möchte oder einfach nur die Blumenpracht und die Kreativität der Gartenarchitekten und Blumenzüchter bewundern will, in dieser einzigartigen Verbindung von floraler Vielfarbigkeit mit Fließgewässern und dem Hinweis auf die Industriegeschichte gelangt man zu neuen Erkenntnissen. Interessant ist insbesondere im Mühlbachtal der Färberpflanzen-Garten: Bereits vor 30.000 Jahren begann man Textilien herzustellen und zu färben – in Mitteleuropa wurde Färberpflanzen seit dem Mittelalter angebaut: Färberwaid für Blau, Färberkrapp für Rot, Fäberberresede für Gelb, aber auch die schwarze Malve oder Pfingstrose wurde für die Färberei genutzt. Bis zum 6. Oktober ist die Landesgartenausstellung noch geöffnet. 16 Euro kostet der Eintritt ohne Rabatt für ein ÖPNV-Ticket den Erwachsenen. Für Kinder und Jugendliche aber ist der Eintritt kostenlos, wenn sie Eltern oder Großeltern begleiten – und gerade für sie wird allerhand geboten. Das beginnt bei den Anlagen für Kindergartenkinder, aber auch die Fridays for Futuere-Generation kann hier sehen, wie wichtig beispielsweise die Begrünung im urbanen Raum ist und welche neuen Konzepte es dafür gibt. Allein für die Landesgartenschau wurden 500 neue Bäume gepflanzt. Die nächste sächsische Landesgartenausstellung wird 2022 in Torgau zu erleben sein.


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Männer von Ehre? René Lindenau über ein Standardwerk zum Mythos „saubere Wehrmacht“, in dem Autor Jens Brüggemann nützliche Argumente gegen jegliche Verklärung liefert Der Ferdinand Schöningh Verlag brachte 2018 mit „Männer von Ehre?“ ein Buch heraus, in dem der Autor Jens Brüggemann die Nürnberger Prozesse (1945/46) gegen die Wehrmachtsgeneralität aufrollte. Der Leser erfährt dank neuer Quellenfunde und der Schreibarbeit des Historikers viel Neues. Dennoch kommt man nicht umhin, mehrfach auf Defizite in der Quellenlage hinzuweisen. Das mag erstaunen, ist aber Brüggemann nicht vorzuwerfen. Im Gegenteil – die zahlreichen Anmerkungen, ein Dokumentenanhang mit Verhören und ein Register lassen auf eine unheimliche Fleißarbeit schließen. Belegt ist allerdings: Einer der Angeklagten, Generalfeldmarschall Wilhelm Ritter von Leeb, beklagte sich angesichts seines aus seiner Sicht geringen täglichen Verpflegungssatzes im Internierungslager von ca. 2900 Kalorien. Wenn man weiß, dass dieser „ritterliche“ Typ als Oberbefehlshaber der Heeresgruppe Nord militärisch für die Leningrader Blockade verantwortlich war, deren Einwohner am Tag irgendwann nur 200 Gramm Brot und weniger blieben, das auch noch gestreckt oder z.B. mit Zellulose versetzt war ... Soviel Unrechtsbewusstsein muss einem doch übel aufstoßen.

zum Teil versuchten, ließ ihnen der Historiker Brüggemann nicht durchgehen. Er greift den schon damals kultivierten Mythos von einer „sauberen Wehrmacht“ an. Nicht einmal vom Kommissar-Befehl und dessen Ausführung wollten manche gewusst haben. Als es nicht mehr zu leug-

Einen entsprechenden Handlungsfaden haben die angeklagten Generäle mehr oder weniger den gesamten Prozess durchgezogen. Sein Material bestand aus Leugnung, Rechtfertigung, Ausflüchten oder Rückzügen auf den soldatischen Gehorsam. Zudem schob man oft vor, als Militär unpolitisch zu sein. Demnach wäre jeder Krieg ein politikfreier Raum – Schwachsinn!

nen war, mühte man sich, gegen seine Umsetzung aktiv geworden zu sein. So verhalten sich ertappte (gewöhnliche) Straftäter. Beim Kriegsgerichtsbarkeitserlass verhielt es sich ähnlich. Da hieß es unter 1.: „Für Handlungen, die Angehörige der Wehrmacht und des Gefolges gegen feindliche Zivilpersonen begehen, besteht kein Verfolgungszwang, auch dann nicht, wenn die Tat zugleich ein militärisches Verbrechen oder Vergehen ist.“

Was die wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und wegen der Führung von verbrecherischen Angriffskriegen angeklagten Wehrmachtsgeneräle in den Nürnberger Prozessen

Der Autor gewährt dem Leser mitunter bis heute verborgene Innenansichten über diese Prozesse, liefert Charakterstudien über Prozessbeteiligte, bietet Antworten, er muss

aber auch einige Fragen offen lassen. Das aber mindert nicht den Erkenntnisgewinn des Werkes, dessen Verfasser mit seiner Studie über die Wehrmachtsgeneralität an der Helmut-Schmidt-Universität den Doktorgrad erlangte. Zwei zentrale Figuren waren die Generalfeldmarschälle Wilhelm Keitel, der als Chef des Oberkommandos der Wehrmacht fungierte, und Erich von Manstein, der u.a. als Befehlshaber einer Heeresgruppe dem Kriegshandwerk nachging. Sehr unterschiedliche Männer, denen ihre Lebensläufe ganz unterschiedlich die Karten gelegt hatten. Während Keitel in Nürnberg am Galgen endete, durfte von Manstein nach einigen Jahren der Haft 1973 in Frieden sterben, nicht ohne vorher mit „Verlorene Siege“ seine militärische Vergangenheit schöngeschrieben und der Bundeswehr bei ihrem Aufbau beratend zur Seite gestanden zu haben. Keitel hatte halt das Pech, dass die schwerwiegendsten Beweise, die die Anklage vorbrachte, Befehle und Weisungen waren, die von ihm unterschrieben waren. Hingegen kam von Manstein, obwohl in seinem Operationsgebiet auch Kriegsverbrechen geschahen (Massenerschießungen von Juden) mit ein paar Jahren Gefängnis davon. Vielmehr stellte sich dieser in einer Denkschrift gegen seinen alten Kameraden. In ihr schrieb er unter anderem, „er (Keitel) habe seit 1938 in scharfem Gegensatz zum OKH und den meisten höheren Führern gestanden, er sei zu völliger Hörigkeit gegenüber Hitler herabgesunken und in seinem Denken kein Offizier mehr gewesen.“ Soweit zwei exemplarische Fallbeispiele. Groß war die Liste der Angeklagten, vielfältig ihr Verhalten vor Gericht und das ihrer Verteidiger. Zu komplex das Tatgeschehen, die individuelle Schuld und ihr Umgang damit.

Besonders der letzte Punkt ließ für die Zukunft nichts Gutes erahnen. Denn Brüggemann muss konstatieren: Die angeklagten Spitzenmilitärs wussten, in Kollaboration mit ihren Anwälten, die Nürnberger Prozesse als Bühne für ihre öffentliche Selbstdarstellung zu nutzen. Eine Sonderrolle sollte hier dem Verteidiger von Keitel, Dr. Otto Nelte, zukommen. Dieser hielt später Vorträge vor der Deutschen Friedensgesellschaft und distanzierte sich von seinem früheren Mandanten und seinem Tun recht deutlich. Dominiert hat jedenfalls, dass es der überlebenden alten Wehrmachtselite und ihren geistigen Verbündeten gelang, eine Geschichtsdeutung durchzusetzen, nach der die Wehrmacht nicht in Verbrechen verwickelt war. Somit war wohl auch für Wehrmachtskader der Weg frei für teils hohe Dienststellungen in Bundeswehr und NATO. In Schriftform versuchten sich die uniformierten Führungsfiguren von Hitlers Gnaden zu rehabilitieren und vor Geschichte freizusprechen. Von Manstein, Guderian, Halder, Warlimont ... Mitschuldig an dieser geschichtspolitischen Fehlentwicklung macht der Historiker auch das Internationale Militärtribunal selbst, das es nicht vermocht hat, „ein vergleichbar klares und eindeutiges Bild über die Verbindung der Wehrmacht und ihrer Führung zu den Verbrechen des Krieges zu zeichnen, wie ihr das etwa bei der SS gelungen war“. Dieses Buch dürfte nicht nur für historisch sondern auch für politisch Interessierte von Nutzen sein, um sich alten Bedrohungen gegenüber zu wappnen, die nun im neuen Gewand wieder ihre Auferstehung feiern. Obwohl – ganz weg waren sie nie. Jens Brüggemann: „Männer von Ehre?“ Ferdinand Schöningh Verlag, ISBN: 978–3-5606–79259-4, 39,90 Euro

Aufruf: LERNEN IM UMBRUCH – UMBRUCH LERNEN Die turbulenten Zeiten der sogenannten Wende, das Jahr zwischen dem Sommer 1989 und dem 1990, jähren sich bald, was uns Anlass ist, zurück zu schauen – und zwar auf eine besondere, an der Gegenwart interessierten Art und Weise. Wir sind neugierig, wie Menschen damals die Umbrüche wahrgenommen haben, was sie darüber dachten, welche Hoffnungen und welche Befürchtungen sie damit verbanden – und was sie davon in ihre Tagebücher schrieben. Wir möchten am Sonntag, dem 17. November eine Veranstaltung machen, in der aus Tagebüchern von vor

30 Jahren vorgelesen wird und in der die widersprüchlichen Gefühle und das zögerliche, beharrliche, experimentelle, ängstliche, auf jeden Fall aber: wandelbare Denken in den Zeiten des Umbruchs erkennbar werden. Diese Erfahrungen möchten wir dann auf unsere Zeit und ihre Fragen beziehen, um zu sehen, wie wir heute Umbrüche denken könn(t)en. Wir suchen daher Tagebuchaufzeichnungen, die nicht kontinuierlich sein müssen, sich auch nicht der „großen Politik“ widmen und nicht literarisch anspruchsvoll sein müssen. Was sie sein sollten: lebendig. Und man sollte spüren können, dass das Denken mit den übli-

chen Gewohnheiten und den alten Erwartungen in Bewegung geraten ist … Deswegen interessieren uns mehr die persönlichen Gefühle und Bewertungen als die bloßen Beschreibungen der Ereignisse. Sollten Sie aus diesem Zeitraum tagebuchartige Notizen haben, wären wir Ihnen sehr dankbar, wenn Sie sie uns zur Verfügung stellen könnten. Selbstverständlich entscheiden Sie, was Sie bereit sind, öffentlich zugänglich zu machen. Wenn Sie allzu Persönliches schwärzen wollen, ist das völlig in Ordnung, wenn Sie anonym bleiben wollen, ist das auch okay. Uns

ist daran gelegen, eine möglichst breite Auswahl an Aufzeichnungen zu bekommen, die die verschiedenen Wahrnehmungen und Perspektiven von Frauen und Männern mit ganz unterschiedlichen Hintergründen (politisch, kirchlich, beruflich…) deutlich werden lassen. Bitte nehmen Sie mit uns Kontakt auf, Fragen können wir gern im Gespräch klären. Lilo Dorschky: lilo.dorschky@ ehs-dresden.de (außer im August), Uwe Hirschfeld: uwe.hirschfeld@ehs-dresden.de; Susann Scholz-Karas: scholzkaras@rosalux-sachsen.de. Einsendeschluss ist der 15. September 2019.


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Ein mutiger Feigling

Lyrisches

Peter Blechschmidt ehrt den Partisan Fritz Schmenkel

Sichtweise

Neulich hatte ich eine kleine CD zum Jubiläum eines Waisenkinderheimes in Spremberg in den Händen. Auf ihr besangen dessen Insassen einen „Schmenki“, das Heimgespenst. Sie besangen einen guten Geist des Hauses, der immer schon da war und es auch noch ist, in einem Leben, das auch bei den Kindern fröhlich und spannend sein kann. Das Heim trug den Namen „Fritz Schmenkel“, den eines deutschen Wehrmachtsdeserteurs, eines der prominentesten Überläufer, eines Partisanenaufklärers. Da der vom Ministerrat verliehene Name an zivile und militärische Einrichtungen nach 1989 systematisch getilgt wurde, aber immerhin noch in drei Städten Straßen den Namen von Fritz Schmenkel tragen, verschafften mir diese CD und das Lied der Kinder ein außergewöhnliches Erlebnis. Fritz Schmenkel gelang 1941 nach Verbüßung einer Haftstrafe im Wehrmachtsgefängnis Torgau wegen wiederholten unerlaubten Entfernens unter dem Vorwand des Meldens zum Fronteinsatz das Überschreiten der „feindlichen Linie“ in Belorussland. Als die Partisanen bei „Iwan Iwanowitsch“ nach einer Phase der Bewährung seine Bereitschaft und außergewöhnliche Fähigkeiten für den Aufklärungsdienst entdeckten, ließen sie in dafür weiter ausbilden. Vom 20. Januar 1943 bis 6. Februar 1943 war Fritz Schmenkel für seine Partisaneneinheit als Aufklärer im Handlungsraum der Vernichtungsoperation „Sternlauf“ im Smolensker

Raum eingesetzt. Ein Jahr nach dieser Operation geriet Fritz Schmenkel im Dezember 1943 bei einem Aufklärungsauftrag in die Hände der Feldgendarmerie und wurde am 22. Februar 1944 nach Verurteilung des Kriegsgerichtes Minsk hingerichtet. Während heute im „geeinten“ Deutschland ehemalige Mitglieder des Nationalkomitees Freies Deutschland immer noch für eine halbherzige Entnazifizierung in der DDR mit Beispielen von „strammen“ Nazis bis in obere Machtbereiche herhalten müssen, gedachte man in der DDR Fritz Schmenkels. In Chemnitz kam jetzt nach mehr als 30 Jahren eine der Fritz-Schmenkel-Büs-

ten aus Karl-Marx-Stadt ans Tageslicht. Zwei weitere Plastiken, einst mit Standort in einer Wach- und Sicherungseinheit, müssen als zerstört bzw. außer Landes gebracht gelten. Für die aufgefundene Büste wird ein neuer Standort gesichtet und die Broschüre des VVNBdA „Gegen das Vergessen“ verfügt über einen Erinnerungsort mehr.

Als blinder Passagier hab ich die Brille auf. Ihre Gläser sind verdreckt, das mag sein.

Bei den im Herbst geplanten Rundgängen zwischen den einzelnen Erinnerungsorten z. B. im Stadtteil Kaßberg unter dem Titel „Was uns Straßen erzählen“ wird nicht nur vom Leben und Tode Fritz Schmenkels. sondern auch davon berichtet werden, dass ihm und anderen Opfern von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der DDR Gerechtigkeit widerfuhr. 1977 wurde der 62-jährige Willi Friedrich Karl Brand vom Stadtgericht Berlin als Angehöriger der Wehrmacht und der Feldgendarmerie u.a. wegen seiner Teilnahme an der großangelegten Vernichtungsaktion gegen Partisanen, an der Operation „Sternlauf“ im Raum Smolensk, bei der er Gendarmen und „Bandenbekämpfer“ befehligte, zum Tode verurteilt. Ihm wurden weitere Verbrechen wie eine Beteiligung an der Lebendverbrennung von Frauen und Kindern zur Last gelegt. In den Vernehmungen bekundete Brand unumwunden seinen Hass gegen Bolschewismus und Partisanen, weshalb er auch Frauen und Kinder erschossen habe. Das Urteil wurde mit einem Urteil des Obersten Gerichts der DDR rechtskräftig.

Dabei ist es so offensichtlich, was viele nicht sehen wollen. Lieber geht man sehbehindert durch die Zeit. Die Brille setzt man den anderen auf, vermeintlich.

80. Jahrestag der Entfesselung des Zweiten Weltkrieges Mit den Worten „Seit 5.45 Uhr wird zurückgeschossen ...“ hatte Hitler auf seine demagogische Weise dem deutschen Volk und der Weltöffentlichkeit in einer Rede vor dem Reichstag am Vormittag des 1. September 1939 den Überfall der deutschen Wehrmacht auf Polen mitgeteilt. In dem Wahn, Großbritannien und Frankreich würden sich nicht an die Polen am 31. März 1939 nach der Verkündung des Protektorats über die Tschechen gegebene Garantie halten, und nach dem Abschluss des deutsch-sowjetischen Nichtangriffspaktes am 23. August 1939 mit den geheimen Zusatzprotokollen über die Aufteilung Polens zwischen Hitlerdeutschland und der Sowjetunion, gab er den Befehl zur Entfesselung des Zweiten Weltkrieges. Von deutschem Boden nahm die größte Katastrophe, die die Menschheit bis dahin erleben musste, ihren Ausgang. Nach dem Sieg der Antihitlerkoalition über Hitlerdeutschland und das militaristische Japan und angesichts neuer Gefahren durch den bald danach ein-

setzenden Kalten Krieg entwickelte sich eine weltweite Friedensbewegung, die den 1. September, den Tag des Beginns des Zweiten Weltkrieges, zum Weltfriedenstag erklärte. Dessen Mahnung, alles zu tun, um eine vergleichbare Katastrophe unter allen Umständen zu vermeiden, hat achtzig Jahre danach höchste aktuelle Bedeutung. Seit dem erstmaligen Treffen Erich Honeckers mit Helmut Kohl im März 1985 am Rande der Trauerfeierlichkeiten für Tschernenko in Moskau galt für beide damalige deutsche Staaten: Von deutschem Boden darf nie wieder Krieg ausgehen. Nach der Wiederherstellung der einheitlichen deutschen Staatlichkeit wurde diese Position von der Bundesrepublik verlassen. Mit dem Zerfall Jugoslawiens begann der Einsatz von Bundeswehreinheiten im Ausland. Es folgten weitere Einsätze – mit und ohne UNO-Mandat, von Afghanistan bis Mali. Mittlerweile stehen Bundeswehreinheiten im Baltikum an den Grenzen Russlands – ungeachtet dessen, dass die deutsche Wehrmacht die Sowjetunion

überfiel und dort eine millionenfache Spur von Tod und Vernichtung verursacht hat. Ungeachtet der Lehren der Geschichte verkündete die neuernannte Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer eine umfassende Verstärkung der Bundeswehr, gipfelnd in der Forderung, baldigst zwei Prozent des Bundeshaushaltes für Rüstungsausgaben einzusetzen. Das widerspricht krass den Vereinbarungen im Koalitionsvertrag, der vereinbarten Regierungsgrundlage von CDU/CSU und SPD. Kramp-Karrenbauer folgt damit liebedienerisch der abenteuerlichen Militärstrategie von US-Präsident Trump. In der Bundestagsdebatte sprach der SPD-Vertreter Mützenich vom Tanz um das goldene Kalb. Die Erhöhung des Bundeswehretats auf zwei Prozent des Bundeshaushalts würde Milliarden kosten, ginge arg zulasten der Sozialbereiche und würde die Bundesrepublik Deutschland, gemessen an den Ausgaben, zur stärksten euro-

Aber zu verhüllen, das Elend. Das schaffen sie nicht, auch geputzt gelingt es ihnen nicht.

Aber der größte blinde Passagier, Achtung Überraschung, sind sie selbst. • René Lindenau Open air Streichquartett in Streuobstwiese Erntedank dank Artenvielfalt Frei Grenzenlose Wolkenreise Traumsequenz im Lebens-Ich Weit Jahreszeitenwandel Nebelschauer Buntgefärbt • Janina Niemann-Rich Trister Kontrast Realitätshell ist in der Regel Annahme: Frauen haben politisches Talent Rußige Ausnahmen tragen die Namen Von der Leyen Kramp-Karrenbauer Unkraut-Jahr Ist der Gärtner In Wahrheit ein wipfelhohes Amt: EU-Kommissionspräsidentschaft Ist der Bock 2019 Ein politschwarzes Schaf • Jürgen Riedel päischen Militärmacht machen. Gegen welche wirklichen Feinde müsste sich Deutschland verteidigen? Im Unterschied zu den Abstimmungsergebnissen im Bundestag lehnt die Mehrheit der deutschen Wählerinnen und Wähler Bundeswehreinsätze im Ausland von jeher ab. Das entspricht den Lehren der Geschichte und dem Geist des Weltfriedenstages. • Winfried Steffen


Geschichte

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Der Titel, der den Leser zu Reisen ins Innere der nunmehr 70-jährigen deutschen Republik einlädt, löst angesichts der Vielfalt der Geschehnisse nicht geringe Erwartungen aus. Doch der in Köln lebende Autor Norbert Bicher, geb. 1951, ist erfahren genug, ein derartiges Thema gekonnt zu behandeln. Er war u.a. Parlamentskorrespondent der Westfälischen Rundschau, Pressesprecher der SPDBundestagfraktion und als Vertrauter von Peter Struck Sprecher im Verteidigungsministerium. Das Buch enthält in chronologischer Reihenfolge 65 Texte, denen jeweils ein sorgfältig ausgewähltes Bild vorangestellt ist. Es sind Themen, die aus heutiger Sicht den Leser an Orte führen, wie Bicher vermerkt, „an denen sich das Schicksal der Republik – positiv wie negativ – mitentschieden hat“, ergänzt vor allem durch einen Rückblick auf kulturelles und sportliches Geschehen. Viele dieser Ereignisse hat Bicher als Journalist selbst begleitet, andere, altermäßig bedingt, nacherzählt. Das sind zum Beispiel in den Jahren 1949 bis 1990 die Rhöndorfer Konferenz am 21. August 1949, die der Koalitionsfrage, der personellen Bennenung der Kanzler-, Bundespräsidenten- und Parlamentspräsidentenschaft des ersten Adenauer-Kabinetts diente; die Grundlagen der Bewaffnung der Bundesrepublik, die bereits am 5. Oktober 1950 im abgelegenen Zisterzienser-Kloster in der Eifel beschlossen wurden und die Reinwaschung der Wehrmacht und der Waffen-SS durch eine Ehrenerklärung der Politik einleitete; die „Spiegel-Affäre“ 1962/63, die zum Anfang vom Ende der Kanzlerschaft von Konrad Adenauer im Oktober 1963 wurde; „Contergan“ – der größte Arzeneimittelskandal der BRD; Benno Ohnesorg, dessen Name für den Aufstand einer ganzen Generation steht und der am 2. Juni 1967 von einem Westberliner Polizisten aus nächster Nähe erschossen wurde; der Aufstand gegen die Notstandsgesetze 1968; die Reisen Willy Brands nach Erfurt 1970 und 1990, der Besuch

Schauplatz BRD Norbert Bicher lädt zu einer literarischen Reise durch Höhepunkte der deutschen Geschichte ein. Prof. Dr. Kurt Schneider hat sich darauf eigelassen - und wurde nicht enttäuscht von Helmut Schmidt in Auschwitz am 23. November 1977; der Frankfurter Auschwitz-Prozess, der, wie Bicher hervorhebt, nicht der Aufklärungs-

Als Anhänger des Spartakusbundes schloss er sich dem linken Flügel der USPD an, bevor er 1920 Mitglied der KPD wurde. Er wandte sich der kommunalpolitischen Arbeit zu und war ab

Den 9. November 1989 erlebte Bicher als Reporter der Westfälischen Rundschau in Berlin. Doch nicht über die „großen Bilder, die Wucht des Umsturzes“ berichtet er, sondern über den weltberühmten russischen Cellisten Mstislaw Rostropowitsch, „der im großen Lärm mit leisen Suitensätzen von Bach an der Mauer feierte“. Über den Wahlsieg der „Allianz für Deutschland“ am 18. März 1990 schreibt er: „Ein Wahlsieg, auch deswegen so hoch, weil die West-CDU die Wahlkämpfer im Osten mit einem DM-Segen überschüttete und mit fast fünf Millionen Mark finanzierte.“ Ein Wahlergebnis, das für Willy Brandt „eine bittere Enttäuschung“ war. Es folgen die Texte: Das Attentat auf Wolfgang Schäuble am 12. Oktober 1990; Helmut Kohl als Raufbold in Halle am 10. Mai 1991; die Ereignisse in Hoyerswerda am 17. September 1991; der Tod von Gert Bastian und Petra Kelly am 19. Oktober 1992 u.a.m., darunter der Aufstieg von Angela Merkel, der Tod von sieben Bundeswehrsoldaten in Afghanistan im Dezember 2002 und dem Vermerk, dass 35 Soldaten seit 2002 am Hindukusch gefallen sind; und der Text zu „Zehn Jahre mordete die ‚NSU’ unbehelligt in Deutschland“ bis zum Prozess gegen Beate Zschäpe. Der Beitritt der DDR zur BRD zum 3. Oktober 1990 bleibt unerwähnt. Bicher sagt selbst: „Eine Auswahl ist immer nur eine Auswahl. Vieles muss fehlen.“ Doch warum gerade dieser Tag, der als gravierende Zäsur der deutschen Nachkriegsgeschichte treffende Auskünfte über das Innere der BRD erteilt? Dennoch: Bichers Anliegen war: „Das Buch soll unterhaltsam die Vielfalt der Republik widerspiegeln.“ Das ist dem Autor, fern von einer beschönigen Sicht, durchaus im besten Sinne des Wortes gelungen.

bereitschaft der Bundesdeutschen Justiz, sondern der Hartnäckigkeit eines Kleinkriminellen, der am 1. März

Vor 75 Jahren ermordet: Fritz Schreiter Geboren am 27. April 1892 in Dresden, trat Fritz Schreiter nach einer Metallarbeiterlehre 1912 der SPD bei. Im Ersten Weltkrieg desertierte er als Soldat 1917 nach Dänemark, das ihn jedoch an Deutschland auslieferte. Er wurde von einem Kriegsgericht zu einer längeren Zuchthaushaft verurteilt, von der er durch die Novemberrevolution 1918 befreit wurde.

1958 die Staatsanwaltschaft Stuttgart anschrieb, zu verdanken war. Das grauenvolle Morden in Auschwitz, dem schlimmsten aller Konzen-

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1922 Stadtrat in Dresden. 1924 erfolgte seine Wahl zum Bürgermeister von Zschachwitz bei Dresden. 1928 wurde Fritz Schreiter wegen seiner Kritik am ultralinken Kurs der KPD aus der Partei ausgeschlossen, woraufhin er Mitbegründer der KPD(O) wird. Als Bürgermeister bleibt er bis 1933 im Amt. Die Grausamkeiten der faschistischen Machthaber zwingen ihn, sich ins Ausland zu retten. Er emigiert in die CSR und von dort nach Dänemark. Mit dem Einmarsch der Wehrmacht flüchtet er nach Schweden, das ihn an das

trationslager der Nazi, „wurde in der jungen Bundesrepublik tabuisiert, verschwiegen und ausgeblendet“.

von der Wehrmacht okkupierte Dänemark ausweist. Zusammen mit Willi Schneider und Rudi Skohoubil wird Fritz Schreiter 1942 vor dem „Volksgerichtshof“ wegen Hochverrats und Feindbegünstigungs angeklagt. Am 21. März erfolgt die Verurteilung. Schreiter, der „ein verstockter und un-

belehrbarer Kommunist“ sei, müsse, so hieß es in der Anklage, „die härteste Strafe treffen“, da er „mit der Einfuhr der Schriften der KPD (O) nach Deutschland ... in hohem Maße dazu beigetragen hat, die Verwirklichung der Volksgemeinschaft zu erschweren“. Er wird zu 15 Jahre Zuchthaus

Norbert Bicher: Schauplatz BRD. Reisen ins Innere der Republik. Verlag J.H.W. Dietz Nachf., Bonn 2019. 272 Seiten, 29, 90 Euro.

verurteilt und nach Waldheim eingeliefert. Wegen seiner numehr unter den Gefangenen geleistete antifaschistischen Agitation erfolgt ein neuer Prozess, der mit dem Todesurteil endet, das am 13. September 1944 vollstreckt wird. Im April 1945 wird sein Sohn Axel Schreiter im KZ Flossenbürg ermordet. Seine Frau Emmy übte nach der Befreiung von der faschistischen Diktatur als Mitglied der KPD bzw. SED verschiedene politische Funktionen aus. 1953 verstarb sie in Dresden. Im Stadtbezirk Dresden-Ost (Zschachwitz) ist eine Straße nach ihm benannt. • Prof. Dr. Kurt Schneider Verfasst unter Nutzung biografischer Daten in Theodor Bergmann: Gegen den Strom


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Terminübersicht Dresden, 3.-25. September Crimmitschau, 30.08.-28. Oktober n Wanderausstellung Schicksal Treuhand – TreuhandSchicksale. Eine Ausstellung der Rosa-Luxemburg-Stiftung, kuratiert durch Rohnstock-Biografien*** WIR-AG, Martin-Luther-Str. 21, Dresden; Sächsisches Industriemuseum I Tuchfabrik Gebr. Pfau, Leipziger Straße 125, Crimmitschau Chemnitz, 10. September, 18 Uhr n Podiumsdiskussion Veränderung der Arbeitswelt – flexibel, hip und burn out*** Mit Enrico Zemke (ver.di), Lars Fassmann (kreatives Chemnitz) und MdL Nico Brünler. Eine Veranstaltung von RLS Sachsen und DGB Südwestsachsen. Haus der Gewerkschaften, Augustusburger Straße 33, Chemnitz Dresden, 11. September, 19 Uhr n Vortrag und Diskussion Vom Anfang und Ende des Kapitalismus* Mit Ulrike Herrmann (Wirtschaftsjournalistin). Eine Veranstaltung der Ökumenischen Aktionsgruppe Dresden, des Europabüros Cornelia Ernst und der RLS Sachsen. Schauburg, Königsbrücker Straße 55, Dresden Leipzig, 11. September, 19 Uhr n Vortrag und Diskussion Strategien gegen Gentrifizierung. Mit Lisa Vollmer (Kultursoziologin). Eine Veranstaltung der Vernetzung Süd und der RLS Sachsen. naTo, Karl-Liebknecht-Straße 48, Leipzig Leipzig, 12. September, 18 Uhr n Vortrag und Diskussion Westemigranten. Deutsche Kommunisten zwischen USA-Exil und DDR*** REIHE: Jour Fixe - Ein unkonventioneller Gesprächskreis. Mit Prof. Dr. Mario Keßler (Historiker), Moderation: Prof. Dr. Manfred Neuhaus. Reclam-Museum, Kreuzstr. 12, Leipzig Leipzig, 14. September, 10-17.30 Uhr n Workshop Von Abendland bis Volksverdünner*** Mit Dr. Robert Feustel (Politikwissenschaftler, Sprachlos-Blog, Autor „Wörterbuch des besorgten Bürgers“), Nancy Grochol (Lektorin, SprachlosBlog, Autorin „Wörterbuch des besorgten Bürgers“). Eine Veranstaltung des linXXnet und der RLS Sachsen. Die Teilnahme ist kostenfrei. Bitte meldet euch an unter: schmohl@rosalux-sachsen.de linXXnet, Brandstraße 15, Leipzig Leipzig, 16. September-18. Oktober n Ausstellung Kein Land in Sicht für Seenotrettung*** Eine Ausstellung des neuen deutschland, veranstaltet vom Abgeordnetenbüro INTERIM und der RLS Sachsen. Geöffnet zu den Büroöffnungszeiten & nach Vereinbarung. Geschäftsstelle der RLS Sachsen und Abgeordnetenbüro INTERIM, Demmeringstraße 32, Leipzig Leipzig, 17. September, 19 Uhr n Podiumsgespräch

Kein Land in Sicht für die Seenotrettung? Über die Kriminalisierung der Helfenden*** Im Rahmen der Ausstellung „Kein Land in Sicht für die Seenotrettung“ spricht Mechthild Stier (MISSION LIFELINE). Moderation: Fabian Hillebrand (Journalist). Abgeordnetenbüro INTERIM, Demmeringstraße 32, Leipzig Dresden, 17. September, 18 Uhr n Workshop Rechtsradikalismus im Naturschutz* REIHE: Junge Rosa. Mit Jakob Müschen (Referent für das Projekt FARN – Fachstelle Radikalisierungsprävention im Naturschutz). WIR-AG, Martin-Luther-Str. 21, Dresden Leipzig, 21. September, 10-22 Uhr n Aktionstag ELTERN: Weniger oder mehr als ein Paar?* FAMILIA*FUTURA-Aktionstag. Mit Jochen König (Autor), Sookee (Musikerin), Brunhild Fischer (Shia e.V.), Hysterische MILFs und anderen. Eine Veranstaltung des familia*futura Netzwerkes in Kooperation mit Shia e.V., Rosa Linde e.V., LAG Queeres Netzwerk Sachsen e.V, Pöge-Haus e.V. und der RLS Sachsen. Infos: www.familiafutura. de. Ganztägige Kinderbetreuung durch den Jugendtreff „Tante Hedwig“. Pöge-Haus, Hedwigstraße 20, Leipzig Leipzig, 24. September, 18 Uhr n Vortrag und Diskussion Geschichte schreiben – denken – spekulieren? Erkundungen zur Geschichtsphilosophie bei Kant und Marx*** REIHE: Philosophische Dienstagsgesellschaft. Mit Prof. Dr. Thomas Kater (Philosoph), Moderation: Dr. Peter Fischer. RLS Sachsen, Demmeringstr. 32, Leipzig Leipzig, 24. September, 19 Uhr n Gespräch Geschichtspolitiken und Erinnerungskultur: Die Archive der Stasi*** Im Rahmen des Ausstellungsprojekts „Bewußtes Unvermögen – Das Archiv Gabriele Stötzer“. Mit Elisabeth Pichler und Maria Bühner (Kulturwissenschaftlerin). Galerie für Zeitgenössische Kunst Leipzig (Neubau), Karl-Tauchnitz-Str. 9-11 Chemnitz, 24. September, 18 Uhr n Workshop Kaffee-Workshop – Fairer Handel – warum?*** REIHE: Interkulturelle Wochen 2019 in Chemnitz. Mit Thomas Scherzberg (Dipl.-Ing.). All In - Inklusiv ausgerichtetes Bürgerhaus, Rosenhof 14, Chemnitz Dresden, 25. September, 19 Uhr n Vortrag und Diskussion Polarisierende Konvergenz* Zur Vermögensentwicklung in Ost- und Westdeutschland seit 1990. Mit Dr. oec. habil. Ulrich Busch. WIR-AG, Martin-Luther-Str. 21, Dresden Leipzig, 26. September, 19 Uhr n Film mit Gespräch „Frühlingskinder“*** Im Rahmen der Ausstellung „Kein Land in Sicht für die Seenotrettung“. Mit De-

met Altan (Lehrerin und Filmemacherin) und Aktivist*innen aus einer Leipziger Unterstützer*innengruppe für Geflüchtete, Moderation: Johanna Treblin (Journalistin Neues Deutschland). Abgeordnetenbüro INTERIM, Demmeringstraße 32, Leipzig Leipzig, 28. September, 10-16 Uhr n Workshop Pressearbeit für politisch Aktive*** Mit Sarah Ullrich (Journalistin). Anmeldung: presseworkshop@gmx.de Leipzig, Ort wird noch bekannt gegeben Crimmitschau, 30. Sept., 18:30 Uhr n Vernissage Wanderausstellung „Schicksal Treuhand – Treuhand Schicksal“*** Wie ostdeutsche Lebenswege durch die Treuhand beeinflusst wurden. Mit Prof. Dr. Christa Luft (Ökonomin, letzte Wirtschaftsministerin der DDR), Prof. Dr. Peter Porsch (Vorsitzender Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen) und Zeitzeug*innen Eine Veranstaltung des Sächsischen Industriemuseums I Tuchfabrik Gebr. Pfau und der RLS Sachsen. Sächsisches Industriemuseum I Tuchfabrik Gebr. Pfau, Leipziger Straße 125, Crimmitschau Leipzig, 4. Oktober, 18 Uhr n Podiumsgespräch „Keine Gewalt! Wir sind das Volk“ Die historische Tat der „Leipziger Sechs“ am 9. Oktober 1989*** REIHE: Jour Fixe - Ein unkonventioneller Gesprächskreis. Mit Bernd-Lutz Lange (angefragt), Dr. Kurt Meyer, Dr. Roland Wötzel, Dr. Peter Zimmermann (angefragt), Prof. Dr. Cornelius Weiss und Michael Zock, Moderation: Gerd-Rüdiger Stephan (RLS, Historiker). Alte Handelsbörse, Theaterhaus Schille, Otto-Schill-Straße 7, Leipzig (angefragt) Chemnitz, 4.-6. Oktober n Kongress 4. antifaschistischer Jugendkongress „Never give up“*** Eine Veranstaltung von WASTELAND - Ver-

Impressum Links! Politik und Kultur für Sachsen, Europa und die Welt Herausgeber: Dr. Monika Runge, Verena Meiwald, Prof. Dr. Peter Porsch, Dr. Achim Grunke Verleger: Verein Linke Bildung und Kultur für Sachsen e.V., Kleiststraße 10a, 01129 Dresden Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Die Redaktion behält sich das Recht auf sinnwahrende Kürzungen vor. Termine der Redaktionssitzungen bitte erfragen. Die Papierausgabe wird in der LR Medienverlag und Druckerei GmbH in Cottbus in einer Auf­ lage von 10.950 Exemplaren gedruckt. Der Redaktion gehören an: Kevin Reißig (V.i.S.d.P.), Jayne-Ann Igel, Thomas Dudzak, Ralf Richter Bildnachweise, wenn nicht gesondert vermerkt: Archiv, pixelio, iStockphoto

netzung antifaschistischer und antirassistischer Gruppen Ost, der RLS Sachsen und des Conne Island. AJZ Chemnitz/Alternatives Jugendzentrum e.V., Chemnitztalstr. 54, Chemnitz Leipzig, 4.-5. Oktober, 18 Uhr (Freitag) bis Sonnabend, 19.00 Uhr n Tagung LOST IN TRANSFORMATION - Aktuelle Analysen der ostdeutschen Gesellschaft*** Eine Veranstaltung des Engagierte Wissenschaft e.V., des AK Kritische Geographie Leipzig in Kooperation mit weiterdenken. HeinrichBöll-Stiftung Sachsen und der RLS Sachsen. Mehr unter: www.sachsen. rosalux.de Galerie KUB, Kantstraße 18, Leipzig Leipzig, 8. Oktober, 19 Uhr n Podiumsgespräch Seenotrettung – was kommt danach? Über Verteilmechanismen der EU*** Im Rahmen der Ausstellung „Kein Land in Sicht für die Seenotrettung“ Mit Clara Anne Bünger (Equal Rights Beyond Borders), Aktivist*innen der Seenotrettung (angefragt); Moderation: Sebastian Baehr (Journalist). Abgeordnetenbüro INTERIM, Demmeringstraße 32, Leipzig Dresden, 9. Oktober, 19 Uhr n Film und Diskussion „Der marktgerechte Patient“*Ein "FILM VON UNTEN" von Leslie Franke und Herdolor Lorenz. Mit Susanne Schaper (Krankenschwester und gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag). WIR-AG, Martin-Luther-Str. 21, Dresden * Diese Maßnahme wird mitfinanziert durch Steuermittel auf der Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes. *** Gemeinsam mit Rosa-LuxemburgStiftung. Gesellschaftsanalyse und Politische Bildung e.V.

Kontakt: kontakt@dielinke-sachsen.de Telefon 0351-8532725 Fax 0351-8532720 Redaktionsschluss: 26.08.2019 Die nächste Ausgabe erscheint voraussichtlich am 02.10.2019. Die Zeitung „Links!“ kann kostenfrei abonniert werden. Wir freuen uns jedoch über eine Spende, mit der Sie das Erscheinen unserer Zeitung unterstützen. Kostendeckend für ein Jahresabo ist eine Spende in Höhe von 12 Euro. Sollten Sie an uns spenden wollen, verwenden Sie bitte folgende Konto­daten: Verein Linke Bildung und Kultur für Sachsen e.V. IBAN: DE83 8509 0000 3491 1010 07 BIC: GENODEF1DRS Dresdner Volksbank Raiffeisenbank Aboservice: www.links-sachsen.de/abonnieren, aboservice@links-sachsen.de oder Telefon 0351-84389773


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Rezensionen

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Transformation von Gesellschaften Prof. Dr. Rolf Reißig legt eine Studie zum großen neuen Umbruch der bürgerlichkapitalistischen Gesellschaft vor – eine Leseempfehlung von Achim Grunke Nach dem Zusammenbruch der „realsozialistischen“ Systeme des Ostblocks schien der Triumph des liberalen, marktwirtschaftlich-kapitalistischen Gesellschaftsmodells des Westens unwiderruflich und die Suche nach Gesellschaftsalternativen schien sich erledigt zu haben. Doch bald sollte sich zeigen, dass die westlichen Gesellschaften mit ihrem unersättlichen Konsum und Ressourcenverbrauch durchaus nicht das anzustrebende Gesellschaftsmodell der Zukunft sein können. Siegestrunken ignorierten herrschende Eliten des Westens die globalen Herausforderungen aus dem Bericht der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung von 1987 („Brundtland-Bericht“), wo in Kapitel 1 für die gesamte Menschheit „eine bedrohte Zukunft“ diagnostiziert wurde. Vor diesem Hintergrund konnte das vom amerikanischen Sozialwissenschaftler Fukuyama 1992 verheißene „Ende der Geschichte“, was eigentlich den Triumph des Westens meinte, aber nur noch als furchtbare Apokalypse verstanden werden. Nach der „postsozialistischen Transformation“ in den „realsozialistischen“ Systemen des Ostblocks steht nunmehr eine neue Transformation im 21. Jahrhundert an. Wir sind Zeugen eines gesellschaftlichen, eines epochalen Umbruchs, in dem das bislang dominierende (markt-liberale und nicht nachhaltige) System zu erodieren beginnt und mit den neuen gesellschaftlichen Herausforderungen sowie den individuellen Lebenslagen und -bedürfnissen kollidiert. Eine neue Gesell-

schafts-Transformation als Übergangsprozess zu einem zukunftsfähigen sozial-ökologischen und solidarischdemokratischen Entwicklungspfad ist auf die historische Agenda gerückt und wird prinzipiell auch möglich. Doch zeichnen sich gleichzeitig unter-

schiedliche und entgegengesetzte gesellschaftliche Entwicklungsoptionen und -szenarien ab. Die weitere Entwicklung ist nicht vorbestimmt. In der Studie wird u.a. untersucht, was eine Transformation moderner bürgerlich-kapitalistischer Gesellschaften bedeutet – auch im Unterschied zu Evolution, Reform, Revolution. Vor

allem aber, wo die strukturellen und kulturell-mentalen Blockaden, die hauptsächlichen Konfliktlinien und wo die heutigen Voraussetzungen, Triebkräfte und Akteure und wo vor allem die alternativen praktischen Ansätze und Wege einer solchen GesellschaftsTransformation, eines solchen Übergangs vom expansiven „Steigerungsspiel“ zu einem Entwicklungspfad ökologischer Nachhaltigkeit und sozialer Progressivität sowie solidarischer Lebensweise und selbstbestimmter individueller Lebensführung liegen. Zugleich sollte mit dieser Arbeit der bislang wohl eher seltene Versuch unternommen werden, diese neue „Große Transformation“ im 21. Jahrhundert in einem systematischen Zusammenhang mit den früheren Transformationen in der industriellen Moderne vom 18. bis zum 20. Jahrhundert in West und Ost zu betrachten. Deren Aufarbeitung und Vergleich offenbart ihre Gemeinsamkeiten und Unterschiede und dass sie sich alle in historischen Wellen vollzogen und Teil eines übergreifenden Transformationszyklus sind. Dieser Vergleich zeigt zugleich das Neuartige und Besondere der Sozial-ökologischen Transformation im 21. Jahrhundert, mit der dann offensichtlich ein neuer Transformationszyklus beginnen würde. Zudem generiert dieser Vergleich der vergangenen Transformationen Erfahrungswerte und Erkenntnisse, die – kritisch weiterentwickelt – für das Verstehen und die Gestaltung heutiger Transformationen (als Such-, Experimentier-, Auseinandersetzungs- und Lernprozess) sowie

für das Konzipieren realitätstauglicher Zukunftsbilder Bedeutung erlangen. So wird mit dieser Studie der Bogen „Transformation von Gesellschaften“ weit gespannt und zugleich versucht, diesen komprimiert, klar strukturiert, übersichtlich und in verständlicher Form zu beschreiben und zu erklären. Aus der vergleichenden Betrachtung von Vergangenheit und Gegenwart werden Antworten für die Zukunft gefunden. Die vorliegende Arbeit wendet sich keineswegs nur an Sozial-, Politik-, Kulturwissenschaftler und Historiker, sondern generell an gesellschaftlich und politisch Interessierte sowie an eine kritische Öffentlichkeit. Über den Autor: Prof. Dr. habil. Rolf Reißig, Sozial- und Politikwissenschaftler. Lehre und Forschungen bis 1989 in Leipzig und Berlin zu sozialen und demokratischen Bewegungen in westlichen Industriegesellschaften sowie zum Ost-West-Systemvergleich. Im März 1990 Mitbegründer und lange Zeit Leiter des gemeinnützigen Brandenburg-Berliner Instituts für Sozialwissenschaftliche Studien (BISS e. V.); empirische und theoretische Forschungsprojekte zur postsozialistischen Transformation, speziell zum Fall Ostdeutschland und der deutschdeutschen Vereinigungsgesellschaft sowie zur Transformation moderner bürgerlicher Gesellschaften. Rolf Reißig: Transformation von Gesellschaften. Eine vergleichende Betrachtung von Geschichte, Gegenwart und Zukunft. 240 S., Paperback; € 19,90; ISBN 978-3-7410-0265-6.

Sich treu bleiben. In memoriam Annelies Laschitza (1934−2018) Im Dezember 2018 verstarb die vor allem als Rosa-Luxemburg-Forscherin bekannt gewordene und in Sachsen geborene Historikerin Prof. Dr. sc. Annelies Laschitza. Mit ihrer Arbeit an der Herausgabe der Gesammelten Werke und Briefe Rosa Luxemburgs sowie mit diversen biografischen Arbeiten hat sie sich selbst ein dauerhaftes wissenschaftliches Denkmal gesetzt. Hinter diesem enormen wissenschaftlichen Werk aber stand eine ungewöhnliche Persönlichkeit, die durch wissenschaftliche Akribie und großen Fleiß ebenso überzeugte wie durch ihre freundliche Art und Aufgeschlossenheit sowie ihre Verständnis für die Probleme ihrer Mitmenschen. Im vorliegenden Heft wurden Erinnerungen von Kolleginnen und Kollegen, Freundinnen und Freunden zusammengetragen, aus denen wie aus einem Mosaik ein Bild dieser Historikerin entsteht. Nach der Einleitung von Marlene Vesper kommen achtzehn Autorinnen und Autoren zu Wort, die

über ihre persönliche Begegnungen und ihre wissenschaftliche Zusammenarbeit mit Annelies Laschitza oder auch ihre Luxemburg-Ausgabe schreiben. Es ist in diesem Rahmen nicht möglich, auf alle diese Beiträge einzugehen. Der Verfasser hält es aber für angezeigt, einige von ihnen hervorzuheben. In seinem Beitrag „Editionsarbeit ist Kärrnerarbeit“ verdeutlicht Eckhard Müller vor allem seine langjährige enge Zusammenarbeit mit A. Laschitza an den Bänden 6 und 7 der Gesammelten Werke Rosa Luxemburgs. Manfred Neuhaus zeichnet in seinem Beitrag „Ad fontes – zu den Quellen“ den wissenschaftlichen Lebensweg von Annelies Laschitza nach. Günter Benser berichtet in seinem Beitrag „Seit‘ an Seit‘ in turbulenten Zeiten“ über seine sechzigjährige Bekanntschaft und Freundschaft mit ihr. Ursel Herrmann und Rainer Holze schildern ihre langjährige kollegiale Zusammenarbeit mit A. Laschitza auch in schwieriger Zeit. Historische Authentizität vermittelt Siegfried Pro-

kop der Geschichte seiner Bekanntschaft mit ihr durch Auszüge aus seinen Tagebüchern. Wer den Namen Annelies Laschitza erwähnte, dachte im gleichen Atemzug auch an Rosa Luxemburg. Deshalb ist die Entscheidung der Herausgeber berechtigt, einige eigens der großen Sozialistin gewidmete Beiträge in dieses Gedenkheft aufzunehmen, denn das ehrt die Luxemburg-Forscherin und steigert zugleich den Wert des Heftes. Erwähnt sei hier vor allem der theoretisch interessante Beitrag von Michael Brie „Luxemburgs Symphonie“. Die Aufnahme des vorliegenden Heftes in die Reihe „hefte zur ddr-geschichte“ hat zweifellos ihre Berechtigung darin, dass Annelies Laschitza eine Persönlichkeit der DDR-Geschichte ist. Diese Einordnung lässt allerdings außer Acht, dass ein bedeutender Teil des Lebenswerkes der Historikerin nach 1989 unter schweren persönlichen und gesellschaftlichen

Bedingungen entstanden ist, was hiermit angemerkt sein soll. Insgesamt stellt die vorliegende Publikation eine würdige Ehrung einer verdienstvollen und unvergessenen Persönlichkeit dar. • Heinz Sommer „Sich treu bleiben …“.In memoriam Annelies Laschitza (1934−2018). Mit Beiträgen von Günter Benser, Michael Brie, Holger Czitrich-Stahl, Gerhard Engel, Klaus Gittinger, Sonja Goldmann, Ursel Hermann, Jürgen Hofmann, Rainer Holze, Volker Külow, Eckhard Müller, Manfred Neuhaus, Siegfried Prokop, Bärbel Schindler-Saefkow, Jörn Schütrumpf, Karlen Vesper, Marlene Vesper, Marga Voigt, Jörg Wollenberg (Hefte zur ddr-geschichte 151). Hrsg. „Helle Panke“ e. V. – Rosa Luxemburg –Stiftung Berlin, Berlin 2019, 67 S. – Vertrieb: Helle Panke, Kopenhagener Str. 76, 10437 Berlin; 030/47378775; info@helle-panke.de. Heftpreis 3 Euro zuzüglich Portogebühr


Geboren am 31. August 1941 in Karlsruhe, wo er auch seine frühe Kindheit verbrachte, zog Walter Moßmann im Alter von zehn Jahren mit seiner Familie nach Freiburg im Breisgau. Dort besuchte er das Gymnasium und begann ein Studium der Germanistik – bis er seine Fachrichtung änderte, zunächst auf Soziologie in Tübingen und dann auf Politikwissenschaft in Hamburg. Bereits als Student begann er sich für Politik und Literatur zu interessieren, und er trat der APO bei, der Außerparlamentarischen Opposition. 1964 veröffentlichte er erste Gedichte, tingelte teils als Straßenmusiker durch die Lande. Sein Repertoire bestand damals noch aus Volksliedern unterschiedlicher Couleur, er sang russische Lieder, bevorzugte jedoch jiddische sowie Klezmersongs, bevor er sich französischen Chansons von Boris Vian, Yves Montand oder Georges Brassens zuwandte. Letzterer sollte ihn prägen. Vom aufkommenden Folkboom beeinflusst, begann Moßmann, anfänglich noch zaghaft, erst eigene Lieder zu singen, und landete schließlich unweigerlich auf der damaligen Lieder- und Chansonhochburg Waldeck im Hunsrück. Dort lernte er die Folkpioniere Hein und Oss kennen, die er mit seinem noch relativ minimalen Programm dennoch positiv überraschte. Schon ein Jahr später galt er als Geheimtipp der Liedermacherszene, die FAZ schrieb: „Die Entdeckung des Festivals ist Walter Moßmann“ (gemeint war das Internationale Folkfest auf der Waldeck). Und im Musikjournal „Twen“ hieß es: „Was er bringt, ist von intellektueller Schärfe, widerhakig, schmerzhaft, bösartig, plattenreif.“ Sehr passend! Seine Waldeckauftritte absolvierte er schließlich bis 1969 dauerhaft und fungierte nicht nur als Sänger, sondern hielt auch Workshops und Diskussionsbeiträge. Bereits 1966 hatte Walter Moßmann Gelegenheit, seine erste Langspielplatte aufzunehmen, und man lud ihn zum 2. Folkfestival in Turin ein. Dort lernte er die italienische Gruppe „Il Nuovo Canzioniere Italiano“ kennen, die mit ihrem Konzeptalbum „Bella Ciao“ Weltruhm erlangte. Auch der schottische Folksänger Ewan McColl war bei diesem Festival vertreten und bewies mit seinen aufmüpfigen Songs, dass man den Staub des „Es war einmal“ getrost vom Volkslied wegblasen kann, um es als Folksong wiederzubeleben. 1967 erschien dann Moßmanns Platte „Achterbahnchansons“. Gemeinsam mit dem Musiker Michel Werner an Bouzouki, Gitarre und Klavier erarbeitete er zielgerecht gesellschaftskritische Themen. So etwa im „Survivor’s Song“, in dem er sich in die Rolle eines Nachkriegskindes versetzt, das seine Eltern vorwurfsvoll fragt: Warum habt ihr all das zugelassen? Er beschreibt die aufkommende Aufmüpfigkeit Berliner Jugendlicher im Lied „Die drei Gammler“, während das Chanson „Renitent“ davon handelt, wie schwer es eine im Schwarzwald lebende Familie hatte, den Sohn vor der Bundeswehr zu bewahren. Auch die Politiker seiner Zeit, etwa Heinrich Lübke, bekamen ihr Fett weg. Moßmanns „Schlaflied für Susan-

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Aufsässiger Songpoet

Bereits 1975 hatte Moßmann die LP „Flugblattlieder“ produziert, der 1977 die Scheibe „Neue Flugblattlieder“ folgte, beide bei Trikont erschienen. Im Oktober 1979 demonstrierten 150.000 Atomkraftgegner in Bonn. Dazu verfasste Moßmann eine Rede unter dem Motto „Widerstand auf allen Ebenen“. Im gleichen Jahr erschien sein legendäres Doppellivealbum „Frühlingsanfang“, einer seiner „größten Würfe“ und ein kleines Meisterwerk, mit dem er Chansons unterschiedlicher Couleur, aber von höchster politischer Brisanz präsentiert, zum Teil als „Momentaufnahmen“ deklariert. Ein bekannter Titel der Platte war das „Lied für meine radikalen Freunde“, mit dem er sich mit allen solidarisierte, die mutig gegen Missstände angehen.

Jens-Paul Wollenberg erinnert an einen zu selten erwähnten Wortführer der 68er und unablässigen Umweltaktivisten: Walter Moßmann

Foto: Stefan Röhl / flickr.com / CC BY-SA 2.0

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Walter Moßmann 2011 bei einem Vortrag vor der Heinrich-Böll-Stiftung. na“ erschien unter dem Titel „Milch der frommen Denkart“ (Hier verspottete er Brechts Wortschöpfung „Denkungsart“, nun ja, der Germanist) und wurde sogar in mehreren Radiostationen ausgestrahlt. Das Kulturjournal „Spektrum“ lobte: „Eine Platte, die ein Meilenstein des deutschen Chansons ist und mehr als nur Sammlerwert besitzt.“ Einige Lieder verfasste er in der von ihm geliebten französischen Sprache, speziell für dortige Rundfunkanstalten – hatten ihn doch die französischen Bardensänger geprägt. 1968 begegnete ihm auf der Waldeck Phil Ochs, den Moßmann ohnehin verehrte und der ihn ermunterte, seinen Weg als aufsässiger Songpoet nicht zu verlassen. So mischte sich Moßmann immer mehr ins politische Geschehen ein, ergriff Partei, obwohl der eine Mitgliedschaft in einer solchen stets bewusst vermied. Moßmann wurde wichtiger Vorkämpfer mit Umweltschutzbewusstsein gegen Atomkraft, Luftverschmutzung und anderes mehr. Im Sommer 1973 verschlug es Moßmann in die französische Provence, wo Bauern, Viehzüchter, Pazifisten und linke Ökologen gegen ein geplantes Testgelände für das Militär demonstrierten. Einen Monat später besuchte er die Bürgerinitiative Weisweil bei Wyhl in der badisch-elsässisch-schweizerischen Grenzregion, wo er sich mit den Aktivisten der künftigen Regionalinitia-

tive Oberrhein solidarisierte. 1974 entstand dann die Freiburger Initiativgruppe „KKW Nein!“, woraufhin Moßmann den „KKW-Nein-Rap“ kreierte. Als im Oktober der Bauplatz für ein geplantes Bleichemiewerk in Marckolsheim besetzt wurde, entstand das Lied „Die andere Wacht am Rhein“, das er in Begleitung wild wirkender Freejazzer, die sich offensichtlich spontan dazugesellt hatten, schonungslos durchs Mikrofon schmetterte: „… auf welcher Seite stehst Du hier, hier wird ein Platz besetzt. Wir schützen uns vor dem Dreck, nicht morgen, sondern jetzt …“ Es folgten mehrere Tourneen nach Tübingen, Mainz, Offenbach und Essen sowie zur ersten Brokdorf-Demonstration am 30. Oktober 1976. Im selben Jahr gastierte Moßmann in Wien bei einem Aktionsbündnis, das gegen das Atomkraftwerk in Zwentendorf protestierte. Moßmanns Odyssee schien in diesen Jahren endlos, seine Teilnahmen an Umweltschutzaktionen führten ihn auch in die skandinavischen Länder. Im November trat er mit Gerulf Pannach, Gerhard Fuchs und Wolf Biermann bei einem Solidaritätskonzert für Rudolf Bahro in Westberlin auf. Mit Biermann gab es öfter Zusammenkünfte, später allerdings offensichtlich Differenzen. Mit dem Lied „Du hast uns gerade noch gefehlt“ legte Moßmann diverse Umstände frei, die zur Ausbürgerung seines Freundes geführt hatten.

Oftmals wagte Moßmann es auch, die Chansons von Georges Brassens in deutscher Sprache vorzutragen, doch zögerte er oft, um textliche Irrungen zu vermeiden, die anderen Kollegen oft widerfuhren, wenn sie Texte von Brassens, Vian oder Jacques Brel eins zu eins übersetzen wollten. Moßmann war in dieser Hinsicht sehr skeptisch gegenüber sich selbst. Ihm war klar, dass man die französische Sprache beherrschen muss, um diverse Bilder, Wortschöpfungen und Metaphern korrekt wiedergeben zu können. Das gelang ihm im besagten „Lied für meine radikalen Freunde“ nach Brassens’ „Chanson pour l‘ Auvergnat“. Er setzt die von Brassens darin erwähnten „Samariter“ fort mit Personen aus seinem Bekanntenkreis, deren Einsatz er erwähnenswert fand. Da ist die Rede von Barbara, die wegen „Terroristen-Hatz“ ein Auto samt Megafon im Stall versteckt, oder von einem Rundfunkredakteur, der die Wahrheit aus dem Giftschrank ans Licht liefert, oder von einem getürmten US-Soldaten, der nicht nach Vietnam will und von Miriam nach Schweden geschleust wird. Im Refrain heißt es immer wieder: „Was Du getan hast ist radikal, ach, wär’s doch normal.“ Im Frühsommer 1980 war Moßmann an der Bohrlochbesetzung bei Gorleben beteiligt, die später von der Polizei gewaltsam aufgelöst wurde. Die Demonstranten riefen dort die „Freie Republik Wendland“ aus. Der Protest gegen das geplante Atommüllendlager breitete sich weit über die Region hinaus aus und gab Moßmann Anlass, dazu Lieder und Gedichte zu verfassen. 1982 erhielt er, trotz Medienverbots, den „Deutschen Kleinkunstpreis“. Seine Songs, Bücher und Gedichte erschienen bislang in Broschüren alternativer Art, auf Musikkassetten und Schallplatten. 1990 erhielt Moßmann auch den Förderpreis „Reinhold Schneider“ der Stadt Freiburg. Zu dieser Zeit konnte er schon nicht mehr singen, weil seine Stimmbänder versagten; dennoch blieb er weiter künstlerisch, politisch und sozial aktiv. 2004 erhielt er während des TFF-Rudolstadt die „Ehren-Ruth – Der deutsche Weltmusikpreis“. Im Mai 2015 erlag er in Breisach seinem schweren Krebsleiden. Nicht nur die Liedermacherszene verlor einen wichtigen Vertreter ihrer Zunft. Am 31. August wäre er 78 Jahre alt geworden.


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Sachsens Linke

Aktuelle Informationen stets auch unter www.dielinkesachsen.de

Ein schwarzer Tag. Liebe Genossinnen und Genossen,

Liebe Genossinnen und Genossen, nach einem solchen Wahlabend ist es schwer, die richtigen Worte zu finden. Wir wollen es uns nicht leicht machen, keinem Reflex folgen. Wir wollen keine abschließende Wertung oder Deutungsmuster verschicken, sondern einen Anfang machen, die notwendige Debatte zu organisieren. Gemeinsam mit euch. Denn nichts bleibt, wie es ist. Der vergangene Wahlsonntag war für uns als Partei und auch für uns persönlich ein schwer zu verkraftender Schlag in die Magengrube. Die Partei hat nach der bitteren Enttäuschung der Kommunal- und Europawahlen alle Kraft gesammelt um unsere gemeinsam in Regionalkonferenzen und in der Mitgliederbefragung im Rahmen von „Basis ist Boss“ erarbeitete Kampagne auf die Straße getragen. Wir wollten gegen autoritäres Denken und Marktlogik eine Perspektive der Demokratie und der Neubegründung des Zusammenhaltes eröffnen und thematisieren. Wir müssen angesichts der Ergebnisse konstatieren, dass uns das nicht gelungen ist. Das Ergebnis ist schmerzhaft. Gegenüber all den vielen Ehrenamtlichen, die sich aufgerieben haben, ist es unfair. Und doch ist es das Ergebnis, mit dem wir die kommenden fünf Jahre als Partei umgehen müssen. Dass wir bei den gleichzeitig stattfindenden Landtagswahlen in Brandenburg unter gänzlich anderen Startvoraussetzungen mit einem sehr ähnlichen Ergebnis eingefahren sind, muss wachrütteln: Nicht nur wir in Sachsen sondern unsere Gesamtpartei steht vor einer existenziellen Herausforderung. Es geht um nicht weniger als die Zukunft der LINKEN insgesamt.

Und genau deshalb werden wir uns nicht beteiligen an den schnellen Fingerzeigen, wie sie seit dem Wahlabend in den sozialen Netzwerken, aber auch inzwischen über die Presse gespielt werden. Für einfache Erklärungen und eingeübte Rituale aus der Mottenkiste des etablierten Politikbetriebs nach Wahlabenden ist die Lage zu ernst. Auch im Hinblick auf die anstehenden Landtagswahlen in Thüringen wollen wir öffentlichen Trubel vermeiden – ohne interne Debatten einzuschränken. Ein solches Wahlergebnis sowie unsere neue Situation müssen dazu führen, mit alten Angewohnheiten zu brechen und zusammenzurücken. Egal, aus welchem Teil des Landes, egal aus welchem Flügel, egal mit welchem Stallgeruch: Wir alle haben eine Gesamtverantwortung für diese unsere Partei DIE LINKE und den sächsischen Landesverband. Für uns persönlich bedeutet diese Verantwortung, nicht davonzulaufen, sondern den notwendigen Findungsprozess und Neuanfang unserer Partei mitzugestalten. Wir wollen diesen Prozess gemeinsam mit euch als Genossinnen und Genossen anstoßen, uns über die Rolle unserer Partei im sächsischen Parteiensystem, über Inhalt und Form unserer Politik, über die notwendigen Schritte für die kommenden Jahre verständigen. Frei von persönlichen Eitelkeiten, denn es geht jetzt nicht mehr um Personen und Befindlichkeiten, es geht um unsere Partei. Deshalb haben wir uns über die kommenden Schritte im Landesvorstand verständigt und wir wollen euch heute unseren Vorschlag unterbreiten, wie wir diesen Prozess gemeinsam gestalten können:

• Am 27. September wird sich der Landesvorstand zu einer weiteren Wahlauswertung und zur Vorbereitung des Landesparteitages treffen. • Für den 28. September hat der Landesvorstand eine gemeinsame Beratung von Landesvorstand, Landesrat und Kreisvorsitzende einberufen. Diese wird ab 10.00 Uhr in Dresden stattfinden. • Im Oktober werden wir Regionalkonferenzen zur Wahlauswertung und zur künftigen Positionierung der Partei durchführen. Die genauen Termine werden wir euch schnellstmöglich mitteilen. Wir möchten euch aber bereits jetzt herzlich dazu einladen, euch an dieser Debatte zu beteiligen. • Die für den 16./17. November 2019 geplante Beratung der 2. Tagung des 15. Landesparteitages werden wir – vorbehaltlich der Zustimmung der Gremien – bereits auf den 15. November 2019 verlängern, um Raum zu schaffen, über die Zukunft unserer Partei zu reden. Diese Tagung hat zudem die Aufgabe, die Gremien des Landesverbandes neu zu wählen. Dafür brauchen wir euch. Eure Gedanken, Erfahrungen, Wünsche und Ideen. Eure Erwartungen, eure Kritik, eure Visionen. Es geht um unsere Partei. Um das Projekt einer sichtbaren linken Kraft in ganz Deutschland. Wir müssen reden. Und wir wollen es tun. Mit solidarischen Grüßen Antje Feiks Landesvorsitzende Thomas Dudzak Landesgeschäftsführer

der 1. September war auch für mich ein schwarzer Tag. Ich bin 2002 in die Partei eingetreten, nachdem ich schon vorher die Partei in Wahlkämpfen so gut ich konnte unterstützt habe. An dem Abend, an dem wir als PDS aus dem Bundestag geflogen sind, bin ich eingetreten. Weil ich dachte: Jetzt erst recht! Wenn die starke Stimme für Gerechtigkeit ins Straucheln gerät, dann will ich mithelfen. Am Sonntag musste ich an diesen Abend denken. Neben all der Trauer, der Sprachlosigkeit war da auch das Gefühl: Wir haben eine Aufgabe. Als Partei. Als Genossinnen und Genossen. Wir stehen mit diesen Wahlergebnissen an einem Punkt, in der viele andere Ähnlichkeiten zu unserer dramatischen Lage 1990 sehen. Sachsen hat einen massiven Rechtsruck erlebt. So schwierig die Lage nach dieser Wahl für uns ist, so sehr bin ich davon überzeugt: Wir als Partei werden gebraucht. Wir sind die Partei der Systemopposition, die für eine gerechte, solidarische – kurz sozialistische – Perspektive für die Menschen in diesem Land streitet. Wir geben all jenen eine Stimme, die in dieser Gesellschaft bei fortgesetzter CDU-Politik marginalisiert werden: Sozialarbeitern, Pflegerinnen, Mieterinnen und Mietern und den fleißigen Kolleginnen und Kollegen, die hart arbeiten und trotzdem Angst haben müssen, dass es nicht reicht. Wir werden all jenen den Rücken stärken müssen, die durch das Erstarken der extremen Rechten Angst um ihre Projekte, ihre Arbeit und nicht selten leider auch um ihre körperliche Unversehrtheit haben müssen. Dafür braucht es jede und jeden Einzelnen von uns. Wir haben die Pflicht, nicht aufzugeben.


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Leserbriefe Zur Zuschrift von Uwe Schnabel (SachsensLinke! 7-8/2019, S. 2) zum Interview „Staat und Kirche haben gemeinsame Aufgaben“ (SachsensLinke! 6/2019, S. 12)

Erwarte Offenheit von einer pluralistischen Partei Uwe Schnabel schreibt: „…dass die Bischöfe sich bei Pauschalverurteilungen zurückhalten? Zeigt nicht gerade der gemeinsame Widerstand gegen menschenfeindliche Positionen, dass Pauschalverurteilungen lediglich Ausdruck einer Spalte-und-herrsche-Politik und unzutreffend sind?“ Dr. Frank bezieht sich ganz konkret auf die Pauschalisierungen in den Medien, wo „die gesamte Sächsische Bevölkerung als demokratieunfähig und fremdenfeindlich an den Pranger gestellt wurde“. Ich finde diese Position richtig, weil mit diesem Pauschalurteil all jene unsichtbar gemacht werden, die sich aktiv gegen menschenfeindliche und menschenverachtende Positionen der neuen Rechten aller Brauntöne entgegenstellen. Und es nimmt all jene aus der Pflicht, die sich in Deckung begeben haben, aus welchen Gründen auch immer. Warum sollen sie aktiv werden, wenn sie eh abgeurteilt werden. Und ganz ehrlich, mir als Aktive im Kampf gegen Menschenfeindlichkeit gehen diese Pauschalverurteilungen auch ziemlich auf den Geist! Gleichzeitig gibt es deutliche Positionen gegen Menschenfeindlichkeit seitens der Bischöfe, noch mehr in den Stellungnahmen des Katholikenrates sowie im Engagement der Katholischen Akademie des Bistums etwa mit dem Cafe Hoffnung, welches u.a. beim Friedensfest in Ostritz vor Ort ist und sich um Dialog für ein besseres Miteinander bemüht. Uwe Schnabel kritisiert, dass Dr. Frank die SED „pauschal als offensiv kirchenfeindlich“ bezeichnet. Wie anders kann man es bezeichnen, wenn bereits Kinder ob ihres Glaubens benachteiligt und ausgegrenzt werden? Wenn nicht vor Ort Lehrerinnen und Lehrer das anders handhabten, so wurden Christinnen und Christen nicht zum Abitur zugelassen, soweit sie nicht mindestens parallel in den Massenorganisationen der DDR Mitglied wurden. Damit waren dann auch Studien- und Berufswünsche gestorben. Wer sich in der Kirche engagierte etwa für Umweltfragen, lief Gefahr, ins Visier der Stasi zu geraten. Ich kenne mehrere Menschen in meinem engsten Umfeld, denen genau das passierte. Und letztlich wurden alle in der DDR dazu erzogen, dass Glaube und Religion etwas Schlechtes seien. Ja, die SED und damit die DDR waren kirchenfeindlich. Und ja, auch die Mitgliedschaft der LINKEN ist in Teilen kirchen- und religionsfeindlich. Diese Erfahrung durfte ich im vergangenen Herbst machen, als ich offen mit meiner Aufnahme in die katholische Kirche umging. Neben herzlichen Glückwünschen auch aus den Reihen der GenossInnen – und bisweilen überraschenden Erkenntnissen, wer sonst noch alles Christ ist – gab es auch ziemlich feindselige Wortmeldungen und

Äußerungen. „Das schickt sich nicht für eine LINKE“ war da noch das Harmloseste. Gleichzeitig erfuhr ich von Menschen, die aus der LINKEN ausgetreten sind, weil sie als Christ gemobbt wurden oder die genau deshalb nicht wollen, dass bekannt wird, dass sie Christen sind. Das finde ich tatsächlich erschreckend. Von einer pluralistischen Partei erwarte ich, dass man auch ChristInnen mit Respekt behandelt und sie nicht abwertet, beschimpft oder sich über deren Glauben lustig macht. Und das fängt beim einzelnen Mitglied an. Im Gegensatz dazu wurde ich in der katholischen Kirche als LINKE positiv aufgenommen, nicht nur in meiner Gemeinde. Sehr überrascht hat mich die positive Reaktion auf mein Ansinnen einer Veranstaltung zur Frage „Wie politisch darf Kirche heute sein?“ Ich gebe zu, ich war darauf vorbereitet, dass man dem eher zurückhaltend gegenüberstehen würde. Doch das Gegenteil war der Fall. In der Vorsitzenden des Katholikenrates Frau Breyer, dem Leiter des katholischen Büros Dr. Frank sowie im Leiter und dem Ansprechpartner vor Ort der Katholischen Akademie des Bistums Dresden Meißen fand ich von Anfang an Partner. Es stand nur die Frage, wie wir das bestmöglich hinbekommen. Termin für die Veranstaltung ist übrigens der 16. September 2019. Inzwischen sind weitere Projekte in Planung mit der katholischen Akademie, mit Dr. Frank vom katholischen Büro und in Zusammenarbeit mit dem Cafe Hoffnung. Hier habe ich eine Offenheit erfahren, die ich mir auch in Gänze von einer pluralistischen Partei erhoffe und erwarte. • Simone Hock, Zwickau Zu „Tür öffnen für kritische Parteidebatte in der Linken“ (SachsensLinke! 7-8 2018, S. 8)

Reale Fleißarbeit ist jetzt das Gebot der Stunde Sicher ist es richtig und auch notwendig, sich mit unbefriedigenden Wahlergebnissen auseinanderzu setzen, nach Ursachen zu suchen und Schlussfolgerungen zu ziehen. Allerdings ist die Erklärung von Sprecherinnen und Sprechern Landesweiter Zusammenschlüsse meines Erachtens in keiner Weise dazu geeignet, gleicht dieses Pamphlet doch mehr einer eitlen Nabelschau, greift den Parteivorstand in Gänze oberflächlich an und negiert vollständig den eigenen Anteil an dem sogenannten „Niedergang“ der Partei. Diese Formulierung ist ein Tiefschlag für die Basis. Dazu einige thesenhafte Bemerkungen, die dazu dienen sollen, einige unhaltbare Behauptungen und Forderungen kritisch zu betrachten, auch zu widerlegen. 1. Es ist einfach unwahr dass sich sowohl die Basis, als auch die gewählten Vertreter der Linken in den Parlamenten nicht um die Verletzungen von Ostdeutschen nach der politischen Wende gekümmert hätten. Ein Blick in Protokolle und Presse widerlegt das eindeutig. Außer Acht gelassen wird die bundes- und speziell landesweite Diffamierung von Politikern der Linken in fast allen Medien, was natürlich zu Vorbehalten und

Ablehnung linker Politik im Alltagsleben geführt hat und noch führt. Ein Problem, das fast jeder Kommunalpolitiker kennt. Jetzt wird das durch den Artikel auch aus den eigenen Reihen fortgeführt. 2. Es ist einfach unwahr, dass unser friedenpolitisches Profil nicht genügend geschärft worden sei. Man denke nur an die letzten Plakataktionen, die unsere Friedenspolitik anschaulich zeigten. 3. Es ist einfach unwahr, dass sich Verantwortungsträger der Partei nicht genügend um soziale Themen gekümmert hätten. Auch das ist eine ungerechtfertigte nicht bewiesene Behauptung, die fast beleidigend für viele Mitglieder unserer Partei ist. Natürlich gibt es (und wird es weiter) Probleme damit geben, mit wem wir soziale Verbesserungen erreichen. Einige der Unterzeichner haben meines Wissens sehr überzeugend für eine linke Alternative (Aufstehen) unter Einbeziehung sozialdemokratischer und grüner Politiker gekämpft. Jetzt will man das wieder im Alleingang machen. Welch ein Sinneswandel. Und ein letztes Wort zu einigen Schlussfolgerungen: Implizit wird die Mandatsverteilung kritisch betrachtet, aber hier wird das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Es ist für junge befähigte Nachwuchskader, die sich ja häufig als hauptamtliche Mitarbeiter bei Mandatsträgern profilieren sollten (und müssen), notwendig, sich für führende Parteifunktionen vorzubereiten. Sie von vornherein auszuschließen halte ich für einen Fehler, weil wir unserem Nachwuchs dann keine Chance geben. Übrigens dürfte es bei der Altersstruktur unserer Partei schwer werden, geeignete junge Kader zu finden. In der Praxis haben wir doch gute Erfahrungen damit gemacht. So haben Mandatsträgerinnen wie Kerstin Köditz oder die Kulturbürgermeisterin von Leipzig ihre Karriere als hauptamtliche Mitarbeiterinnen begonnen. Warum wollen wir das unterbinden? Meiner Ansicht nach geht es jetzt darum, egal welchem der Zusammenschlüsse man angehören sollte, sich als Mitglied unserer Partei zu engagieren, mitzuhelfen beim Plakatieren, auf den Marktplätzen präsent zu sein, Flyer zu verteilen, im Internet präsent zu sein n und nicht die Schuld immer beim Anderen zu suchen und die Personaldebatten, die man ablehnt, immer neu zu befeuern. Reale praktisch-fleißige Arbeit ist das Gebot der Stunde! • Harry Eichhorn, Ortsverband Naunhof, langjähriger Kommunalpolitiker Zu „Pluralismus – Erkenntnisgewinn oder Verwirrspiel?“, SachsensLinke! 7-8/2019, Seite 9

Pluralismus nicht als Vorwand nehmen Ja, es gibt eine absolute Wahrheit. Aber die kennt kein Mensch. Wir können uns ihr nur über fortschreitende relative Wahrheiten annähern. Auf diesem Weg gibt es verschiedene, plurale Ansichten. Klar zu unterscheiden ist davon der Versuch, im Interesse der Herrschenden bestimmte Auffassungen durchzusetzen, die der Wahrheit widersprechen, sei es als bewusste Unterstützung, sei

es aus bewusster oder unbewusster Anpassung, um von ihnen akzeptiert zu werden. Beispiele dafür hat Rolf Unger genannt. Ich bin für Pluralismus in der Wahrheitssuche. Aber Pluralismus sollte nicht zum Vorwand genommen werden, um die Wahrheitssuche aufzugeben, die Existenz von Wahrheit und Interessen überhaupt zu leugnen oder die eigene Auffassung umso besser durchsetzen zu können. • Rita Kring, Dresden Zu „Was bringen die Roboter?“ und „Zurück in die Zukunft?“, Links! 7-8/2019, S. 4, 5

Digitalisierung dient bisher Profitinteressen Unter anderem mit Bezug auf Marx wird sehr gut gezeigt, dass die Digitalisierung gut ist, wenn sie entsprechend der Bedürfnisse der Menschen gestaltet ist, aber schlecht, wenn sie Profitinteressen dient. Aus beiden Ansätzen ergeben sich unterschiedliche Entwicklungen. Die Digitalkonzerne sind nur ein Teil des Problems. Sie sind profitorientiert. Es geht um wirtschaftliche Verwertbarkeit von Mensch und Technik. Suchtförderung, Spalte-und-herrsche-Politik, Ausschluss usw. sind logische Folgen. Sie haben mehr mit Kapitalismus als mit Stammesgesellschaft zu tun. Und 3DDrucker können in einer kommunistischen Gesellschaft sicher eine sinnvolle Möglichkeit unter anderen sein. Gegenwärtig führen sie wegen der ungleichen Verteilung der Ressourcen dazu, dass sich viele Arme dies nicht leisten können. Somit führt dies nicht automatisch über den Kapitalismus hinaus, wie auch Christoph Wimmer feststellte. • Uwe Schnabel, Coswig

Impressum Sachsens Linke! Die Zeitung der LINKEN in Sachsen Herausgeberin: DIE LINKE. Sachsen Verleger: Verein Linke Bildung und Kultur für Sachsen e.V., Kleiststraße 10a, 01129 Dresden Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Die Redaktion behält sich das Recht auf sinnwahrende Kürzungen vor. Termine der Redaktionssitzungen bitte erfragen. Die Papierausgabe wird in der LR Medienverlag und Druckerei GmbH in Cottbus in einer Auf­lage von 10.950 Explaren gedruckt. Der Redaktion gehören an: Jayne-Ann Igel, Thomas Dudzak, Antje Feiks (V.i.S.d.P.), Andreas Haupt, Ralf Richter, Stathis Soudias. Bildnachweise, wenn nicht gesondert vermerkt: Archiv, pixelio, iStockphoto Kontakt: kontakt@dielinke-sachsen.de Telefon 0351-8532725 Fax 0351-8532720 Redaktionsschluss: 26.08.2019 Die nächste Ausgabe erscheint voraussichtlich am 02.10.2019.


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50.120 Unterschriften für das längere gemeinsame Lernen auch in Sachsen Die Unterschriften für den Volksantrag zur Einführung der Gemeinschaftsschule sind gesammelt und übergeben. Cornelia Falken, Andrea Roth und Kevin Reißig sagen: DANKE! Das Bündnis „Gemeinschaftsschule in Sachsen – Länger gemeinsam Lernen“ hat am 16. August 2019 insgesamt 133 Aktenordner mit 12.298 Unterschriftenbögen für den Volksantrag an den Präsidenten des Sächsischen Landtages, Dr. Matthias Rößler, über-

bisherigen Schularten bleiben erhalten. Längeres gemeinsames Lernen ist und bleibt eine Kernforderung der LINKEN. Die von der Bevölkerung beantragten Gesetzesänderungen wären ein wichtiger Schritt in diese Richtung.

werden, also ohne Zurückgreifen auf staatliche Stellen wie Rathäuser. Eine weitere Hürde, deren Dimension erst während der Sammlung bewusst wurde, ist die Anforderung, die Unterschriftenlisten von den Kommunen bestätigen zu lassen. Die Listen müssen aufwendig zu den Kommunalverwaltungen gebracht werden, die sich nicht immer über die Rechtslage im Klaren sind. So wurden eigentlich gültige Unterschriften als ungültig gestrichen, weil die Unterzeichnerin oder der Unterzeichner in einer anderen Kommune wohnt. Dabei sollen teilbestätigte Listen eigentlich zur nächsten Kommune weitergetragen werden können. Auf dem gesetzlichen Muster gibt es allerdings nur eine Bestätigungsmöglichkeit für eine einzige Kommune. Die Ämter – vor allem der Großstädte – hatten zudem teils unter einer enormen Arbeitsbelastung zu leiden.

geben. Bündniskoordinator Burkhard Naumann freut sich: „Am Ende sind 55.663 Unterschriften für das längere gemeinsame Lernen zusammengekommen, von denen die Kommunen 50.120 anerkannt haben. Das ist eine großartige Leistung und eine deutliche Übererfüllung des Quorums von 40.000 Unterschriften. Wir danken allen, die dazu beigetragen haben, aus tiefstem Herzen.“ Zu diesem Erfolg haben die Genossinnen und Genossen der sächsischen LINKEN entscheidend beigetragen. Denn von uns kam knapp die Hälfte der gültigen Unterschriften. Der Fleiß und die Ausdauer vieler, die bis zuletzt mitgewirkt haben, nötigt uns Respekt ab und wir sind dafür sehr dankbar. Es ist ein historischer Erfolg, dass nach mehr als 15 Jahren endlich wieder ein Volksantrag den Landtag erreicht hat. Der Ball liegt nun beim Landtagspräsidenten und in naher Zukunft im Plenarsaal des Landtages. DIE LINKE wird dem Volksantrag auf jeden Fall zustimmen. Es geht um eine zusätzliche Wahlmöglichkeit für Eltern, die ihr Kind auf eine Gemeinschaftsschule schicken wollen, und nicht um einen bildungspolitischen Systemsturz. Die

Wie hoch die Hürden für die Volksgesetzgebung in Sachsen tatsächlich liegen, wird erst im praktischen Verfahren richtig klar. Viel wird über die Zahl der nötigen Unterstützungsunterschriften diskutiert. Beim Volksantrag sind es 40.000, bei der nächsten Stufe – dem Volksbegehren, das sich anschließen kann, wenn der Landtag einen Volksantrag ablehnt – sind es 450.000. Dieser Wert hat sich seit der Verabschiedung der Landesverfassung nicht geändert, obwohl die Bevölkerungszahl in Sachsen abgenommen hat. DIE LINKE streitet im Landtag seit Jahrzehnten für geringe Hürden und hat mehrere Gesetzentwürfe vorgelegt. Doch mit niedrigeren Quoren wäre es nicht getan. „Nicht nur die längere Sammlungsdauer hat uns gezeigt, dass die Regularien für die Volksgesetzgebung dringend modernisiert werden müssen“, so Burkhard Naumann. Das beginnt damit, dass Initiatorinnen und Initiatoren einen fertigen, juristisch geprüften Gesetzentwurf vorlegen müssen, anstatt lediglich einen politischen Willen zu artikulieren. Die Unterschriften müssen dann in freier Sammlung beigebracht

Eine unverzügliche Bestätigung der Unterschriften war deshalb nicht immer möglich. Der hohe logistische Aufwand hielt bis zum Ende an, weil § 5 der entsprechenden Verordnung den Initiatorinnen und Initiatoren auch noch ein Verzeichnis abverlangt, in dem alle Listen nummeriert, nach Herkunft aufgeführt und mit der Zahl der vorhandenen sowie der gültigen Unterschriften erfasst sind. Allein das geforderte tabellarische Verzeichnis füllt einen kompletten Aktenordner. Es ist kein Wunder, dass die Volksgesetzgebung in Sachsen de facto eingeschlafen ist. Hier besteht dringender Modernisierungsbedarf. Von der Möglichkeit einer internetbasierten Sammlung wagen wir dabei gar nicht zu träumen. Es spricht für die sächsische LINKE, dass sie dem Volksantrag auch unter diesen erschwerten Bedingungen mit zum Erfolg verholfen hat.


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DIE LINKE. Kreisverband Erzgebirge

Ein Blick zurück

Klaus Tischendorf verlässt nach 20 Jahren den Sächsischen Landtag Mit den Wahlen vom 1. September endete meine Abgeordnetenzeit. Seit 1999 war ich dabei. Es waren 20 spannende Jahre. Als ich 1999 meine Parlamentsarbeit begann, war die politische Auseinandersetzung der anderen Fraktionen mit uns noch sehr einseitig. Fast alle Missstände und Fehlentwicklungen, die die damalige PDS-Fraktion thematisierte, wurden mit großer Einigkeit von CDU und SPD mit der alleinigen Begründung abgelehnt, dass die Ursachen in der untergegangen DDR lägen. So musste die alleinregierende CDU unter Führung des Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf überhaupt nicht in die Auseinandersetzung einsteigen. Die SPD landete 1999 erstmals hinter der PDS und musste die Oppositionsführung an uns abgeben. Heute ist es kaum noch vorstellbar, dass die CDU mit absoluter Mehrheit regieren kann. Bereits damals begann der freie Fall der SPD. Aus meiner Sicht lag das daran, dass sich die Sozialdemokratie als Regierungsalternative zur CDU zu profilieren versuchte, wodurch sie immer mehr an Profil einbüßte.

ten, kritisierten die CDU-Bildungspolitiker, dass wir angeblich zu viel Geld ausgeben wollten. Wohin die Bildungspolitik der CDU, mal mit Unterstützung der SPD, mal mit der FDP, geführt hat, haben wir schmerzlich erfahren. Diese Fehlentwicklung notdürftig zu reparieren ist vielfach teurer als unser Bildungskonzept es je hätte sein können. An dieser Stelle gäbe es noch viele weitere Beispiele zu nennen, wie Fraktion Vorschläge für eine andere Politik erarbeitet hat. Wahr ist leider auch, dass es uns im Vergleich zu meiner Anfangszeit, bei zunehmender politischer Konkurrenz, zuletzt immer weniger gelungen ist, unsere Alternativen bekannt zu machen. Alternativen zur Regierungspolitik entwickelte unsere Fraktion zu dieser Zeit besser als die Sozialdemokraten. Das zeigte sich auch im bisher besten Wahlergebnis für die PDS im Jahr 2004. Mit der Zweitstimme stimmten 23,6 Prozent für uns. Auch wenn die heutige politische Landschaft mit ihrer größeren Ausdifferenzierung nicht mehr damit

vergleichbar ist, lohnt sich der Blick zurück. So war es beispielsweise Anfang der 2000er Jahre einfacher, unsere Vorstellungen für eine andere Bildungspolitik bekannt zu machen, hatten wir doch ein anderes Schulgesetz vorgelegt, das ca. 300 Millionen Euro mehr gekostet hätte. Während die Sachsen unsere Forderungen mehrheitlich unterstütz-

Diesen Artikel habe ich vor dem Wahltag geschrieben. Insofern kann ich nicht wissen, welche Mehrheit zukünftig Politik in Sachsen macht. Wenn ich mir aber die Liste der Kandidierenden ansehe, bin ich sicher, dass es auch im 7. Sächsischen Landtag eine starke linke Kraft mit engagierten jungen Menschen geben wird.

(M)Eine kleine Wahlkampf(zwischen)bilanz Während ich diese Zeilen schreibe, liegen sechs Wochen Wahlkampf hinter uns und „nur“ noch eine Woche vor uns. Aus dem Berg von Wahlwerbung ist ein Hügelchen geworden. Meine Garage ist wieder als Garage erkennbar. Alles steht für die letzten Aktionen bereit, die Vorbereitungen für unser Familienfest laufen. Ein bisschen genieße ich die Ruhe vor dem Endspurt. Hinter uns liegt ein „heißer Sommer“. Wir haben geflyert, plakatiert, diskutiert und zugehört. Wir waren auf Wochenmärkten „zu Gast“, haben mit Unternehmern gesprochen, Fragen beantwortet. Unsere Kandidat*innen haben an etlichen Wahlforen teilgenommen. Schwester Agnes und Tan-

te Emma machten das Erzgebirge „unsicher“ und auf eine andere Art und Weise auf unsere Lösungen aufmerksam. Antje und Rico luden mit unserem Straßencafé zum Verweilen ein. Holger ging etliche Kilometer wandern und diskutierte mit den Wanderfreunden. Kathleen „wilderte“ in der FDPHochburg und berichtete im MDR, wie die LINKE den „Tante Emma Laden“ erhalten will. Wir lernten, wie die Crottendorfer Räucherkerzen hergestellt werden, wo es beim Tourismus klemmt, konnten den Männelmachern über die Schultern schauen, diskutierten mit Seniorinnen und Senioren bei der Volkssolidarität und testeten den Gelenauer Ortsbus. Wir nutzen die Wahlaktion des DGB-Kreisverban-

des und kamen vor allen mit Jung- und Erstwählern ins Gespräch. Der eine oder andere Bürgermeister besuchte uns an unseren Infoständen. Da Grüne und CDU den „Haustürwahlkampf“ belegt hatten, wurden bei uns kurzerhand „Gespräche übern Gartenzaun“ geführt. An manchen Tagen meinte mein Schrittzähler, dass ich mein Tagesziel zu fast 100% übererfüllt habe. Kathleen, Antje, Rico und Holger haben mich und viele Genoss*innen bzw. Sympathisant*innen ganz schön durch den Landkreis „gejagt“. In den Tagen habe ich (und nicht nur ich) neue Ecken im Erzgebirge kennengelernt. Das alles ging nur durch die Unterstützung unserer Mitglieder, Kommunal-

Wahlforen der Landeszentrale In den letzten Monaten hat die Landeszentrale für politische Bildung in allen 60 Wahlkreisen mit den Direktkandidaten ein öffentliches Wahlforum durchgeführt. Die erzgebirgischen Termine waren: 10.07.2019 ERZ 2 in Eibenstock mit Rico Gebhardt, 11.07.2019 ERZ 4 in Annaberg mit Antje Feiks, 12.08.2019 ERZ 5 in Marienberg mit Kathleen Noack, 15.08.2019 ERZ 3 in Schwarzenberg mit Holger Zimmer und 27.08.2019 ERZ 1 in Stollberg mit Rico Gebhardt. Alle Wahlforen hatten den gleichen Aufbau, wobei die Bürgerinnen und

Bürger entscheiden konnten, welches Thema für sie wichtig ist. Zur Wahl standen Innere Sicherheit, Bildung, Gesundheit und Soziales sowie Umwelt, Wohnen und Verkehr. Es kamen jeweils um die 100 Gäste. Dabei waren natürlich Mitglieder und Sympathisanten der Parteien, aber auch viele interessierte Bürger. Auffällig war, dass es durchaus kontroverse Meinungen gab, diese aber immer sachlich ausdiskutiert wurden. Die Moderatoren der Freien Presse führten die Veranstaltungen unterschiedlich gut. So waren in den meisten Wahlforen nach den Schnellfragerunden Nachfragen der Moderatoren

mit Diskussion durchaus normal. In Schwarzenberg hingegen nicht, was viele Gäste mit Unverständnis quittierten. Alles in allem war es aber ein gutes Format. Ein „Auf den Zahn fühlen“ war es in der Kürze der Zeit nicht. Dieses Format sollte trotzdem nach den Wahlen beibehalten werden, damit die Menschen die Möglichkeit haben, den dann gewählten Volksvertretern Rechenschaft abzuverlangen. Vielen Dank an unsere Genossinnen und Genossen sowie Sympathisanten, die schon durch ihre Anwesenheit unsere Kandidaten unterstützt haben! • Holger Zimmer

politiker*innen und Sympathisant*innen. Sie waren immer da, wenn wir sie brauchten, sind kurzfristig eingesprungen, holten die Genehmigungen in den Rathäusern ein und füllten unser Kreiskonto wieder auf. Dafür möchten wir uns bei allen ganz herzlich bedanken. Nach der Wahl wird unser „Sorgenzettel“ mit den großen Problemen abgearbeitet. Die kleinen wurden fast alle gleich geklärt. Im nächsten Jahr werden wir unsere „Wahlkampftour“ als „Landkreistour“ wiederholen. Jetzt werden wir noch in der letzten Wahlkampfwoche flyern, plakatieren, diskutieren und natürlich zuhören. • Angela Hähnel

Wandern mit LINKS am 5. Oktober 2019 Los geht's um 10 Uhr in Oelsnitz/ Erzgebirge, Bahnhofstr. 94. Von dort laufen wir zum „Glück-Auf-Turm“, der bestiegen werden kann. Auf der Wanderung gibt es bergbauliche Erläuterungen. Am Aussichtsturm gibt es ein Herbst-Picknick, wie wir es als Schüler erlebt haben, wenn wir zur Kartoffelernte waren. Dann folgen der Abstieg bis zum Startpunkt und die Führung über das Gelände der Landesgartenschau 2015. Überraschungen werden noch nicht verraten ... • Barbara Drechsel


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DIE LINKE. Kreisverband Zwickau

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Wahlkampfunterstützung von Bodo Ramelow Dank und Rückblick vom Kreisvorsitzenden und Direktkandidaten Heiko Döhler Am 26. August 2019 fand in Werdau eine Veranstaltung mit Bodo Ramelow, dem Ministerpräsident in Thüringen, Spitzenkandidat Rico Gebhardt und mir als Direktkandidaten statt. Dabei besuchten wir die Firmengruppe Neidel sowie die Altenpflege- und Notfallsanitätsschule. Wir bekamen einen Einblick in die Ausbildung dieser wichtigen Berufe. Besonderheit der Schule ist dabei die Tatsache, dass Schülerinnen und Schüler aus rund einem Dutzend Nationen ausgebildet werden. Anschließend ging es zu einer Diskussionsrunde im angrenzenden Alten Schützenhaus zum Thema Notfalldienste und Altenpflege mit Berufsschülern und Betroffenen. An die-

sem Montagvormittag waren ca. 150 Gäste anwesend und kamen auf ihre Kosten. In einer intensiven Diskussion konnte über verschiedene Probleme rund um die Themen Pflege, Sanitätsdienst und Ausbildung gesprochen werden. Aber auch die Thema Niedriglohn und Kinderbetreuung spielten eine Rolle. Hier standen Erfahrungen aus Thüringen und Sachsen im Mittelpunkt der Debatte. Nach einem kurzen Imbiss ging es mit Rico Gebhardt und Alexander Weiß noch zu einer Besichtigung des historischen Werdauer Rathauses mit einer Turmbesteigung. Vielen Dank für die Gelegenheit an den OB Sören Kristensen (UL)!

Dem Glauchauer Bahnhof Leben eingehaucht – für einen Tag Insgesamt vier thematische Wahlkampftouren organisierte der Landesverband für den Landtagswahlkampf. So schwebte man als Schwester Agnes mit einer Schwalbe durch den ländlichen Raum, brachte den Tante-EmmaLaden in Form eines Verkaufswagens wieder aufs Dorf, erschuf für einen Tag eine Buslinie, um auf mangelhaften ÖPNV aufmerksam zu machen und bespielte Kleinstadtbahnhöfe in Form einer „Kneipentour“. Am 21.8.2019 war es soweit und besagte Bahnhofstour machte am Glauchauer Bahnhof halt. Vorbei war es mit Langeweile für die Reisenden. Bei

Stadtrat Zwickau: CDU wählt AfD Bereits zur konstituierenden Sitzung des Zwickauer Stadtrates zeigte die CDU, wie ernst ihre Worte zu nehmen sind, wenn sie davon spricht, nicht mit der AfD koalieren oder zusammenarbeiten zu wollen. Dabei ließen sie sich von dieser sogar über den Tisch ziehen oder die CDU ist sehr leicht käuflich. Das kommt ganz auf die Perspektive an. Zu Beginn musste entschieden werden, ob die Besetzung der Aufsichtsräte nach D´Hondt oder Hare/Niemeyer erfolgt. Ersteres bevorzugt die Gruppierungen, die zur Wahl mehr Stimmen erhalten haben. Am meisten profitierte in dem Fall die AfD. Sie erhielt bei D´Hondt neun Sitze in Aufsichtsräten mehr, die CDU dagegen „nur“ drei Sitze. Diese drei Sitze waren der CDU aber so wertvoll, dass sie sogar ihren Kandidaten für den Verwaltungsrat der Sparkasse zurückzog und den Kandidaten der AfD Dr. Wolfgang Elsel wählte. Der CDU-Stadtrat und Landtagsabgeordnete Gerald Otto hatte so das Nachsehen. Sehr wahrscheinlich

bestem Sommerwetter war es möglich, Aufmerksamkeit zu erregen und Wahlkampfmaterial an Nutzer*Innen des ÖPNV zu verteilen. Bei Kaffee, Brause oder Bier konnte man Platz nehmen und mit dem Zwickauer Direktkandidaten René Hahn, mit Helfer*Innen aus Berlin und Glauchau ins Gespräch kommen. Neben dem Bahnhof als Begegnungsraum machte man auf die Fehlentwicklung der Bahninfrastruktur aufmerksam. Bei allen Gesprächen wurde klar, dass ein Bahnhof mehr ist als Ort für Reisende und Pendler. Er ist Ort des sozialen Lebens und Zusammenkommens. Eine super Veranstaltung, bei der wir zeigten, dass DIE LIN-

wählte er aber den AfD-Kandidaten auch. Dieser erhielt 26 Stimmen, so viele wie AfD (11), CDU/FDP (14) und der rechte Einzelstadtrat Sven Georgi gemeinsam haben. Nun kann sich jeder ausrechnen, dass die Stimmen für den AfD-Kandidaten aus anderen Fraktionen kamen. Die Fraktionsvorsitzende der Linken Ute Brückner erhielt 15 Stimmen (anwesende Stadträte DIE LINKE sieben und der Fraktion SPD/Grüne/Tierschutzpartei acht). Der Kandidat der Bürger für Zwickau erhielt sechs Stimmen, seine Fraktion hat fünf Sitze. Wählen durfte außerdem die Oberbürgermeisterin Dr. Pia Findeiß (SPD). Bei Wahlgängen für den Jugendbeirat und beratende Bürger in den Ausschüssen hielten CDU/FDP, SPD/Grüne/Tierschutzpartei und LINKE zusammen, so dass in diesen vor allem Kandidaten der AfD scheiterten. In den Jugendbeirat wurden Kay Leonhardt (SPD/Grüne/Tierschutzpartei) und René Hahn (LINKE) gewählt. • Rene Hahn, Zwickau

KE nach wie vor für die Menschen da ist und ihnen gern das Ohr leiht. Dort wo soziale Strukturen wegfallen, steht es uns gut zu Gesicht, diese Lücke zu füllen und für Deutsche, Geflüchtete und alle dazwischen da zu sein. Packen wir‘s an und gestalten unser Umfeld! Wahlkampf findet (auch) zwischen den Wahlen statt. Ein großes Dankeschön

noch an Alina, Felix und David aus dem Berliner Landesverband, sowie an René und die Helfer aus dem Glauchauer Ortsverband. Demnächst können wir auch ein Neumitglied begrüßen, welches sich spontan am Stand zur Mitgliedschaft und Mitarbeit bereit erklärt hat. Herzlich willkommen! • Michael Berger


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DIE LINKE. Kreisverband Meißen

Sportlich durch Riesaer Vororte

Im Wahlkampf mit André Hahn. Ein Bericht von Reinhard Heinrich Der Kreisparteitag hatte beschlossen, sie für die Landesliste zu priorisieren. Aber das macht gar nichts. Im Kreis Meißen zählt zuerst der persönliche Einsatz. Und der findet starke Unterstützer. Zum Beispiel MdB Dr. André Hahn, sonst Spieler im FC Bundestag, stieg mit Uta aufs Rad und fuhr mit ihr in ländliche Vororte zum „Gespräch über'n Gartenzaun“, besuchte den Tower des Verkehrslandeplatzes Riesa und musste hin und wieder ungeplant absteigen, weil Riesaer Bürger „die Frau Knebel“ eben nicht nur aus der Ferne grüßen, sondern auch Wert auf einen kleinen Dialog legen. Vom Missgeschick beim Sport über Stadtangelegenheiten bis zum Wetter – Uta hört jedem zu und erfährt Dinge, die auf dem Papierwege nie ins Büro der Linksfraktion gefunden hätten. Und André Hahn beteiligt sich gern im von ihm betreuten Wahlkreis. Politiker müssen wissen, wie die Leute ticken. Sonst stimmt die Politik nicht Damit die Politik stimmt, hält Uta schon

Nachfolgende Gespräche über'n Gartenzaun in Leutewitz sind teils verabredet, teils spontan. Beim Verteilen unserer Flyer nutzen wir die Briefkästen nur, wenn niemand zu sehen ist. „Darf ich ihnen was in die Hand drücken?“ – Antwort: „Aber nur, wenn es von Frau Knebel ist“. Wortwörtlich!

lange Kontakt zum Fliegerstammtisch des Verkehrslandeplatzes Riesa-Göhlis. Als Stadträtin hat sie mit für seine Erhaltung gesorgt und weiß um die Bedeutung für den Wirtschaftsstandort. Ein Pilot hört über Funk, dass André Hahn gerade da ist, und bittet um

Lasst Bilder sprechen!

Landeerlaubnis. Seine Cessna kommt auf 9 Liter Sprit je 100 Kilometer, ist aber viel schneller als jeder PKW und gerät eben in keinen Stau – berichtet der soeben gelandete Fluglehrer aus Dresden. André Hahn kennen zu lernen war ihm eine Landung wert. Uta kennt er ja schon lange.

Wahlkampfimpressionen von Erik Christopher Richter (WK 38), Tilo Hellmann (WK 39) und Daniel Borowitzki (WK 40)

Auf dem Bauernhof mit betreutem Wohnen wird vom Balkon herunter gegrüßt. Kleiner Schwatz – und weiter geht es. Am Straßenende der Gedenkstein für gefallene Sowjetsoldaten: Die kyrillischen Buchstaben sind der Absolventin einer R-Klasse geläufig. Wir müssen nicht reden. Nur eine Minute innehalten. Und weiter in die Nebenstraßen! Es sind die Bürger, die auf Uta zugehen. Nicht alle vielleicht, aber ungeheuer viele. Auch auf dem Rückweg viel Winken, freundliche Grüße und gute Wünsche. Nicht ein böses Wort. So stellt man sich Wahlkampf vor. Leise, gewinnend und nachhaltig. So ist Uta.

Starke Unterstützung aus Berlin Die SZ staunt. Und berichtet. DIE LINKE steht im Fokus. Wer hätte das gedacht? Am Montag vor der Wahl war Dietmar Bartsch, der Vorsitzende der Bundestagsfraktion, in Riesa. Auf dem Mannheimer Platz sprach er über die Herausforderung der aktuellen Stunde und das Versagen der regierenden Parteien bei Bildung, gerechter Entlohnung, sozialen Fragen. Er erinnerte an den Weltfriedenstag am 1. September, dem Tag der Landtagswahl. Wir sind die Friedenspartei, weil Krieg den Menschen viel Leid bringt und unsere Natur so viele Schäden zufügt. Keine Rendite der Welt rechtfertigt einen Krieg! Im Miteinander füreinander und das weltweit ist der Lösungsansatz unserer und jeder Zeit! • Uta Knebel (Text und Foto)


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DIE LINKE.Kreisverband Bautzen

9/2019 Sachsens Linke!

Seenland-Tag mit Déjà-vus Caren Lay hat sich erneut im Seenland umgeschaut Es gehört zum meinem Jahresprogramm, im Sommer das Lausitzer Seenland zu besuchen. Nicht weil es sich dort auch hervorragend den Urlaub verbringen lassen würde, sondern weil ich mich über den Fortschritt auf der „größten Baustelle Europas“ informieren will. Was geht voran, wo hapert es, was muss passieren und wo kann die Bundespolitik unterstützen? Auf all diese Fragen gilt es jährlich neue Antworten einzuholen, will man mit Kenntnis der Lage vor Ort dann in Berlin für den Wahlkreis aktiv werden. Nachdem in den vergangenen Jahren oft die schon weiter entwickelten Seen der Gemeinde Elsterheide im Fokus standen und im vergangenen Jahr der sich selbst (zurecht) als etwas abgehängt fühlende Seenlandteil rund um Lohsa, ging es in diesem Jahr zum östlichsten See der verbundenen Seenkette: dem Spreetaler See. Geplant als der „laute See“, soll hier eigentlich schon seit einigen Jahren Motorboot-Sport möglich sein. Allein, es ist still – auch 2019. Das liegt allerdings nicht an der anliegenden Gemeinde Spreetal mit ihrem Bürgermeister Manfred Heine (parteilos). Im Gegenteil: Seit dem Abstellen der Pumpen 1996 hat die Gemeinde Spreetal, gerade mal 1.800 Einwohner stark, bis zu 1,5 Millionen Euro in die Ertüchtigung der touristischen Infrastruktur investiert. Fahrradwege, Einstiegstellen und Einlaufstellen für die Motorboote

sind für die Nutzung bereit. Selbst ein Motorsportverein wartet seit Jahren darauf, dass es endlich losgeht. Doch die Nutzungserlaubnis ist auch 2019 nicht erfolgt. Weil Wasser fehlt, aktuell noch 20 Zentimeter bis zu einem Pegelstand, der zumindest eine zeitweilige Nutzung erlauben würde. Obwohl der See gut

kehrenden Déjà-vu-Erlebnissen, die ich jedes Jahr bei meinen Seenlandbesuchen habe. In der Seenland-Runde, einer von mir jedes Jahr initiierten Gesprächsrunde zwischen LMBVVertretern, ansässigen Touristikunternehmern, Vertretern der Lokalmedien und Kommunalpolitikern, tauchten auch

Die Seenland-Runde, initiiert von MdB Caren Lay, im Restaurant Am Leuchtturm in Geierswalde. 70-80m Tiefe aufweist, ist dieser hohe Wasserstand nötig, um die Uferbereiche durch den Wasserdruck zu stabilisieren – andernfalls drohen Rutschungen. Diese Verzögerungen und Stillstandsbeschreibungen gehören zu den wieder-

die weiteren Wiederholungsmomente auf. Der Hinweis auf die fehlenden Fachkräfte zum Beispiel oder auf die Überlastung der kleinen Kommunen, die mit teilweise ehrenamtlichen Strukturen und ohne ausreichend Personal

eine ganze Region entwickeln sollen. Und dann Förderprogramme nicht nutzen können, weil stets Eigenmittel verlangt werden, die gar nicht erbracht werden können. Abhilfe wäre möglich: Förderprogramme mit 100%-Förderquote zum Beispiel oder Regionalfonds, aus denen sich die Kommunen vor Ort nach gemeinsamer Entscheidung bedienen können. So alles seit Jahren von der LINKEN vorgeschlagen, bis heute aber nicht realisiert. Ein großer Unterschied aber lässt sich 2019 ausmachen: Nachdem das Lausitzer Seenland weder die Bundes- noch die zuständige sächsische Landesregierung sonderlich zu interessieren schien, hat sich mit dem Kohlekompromiss und dem angekündigten Strukturstärkungsgesetz zumindest das geändert. Nun wollen plötzlich alle politischen Kräfte etwas für die Lausitz tun. Doch auch hier am Ende das alte Lied: Ein Gesetzentwurf liegt bis auf ein paar Eckpunkte noch immer nicht vor. Zudem ist unklar, welche Strukturen über die Mittelvergabe entscheiden dürfen. Somit bleibt bislang für die Kommunen noch offen, worauf sie sich vorbereiten könnten. Die Bundesregierung ist gefragt, aus dem sprichwörtlichen Quark zu kommen und das schon für vor der Sommerpause angekündigte Gesetz vorzulegen. Wir werden dann genau hinsehen, ob sich wirklich echte Hilfen für die Lausitz und das Seenland darin finden.

Initiative für einen Artikel zum Schutz nationaler Minderheiten Sachsen und Schleswig-Holstein haben im Bundesrat die Initiative zur Aufnahme eines Artikels zum Schutz nationaler Minderheiten ins Grundgesetz ergriffen. Ich begrüße das ausdrücklich, denn ein solcher Artikel ist überfällig. Einige Begleitumstände bedürfen jedoch der Erörterung. So scheint zumindest auf sächsischer Seite langfristige Planung nicht Grundlage dieser Initiative gewesen zu sein. Denn noch vor etwa einem Monat antwortete das Staatsministerium der Justiz auf meine Frage nach möglichen Initiativen zur Aufnahme einer Regelung zum Schutz nationaler Minderheiten ins Grundgesetz, dass das Justizministerium eine solche generell eher ablehne, „weil deren praktische Wirkung äußerst begrenzt ist und nach hiesiger Einschätzung auch kein Regelungsdefizit besteht, da die Rechte von (nationalen) Minderheiten sowohl im Bundesrecht aber auch im Landesrecht sowie in völkerrechtlichen Verträgen gewährleistet werden.“ Ein bezeichnendes Licht auf Defizite der politischen Kultur in Sachsen wirft die Tatsache, dass die Landesregierung von Schleswig-Holstein eine Forderung der dortigen dänischen und friesischen Landtagsabgeordneten aus der

SSW-Fraktion zur Grundlage der aktuellen Initiative macht, während ich eine ablehnende Stellungnahme erhalte. Durchaus spannend dürfte die weitere inhaltliche Debatte werde, denn der Vorschlagstext enthält die Verpflichtung des Staates, die Identität der anerkannten nationalen Minderheiten zu achten, und greift damit aus der Debat-

te der „gemeinsamen Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat“ von Anfang der 1990er Jahre den Minimalvorschlag auf, der aber seinerzeit an der Ablehnung durch Abgeordnete der CDU und vor allem der CSU scheiterte. Es bleibt also abzuwarten, ob die CDU/ CSU diesmal ihrer historischen Verantwortung für den Schutz nationaler Min-

derheiten gerecht wird. DIE LINKE wird auf allen Ebenen die Aufnahme eines Artikels zum Schutz nationaler Minderheiten in das Grundgesetz mit allen ihr zur Verfügung stehenden rechtlichen und politischen Möglichkeiten unterstützen. • Heiko Kosel

LINKE auf der DGBLausitzkonferenz in Schwarzheide Wir Linke besuchten am 22. August die Lausitzkonferenz des DGB in Schwarzheide. Die Gewerkschaften, Betriebsräte und Ministerpräsidenten von Brandenburg und Sachsen diskutierten über den Strukturwandel. In den nächsten 15-20 Jahren muss es gemeinsam gelingen, der Lausitz als Energie- und Industrieregion eine Perspektive zu geben. Wir haben uns sehr gefreut, dass unser Parteivorsitzender Bernd Riexinger die Lausitz besuchte und auch an der Konferenz teilnahm. Gemeinsam setzen wir uns für einen planvollen, zügigen und sozialverträglichen Strukturwandel in der Lausitz ein.

V. l. n. r.: Kreisrätin Ines Kupka, Landtagsabgeordnete Marion Junge, Parteivorsitzender Bernd Riexinger, Landtagsabgeordnete Monika von der Lippe, Direktkandidatin Antonia Mertsching, stellv. Landesvorsitzender Silvio Lang und Landtagsabgeordnete Kathrin Kagelmann.


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Am Bedarf vorbei reformiert Nach einem Entwurf des Bundesgesundheitsministers Jens Spahn (CDU) soll die Ausbildung der Psychotherapeuten reformiert werden. Einer der Kernpunkte: Durften bislang auch diplomierte Pädagogen und Sozialpädagogen eine Weiterbildung zum Kinder- und Jugendpsychotherapeuten machen, ist dies künftig nicht mehr möglich. Simone Kaspar ist 45 Jahre alt, Diplompsychologin und Kinderund Jugendpsychotherapeutin. Seit Mai 2011 arbeitet sie in eigener Praxis in Dresden. Mit ihr unterhielt sich Katja Kipping. Bisher ist Ihr Beruf ein eigenständiger, der eine extra Ausbildung erfordert. Was unterscheidet Ihre Arbeit von der einer Psychotherapeutin für Erwachsene? Die wichtigste Unterscheidung ist folgende: Wenn ich mit einem Kind oder einem Jugendlichen arbeite, arbeite ich immer auch mit dem Umfeld des jungen Patienten. Das bedeutet, ich spreche regelmäßig mit den Eltern, auch mit Kindergärtnerinnen/ Lehrern, bei Bedarf mit Mitarbeitern des Jugendamtes, Betreuern aus WGs der Jugendhilfe und anderen Helfern der Kinder. Ich muss mich also in dieser Arbeit im gesamten sozialen Helfernetz auskennen. Neben meiner eigentlichen Arbeit am Kind und im konkreten Gespräch mit den Bezugspersonen telefoniere ich sehr viel, schreibe Stellungnahmen und betreibe auf vielen verschiedenen Ebenen Netzwerkarbeit. Diese Arbeiten werden von der Krankenkasse nicht bezahlt. Außerdem benötige ich deutlich mehr (Spiel)Material und Platz. Wenn ich ein Kind in der Therapiestunde habe, brauche ich Zeit, um das Therapiezimmer aufzuräumen. Ich habe viele Diagnostikanfragen, um Entscheidungen für die Schullaufbahn und Ausbildung zu unterstützen. Ich arbeite also mit völlig verschiedenen Altersgruppen, ab Kleinkindalter bis zum Senioren, und muss mich auf alle entsprechend einstellen. Nun gibt es aus dem Hause von Jens Spahn einen Gesetzentwurf, der vorsieht, dass es ein einheitliches Studium der Psychotherapie geben soll, das erst später durch eine Weiterbildung spezialisiert werden kann. Was halten Sie davon? Ich sehe dieses Vorhaben sehr kritisch und befürchte, dass die psychotherapeutische Versorgung der Kinder und Jugendlichen in Gefahr ist. Bisher können Menschen mit einem abgeschlossenen Psychologiestudium wählen, welche Ausbildungsrichtung sie weiter verfolgen: Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie oder Erwachsenenpsychotherapie. Nur ein sehr geringer Anteil der Psychologen entscheidet sich für die Kinder und Jugendlichen. Der erhöhte Aufwand, die daraus folgende schlechtere Bezahlung, die Nachmittagsarbeitszeiten, die als Kindertherapeut eine logische Folge sind,

persönliche Vorlieben – alles Gründe, die diese Entscheidung maßgeblich beeinflussen. Es ist nicht zu erwarten, dass sich dieser Umstand zukünftig ändern wird.

Sozialpädagogen, die aufgrund ihres Grundstudiums ausschließlich die Ausbildung zum Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten absolvieren können, entscheiden sich von Anfang an, mit Kindern und Jugendlichen zu arbeiten. Da es ausreichend viele sehr gut ausgebildete Sozialpädagogen gibt, bedeutet das, dass unsere Kinder und Jugendlichen gut versorgt sein können. Eine zusammengefasste Ausbildung in einem gemeinsamen Psychotherapiestudium würde m. E. zur Folge haben, dass sich kaum Psychotherapeuten für die Arbeit mit den Kindern entscheiden, was eine massive Versorgungslücke schaffen würde. Wie ist denn aktuell die Versorgungslage im Bereich der Kinder- und Jugendpsychotherapie? Gibt es ausreichend Therapeutinnen? Oder anders gefragt, müssen Sie eher mühevoll Patienten akquirieren oder müssen sie Familien wegschicken? Die ambulante Versorgung der Kinder und Jugendlichen ist keineswegs aus-

reichend. Regelmäßig muss ich Hilfesuchenden mitteilen, dass ich keinen Therapieplatz zur Verfügung habe oder mittelfristig in Aussicht stellen kann. Während es in der Stadt Dres-

den schon schwierig ist, Kinder und Jugendliche in eine ambulante Psychotherapie zu vermitteln, ist es im Umland von Dresden noch deutlich schwieriger. Familien nehmen über lange Zeit wöchentlich ein Stunde Fahrtzeit (einfacher Weg) in Kauf, um dem Kind eine Psychotherapie zu ermöglichen. Dieser Zustand ist auf alle Bundesländer zu übertragen. Zu viele Kinder und Jugendliche bleiben unversorgt, so dass sich häufig die Symptomatik stark verfestigt, bis ein Therapieplatz zur Verfügung steht. Ich habe in meiner Praxis eine Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin angestellt, um mehr Therapieplätze anzubieten. Leider dürfen wir zu zweit weniger Patienten behandeln als ich allein dürfte. Wir könnten mehr Versorgung anbieten, werden aber von der Kassenärztlichen Vereinigung daran gehindert. In den Ausbildungsinstituten machen ja überwiegend Menschen eine Ausbildung in der Psychotherapie für Kinder, die nicht Psychologie, sondern So-

zialpädagogik oder Verwandtes studiert haben. Kommt Spahns Gesetz, ist das nicht mehr möglich. Welche Folgen hätte das? Unsere Kinder und Jugendlichen erhielten dann in der Zukunft nicht mehr die notwendige Versorgung mit ambulanter Psychotherapie. Viel zu wenige Auszubildende würden sich überhaupt für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen entscheiden. Diese müssten noch viel länger auf einen Therapieplatz warten als jetzt schon. Die Schwere der Erkrankung würde sich durch die Wartezeit deutlich erhöhen. Schnelle Hilfen sind nicht mehr möglich, weil die Kinderpsychotherapeuten einfach keine Kapazitäten mehr haben werden. Zudem würden die neu ausgebildeten Kinder- und Jugendlichentherapeuten keine Erfahrung im Umgang mit anderen Helfergruppen haben, die man in dieser Arbeit unbedingt braucht. Kollegen werden zwar viele Patienten annehmen, aber ihnen nicht wöchentliche Termine anbieten, sondern sie in vielleicht 4-WochenAbständen zu stabilisieren versuchen. Psychotherapie ist in einem solchen Setting nicht möglich. Schwerer erkrankte Kinder und Jugendliche werden noch häufiger nicht angenommen werden, weil sie mehr Arbeitsaufwand erfordern, die der Psychotherapeut nicht leisten kann oder möchte. Nicht behandelte Kinder wachsen heran zu psychisch kranken Erwachsenen. Die Kosten für unser Gesundheitssystem, für die gesamte Gesellschaft steigen ins Unermessliche. Das Haus von Jens Spahn zielt ja darauf, die Ausbildung komplett zu verschulen und orientiert darauf, dass der Ausbildungsweg nur noch (schon) direkt nach der Schule eingeschlagen werden kann. Was ist daran so falsch? Unsere Arbeit ist sehr anstrengend und braucht eine hohe emotionale Belastbarkeit. Wenn ich wie bisher ein Studium absolviere, dort sehr viele Praktika leiste und dann die Ausbildung beginne, habe ich bereits viele Erfahrungen in der Arbeit mit Menschen gesammelt. Ich weiß um die Besonderheiten der Arbeit in einem sozialen oder klinischen Beruf, habe auch schon Erfahrungen mit mir selber in der Arbeit mit verschiedenen Altersgruppen und Belastungen und Erkrankungen gemacht. Auch frage ich mich, was fertig ausgebildete Psychotherapeuten arbeiten werden, wenn sie keine Kassenzulassung für die Arbeit als ambulanter Psychotherapeut erhalten (Kassenzulassungen sind beschränkt). Als Sozialpädagoge oder Psychologe habe ich immer die Möglichkeit, im weiten Feld meines Erststudiums tätig zu sein. Dazu kommt, dass in der jetzigen postgradualen Ausbildung vom ersten Tag an kind- und jugendspezifisches Wissen gelehrt wird. In einem zusammengefassten Studium wird keinesfalls so spezifisch und intensiv Wissen vermittelt werden können. Die Folge wird wiederum sein, dass die Kinder in Zukunft nicht mehr gut versorgt werden.


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Am 24. Juni trafen sich noch einmal einige Rosenthaler beim ehemaligen Gemeinderat Peter Tschirch, der nun seinen Lebensabend mit seiner Ehefrau Heidemarie auf der Insel Rügen verbringen wird. Der Abschied vom seinem ihm liebgewordenen Rosenthal, wo der Bergbauingenieur einst mit einem Kumpel ein Doppelhaus errichtete, war ihm Anlass, noch einmal Rückschau zu halten. Wir danken ihm dafür, aus seinen bemerkenswerten Lebenserinnerungen zitieren zu dürfen. Geboren wurde Peter Tschirch 1941 im niedersächsischen Bückeburg. Sein Vater blieb als Soldat in Stalingrad vermisst. Ein Kamerad, der ausgeflogen wurde, hatte jedoch dessen Tagebuch gerettet. Die verdienstvolle Lehrerin Ilse Körbitz aus Bielatal (verst. 2017), „übersetzte“ die erschütternden, in Sütterlinschrift verfassten Aufzeichnungen, die Peter Tschirch seither seinen drei Kindern, neun Enkeln und zwölf Urenkeln ans Herz legt. Seine Kindheit verbrachte Peter bei einer britischen Offiziersfamilie, für die seine Mutter als Dolmetscherin arbeitete. Als sie mit einem stadtbekannten Kommunisten eine Verbindung einging, war das in der Bundesrepublik der 50er Jahre ein Grund, ihr Peter zu entziehen und ihn in ein Kinderheim zu stecken. Vor Prügel, die es da setzte, grün und blau, floh der Halbwüchsige auf sich allein gestellt und sich versteckend, drei Tage und drei Nächte zurück zu seiner Mutter. Ihn trieb an: Er wollte ihr ein selbstgebasteltes Muttertagsgeschenk überreichen. Leider aber eine Woche zu früh! Er musste wieder im Heim abgeliefert werden und weiter sinnlose Prügelorgien über sich ergehen lassen. Es reichte! Die Mutter beschloss: Der Sohn muss mit uns in die DDR umsiedeln. Auch so etwas gab es damals. Der damals dreizehnjährige Peter landete in der Grundschule Sebnitz und lernte hier seine Jugendliebe Heidemarie kennen und lieben. Durch Eheprobleme seiner Mutter fand er sich (bei damals noch offener Grenze) in der BRD wieder und begann eine Lehre bei den Bergleuten im Ruhrgebiet. Nach Androhung einer Jugendstrafe für Aktivitäten in der damals verbotenen FDJ gestattete ihm seine Mutter, wieder in die DDR zurück zu kehren. Hier beendete er seine Lehre als Hauer in Oelsnitz im Erzgebirge. Er engagierte sich aus Überzeugung für sein Land DDR in der FDJ, trat der SED bei und studierte in Zwickau Bergbauingenieurwesen. Seine große Leidenschaft galt dem Segelfliegen. Während des Studiums heiratete er seine Heidemarie. Die Tschirchs gründeten eine Familie, bauten später ihr Haus, lebten ein zufriedenes Leben. Nur eines erschloss sich Peter nicht so recht: warum es auf der beruflichen Karriereleiter nie so richtig voran ging. Das sollte ihm erst viel später bewusst werden. Eine unglaubliche Akte Für die PDS wurde er Anfang der neunziger Jahre in den Gemeinderat von Rosenthal gewählt. Da waren gerade Listen der hauptamtlichen Mitarbeiter des

„Vater Courage“ nimmt Abschied von RosenthalBielatal Anja Oehm wünscht dem stets aufrechten Peter Tschirch, der stets das Beste für seinen Ort wollte, einen glücklichen Lebensabend mit gesunder Meeresluft und Ostseewellen

ten Stoff, stutzte, als sie las: „Kommt jeden Tag betrunken unter Absingen schweinischer Lieder nach Hause, liegt in Scheidung ...“ Sie lachte lauthals: „Weißt du was, Peter, die haben dich mit dem, der über uns wohnte, verwechselt! Der kam doch auch aus dem Westen!“ Zerknirscht begriff Peter Tschirch, warum das mit der Karriere nie so richtig geklappt hatte. Nicht, dass er durch Aufmüpfigkeit seinem SED-Ausschluss gerade nochmal so entronnen war, entpuppte sich als Grund, sondern eine unglaubliche Stasiakte ... Eines Tages kam er auf Arbeit und ein Kollege starrte ihn ungläubig an: „Ich dachte du bist tot, ich habe doch heute früh in der Zeitung deine Todesanzeige gelesen!“ Das war die des anderen P. T., der nun seine letzte Ruhe gefunden hatte. Zufälligerweise hieß auch dessen Sohn Uwe. Und wieder hatten die Leute geglaubt, dass er es war. Die Trauernden waren unter anderem die Kollegen einer Wach- und Schließgesellschaft. Das sagte nun alles, denn viele ehemalige Mitarbeiter des MfS fanden zeitweilig keine andere Beschäftigung. „Königsteiner“ werden? 2012 sollte Rosenthal-Bielatal innerhalb weniger Tage nach Königstein eingemeindet werden. Die das initiierten, wollten wahrscheinlich nur das Beste und versprachen sich einen Schub für die Gemeinde. Allerdings wollten sie die Bürger gar nicht erst mitreden lassen. Wir machen das schon für euch, vertraut uns ... Peter Tschirch, der schon immer ein sehr unbequemer Geist war, war das der Demokratie zu wenig und er hinterfragte auch: Übernehmen wir dabei die Schulden von Königstein? Gerät unsere Schule in Gefahr? Welches Mitspracherecht haben wir dann noch? So ein Schnellschuss ging in seinen Augen gar nicht!

Ministeriums für Staatssicherheit veröffentlicht worden und Peter Tschirch hatte auf einmal Problem. Denn sein Vor- und Nachname fand sich dort mit hohem Dienstgrad und entsprechendem Gehalt wieder. In aller Augen war er auf einmal ein Stasi-Offizier! Wie sollte er allen beweisen, dass er das nicht war, auch weil das Geburtsdatum um zwei Jahre von seinem abwich? In seiner Not bat er sogar Pfarrer Gün-

ter Hartmann um Rat. Um falsche Verdächtigungen nicht im Raum stehen zu lassen, beantragte Peter Tschirch Akteneinsicht. Das Ergebnis lautete: Es gibt keine Täterakte, er hatte nur einen Namensvetter. Aber: Es gebe da eine Opferakte! Gegen ein Entgelt könnte er sich die Seiten kommen lassen. Er investierte das Geld. Seine Heidemarie griff zuerst nach dem brisan-

Mit anderen gründete er ein überparteiliches Bündnis, das Unterschriften für ein Bürgerbegehren zu einem Bürgerentscheid sammelte. Innerhalb kürzester Zeit kamen die nötigen Unterschriften zusammen und dann gingen die Bürger an die Wahlurne. Eine haushohe Mehrheit wollte nicht „Königsteiner“ werden. Die Sächsische Zeitung verpasste dem kleinen Mann mit dem großen Mut, der dem Ringen um den Erhalt der Eigenständigkeit RosenthalBielatals sein Gesicht gegeben hatte, den ehrenvollen Titel „Vater Courage“. Bis heute hat der Ort einen eigenen Bürgermeister und Gemeinderat. Und an den Ortsschildern steht nicht: Königstein – Ortsteil Rosenthal oder Ortsteil Bielatal. Nun hat sich Peter Tschirch gemeinsam mit seiner Frau Heidemarie verabschiedet. Bis vor zwei Jahren hat der damals 78jährige Familienmensch noch im eigenen Haushalt liebevoll seine 92jährige Schwiegermutter gepflegt und sie im Rollstuhl spazieren gefahren. Die Tschirchs lieben den Ostseestrand und Peter verspricht sich Besserung für seine von der Unter-Tage-Arbeit mitgenommene Lunge.


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Jugend

TROTZ[T] ALLEDEM! – Jetzt erst recht. Gedanken zum Ausgang der Landtagswahl von Daniel Peisker Die Verkündung des katastrophalen Wahlergebnisses liegt wenige Tage zurück und steckt uns allen noch tief in den Knochen und vieles wird in respektvollem Miteinander aufzuarbeiten sein. Wir bemühen uns derweil lieber um ein erstes kleines Fazit zu unserer Jugendkampagne: Im Herbst 2018 hat sich das Wahlkombinat, das sich um unsere sechs jungen Kandidierenden Anna, Paul, Jenny, Jakob, Pauline und Daniel und unsere Wahlkampfkoordinatorin Nele gesammelt hat, zusammengefunden. Viele regelmäßige Treffen fanden seitdem statt - persönlich, in Telefon- und Videokonferenzen, als Großgruppe und in insgesamt vier Arbeitsgemeinschaften. Wir haben ein Landesjugendwahlprogramm verfasst, das sich auf Grundlage unseres neuen Grundsatzprogramms aus dem letzten Jahr auf sechs Kampagnenschwerpunkte beschränkt: Antifaschismus, Bildungspolitik, Mitbestimmung &

Demokratie, Feminismus, „Stadt, Land, Mobilität“ sowie Innere (Un-)Sicherheit. Da es uns wichtig ist, möglichst vielen jungen Menschen unsere Ideen und Ansichten zugänglich zu machen, gibt es das Programm auch als Hörfassung bei diversen Plattformen (Spotify, YouTube, Soundcloud, Deezer), übersetzt in englischer Sprache sowie als bebilderte Version in leichter Sprache. Zu den sechs Themen haben wir Sticker und Plakate erstellt, auf deren Rückseite die Programmtexte abgedruckt waren – doppelte Nutzung quasi. Dazu haben wir weitere Wahlkampfgimmicks erstellt, die uns richtiggehend aus den Händen gerissen wurde. Von kleinen Bonbondosen („Süß wie der Sozialismus“) über Longpapes („Grün rauchen, rot wählen“) bis hin zu Aufnähern und Klebetattoos mit politischen Botschaften (die tatsächlich der Bringer sind, wenn es darum geht, mit Menschen ins Gespräch zu kommen).

Die fünf Wochen vor der Landtagswahl waren wir quasi ununterbrochen auf Tour durch alle 13 Landkreise und kreisfreie Städte Sachsens und haben dies auch kontinuierlich in den sozialen Medien begleitet. Wir waren auf Festivals, Skateparks, Marktplätzen, Demonstrationen, Straßenfesten, bei Skateanlagen und Jugendhäusern und manchmal sind wir auch schlichtweg materialverteilend durch die Dörfer gezogen. Und egal ob in Dippoldiswalde, Weißwasser, Bischofswerda, Meißen, Brand-Erbisdorf, Geithain, Plauen, Schneeberg, Remse, Torgau oder einer der anderen vielen kleineren und größeren Städten, die wir besucht haben: Überall konnten wir gute Gespräche mit engagierten jungen Menschen führen, interessante Einblicke gewinnen und haben viel positives Feedback für unser Engagement und unsere politischen Ansätze bekommen. Und dafür, dass wir uns für ihre Sorgen und Nöte interessieren und sie

zur Beteiligung einladen, auch wenn sie noch keine 18 Jahre alt sind. Aus diesem Grund bin ich der festen Überzeugung, dass sich all unser Engagement am Ende auszahlen wird und überhaupt nichts umsonst war, auch wenn sich dies im Wahlergebnis gerade nicht unbedingt wiederspiegelt. An dieser Stelle auch ein herzliches Dankeschön an alle Genoss_innen, die uns bei der Planung und Umsetzung unterstützt haben – alles in allem war es eine großartige Zeit. Bei allem Ärger und Unverständnis, den das Wahlergebnis mit sich bringt, gilt es nun nach vorn zu schauen. Die Mehrheit der Erstwähler_innen hat ihre Stimme an eine der R2G-Parteien gegeben – sie sind die Altersgruppe, in denen uns (nach den Menschen Ü60) die meisten Wähler_innen ihre Stimmen gegeben haben. Auch das gibt Hoffnung und damit können wir arbeiten. Es gilt also: Schütteln, reflektieren, weitermachen. Trotz alledem und mehr denn je!

Bildungsreise nach Österreich In Österreich hat sich mit der FPÖ eine rechtspopulistische Kraft entwickelt, die das Klima weit nach rechts verschoben hat. Bis vor kurzem regierte zum zweiten Mal das Bündnis von ÖVP und FPÖ. Um einen besseren Einblick in das politische System und die Geschichte des Landes zu erhalten, reisten wir zu zwölft im Juli 2019 nach Österreich. Das erste Ziel war Linz, die Landeshauptstadt von Oberösterreich. Während unseres dreitägigen Aufenthaltes erhielten wir bei einer Stadtführung eine Übersicht über die Stadtgeschichte. Mit dem knappen und überteuerten Wohnungsmarkt und alternativen Lösungen wurden wir bei einem Besuch im Willy*Fred vertraut gemacht.

Die letzte Station unserer Reise war, nach einer dreistündigen Busfahrt durch die malerische Bergwelt Österreichs, Wien. Den ersten Abend nutzten wir für einen Stadtbummel und ein Getränk im Ernst-Kirchweger-Haus, einem (ehemals) besetzten Haus mit wechselvoller Geschichte.

Am 8. Juli setzten wir uns mit schockierender Geschichte bei einem Rundgang durch das KZ Mauthausen auseinander. Vor der Weiterreise nach Graz entdeckten wir noch die Welt der digitalen Revolution im Museum der Zukunft, im Ars Electronica Center.

Diesmal zu einem Aufkleber der Linksjugend Sachsen, der unter anderem eine Frau mit Kopftuch zeigt.

Den zweiten Teil der Reise verbrachten wir in Graz, der Hauptstadt der Steiermark. Sowohl Graz als auch die Steiermark zeichnen sich durch überdurchschnittlich gute Wahlergebnisse für die Kommunistische Partei Österreichs aus. Nach einem Stadtrundgang samt Verkostung steirischen Weins trafen wir uns mit Gemeinderät*innen der KPÖ Graz. In Graz stellt die KPÖ ihren größten Klub (= Fraktion) mit zehn Gemeinderät*innen. Im Klubhaus der KPÖ im Rathaus konnten wir ein interessantes Gespräch mit Klubobmann Manfred Eber und weiteren Genoss*innen führen. Darüber hinaus haben wir uns mit Mitgliedern der Jungen Linken verabredet. Mit ihnen haben wir einen Vortrag über die christlichfundamentalistische Szene Österreichs gehört.

Der Freitag begann mit einer Tour durch die Stadt, die in einer Besichtigung

Streitend schreiten wir voran

Contra Das Kopftuch steht für patriarchale Unterdrückung. Es soll nach annähernd allen islamischen Glaubensrichtungen den Schmuck der Frau bedecken, um keine Begehrlichkeit der Frau als Objekt zu wecken [Sure 24, Vers 31]. Demgemäß ist es eines feministischen Jugendverbandes schlicht unwürdig, dieses Unterdrückungssymbol als Werbung zu verwenden. Global kämpfen hunderttausende muslimische Frauen gegen den Zwang ihrer Männer, der islamischen Gemeinschaft und des Staates, das islamische Kopftuch zu tragen, es ist eben keine freie Wahl. Im Iran riskieren diese mutigen Menschen teilweise ihr Leben. Es ist daher das Gegenteil internationaler Solidarität, wenn westeuropäische Linke dieses Symbol als eines für Weltoffenheit und Freiheit verkaufen. • Niklas David Gießler

des österreichischen Parlamentes – in der Hofburg – mündete. Der Nachmittag stand im Zeichen der Wiener Hausbesetzer*innenbewegung. Zuerst statteten wir der „Pankahyttn“ einen Besuch ab, welche ein ehrenamtliches Archiv der Bewegung führen. Die zweite Station war das Amerlinghaus, das am längsten besetzte Haus Wiens, welches inzwischen ein städtisch gefördertes Kulturzentrum ist und Raum für Grup-

pen aller Art bietet. Den Abend ließen wir mit Genoss*-innen der Jungen Linken bei einem „Heuriger“ (Weinabend) ausklingen.

Pro

freie Entscheidung dafür nicht legitim ist. Die Reduktion des feministischen Kampfes auf die Kopftuchfrage ist eine sehr westliche Perspektive. Dadurch werden drängendere Probleme – etwa der Umstand, dass Frauen im Iran ihr Leben lang einen männlichen Vormund brauchen – nicht thematisiert. Das Kopftuch steht auch nicht allein auf dem Sticker. Es ist eines von vielen Symbolen für Vielfalt. • Nele M. Werner

Das Kopftuch ist ein Symbol mit verschiedenen Bedeutungen. Eine neue Generation von feministischen Musliminnen eignet es sich gerade selbstbewusst an. Für sie steht es für Glauben und Selbstbestimmung. Freiheit bedeutet, die Entscheidung für oder gegen ein Kopftuch treffen zu können. Dass etwa im Iran ein KopftuchZwang herrscht, heißt nicht, dass eine

Am letzten Tag starteten wir mit einer Stadtführung zum Roten Wien in den Karl-Marx-Höfen. Ein Genosse der Jungen Linken erklärte uns die (Stadt-)Politik der SPÖ in den 1920er Jahren. Dann folgten Freizeit und ein Abendessen.


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DIE LINKE im Europäischen Parlament

Klimakrise anpacken – Arbeitsplätze schaffen!

EUROPEAN UNITED LEFT /  NORDIC GREEN LEFT EUROPEAN PARLIAMENTARY GROUP

Cornelia Ernst und Manuela Kropp wollen Ursula von der Leyen in die Pflicht nehmen In ihrer Bewerbungsrede als Kommissionspräsidentin vor dem Europaparlament am 16. Juli 2019 forderte Ursula von der Leyen, die EU-Ziele zur Senkung der Treibhausgase von derzeit 40 Prozent auf 50 Prozent bis 55 Prozent zu erhöhen. So löblich diese Forderung ist, um in die Nähe der Pariser Klimaziele zu kommen: Sie enthält ein Schlupfloch. Es klang durch, dass die EU diese vermehrten Anstrengungen nur unternehmen würde, wenn auch andere Staaten außerhalb der EU mitziehen. Heißt auf Deutsch: Wir machen nur was, wenn auch andere was machen. Das ist kontraproduktiv, und die Chinesen zeigen, wie es geht: Sie investieren massiv in erneuerbare Energien, schaffen Arbeitsplätze und erwerben sich Wissen über Zukunftstechnologien, das ihnen noch in Jahrzehnten nützlich sein wird.

Jahren für solch einen Fonds, und wir nehmen von der Leyen beim Wort und lassen nicht locker. Dass dringend gehandelt werden muss, dürfte mittlerweile jedem klar sein, denn der Klimawandel ist nun auch bei uns in Europa spürbar: In Deutschland war 2018 das trockenste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Die Ernteausfälle waren empfindlich hoch, besonders in Ostdeutschland und Norddeutschland. Die Benzin- und Heizölpreise schossen in die Höhe, weil der Pegel der Wasserstraßen zu niedrig war und sie deshalb von Tankschiffen nicht befahren werden konnten. Umso dringender müssen wir europaweit die Hauptquellen der Treibhausga-

se angehen: die Energieerzeugung und den Verkehrssektor. Es ist gut, dass Deutschland bis 2038 aus der Kohleverstromung aussteigen wird, auch wenn ein Ausstieg 2030 besser fürs Klima wäre. Und es ist gut, dass der Bund 40 Milliarden Euro für die vier Kohleregionen in Deutschland bereitstellt. Aber es muss klar sein, dass damit auch tatsächlich zusätzliche Maßnahmen bezahlt werden und nicht einfach Dinge, die man in den letzten Jahren eingespart hat. Denn der Ausbau der erneuerbaren Energien geht viel zu langsam voran und ist sogar durch Gesetzesänderungen auf Bundesebene abgebremst worden. Die Produktion von Solarzellen wurde in Deutschland erst gefördert, dann aus-

Foto: European Parliament from EU / Wimimedia Commons / CC BY 2.0

Nein, die EU darf nicht warten, sondern wir müssen mit der Energie- und Verkehrswende Arbeitsplätze schaffen und dabei Technologien entwickeln, die uns auch in Zukunft hochwertige, gut bezahlte Industriearbeitsplätze sichern. Immerhin hat sich Ursula von der Leyen für einen sog. „Just-Transition-Fonds“ ausgesprochen – also für einen europäischen Fonds, der für die Kohleregionen in der EU Mittel bereitstellt, um den Strukturwandel zu bewältigen. Unsere linke Fraktion im Europaparlament GUE/NGL kämpft seit

gebremst, und nun ist diese Industrie samt Arbeitsplätzen von Ostdeutschland nach China abgewandert. Das Gleiche droht in der Produktion von Windrädern, denn die Bundesregierung spart hier nun auch an Subventionen. Damit werden Arbeitsplätze vernichtet und der Kampf gegen den Klimawandel konterkariert. Im Rest der EU sieht es auch nicht viel besser aus: Vor einigen Wochen schrieb die europäische Kommission, dass nur ein Drittel der Mitgliedstaaten überhaupt genug tut, um die EU-Ziele bei Treibhausgasen und Erneuerbaren für 2030 zu erreichen (Deutschland war nicht darunter). Auch im Verkehrsbereich brauchen wir die Wende mit einem drastischen Ausbau des ÖPNV und des Fernverkehrs auf der Schiene. Kürzlich hat die Sächsische Städtebahn völlig überraschend ihren Betrieb eingestellt, aufgrund von Streitigkeiten mit der DB Netz um die Instandhaltung der Trassen. Das geht natürlich in die völlig falsche Richtung: Das Bahnnetz muss ausgebaut werden, wir brauchen eine engere Taktung im ÖPNV und im Fernverkehr, eine europäische Koordinierung der Fernstrecken und natürlich eine Absenkung der Ticketpreise. Dies würde ländliche Regionen für junge Menschen und Facharbeiter wieder attraktiver machen, Arbeitsplätze vor Ort schaffen und auch den Klimawandel bekämpfen.

Auf geht’s – und zwar gemeinsam! So, nun haben wir die erste Kommissionspräsidentin. Sie passt zu den verkorksten Europawahlen, in deren Folge sie als Notnagel aus Macrons Weste gezogen wurde. Etwa zeitgleich erreichte der Postenschacher in der Linksfraktion GUENGL den Siedepunkt. Wie durch ein Wunder wurde eine Doppelspitze mit Manon Aubry und Martin Schirdewan als Vorsitzende gewählt. Martin Schirdewan war Spitzenkandidat der LINKEN. Manon Aubry führte die französische Liste von Melenchons La France insoumise an, eine Partei, die erst vor kurzem Syriza aus der Europäischen Linken (EL) werfen wollte, und, als das nicht klappte, die EL verließ. Noch vor Monaten hätte dieses Duo niemand für möglich gehalten. Aber manchmal hilft Zeit und Reden. Manon, die jüngste unserer Abgeordneten, hatte die Idee, einen Anforderungskatalog der neuen Kommission vorzulegen. Sie legte nicht nur vor, sondern schloss Kompromisse, hörte zu, dachte mit. Und die neuen französischen Abgeordneten waren be-

reit, alte Konflikte aufzulösen und den Streit mit Syriza zu begraben. Melenchon sicherte Gregor Gysi zu, wieder in die EL zurückzukehren. Ende gut, alles gut? Vielleicht. Eine engere französisch-deutsch-griechische Zusammenarbeit tut uns jedenfalls gut. Eine zweite gute Nachricht ist, dass bislang in den meisten Ausschüssen die Wahl von Abgeordneten der Fraktion „Identität und Demokratie“ sowie der Fidesz-Partei, die weiterhin Mitglied der EVP ist, für Ausschussposten verhindert wurden. Die dritte gute Nachricht ist, dass in einigen Ausschüssen die bisherigen Mitte-LinksBündnisse weiter stehen, wie im Innenausschuss LIBE, wo es uns gelang, für September Carola Rackete zur Anhörung in den Ausschuss einzuladen. Dennoch wird es in diesem Parlament schwerer, progressive Mehrheiten zu entwickeln. Fast 60 Prozent der Abgeordneten sind neu. Die Erfahrenen sind daher eine feste Bank, das spürt man überall, besonders wenn es um Entscheidungen in Ausschüssen und im Plenum geht.

Ich werde weiterhin im Innenausschuss sein, als Koordinatorin (Obfrau) unserer Fraktion. Von acht Abgeordneten unserer Fraktion sind sechs neu. Sie bringen viel Elan und Ideen mit. Zentrale Themen sind Asyl- und Migrationspolitik, die in der europäischen Politik große Bedeutung hat. Wir werden im September als Fraktion die Balkanroute aufsuchen und planen Besuche in griechischen Hotspots. Wir fordern, dass Frau von Leyen das vom Europaparlament vor zwei Jahren beschlossene Asylpaket zur Dublin-Reform im Rat verhandelt, so wie es die Verträge vorsehen. Dieser Gesetzesvorschlag bietet eine echte Lösung für alle Beteiligten, Mitgliedsstaaten und Geflüchtete. Neben Asylpolitik werden Datenschutz sowie innere Sicherheit ein Schwerpunkt sein, der moderne linke Antworten braucht. Im Industrieausschuss, in dem ich seit 2014 Stellvertretendes Mitglied bin, werde ich, um regionale Interessen (Kohleausstieg) vertreten zu können, auch weiterhin Fragen der Energieunion bearbeiten. (Europaweit gibt es 41 Kohleregionen.). In den letz-

ten fünf Jahren ist es uns gelungen, uns innerhalb der Partei zur Frage des Braunkohleausstiegs bundesweit zu vernetzen. Neben Abgeordneten aus Landtagen und Bundestag sowie dem EU-Parlament machen Vertreterinnen und Vertreter des Parteivorstands sowie der Rosa-Luxemburg-Stiftung mit. Wir entwickeln Ideen zum sozialverträglichen Kohleausstieg, was bisher keine Partei macht. Wir haben ein erstes Standpunktpapier erarbeitet und wollen uns direkt in die aktuellen Debatten zur Energiewende einschalten. Das ist eine Riesenaufgabe, die ich mit dem, was auf EP-Ebene geschieht, kritisch begleiten will. Und last but not least werde ich aller Voraussicht Chefin der Irandelegation sein, die interparlamentarische Beziehungen zu iranischen Vertreterinnen und Vertretern entwickelt. Das ist kein Zuckerschlecken, aber ich bin seit 2009 in dieser Delegation und weiß um die Probleme, die uns in nächster Zeit wohl einiges abverlangen werden. • Cornelia Ernst


Sachsens Linke! 9/2019

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Gedanken zu Landtagswahl und Wahlkampf Notiert bereits im August von Simone Hock „Erledigt“ steht schon seit dem 12. August hinter dem Punkt „Wählen“ auf meiner To-Do-Liste. Ich mache Briefwahl und zwar schon seit einigen Jahren. Warum? Weil es Freiraum schafft und Sicherheit gibt, dass man auch im Krankheitsfall die Wahl nicht versäumt. Und ich scheine nicht zu einer Minderheit zu gehören. Denn der Anteil der BriefwählerInnen steigt. Die Gründe sind vielfältig: Man möchte unabhängig vom Termin bleiben, spontan die Zeit verbringen können, hat Urlaub gebucht oder etwas anderes vor etwa mit der Familie, oder oder oder … Was ich vermisse, sind konkret Kampagnen und sonstige Angebote, die sich an die BriefwählerInnen richten. Wenn wir drei Wochen vor der Wahl in die heiße Wahlkampfphase starten, hat sich das Thema für die meisten Briefwähler längst erledigt. Wir erreichen sie nicht mehr, also bräuchte es eine Briefwahlkampagne, die der üblichen Straßenwahlkampfphase vorgeschaltet ist. Warum machen wir das nicht? Im Programm unserer Partei steht, dass wir als LINKE einen demokratischen Sozialismus wollen. Soweit so gut. Doch wo ist die innerparteiliche Debatte, was wir als Partei darunter verstehen (wollen) und auf welchem Weg wir ihn erreichen wollen und können? Auf Landesebene wird das nicht funktionieren, also ein Bundesthema. Gewählt für fünf Jahre lassen sich einige Dinge auf den Weg bringen, doch nicht abschließend umsetzen und es ist zu befürchten, dass die Menschen bei der nächsten Wahl anders entscheiden, weil ihnen zu wenig passiert ist. Und dann? Wie kommunizie-

ren wir, was wir wie auf dem Weg zu einem demokratischen Sozialismus verändern und umsetzen wollen? Oder besser, warum versuchen wir nicht endlich einen solchen „Fahrplan“ zu erarbeiten, eine Vision zu entwickeln, wie wir uns eine Gesellschaft mit Namen „Demokratischer Sozialismus“ vorstellen und was das für den Einzelnen bedeuten würde? Oder ist diese Debatte in den letzten Jahren komplett an mir vorbeigegangen? Stattdessen zum Wahlkampfauftakt Großflächen mit „Sozialismus“ drauf, etwas kleiner findet sich dann auch

das Wort demokratisch. Im 30. Jahr der Grenzöffnung, in dem die Unzulänglichkeiten, Fehler und Verbrechen des real existierenden Sozialismus in der DDR und dem Ostblock in aller Munde sind, löst das natürlich Assoziationen und Reaktionen aus und provoziert die Frage: Und wie stellt ihr euch das vor? – Gute Frage, die De-

batte zum Thema im Vorfeld wäre von Vorteil gewesen. Die begleitende Onlinekampagne „demokratischer Sozialismus ist für mich …“ ist online nicht schlecht, nur erreicht sie einen großen Teil der Menschen nicht, nämlich jene, die eben nicht in den sozialen Netzwerken unterwegs sind. Die bleiben mit Kopfschütteln und Fragen und unschönen Erinnerungen zurück. Naja ... Und um ehrlich zu sein, von der Großfläche fühlte ich mich dann auch ziemlich überrumpelt, als sie plötzlich dastand gut sichtbar für mich und viele andere auf dem Weg zum Sonntagsgottesdienst. Meine Begeisterung,

das sage ich ganz ehrlich, hielt sich ziemlich in Grenzen. Dass man eine „Tante-Emma-Laden“Tour im ländlichen Raum macht – gute Idee. Aber warum haben wir das nicht als Kampagne über ein Jahr geführt und aufgebaut mit dem Höhepunkt jetzt im Wahlkampf? Hätte man da-

mit nicht viel mehr Menschen gerade im ländlichen Raum erreichen können als jetzt mit einer Wahlkampftour, die logischerweise nicht alle Ecken abdecken kann? Zumal es zum Teil auch in mittleren Städten Probleme mit der Nahversorgung geben kann, wenn plötzlich der einzige Lebensmittelladen in einem Wohngebiet dicht macht. Je nach Einwohnerstruktur kann das zu ähnlichen Problemen führen wie im ländlichen Raum. Abschließend noch eine Bemerkung zu den Plakaten. Die Idee, mit ungewöhnlichen Worttrennungen aufzufallen, ist definitiv gelungen. Soweit so gut. An Haltestellen, in Fußgängerzonen usw. – perfekt. Da haben die Leute auch Zeit, sich das in Ruhe anzuschauen. An der Straße finde ich das eher ungünstig. Ich war viel mit dem Bus unterwegs und musste mich somit nicht auf die Verkehrssituation konzentrieren. Dennoch hatte ich arge Probleme, den Inhalt der Plakate beim Vorbeifahren zu erfassen. Bis zum Wahlsonntag sind es noch ein paar Tage und ich hoffe auf ein besseres Ergebnis als aktuelle Prognosen es befürchten lassen. Und ich hoffe und erwarte, dass wie gleich wie das Ergebnis ausfallen wird, im Nachgang eine ehrliche und konstruktive Debatte zum Wahlausgang führen und schauen, welche Konsequenzen sich ergeben und was es zukünftig anders, besser zu machen gilt aber natürlich auch, was gut gelaufen ist. Und bitte, lasst uns endlich die längst überfällige parteiinterne Debatte zu unserer Vision eines demokratischen Sozialismus führen, bevor wir ihn wieder auf Plakate schreiben!

Klimaschutz hat keine Ferien

Kreativ und phantasievoll war der Protest gegen die fossil dominierte Geschäftspolitik der Energiekonzerne und der regierenden Politik. Einer ihrer Sprechchöre lautete: Wir sind hier wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft versaut. Gefordert wurde ein rascher Kohleausstieg. Anwesend waren Teilnehmer aus Ortschaften, die der Kohle weichen sollen, wie Proschim. Auch aus Sachsen war eine Dame von acht-

zig Jahren angereist. Mit ihrem Engagement offenbarte sie mehr Verantwortungsbewusstsein für die Bewahrung der Schöpfung als mancher Ministerpräsident mit christlich-abendländischem Hintergrund. So ging es nach einer Kundgebung von der hiesigen Lu-

therkirche zum Verwaltungsgebäude der Lausitz Energie Verwaltungs GmbH (LEAG). Dort wurde Fridays for Future von „energiegeladenen“ betrieblichen Sicherheitsorganen sowie von Interessenvertretern einer verkohlten No Future Generation für unsere Welt schon

Foto: René Lindenau

Am 26. Juli machten Schülerinnen und Schüler von Fridays for Future Station in Cottbus, dem einstigen Kohle- und Energiebezirk. Seit mehr als 30 Wochen streiten sie dafür, dass Politik und Wirtschaft reagieren, um die Klimaschutzziele zu erreichen und gegen den Klimawandel vorzugehen. Denn die heutigen Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft sind dabei, die Zukunft der heutigen Schülergeneration zu verspielen. Deshalb war es auch folgerichtig, dass sie ihren Protest und ihren Unmut auf die Straßen der Lausitzer Kohleregion getragen haben und weiterhin tragen werden. Weitere Aktionen sind geplant. Bis jene Schläfer endlich aufwachen!

erwartet. Ein Dialog, wie von den LEAGVertretern offensichtlich angestrebt, kam nicht zustande, zu destruktiv deren Haltung. Man denke an die bunten Fähnchen mit denen die Fassaden des Firmengebäudes zugehängt waren. Empfangen wurde man beispielsweise mit Hinweisen: ihr demonstriert, wir liefern, eure Handys laufen mit unserem Strom, Einsparungen beim CO2 und die Energiewende ginge nur mit uns. Jetzt – wo man sie dreißig Jahre verschlafen hat. Man verschwieg auch, dass Handys auch mit Strom aus sauberen Quellen betrieben werden können. Ein Zauberwort wäre ein Energiemix mit dem Vorrang von erneuerbaren Energieträgern – aber da muss man auch mal über die eigenen Grenzen hinaus schauen. Doch die LEAG war nicht einmal imstande, den friedlichen Widerstand gegen ihre kohlebasierte Unternehmenspolitik an der Vorderseite ihrer Zentrale zu dulden, sodass die Protestierenden auf die weniger frequentierte hintere Fassadenseite abgeschoben wurden. Es bleibt noch viel zu tun! • René Lindenau


Kommunal-Info 7-2019 3. September 2019

Online-Ausgabe unter www.kommunalforum-sachsen.de

Grundsteuer Die Mär von der Grundsteuer-Abzocke muss enden

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Seminare im Herbst Das KFS bietet zwei Grundlagenseminare an: zum kommunalen Haushalt und zum Jugendhilfeausschuss

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Bürgerbeteiligung Eine neue kostenlose Software namens Consul für Bürgerbeteiligung

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Der Gemeinderat

Kompetenzen und Rechtsstellung Nach den Kommunalwahlen am 26. Mai dieses Jahres haben sich mittlerweile die neuen Gemeinde- und Stadträte sowie die Kreistage konstituiert. Manche der in diese Gremien Neugewählten werden sich jetzt vielleicht fragen, welche Kompetenzen denn dem Gemeinderat, dem Stadtrat oder dem Kreistag im kommunalen Gefüge zufallen. In § 1 der Sächsischen Gemeindeordnung (SächsGemO) werden der Gemeinderat und der Bürgermeister als die Organe der Gemeinde benannt. Analog sind nach § 1 der Sächsischen Landkreisordnung (SächsLKrO) der Kreistag und der Landrat die Organe des Landkreises.1 § 1 Abs. 4 der SächsGemO nennt den Gemeinderat und den Bürgermeister als die Organe der Gemeinde. Das sächsische Kommunalsystem beruht auf dem Modell der süddeutschen Ratsverfassung. Danach hat neben dem Gemeinderat auch der Bürgermeister eine eigene Organstellung mit gesetzlich geregelten Zuständigkeiten. Hinzu kommt: sowohl Gemeinderat wie Bürgermeister gehen aus direkten Wahlen der Gemeindebürgerschaft hervor. Doch zwei wesentliche Eigenschaften kommen nach § 27 SächsGemO allein dem Gemeinderat zu: er ist die Vertretung, das Repräsentativorgan, aller Wahlberechtigten der Gemeinde (Bürgerinnen und Bürger einschließlich der EU-Bürger); er ist das Hauptorgan der Gemeinde.

Volksvertretung Die herausgehobene Stellung des Gemeinderats resultiert zunächst daraus,

dass er die Volksvertretung auf Gemeindeebene darstellt. Nach Art. 28 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) muss das Volk in den Gemeinden eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Weiterhin wird in Art. 86 Abs. 1 der Sächsischen Verfassung (SächsVerf) bestimmt, dass in den Gemeinden das Volk eine gewählte Vertretung haben muss. Von der im GG und der SächsVerf vorgesehenen Möglichkeit, an die Stelle einer gewählten Vertretung die Gemeindeversammlung treten zu lassen, wurde in der SächsGemO auch für kleine Gemeinden kein Gebrauch gemacht. Als die politische und demokratisch legitimierte Vertretung des Gemeindevolkes „bildet der Gemeinderat das verkleinerte Abbild der in der Gemeinde bestehenden politischen Gruppen und Überzeugungen. Er bildet das Forum, in dem die verschiedenen politischen Kräfte und Strömungen aufeinandertreffen und in dem das politische Leben in der Gemeinde gestaltet wird und im Namen der Bürgerschaft die wichtigen Entscheidungen getroffen werden.“2

Hauptorgan und Vorrangstellung Als Hauptorgan der Gemeinde kommt ihm eine kommunalpolitische Vorrangstellung zu: er ist das zentrale Entscheidungsgremium der Gemeinde und bestimmt die „Richtlinien der Gemeindepolitik“. Seinen gesetzlichen Niederschlag findet das in den unter § 28 SächsGemO dem Gemeinderat zugewiesenen Aufgaben, insbesondere: der Zuständigkeitsvermutung für alle

Aufgaben, soweit dafür nicht der Bürgermeister zuständig ist; der Festlegung der Grundsätze für die Verwaltung der Gemeinde; den Überwachungs- und Kontrollrechten: Der Gemeinderat überwacht die Ausführung seiner Beschlüsse und sorgt beim Auftreten von Missständen in der Gemeindeverwaltung für deren Beseitigung durch den Bürgermeister; den Mitwirkungsrechten bei Personalentscheidungen: so entscheidet der Gemeinderat im Einvernehmen mit dem Bürgermeister über die Ernennung, Einstellung, Höhergruppierung und Entlassung der Gemeindebediensteten sowie über die Festsetzung von Vergütungen, auf die kein Anspruch auf Grund eines Tarifvertrags besteht.

Grundsatzkompetenz Nach § 28 Abs. 1 bestimmt der Gemeinderat die Richtlinien der Gemeindepolitik, indem er die „Grundsätze für die Verwaltung der Gemeinde“ festlegt. Was darunter zu verstehen ist, wird in der SächsGemO nicht näher bestimmt. „Die Einflussmöglichkeiten des Gemeinderats müssen einerseits weit genug sein, damit der Gemeinderat seine Stellung als Führungsorgan erfüllen kann… Schließlich ist bei der Abwägung zu berücksichtigen, dass auch Gemeindepolitik in ihren Grundzügen einheitlich gestaltet werden muss und nicht durch unterschiedliche planerische oder konzeptionelle Vorstellungen zerrieben werden darf. Zu den Verwaltungsgrundsätzen zählen folglich die grundsätzlichen Leitlinien, mit

denen der Gemeinderat Vorgaben über Programm, Planung und Gestaltung des Gemeindehandelns macht, und mit denen er seine grundsätzlichen kommunalpolitischen Zielsetzungen definiert.“3 Beispiele für solche Richtlinien sind: konzeptionelle Planungen für die Stadtentwicklung und den Stadtumbau; Richtlinien für die Vermietung von gemeindeeigenen Wohnungen an bestimmte, zu bevorzugende Personengruppen; Grundsätze für die Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen oder Kriterien für die Vermietung gemeindeeigener Versammlungsräume. Der Bürgermeister hat die vom Gemeinderat aufgestellten „Grundsätze für die Verwaltung“ zu beachten und ist insoweit in seiner Befugnis zur Leitung der Geschäfte eingeschränkt. Umgekehrt darf der Gemeinderat dem Bürgermeister auch keine Einzelweisungen in dessen Zuständigkeitsbereich erteilen. Ein solches Eingriffsrecht ist mit der Grundsatzkompetenz im Wortsinne unvereinbar und widerspricht der innergemeindlichen Kompetenzverteilung und Machtbalance zwischen Gemeinderat und Bürgermeister. Ebenso besitzt der Gemeinderat keine innere Organisationsbefugnis. Hierzu zählen u.a. die Gliederung der Gemeindeverwaltung, der Geschäftsverteilungsplan, Geschäfte der laufenden Verwaltung usw. Diese Aufgaben gehören nach § 53 SächGemO in den Zuständigkeitsbereich des Bürgermeisters. Die kommunalpolitische Steue-


Kommunal-Info 7/2019

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rungskompetenz des Gemeinderats zeigt sich außerdem in der ausschließlichen Zuständigkeit für die Beschlussfassung über den Gemeindehaushalt (§ 76 Abs. 2 SächsGemO) und die Finanzplanung der Gemeinde (§ 80 SächsGemO). Der Haushalt als die „in Zahlen gefasste Politik“ enthält vielfache Bindungen und Festlegungen für das künftige gemeindliche Handeln.

angezeigtes Handeln unterlässt oder die Gemeindebediensteten nicht in der gebotenen Weise beaufsichtigt. Der Verstoß muss von Gewicht und einer gewissen Nachhaltigkeit sein. Einmalige oder geringfügige Verstöße stellen keinen Missstand dar. Ebenso kann der Gemeinderat eine Entscheidung des Bürgermeisters nicht allein deshalb rügen, weil er ein anderes Vorgehen für zweckmäßiger erachtet hätte.“5

Überwachungsfunktion

Wichtige personalrechtlichen Entscheidungen wie die Ernennung, Einstellung, Höhergruppierung und Entlassung der Gemeindebediensteten werden einvernehmlich zwischen dem Bürgermeister und dem Gemeinderat getroffen. Das Einvernehmen kann hergestellt werden, wenn der Bürgermeister eine Beschlussvorlage unterbreitet, die der Gemeinderat billigt, oder der Gemeinderat aus dem Kreis der in Betracht kommenden Bewerber eine Person auswählt und den Bürgermeister zur Zustimmung auffordert. Ebenso kann der Gemeinderat dem Bürgermeister auch eine Vorauswahl überlassen und sodann aus dem vom Bürgermeister (vorab) gebilligten Personenkreis seine Entscheidung treffen. Die Erteilung des Einvernehmens muss vom Bürgermeister als Organ erfolgen, kann nicht durch einen Beigeordneten vollzogen werden. Im Falle der Verhinderung des Bürgermeisters ist der allgemeine Stellvertreter zuständig. Kommt das notwendige Einvernehmen nicht zustande, entscheidet der Gemeinderat, wobei eine Mehrheit von zwei Dritteln der anwesenden Stimmberechtigten erforderlich ist (die Stimme des Bürgermeisters mit eingerechnet). Eine nochmalige Entscheidung des Gemeinderats ist auch dann erforderlich, wenn der Gemeinderat bereits seine Wahl mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit getroffen haben sollte, der der Bürgermeister seine Zustimmung versagt hat. Kommen weder ein Einvernehmen noch eine Zwei-Drittel-Mehrheit zustande, kann die geplante Personalmaßnahme nicht getroffen werden.6

Mit dem in § 28 Abs. 3 SächsGemO eingeräumten Überwachungsrecht soll sichergestellt werden, dass der Wille des Gemeinderats unverfälscht vollzogen wird. Die Überwachungsfunktion des Gemeinderats umfasst die Überwachung des Vollzugs der Gemeinderatsbeschlüsse und die Sorge für die Beseitigung von Missständen. Angelegenheiten, die der Bürgermeister in eigener Zuständigkeit erledigt (z.B. Weisungsaufgaben) unterliegen keiner Überwachung durch den Gemeinderat, es sei denn, es liegen Missstände in der Verwaltung vor. Das Kontrollrecht umfasst auch die dem Bürgermeister gesetzlich zugewiesenen Zuständigkeiten und schließt selbst Zweckmäßigkeitsentscheidungen ein, wenn diese zu Missständen führen oder geführt haben. Treten Missstände auf, hat der Gemeinderat dafür zu sorgen, dass diese durch den Bürgermeister beseitigt werden. Ein Missstand liegt dann vor, wenn gesetzliche Vorschriften verletzt werden oder absolut unzweckmäßige Entscheidungen getroffen werden oder gegen die kommunalpolitischen Richtlinien verstoßen wird oder das Fehlverhalten von Mitarbeitern eine ordnungsmäßige Geschäftsabwicklung in Frage stellt.4 „Ein Missstand ist gegeben, wenn die ordnungsgemäße Abwicklung der gemeindlichen Aufgaben und der ordnungsgemäße Gang der Verwaltungsgeschäfte nicht gegeben ist und damit negative Auswirkungen auf das gemeindliche Leben verbunden sind. Es ist nicht erforderlich, dass die Verwaltung insgesamt in Unordnung geraten ist. Mängel hinsichtlich bestimmter Aufgabengebiete oder einzelner Angelegenheiten genügen. Diese Mängel können darauf beruhen, dass der Bürgermeister wiederholt oder in schwerwiegender Weise gegen gesetzliche Bestimmungen (bei Weisungsaufgaben auch gegen rechtmäßig ergangene Weisungen der Rechtsaufsichtsbehörde) verstößt, bei der Ausübung seines Ermessens offensichtlich fehlsame Entscheidungen trifft oder Entscheidungen trifft, die offenkundig unzweckmäßig sind, aber auch, dass er ein eigentlich

Personalentscheidungen

Aufgabenkatalog des Gemeinderats Von erheblicher Bedeutung für die herausgehobene Stellung des Gemeinderats sind die in § 28 Abs. 2 SächsGemO in 21 Punkten aufgezählten Angelegenheiten, die allein in die Entscheidungszuständigkeit des Gemeinderats fallen. Die in diesem Katalog genannten Aufgaben dürfen weder auf einen Ausschuss noch auf den Bürgermeister übertragen werden. Hierzu gehören: 1. die Festlegung von Grundsätzen

für die Verwaltung der Gemeinde, 2. die Bestellung der Mitglieder von Ausschüssen des Gemeinderats, der Stellvertreter des Bürgermeisters, der Beigeordneten…, 3. die Übernahme freiwilliger Aufgaben, 4. Satzungen, anderes Ortsrecht und Flächennutzungspläne, 5. die Änderung des Gemeindegebietes, 6. die Entscheidung über die Durchführung eines Bürgerentscheides oder die Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens, 7. die Verleihung und Aberkennung des Ehrenbürgerrechts, 8. die Regelung der allgemeinen Rechtsverhältnisse der Gemeindebediensteten, 9. die Übertragung von Aufgaben auf den Bürgermeister, 10. die Erteilung des Einvernehmens zur Abgrenzung der Geschäftskreise der Beigeordneten, 11. die Übertragung von Aufgaben auf das Rechnungsprüfungsamt, 12. der Entzug der Leitung des Rechnungsprüfungsamtes…, 13. die Entscheidung der Auswahl des örtlichen Prüfers…, 14. die Verfügung über Gemeindevermögen, das für die Gemeinde von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung ist, 15. die Errichtung, Übernahme, wesentliche Veränderung, vollständige oder teilweise Veräußerung und die Auflösung von Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen sowie die unmittelbare und mittelbare Beteiligung an solchen, 16. ein Haushaltsstrukturkonzept, 17. die Bestellung von Sicherheiten, die Übernahme von Bürgschaften und von Verpflichtungen aus Gewährverträgen und den Abschluss der ihnen wirtschaftlich gleichkommenden Rechtsgeschäfte, soweit sie für die Gemeinden von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung sind, 18. Jahresabschlüsse und Gesamtabschlüsse, Wirtschaftspläne und Jahresabschlüsse der Sondervermögen und Treuhandvermögen, 19. die allgemeine Festsetzung von Abgaben, 20. den Verzicht auf Ansprüche der Gemeinde und die Niederschlagung solcher Ansprüche, die Führung von Rechtsstreitigkeiten und den Abschluss von Vergleichen, soweit sie für die Gemeinde von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung sind, 21. den Beitritt zu Zweckverbänden und den Austritt aus diesen.

Fehlende Parlamentseigenschaft Der Gemeinderat stellt zwar die gewählte Vertretung des Volkes in den Gemeinden dar, ist damit jedoch nicht ein Parlament im staatsrechtlichen Sinne. Auch wenn umgangssprachlich häufig von „Kommunalparlamenten“ die Rede ist und die gewählten Mitglieder kommunaler Vertretungen als „Kommunalabgeordnete“ bezeichnet werden, ist das staatsrechtrechtlich dennoch nicht korrekt. Der Gemeinderat ist deshalb kein Parlament, weil er kein Gesetzgebungsorgan ist, das im System der Gewaltenteilung neben den Organen der

Exekutive und der Judikative steht. Der Gemeinderat ist Organ einer Selbstverwaltungskörperschaft, die insgesamt zur Exekutive zählt und damit auch bei der Rechtssetzungstätigkeit im System der staatlichen Gewaltenteilung dem Bereich der Verwaltung und nicht der Gesetzgebung zuzuordnen ist. Im Unterschied zu Bundestag und Landtag steht beim Gemeinderat das Verwaltungshandeln im Vordergrund. Dagegen sind Bundestag und Landtag als klassische Legislativorgane nur in Ausnahmefällen mit verwaltenden Aufgaben befasst. Der Gemeinderat, der das den Gemeinden durch Gesetz verliehene Satzungsrecht ausübt, wird hierdurch nicht zum Legislativorgan. Die Befassungskompetenz des Gemeinderates ist nun mal auf Angelegenheiten des gemeindlichen Wirkungskreises beschränkt. Die fehlende Parlamentseigenschaft des Gemeinderats kommt auch darin zum Ausdruck, dass die Tätigkeit der Gemeinden durch die Rechtsaufsichtsbehörden des Freistaates überwacht wird (Art. 89, Abs. 1 SächsVerf, § 111 SächsGemO), die ein Teil der Exekutive sind. Für Landtag und Bundestag hingegen wäre es völlig undenkbar, dass sie von einem Organ der Exekutive unter Aufsicht gestellt würden. AG — 1

Die Sächsische Gemeindeordnung (SächsGemO) und die Sächsische Landkreisordnung (SächsLKrO) sind die grundlegenden Gesetze der sächsischen Kommunalverfassung, sie sind für die Gemeinden bzw. für die Landkreise die wesentlichen Gesetze, nach denen diese Selbstverwaltungskörperschaften tätig werden. Wenn in den folgenden Ausführungen die Rechtsstellung und Kompetenzen des Gemeinderats behandelt werden, dann gilt das ebenso für den Stadtrat in Städten sowie für den Kreistag in den Landkreisen, da die SächsLKrO analoge Bestimmungen für die Landkreise enthält. Nur da, wo Besonderheiten für die Landkreise bestehen, wird ausdrücklich darauf eingegangen. 2 Gemeindeordnung für den Freistaat Sachsen. Ergänzbarer Kommentar …, G § 27, Rn. 8. 3 Ebenda, G § 28, Rn. 2. 4 Vgl. Sächsische Gemeindeordnung. Kommentar, Hrsg.: Binus/Sponer/Koolmann, Kommunal- und Schulverlag 2016, S. 120. 5 Gemeindeordnung für den Freistaat Sachsen. Ergänzbarer Kommentar …, G § 28, Rn. 35. 6 Vgl. ebenda G § 28, Rn. 39ff.

Impressum Kommunalpolitisches Forum Sachsen e.V.

Großenhainer Straße 99 01127 Dresden Tel.: 0351-4827944 oder 4827945 Fax: 0351-7952453 info@kommunalforum-sachsen.de www.kommunalforum-sachsen.de Red., Satz und Layout: A. Grunke V.i.S.d.P.: P. Pritscha Die Kommunal-Info dient der kommunalpolitischen Bildung und Information und wird durch Steuermittel auf der Grundlage des von den Abgeordneten des Sächsischen Landtags beschlossenen Haushalts finanziert.


Kommunal-Info 7/201

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Grundsteuer-Abzocke? Steuererhöhungen sind in Kommunen nur noch selten Thema

Fällt dem Staat was Neues ein, muss es wohl ne Steuer sein....das ist landläufig die Meinung vieler Bürger. Doch es gibt einen erheblichen Unterschied zwischen kommunalen Steuern und der Steuerpolitik von Bund und Ländern. Das zeigt eine Studie deutlich. Demnach sind die Kommunen mit Steuererhöhungen auffallend zurückhaltend... Steuererhöhungen sind bei Bürgen bekanntlich so beliebt wie die Krätze. Und so sind die Kommunen bei der Grundsteuer und auch beim Thema Gewerbesteuer durchaus vorsichtig, vor allem vor anstehenden Kommunalwahlen. So wäre eine Meldung an sich, dass die Steuern der Kommunen im vergangenen Jahr weniger stark gestiegen sind, an sich noch nicht erstaunlich. Schließlich fanden im Mai in 10 Bundesländern Kommunalwahlen statt. Ein Blick in die gut 11.000 Kommunen zeigt aber deutlich, dass hier wohl nicht der Grund für die Zurückhaltung liegt. Vielmehr legt eine neue Studie der Beratungsgesellschaft Ernst & Young die Annahme nahe, dass Deutschlands Städte und Gemeinden nur dann die Grund- und Gewerbesteuern erhöhen, wenn sie aus finanziellen Gründen keine andere Möglichkeit mehr haben, etwa weil sie sich in Haushaltssicherungskonzepten befinden. Denn es zeigt sich: Kommunen und Regionen, die wirtschaftlich ordentlich darstehen, neigen so gut wie nie zu Steuererhöhungen. Während etwa im Saarland mehr als jede zweite Kommune vergangenes Jahr die Grundsteuer heraufsetzte, war es in Bayern nicht einmal jede 20. Stadt oder Gemeinde. Ganz ähnlich das Bild bei der Gewerbesteuer: Im Saarland erhöhten 40 Prozent der Kommunen den Satz, in Bayern nur rund 3 Prozent.

Steuererhöhungen sind seltener geworden

Die Zahlen belegen, dass der wirtschaftliche Aufschwung auch die Kommunen erreicht hat, wenn auch finanziell noch nicht so stark, wie Bund und Länder, die unterm Strich mehr Schulden abbauen konnten. Deutschlandweit ging die Grundsteuer laut Studie 2018 in knapp elf Prozent der Städte und Gemeinden rauf, die Gewerbesteuer in gut acht Prozent. Immerhin haben einige Kommunen sie auch gesenkt - allerdings unterm Strich jeweils rund 60 Kommunen. Der Anteil der Kommunen, die ihre Hebesätze erhöhen, geht seit einigen Jahren stetig zurück, und zwar bei beiden Steuerarten. „Die gute Konjunktur hat in den vergangenen Jahren zu einer finanziellen Entlastung der Kommunen und zu sinkenden Schulden geführt“, resümiert EY-Experte Bernhard Lorentz. „Damit nahm der Handlungsdruck bei einigen Kommunen ab, Steuererhöhungen wurden seltener nötig.“

Bandbreite bei den Steuern bleibt sehr hoch

Wie wichtig die beiden Steuern für die kommunale Selbstverwaltung der Städte und Gemeinden sind, zeigt sich auch in der Bandbreite. Sie reichen bei der Gewerbesteuer von einem Hebesatz von 0 (den nach wie vor eine Reihe von Kommunen verlangen) bis zu einem Hebesatz von 1050 Prozent - zu finden im hessischen Lautertal im Odenwald. Die Gemeinde mit gut 7000 Einwohnern hatte ihre Steuer im vergangenen Jahr von gut 600 Prozent auf diesen Wert überhalb der Marke von 1000 Prozent erhöhen müssen. Hintergrund ist eine sehr schlechte finanzielle Lage der Kommune. Bürgermeister Andreas Heun hatte die drastische Erhöhung für den Haushaltsplan 2018 vorgeschlagen und im Gemeinderat durchgesetzt. Auch die Gewerbesteuer wurde damals drastisch erhöht. Schaut man auf die Regionen, so ergibt sich das weiterhin höchste Steuerniveau in Nordrhein-Westfalen. Die im Schnitt niedrigsten Grundsteuern hat Schleswig-Holstein. Unternehmen zahlen derweil durchschnittlich in Brandenburg am wenigsten.

So sieht die Steuerpolitik in den Bundesländern aus

Verhältnismäßig viele Grundsteuer-Erhöhungen gab es 2018 außer im Saarland auch in Mecklenburg-Vorpommern (30 Prozent) und Niedersachsen (19), eher wenige dagegen außer in Bayern auch in Thüringen (5) und Baden-Württemberg (8). Bei der Gewerbesteuer standen hinter dem Saarland ebenfalls Mecklenburg-Vorpommern (23 Prozent) und Niedersachsen (18) ganz oben, am anderen Ende der Skala reihten sich knapp über Bayern Brandenburg (3) und erneut Baden-Württemberg (5) ein. In Euro gerechnet sieht das Bild so aus: Die Einwohner Mecklenburg-Vorpommerns haben 2018 im Schnitt 111 Euro Grundsteuer an ihre Kommune gezahlt. Geringer war die durchschnittliche Pro-Kopf-Belastung nur in Thüringen (109 Euro), Sachsen-Anhalt (107 Euro) und Brandenburg (106 Euro). In den westlichen Bundesländern müssen die Bürger mehr zahlen. In Nordrhein-Westfalen im Schnitt 206 Euro pro Kopf, in Hessen 183 Euro und in Schleswig-Holstein 151 Euro. Dazu muss man sagen, dass die Grundsteuer B in Mecklenburg-Vorpommern sogar am stärksten gestiegen ist - zumindest rein prozentual, nämlich um knapp 10 Prozent. Es folgt das Saarland mit einer deutlichen Erhöhung vor Niedersachsen. Hier legte die Grundsteuer B im Jahresvergleich um gut 7 Prozent zu. Der durchschnittliche Hebesatz beträgt nun 386 Prozent. Auch hier mit erheblichen Schwankungen. Zahlen die Einwohner in Gorleben einen Hebesatz von 250 Prozent, sind es in der Landeshauptstadt Hannover 600 Prozent. Was im Vergleich der Großstädte immer noch moderat ist. Berlin langt mit 810 Prozent zu.

Steuererhöhungen sind eine Gefahr für Kommunen

Freiwillig erhöhen auch laut der Be-

ratungsgesellschaft die wenigsten Kommunen ihre Steuern. Das passiere nur, wenn „sie sich nicht anders zu helfen wissen“, heißt es in der Studie. Ernst and Young betrachtet denn Steuererhöhungen ohnehin als ein zweischneidiges Schwert. „Vielen hochverschuldeten Kommunen in strukturschwachen Regionen blieb in den vergangenen Jahren gar nichts anderes übrig, als zum Teil massiv an der

Steuerschraube zu drehen, um überhaupt die Chance auf einen ausgeglichenen Haushalt zu haben“, erklärt die Beratungsgesellschaft. „Allerdings sank damit auch die Attraktivität der Kommune für Bürger und Unternehmen.“ Es droht also häufig eine Spirale nach unten. (gelesen bei: https://kommunal.de/)

Vorschau auf Seminare Grundlagenseminar

Der kommunale Haushalt vom 11. Oktober 2019, 18 Uhr - 12. Oktober 2019, 16 Uhr Alte Schule e.V., Goldene Höhe 10 01917 Kamenz/OT Cunnersdorf Der kommunale Haushalt oder: wo kommt das Geld her und wo geht es hin? Wer den Haushalt einer Kommune versteht, kann auch besser Politik betreiben. Dazu gehört es, über die Grundlagen orientiert zu sein: Was ist eine Haushaltssatzung, was ein Haushaltsstrukturkonzept und was ein Haushaltsplan? Nach welchen Grundsätzen sind sie auf­zustellen und was wiederum bedeuten vorläufige Haushaltsführung und Nachtragshaushalt? Natürlich soll es nicht allein bei der Theorie bleiben. Ganz praktische Fragen wie z.B. welchen Einfluss MandatsträgerInnen überhaupt auf den Haushaltsplan haben, wie Gebühren und Beiträge kalkuliert werden und was die EinwohnerInnenzahl für den kommunalen Haushalt bedeutet, werden ebenso behandelt. Ziel des Seminars ist es, die haushälterischen Grundlagen zu vermitteln, euch einen informierten Einblick zu verschaffen und so politische Handlungsspielräume zu erkennen! REFERENT: Alexander Thomas (Dipl.-Verwaltungswirt, parl.-wiss. Berater) Teilnehmerbeitrag: 20 EUR, ermäßigt 10 EUR Ermäßigung für KFS-Mitglieder und ALG-Empfänger, Auszubildende etc. Teilnahmebeitrag inklusive Übernachtung, alkoholfreien Tagungsgetränken und Handbuch. Teilnahme nur nach voriger Anmeldung und Bestätigung!

Grundlagenseminar

Der Jugendhilfeausschuss am 25. Oktober 2019, 16 Uhr - 21 Uhr Kreativcafé „All In“, Rosenhof 14 09111 Chemnitz Der Kinder­- und Jugendhilfeausschuss nimmt unter den kommunalen Ausschüssen eine Sonderstellung ein. Zum einen ist er auf der Ebene der Landkreise und kreisfreien Städte zwingend gesetzlich vorgeschrieben. Zum anderen sind in diesem Gremium nicht nur kommunale MandatsträgerInnen stimm­berechtigt, sondern auch die VertreterInnen der anerkanntenTräger der freien Jugendhilfe. Da treffen viele Personen aus verschiedenen Kontexten aufeinander, um gemeinsam die Kin­der-­und Jugendhilfepolitik der Kommune zu gestalten. Die Kinder-­und Jugendhilfeausschüsse in Sachsen werden mit Beginn der Wahlperiode 2019 neu besetzt, drum bietet das KFS allen neuen VertreterInnen, ob mit oder ohne Mandat, dieses Seminar an. Langjährige und erfahrene Mitglieder von Kinder-­und Jugendhilfeausschüssen führen in die Besonderheiten der Arbeit dieser Ausschüsse ein. REFERENTIN: Sabine Pester (Stadträtin, Historikerin, Vorsitzende KFS) Teilnehmerbeitrag: 10 EUR, ermäßigt 5 EUR Ermäßigung für KFS-Mitglieder und ALG-Empfänger, Auszubildende etc. Teilnahmebeitrag inklusive alkoholfreien Tagungsgetränken. Teilnahme nur nach voriger Anmeldung und Bestätigung! Anmeldungen an: Kommunalpolitisches Forum Sachsen e.V. Großenhainer Straße 99, 01127 Dresden Tel.: 0351-4827944 oder 4827945 Fax: 0351-7952453 info@kommunalforum-sachsen.de www.kommunalforum-sachsen.de


Kommunal-Info 7/2019

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„Consul“ – Bürgerbeteiligung im digitalen Zeitalter Eine „neue“ kostenlose Software namens Consul hebt die Bürgerbeteiligung auf ein höheres Niveau. Weltweit hat die Software ihren Siegeszug schon angetreten. Nun steht es auch in Deutschland in den Startlöchern. Von New York bis Madrid, von Paris bis Buenos Aires versuchen Städte, ihr Miteinander mithilfe von modernen Technologien offener, transparenter und partizipativer zu gestalten. Sie alle benutzen seit kurzem die Demokratie-Software Consul. Consul belebt den urbanen, digitalen Diskurs und ermächtigt die Bürgerinnen und Bürger, die Geschicke des kommunalen Miteinanders selbst zu gestalten. Auch in Deutschland gehören auf kommunaler Ebene Bürgerbeteiligung und direkte Demokratie mittlerweile mehr und mehr zum politischen Alltag. Davon zeugen unzählige Bürgerbeteiligungsprozesse und die knapp 8000 Bürgerbegehren, die bisher bundesweit stattfanden (davon ca. 350 in Sachsen). Dennoch hinken wir bei digitaler Partizipation sowohl in Sachsen als auch in Deutschland hinterher bzw. schöpfen die Möglichkeiten nicht aus, die die Digitalisierung auch in diesem Bereich bietet. Konventionelle Beteiligungsprozesse stoßen oft an ihre Grenzen, da nicht selten die immer Gleichen und leider oft zu wenige teilnehmen bzw. die wenigsten Instrumente für die große Masse ausgelegt sind. Zu einen sinnvollen Prozess, an dessen Ende bestenfalls eine Abstimmung steht, gehört jedoch eine breite und frühzeitige Einbeziehung möglichst aller Bürger*innen. Dabei bietet der digitale Raum die einzigartige Möglichkeit einer breiten Interaktion - auch mit Menschen, die bisher aufgrund fehlender Mobilität, zeitlichen Gründen oder fehlendem Zugang kaum beteiligt werden konnten. Zwar sind Partizipationsplattformen kein Allheilmittel – die Seele der Demokratie ist und bleibt das persönliche Gespräch - aber der digitale Raum kann diese sinnvoll ergänzen. Das beste Beispiel wie sinnvoll eine derartige Ergänzung sein kann, lieferte die spanische Hauptstadt Madrid mit der Entwicklung der Open-Source-Plattform „Consul“. Consul wurde 2015 als Demokratie-Software entwickelt, die die Bürger*innen ermächtigt, die Geschicke ihrer Stadt selbst mitzugestalten. Sie können Gesetzesideen einbringen, über die städtische Mittelverwendung abstimmen, oder über drängende Probleme in ihren Vierteln diskutieren. Dabei wurde schon unter anderem über autofreie Innenstädte, die Kosten des öffentlichen Nahverkehrs, die Energieversorgung, den Ausbau von Radwegen, soziale Treffpunkte und die Begrünung der Stadt diskutiert und abgestimmt. Mit Consul als Ergänzung zu den konventionellen Beteiligungsprozessen und als Plattform auf der alle Ergebnisse zusammenlaufen, konnte eine neue Dimension politischer Aktivierung erreicht werden. Mittlerweile sind hundertausende Madrilenen bei „Decide Madrid“ (der madrilenischen Consul-Version) registriert und nutzen

diese regelmäßig. Die von der UN ausgezeichnete Open Source-Software kommt heute schon in 34 Ländern und in mehr als 100 Städten und Organisationen zum Einsatz. Millionen Menschen nutzen sie regelmäßig, um Gesetzesideen einzubringen, über die städtische Mittelverwendung abzustimmen, oder um über drängende Probleme in ihren Vierteln zu diskutieren. Dabei stützt sich Consul auf fünf Säulen: Debatten - Diskussionsplattform, die nicht zu einer direkten Entscheidungsfindung führt, sondern der Stadt einen Einblick in die öffentliche Meinung und den Bürger*innen die Möglichkeit gibt, sich untereinander auszutauschen und ihre Erfahrungen einzubringen. Vorschläge - Bürger*innen können Ideen für neue Maßnahmen oder Aktionspläne einbringen und und unterstützen, die in die Zuständigkeit der Stadtverwaltung fallen. Erreichen sie ein gewisses Quorum, wird darüber abgestimmt. Abstimmungen - Es kann sowohl über Vorschläge von Bürger*innen als auch von Institutionen abgestimmt werden. Außerdem ist es möglich, das gesamte Stadtgebiet oder nur bestimmte Bezirke einzuschließen. Bürgerhaushalte - Bürger*innen können Ausgabenvorschläge für Teile des städtischen Budgets machen, um Projekte in der Stadt umzusetzen. Die Vorschläge, die die meisten Stimmen erhalten, werden umgesetzt. Kollaborative Gesetzgebung – Bürger*innen können sich aktiv an der Ausarbeitung von Gesetzen und Aktionsplänen beteiligen. Gesetzestexte können kommentiert und diskutiert werden. Consul ist jedoch nicht auf die oben genannten fünf Säulen festgelegt, sondern kann durch die modulare Bauweise relativ einfach an die jeweiligen Bedürfnisse einer Kommune angepasst werden (Instrumente können per Mausklick hinzugefügt oder weggelas-

sen werden). Dementsprechend haben sich je nach Stadt verschiedene Consul-Variationen herausgebildet, die einander zwar gleichen, sich aber auch durch lokale Besonderheiten unterscheiden. Die Basis ist jedoch der Open-Source-Code, der allen interessierten Städten frei und kostenlos zur Verfügung steht und der von allen Beteiligten (Städte, Universitäten, IT-Expert*innen) stetig weiter entwickelt wird. Der Prozessablauf für Bürgervorschläge: Jede und jeder kann einen Vorschlag zur Verbesserung der Stadt vorlegen. Die Konfiguration der Plattform hinsichtlich des Unterbreitens von Vorschlägen ist flexibel: Alle, nur die registrierten Personen, je nach Alter, usw.. Sobald der Vorschlag eingereicht wurde, können ihn andere Personen unterstützen. Jede Institution hat Zugriff auf ein Moderationsmodul, umanstößige Inhalte, Spam usw. zu vermeiden. Wenn der Vorschlag die erforderliche Anzahl von Unterstützern erreicht hat, wird abgestimmt. An diesem Punkt kann er von den Bürger*innen mit Stimmenmehrheit angenommen oder abgelehnt werden. Wichtige Features, die zu beachten sind: Wähler*innenüberprüfung, um doppelte Abstimmungen zu vermeiden. Die Möglichkeit, auch Papierstimmen in die Abstimmung zu integrieren. Ein modernes Benachrichtigungssystem, mit dem die Autor*innen ihren Vorschlag leicht bewerben können. Ein Kommentarbereich. Der damit einhergehende hohe Sicherheitsstandart, die Nutzerfreundlichkeit, sowie die freie Verfügbarkeit und die Anpassbarkeit auf die jeweiligen Stadt-Bedüfnisse haben dazu geführt, dass die Consul-Community auf knapp 100 Städte und mehr als 100 Millionen Nutzer*innen angewachsen ist. Unter anderem haben sich Metropolen wie New York, Buenos Aires oder Tu-

rin angeschlossen und nutzen Consul, um ihr Miteinander mithilfe von modernen Technologien offener, transparenter und partizipativer zu gestalten. Zwar wurde Consul zuerst in Madrid eingesetzt – und auch dort entwickelt -, mittlerweile hat sich aber eine lebendige Community gebildet, aus allen beteiligten Städten, Universitäten, Organisationen, Aktivisten und freien Programmieren. Gemeinsam entwickeln sie die Software weiter und tauschen ihre Erfahrungen aus. Dies hilft die Software anwendungsfreundlicher und sicherer zu machen, sowie die Partizipation zu steigern. Zudem findet ein jährliches Treffen statt, die ConsulCon, auf der neue Ideen vorgestellt werden und die digitalen und demokratischen Herausforderungen für die Kommunen diskutiert werden Mit Consul ist die „Wir nehmen es selbst in die Hand”- Demokratie wieder in den Städten angekommen! Jetzt bringt Mehr Demokratie die Software nach Deutschland. In Kürze ist die deutsche Übersetzung fertig, dann können sich auch hier Bürgerinnen und Bürger aktiv in die Gestaltung ihrer Stadt einbringen. Gerade ist Mehr Demokratie im Gespräch mit deutschen Städten, um Pilotprojekte zur Nutzung der Software anzustoßen. Um mit Consul zu arbeiten, ist der Kontakt zu https://github.com/consul/consul, der GitHub-Quelle von Consul aufzunehmen. Dort gibt es Unterstützung sowohl in technischer Hinsicht als auch bezüglich der Weitergabe der administrativen, organisatorischen und rechtlichen Erfahrungen aus dem Netzwerk verschiedener Institutionen, die derzeit Consul nutzen. Aus technischer Sicht ist Consul eine Open-Source-Software, die unter Lizenz von Affero GPL v3 veröffentlicht wird. Dies bedeutet, dass es völlig kostenlos zu installieren, zu verwenden und zu ändern ist. Es ist keine Zahlung erforderlich. (Ein Dossier zu „Consul“ kann unter www.mehr-demokratie.de abgerufen werden)


September 2019

Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag

PARLAMENTSREPORT Klage gegen das Polizeirecht eingereicht

Liebe Leserinnen und Leser, in diesem Parlamentsreport stellen wir die Mitglieder der zukünftigen Fraktion nach der Landtagswahl vor. Zwei Drittel der Fraktionsmitglieder sind Frauen – das ist Rekord. Übrigens nicht erst jetzt, sondern auch im Vergleich zu allen Landtagen und Fraktionen in Sachsen seit 1990. Auch das ist ein klares gesell­ schaftspolitisches Signal angesichts des Rechtsrucks im Freistaat, der sich auch im spärlichen Frauenanteil der nunmehr zweitgrößten Fraktion niederschlägt. Leider sind wir nach zwanzig Jahren nicht mehr „Oppositionsführer“. Das wäre nicht ganz so dramatisch, wenn nicht die neue Fraktion nur noch gut halb so groß ist wie die alte. Das ist ebenso wie das Wahlergebnis selbst eine Katastrophe. Damit verlieren wir als Fraktion bekannte Gesichter in einer Reihe von Regionen. Das ist nicht nur für uns schmerzhaft, sondern auch für viele Menschen vor Ort, die damit eine unmittelbare Vertretung ihrer Interessen verlieren. Wir werden durch Neuorga­ nisation von Strukturen unsere Ver­ ankerung im ganzen Land auch künftig gewährleisten, auch wenn es wohl zu Einschränkungen kommen wird. Die – alten und neuen – gewählten Abgeordneten stellen wir Ihnen in diesem Parlamentsreport vor. In Zeiten wie diesen brauchen gerade die Menschen, die sich für das Soziale, Humanismus, den Respekt vor der Würde aller Menschen unabhängig von Alter, Herkunft und Lebensweise enga­ gieren, eine Stimme auch im Parlament. Dieser Herausforderung wollen wir gerecht werden. Nehmen Sie uns bitte auch zukünftig beim Wort und nehmen Sie Kontakt zu uns auf. Ihr

Rico Gebhardt

Die Abgeordneten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wenden sich mit einem Antrag an den Sächsischen Verfassungsgerichtshof gegen das neue sächsische Polizeirecht, das zum 1. Januar 2020 in Kraft treten soll. Prozessbevollmächtigt ist Prof. Dr. Matthias Bäcker, Professor für Öffentliches Recht und Informationsrecht, insbesondere Datenschutzrecht an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz. Die knapp 90-seitige Antragsschrift wendet sich in vier Komplexen gegen die unverhältnismäßigen Grundrechtseingriffe, die CDU und SPD ermöglicht haben.

rien auch immer prognostiziert, dass eine Person in Zukunft eine Straftat begehen könnte. „Diese Personalisierung des Überwachungsrechts bringt potentiell alle Bürgerinnen und Bürger ins Visier. So könnte eine Überwachung künftig schon damit gerechtfertigt werden, dass eine Person möglicherweise Heizöl kaufen könnte, um damit einen Anschlag vorzubereiten.“

begehen könnte. Bäcker warnt: „Schon dann darf die Polizei anordnen, dass wir unsere Wohnung oder unser Viertel nicht mehr verlassen dürfen, den Kontakt zu Vertrauenspersonen abbrechen müssen, und per Fußfessel unsere Bewegungen überwachen. Falsche Prognosen können so zu selbsterfüllenden Prophezeiungen werden, aus denen es kein Entrinnen gibt.“

Erstens werden die Hürden für die Überwachung von Einzelpersonen etwa per Telekommunikationsüberwachung, Observation oder V-LeuteEinsatz deutlich gesenkt. „Herkömmlich muss im Polizeirecht eine Gefahr, also ein drohendes Schadensereignis wenigstens ansatzweise konturiert werden können. Jetzt wird nicht mehr anhand möglicher Straftaten, sondern mit Blick auf ,gefährliche‘ Personen entschieden, welche Mittel eingesetzt werden“, so Prof. Bäcker. Es genüge, dass die Polizei anhand welcher Krite-

Fleiß wird bestraft Unglaublich, aber kein Einzelfall: Die Neurologin Kyra Ludwig aus Seifhennersdorf musste unlängst ihre Praxis schließen, weil die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen von ihr eine Viertelmil­ lion Euro zurückverlangt. Hinter­ grund ist, dass Ludwig ihr Budget überzogen, also zu viele Men­ schen behandelt hat. Sie hat also zu viel gearbeitet – für ihre Patien­ tinnen und Patienten und nicht für den eigenen Geldbeutel. „Jetzt ist ihre Existenz ebenso bedroht wie die ihrer Praxisangestellten und die Versorgung. Und das Sozial­ ministerium hat von allem offen­ bar nichts gewusst“, kritisierte die gesundheitspolitische Sprecherin der LandtagsLINKEN, Susanne Schaper, im August. „Ich fordere von der Staatsregierung und von der Kas­ senärztlichen Vereinigung, dass sie sofort alles unternehmen, damit die Ärztin weiter praktizie­ ren kann.“ Anstatt von Landarzt­ quoten zu schwadronieren, solle die CDU zunächst dafür sorgen, dass die unsinnige und zweifel­ hafte Praxis der Regressforde­ rungen ein Ende hat. Denn davon sind auch weitere Ärztinnen und Ärzte in Sachsen betroffen.

Vorstellung des Antrags am 7. August. V. l. n. r.: Valentin Lippmann, innenpolitischer Sprecher von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN; Prof. Dr. Matthias Bäcker; Enrico Stange, innenpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. Zweitens soll auch bei der Überwachung des öffentlichen Raums kein hinreichend genau beschriebener Anlass mehr nötig sein. Das Polizeirecht lässt Videoüberwachung überall dort zu, wo erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit zu entstehen scheinen. Das gilt bei ehrlicher Betrachtung für den gesamten öffentlichen Raum. „So wird eine flächendeckende Überwachung möglich, die aus meiner Sicht verfassungswidrig wäre“, so Bäcker. Drittens sei die ausufernde Datenspeicherung bei der Polizei verfassungsrechtlich bedenklich. „Wir alle haben in unserem Leben früher oder später in irgendeiner Form mit der Polizei zu tun. Schon zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein, etwa in der Nähe einer Demonstration, könnte uns auf Dauer in die polizeilichen Datensammlungen bringen, wenn die Regelungen über Datenspeicherungen weit verstanden werden“, kritisiert der Rechtsprofessor. Viertens wendet sich der Antrag dagegen, dauerhafte Zwangsmaßnahmen wie Aufenthaltsgebote, Kontaktsperren oder elektronische Fußfesseln gegen „Gefährder“ zu ermöglichen. Wieder reicht eine vage Prognose aus, dass jemand irgendwann eine Straftat

Auch das Urteil von Enrico Stange, bisher innenpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE, fällt klar aus: „CDU und SPD waren vom unbedingten Erfolgswillen getrieben, vor der Landtagswahl Handlungsfähigkeit zu demonstrieren. Der Sicherheitsgewinn des neuen Polizeirechts ist trügerisch, aber sein Preis ist hoch: Polizeiliche Eingriffsbefugnisse werden weit ins Vorfeld konkreter Gefahren verlagert. Informationen können ohne individuellen Bezug zu Verdachtsmomenten für Gefahrenprognosen gesammelt werden. Somit können auch ,unbescholtene‘ Bürgerinnen und Bürger ins Visier geraten.“ Die Linksfraktion wolle den Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden keinesfalls nötige Instrumente versagen. Diese Instrumente müssten aber verhältnismäßig, technisch erforderlich und rechtlich abgesichert sein. Mit einer Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes ist in etwa anderthalb Jahren zu rechnen. Die Abgeordneten von LINKEN und Grünen hoffen auf einen Weckruf aus Leipzig an die Landesregierung, dass die Grundrechte – die Abwehrrechte gegen den Staat sind – nicht einer SicherheitsFiktion geopfert werden dürfen.


PARLAMENTSREPORT

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September 2019

Bilanz-Splitter aus der 6. Wahlperiode Fraktion vor Ort Das Ohr bei den Leuten haben – das ist auch der Linksfraktion wichtig. Öffentliche Fraktions­ sitzungen fanden in Chemnitz (Schwerpunke Pflege und Digita­ lisierung), Hohnstein (Zukunft der Burg sowie des Klinikums Seb­ nitz), Görlitz (ländlicher Raum und Digitalisierung der Gesundheits­ versorgung), Leipzig (Polizeirecht) sowie dezentral in Riesa, Hoyers­ werda und Marienberg statt.

Öffentliche Fraktionssitzung 2018 in Leipzig

Öffentliche Fraktionssitzung 2018 in Görlitz

Öffentliche Fraktionssitzung 2019 in Marienberg

Ansporn für die Zivilgesellschaft Insgesamt dreimal in der 6. Wahl­ periode haben die Abgeordne­ ten der Linksfraktion den Preis »Gelebte Willkommenskultur und Welt­offenheit in Sachsen« ausge­ lobt, der stets im Juni im Umfeld des Weltflüchtlingstages verlie­ hen wurde. Der Preis wurde unmittelbar aus Spenden der Fraktionsmitglieder finanziert. Ausgezeichnet wurden im Laufe der Jahre der Verein Bon Courage e. V. aus Borna, das Bündnis „Willkommen in Roßwein“, Ines Mättig aus Bautzen, die AG Asylsuchende Sächsische Schweiz/Osterzge­ birge e.V., der Chemnitzer Willkommensdienst, Susann Augusta aus Langenwolmsdorf, die Initiative für ein weltoffenes Geithain, die Kontaktstelle Wohnen – Zusammen e.V. (Leipzig) und Kirsten Erlebach aus Pirna. 2018 wurde die Auszeichnung zum „Engagement-Preis für demokratische Kultur“ umgewid­ met. Die Ehrung ging an das Netzwerk für demokratische Kultur Wurzen, die Demobeob­ achtungsgruppe Leipzig und an Rebecca Jäger. Die Linksfraktion will alle Engagierten weiter kräftig unterstützen.

Politik in Zahlen Die Regierung muss Anfragen aus dem Parlament nach bestem Wissen unverzüglich und voll­ ständig beantworten. Die LINKEN Abgeordneten gebrauchten ihr Recht etwa 8.000mal. Wichtig sind auch die Alternativen: Die Linksfraktion erstellte seit 2014 37 Gesetzes­ entwürfe und 305 Anträge. Willkommenspreis-Verleihung 2016 in Bautzen

Protest gegen das Polizeigesetz von CDU und SPD 2019


PARLAMENTSREPORT

September 2019

Impulse für menschenwürdige Pflege Der Pflegenotstand ist nicht nur in Pflegeheimen und bei Pflege­ diensten spürbar, sondern auch in den Familien. Im Landtag hat eine Enquete-Kommission aus Abge­ ordneten und Experten seit 2015 Auswege gesucht. Die Linksfraktion konnte wesentliche Forderungen unter­bringen. So unterstützen wir es, dass Gesundheitsförderung für Pflegebedürftige und Pflegende gestärkt werden soll und eine bun­ deseinheitliche tarifgebundene Ausbildungsvergütung sowie verbind­

liche Personalschlüssel angestrebt werden. Unsere Forderungen gehen über den Bericht hinaus. Wir wollen etwa einen Pflege-Flächentarifvertrag. Pflegende Angehörige sollen eine Entgeltersatzleistung erhalten. Und wir wollen eine Pflegevollversiche­ rung, in die alle solidarisch einzah­ len und in der die Pflegekassen alle pflegerisch notwendigen Leistungen übernehmen. Alle sollen menschen­ würdige Pflege nach dem Stand der Wissenschaft erhalten können!

NSU-Skandal im Blick Seit 2015 hat der zweite sächs­ sische NSU-Untersuchungsaus­ schuss Detailarbeit zur Frage geleistet, warum der NSU nicht früher entdeckt wurde. Heute steht fest, dass sächsischen Behörden ab 1998 die Vermutung bekannt war, dass sich das NSUKerntrio in Chemnitz aufhält. Doch man ermittelte nicht konse­ quent, vor allem das Landesamt für Verfassungsschutz nicht. Die Fraktion DIE LINKE hat gemein­ sam mit den GRÜNEN einen kri­ tischen Abschlussbericht vorge­ legt. Einen Schlussstrich gibt es nicht – das Thema Rechtsterroris­ mus bleibt brandaktuell.

Volksantrag: Länger gemeinsam lernen! Die Sachsen-CDU hält die Hür­ den für die Volksgesetzgebung hoch – 450.000 Wahlberechtigte müssen unterschreiben, damit ein Volksentscheid stattfindet. In dieser Wahlperiode hat dennoch ein Bündnis aus Bildungsexper­ ten, Verbänden, Gewerkschaften und Parteien einen ersten Anlauf gewagt und Unterschriften für einen Volksantrag gesammelt. Das Schulgesetz und das Gesetz über die Schulen in freier Träger­ schaft sollen geändert werden: Schulen sollen gemeinsames Lernen bis zur achten Klasse anbieten dürfen. Denn in der vier­ ten Klasse kann niemand sicher sagen, welchen Weg ein Kind meistern kann. Gemeinschafts­ schulen sollen als zusätzliche Schulart möglich werden. Dort soll nicht mehr frühzeitig nach Leistung getrennt, sondern länger gemeinsam gelernt werden. Die Linksfraktion unterstützt diese Initiative nach Kräften. Im August 2019 wurden reichlich 50.000 Unterschriften dem Landtagsprä­ sidenten übergeben. Der Ball liegt nun bei den Fraktionen.

„Wir stehen als Linksfraktion für das soziale Sachsen und mit unseren parlamentarischen und außerparlamentarischen Initiativen für sozialen Zusammenhalt in Sicherheit“ Rico Gebhardt, Fraktionsvorsitzender

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PARLAMENTSREPORT

September 2019

Neu im Parlament Der 7. Sächsische Landtag ist gewählt. 119 Abgeordnete ziehen ins Parlament ein. Für die DIE LINKE sitzen folgende 14 Abgeordnete im Landtag, die wir in alphabetischer Reihenfolge kurz vorstellen. Juliane Nagel hat erneut das Direktmandat für DIE LINKE in ihrem Wahlkreis in Leipzig gewonnen.

Antje Feiks, geboren 1979, Diplom-Betriebswirtin (BA), Erzgebirge. Im Landtag seit 2017.

Kerstin Köditz, geboren 1967, Philosophin, Landkreis Leipzig. Im Landtag seit 2001.

Mirko Schultze, geboren 1974, Baufacharbeiter, Görlitz. Im Landtag seit 2014.

Marco Böhme, geboren 1990, Stadt- und Raumplaner, Leipzig. Im Landtag seit 2014.

Rico Gebhardt, geboren 1963, Koch, Erzgebirge. Im Landtag seit 2004.

Antonia Mertsching, geboren 1985, Umwelt- und Menschenrechtsaktivistin, Görlitz. Im Landtag seit 2019.

Franz Sodann, geboren 1973, Schauspieler, Leipzig. Im Landtag seit 2014.

Nico Brünler, geboren 1975, Diplom-Volkswirt, Chemnitz. Im Landtag seit 2014.

Anna Gorskih, geboren 1992, Politik- und Kulturwissenschaftlerin, Leipzig. Im Landtag seit 2019.

Luise Neuhaus-Wartenberg, geboren 1980, Studienabschluss in Politikmanagement & Public Affairs, Nordsachsen. Im Landtag seit 2014.

Marika Tändler-Walenta, geboren 1984, Diplom-Soziologin, Mittelsachsen. Im Landtag seit 2019.

Impressum Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag Bernhard-von-Lindenau-Platz 1 01067 Dresden Telefon: 0351 493-5800 Telefax: 0351 493-5460 E-Mail: linksfraktion@slt.sachsen.de www.linksfraktion-sachsen.de V.i.S.d.P.: Marcel Braumann Redaktion: Kevin Reißig

Sarah Buddeberg, geboren 1982, Theaterwissenschaftlerin, Dresden. Im Landtag seit 2014.

Juliane Nagel, geboren 1978, Studentin der Politikwissenschaft, Leipzig. Im Landtag seit 2014.

Susanne Schaper, geboren 1978, Krankenschwester und Dipl.-Pflege­wirtin (FH), Chemnitz. Im Landtag seit 2014.


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