LINKS! Ausgabe 11/2015

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Reine Privatsache?

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Politik und Kultur für Sachsen, Europa und die Welt November 2015

70 Frauen mussten im Jahr 2014 allein im Dresdner Frauenschutzhaus abgewiesen werden, weil jeder der 32 Plätze belegt war. Das Frauenschutzhaus ist oft die einzige und letzte Zufluchtsmöglichkeit für Frauen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind. Laut einer Studie des Bundesfamilienministeriums ist oder war jede vierte Frau in der Bundesrepublik von häuslicher Gewalt betroffen. In jeder fünften Paarbeziehung wird Gewalt angewendet. Häusliche Gewalt kommt in allen Schichten vor, Bildungshintergrund, Religionszugehörigkeit, Alter oder Einkommen spielen demnach keine Rolle. Die TäterInnen sind zu 95 % Männer, die Opfer zu 99 % Frauen. Häusliche Gewalt ist die häufigste Ursache von Verletzungen bei Frauen, häufiger als Verkehrsunfälle und Krebs zusammen genommen. Anders gesagt: das eigene Zuhause ist für Frauen der gefährlichste Ort. Wie die Zahlen zeigen, handelt es sich bei häuslicher Gewalt um geschlechtsspezifische Gewalt. Sie ist eine Konsequenz struktureller Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen. Die Ursachen für häusliche Gewalt liegen demnach auch in einer patriarchalen Gesellschaftsordnung, in der stark verfestigte Rollenbilder Männern Stärke, Dominanz und Macht zusprechen, Frauen hingegen mit Duldsamkeit, Unterlegenheit und Passivität verbunden werden. Um gegen geschlechtsspezifische Gewalt vorzugehen, muss daher immer auch gegen eine Geschlechterhierarchie in der Gesellschaft vorgegangen werden. Doch obwohl die Zahlen der Betroffenen derart hoch sind, ist das Thema Häusliche Gewalt nach wie vor ein Tabuthema. Noch immer wird den Betroffenen häufig nicht geglaubt, die Gewalt als Familienstreit abgetan und den Opfern eine Mitschuld gegeben. Zudem leidet das Netz an Frauenschutzhäusern und Beratungseinrichtungen an chronischer Unterfinanzierung, jährlich müssen Einrichtungen schließen. Die Platzkapazität der Frauenschutzhäuser und -wohnungen in Sachsen ist

in den letzten fünf Jahren von insgesamt 290 auf derzeit 240 Plätze gesunken. Nur noch 14 solcher Schutzeinrichtungen sind vorhanden, wobei es auch Landkreise gibt, in denen kein einziger Platz zur Verfügung steht. Die finanziellen Förderungen durch das Sozialministerium und die Landkreise bzw. Kommunen reichen nicht aus, wie auch die hohe Zahl abgewiesener Frauen zeigt. Grundsätzlich hat sich an der Reaktion auf Häusliche Gewalt und dem Umgang damit in den letzten Jahren durchaus einiges geändert und zum Positiven entwickelt. So lag bis vor etwa zehn Jahren der Fokus der Arbeit noch mehr oder weniger ausschließlich im Bereich des Gewaltschutzes, noch in der Aufnahme von Betroffenen in Schutzeinrichtungen. Mittlerweile ist man vom bloßen Reagieren bei einer Eskalation übergegangen zu einem präventiven ganzheitlichen Ansatz. So ist durch Fortbildungen, Schulungen und Informationskampagnen eine deutlich größere Sensibilisierung bei Polizeikräften, dem Jugendamt, Arztpraxen und in der Bevölkerung vorhanden. Doch auch wenn sich die Situation in einigen Punkten verbessert hat, besteht noch enormer Nachholbedarf. Die Folgen von Gewalterfahrungen sind immens, sowohl akut als auch langfristig. Neben den körperlichen Verletzungen erleiden die Betroffenen psychische Beeinträchtigungen und sind häufig langfristig traumatisiert. Eine der fatalsten Konsequenzen Häuslicher Gewalt ist die Tatsache, dass sie vererbt wird. Kinder aus gewalttätigen Beziehungen sind auch immer Opfer Häuslicher Gewalt und die Wahrscheinlichkeit, dass sie selbst im Erwachsenenalter Gewalt in der Beziehung ausüben, ist sehr hoch. Auch die Gesellschaft leidet mit, denn sie hat die Kosten für die (Männer-)Gewalt zu tragen: Jährlich flüchten rund 40.000 Frauen und Kinder in eines der 360 Frauenhäuser bundesweit. Weitere Kosten entstehen durch Polizeieinsätze und Gerichtsverfahren, aber auch durch Arbeitsausfälle, ärztliche Behandlungen und psychologische Betreuung. Die Zahlen zeigen: Häusliche Gewalt ist keine Privatangelegenheit, sondern ein gesamtgesellschaftliches Problem. Um ihre Ursachen zu bekämpfen, muss gegen die strukturelle Ungleichheit und vor allem geschlechtsspezifische Rollenbilder von Männern und Frauen vorgegangen werden.


Links! im Gespräch

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„Friedhöfe sind begehbare Geschichtsbücher“ Der Herbst ist traditionell die Zeit, um auf den Friedhof zu gehen – und der November ein gar „schwarzer Monat“ mit Totensonntag und „Volkstrauertag“. Demographen wissen zudem, dass in Deutschland im November so viele Menschen sterben wie in keinem anderen Monat, auch die Selbstmordrate ist hoch. Weg vom Gruselimage und hin zu einem sehr spannenden Ansatz geht seit kurzem (2014 gegründet) der Denk Mal Fort! e.V. – Die Erinnerungswerkstatt Dresden. Ralf Richter sprach mit der Geschäftsführerin Heike Richter, nachdem er sie als Führerin bei der Veranstaltung „Sind Kriegsgräber noch zeitgemäß?“ am 24. Oktober auf dem Dresdner Johannisfriedhof getroffen hatte.

So war es. Vier Leute waren es am Anfang und es wurde schon mal gewitzelt: Vier gegen den Freistaat Sachsen. Wobei man fairerweise sagen muss, dass der Freistaat sich konstruktiv verhalten hat und der Friedhof bislang so in seinem Bestand gerettet werden konnte. Ein erster Erfolg, der zur Vereinsgründung führte. Seither ist in sehr kurzer Zeit recht viel geschehen. Was treibt sie an, was motiviert sie? Wir sind inzwischen ein Verein und arbeiten eng mit anderen Initiativen wie dem Freundeskreis Trinitatis- und Johannisfriedhof zusammen. Friedhöfe

opfer liegen. Das hat hier der engagierten Friedhofsleiterin schon rein optisch nicht gefallen. Sie wollte einen anderen Weg des Erinnerns, nahm Kontakt zu einer Lehrerin der 88. Oberschule Dresden-Hosterwitz auf und diese begeisterte ihre Schüler. Die Schüler wiederum haben von sich aus den Bezug zur Gegenwart hergestellt und die Gedenkfreier zum Teil gestaltet. Es ist den Kindern wichtig zu sagen, wie viele Kriege es heute gibt. Sie haben die Bilder gegenübergestellt von jetzigem und früherem Leiden. Es ist ihnen wichtig zu wissen: Wo haben denn die Menschen gewohnt, die am 13. Februar 45 ums Leben gekommen sind? Die Schüler ha-

tos zeigen, in dem hier auf dem Ehrenhain die Toten registriert wurden. Sie haben auch interessante Kooperationspartner wie das Deutsch-Russische Kulturinstitut, die Jüdische Gemeinde und den VVN, um nur einige zu nennen. Das stimmt. Dies hat auch mit den Opfergruppen zu tun. So ruhen auf dem sowjetischen Garnisonfriedhof ausschließlich Bürger der ehemaligen Sowjetunion. Auf dem Johannisfriedhof liegen nicht nur deutsche Bombenopfer, sondern auch zahlreiche hingerichtete tschechische und einige polnische Widerstandskämp-

Sie haben auch sonst noch vieles vor.

Vieles! Zunächst sollte man wissen, dass dieser Friedhof genaugenommen aus zwei Friedhöfen besteht – dem Friedhof mit den Opfern aus dem Zweiten Weltkrieg und einem Erweiterungsfriedhof, auf dem es Bestattungen von sowjetischen Militärangehörigen in der DDR-Zeit gab. Die letzte fand 1987 statt.

Die Stadt Dresden. Im Zusammenhang mit der Rückübertragung von Eigentum fiel der Sowjetische Garnisonfriedhof ab dem 1.1.1996 an den Freistaat. Die letzte Beigesetzte dort war ein kleines Kind, ein Mädchen mit dem Namen Jana Borisova. Nicht alle der nach 1945 auf dem Erweiterungsfriedhof Beigesetzten starben übrigens durch Krankheiten oder Unfälle – es gibt auch eine Reihe ungeklärter Todesfälle. Jedenfalls hätte juristisch der Erweiterungsfriedhof 20 Jahre nach der letzten Beisetzung 1987 im Jahre 2007 beräumt werden können – und in der Tat wollte der Freistaat auch Geld sparen und suchte nach einer platzsparenden Umgestaltung, der z. B. die über 600 einzelnen Grabplatten zum Opfer gefallen wären. Dagegen haben sich Dresdner Bürger gewehrt, vermute ich …

Völkerverbindung über den Gräbern sozusagen. Das kann sowieso nicht ausbleiben. 1933 zählte die jüdische Gemeinde in Dresden 5.000 Mitglieder, heute sind es 700. Doch die meisten stammen aus Osteuropa, haben also kaum eine familiäre Beziehung zu den Beigesetzten aus dem jüdischen Friedhof.

Der Denk Mal Fort! e.V. ist eine recht neue Vereinsgründung mit einer eigenen Homepage (www.denkmalfort.de) und einer interessanten Email-Adresse, die mit garnisonfriedhof.dresden beginnt. Was hat die Vereinsgründung mit dem Garnisonfriedhof zu schaffen?

Wer war nach dem Abzug der Truppen der Eigentümer dieses Friedhofes?

zuvor keine Beisetzungen gegeben hat. Wir haben übrigens unlängst zum zweiten Mal einen Arbeitseinsatz auf dem Neuen Jüdischen Friedhof durchgeführt, und es war wunderbar zu sehen, wie viele junge Leute da gekommen sind – zunächst ging es erst einmal ganz profan darum, Laub zu entfernen und Kastanien aufzusammeln. Dabei lässt es sich übrigens ganz wunderbar unterhalten. In der Nähe befindet sich ein Asylbewerberheim, und ich hoffe, dass es uns dann im nächsten Jahr gelingt, muslimische Asylbewerber für den Einsatz zu interessieren.

der Stadt sind begehbare Geschichtsbücher. Man kann unglaublich viel lernen – nur wird eben auf Friedhöfen leider bislang noch nicht so viel gelernt. Erst in jüngerer Zeit entsteht ein neues Verständnis von Friedhöfen. Wir wollen dazu beitragen, Friedhöfe zu Lernorten zu entwickeln. Es geht auf Friedhöfen eben nicht schlicht einfach um Namen und Zahlen wie Geburts- und Sterbedatum, sondern es sind Geschichten, Lebensgeschichten, die es verdienen, erzählt zu werden. Selbst die Gedenkveranstaltungen für die Bombenopfer am 13. Februar laufen ja oft sehr routiniert ab … Nach dem Schema: Rede eines Pfarrers und Rede eines Politikers, vorn saßen die Größen aus Stadt und Land und hinten auf den Holzbänken klemmten in der Kälte sozusagen die Angehörigen der Opfer. So war es zum Beispiel auf dem Johannisfriedhof, wo 3.700 Bomben-

ben Gespräche mit Zeitzeugen geführt, ein Radio-Feature gemacht und eine Informationstafel für den bisher anonymen Ehrenhain der Bombenopfer gestaltet. Heute sitzen die Angehörigen vorn und alle anderen sitzen mittendrin beim Gedenken. Schüler der 88. Oberschule werden auch jetzt im November aktiv. Am 11. November werden sie Narzissenzwiebeln auf dem Ehrenhain der Bombenopfer stecken – für jeden der 3.700 Menschen wird eine Narzissenzwiebel gesteckt, so dass dann für jeden beigesetzten Menschen eine Blume blühen wird. Damit wird in Zukunft optisch auch deutlich, welche Menge an Menschen hier bestattet wurde. Es gibt auch von Schülern die Idee, die Namen der Toten im Rahmen eines kleinen Museums in einem Imkerwagen zu zeigen – denn es war ein Imkerwagen, wie alte Fo-

fer. Nach der Einnahme Prags wurden die vom Sondergericht in Prag zum Tode Verurteilten in der Hinrichtungsstätte Münchner Platz getötet – auch diese Opfer liegen hier. Wir erleben gegenwärtig einen großen Zustrom muslimischer Menschen – da drängt sich die Frage auf, ob es auch Friedhöfe oder Gräber für muslimische Bürger gibt. Es gibt zwar keinen Friedhof ausschließlich für muslimische Bürger, aber inzwischen sehr wohl Gräber für Moslems. War es in der Vergangenheit so, dass Bürger aus muslimischen Ländern fast alle in der alten Heimat bestattet werden wollten, so hat sich das inzwischen geändert. Auf dem Heidefriedhof befindet sich inzwischen ein muslimisches Gräberfeld. Eine Besonderheit bei muslimischen Beisetzungen ist es, dass „unberührte Erde“ benötigt wird – also Erde, in der es

Obwohl der Sowjetische Garnisonfriedhof unser Kernthema ist, werden wir uns in Zukunft auch für unbequeme und/oder vergessene Denkmale und Erinnerungsorte in Dresden einsetzen, für andere Friedhöfe und die Wahrnehmung bisher wenig beachteter Gedenktage wie z. B. des 17. Juni 1953, des 17. April 1944 und des 8. Mai 1945. Wir denken auch über das Anbringen von QR-Codes nach, und in der Wallot-Kapelle auf dem Johannisfriedhof soll ein Begegnungszentrum mit einem Friedhofs-Cafe entstehen. Infotafeln allein reichen nicht. Unser Ziel ist es, der Anonymisierung entgegenzuwirken, Gräber Geschichten von Menschen erzählen zu lassen. Diese Geschichten sind für Menschen jedes Alters interessant und spannend. Zudem mahnen Kriegsgräber erst dann wirklich dazu, den Frieden zu bewahren, wenn ihre Geschichte lebendig wird und die Beigesetzten ein Gesicht bekommen, verbunden mit einer Lebensgeschichte. Daran fehlt es. Dabei finden sich auf fast jedem der 58 Fried- und Kirchhöfe Gräber von kriegerischen Auseinandersetzungen – das beginnt in Dresden bei den Opfern der Napoleonischen Kriege. Es ist also sehr viel zu tun. Das Wichtigste ist, dabei die Brücke zu schlagen zur jungen Generation. Schließlich waren Kriege auch immer eine der wichtigsten Ursachen für Flucht oder Vertreibung.


Die dritte Seite

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Ein Bündnis für die Vielfalt Schon lange bevor die Vielen aus Ländern mit Krieg und Terror, mit existenzbedrohender Armut zu uns kamen, gründeten eine Handvoll Radebeuler*innen 2013 den Verein „Buntes Radebeul“, um gemeinsam für Menschenfreundlichkeit und gegen Rassismus aktiv zu sein. Damals waren es noch weniger als hundert Menschen, die am Rande der Stadt, sehr bunt gemischt, in einem wenig einladenden Haus untergebracht waren. Mit einem unter Schwierigkeiten gedrehten Dokumentarfilm brachten mutige „Bunte Radebeuler*innen“ die Zustände in diesem Heim erstmals an die Öffentlichkeit. Noch ohne spürbare Kenntnisnahme der Stadtverwaltung, die keinen Handlungsbedarf sah, aber mit großer Bestürzung politisch wacher Menschen begannen so das rasante Wachstum des Vereins und damit die seitdem kontinuierlichen Unterstützungsleistungen für Menschen in der Warteschleife. Aus Asylsuchenden, Menschen im Duldungsstatus, Menschen ohne Anerkennung ihres Asylbegehrens, die in RadebeulNaundorf lebten, wurden Bekannte, Deutschschüler*innen, Kochgenoss*innen, Freund*innen. Zuerst ging es darum, die Lebensbedingungen im Heim so zu verbessern. Warmes Wasser für die Duschen, frische Farbe für die Wände, Küchen ohne Ungeziefer – alles keine Selbstverständlichkeiten im privat geführten Haus! Um Sprachunterricht geben zu können, musste erst

Märchen sind oft brutal. Aber die Welt und das Leben sind es auch. Das reflektiert sich in Märchen – eben märchenhaft. Märchen erzählen viel von den Ängsten, aber auch genau so viel von den Wünschen und Träumen der einfachen Menschen. Das Gute siegt über das Böse, Hilfsbereitschaft wird belohnt, Hochmut und Grausamkeit werden bestraft. Liebe überwindet alle Hindernisse. Unabwendbar erscheinendes Elend wendet sich doch noch zum Glück. Dabei geht es meist gar nicht zimperlich zu. Man muss die Märchen freilich zu lesen und zu verarbeiten wissen. Selbiges

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einmal ein Raum gefunden, gereinigt und eingerichtet werden. Seitdem sind sowohl der Verein, die Zahl der Unterstützer*innen und die Beziehungen zu den Flüchtlingen immer weiter gewachsen. Es finden Sprachkurse statt, einige Bewohner besuchen bereits mit finanzieller Unterstützung durch den Verein die anspruchsvolleren Volkshochschulkurse, eine Nahverkehrsfahrkarte gibt es dazu. In den Sommermonaten hat eine Fahrradwerkstatt geöffnet, maßgeblich getragen vom Rotary Club Radebeul und dem ADFC Rade-

beul. In der regelmäßigen „Plauderrunde“ im Heim können kleine und große Sorgen vorgebracht werden, Partner*innen aus verschiedenen Institutionen werden dann gefunden. Ein Nähprojekt ist eingerichtet, ebenso ein monatliches Treffen von Newcomern und Herkunftsdeutschen im Café der Familieninitiative Radebeul. Ideen zum Helfen sind ansteckend: Eine Optikermeisterin spendet Sehtests und Brillen, der Interkulturelle Garten des Nachbarorts lädt ein, am 3. Oktober wurde vorm Kulturbahnhof Radebeul-Ost die Gemeinschaft

bereichernde Internationalität gefeiert. Diesmal war auch das Kulturamt der Stadt dabei. Wie so oft sind es die wenigen Mitglieder des Vorstandes, die sehr viel Energie in die Vereinsprojekte stecken. Wie wertvoll ihre Arbeit ist, bleibt manchmal unentdeckt, ebenso die vielen so wertvollen Aktivitäten der in Deutschland Neuen. Doch wenn Flüchtlinge aus dem Heim aus- und in eine Wohnung einziehen können, wenn sie eine Ausbildung im Ort bekommen, weil sich Menschen für sie ins Zeug gelegt haben, ist das alles ein Riesenerfolg und die ge-

meinsame Freude groß. Schon sind die nächsten Projektanträge geschrieben, weitere Veranstaltungen geplant. Radebeul ist eine überschaubare Stadt, Menschen finden sich unkompliziert in ihren Aktivitäten überein und beflügeln sich gegenseitig. Das Bunte Radebeul ist auf dem besten Weg. Nicht mehr lange, und man kann sagen: Aus dem Verein ist eine Institution geworden. Christine & Sophie Ruby

ist einem Herrn K., für die CDU Mitglied im Sächsischen Landtag, gründlich misslungen. Vom Märchen von „Hänsel und Gretel“ sind ihm wohl nur die bösen Eltern, die ihre Kinder im Wald aussetzen, in Erinnerung geblieben. Nun, toll war das ja auch nicht, was Vater und Stiefmutter ihren Kindern zumuten wollten, nur um die eigene Not zu lindern (bitte jetzt den Ärger über alle Ungerechtigkeit, die den Stiefmüttern im Märchen zuteilwird, ausnahmsweise hinunterschlucken). Herr K. zieht den Vergleich und unterstellt Eltern in Syrien, Afghanistan, Afrika das gleiche egoistische Motiv, wenn minderjährige Kinder ohne Begleitung auf der Flucht in Deutschland angetroffen werden. Was bleibt solchen Kindern übrig als der Versuch, sich an unserem wohlausgestatteten europäischen Häuschen zu sättigen. Herr K. kann offensichtlich die Hexe verstehen, die leicht empört fragt: „Knusper, knusper Knäuschen, wer knuspert an meinem Häus-

chen?“ (Bitte jetzt alle political correctness wegen der Hexen ausnahmsweise zurückstellen). Denn auch Herr K. will Schaden von seinem Haus abwenden. Man könnte sich jetzt weiter versteigen in Analogien, bei de-

sal der Kinder zu verantworten haben, so sollten doch die Eltern für diese Missetat bestraft werden – denkt Herr K. und tritt aus dem Märchen heraus in die Wirklichkeit. In dieser unterstellt er den Eltern, sehr wohl vom Überfluss im Knusperhaus gewusst und darauf spekuliert zu haben, dass die Kinder es finden würden. Wichtig wäre nun allein, dass die Kinder die Eltern nachholten oder sie mit dem im Haus befindlichen Reichtum beglückten, so dass alles Elend ein Ende habe. Die Hexe ist ausgeblendet. In der Wirklichkeit gibt es sie ja auch nicht. Es gibt aber Herrn K., den Rächer aller ausgesetzten Kinder. Von wegen! „Wer sein Kind allein um die weite Welt reisen lässt, sollte dafür nicht auch noch mit einer Aufenthaltserlaubnis belohnt werden“, verkündet er allen bösen Eltern dieser Welt, die vielleicht schon vom deutschen Schlaraffenland träumen. Gerade damit jedoch hat er das Märchen und die Kinder Hänsel und Gretel endgültig missverstanden. Die

Eltern hatten wirklich nichts Gutes an ihnen getan. Sie waren verzweifelt und wollten sich der Kinder entledigen. Die Kinder aber wollten nur eines: der Lebensgefahr entgehen und mit so viel Reichtum zu den Eltern zurückkehren, dass es für das restliche Leben reicht. Man könnte sich deshalb auch ausdenken, dass sie im Knusperhäuschen verbleiben und die Eltern dorthin zu holen versuchen. Sie liebten nämlich ihre Eltern! Trotz alledem! Kann sich das Herr K. in seinem sicheren abendländischen Haus nicht vorstellen? Er will die Eltern bestrafen und bestraft stattdessen Kinder, die die Not der Eltern sehr wohl kannten und sich deshalb fortschicken ließen. Herrn K. und seinen Kindern geht es gut. Ihnen fehlt es an nichts. Andere aber müssen sich von ihren Kindern trennen, in der Sehnsucht nach einer menschlichen Zukunft. Sie hoffen für ihre Kinder wie die Bremer Stadtmusikanten für sich: Etwas Besseres als den Tod findet ihr überall!

Herr K. im Knusperhäuschen nen lange umhergeirrte Kinder, an einem vermeintlich sicheren Ziel angelangt, zur Lüge greifen und alle Vorsicht hintanstellen um des köstlichen Mahls willen. Satt wollen sie werden, getäuscht werden sie und sehen schließlich das Verderben. Gretel muss dienen und Hänsel soll nach guter Mast wohlfeile Mahlzeit werden für die Bewohnerin des so üppig und verführerisch nahrhaften Lebkuchenhauses. Weil schließlich die verantwortungslosen Eltern dieses Schick-

Der Verein im Internet: www. buntes-radebeul.de/ und www. facebook.com/BuntesRadebeul


Hintergrund

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Der heiße Herbst – ver.di präsentiert sich bunt 1.009 Delegierte sowie viele BeraterInnen und Gäste trafen sich vom 20. bis 26. September in Leipzig zum 4. Bundeskongress der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di. Kanzlerin Angela Merkel, die an der Eröffnung des Kongresses teilnahm, wurde zunächst mit freundlichen Gesten empfangen. Sie würdigte ver.di in ihrer Rede als starken und verlässlichen Partner, der große Verdienste daran hat, dass es in Deutschland seit Jahresbeginn einen gesetzlichen Mindestlohn gibt. Deutliche Proteste gab es allerdings, als sie für TTIP und CETA warb. Der Bundesvorsitzende Frank Bsirske lobte das besonnene und auch kompromissbereite Agieren der Kanzlerin. Die Wiederkandidatur des Vorsitzenden, der die zweitgrößte deutsche Gewerkschaft (derzeit zwei Millionen Mitglieder) seit ihrer Gründung führt, war umstritten. Die Gewerkschaften lehnen die Rente mit 67 grundsätzlich ab, aber Bsirske wird in zwei Jahren 65, wird also mit dem Alter in Rente gehen, das er mit „seiner“ Gewerkschaft kritisiert. Auch das nicht immer auf den ersten Blick glückliche Agieren von ver. di beim Post- und Kita-Streik stand in der Kritik. Am Dienstag ging der mit 88,5 Prozent wiedergewählte alte und neue Vorsitzende in einer sehr kämpferischen Rede

auf Probleme der Zeit ein und orientierte auf die Aufgaben in den nächsten vier Jahren. Breiten Raum nahm die Diskussion zur sogenannten Arbeitswelt 4.0, also der Digitalisierung der Arbeitswelt, ein. Prognosen gehen davon aus,

gehen, müssen zur Förderung gesellschaftlich sinnvoller Dienstleistungen, z. B. im sozialen und Umweltbereich, genutzt werden. Ebenso gilt es, die wachsende Produktivität für eine deutliche Verkürzung der Arbeitszeit zu nutzen.

armut soll in den nächsten Jahren im Mittelpunkt des ver. di-Kampfes stehen. Bsirske betonte, dass „eine massenhafte Altersarmut durch mehrfach gekürzte Renten“ drohe. Jede/-r dritte Vollzeitbeschäftigte ist bei dem aktuellen

dass in den nächsten Jahrzehnten 18 Millionen Jobs – 59 Prozent aller Arbeitsplätze – durch den Einsatz von Robotern gefährdet sind. Die gewaltigen Zugewinne an Produktivität und Reichtum, die mit dieser Entwicklung einher-

Deutlich sprachen sich die Delegierten für eine schrittweise Anhebung des Mindestlohnes auf 10 Euro aus, also eine Übernahme der schon seit längerer Zeit von der LINKEN geforderten Höhe. Eine Kampagne gegen Alters-

Rentenniveau von 48 Prozent des letzten Bruttoverdienstes betroffen, und dieses soll auf 43 Prozent sinken. Höhepunkte des ver.di-Kongresses waren unter anderem der Einzug von über 100 streikenden „Amazonern“, die sich

für die Unterstützung der Gewerkschaft bei ihren Streikaktionen bedankten, oder auch die Grußworte von GewerkschaftsvertreterInnen aus Österreich, Großbritannien und Kolumbien. Interessant waren der Parteien-Talk, bei dem Bernd Riexinger als Vertreter der LINKEN den meisten Beifall erhielt, und der Parlamentarische Abend, bei denen Bundestagsabgeordnete aller Parteien mit den Delegierten ins Gespräch kamen. Besonders Sahra Wagenknecht war im Saal der LINKEN dicht umlagert – auch wenn dieser wegen des großen Interesses der Delegierten viel zu klein war. Die Delegierten empfingen Vertreter der in der Messehalle 4 untergebrachten 1.900 Flüchtlinge, übergaben eine Spende von 10.000 Euro zur Verbesserung der hygienischen Bedingungen und mehrere Kisten mit Kinderbüchern für die vielen Kinder in der Halle. Nach Auffassung der ver.diDelegierten Gabi Eichner und Heiderose Gläß, beide auch Mitglied der AG Betrieb und Gewerkschaft der LINKEN Sachsen, bildete der Kongress insgesamt durch Schärfung der programmatischen Positionen sowie durch die Wahl leistungsfähiger Leitungsgremien eine gute Ausgangsbasis für die Gewerkschaftsarbeit der nächsten Jahre. Heiderose Gläß

ausländischem Namen keine Arbeit findet oder ihm hier Lebende die Wertschätzung verweigern. Flüchtlinge brauchen Hilfe und Unterstützung, sie sind aber auch Adressat der Forderung nach „Integration“. Sie sollten ihre Kultur beibehalten können, sich andererseits auch der deutschen Kultur und den geltenden Verfassungsnormen (Stichwort Gleichstellung der Frau) öffnen. Freilich kann von den Kommenden nicht gefordert werden, ihre Kultur aufzugeben. Aber es kann nicht verlangt werden, dass zugunsten von islamischen Migranten Jungs und Mädchen getrennter Schwimmunterricht verordnet wird. Es ist richtig, Grundrechte kennen zunächst keine Obergrenze. So ist es auch mit dem Grundrecht auf Asyl, und deshalb sind die Herzen vieler von uns sehr weit offen. Dennoch gibt es Kapazitätsobergrenzen, weshalb einiges dafür spricht, dass Personen aus Ländern, in denen nachweis-

lich ein Krieg tobt (Syrien, Afghanistan), Vorrechte vor Antragstellern aus Albanien oder dem Kosovo haben, wo kein Krieg tobt. Denn bei aller Liebe und Offenheit gibt es Obergrenzen, die noch lange nicht erreicht sind. Aber spätestens ab 2-3 Mio. Flüchtlinge pro Jahr würde es echt schwierig werden. Die örtlichen Verwaltungen müssen agiler werden und ihre Lösungen vor Ort kommunizieren. Weshalb müssen es etwa immer Turnhallen sein, die dem Kinder- und Jugendsport fehlen werden? Was immer hilft: Fluchtursachen bekämpfen, den Krieg in Syrien beenden, Bombardierungen durch die Großmächte sind einzustellen, und es muss auch ein Ende haben, dass mit deutschen Waffen Geld verdient wird. Schlussendlich muss es um eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge in der EU gehen. Es ist nicht einzusehen, weshalb Ungarn, Polen und andere bei der Gewährung von Fördermitteln die Solidarität des Nettobeitragszah-

lers Deutschland einfordern, bei der Aufnahme von Flüchtlingen diese aber verweigern. Gleichsam heißt die Umsetzung von „Dublin“ auch, dass es nicht möglich ist, dass die Asylregistrierung in anderen Ländern (Ungarn, Türkei) verweigert wird und alles durchgewunken wird. Es ist richtig, Zäune können Menschen nicht aufhalten, die vor Krieg und Not fliehen. Dennoch müssen Forderungen an die Einheimischen und an die zu uns Stoßenden gestellt werden, sonst erhält man keine Akzeptanz für eine offene Asylpolitik. Dies wird von den Eliten in Medien und Parlamenten, die sich keine Sorgen um ihr Einkommen machen müssen, gern übersehen. Die Akzeptanz für eine eher liberale Asylpolitik wollen wir. Dazu müssen wir auch um die Schwankenden, ja selbst um die Verbohrten mit Aufklärung kämpfen, denn keiner kann ein Interesse an einem Rechtsrutsch bei Wahlen haben. A. Willnow

Wir und die Flüchtlinge Der Platz der LINKEN ist zuerst an der Seite derjenigen, die den Flüchtlingen helfen und sie bei der Integration unterstützen möchten. Dezentrale Unterbringung, menschenwürdige Unterkünfte, Geld- statt Sachleistungen, Deutsch-Unterricht und Sprachkurse, dies sind die richtigen Stichworte. Gleichzeitig muss es uns darum gehen, Flüchtlingen gleichberechtigt den Weg in den Arbeitsmarkt zu ebnen. Die Hilfsbereitschaft vieler ehrenamtlicher Flüchtlingshelfer nötigt unserer Partei viel Respekt ab. Wo andere Ressentiments schüren und Hetze betreiben, wird zugepackt und praktisch geholfen. Nun gibt es unter den Bürgern einen Teil, der die Flüchtlinge mit Herz empfängt, einen Teil, der dies ablehnt, und einen Teil der Schwankenden. So sehr unser Herz am ersten Teil hängt, dürfen wir die anderen Gruppen nicht außer Acht lassen. Wir als LINKE können auch nicht alle „besorgten Bürger“ als Rassisten verun-

glimpfen und mit Nazis in einem Topf vermengen, sondern müssen fein unterscheiden zwischen wirklichen Extremisten (Nazis, Rechtsradikale), besorgten Bürgern (Nachbars’ Oma) und jenen, die Sorgen um die Zukunft ihrer Kinder umtreiben, Sorgen um die Identität ihres Heimatlandes, Sorgen, die sie nirgendwo artikulieren können, ohne schief angesehen zu werden. Manche „Bürgersorge“ ist schlicht Unfug, mancher geht leider der Hetze auf dem Leim. Andere Sorgen sind nicht unberechtigt. Es ist von unserer Seite darauf zu achten, dass die steigende Zahl der Flüchtlinge nicht zu Lohndumping benutzt wird, wie Verteilungskämpfe zwischen den armen Einheimischen und den Flüchtlingen vorprogrammiert sind. Was kulturelle Integration betrifft, ist das immer eine Wechselbeziehung zwischen denen, die schon da sind, und jenen, die kommen. Es kann nicht sein, dass jemand mit


Geschichte

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Dissident und Suchender Am 18. November wäre Rudolf Bahro 80 Jahre alt geworden Der ehemalige sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf hatte ein Faible für ökologische Fragen und alternative Gesellschaftsmodelle. In seiner Tagespolitik war davon zwar wenig zu spüren, er theoretisierte jedoch gern darüber und unterstützte sogar praxisphilosophische Versuchslabore. So half Biedenkopf 1993 dem Philosophen Rudolf Bahro bei der Gründung des „LebensGutes Pommritz“ in Sachsen, nachdem dieser ihn 1991 zu einer Veranstaltung nach Berlin eingeladen hatte. Das Thema von Biedenkopfs Vortrag lautete damals: „Eine Wirtschaftsordnung für GAIA – Plan und Markt vor der Belastungsgrenze des Planeten“. Bahro hatte zu dieser Zeit bereits mit seiner DDR-Vergangenheit abgeschlossen und widmete sich ausschließlich der Erkundung von Alternativen zur Industriegesellschaft. Der ehemalige Kommunist sah in der Linken kein ausreichendes Potential für eine völlige Abkehr von der weltzerstörerischen „Megamaschine“. Deshalb suchte er fast überall nach Verbündeten und geriet dabei auch mit dubiosen Esoterikern in Kontakt. In den 1990er Jahren wurden ihm vor diesem Hintergrund u.a. von seiner ehemaligen Mitstreiterin bei den Grünen, Jutta Ditfurth, völkische Tendenzen vorgeworfen. Tatsächlich klingen einige Äußerungen Bahros aus dieser Zeit befremdlich. Sein Bestreben war jedoch kein (öko-)faschistisches, sondern die verzweifelte Suche nach einer Gesellschaft, in welcher der Mensch nicht länger als Belastung der Natur fungiert. Inspiration suchte er hierfür nicht nur bei Marx und Hegel, sondern in seinen letzten Lebensjahren insbesondere auch im religiösen und esoterischen Bereich. Die Schnittmengen, die es in diesem Spektrum für (neu-)rechte Tendenzen gibt, übersah Bahro oder nahm sie in Kauf. Er ordnete der Rettung der Umwelt alles unter, auch die Existenz politischer Lager. Nicht Links, nicht Rechts, sondern vorn – so lautete schon in den 80er Jahren seine Devise, als er sich bei den entstehenden Grünen in führender Rolle einbrachte. Die bewusste Abkehr von der Tagespolitik und vom Parteienwesen war auch Resultat einer langen Suche mit vielen Rückschlägen und Desillusionierungen. Geboren wurde Bahro vor 80 Jahren im niederschlesischen Bad Finsberg. Als Kriegskind durchlitt er die Flucht, die

seine beiden Geschwister und die Mutter nicht überlebten. Angekommen in der Sowjetischen Besatzungszone, wuchs Rudolf Bahro bei seinem Vater auf und ging als junger Mann

schienen, schrieb Bahro konspirativ und parallel zu seiner offiziell angemeldeten Dissertation. Nachdem die Stasi auch noch die Promotion verhindert hatte, ging Bahro endgültig in

konspirative oppositionelle Lesekreise als auch den SED-Apparat selbst. Hier kursierte es auch, jedoch durfte nicht darüber diskutiert werden, und es bedurfte eines Zugangs zum

Bahro am 16. Dezember 1989 auf dem Sonderparteitag der SED. Bild: Bundesarchiv, Bild 183-1989-1216-014 / Senft, Gabriele / CC-BY-SA 3.0

nicht nur in die SED, sondern auch an die Humboldt-Universität nach Berlin, um Philosophie zu studieren. Damals war er völlig von der DDR und auch von Stalin überzeugt. Erst nach Abschluss seines Studiums wuchsen langsam Zweifel an der Parteiführung. Bahro kam zu der Überzeugung, dass es der SED-Spitze vorrangig um den Erhalt ihrer Macht und

die Offensive, verbrachte das Manuskript seiner „Alternative“ heimlich in den Westen und plante gemeinsam mit (westdeutschen) Partnern ein umfassendes mediales Begleitprogramm zum Erscheinen des Buches. So schlug es, flankiert von vorproduzierten Interviews für westdeutsche Leitmedien, über Nacht ein. Bahro wurde umgehend verhaftet und we-

Rudolf Bahro und Kurt Biedenkopf bei einer Vorlesung im Rahmen des Zyklus Sozialökologie an der HU Berlin (1991)

kaum um die Verwirklichung des Kommunismus gehen würde. Seine Strafversetzung 1965 von einer Studierendenzeitung hinein in das Gummikombinat Berlin Weißensee sowie die Niederschlagung des Prager Frühlings 1968 bestätigten endgültig diese Meinung, und Bahro beschloss in seiner Wut, ein Buch zu schreiben, das als Abrechnung mit dem Realsozialismus und zugleich auch als Entwurf eines anderen Kommunismus gemeint war. Dieses Buch, 1977 als „Die Alternative. Zur Kritik des real existierenden Sozialismus“ er-

nige Monate später verurteilt. Die SED hatte allerdings so kurz nach der Biermann-Affäre kein Interesse an einem inhaftieren bekannten Kritiker und entließ ihn im Rahmen einer Amnestie zum 30. Republikgeburtstag 1979 in die Bundesrepublik. Bahros „Alternative“ ging insgesamt ca. 300.000mal über den Ladentisch und wurde in mehrere Sprachen übersetzt. Auch in der DDR nahm man das Buch mit großem Interesse auf – wenn auch nur heimlich und unter strengen Sicherheitsvorkehrungen. Das betrifft sowohl

„Giftschrank“, wenn GenossInnen der SED einen Blick hinein werfen wollten. Die SEDFührung erkannte anscheinend die Brisanz des Inhalts, richtete sich „Die Alternative“ doch vorrangig an enttäusche KommunistInnen. Bahro hatte einen Widerspruch erkannt: Das vergleichsweise erfolgreiche Bildungssystem der DDR brachte einerseits hochqualifizierte und selbständig denkende Kader hervor. Nach der Ausbildung gab es für sie jedoch zu geringe berufliche Chancen und kreative Entwicklungspotentiale. Bahro meinte, dass dieser Überschuss an Bildung und Bewusstsein mittelfristig dazu führen werde, dass sich innerhalb der Partei ein „Bund der Kommunisten“ bilden und den alten Parteiapparat ersetzen würde. Dieser Bund sollte die SEDHerrschaft ablösen und die Gesellschaft hin zum Kommunismus führen. Die bisherigen Machthaber hielt er aufgrund der Apparatstruktur, der Bürokratie und der Hierarchie nicht für befähigt, eine andere Politik zu betreiben. Er warf der SED vor, bloß aussichtslos dem westlichen Konsummodell nachzurennen, statt einzusehen, dass es erstens unerreichbar und zweitens zerstörerisch ist. Bahro plädierte hingegen für Emanzipation: „Der ganze Typus von erweiterter Reproduktion, den die europäische Zivilisation in ihrer kapitalistischen Ära hervorgebracht hat, diese lawinenartig anschwellende Expansion in allen materielltechnischen Dimensionen, be-

ginnt sich als unhaltbar darzustellen. Der Erfolg, den wir mit unseren Mitteln der Naturbeherrschung hatten, droht uns und alle anderen, die er unbarmherzig in seinen Sog reißt, zu vernichten“. Bahro wandte sich hier auch gegen den Glauben, dass durch technischen Fortschritt die Probleme der Industriegesellschaft lösbar seien. Darin sah er vielmehr „eine der lebensfeindlichsten Illusionen der Gegenwart“. Verfechtern eines „grünen Kapitalismus“ sei die „Alternative“ hier zur (erneuten) Lektüre ans Herz gelegt. Kommunismus im Sinne Bahros bedeutete hingegen ein bedächtiges, geregeltes, nachhaltiges und harmonisches Wachstum und Leben. Dazu sei ein Ausgleich, ein Gleichgewicht zwischen Mensch und Natur nötig, was wiederum erst den „Sprung ins Reich der Freiheit“ möglich machen würde. Nicht Askese, aber eine Abkehr vom Konsumverhalten der Industriegesellschaft charakterisiert Bahros utopischen Entwurf in der „Alternative“ von 1977. Spätere Texte brechen noch viel deutlicher mit der westlichen Produktions- und Lebensweise. Bahro selbst legte dabei nie einen geschlossenen utopischen Entwurf vor, sondern blieb Suchender. Sich selbst verortete er dabei erst innerhalb und später außerhalb der Gesellschaft. Der Zeitzeuge Marko Ferst berichtet hierzu: „Rudolf Bahro meinte einmal mündlich, er sei kein Dissident, nicht er sei es, der abwiche von der Gesellschaft. Mit der Kritik an den versteinerten politischen Verhältnissen in der DDR, an der Diktatur des Politbüros als verhängnisvoll übersteigertem bürokratischen Prinzip, konnte er eine Mehrheit der DDR-Bürger hinter sich wissen. Da war er kein Abweichler, kein Andersdenkender. […] Doch die Dissidenz beginnt dort, schon in der ‚Alternative‘, wo es darum geht, ob unser gesellschaftlicher Stoffwechsel verträglich ist für den Erhalt der Natur, ob der Industrialismus nicht bereits in vielen Ländern das zuträgliche Maß überschritten hat“. In späteren Texten begab er sich hier immer mehr in eine Gegenposition zur Mehrheit – und teils auch ins Abseits. Er blieb bis zu seinem Tode im Dezember 1995 ein Dissident und zugleich ein Suchender in Sachen Alternative(n). Dr. Alexander Amberger promovierte zum Thema „Bahro – Harich – Havemann. Marxistische Systemkritik und politische Utopie in der DDR“. Mehr Infos: www.alexanderamberger.de


Links! 11/2015

Rosa-Luxemburg-Stiftung

Termine Chemnitz, 9.11., 18.00 Uhr Lesung: „Wenn es ans Leben geht“ – eine Peter-Edel-Lesung. Mit Mike Melzer. Eine Veranstaltung der Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen und dem Soziokulturellen Zentrum „querbeet“. Querbeet, Rosenplatz 4, 09126 Chemnitz Leipzig, 10.11., 18.00 Uhr Vortrag und Diskussion: Gegen das Vergessen? Über den Unfrieden in Europa und die deutsche Vergangenheit. Mit HansRüdiger Minow, Autor (Berlin). RLS Sachsen, Harkortstraße 10, 04107 Leipzig Leipzig, 10.11., 19.00 Uhr MARXEXPEDITION 2015: Krisen und soziale Bewegungen. Arbeiterklasse „denken“: von Marx bis Negri, mit einigen Zwischenstopps. Mit Ulrich Brieler. Hörsaalgebäude (HSG) der Uni Leipzig, Hörsaal 8, Universitätsstraße 3, 04109 Leipzig Chemnitz, 11.11., 19.00 Uhr Vortrag und Diskussion: Die nichtbeachtete Diskriminierung – Klassismus. Mit Andreas Kemper, Soziologe. Eine Veranstaltung der Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen in Kooperation mit der Volkshochschule Chemnitz. Volkshochschule Chemnitz, Raum 407, dasTietz, Moritzstraße 20, 09111 Chemnitz Leipzig, 12.11., 18.00 Uhr Buchvorstellung und Gespräch: „Arthur Ewert. Revolutionär auf drei Kontinenten“. Mit dem Autor Ronald Friedmann, Moderation: Klaus Kinner. RLS Sachsen, Harkortstraße 10, 04107 Leipzig Dresden, 15.11., 11.00-18.00 Uhr Workshop: Vereinsbuchhaltung & Projektabrechnung für gemeinnützige Vereine. Mit Rico Knorr. WIR-AG, Martin-Luther-Straße 21, 01099 Dresden Leipzig, 16.11., 18.00 Uhr Buchvorstellung und Gespräch „,Bankerte!‘: Besatzungskinder in Deutschland nach 1945“. Mit der Autorin Prof. Dr. Silke Satjukow, Institut für Geschichte (IGES) Universität Magdeburg.

Impressum Links! Politik und Kultur für Sachsen, Europa und die Welt Herausgeber: Dr. Monika Runge, Verena Meiwald, Prof. Dr. Peter Porsch, Dr. Achim Grunke Verleger: Verein Linke Bildung und Kultur für Sachsen e. V.,

Moderation: Michael-Alexander Lauter. RLS Sachsen, Harkortstraße 10, 04107 Leipzig Leipzig, 17.11., 18.00 Uhr REIHE: Deutsche und Russen - Russen und Deutsche. Wahrnehmungen vom 18. bis 20. Jahrhundert. Georg Sacke: Wladimir Solowjews Geschichtsphilosophie.Mit Dr. Volker Hölzer. RLS Sachsen, Harkortstraße 10, 04107 Leipzig Leipzig, 19.11., 18.00 Uhr Jour fixe. Ein unkonventioneller Gesprächskreis. RLS Sachsen, Harkortstraße 10, 04107 Leipzig Dresden, 20.11., 19.00 Uhr Diskussion: Lesbenvernetzung in „queeren Zeiten“ – Wo sind die Lesben? Im Rahmen der Aktionstage gegen Sexismus und Homophobie an der TU Dresden. Mit Ilona Bubeck (Berlin, Querverlag), Claudia Koltzenburg (Nürtingen, lesbische Aktivistin) und Maria Bühner (Leipzig, Kulturwissenschaftlerin). Moderation: Cordula Karich (Hamburg, Gründungsmitfrau FrauenLebenVielfalt e.V.). Eine Veranstaltung von FrauenLebenVielfalt e. V. in Kooperation mit Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen. TU Dresden, Raum w. n. b. g., 01069 Dresden Leipzig, 21.11., 11.00-18.00 Uhr Workshop: Vereinsbuchhaltung & Projektabrechnung für gemeinnützige Vereine. Mit Rico Knorr. RLS Sachsen, Harkortstraße 10, 04107 Leipzig Leipzig, 24.11.,18.00 Uhr PHILOSOPHISCHE DIENSTAGSGESELLSCHAFT: Fitness und Wellness – ethische Leitwerte heute?. Mit PD Dr. Peter Fischer (Leipzig), Moderation: Prof. Dr. Karl-Heinz Schwabe. RLS Sachsen, Harkortstraße 10, 04107 Leipzig Dresden, 24.11., 18.00 Uhr REIHE: JUNGE ROSA. Bullenwagen klauen und Adorno zitieren – Die Linke zwischen Theorie und Praxis. Mit Boris Krumnow, Kleiststraße 10a, 01129 Dresden Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Die Redaktion behält sich das Recht auf sinnwahrende Kürzungen vor. Die Papierausgabe wird in der LR Medienverlag und Druckerei GmbH in Cottbus gedruckt.

politischer Bildner (Leipzig). WIR-AG, Martin-Luther-Straße 21, 01099 Dresden

Hörsaalgebäude (HSG) der Uni Leipzig, Hörsaal 4, Universitätsstraße 3, 04109 Leipzig

Leipzig, 25.11., 19.00 Uhr Vortrag und Diskussion: Wehrhafte Opfer – Frauen der Westsahara im Widerstand. Mit Ananna Dkhil Bani, Leiterin des Kulturzentrums des saharauischen Flüchtlingslagers Laayun (bei Tindouf, Algerien) und Regina Dietzold, Freiheit für die Westsahara e.V. RLS Sachsen, Harkortstraße 10, 04107 Leipzig

Leipzig, 26.11., 18.00 Uhr ROSA-LUXEMBURG-SEMINAR: Heldenverehrung und theoretische Distanz nach 1945. Die „Tauwetterperiode und der inkonsequente Bruch mit dem Stalinismus“. Mit Dr. Elke Reuter (Berlin), Moderation: Prof. Dr. Klaus Kinner. Bibliothek der RLS Sachsen, Harkortstraße 10, 04107 Leipzig

Dresden, 25.11., 19.00 Uhr Podiumsdiskussion: Von Macht und Machenschaften der geheimen Dienste und der Rüstungslobbyisten. Mr. und Mrs. Aufklärung sprechen darüber. Mit MdB Martina Renner (Mitglied des NSA-Untersuchungsausschusses für die Fraktion DIE LINKE. im Bundestag), MdB Jan van Aken (ehemaliger UN-Waffeninspekteur und Rüstungsexperte der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag) und MdB Katja Kipping (Moderation). Eine gemeinsame Veranstaltung des Abgeordnetenbüros von MdB Katja Kipping und der RLS Sachsen. WIR-AG, Martin-Luther-Straße 21, 01099 Dresden Leipzig, 26.11., 18.30 Uhr Vortrag und Diskussion: ROSA L. IN GRÜNAU: Angst vor einer „Islamisierung Europas“? Mit Florian Illerhaus, Religionswissenschaftler (Leipzig). Klub Gshelka, An der Kotsche 51, 04207 Leipzig Leipzig, 26.11., 19.00 Uhr Vortrag und Diskussion: Verbrechen Liebe. Beziehungen zwischen polnischen Zwangsarbeitern und deutschen Frauen. Mit Thomas Muggenthaler, Journalist und Autor (Regensburg). Eine Veranstaltung der Gedenkstätte für Zwangsarbeit in Kooperation mit der RLS Sachsen. RLS Sachsen, Harkortstraße 10, 04107 Leipzig Leipzig, 26.11., 19.00 Uhr MARXEXPEDITION 2015: Krisen und soziale Bewegungen. Eine „Care Revolution“ als Antwort auf die Krise der (Re-)produktion? Mit Gabriele Winkler. Redaktion: Kevin Reißig (V.i.S.d.P.), Jayne-Ann Igel, Ute Gelfert, Ralf Richter. Kontakt: redaktion@linke-bildung-kultur.de Tel. 0351-84389773 Redaktionschluss: 30.10.2015 Die nächste Ausgabe erscheint am 03.12.2015.

Dresden, 2.12., 19.00 Uhr Podiumsdiskussion: Stimmungsmache, Hetze, Drohung – Wie Rechte soziale Medien nutzen, um die Gesellschaft zu verändern. Mit Simone Rafael (Chefredakteurin Netz-gegenNazis.de der Amadeu Antonio Stiftung), Martin Fuchs (Politikberater und Blogger), Eric Hattke (Sprecher des Netzwerkes „Dresden für Alle“), Gunter Neumann (Leiter Online/Social Media Redaktion MDR Landesfunkhaus Sachsen), Moderation: Peter Stawowy (Flurfunk Dresden). Dresden. Den Ort finden Sie in Kürze unter: www.sachsen.rosalux.de Leipzig, 8.12., 18.00 Uhr Ständiges Seminar zur poltischen Kommunikation: Sexus – Gender – Genus in ihrem Verhältnis in der Sprache und im Gespräch. Mit Prof. Dr. Peter Porsch und Dr. Ruth Geier. RLS Sachsen, Harkortstraße 10, 04107 Leipzig Leipzig, 11.12., 19.00 Uhr REIHE MARXEXPEDITION 2015: Krisen und soziale Bewegungen Rückkehr des Islamismus im arabischen Winter. Mit Ismail Küpeli. Hörsaal 8, Hörsaalgebäude (HSG) der Uni Leipzig, Universitätsstraße 3, Leipzig Leipzig, 15.12., 19.00 Uhr REIHE MARXEXPEDITION 2015: Krisen und soziale Bewegungen Freundinnen und Freunde der klassenlosen Gesellschaft: Die Linke in der Krise. Mit Freundinnen und Freunden der klassenlosen Gesellschaft (Berlin). Uni Leipzig, Raum w. n. b. g. Die Zeitung „Links!“ kann kostenfrei abonniert werden. Wir freuen uns jedoch über eine Spende, mit der Sie das Erscheinen unserer Zeitung unterstützen. Kostendeckend für ein Jahresabo ist eine Spende in Höhe von 12 Euro. Sollten Sie an uns spenden wollen, verwenden Sie bitte folgende Kontodaten:

Seite 6 Leipzig, 17.12., 18.00 Uhr Jour Fixe – Ein unkonventioneller Gesprächskreis. Zur Besetzung der Uni Leipzig vor 25 Jahren. Mit Peer Pasternack, Moderation: Manfred Neuhaus und Klaus Kinner. RLS Sachsen, Harkortstraße 10, 04107 Leipzig NEUERSCHEINUNG Verfolgt – Bejubelt – Vergessen. Zum Leben und Werk von Bruno Apitz Mit seinem Werk „Nackt unter Wölfen“ erlangte der aus Leipzig stammende Schriftsteller Bruno Apitz weltweite Anerkennung. Nach 1990 geriet er fast sofort in Vergessenheit. Der vorliegende Band entstand im Nachgang eines Symposiums zum Leben und Werk von Bruno Apitz. Da sich neben dem 115. Geburtstag von Bruno Apitz im April 2015 die Befreiung des KZ Buchenwald zum 70. Mal jährte und eine Neuverfilmung des Apitz-Bestsellers „Nackt unter Wölfen“ im Fernsehen zu sehen war, war es Ziel des Symposiums und des nun vorliegenden Tagungsbandes, Apitz‘ Leben und Werk in einem differenzierten Licht zeigen sowie eine öffentliche Diskussion anregen, ob dieser Autor im wiedervereinigten Deutschland nicht doch einen Platz im gesellschaftlichen Erinnern verdient. Stefanie Götze (Hsrg.): Verfolgt – Bejubelt – Vergessen. Zum Leben und Werk von Bruno Apitz, Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen, Leipzig 2015, 115 S. Inhalt Michael Faber: Einleitung Marlis Apitz: Geleitwort Lars Förster: Bruno Apitz im KZ Buchenwald Denise Görlach: „Die Marmorstatue“ – Ein Fundstück aus dem Archiv. Über die Entstehung und Edition eines Prosafragments von Bruno Apitz Susanne Hantke: „…weil es mir darauf ankam, das Dschungelgesetz deutlich zu machen …“. Die Genese von Bruno Apitz’ antifaschistischen Kultroman „Nackt unter Wölfen“ 1955– 1958 Bill Niven: Die Neuverfilmung von Nackt unter Wölfen und ältere Verfilmungen im Vergleich Kostenbeitrag: 2 €, Mitglieder 1,50 € Verein Linke Bildung und Kultur für Sachsen e.V. IBAN: DE83 8509 0000 3491 1010 07 BIC: GENODEF1DRS Bank: Dresdner Volksbank Raiffeisenbank Aboservice: www.links-sachsen.de/abonnieren, aboservice@links-sachsen.de oder 0351-84 38 9773


Rezensionen

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11/2015  Links!

„Die Angst vor dem Fremden – Die Wurzeln der Xenophobie“ durch Fremdenfeindlichkeit mitverursacht waren. So wurde schon in der Antike zur Bezeichnung von Fremden die Bezeichnung „Barbaren“ verwandt, was so viel wie Stammler und Stotterer bedeutet, womit bereits Homer in der „Ilias“ fremde Men-

ist der Meinung, dass der tiefe Graben zwischen den Kulturen durch religiöse Unterschiede ausgelöst wurde. Oeser sieht den Bruch zwischen den Religionen Christentum, Judentum und Islam, die in ihrer Tradition viel gemeinsam haben, an die Person Jesus geknüpft. Die

schen bezeichnete, die nicht oder nur schlecht Griechisch sprechen. In der späteren Geistesgeschichte hat sich die Bezeichnung „Barbaren“ für kulturell Fremde gegenüber den Hellenen verfestigt. Auch in der arabischen Sprache wurde ein besonderes Wort wie „Garb“ zur Bezeichnung des Westens als einem Gebiet des Fremden geprägt. Oeser

Differenzen in den Religionen haben zu weltgeschichtlichen Kriegshandlungen geführt, sich zum Antisemitismus und zur Islamophobie gesteigert und religiös Andersdenkende in Massen vertrieben. Breiten Raum nimmt bei Oeser die historische Debatte um den Rassebegriff und um die Entstehung von Rassismus ein. Rassismus ist keinesfalls eine

Bild: Jasper Goslicki / Wikimedia Commons / CC BY-SA 3.0

Im Rahmen des unkonventionellen Gesprächskreises „Jour Fixe“ der RLS Sachsen stand das vom österreichischen Philosophen und Wissenschaftstheoretiker Erhard Oeser jüngst veröffentlichte Buch „Die Angst vor dem Fremden – Die Wurzeln der Xenophobie“ zur Debatte. Liefert es doch wissenschaftliche Hintergründe für das in letzter Zeit massenhaft auftretende Phänomen der Fremdenfeindlichkeit (Xenophobie), das sich nicht nur auf den Demonstrationen von Pegida und ihren Ablegern, sondern auch in Gewaltausbrüchen gegenüber Flüchtlingen artikuliert. Dabei bezieht Oeser wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Anthropologie als der naturwissenschaftlich orientierten Menschenkunde und aus der Ethnologie als kulturwissenschaftlicher Völkerkunde ein. Mithin kommt er zum Ergebnis, dass Fremdenfeindlichkeit in Natur und Kultur der Menschheit verwurzelt und keinesfalls nur ein zeitgenössisches Phänomen ist. In einem Parforceritt durch die Kulturgeschichte der Menschheit in unterschiedlichen Regionen der Erde wie dem arabischen, afrikanischen, südamerikanischen, japanischen, chinesischen und schließlich dem europäischen Raum spürt Oeser den Konflikten nach, die u. a. auch

Erfindung der Menschen in der neueren Geschichte, sondern reicht weit in die Geschichte der Menschheit zurück. Das gilt auch für die Xenophobie, „die eine für das Überleben des Individuums und der Art wichtige Funktion besitzt. Angst und Misstrauen gehören sicher zu den ältesten Gefühlsregungen der Menschen. Unbestreitbar liegen die Wurzeln dieser Gefühle in der Vorgeschichte der Menschen als biologische Art“ (S. 364). Die Islamophobie ist gegenwärtig in der globalisierten Welt die dominante Form von Xenophobie. Der „Salafismus“, was abgeleitet vom Wort salafia so viel wie „zurück zu den Quellen“ bedeutet, sei der Ursprung der Terroraktivitäten und damit für die Islamophobie. Dieser fundamentale Salafismus entspreche der postmodernen individualisierten Gesellschaft ohne Nationalstaat und fast ohne Traditionen. Der heutige „Islamische Staat“ beruft sich auf den fundamentalen Salafismus und hatte seinen praktischen Ausgangspunkt im Gefangenenlager Camp Bucca, das die USA zwischen 2003 bis 2009 im Irak unterhielt. Dieses Camp gilt als Wiege der IS-Führung. Ziel der Salafisten ist es, einen Gottesstaat zu errichten, der auf islamischem Recht beruht und auch mit Gewalt durchgesetzt werden soll. Dieser ge-

waltbereite Islamismus kennt nur Gläubige und Ungläubige, der Islam wird als einzig wahre Religion angesehen. Der Terrorismus als politisch motivierter Islam wird als bewaffnete Verteidigung und Rachefeldzug für angetanes Unrecht wegen der kriegstechnischen Überlegenheit des Westens mit Feuer und Schwert in die Welt getragen (vgl. S. 438). In Europa machen heute vor allem der islamistische Terror, religiöser Fanatismus, wirtschaftlich-sozialer Neid und die von Hetze und Hass geprägten Auseinandersetzungen, die auf emotionaler Ebene auf den Pegida-Demonstrationen und ihren Ablegern geführt werden, Angst. Wie soll man dem begegnen? Bildung und Aufklärung über verschiedene Religionen und Kulturen können bei rational zugänglichen Menschen helfen. Aber auch das gegenseitige Kennenlernen und das Erzeugen von Mitgefühl für Kriegsflüchtlinge können zum wechselseitigen Verstehen führen. Allerdings gibt es gegen fremdenfeindliche Hetze, Hass und Gewalt nur den Weg, klare Kante zu zeigen. Für eine gelingende Integration sind zivilgesellschaftliches Engagement für Flüchtlinge sowie Begegnungen mit Einheimischen zu organisieren, um offen über kulturelle Unterschiede zu diskutieren. Dr. Monika Runge

Die fleischgewordene Vision Dostojewskis Im Mai 1925 meldet der Draht aus Moskau, dass Boris Sawinkow, ein Träger des revolutionären Gedankens in Russland, verstorben sei. Und die Kölnische Zeitung vom 16. Mai desselben Jahres verabschiedet Boris Sawinkow mit den Worten: „Immer stand er in der vordersten Front der Revolution, immer bereit, seinen Kopf der revolutionären Sache zur Verfügung zu stellen, nie vor der Gefahr zurückschreckend. […], eine ehrliche Kämpfernatur, die stets das Beste wollte, aber mit den Realitäten des Lebens zu wenig zu rechnen verstand“. Boris Sawinkow war einer der führenden Köpfe des russischen Terrorismus vor der Oktoberrevolution, einer der ersten professionellen Terroristen. Der Terrorismus, als Kampfmethode mit meist ideologischem Hintergrund, hat seinen Ursprung im frühen 19. Jahrhundert. Das Epizentrum war sicherlich das zaristische Russland, wo sich nach dem

Petersburger Blutsonntag der Kampf radikalisierte und in die revolutionären Unruhen der Jahre 1905 bis 1907 führte. Der „Bourgeois mit der Bombe in der Tasche“, wie Lenin Sawinkow nannte, verübte zahllose Terrorakte gegen das zaristische Regime. Im Auftrag der Kampforganisation der Sozialrevolutionäre organisierte er den Anschlag auf den Großfürsten Sergej Alexandrowitsch Romanow, der 1891 Generalgouverneur von Moskau wurde und als Despot und Menschenschlächter galt. Nachdem Sawinkow sich dem Todesurteil durch Flucht aus dem Gefängnis von Odessa entziehen konnte, ging er nach Paris und begann dort mit seinen Aufzeichnungen über seine terroristischen Aktivitäten. In dem Roman „Das fahle Pferd“ wird nicht nur der Mordanschlag auf den Großfürsten Sergej literarisch zu einem existenzialistischen Albtraum verdichtet. Er ist auch eine Expedition in den Kopf eines Attentäters:

„Ich bin ein Meister der roten Zunft. Ich will auch in Zukunft mein Handwerk ausüben. Tag für Tag, Stunde für Stunde werde ich Morde ausbrüten. Ich werde alles heimlich beobachten, werde allein vom Tod

leben, und einst erstrahlt die berauschende Freude: Es ist vollbracht – ich habe gesiegt. Und so fort bis zum Galgen, bis zum Grab“. Der Roman besteht aus Tagebucheintragungen des Ich-Erzählers. Er hat einen britischen Pass, angeblich ist er Englän-

der. Mit ihm sind vier Komplizen in Moskau eingetroffen. Sie sollen das Opfer auskundschaften und beim Attentat helfen. Jeder von ihnen will die Bombe werfen. Ein Leben auf einem schmalen Grat. Ein Teil der Gruppe hat schon mit allem abgeschlossen, bei anderen flackern fiebrige Gefühle auf. Die Gespräche der Vier kreisen um Gott, Tod und das Nichts, jeder Tag kann der letzte sein, jeder Satz das Vermächtnis. Ihr Ziel ist der Generalgouverneur, der aber mit einem Attentat rechnet und von Moskau nach Petersburg zieht; die Jäger bleiben auf seiner Spur. Die Stadt ist voller Spitzel und Gendarmen – doch die Terroristen scheuen vor nichts zurück, für sie gibt es nur ein Ziel: den Tod des Gouverneurs. „Das fahle Pferd“, Roman eines Terroristen, nimmt ohne Zweifel einen gewichtigen Platz in der Literatur ein. Zum einen erzählt Boris Sawinkow spannend das Vorhaben und die Durchführung eines terro-

ristischen Attentats. Planung, Rückschläge, Verzweiflung, Ratlosigkeit und neuer Ansporn zeichnen die Protagonisten des Todes aus. Angetrieben werden sie durch eine doppelte, an sich gegensätzliche Ideologie. Es ist der radikale Sozialismus, verwoben mit christlichem Heilsversprechen. Damit werden Sawinkow und seine Terroristengruppe nicht sympathischer, aber der Wahn, der sie antreibt, macht ihre Agitation fassbarer. Der Ich-Erzähler ist vom Tode gezeichnet. Den Tod, den er den anderen gibt, trifft ihn selbst. Er ist der apokalyptische Reiter – „Das fahle Pferd“. Andreas Haupt Boris Sawinkow: Das fahle Pferd. Roman eines Terroristen. Aus dem Russischen übersetzt, kommentiert und mit einem dokumentarischen Anhang versehen von Alexander Nitzberg und mit einem Nachwort von Prof. Jörg Baberowski. Galiani Verlag Berlin, 22,99 Euro.


Die letzte Seite

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Eric Bogle – australischer Songpoet mit schottischen Wurzeln Anfang der achtziger Jahre fiel mir während einer Liedermacherveranstaltung im Rahmen der Blankenburger Chansontage im Kloster Michaelstein, an der ich mitwirkte, ein junger Sänger auf. Er trug ein Lied vor, dessen pazifistischer Text mich tief berührte, ebenso wie dessen musikalische Umsetzung. Es thematisierte Fragen eines Beobachters an einen Soldaten aus dem Ersten Weltkrieg im Grab: „Hast Du, toter Soldat, mal ein Mädchen geliebt? … Soldat, gingst Du gläubig und gern in den Tod? …“ Das Lied endet mit der Antwort: „Ja, auch Dich haben sie schon genauso belogen, so wie sie es mit uns heute immer noch tun. Und Du hast ihnen alles gegeben: Deine Kraft, Deine Jugend, Dein Leben!“ Als ich den Sänger nach der Veranstaltung fragte, ob dieses Lied aus seiner Feder stamme, verneinte er das bescheiden und gab mir zu verstehen, dass es von Hannes Wader herrühre. Kurze Zeit später erschien beim DDR-Label Amiga die LP „Hannes Wader live“, auf der jener Song mit dem Titel „Es ist an der Zeit“ vertreten war. Beim Betrachten der Plattenhülle stellte ich fest, dass es sich um eine Coverversion des Liedes „No Man’s Land“ eines in Australien lebenden schottischen Folksängers namens Eric Bogle handelte. Diesen, der am 23. September 2015 seinen 71. Ge-

burtstag feierte, kann man getrost als denjenigen Autor bezeichnen, dessen Songs am meisten gecovert wurden. Seine Gesangskarriere begann er bereits als Schüler in einer Rockband (Eric and the Informers), bevor er sich als Folksänger etablierte. Pete Seeger, Woodie Guthrie, Tom Paxton oder Ales Campbell ließen ihn die alten Pfade der Folkmusik neu betreten, und das später sehr erfolgreich – jedoch nicht in seiner schottischen Heimat, sondern in Australien, wohin es ihn 1969 verschlug. 1970 begann er, seine ersten Lieder zu schreiben, nachdem er als Hilfsarbeiter in der Baubranche und in anderen Jobs seinen Lebensunterhalt verdiente, um auf dem neuen Kontinent Fuß zu fassen. Seine meist in schottischem Akzent vorgetragenen Songs kamen bei den Studenten in den Universitäten sehr gut an, da sie durch Erics einfühlsamen Gesang und seine schlichte Gitarrenbegleitung überzeugten, und weil sich die Hörerschaft mit den sozialkritischen Textinhalten identifizieren konnte. Dass sein Publikum alsbald auch generationenübergreifend wurde, lag gewiss auch an dem Umstand, dass er sich der jüngeren Geschichte Australiens verschrieb, indem er Antikriegslieder sang, die sich teilweise mit dem Ersten Weltkrieg befassten, an dem auch

Australien maßgeblich beteiligt war. „The Band Played Waltzing Matilda“ wurde ein Riesenhit in den Folkcharts und unzählige Male gecovert. The Dubliners seien hier genannt, The Poques, Joan Baez, June Tabor, Liam Clancy, Weltstars. Aber auch in Deutschland, genauer gesagt in der DDR, noch genauer in Leipzig, sang Jürgen

Ähnlicher Erfolg wiederfuhr dem schon erwähnten Titel „No Man’s Land“, den nicht nur Hannes Wader für sich vereinnahmte, sondern auch die Cottbuser Folkformation „Wacholder“, die dieses Stück, ebenfalls ins Deutsche übersetzt, auf ihrer 1989 erschienen zweiten Langspielplatte bei Amiga produzierten. Und der Münsteraner

Bild: Peterdownunder/Wikimedia Commons/ CC BY-SA 3.0

Wolff von den „Folkländern“ im vogtländischen Dialekt: „Und die Bänd spielt Waltzing Matilda“. Er verlagerte die Geschichte in das Land der Hauptverursacher des Ersten Weltkriegs. Hier wird das Schicksal eines jungen Mannes beschrieben, der als verkaufter Legionär in die Ferne geschickt wird und nach grausamer Schlacht als Invalide heimkehrt, um ein erbärmliches Bettlerleben zu führen.

Chansonnier Günter Gall sang Bogles „No use for him“ in seinem niederrheinischen Dialekt „Tenbrücks‘ Hein“ über einen arbeitslos gewordenen Stellwerker bei der Eisenbahn. Doch zurück zu Eric Bogle. Den zog es immer wieder nach Schottland, um dort seine Eltern und Freunde zu besuchen. Da er mittlerweile auch in den schottischen Folkclubs und Studentenkellern kein unbekannter Künstler mehr war,

nutzte er die Gelegenheit, um dort Konzerte zu geben. Sein Name erlangte dadurch zunehmende Popularität, so dass er auch in England, Irland, Frankreich und in der BRD Angebote bekam, wie beim 18. InterfolkFestival auf der Burg Waldeck. In Deutschland produzierte er seine erste LP „Eric Bogle, live in Person“, der in kürzester Zeit zwei weitere folgten. Sie gelten inzwischen als Meilenstein der damals jüngeren Folkszene. Pete Seeger bezeichnete Bogle als wichtigsten Newcomer in dieser Epoche. 1985 besuchte er auch die DDR. Eine Besichtigung des ehemaligen Konzentrationslagers Sachsenhausen veranlasste ihn, den Song „Never Again“ zu schreiben. Seit 1980 arbeitet er mit dem Gitarristen und Mandolinenspieler John Munro zusammen, der ebenfalls aus Schottland stammt und mit dem er auch Konzerte in den Vereinigten Staaten und in Kanada gab. Für seinen Einsatz gegen Krieg und Rassismus wurde ihm die Friedensmedaille der UNO überreicht. Eric Bogle ist immer noch auf den Bühnen unterwegs. Das jüngste Album „The Dreamer“ (2009) beweist, dass seine Stimme nichts von ihrer charismatischen Ausstrahlung eingebüßt hat. Wir freuen uns auf weitere brisante Werke von ihm. Jens-Paul Wollenberg

Poet und Wolken mit Charakter Willi Beitz stellt bei Jour fixe Andrej Platonow und eigene Pastelle vor Jour fixe ist zurück: In stimmungsvoller Atmosphäre strebt die siebte Auflage am 17. September neuen Ufern zu. Rund 50 Freunde und Interessierte haben sich in der Leipziger Dependance der Rosa-Luxemburg-Stiftung eingefunden, um deren langjährigen Aktivisten Willi Beitz zu seinem 85. Geburtstag die Ehre zu erweisen. Gastgeber Manfred Neuhaus verbindet seine Laudatio und die Glückwünsche aller mit der Aussicht auf einzigartige Sinnesfreuden, die der doppelt Begabte als „profunder Literaturwissenschaftler und begnadeter Landschaftsmaler“ dem Auditorium bereiten werde. Das sieht sich vom Jubilar denn auch reich beschenkt. Willi Beitz widmet seinen Geburtstagsvortrag Andrej Platonow, einem seiner „Herz-Literaten“. In tiefgründiger fachwissenschaftlicher Analyse, die Platonows Leben und Wirken in historisch-konkrete gesellschaftspolitische Zusammenhänge stellt, und mit solidarisch-anrührender

Ehrfurcht vor dessen Moralität zeichnet der ausgewiesene Kenner der russischen Literatur seinen „Helden“ gedanken- und wortmächtig als „Lazarus und

genialen Außenseiter“. Wegen seiner weitsichtigen und mutigen Kritik des stalinistisch-sozialistischen Irrwegs hätten Platonows Schriftsteller-Ethos und

die Größe seines Werks bis in die jüngere Vergangenheit keine Massen-Leserschaft erreichen können. Das bliebe eine lohnende Aufgabe. Zumal Platonow ein philosophischer Kopf gewesen sei, dessen Schriftstellerei von dialektischem Tüfteln künde, antithetisch und nicht selten skurril bis schräg daherkomme, um in bewusstgezielter „Narretei“ umso gesellschaftskritischere Töne anschlagen zu können. In der lebhaften Diskussion bestärkt insbesondere Adelheid Latchinian, selbst vom Fach, ihres Kollegen Prophezeiung, Platonow werde zu den bleibenden Schriftstellern des 20. Jahrhunderts gehören. Seine Weisheit würde ihn auch weiterhin modern und produktiv machen. Klaus Kinner leitet vom Ohren- zum Augenschmaus über. Ehe die Vernissage ausgewählter Gemälde, die die Räume in der Harkortstraße 10 nun zeitweilig schmücken, in ihre Anschau-Etappe tritt, würdigt der Jour-fixe-Mitbegründer Willi Beitz‘ Doppelbegabung und seine Bilder. Etliche zierten längst die Wohnzimmer manches Stiftungsfreundes. Sprechwissen-

schaftlerin Regine Porsch verliest eine in Briefform gehaltene Laudatio des im Ausland weilenden Kunstpädagogen Hans Rossmanith. Darin rühmt der frühere Student des früheren Sektionsdirektors Willi Beitz dessen bodenständige Malkunst, seine „bezaubernden Pastellarbeiten mit eigenem Reiz“. Die malende Germanistin Christel Hartinger, auch privat mit dem Jubilar befreundet, reflektiert dessen malerische Entwicklung aus persönlichem Erleben. Beitz‘ Kunst lasse Bekanntes neu entdecken, wenn man seine hingetupften Landschaften betrachte. „Erstaunlich: Willi malt Wolken mit Charakter“. Davon kann sich die Gästeschar selbst überzeugen und sich bei einem vom Ehepaar Beitz gestifteten Sektumtrunk über das Phänomen austauschen, einen Schriftsteller und Wolken mit Charakter erlebt zu haben. Wulf Skaun Foto: In jüngster Zeit hat sich Willi Beitz auch Stadtbildern zugewandt. Das Foto zeigt ein in diesem Jahr entstandenes Motiv der Leipziger Innenstadt. Foto: RLS


11/2015 Sachsens Linke!

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November 2015

Sachsens Linke

Annekatrin Klepsch verabschiedet sich in eine neue Aufgabe, während Anja Eichhorn eine neue Aufgabe annimmt.

Axel Troost blickt durch die Brille des Ökonomen auf 25 Jahre Einheitsprozess.

Aktuelle Infos stets auch

30 Gesprächsteilnehmer in das Thema ein: „Fremd im eigenen Land? Bricht die Resonanzachse zwischen etablierter Politik und Teilen der Bevölkerung?“ Die Diskussionsgrundlage hat der bekannte Leipziger Publizist und Wirtschaftsjournalist Helge-Heinz Heinker übernommen. Wie bei Jour fixe üblich, startet das Forum mit einer themenbezogenen Lektüreempfehlung. Monika Runge, langjährige Vorsitzende der RLS Sachsen, macht die Runde auf das im August erschienene dickleibige Aufklärungswerk „Die Angst

vor dem Fremden. Die Wurzeln der Xenophobie“ neugierig. Der Wiener Philosoph und Wissenschaftstheoretiker Erhard Oeser verfolgt darin die Geschichte der Xenophobie – Fremdenfeindlichkeit – von der Antike bis heute. Seine Erkenntnisse liefern Argumente für die aktuelle Debatte und helfen, Vorurteile und unbegründete Ängste auszuräumen, so das Fazit ihrer Rezension. Klaus Kinner leitet von Oesers „Theorie“ zu praktischen Erscheinungsformen der Xenophobie über, wie sie sich auch

unter

e www.dielinke -sachsen.d

Bedenkliche Unwucht in der Gesellschaft Die Flüchtlingswellen aus Kriegs- und Unrechtsland branden unvermindert gegen die als friedlich und demokratisch geltende EU-Bastion. Ihre Hauptströme halten Kurs auf das gelobte, weil reiche Deutschland. Sie lösen Abwehrreaktionen bei vielen der unvorbereiteten und ungefragten Einheimischen aus. Diffuse „Überfremdungsängste“ kochen hoch. Anlass genug, den OktoberJour-fixe am Leipziger Sitz der RLS auf die Flüchtlingsproblematik zu fokussieren. Moderator Manfred Neuhaus führt über

Von der Europafraktion kommt ein hintergründiger Gastbeitrag zum schlimmen Thema „Gewalt gegen Frauen“.

Mit dieser Ausgabe startet eine neue Reihe: Innensichten zu den Arbeitsbedingungen beim Versandhändler Amazon.

bei Pegida und Legida äußern. Helge-Heinz Heinker betrachtet Pegida aber ursächlich als eruptiven Protest gegenüber der „Arroganz der Macht und der Abgehobenheit des Politikbetriebs“, wie sie sich auch zur Landtagswahl 2014 ohne jegliche inhaltliche Botschaft gerierte. Für den Gegenwind fand sich mit der Islamisierung schnell ein populistisches Thema. Die Bewegung wuchs, weil sich auch der Ausländerfeindlichkeit unverdächtige Leipziger den LegidaForderungen nach mehr Verteilungsgerechtigkeit angesichts uneingelöster Versprechen der Politik anschlossen. Erst als sich Legida radikalisierte und sich als äußerst rechte, demokratiefeindliche und xenophobe Bewegung entpuppte, wandten sich viele wieder ab. Doch bleiben sie, so Heinker, weiter mit ihren sozialen Problemen von der offiziellen Politik alleingelassen, mithin manipulierbar. In einer „bedenklich stimmenden Unwucht in der Gesellschaft“, in fehlender ehrlicher Kommunikation mit den Bürgern, an deren Stelle selbstherrliche „ad hoc-Entscheidungen am laufenden Band“ und argumentationsfreie Aktionslosungen („Wir schaffen das“) getreten sind, sieht Heinker große Gefahren für die Zivilgesellschaft. Die Diskussion reicht von sprachlicher Panikmache konservativer Politiker (Klaus Kinner) über die Verlogenheit vieler Medien (Bernd Juhran, Michael Zock), die signifikant höhere Ausländerfeindlichkeit in Ostdeutschland (Monika Runge), aber auch über die Nöte von Asylsuchendenbetreuern vor Ort (Petra Lau) bis zum „Böckenförde-Diktum“, das das Dilemma freiheitlicher, säkularisierter Staaten beschreibt (Manfred Neuhaus). Die „Resonanzachse zwischen Politik und Bevölkerung“ sei gebrochen (Volker Külow). Mit „konservativen Methoden“ könne die „Lücke zwischen politischer Kaste und den Massen“ nicht geschlossen werden. Das sei, da „wir in der postnationalen Falle sitzen“, auch eine Chance. Sie zu nutzen heiße, der Rechten nicht das „nationale Thema“ zu überlassen, sondern das Nationale „in neuer Form“ selbst zu thematisieren (Volker Caysa). Wulf Skaun

Zeit zum Aufbruch

Die Edition von Kurt Biedenkopfs Tagebüchern wurde von der Staatskanzlei mitfinanziert. Sie wollte wohl sicherstellen, dass auch der Ex-Ministerpräsident zum 25. Jahrestag der Freistaats-Gründung ein wenig Aufmerksamkeit erhält. Pikant: Die 307.900 Euro flossen an die Konrad-Adenauer-Stiftung. Das riecht nach politisch motivierter Korruption. Auch Antje Hermenau wollte ihren Namen gern auf einem Buchdeckel lesen. Sie veröffentlichte, was sie unter einer Streitschrift versteht. Darin beklagt sie, dass ihre Anpassung an die Grünen gescheitert sei, und zeigt, wie zum Beweis, was nun ihre Agenda sei: So käut sie die rechtspopulistische Propaganda von der angeblich bevorstehenden Umbenennung von Feiertagen im Zeichen der multikulturellen Verständigung wieder oder fragt sich, was dran ist, dass Menschen zu Protesten gegen PEGIDA genötigt worden seien. Besser kann man die eigene These, man sei im linken Spektrum falsch gewesen, kaum belegen. Es ist die Zeit dicker Papierstapel von ehemaligen Entscheidungsträgern, in denen allerlei Belanglosigkeiten und erstaunliche Wandlungen ausgebreitet werden. Ich denke nicht, dass ich mich mit meinem asylpolitischen Papier dort eingereiht habe. Ich denke nicht, dass man in Rückschauen verweilen oder gar mit den Rechtspopulisten von PEGIDA kuscheln sollte. Ich denke, es ist Zeit für einen Aufbruch, einen Blick nach vorn, Zeit für Antworten, gerade von links. Ich hoffe, dazu beigetragen zu haben. Versteht es als Debattenangebot. Mein Papier bekommt ihr von der Fraktion oder hier: http://gleft.de/13Z


Sachsens Linke! 11/2015

Meinungen

Zu „SYRIZA nach der Wahl“ (Sachsens Linke! 10/2015, S. 7) Der Streit in SYRIZA vor der Neuwahl ging zuerst darum, ob entsprechend der Volksabstimmung das Kürzungsdiktat abgelehnt werden sollte oder, wie von der SYRIZA-Führung durchgesetzt, umgesetzt werden sollte. Es waren vielmehr Schäuble und andere, die mit einem Grexit drohten, wenn ihr Diktat nicht umgesetzt würde. Auch Gabi Zimmer kann mit ihrer Unterstützung von EU und Euro nur hilflose Forderungen stellen, ohne angeben zu können, wie diese durchgesetzt werden können. Deshalb gibt es den Vorschlag eines Plan B, der die Herrschenden wirklich, auch ökonomisch, unter Druck setzen kann, um die auch von Gabi Zimmer genannten Forderungen durchzusetzen. Und auch Nazi-Deutschland und seine Vasallen/Verbündete sind nicht militärisch übereinander hergefallen, sondern haben wie die EU-Staaten allein oder gemeinsam gegen andere Länder, die sich nicht unterwerfen wollen, Krieg geführt. Wer nicht bereit ist, die neoliberale, antidemokratische EU und den Euro in Frage zu stellen, stärkt somit die wirtschaftliche Erpressbarkeit und behindert die notwendige internationale Zusammenarbeit aller, die für ein demokratisches und sozial gerechtes Europa eintreten. Rita Kring, Dresden

terschiedlichen Wirkungsmöglichkeiten. Hinzu kommt noch, dass sie vor allem von den wirtschaftlich Mächtigen genutzt werden können, während vielen anderen die finanziellen Mittel dazu fehlen. Notfalls werden diese Freiheiten, z.B. unter dem Vorwand Sicherheit, auch weiter eingeschränkt. Und 1990 zeigt auch, wie die neuen Herrschenden demokratische Ansätze zurückdrängen (z. B. in der zeitlichen Reihenfolge: Parlamentswahlen mit stark von außen beeinflusstem Wahlkampf, wirtschaftliche Zwänge - Währungsunion, Aufzwingen der Regeln der Herrschenden – „Einheitsvertrag“). Deshalb müssen wir zukünftig besser darauf vorbereitet sein, um diese Zerschlagung demokratischer Ansätze verhindern zu können. Uwe Schnabel, Coswig

Zu „Nach 25 Jahren – Der Chor muss auf die Bühne!“ (Sachsens Linke! 10/2015, S. 3) Ja, die Ereignisse 1989/90 haben gezeigt, dass selbst noch so festgefügte Verhältnisse geändert werden können, wenn die Bevölkerung („der Chor“) sich massenhaft wehrt. So kann wie Ende 1989 / Anfang 1990 Demokratie entstehen. Sowohl unter den Ost-, als auch Westdeutschen gibt es diejenigen, die das wollen und andere, die sich den herrschenden Verhältnissen angepasst haben. Auch zeigte Peter Porsch, dass die Freiheiten der Bevölkerung nichts nutzen, weil sie weder ein selbstbestimmtes Leben noch grundlegende Verbesserungen ermöglichen. Das liegt auch an den wirtschaftlichen Zwängen und den damit verbundenen un-

Das muss gesagt werden Ich wollte auf dem Parteitag in Neukieritzsch sprechen. Als ich hätte reden können, war der Leitantrag bereits beschlossen. Ich war eben weit hinten eingeordnet. Pech gehabt. Kann sein, dass ich mich irre, aber ich hatte den Eindruck, als wären in der Reihenfolge der RednerInnen jene bevorzugt, die in irgendeiner Weise deutlich machten, ihr Beitrag sei ganz besonders wichtig. Wichtig, weil sie für ein Amt kandidieren, wichtig weil sie Abgeordnete seien, wichtig, weil wichtig. Im beschlossenen Leitantrag nimmt die politische Arbeit zu Recht einen breiten Raum ein. Dennoch scheinen mir die Aussagen zum Verhältnis von Stadt und ländlichem Raum einseitig. Ich bin überzeugt, dass wir die Probleme in den ländlichen Räumen ohne die Städte nicht lösen können. Die Parteistrukturen in den großen Städten haben meines Erachtens eine große spezifische Verantwortung für die im ländlichen Raum: Sie müssen einerseits mit ihren Ressourcen die ländlichen Räume unterstützen und anderseits eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe entwickeln. Dazu bedarf es gegenseitiger Achtung und Solidarität. Dazu brauchen wir eine neue Kultur des Umgangs, frei von jeder Überheblichkeit. Dazu müssen Arbeitsstrukturen geschaffen werden, und zwar so

Impressum

Kleiststraße 10a, 01129 Dresden

Sachsens Linke! Die Zeitung der LINKEN in Sachsen

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Die Redaktion behält sich das Recht auf sinnwahrende Kürzungen vor. Termine der Redaktionssitzungen bitte erfragen.

Herausgeberin: DIE LINKE. Sachsen Verleger: Verein Linke Bildung und Kultur für Sachsen e.V.,

Seite 2 schnell wie möglich, damit die Genoss_innen über Kreis- und Stadtgrenzen hinaus auch gemeinsam agieren können. Das alles muss gelernt werden. Aber lernen können wir nur, indem wir damit praktisch beginnen: Unverzüglich. Deshalb ist es richtig, auf die Veränderungen der Mitgliederstrukturen zu reagieren. Dazu einige Anregungen: A) Strukturell deutet alles darauf hin, dass wir zu einer stärkeren Konzentration und Zentralisierung kommen müssen. Dabei dürfen wir unter keinen Umständen die Arbeit an der Basis und ihre Einbeziehung in die Vorbereitungs- und Entscheidungsprozesse vernachlässigen, sondern es wird neue Formen dafür geben müssen. B) Wir kommen nicht umhin, Teams für die verschiedensten Aktionen und Aktivitäten zu bilden, über die bisherigen Organisationsgrenzen hinweg. C) Wir müssen die Ressourcen bündeln, sowohl die materiellen als auch die personellen. Dabei geht es um die Ressourcen der Hauptamtlichkeit und die Ressourcen und das Engagement der Ehrenamtler. Nur beides wird uns Effekte bringen. Eine solche Bündelung verlangt andere zeitliche Anforderungen für ihr Zustandekommen. Ehrenamtlich Arbeitende können vielfach nicht so schnell reagieren wie hauptberufliche Parteitätige. Und sie sind nicht nur die Vasallen oder Soldaten, also die Ausführenden der Funktionsträger. D) Wir brauchen eine noch deutlichere Schwerpunktbildung in der politischen Arbeit und vor allem eine Priorisierung. Wir sind doch nicht in der Lage, in allen Themen die Meinungsführerschaft zu erringen. Es sei denn, wir denken, dass zu jedem Thema die Presseerklärung oder Broschüre eines führenden Genossen reicht. Darüber hinaus brauchen wir eine neue Qualität der Zusammenarbeit zwischen den Gremien und den Zusammenschlüssen, aber auch der Zusammenschlüsse untereinander. Wir haben uns auf die Fahne geschrieben, den sozialökologischen Umbau der Gesellschaft voranzubringen. Das geht nur mit dem berühmten Dreiklang: Soziales, Ökologisches und Wirtschaftliches. Aber ADELE allein kann dieses gesamte Dreieck in seiner Tätigkeit nicht abbilden. Deshalb müssen die verschiedenen Ecken zusammengeführt werden, also ADELE, B&G, AG Wirtschaft oder OWUS, Grund-

einkommen usw. Den dafür notwendigen Aufwand können jedoch die Zusammenschlüsse allein nicht stemmen. Hier muss der Landesvorstand wirksam werden. Michael-A. Lauter, einer der Sprecher des Landesrates

Die Papierausgabe wird in der LR Medienverlag und Druckerei GmbH in Cottbus gedruckt.

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Über Asylbewerber und andere ganz normale Dinge Ich lebe und arbeite in Glauchau und das auch gerne, denn Glauchau ist eine schöne Stadt, und, was noch mehr zählt: Glauchau ist eine gute Stadt. Wie ich darauf komme? Auch hier gibt es seit Mai 2014 ein Asylbewerberheim. Auch hier gab es Gesprächsrunden in Kirchen zwischen Vertreter_innen der lokalen Politik, allen voran unserem Oberbürgermeister, und Einwohner_innen von Glauchau. Es wurde offen geredet, Ängste und Sorgen konnten zerstreut werden. Aus einer anfänglichen Handvoll Asylsuchender wurden mit der Zeit ca. 120. Sie spielen Fußball auf einem Bolzplatz ganz in der Nähe meines Arbeitsplatzes, manchmal sogar mit deutschen Jugendlichen. Alles ganz normal. Sie gehen in den nahe gelegenen Supermarkt, kaufen Gemüse, Fleisch oder Süßigkeiten für ihre Kinder, so wie wir auch. Alles ganz normal. Im Sommer saßen sie bei schönem Wetter oft auf den Stufen vor ihrer Unterkunft und unterhielten sich und lachten so wie andere Menschen, so wie wir. Keiner stößt sich daran, dass auch sie Smartphones besitzen und Markenkleidung tragen, denn Geld und Geschäfte gibt es auch in Syrien oder Afghanistan oder anderswo. Warum das in Glauchau so gut funktioniert? Es liegt an der Aufgeklärtheit der Bürger und ihrer Bereitschaft, Toleranz zu leben. Und daran, dass unser Stadtrat partei- und fraktionsübergreifend arbeitet. Und da die Glauchauer gefühlt mit Nazis nichts am Hut haben, sitzen diese auch nicht in unserem Stadtparlament. Wir sehen auch nicht weg, sondern stellen uns entgegen. Ich weiß, in Glauchau leben per se keine besseren Menschen, aber sie verstecken sich nicht und sind mit ihrer Ablehnung gegen rechte Parolen und Gewalt in der Mehrheit. Deswegen können sich Ausländer bei uns wohl und sicher fühlen, denn für sie ist genug Platz in unserer Stadt, in meiner Stadt. Nazis hingegen fühlen sich hier nicht wohl und das ist gut so. Ich wünschte, es würde überall eine solche

gefühlte Normalität herrschen. Aber dazu bedarf es der Bereitschaft der Bürger_innen. Sie zu wecken ist unser aller Aufgabe. Wer klein beigibt vor Intoleranz und ewig gestrigem Gedankengut, hat schon verloren. Wer sich dem jedoch entgegenstellt, hat die Chance, dieses Land ein bisschen zu verbessern. Vielleicht wird ja dann das Zusammenleben zwischen Deutschen und Asylsuchenden (fast) völlig und ganz normal. Mike Hirsch In Memoriam: Jirí Hampl Anlässlich unseres Besuches der Gedenkstätte Lidice im Juni dieses Jahres und beim Gang durch den Rosengarten hielten wir vergebens Ausschau nach unserem Freund Jirí Hampl. Er, der uns die traurige Geschichte der Vernichtung eines ganzen Dorfes durch deutsche Polizeiund Wehrmachtsangehörige nahegebracht und gleichzeitig die Hand der Versöhnung gereicht hat, war nicht anwesend. Jahrelang haben wir intensive Gespräche beim Gang durch den Erinnerungsgarten, der mit Rosen aus vielen Ländern, Geschenke der internationalen Solidarität,

bepflanzt ist, geführt. Im stillen Gedenken legten wir gemeinsam Gebinde zu Füßen des Kinderdenkmals nieder. Mit ganzem Herzen setzte er sich für die Errichtung dieses Denkmal für die Kinder von Lidice, ein langjähriges Projekt seiner Frau Marie Uchytilová, ein. Nun ist es traurige Gewissheit: Jirí hat uns nach langer Krankheit für immer verlassen. Wir sind ihm, der als Vorstandsmitglied des CSBS (Tschechische Union der Freiheitskämpfer) viele Jahre für die internationale Arbeit verantwortlich zeichnete und der eine große Lücke hinterlässt, für die freundschaftliche Zusammenarbeit zutiefst zu Dank verpflichtet. Wir werden Seiner immer gedenken. Raimon Brete, VVN-BdA Chemnitz Die nächste Ausgabe erscheint voraussichtlich am 03.12.2015.


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Vorbild für andere Unternehmen? Der weltweit größte Onlinehändler Amazon dient vielen Firmen als Vorbild. Daher schaut die Konkurrenz genau hin, wie das Unternehmen agiert. An welcher Stelle lässt sich sparen? Und welche Wirkung hat man auf andere Unternehmen? Das sind dabei die Fragen, die es zu beantworten gilt.

Einzelhändler Karstadt wird Logistiker Ein Punkt bei der Reduzierung von Ausgaben ist es, die Kosten für das Personal zu minimieren. Den Weg, den Amazon dabei für sich in Anspruch nimmt, kopieren nun allmählich auch andere Unternehmen, wie z. B. Karstadt. Genau wie beim Onlinehändler will der angeschlagene Großkonzern seine neueingestellten Mitarbeiter_innen nach den niedrigeren Löhnen aus der Logistikbranche bezahlen. Nach Verhandlungen mit dem Betriebsrat und der Gewerkschaft Ver.di konnte dieses Konzept in Teilen aber noch einmal verhindert werden. Die Geschäftsleitung des Karstadt-Konzerns plante zunächst, knapp 2.800 Stellen zu streichen. Durch Verhandlungen mit dem Betriebsrat und der Gewerkschaft Ver.di konnte diese Zahl zumindest abgemildert werden, so dass „nur“ 1.400 Beschäftigte gehen müssen.

Betriebsrat und Gewerkschaft wollen nun mit der Konzernführung eine Transfergesellschaft einrichten, um Mitarbeiter_innen abzufangen, die von den Kündigungen betroffen sind. Angestellte, die sich in einer Transfergesellschaft befinden, sind nicht arbeitslos und haben Anspruch auf Weiterbildungsmaßnahmen. Sie verdienen dabei ca. zwei Drittel ihres letzten Gehalts. Wenn sie kein neues Anstellungsverhältnis finden, bleibt ihr Anspruch auf das Arbeitslosengeld bestehen. Ideal ist das selbstverständlich nicht, aber diese Vorgehensweise bietet zumindest bessere Chancen, sich vor Arbeitslosigkeit zu schützen. Sollte es auch bei Amazon zu einem Stellenabbau kommen, ist eine Transfergesellschaft nicht möglich, da hierfür die Voraussetzungen fehlen. Die Konzernleitung lehnt weiterhin jedwede Gespräche mit Gewerkschaften ab, den einzigen Partnern also, mit denen man eine Transfergesellschaft gründen kann. Die DHL senkt die Löhne

Mit der Gründung der DHL Delivery GmbH im November 2014 sollen in den nächsten Jahren 10.000 bis 20.000 neue Stellen geschaffen werden. Gleichzeitig sollen diese Stellen schlechter bezahlt werden als vergleichbare bei der DHL. Bei der Bezah-

lung orientiert man sich an der Logistikbranche. Der Haustarifvertrag für die Angestellten der Deutschen Post AG soll demnach nicht für Mitarbeiter der neugegründeten Tochtergesellschaft gelten. Mit diesem System der Tochtergesellschaften soll an dieser Stelle versucht werden, beste-

gleiche Tätigkeiten gleich zu entlohnen. Die freien Stellen mit Mitarbeiter_innen zu besetzen, ist kein Geniestreich der Personalverantwortlichen bei der Post, sondern einfach der wirtschaftlichen Situation im Land geschuldet. Bei hoher Arbeitslosigkeit findet man neue Mitarbeiter einfacher.

unter her zu schließen, sprich die Löhne der Konkurrenzfirmen anzuheben, entschließt man sich für den umgekehrten Weg und senkt die eigenen Löhne ab. Flächendeckende Tarifabschlüsse würden dieser Praxis Einhalt gebieten, denn diese senden immer ein positives Signal aus. Sie strahlen über die eigene Branche hinaus, wie die Tarifverhandlungen der IG Metall gezeigt haben. Kein Vorbild für andere

Bild: Medien-gbr / Wikimedia Commons / CC BY-SA 3.0

hende tarifliche Regelungen zu unterwandern. Daher muss man von Tarifflucht sprechen. Arbeitnehmer, die neu eingestellt werden, kommen automatisch in die neugegründete Gesellschaft. Nun wirbt die Post AG mit den neu geschaffenen Stellen. Der Bedarf an neuen Mitarbeiter_innen ist demnach gegeben, nicht aber der Wille, soziale Verantwortung zu übernehmen und

Da die Bezahlung höher ist als ALG I bzw. II und auch noch über dem Mindestlohn liegt, wird sich der Protest der Neueingestellten wohl in Grenzen halten. Für unsere Gesellschaft ist aber ein Rückschritt auszumachen. Laut Aussage von Post-Chef Appel zahlt die Post doppelt so hohe Löhne wie die Konkurrenz. Anstatt sich jedoch dafür einzusetzen, diese Lücke von

Diese beiden Beispiele von Karstadt und DHL zeigen, dass Strategien von Amazon übernommen werden, um zu sparen und konkurrenzfähig zu bleiben. Hier wird am falschen Ende gespart. Denn wer auch in Zukunft wettbewerbsfähig bleiben will, wird das nicht mit schlecht bezahlten Mitarbeiter_innen erreichen können, sondern nur mit gutbezahlten und motivierten, die neue, innovative Ideen ins Unternehmen einfließen lassen. Statt anderen Firmen vorzumachen, wie man bei den Lohnansprüchen der Mitarbeiter_innen sparen kann, sollte Amazon seine Außenwirkung darauf verwenden, als Vorbild voranzugehen – und wegweisende Tarifverhandlungen aufnehmen. Christian Rother Twitter: @CrissyLibertas Facebook: on.fb.me/1PQfCl7

Deutsche Zweiheit: 25 Jahre nach der Wiedervereinigung Heute, 25 Jahre nach der Wiedervereinigung, bleibt festzustellen: „blühende Landschaften“ sind ausgeblieben. Vielmehr hat der Osten auch heute noch mit den Folgen der tiefen Transformationskrise nach der deutschen Einheit zu kämpfen. Schien die Krise ab 1992 zunächst durch eine sich aus Transfers und Subventionen entwickelnde wirtschaftliche Dynamik überwunden, erlahmte dieser Aufschwung bereits Mitte der 1990er und kam gegen Ende des Jahrzehnts weitgehend zum Erliegen – lange bevor eine Annäherung der Wirtschaftskraft erreicht war. Die erreichten Fortschritte beim „Aufbau Ost“ sind heute hinter den ursprünglichen Prognosen vieler PolitikerInnen, vor allem aber hinter den berechtigten Erwartungen vieler BürgerInnen, zurückgeblieben. Die Entwicklung von Erwerbstätigkeit und Investitionen spricht wenig für eine Niveauangleichung bis 2020. Wahrscheinlich wird die ostdeutsche Wirtschaft fast wie bisher bei 70 bis 75 Prozent des Westniveaus verharren. Durch Wegzug junger und gut ausgebildeter Menschen sank die Zahl der Erwerbs-

personen in Ostdeutschland zwischen 2007 und 2013 um rund 400.000, während sie in Westdeutschland um mehr als drei Millionen zunahm. Zudem fraßen höhere Sozialausgaben und Unterstützungsleistungen finanzielle Spielräume aus dem Länderfinanzausgleich wieder auf – das lokale Schwimmbad musste trotzdem geschlossen werden. Nach wie vor ist der Osten wirtschaftlich und sozial abgehängt, ohne selbsttragende Wirtschaft, als verlängerte Werkbank westdeutscher Unternehmen, deren Gewinne größtenteils dorthin zurückfließen. Sofern überhaupt noch ein Aufholen stattfindet, vollzieht es sich als „passive Sanierung“: Durch Rückgang der Bevölkerung erhöhen sich bei konstanter Produktion und Verbrauch die Pro-Kopf-Werte, nicht aber die Gesamtleistung und das regionale Gewicht. Da diese Entwicklungen nicht länger kaschiert werden konnten, änderte die Bundesregierung lieber die Ziele: Galt bisher das Durchschnittsniveau West als Zielmarke, wird nun eine „wirtschaftliche Konvergenz zwischen den neuen Ländern und strukturschwächeren westdeutschen Ländern“ angepeilt.

Zudem brechen nun, im Zuge der Neuverhandlungen um den Länderfinanzausgleich, neue Gräben zwischen den Ländern auf. Bisherige Sonderzahlungen an die östlichen Bundesländer (Solidarpakt II) sollen nicht weiter verlängert werden. Doch sollte nach 25 Jahren Aufbauhilfe nicht gar ein Schlussstrich gezogen werden unter die Ost-Transfers? Die Antwort ist ein klares Jein. Denn die Förderung sollte nicht einfach abgeschafft, sondern im Gegenteil sogar ausgedehnt werden, allerdings auf strukturschwache Regionen in Ost und West! Erstens hat der Osten in Bezug auf die staatliche Infrastruktur nachgezogen, in weiten Teilen sogar den Westen überholt. Das Straßennetz im Westen, beispielsweise NRW, ist mittlerweile in deutlich schlechterem Zustand. Jetzt muss eine Förderung nach Bedürftigkeit erfolgen, nicht nach Himmelsrichtung. Zweitens weisen auch im Westen ganze Regionen inzwischen die gleichen Strukturschwächen auf wie die östlichen Flächenländer. Genau wie im Osten, der in Bezug auf Firmenansiedlungen, und damit Arbeitsplätze und Steuereinnahmen, nicht aufschließen konnte, hatte und

hat dies jedoch wenig mit guter oder schlechter Standortpolitik vor Ort zu tun. Denn drittens sind Entwicklungslinien vor allem auf den Strukturwandel zurückzuführen, der von Länderregierungen kaum beeinflussbar ist. Denn warum sollten sich nach dem Ende von Kohle und Stahl im Ruhrgebiet genau dort automatisch Zukunftsbranchen ansiedeln, wenn diese Unternehmen erfahrungsgemäß eher aus bestehenden InnovationsNetzwerken herauswachsen? Warum sollten ganze Branchen, wie das Verlags- und Bankenwesen, die nach der Teilung aus dem Osten in den Westen umsiedelten, sich nun wieder an ihren ursprünglichen Standorten ansiedeln? Oder gar die dominierende Autoindustrie die eingesessenen Regionen verlassen? Für eine große Verlagerungs- und Gründungswelle von Unternehmen waren im Osten weder die Subventionen hoch genug noch das Lohngefälle tief genug – und der gesamtdeutsche Binnenmarkt stand dem Westen auch ohne Verlagerung von Produktionsstätten offen. Darüber hinaus wurden viertens die wenigen zarten Pflänzchen in Zukunftsbranchen, wie die

sich z. B. auch im Osten ansiedelnde Solar- und Windenergie, mit der Teilabwicklung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes größtenteils mitabgewickelt. Massive Subventionen der Automobilindustrie wurden hingegen nicht in Frage gestellt. Die Wirtschaftspolitik des Bundes ist damit eine weitere Variable, die über das wirtschaftliche Schicksal ganzer Regionen entscheidet, ohne von diesen nennenswert beeinflusst werden zu können. Wird kein echter Ausgleich unternommen, drohen weitere Auseinanderentwicklung und zunehmende Neiddebatten zwischen den Ländern. Zum grundgesetzlichen Anspruch auf gleichwertige Lebensverhältnisse gehört die gleiche Qualität und Quantität an Infrastruktur und Daseinsvorsorge durch staatliche Stellen. Bedingung hierfür ist, dass die Länder und Kommunen sowohl den gleichen finanziellen und politischen Spielraum pro Einwohner haben als auch von strukturellen Sonderlasten verschont bleiben. Alles andere wäre geschichtsvergessen, ökonomisch unklug und menschlich unwürdig. Dr. Axel Troost


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Auf zu neuen Ufern (I) – Annekatrin Klepsch Kevin Reißig sprach für „SachsensLinke!“ mit der Kulturwissenschaftlerin Annekatrin Klepsch, vormals Landtagsabgeordnete und nun Beigeordnete für Kultur und Tourismus der Landeshauptstadt Dresden. Welche Gefühle beherrschen Dich gerade, wenn Du in wenigen Tagen in einen neuen Lebensabschnitt startest? Ich verlasse Ende Oktober den Sächsischen Landtag mit einem weinenden und einem lachenden Auge. Ich freue mich auf das neue Amt, weil es Gestaltungsspielraum zulässt, bin mir aber auch der vielfältigen Probleme und Herausforderungen bewusst. Was nimmst Du Dir vor, um im Rahmen Deiner Zuständigkeit gegen das aktuelle Chaos bei der Unterbringung und Betreuung geflüchteter Menschen ankämpfen zu können? Als Kulturbürgermeisterin möchte ich die Kultureinrichtungen und Vereine ermutigen,

sich den Flüchtlingen zuzuwenden und sie in ihre Arbeit einzubeziehen. Ich möchte außerdem zeitnah einen Erfahrungsaustausch mit den Kulturträgern organisieren, wie die Arbeit mit Asylsuchenden in Erstaufnahmeeinrichtungen, in dezentraler Unterbringung und an öffentlichen Orten in der Stadt gelingen kann. Interkulturelle Arbeit sehe ich als wechselseitig an, sie erfolgt in zwei Richtungen. Integration ist keine Einbahnstraße, sondern wir müssen auch die DresdnerInnen einbeziehen und mitnehmen, die Zweifel und Ängste haben. Dafür braucht es Begegnungen an ganz unterschiedlichen Orten. Nicht zuletzt durch „Pegida“ hat der Ruf Dresdens nachhaltigen Schaden erlitten. Welchen Handlungsauftrag leitest Du für Dich aus dieser Tatsache ab? Ich glaube, wir müssen die Interkulturelle Arbeit neu definieren und stärken. Mich besorgt die soziale und kulturelle Spaltung der Stadt, der wir mit einer ge-

zielten Wohnungspolitik entgegenwirken müssen. Rassisten und Neurechte dürfen in Dresden keine Bühne bekommen. Es reicht jedoch nicht, in der Innenstadt und mit renommierten Kunstfesten Toleranz und Weltoffenheit zu symbolisieren. Das ist für die Außendarstellung Dresdens wichtig. Aber es muss uns gelingen, auch Menschen zu erreichen, die sich von der „neuen Welt“ ausgeschlossen und bedroht fühlen.

onal geprägte Stadt sein wird. Die Bewerbung als Europäische Kulturhauptstadt kann dabei helfen, aber unsere Hausaufgabenliste in Sachen soziale Teilhabe, Toleranz und Offenheit für Neues ist lang. Mit der Dichte an renommierten Ku l t u ru n d Wissen-

schaftseinrichtungen haben wir gute Rahmenbedingungen, doch Kunst und Kultur sollten nicht nur eine Angelegenheit der Ober- und Mittelschicht sein. Deshalb ist mir die Stärkung der Städtischen Bibliotheken, der Museen, der Volkshochschule, der Soziokultur und des Theaters Junge Generation besonders wichtig. Sorgen macht mir auch das Leben vieler Kulturschaffender in der Freien Szene am Existenzminimum. Was erwartest Du in Bezug auf die Zusammenarbeit mit dem Stadtrat und dem Oberbürgermeister?

Was willst Du am Ende Deiner Amtszeit auf jeden Fall erreicht haben? Und wie willst Du diese Ziele verfolgen?

Ich hoffe, dass OB Hilbert das Amt überparteilich ausführt und mit den Beigeordneten und den großen Fraktionen an gemeinsamen Lösungen arbeitet. Ich hoffe, dass sensible Entscheidungen nicht einer Kampfabstimmung im Stadtrat ausgesetzt werden, sondern dass es gelingt, sachliche Debatten zu führen und Kompromisse zu schließen.

Ich wünsche mir, dass Dresden eine soziale und internati-

Aggressives Bündnis – NATO Ja, die NATO ist kein Verteidigungsbündnis, sondern ein Aggressionsbündnis: Bedarf es des Verweises auf eine der letzten Meldungen, dass die USA nunmehr in Büchel (Deutschland) ihre A-Waffen modernisieren wollen? Seit selbst Ex-Außenminister Westerwelle diese Bomben nicht mehr in Deutschland haben wollte, hat sich nichts getan. Die NATO steht schon direkt an den russischen Grenzen – am Schwarzen Meer und im Baltikum. Und die Bundesrepublik fest an der Seite eines Bündnispartners, der völkerrechtswidrige Kriege führte und die UNO belog. Wir erlebten 2015 den 40. Jahrestag des Endes des verbrecherischsten Krieges nach dem 2. Weltkrieg – des VietnamKrieges der USA. Wer erinnert sich noch an die Gräueltaten der USA – Napalm, Agent Orange, geköpfte Vietnamesen, zwei Millionen tote Vietnamesen? Deutsche Piloten könnten im „Bündnisfall“ gegebenenfalls amerikanische Atombomben abwerfen. Aber wo eigentlich? Trotz damaliger Versicherung nach dem Ende der Blockkonfrontation und der Auflösung des Warschauer Paktes durch die Außenminister James Baker für die USA und Hans-Dietrich Genscher für Deutschland gegenüber Michail Gorbatschow, dass die NATO sich nicht nach Osten ausdehnen werde, steht

sie nun dort. Wer bedroht hier wen? Die Bedrohungen in Europa waren geschrumpft, sie waren sogar de facto eine Zeit lang nicht mehr vorhanden (!), die Bundeswehr schrumpfte auch. Bundespräsident Köhler musste gehen, weil er unversehens sagte, was man (noch) nicht sagen durfte: Es geht um Wirtschafts- und Machtinteressen, der Wachstumswahn der westlichen Welt braucht weitere Expansion. Es geht um Märkte, Ressourcen, Bodenschätze und geostrategische Positionen, heute verstärkt wieder gegen Russland und China. Kein Zweifel, K. Marx, J. Jaurés und Lenin haben recht: Dem Kapitalismus ist die Expansion, notfalls mit militärischer Gewalt, wesenseigen, weil neue „Einflusssphären“, Märkte gebraucht werden. Diese Interessen werden unsolidarisch und rücksichtslos verfolgt und „geschützt“, auch mit unlauteren, ja ungesetzlichen Mitteln, letztlich mit militärischer Gewalt durchgesetzt. Und „die Politik“ sekundiert, schafft den Rechtfertigungsrahmen dieser „Operationen“. In Europa folgte nach dem Zusammenbruch des „Sozialistischen Bruderbundes“ (Ostblock) und dem Wegfall der System-Konfrontation 1990 ein schleichender, subversiver, später immer offenerer Kurs

der Destabilisierung einer eigenständigen Entwicklung der Nachfolgestaaten und ihre zielgerichtete Abhängigkeit von der (West-)Europäischen Union, wie sowohl ihre etappenweisen Beitritte zur EU, die Osterweiterung der NATO und der Balkankrieg belegen. Immer waren diese Beitritte mit entsprechender Aufrüstung verbunden, mit „neuen Märkten“ für die Waffenhersteller. So kam Deutschland auf Platz drei der Waffenexporteure. Aber auch geostrategisch ist die gleiche Entwicklung zu beobachten: der PalästinaKonflikt, der Irak-Krieg, der Popanz A-Waffen des Iran, die Ukraine-Krise, jahrelange Waffenlieferung in Krisengebiete, nun Syrien. Und Deutschland macht – erst verschämt, nun offen – mit: Auslandseinsätze der Bundeswehr, sie bildet derzeit den Kern der schnellen NATOEingreiftruppe. Heute muss man zum Spruch von Clausewitz, dass der Krieg die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln sei, hinzufügen: Im Zeitalter des neoliberalen Siegeszuges wird der Krieg zu einer konzentrierten Ausdrucksform dieser Zivilisation. Der Theologe Eugen Drewermann wendet sich konsequent gegen den Ex-Außenminister Fischer, der mit falschen Voraussetzungen die Bombardierung Serbiens 1999 bis heute

rechtfertigt, und gegen Verteidigungsministerin von der Leyen und Bundespräsident Gauck, die mehr militärisches Engagement Deutschlands in der Welt wollen. Drewermann sieht ein Versagen des Völkerbundes und der UNO seit dem Ende des 1. Weltkrieges. Würden Konflikte in der Welt, die wesentlich durch das wirtschaftliche Agieren EU-Europas und der USA erst geschaffen wurden und werden, mit Entwicklungshilfe befriedet, wäre das erfolgversprechender und billiger als Militäreinsätze. Aber die Verpflichtungen zur UN-Entwicklungshilfe erfüllen diese Westländer seit Jahrzehnten nicht. Im Übrigen sind es Waffen aus diesen Ländern, mit denen die Konflikte ausgetragen werden. Die nunmehr fortgeschrittene Verrechtlichung neoliberal-militarisierter Wirtschaftspolitik im Lissabon-Vertrag der EU macht Lösungen im Interesse der benachteiligten Völker und Staaten zunehmend schwieriger. In der NATO werden sie als „Partner“ in Wahrheit Geißeln der militaristischen Außenpolitik des großen Bündnispartners USA. Hier wird die Modernisierung der Atomwaffen der USA in Deutschland „plausibel“: Nur Asien, v. a. also Russland und China, sitzen auf von westlichen, v. a. US-Konzernen begehrten Rohstoffen in Diversifikation wie Menge, wie sie

nirgends mehr auf der Welt zu haben sind. Und das Muster, vorgeführt jahrzehntelang in Südamerika, dann im Irak und nun in der Ukraine und in Syrien, ist auch klar: Man muss die jeweiligen regionalen und nationalen Herrschaftsverhältnisse destabilisieren, notfalls mit Legenden, die ein paramilitärisches oder militärisches Eingreifen „rechtfertigen“. Der Ukraine-Konflikt war nur ein kleines Vorspiel. Im August war NATO-Generalsekretär Stoltenberg in Georgien, ebenso konfliktträchtige Ex-Sowjetrepublik, und seit dem 21. Oktober wurde im Mittelmeer das größte NATO-Manöver seit mehr als zehn Jahren durchgeführt. DIE LINKE wäre gut beraten, neue Netzwerke mit Friedensund Abrüstungsinitiativen zu knüpfen und in enger Zusammenarbeit finanzielle Mittel uneigennützig zur Verfügung zu stellen. Dazu könnte sie diese aus anderen Bereichen der Politik, v. a. der „repräsentativen“ und der „Symbol-Politik“ zur Stärkung außerparlamentarischen bürgerschaftlichen Engagements umleiten. Das stellt höhere Solidaranforderungen an ihre Parlamentarier! Dann ist eventuell eine Veränderung der die Politik beeinflussenden öffentlichen Meinung mittel- oder langfristig möglich. Ralf Becker, LAG Frieden und Internationale Politik


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We don´t fight for flowers! Liebe Genoss_innen, seit September bin ich im Landesvorstand, als Sprecherin für Gleichstellung und feministische Politik. An dieser Stelle möchte ich mich von Herzen für euer Vertrauen und die Unterstützung bedanken. Ich freue mich sehr auf meine neuen Aufgaben, Projekte und vor allem auf die Zusammenarbeit mit euch. Gleichfalls möchte ich euch ein wenig über meine Ziele und Vorhaben berichten. Gleich im September war ich zusammen mit anderen Aktivist_innen in Berlin, um gegen die Abtreibungsgegner_ innen und den „Marsch für das Leben“ zu demonstrieren – und als Teil der LINKEN für sexuelle Selbstbestimmung und Freiheitsrechte zu streiten. Zudem habe ich die letzten Wochen genutzt, um mich in mein neues Arbeitsfeld einzuarbeiten. Dazu gehörte natürlich die erste Klausur des Landesvorstandes, bei der wir Arbeitsschwerpunkte und Zielvorgaben definiert haben. Dazu gehören u.a. die Frage der Prekarisierung, das Feld der politischen Kommunikation, wie Mitgliedergewinnung, die Bundeskampagne, die Verortung linker Politik im ländlichen Raum und die Arbeit an Aleksa 2.0. Bei all den genannten Schwerpunkten werde ich mich für die Berücksichtigung und Einbeziehung queerfeministischer Perspektiven einsetzen.

Denn in all diesen Bereichen sind Ungleichheitsverhältnisse ein konstitutiver Schlüsselmechanismus, der sich besonders negativ auf Frauen

von Claudia Jobst an unserem Konzept zur Herstellung von Geschlechtergerechtigkeit weiterzuarbeiten. Dazu gehören natürlich die Prüfung der

und benachteiligte Menschen auswirkt. Zunächst aber habe ich mir vorgenommen, auf der Grundlage des 3. Gleichstellungsberichtes der LINKEN sowie der diesbezüglichen Vorarbeit auf Landesebene

aktuellen Situation im Landesverband, aber auch die Frage nach der Umsetzung von Quotierungen, geschlechtergerechter Sprache sowie die Handlungsoptionen, die sich aus diesen Fragen ergeben.

Dies wird sicherlich ein wenig Zeit in Anspruch nehmen, aber ich würde gern dazu mit euch ins Gespräch kommen. Ich würde mich freuen, wenn wir gemeinsam über Ideen und Konzepte in Austausch treten. Neben dieser ersten Hauptaufgabe stehe ich in regem Austausch mit der Landtagsfraktion und der LAG LISA, da wir auch in Zukunft und langfristig an unseren Projekten weiterarbeiten werden und wollen. Dabei gilt es zu überlegen, wie wir unsere feministischen Strukturen stärken, welche inhaltlichen Schwerpunkte wir uns setzen wollen, was uns wichtig ist und wie wir vor allem weibliche Mitstreiter_innen gewinnen können. So besuche ich z. B. in den kommenden Wochen die Regionalgruppen der LAG LISA. Darüber hinaus bin ich auf dem einen oder anderen Kreisparteitag, um mit euch ins Gespräch zu kommen. Ich bin sehr gespannt und hoffe, dass wir als LINKE, als emanzipatorische Kraft, langfristig unser gleichstellungspolitisches Profil stärken können. Denn zur Ehrlichkeit gehört: Auch wir können und müssen in Sachen Gleichstellung und Feminismus noch mutiger voranschreiten. Zum Abschluss noch einige Hinweise über kommende Termine, die es zu beachten gilt, und Informationen über anstehende Aktionen im Landesver-

band. Wie ihr wisst, ist der 25. November der internationale Tag der Gewalt gegen Frauen. Vielfach werden im Rahmen dieses Tages Aktionen und Veranstaltungen stattfinden. Gewalt gegen Frauen geht uns alle an und es ist wichtig, sich klar und solidarisch dagegen auszusprechen. In diesem Zusammenhang entwickeln Conny Ernst und Sarah Buddeberg im Moment eine gemeinsame mobile Ausstellung zum Thema, um dafür zu sensibilisieren und darauf aufmerksam zu machen. Diese soll Anfang nächsten Jahres fertig sein, mit begleitenden Veranstaltungen durch die Kreise touren und auch für sie zur Verfügung stehen. Weitere wichtige Termine, über die ich euch zeitnah noch einmal informiere, sind der Aktionstag One Billion Rising am 14. Februar und natürlich der Frauentag am 8. März. Falls ihr hierzu bereits Ideen habt oder Unterstützung braucht, dann könnt ihr mich gern kontaktieren. Natürlich wird es im Vorfeld konkretere Informationen geben, z. B. über mögliche Mitmachaktionen. Es gibt also viel zu tun: Ich jedenfalls freue mich darauf! In diesem Sinne: We don´t fight for flowers! (Wir kämpfen nicht für Blumen!) Eure Anja Eichhorn Sprecherin für Gleichstellung und Feministische Politik.

Staatsregierung und LINKE diskutieren die neue soziale Dimension des Wohnens Wohnungspolitische Konferenz der Fraktion DIE LINKE „Die neue soziale Dimension des Wohnens“ am 21.11.2015, 1016 Uhr in Dresden, Volkshaus, Schützenplatz 14 Das wohnungspolitische Konzept der Staatsregierung und die Forderung der LINKEN nach bezahlbarem Wohnen: Wie geht das zusammen? Was bleibt strittig? Zu diesen Fragen lädt die Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag zur Wohnungspolitischen Konferenz in das Dresdner Gewerkschaftshaus am Schützenplatz ein. Eine hochkarätige Expertenschaft hat ihr Kommen ermöglicht. So werden der Abteilungsleiter Wohnraumförderung des Sächsischen Staatsministeriums des Innern, Ulrich Menke, zudem Prof. Dieter Rink vom Umweltforschungszentrum Leipzig (UFZ), Dr. Axel Viehweger

vom Sächsischen Verband der Wohnungsgenossenschaften (VSWG), Dr. Kris Kaufmann, Bürgermeisterin der Landeshauptstadt Dresden für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Wohnen, Elke Pohl vom Paritätischen Sachsen, Arne Myckert von der KommWohnen Görlitz, Anke Matejka vom sächsischen Mieterbund, Marlen Försterling von „Stadt für alle“ Leipzig, Michael Stellmacher vom Haus und Wagenrat e. V., Heidi Lüth (LAG Seniorinnen) und Hannes Heise vom Initiativkreis Menschen teilnehmen. Würdig die zentralen Fragen des Wohnungsbaus, der Mietengerechtigkeit und der menschenwürdigen Unterbringung von Asylsuchenden und Flüchtlingen in den Kommunen mit Vertretern der LINKEN diskutieren. Nicht erst die öffentliche Debatte zur Unterbringung von Asylsuchenden und Flüchtlingen, verbunden

mit dem Streit um Leerstand und Rückbau in Sachsen, zeigt die Herausforderungen in der Wohnungspolitik und die Versorgung mit angemessenem Wohnraum zu bezahlbaren Mietpreisen. Auch die weitere demografische Entwicklung im ländlichen Raum und der Zuzug in den Ballungszentren sowie Fragen der Energiewende haben Konsequenzen für Wohnungsbau und Stadtentwicklung. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer diskutieren in einer Podiumsdiskussion, eingeleitet durch kurze Impulsvorträge, gespickt mit Kurzinterventionen, und in Workshops über Anforderungen bzw. Bedarfe an die politische Steuerung und Förderung des Wohnungsbaus und der Stadtentwicklung. Logischerweise steht im Kontext gesellschaftlicher Anforderungen an das Wohnen und steigender Kosten bei Neu- und

Umbau in Verbindung mit einer unzureichenden Einkommensentwicklung in Sachsen die Bezahlbarkeit der eigenen vier Wände im Mittelpunkt. Hierzu werden sowohl die Konzepte der Staatsregierung und der Fraktion DIE LINKE, als auch die Positionen aus Wohnungswirtschaft, Wissenschaft und Sozialverbänden sowie von Basisinitiativen zur Diskussion gestellt werden. Die Vertiefung findet in drei parallelen Workshops statt: Wie kann zukünftig bezahlbarer Wohnraum bereitgestellt werden, der den veränderten Anforderungen an energetische Sanierung, Modernisierung und Barrierefreiheit entspricht? Wie können Segregationsprozesse insbesondere in Ballungszentren vermieden werden, im Kontext unzureichender Einkommensentwicklung? Welche Herausforderungen durch den demographischen Wandel und

steigende Zuwanderung kommen auf den Freistaat zu und wie können diese im Hinblick auf die Gestaltung einer lebenswerten Stadt der Zukunft gemeistert werden? Neben Fachvorträgen und Diskussionsbeiträgen aus Wissenschaft, Wohnungswirtschaft und Sozialverbänden wird die Debatte den eigentlichen Schwung durch die Beteiligung der interessierten Bürgerinnen und Bürger, der Kreis-, Stadt- und Gemeinderätinnen und -räte aus den sächsischen Kommunen sowie der Aktivistinnen und Aktivisten von Wohn-Basisinitiativen und Flüchtlingsinitiativen erhalten. Enrico Stange Wer Interesse hat, kann sich frühzeitig einen Platz sichern. Das geht telefonisch unter 0351-4935800 oder per E-Mail unter linksfraktion-geschaeftsstelle@slt.sachsen.de


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Jugend

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Chemnitz bleibt Kaltland Chronik der rassistischen Ausfälle in Einsiedel und Markersdorf Chemnitz ist wieder in den Medien. Diesmal sind es Rassist*innen in Einsiedel und Markersdorf, die die Stadt in die bundesweite Öffentlichkeit hieven. Nachfolgend eine Chronik aus antifaschistischer Sicht. Zu Beginn, am 16. September, geschahen zwei Dinge: zunächst fantasierte sich die Morgenpost das Horrorszenario von 2.000 Geflüchteten in Einsiedel zusammen, woraufhin die Dorfgemeinschaft sofort vollkommen freidrehte. Spoiler: Dieser Zustand hält bis heute an; erkennbar an den vielfältigen Ausdrucksvarianten dieser Gefühlswelten. So kam es beispielsweise seitdem an jedem Mittwoch zu einer Demonstration durch das Dorf, wobei festzuhalten ist, dass es bisher keine Versammlung gab, bei der der Anteil der erkennbaren Nazis und Hooligans nicht signifikant war. Fol-

gerichtig gibt es auch genügend Berichte über Angriffe auf Antifaschist*innen, die töricht genug waren, auf die Sicherung durch den Staat zu vertrauen. Seit einigen Wochen haben sich die Teilnehmendenzahlen in diesem 3.600-Seelen-Dorf auf etwa 2.000 eingepegelt, eine Quote, die die Mehrheitsgesinnung in Einsiedel sehr gut artikuliert. In den Wochen nach dem Bekanntwerden gab es auch zwei Bürger*innenversammlungen; besorgte Bürger*innen wollen schließlich aufgeklärt werden. Nachdem sich vor und während der ersten der beiden noch Nazis als Türsteher und „kritische Beobachter“ inszenieren konnten, war spätestens nach der zweiten klar, dass das Asylsuchendenheim nach Einsiedel kommen wird, ob die Dorfgemeinschaft jetzt will oder nicht. Als Reaktion darauf wurde ein Infostand errichtet, „der aber [...] keine Informationen verteilt, sondern welche fordert“ (Ist doch überall so, ZEIT, 17.10.). Zum heutigen Zeitpunkt

steht dieser seit bereits vier Wochen. Während dieser Zeit war er immer mit Menschen besetzt, die von Anwohner*innen mit Lebensmitteln umsorgt wurden und werden. Die Solidarität ist da, leider richtet sie sich gegenwärtig nicht

der Einsiedler*innen jedoch tatsächlich besorgt sei und Angst habe. Diese Einschätzung klänge auch recht plausibel, wenn die Dorfgemeinschaft nicht am 5. Oktober den Gegenbeweis selbst erbracht hätte. Nachdem das Gerücht

Bild: Haeferl/Wikimedia Commons/CC BY-SA 3.0

auf Geflüchtete, sondern auf Rassist*innen. Nun mag man noch immer argumentieren können, dass es zwar Rassist*innen und Nazis auf den Versammlungen gegeben hätte, der Großteil

verbreitet wurde, dass mehrere Busse in Richtung Einsiedel vorbereitet werden würden, fanden sich flugs mehrere Hundert Rassist*innen ein, die bis in die Nachtstunden mit Hilfe von LKWs und Baumstäm-

men die einzige Zufahrt zum Asylsuchendenheim blockierten. Der rassistische Mob behält die Oberhand, bis heute hat kein Asylsuchender das Dorf betreten. Auch wenn die Situation in Einsiedel ekelhaft ist und die Atmosphäre insbesondere rund um die Demonstrationen und die Blockade für Antirassist*innen gefährlich wirkte: Bisher kam es nicht zu größeren Ausfällen bzw. Angriffen seitens der Dorfbewohner*innen. Anders lief der 9. Oktober in Markersdorf ab. Als klar wurde, dass im Stadtteil Markersdorf 150 Geflüchtete in eine Turnhalle einziehen sollen, sammelten sich flugs Rassist*innen und verhinderten bis in die Nachtstunden den Einzug der Asylsuchenden, die meist schlichtweg zu viel Angst davor hatten. Schließlich wurde den Refugees zugesagt, zunächst in der gegenüberliegenden Kirche Obdach zu finden. Als kurz darauf die Polizei abzog, kam es zu Angriffen auf Geflüchtete und Supporter mit Schlagstöcken. Gegen 5 Uhr morgens wurde zudem die Kirche, die Refugees beherbergte, angegriffen, was in der Summe fünf Verletzte verursachte. Linksjugend Chemnitz

Termine 7. November, 16 Uhr: Neueröffnung Interim. Interim, Demmeringstraße 32, Leipzig. 11. November, 19 Uhr: Die nichtbeachteten Diskriminierungen – Klassismus. Vortrag, Volkshochschule, Moritzstraße 20, Chemnitz 12. bis 15. November: Prekarität und Alltag. Vorträge, Diskussion, Konzerte, Lesungen, Gespräche, Seminare. Nasch, Interim, IfZ Leipzig Lindenau. Weitere Informationen: www. prekaritaetundalltag.de 14. November, 11 Uhr: Kennenlern-Brunch der Linksjugend Dresden. Wir AG, Martin-Luther Straße 21, Dresden. 15. November, 12-16 Uhr: Einführung in die Kritik des Antisemitismus. Workshop, Herbert-Wehner Werk, Kamenzer Straße 12, Dresden.

Die Pfingstcamp-Vorbereitungen … … für 2016 beginnen bereits in diesem November. Vom 21.-22.11. wird sich das neue Vorbereitungsteam an einen verwunschenen Ort zurückziehen und einen neuen Plan austüfteln. Falls Du schon im-

mer mal wissen wolltest, wie das Pfingstcamp organisiert wird, Dich einbringen möchtest oder konkrete Ideen und Wünsche hast, wie das kommende Pfingstcamp aussehen soll, dann bist du herzlich ein-

geladen. Melde dich einfach unter pfingstcamp@linksjugend-sachsen.de oder bei Marie und Du bekommst alle weiteren Informationen. Wenn Du an diesem Wochenende keine Zeit hast, dafür

aber umso mehr Lust, Dich im Vorbereitungskreis zu organisieren und/oder auf den Verteiler möchtest, melde dich ebenfalls bei uns. Wir freuen uns auf dich, Clemens und Marie

24. November, 18 Uhr: Bullenwagen klauen und Adorno zitieren – Die Linke zwischen Theorie und Praxis. Wir AG, Martin-Luther Straße 21, Dresden Mehr Infos unter www.linksjugend-sachsen.de


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DIE LINKE im Europäischen Parlament

11/2015 Sachsens Linke!

Gastbeitrag: Zur Gewalt gegen Frauen ständnis, dass die Gewalt gegen Frauen eine Form von geschlechtsspezifischer Gewalt ist, die gegen Frauen begangen wird, weil sie Frauen sind. So ist es die Pflicht eines Staates, das in all seinen Formen anzuprangern und anzuerkennen sowie Maßnahmen zu ergreifen, um Gewalt gegen Frauen zu verhindern, die Opfer zu schützen und die Täter strafrechtlich zu verfolgen. Bei Missachtung trüge der

systems hervorgehoben. Trotz vieler Diskussionen waren sich alle politischen Kräfte über die Bedeutung der Frage einig. So scheint es jetzt, dass Schritte in Richtung zu konkreten Maßnahmen eine größere Herausforderung darstellen als die Einigkeit über die Priorität des Themas. Die Kommission hat bis heute die Nachfragen und Anfragen des Europaparlaments ignoriert. Während der vorangegan-

le Charakter geschlechtsspezifischer Gewalt zum Tragen kommt. Im Ausschuss für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter sind und waren die Mitglieder der GUE/NGL schon immer die starke Stimme, um eine Richtlinie gegen Gewalt an Frauen und

Staat die Verantwortung. Das Übereinkommen lässt keinen Zweifel: Es kann keine wirkliche Gleichstellung von Frauen und Männern geben, wenn Frauen geschlechtsspezifische Gewalt erleben und Staaten wie staatliche Einrichtungen in hoher Zahl die Augen davor verschließen.

Mädchen auf europäischer Ebene anzuschieben und alle Mitgliedstaaten darauf zu drängen, das Übereinkommen von Istanbul zu ratifizieren. Dieses Übereinkommen (Istanbul Convention) zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt basiert auf dem Ver-

Minimale Standards auf EUEbene sollten auf diesem Wissen und Fakten beruhen. In Zusammenarbeit mit Frauenrechtsorganisationen haben wir den Bedarf der Frauenschutzhäuser an stabiler Wirtschaft und Autonomie, die Notwendigkeit von speziellen Schulungen für Poli-zeikräfte und des Justiz-

genen Wahlperiode haben wir viele Berichte über die Rechte der Frauen angenommen. Für zwei der Berichte fühle ich mich am meisten verantwortlich: Die, in denen Svensson und Parvanova berichten und die Kommission dazu auffordern, endlich zu handeln. Dieses Jahr verabschiedeten wir zudem den Noichl-Bericht mit Empfehlungen für eine neue Gleichstellungsstrategie nach 2015 und der Forderung nach einer EURichtlinie. Wir müssen auch bedenken, dass wir heute ein anderes Parlament haben als vorher. Durch den Zugewinn der extremen Rechten und rassistischer Kräfte, die wir während der Abstimmungen regelmäßig sehen und in den Debatten spüren, wird versucht, Migrant_innen-Rechte, LGBTI-Rechte und Rechte der Frauen, insbesondere der sexuellen und reproduktiven Gesundheit, anzugreifen und in Frage zu stellen. Wir als Linke haben eine klare Agenda. Wir sind da, um sie zu vertreten, zu verteidigen und sich für Gerechtigkeit, Solidarität und den Kampf gegen Rassismus und Patriarchat starkzumachen. Durch verschiedene Aktionen und Berichte haben wir deutlich gemacht, wie die an-haltenden Sparmaßnahmen und Kürzungen bei den Sozialdienstleistungen Frauenrechte schädigen und sich nachteilig auf ihre Rechte auswirken. Momentan erleben wir zudem eine

Bild: euranet_plus/Wikimedia Commons/CC BY-SA 2.0

dass eine Befreiung, die nicht alle strukturelle Unterdrückung berücksichtigt, eine Befreiung ist, die auf jemandes Unterdrückung aufgebaut ist. In der GUE/NGL ist Gewalt gegen Frauen eines unserer Kernthemen, im Kampf für die Gleichberechtigung der Geschlechter. Im Europäischen Parlament versuchen wir, von einem linken Standpunkt aus zu betonen, wo der strukturel-

Bild: Sandra.Lindquist. Swedish Left Party

Es gibt kein einziges Land in der Welt, in dem Frauen frei von Gewalt sind. Und es gibt keinen einzigen Bereich im Leben jeder Frau, in dem sie nicht der Androhung von Gewalt oder tatsächlichen Gewalttaten ausgesetzt sind. Gewalt gegen Frauen kennt keine geografischen Grenzen, keine Altersgrenze, keine Klassenunterschiede, keine ethnischen oder kulturellen Grenzen und manifestiert sich in vielerlei Hinsicht. „On ne NAIT pas femme, on le devient“ – „Man wird nicht als Frau geboren, man wird eine Frau“, so Simone de Beauvoir. Statistiken über Gewalt gegen Frauen machen wütend, um es gelinde auszudrücken. 33 % der Frauen haben körperliche und/oder sexuelle Gewalt, 43 % haben psychische Gewalt erlebt – und wie üblich kann man vermuten, dass der Prozentsatz in der Realität sehr viel höher ist. Die bemerkenswerteste Statistik ist, dass 95 % aller Gewalttaten gegen Frauen von Männern verübt werden, die ihnen bekannt sind. Diese Gewalttaten finden am häufigsten zu Hause statt. Für Frauen ist geschlechtsspezifische Gewalt eine Realität, die alle Teile unseres Lebens beeinflusst: Sei es, dass den Schlüssel zwischen den Fingern halten, nur „für den Fall“, wenn wir nachts zu Fuß unterwegs sind. Sei es, dass wir Erfahrungen von sexueller Belästigung oder Körperverletzung gemacht haben. Es ist etwas, das zwangsläufig zu einem Teil unseres Lebens gehört, das uns davon abhält, frei und ohne Angst zu leben. Die weit verbreitete Realität der Gewalt gegen Frauen ist ein Zeugnis der tiefen Ungleichheiten in unserer Gesellschaft. Diese Ungleichheiten übertreffen die einzelnen Aktionen der Gewalt und müssen auf verschiedenen Ebenen bekämpft werden. Neben dem Aufbau von Strukturen, die Frauen im Falle von Gewalterfahrungen die Unterstützung gewähren, die sie brauchen, muss sich die politische Arbeit auf Prävention und auf den Aufbau von verschiedenen Gesellschaften (Gesellschaftsentwürfen, Anm. d. R.) konzentrieren, gleichen Gesellschaften. Wir müssen an und auf einer institutionellen Ebene arbeiten und sicherstellen, dass es in jeder Institution der Länder oder auf EU-Ebene null Toleranz für sexuelle Belästigung und Gewalt gegen Frauen geben wird. Das bedeutet auch, dass Gender-Analysen Teil unserer Arbeit und aller Gruppen, in denen wir aktiv sind, sein müssen. Darüber hinaus bedeutet Arbeit in linker Tradition auch, immer eine intersektionale Analyse einzubeziehen. Wir haben gelernt,

Fortsetzung und Straffreiheit für den Handel mit Frauen und Mädchen zum Zweck der sexuellen Ausbeutung und einen wachsenden Markt für Prostitution. In FEMM-Ausschuss haben wir dafür geworben, dass es eine grenzübergreifende Arbeitsgruppe zur Gewalt gegen Frauen gibt und das Thema so auf der politischen Agenda gehalten wird. Das begrüße ich sehr. Während des diesjährigen Internationalen Tags gegen die Gewalt gegen Frauen (25. November) werden wir die Bedeutung und die Wichtigkeit des Kampfs gegen die Gewalt an Frauen und Mädchen deutlich machen, in einer gemeinsamen Erklärung und Pressekonferenz während der Plenarsitzung in Straßburg. Es ist uns auch gelungen, Unterstützung für unseren Vorschlag zu bekommen, sich im FEMMAusschuss im nächsten Jahr am Internationalen Tag der Frauen der schwierigen Situation von Migrantinnen und Flüchtlingsfrauen zu widmen. Wir werden auch sehr aktiv in der Aktualisierung der Richtlinie zur Bekämpfung des Menschenhandels sein. Die Transformation der Politik und der ganzen Gesellschaft ist ein langer und schwieriger Prozess, denn wir sind wechselnden Machtverhältnissen unterworfen. Wir alle müssen Verantwortung dafür tragen, dass wir all das als Aufgabe in unser persönliches Leben tragen. Aber einschüchtern lassen sollten wir uns davon nicht. Wir unternehmen jetzt vielleicht noch kleine Schritte, beim nächsten Mal aber den Quantensprung, ein anderes Mal müssen wir neu ansetzen. Was auch immer unsere Fortschritte sein werden, wir müssen dranbleiben und voranschreiten, denn unser Ziel ist die gleiche Macht für Männer und Frauen, ihr Leben und die Gesellschaft gleichermaßen und gleichberechtigt zu gestalten. Die Frauenrechtsbewegung spielt eine zentrale Rolle bei der Unterstützung eines sozialen Wandels. Und es sind diese Bewegungen, in denen wir als linke Feministinnen unsere Wurzeln haben und die Kraft bekommen, unseren Kampf innerhalb und außerhalb der parlamentarischen Arbeit fortzusetzen. Malin Björk MdEP, Swedish Left Party, Koordinatorin der GUE/ NGL Fraktion im Ausschuss für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter. Übersetzt von Anja Eichhorn.


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DIE LINKE im Bundestag

Wirtschafts- und Sozialeinheit? Wie ist es im 25. Jahr der Deutschen Einheit um den ostdeutschen Arbeitsmarkt bestellt? Das wollte ich von der Bundesregierung in einer Kleinen Anfrage wissen. In der Antwort rühmt sich die Regierung mit der sinkenden Zahl von Arbeitslosen. Aber dies geht kaum auf neu entstandene Beschäftigung zurück. Hunderttausende wanderten ab, ein schrumpfendes Arbeitsvolumen wurde auf mehr Köpfe verteilt, viele Erwerbslose tauchen nach wie vor nicht in der Statistik auf. Und wegen der zu geringen Wirkung von Tarifverträgen drohen auf lange Zeit deutliche Verdienstunterschiede. Hier einige ausgewählte Ergebnisse (alles aus der Bundestagsdrucksache 18/6215): Die offiziell registrierte Arbeitslosigkeit fiel in Ostdeutschland von 1992 bis 2014 um 455.462 auf 823.835. Das allein sagt aber nicht viel aus. Zählt man Personen mit, die in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen oder vorübergehend erkrankt sind, gab es 2014 1,11 Millionen Erwerbslose. Die verfestigte Langzeiterwerbslosigkeit ist mit Armut verbunden. Die Armutsgefährdung liegt im Osten mit 10,4 Prozent deutlich höher als im Westen (6,8 Prozent). Und insgesamt bleibt die Lage auf dem ostdeutschen Arbeitsmarkt schwierig. Im Jahr 2014 kamen rech-

nerisch 3,5 Arbeitslose auf eine offene Stelle; zieht man die tatsächliche Arbeitslosigkeit heran, beträgt das Verhältnis 4,7: 1. Nach einem rapiden Beschäftigungsabbau wächst die Zahl der Jobs seit 2005 zwar wieder. Aber es entstand kaum neue Arbeit. Zwischen 2000 und 2014 sank sogar das geleistete Arbeitsvolumen um 7 Prozent. In Westdeutschland gab es dagegen ein leichtes Plus von 3 Prozent. Hinter den Beschäftigungserfolgen der vergangenen Jahre verbirgt sich schlicht, dass die vorhandene Arbeit auf mehr Köpfe verteilt wurde. Von 2001 bis 2014 gingen 546.295 Vollzeitjobs verloren, im letzten Jahr gab es noch 4.066.852. Die sozialversicherungspflichti- g e Teilzeitbeschäftigung

nahm dagegen um 668.833 auf 1.537.075 zu, die Zahl der Minijobs um 180.476 auf 944.169 (2003-2014). Zudem gibt es weiterhin beträchtliche Lohnunterschiede. Obwohl die Tarifverdienste zu 97 Prozent angeglichen sind, liegen die Effektivverdienste bei nur 78 Prozent. Der Grund ist die geringere Tarifbindung in den ostdeutschen Bundesländern. Nur für 47 Prozent der Beschäftigten kommen Tarifverträge zur Anwendung. Im Westen ist das bei 60 Prozent der Beschäftigten der Fall. Die Lage ist also alles andere als zufriedenstellend. Ostdeutschland darf nicht zum Billiglohnland mit einem hohen Sockel an verfestigter Langzeiterwerbslosigkeit verkommen. Wir als LINKE halten daran fest: Die Bundesregierung ist gefordert, ein Konzept für einen nachhaltigen Wirtschafts- und Beschäftigungsaufbau vorzulegen, das im Übrigen auch strukturschwachen Regionen Westdeutschlands helfen kann. Daneben brauchen wir eine gewerkschafts- und tarifpolitische Offensive, um Löhne und Arbeitszeiten anzugleichen. Erst dann kommen wir zu einer wirtschaftlichen und sozialen Einheit. Sabine Zimmermann, MdB

Jetzt richtig handeln im VW-Skandal Es ist der Umweltskandal des Jahres: Die Schummelei des Volkswagen-Konzerns mit den Abgaswerten. Über 11 Millionen Fahrzeuge sind schätzungsweise betroffen, davon 2,8 Millionen in Deutschland. Die illegale Umweltverpestung auf Kosten der Gesundheit von Millionen von Menschen ist enorm. Und es ist nicht nur das Image des VW Konzerns beschädigt, sondern das der gesamten deutschen Automobilindustrie. Auch Arbeitsplätze in Sachsen sind gefährdet. Volkswagen hat hier 10.000 Arbeitsplätze an drei Standorten plus bis zu 25.000 Arbeitsplätze bei den Zulieferern. In die Kritik geriet nicht nur die VW-Spitze um Martin Winterkorn, sondern auch Verkehrsminister Dobrindt. Obwohl der sofort den Chefaufklärer an die Spitze setzen wollte, kamen vom Minister nur warme Worte und keine großen Taten. Lediglich eine handverlesene Kommission zur Aufklärung der Hintergründe soll eingesetzt werden. Gesetzliche Rege-

lungen und Konsequenzen für die Verantwortlichen? Fehlanzeige! Im Gegenteil – bis heute blockiert die Regierung schärfere Vorgaben aus Brüssel. Das Schlimmste ist, dass Dobrindt hätte wissen müssen, dass die Werte der Autobauer nicht ganz sauber sind. Die Deutsche Umwelthilfe warnt bereits seit 2007 davor, dass die von den Firmen in Selbstkontrolle ermittelten Emissionswerte viel zu niedr i g

sind. Auch die EU warnte vor Softwaremanipulationen bei den Abgaswerten. Aber kein Fahrzeug, das heutzutage zugelassen wird, muss den Abgastest auf der Straße bestehen – geprüft wird nur unter Laborbedingungen auf der Rolle. Die Verbindungen zwischen der Automobilindustrie und der Regierung sind traditionell besonders eng. Martin Winterkorn war in der vergangenen Legislaturperiode neun Mal bei der Kanzlerin vorstellig. Das geht aus einer Anfrage der Linken aus dem September 2013 hervor. Auch andere Vertreterinnen und Vertreter der AutomobilIndustrie gingen dort ein und aus. „Klüngel“ und „Kumpanei“ darf man das wohl nennen. Diese Vetternwirtschaft gilt es so schnell wie möglich zu beenden. Wir als LINKE sagen: Die Sache muss schnellstmöglich und um-

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Zivilgesellschaft stärken! Auf der einen Seite wöchentliche Demonstrationen von Pegida, deren immer aggressiveres, rechtsextremes Auftreten die zunehmende Gewalt gegen Flüchtlingsunterkünfte flankiert. Auf der anderen Seite viele ehrenamtliche Helfer_innen, ohne die die Betreuung der ankommenden Flüchtlinge kaum zu gewährleisten wäre – beide so gegensätzliche Bilder verdeutlichen die Notwendigkeit, für eine erfolgreiche Integration der Flüchtlinge die Zivilgesellschaft zu stärken. Dabei kommt dem Bundesfamilienministerium in den nächsten Jahren eine zentrale Bedeutung zu. Aus diesem Grund müssen in den laufenden Verhandlungen über den Bundeshaushalt 2016 klare politische Prioritäten gesetzt werden. Zentrale Punkte: 1. Die Mittel für das Bundesprogramm „Demokratie leben!“, durch das zivilgesellschaftliche Projekte gegen Rechts finanziert werden, müssen auf 80 Millionen Euro verdoppelt werden. Dabei sollte der Schwerpunkt auf Basisinitiativen liegen, die täglich mit jungen Menschen soziale Arbeit gestalten. Dort entstehen die Netzwerke, die das Fundament einer widerstandsfähigen Zivilgesellschaft bilden. Z u d e m muss die Förde r u n g d e r P r o jekte gegen Rechts endlich

auf eine institutionelle, also permanente Finanzierung umgestellt werden, statt sie grundsätzlich zeitlich zu begrenzen. Dauerhafte Aufgaben müssen dauerhaft finanziert werden. 2. Die Mittel für die Jugendhilfe dürfen nicht, wie von der Regierung vorgesehen, gekürzt werden. Auch ohne die zusätzlichen Herausforderungen im Zusammenhang mit der Integration junger Flüchtlinge wären Kürzungen in den Bereichen politische Bildung, Partizipation oder bei der Integration junger Menschen mit Migrationshintergrund falsch. Wir brauchen nicht weniger, sondern mehr Beteiligung an unserer Gesellschaft. Dafür muss die finanzielle Basis gesichert sein. Hinzu kommt die Flüchtlingsentwicklung der letzten Monate. Deshalb beantragen wir für den gesamten Titel „Kinder- und Jugendplan“ eine Erhöhung von 150 auf 450 Millionen Euro. 3. Die Gelder für die Beratung und Betreuung von Flüchtlingen erhalten zurzeit die sechs großen Wohlfahrtsverbände – unter anderem die Arbeiterwohlfahrt, die Caritas und das Rote Kreuz. Angesichts der Tatsache, dass sich mittlerweile unzählige Initiativen und Vereine gebildet haben, die einen Großteil der Arbeit vor Ort übernommen haben, sollte die Finanzierung für sie geöffnet und die Mittel entsprechend erhöht werden. Die Summen, über die wir sprechen, sind im Verhältnis zum Gesamthaushalt überschaubar. Zudem werden in dem Einzeletat durch den Wegfall des Betreuungsgeldes Mittel frei. Vor allem aber handelt es sich um sinnvolle Investitionen in die Zukunft. • Michael Leutert, MdB

fassend aufgeklärt werden – und zwar von einer unabhängigen Kommission. Das liegt im Interesse der Beschäftigten – nicht die Sache unter den Tisch zu kehren, wie die CDU es gern möchte, nicht. Welche Fahrzeuge waren bei VW und anderswo betroffen? Wir brauchen Abgaskontrollen unter REALEN Bedingungen und schonungslose Aufklärung, wer es betrieben und gewusst hat – bei VW und anderswo. Schließlich: Wer zahlt die Zeche? Der abgetretene Martin Winterkorn sollte sich mit seinem Jahresgehalt von 16 Millionen Euro ebenso einbringen wie die Familien Piëch und Porsche mit ihrem Gesamtvermögen von 12 Milliarden Euro.

Die Ausmaße des sogenannten VW-Skandals sind noch lange nicht aufgedeckt. Es werden uns noch einige Überraschungen ins Haus stehen. Die Geschichte ist sogar hollywoodreif: Die Filmproduktionsfirma Paramount Pictures und Leonardo DiCaprio sicherten sich bereits die Rechte am Vorgang. Offen bleibt bisher, ob DiCaprio Winterkorn, Dobrindt oder einen Volkswagen spielt. Caren Lay, MdB


Kommunal-Info 9-2015 4. November 2015 Online-Ausgabe unter www.kommunalforum-sachsen.de

KFS

Kommunalpolitisches Forum Sachsen e.V. Container für Flüchtlinge Verordnung gibt Möglichkeiten, überteuerten Preisen gegenzusteuern Seite 3

Infrastruktur Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung für Stärkung der kommunalen Infrastruktur Seite 3

Veranstaltungen Seminar zu Rechten und Pflichten von Aufsichtsräten am 20./21. November Seite 4

Kommunale Finanzplanung Gemeinden, Städte und Landkreise haben nach § 80 der Sächsischen Gemeindeordnung (SächsGemO) ihrer Haushaltswirtschaft eine fünfjährige Finanzplanung zugrunde zu legen. Als erstes Planungsjahr ist dabei das laufende Haushaltsjahr anzusetzen. Als Grundlage für die Finanzplanung ist ein Investitionsprogramm aufzustellen. Der Finanzplan mit dem Investitionsprogramm ist bei der Beschlussfassung über die Haushaltssatzung vom Gemeinderat/Kreistag mit zu beschließen. Finanzplan und Investitionsprogramm sind jährlich der Entwicklung anzupassen und fortzuführen.

Funktionen und Grundlagen

Als 1974/75 in der alten Bundesrepublik die Finanzplanung verpflichtend als neues Instrument eingeführt wurde, sollte damit die kommunale Finanzwirtschaft rationaler und transparenter gestaltet werden und drei grundlegende Funktionen erfüllt werden, die auch weiterhin im neuen Doppik-Haushaltsrecht eine Rolle spielen: indem durch eine mehrjährige Vorausschau Schwerpunkte und Prioritäten im Sinne einer politisch-programmatischen Zielsetzung vorgenommen werden; indem Finanzbedarf und Deckungsmöglichkeiten auch in den Folgejahren in Einklang gebracht werden, um damit die Leistungsfähigkeit der Gemeinde dauerhaft zu gewährleisten und die Steuerung der gemeindlichen Aufgabenerfüllung zu sichern; indem zur Sicherstellung einer gesamtwirtschaftlichen Lenkung die finanziellen Planungen aller Gebietskörperschaften aufeinander abgestimmt werden.1 Die Finanzplanung erfolgt auf der Grundlage

einer angestrebten und erwarteten Entwicklung des Steueraufkommens (Gemeindeanteil an der Einkommensteuer, Gewerbesteuer, Grundsteuer A und B), der vorausgesetzten Schlüsselzuweisungen, anderer allgemeiner Zuweisungen sowie einzelner zweckgebundene Zuweisungen des Landes und sonstiger gesamtwirtschaftlicher Daten. Nach § 9 Abs. 3 der Sächsischen Kommunalhaushaltsverordnung-Doppik (SächsKomHVO-Doppik) sollen bei der Aufstellung und Fortschreibung des Finanzplans insbesondere die vom Staatsministerium des Innern bekannt gegebenen Orientierungsdaten berücksichtigt werden. Für einen Zeitrahmen von fünf Jahren werden ausgehend von den Daten dann Vorstellungen über die erwünschte und mögliche Entwicklung des Finanzbedarfs projiziert. Die kommunale Finanzplanung ist eine haushaltswirtschaftliche Rahmenplanung, die für diesem Zeitraum die Zielvorstellung für die Aufgabenerfüllung aufzeigt und diese mit den Finanzierungsmöglichkeiten abgleicht.2

In Haushaltsplan integriert

Während im vormaligen kameralen System die Finanzplanung als Anlage dem Haushaltsplan beizufügen war, bestehend aus zwei Elementen, dem eigentlichen Finanzplan und dem Investitionsprogramm, wird jetzt in der Doppik die Finanzplanung in den Ergebnis- und in den Finanzhaushalt integriert. Im kameralen System bot die die Finanzplanung einen guten und gerafften Überblick über die Haushaltswirtschaft der Kommune und ihre mittelfristige Entwicklung. Das werde nun

im doppischen Haushaltsrecht insoweit komplizierter, weil nunmehr zwei Prognoserechnungen nebeneinander bestehen – so eine Einschätzung in der Fachliteratur.3 Auf der einen Seite steht der auf Produkte bezogene Ergebnishaushalt, auf der anderen Seite der an Zahlungsströmen orientierte Finanzhaushalt. Während die dem Ergebnishaushalt zugrunde liegende Prognose vor allem einen Ausblick auf das wirtschaftliche Ergebnis und die Entwicklung der produktbezogenen Leistungen bietet, zeichnet die Vorausschau des Finanzhaushalts neben der Investitionsplanung ein Bild der Liquiditätsentwicklung. Beide mittelfristigen Planungen sind mithin von Bedeutung für die Beurteilung der kommunalen Haushaltswirtschaft.4 Ausgehend von den grundlegenden rechtlichen Bestimmungen in § 80 der SächsGemO und § 9 der SächsKomHVO-Doppik sollen, wie nachfolgend dargestellt, mit der kommunalen Finanzplanung mehrere Zielstellungen verfolgt werden.

Langfristigkeit

Im Unterschied zur jährlichen Haushaltsplanung ist die Finanzplanung darauf angelegt, eine längerfristige Perspektive der Haushaltsentwicklung aufzuzeigen. Bei neuen Investitionen fallen häufig Folgekosten erst in den künftigen Jahren an. Im Einzelfall können die Bruttofolgekosten bereits nach vier oder fünf Jahren die Höhe der Investitionskosten erreichen. Das könnte z.B. eintreten, wenn eine Gemeinde mit Hilfe erheblicher Investitionszuweisungen und Zuhilfenahme weiterer Maßnahmen (Spenden, Anliegerbeiträge, Veräußerungserlöse, Kreditaufnahmen) gerade noch die einmaligen

Herstellungskosten für ein Vorhaben stemmen kann, jedoch die in Zukunft die regelmäßig anfallenden Folgekosten nur noch unter äußerster Anstrengung bewältigen kann. Die jährlich wiederkehrenden Folgekosten, die nach der Errichtung kaum noch beeinflussbar sind, greifen in die Struktur künftiger Haushalte ein. Das gilt auch bei Kreditaufnahmen, wo sich der Schuldendienst (Zins und Tilgung) erst in den folgenden Jahren auswirkt. Deshalb schreibt § 12 Abs. 1 der SächsKomHVO-Doppik vor: „Bei Investitionen und Investitionsförderungsmaßnahmen, die sich über mehrere Jahre erstrecken, sind neben dem veranschlagten Jahresbedarf die voraussichtlichen Auszahlungen für die gesamte Maßnahme anzugeben. Die in den folgenden Jahren noch erforderlichen Auszahlungen sind bei der Finanzplanung zu berücksichtigen.“

Koordinierung

Mit der Finanzplanung sollen die einzelnen kommunalen Fachplanungen in einem finanziell realisierbaren Gesamtprogramm koordiniert werden. Deshalb sind die Finanzplanung und die Aufgabenplanung ständig miteinander abzustimmen: Dabei haben sich die Aufgabenplanungen nach den im Finanzplan ermittelten Finanzierungsmöglichkeiten zu richten, während in der Finanzplanung der Finanzbedarf der Aufgabenplanung in den Grenzen des wirtschaftlich Vertretbaren bestimmt wird. Der Finanzplan soll aufzeigen, wann, wo, in welchem Umfang und mit welchem Aufwand an Investitionen und FolgeFortsetzung auf folgender Seite


Kommunal-Info 9/2015 kosten die Gemeinde eine Maßnahme in Angriff nehmen kann. Je zeitiger die Fachplanungen einsetzen, umso mehr Lösungsvarianten stehen zur Auswahl, die dann durchaus beträchtliche Einsparungen bei den Herstellungs- und Folgekosten ergeben können. Indessen kann durch eine kluge Finanzplanung ein verfrühter Einsatz von persönlichen und sächlichen Ressourcen zur Planung von Vorhaben vermieden werden, wenn die Finanzierungsmöglichkeiten dafür in absehbarer Zeit nicht gsichert sind. So kann auch verhindert werden, dass „Schubladenpläne“ früher oder später durch technische Neuerungen überholt werden. Insgesamt erweist sich die die Finanzplanung ein unverzichtbares Instrument einer geordneten und ausgewogenen Kommunalpolitik. Die Finanzplanung „ist unentbehrlich für eine gezielte Aufgabenerfüllung in systematisch richtig räumlicher, sachlicher und zeitlicher Sicht. Diejenigen Kommunen, die gezielt die mittelfristige Finanzplanung als Steuerungsmittel für ihre gesamte Kommunalwirtschaft und für die Erfüllung ihrer Aufgaben eingesetzt haben, konnten ohne übermäßige Verschuldung eine gute Infrastrukturausstattung bieten und gleichzeitig Fehlinvestitionen vermeiden. Dagegen haben Kommunen, die planlos »Momentan- oder Modewünsche« der Bevölkerung erfüllten, häufig Schiffbruch erlitten.“5

Seite 2 oritätenliste ist deshalb eine Kernfrage der mittelfristigen Finanzplanung. „Deshalb sollte die Verwaltungsspitze dem Gemeinderat deutlich machen, dass eine intensive Beratung vor allem des Investitionsprogramms geboten ist. Die Prioritäten müssen frühzeitig festgelegt werden. An diese Reihenfolge sollten sich dann auch alle Verantwortliche gebunden fühlen. Natürlich kann eine Vorausplanung in Zeiten des Wandels und der Globalisierung nicht statisch sein. Bei Veränderungen ist die Finanzplanung so früh wie möglich anzupassen.“6 Die Festlegung von Prioritäten hat sich stets nach den örtlichen Verhältnissen zu richten. Als allgemeine Orientierungen können jedoch gelten7:

Prioritätensetzung

Der Vielzahl der durch die Kommune zu erfüllenden Aufgaben stehen immer nur begrenzte finanzielle Mittel für deren Erfüllung gegnüber. Dieser ständige Konflikt zwischen Aufgabenerfüllung und beschränkten Finanzen zwingt die Kommune deshalb auch bei der mittelfristigen Finanzplanung zu einem strengen Ausleseprozess und zu Prioritätensetzungen. Das bedeutet, die Aufgaben müssen nach ihrer sachlichen, zeitlichen und räumlichen Dringlichkeit geordnet werden. Gleichzeitig sind die finanziellen Auswirkungen, insbesondere die Investitionskosten unter Berücksichtigung von Zuschüssen und Beiträgen zu beachten, aber auch vor allem die teilweise sehr hohen Folgekosten. Durch die mittelfristige Finanzplanung sollen Gemeinderat und Verwaltung bei der Bewertung der Aufgaben frühzeitig Alternativen nach Alternativen suchen und deren Vorteile und Nachteile im Rahmen einer Gesamtschau abwägen. So können die wirtschaftlichsten Lösungen gefunden werden und gegebenenfalls Investitionskosten verringert werden. Als Grundlage für die Finanzplanung ist nach § 80 Abs. 3 SächsGemO ein Investitionsprogramm aufzustellen. In diesem Investitionsprogramm sind nach § 9 Abs. 2 SächsKomHVO-Doppik die im Planungszeitraum vorgesehenen Investitionen und Investitionsförderungsmaßnahmen nach Jahresabschnitten aufzunehmen. Da jede einzelne Investition wegen der begrenzten finanziellen Möglichkeiten eine andere verdrängen kann, darf über eine einzelne Investitionsmaßnahme nicht losgelöst von der Gesamtheit der anderen Aufgaben entschieden werden. Die Aufteilung der zur Verfügung stehenden Finanzmittel nach einer Pri-

einzelnen Jahren beim Gesamtergebnis ein ausgeglichener Haushalt ausgewiesen werden. Gegebenenfalls dürfen für Erreichung des Haushaltsausgleichs auch Rücklagen verwendet werden. Dieser Rückgriff auf in der Vergangenheit angesammelte Reserven lässt sich jedoch künftig nicht alljährlich wiederholen. Ist im Ergebnishaushalt nach Ausnutzung aller Sparmöglichkeiten und Ausschöpfung aller Ertragsmöglichkeiten einschließlich der Verwendung des Sonderergebnisses und von Überschussrücklagen des Sonderergebnisses auch im zweiten Folgejahr des Finanzplans nicht auszugleichen, ist nach § 72 Abs. 4 SächsGemO ein Haushaltsstrukturkonzept (früher hieß das Haushaltssicherungskonzept) aufzustellen und auszuführen, das den Haushaltsausgleich spätestens im vierten Folgejahr nachweist. Wird dann im vierten Folgejahr der Haushaltsausgleich verfehlt, ist das Haushaltsstrukturkonzept fortzuschreiben und den neuen Gegebenheiten anzupassen. Es muss durch die Rechtsaufsichtsbehörde genehmigt werden. In diesem Fall wird der Haushaltsausgleich dauerhaft nicht erreicht. Ein Haushaltsfehlbetrag wird im Ergebnishaushalt als „schlechteste Folge“ im vierten Folgejahr mit dem Basiskapital verrechnet wird. Das bedeutet eine äußerst bedenkliche dauerhafte Substanzverzehr.8

Risikomanagement

Freiwillige Aufgaben können nur dann vor die Pflichtaufgaben gesetzt werden, wenn nach Erfüllung der ersteren noch ausreichend Mittel für die Finanzierung letzterer zur Verfügung stehen. Bei etwa gleicher Dringlichkeit sollte Vorhaben mit geringeren Folgekosten der Vorrang gegeben werden. Vorhaben, bei denen künftig Folgekosten in so hohem Maße eingespart werden können, dass sie Investitionsausgaben in wenigen Jahren amortisieren, sollten bevorzugt werden (z.B. Modernisierung alter Straßenbeleuchtungsanlagen durch Umstellung auf energiesparende neue Leuchten). Bei gleicher Dringlichkeit sollten Erneuerungsinvestitionen vor Neu-Investitionen in Angriff genommen werden, weil bei letzteren künftig wiederkehrende Folgekosten anfallen, die normalerweise nicht über anfallende Entgelte gedeckt werden können.

Haushaltsausgleich

Wie in § 80 Abs. 6 SächsGemO vorgeschrieben, soll mit der Finanzplanung auch erreicht werden, dass durch die Kommune rechtzeitig geeignete Maßnahmen zu treffen sind, „um eine geordnete Haushaltsentwicklung unter Berücksichtigung ihrer voraussichtlichen Leistungsfähigkeit in den einzelnen Planungsjahren zu sichern.“ Deshalb soll im Finanzplan nach § 9 Abs. 4 SächsKomHVO-Doppik in den

Mehr als bisher dient die mittelfristige Finanzplanung im doppischen Haushaltsrecht einer risikoorientierten Betrachtungsweise der Haushaltswirtschaft. Neben den Rückstellungen in der Bilanz, die bereits eine Risikobewertung enthalten, sind weitere Risiken zu benennen. Auch wenn nicht alle möglichen Risiken annähernd erfassbar sind, erscheint es jedoch überlegenswert, Auswirkungen verschiedener Ereignisse im Sinne einer Szenario-Analyse in der Finanzplanung darzustellen, um zu prüfen, ob die Haushaltswirtschaft der Kommune auch bei ungünstigeren Rahmenbedingungen noch ausgeglichen zu gestalten ist. Die möglichen Risiken lassen sich grundsätzlich in drei Kategorien unterteilen.9 1. Externe, nicht steuerbare Risiken: z.B. Unerwartete Rückgänge bei den Steuereinnahmen oder im Finanzausgleich, Tariferhöhungen jenseits der in der Finanzplanung vorgesehenen Größenordnung, zusätzliche Umlagen an Verbände, Belastungen durch neue von außen vorgegebene Aufgaben (z.B. Unterbringung von Flüchtlingen). 2. Externe, begrenzt steuerbare Risiken: z.B. Zinsschwankungen, Risiken aus öffentlichen Betrieben, Unternehmen und Beteiligungen. 3. Interne, prinzipiell steuerbare Risiken: z.B. Folgekosten kommunaler Investitionen, Ansprüche von Bediensteten auf Grund von Altersteilzeit, Ansprüche Dritter aus Gewährleistungsverträgen u. ä.

Schwierigkeiten

Die Annahme, mit der Finanzplanung eine Vorschau auf künftige kommunale Haushalte geben zu können, haben sich in der Vergangenheit nicht in erhofftem Maße erfüllt. Es war nicht möglich, hinreichend genaue Prognosen der Einnahmen und Ausgaben abzugeben. Insbesondere die Daten der Steuerschätzungen, die ja für die Finanzplanung eine wichtige Grundlage bilden sollen, verändern sich von Jahr zu Jahr. Entgegen ursprünglicher Annahmen konnten demzufolge die Werte der Finanzplanung auch nicht ohne weiteres als Basis für die Aufstellung des nächsten Haushalts dienen. Wenn Finanzplanung noch sinnvoll sein soll, ist es angeraten, verschiedene Szenarien zu überprüfen und die wahrscheinlichste Entwicklung in den Haushalt aufzunehmen. Auch der Effekt der Investitionsprogramme ist ebenfalls beschränkt geblieben. Anfangs aufgestellte Investitionsprioritäten mussten im realen Leben oft gerändert werden. So konnten ursprünglich vorgesehene Investitionsvorhaben z.B. auch deshalb nicht zum beabsichtigten Termin realisiert werden, weil keine Bewilligung von Landeszuschüssen vorlag oder der notwendige Grunderwerb nicht abgeschlossen war. Außerdem korrigierten auch Gemeinderäte aus irgendwelchen Gründen im Jahresverlauf einmal gesetzte Prioritäten. An diesem Sachverhalt werde sich auch im neuen Haushaltsrecht nichts ändern.10 AG 1

Vgl. G. Schwarting, Der kommunale Haushalt, 4. Aufl., E. Schmidt Verlag 2010, S. 201. 2 Vgl. Gemeindeordnung für den Freistaat Sachsen. Ergänzbarer Kommentar mit weiterführenden Vorschriften, Erich Schmidt Verlag, Kommentar zu § 80, Rn. 22f. 3 Vgl. G. Schwarting, Der kommunale Haushalt…, S. 203. 4 Vgl. ebenda S. 202f. 5 Gemeindeordnung für den Freistaat Sachsen. Ergänzbarer Kommentar…, Rn. 32. 6 Ebenda, Rn. 34. 7 Vgl. ebenda, Rn. 35. 8 Vgl. ebenda, Rn. 66. 9 Vgl. G. Schwarting, Der kommunale Haushalt…, S. 209. 10 Vgl. G. Schwarting, Den kommunalen Haushaltsplan richtig lesen und verstehen, 4. Aufl., E. Schmidt Verlag 2010, S. 125.

Impressum Kommunalpolitisches Forum Sachsen e.V. Großenhainer Straße 99 01127 Dresden Tel.: 0351-4827944 oder 4827945 Fax: 0351-7952453 info@kommunalforum-sachsen.de www.kommunalforum-sachsen.de Red., Satz und Layout: A. Grunke V.i.S.d.P.: P. Pritscha Die Kommunal-Info dient der kommunalpolitischen Bildung und Information und wird aus finanziellen Zuwendungen des Sächsischen Staatsministeriums des Innern gefördert.


Kommunal-Info 9/2015

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Preisrecht und überteuerte Container Der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) weist mit Blick auf die Unterbringung von Flüchtlingen in den Städten und Gemeinden darauf hin, dass auch die Beschaffung von nachhaltigen und längerfristig verwendbaren Unterkünften insbesondere in Holzbauweise geprüft werden sollte. Derartige Produkte, die vermehrt auf dem Markt angeboten werden, sollten bei anstehenden Beschaffungen mit betrachtet und auf Ihre konkrete Verwendbarkeit hin geprüft werden. Hierfür sprechen nicht zuletzt die immer häufigeren Meldungen zu überteuerten Containerpreisen bei der Flüchtlingsunterbringung. Seitens des DStGB wird daher auch auf folgende Rechtslage hingewiesen: Das öffentliche Preisrecht stellt mit der Verordnung über die Preise bei öffentlichen Aufträgen (VO PR Nr. 30/53) ein hoheitliches Instrumentarium zur Verfügung, welches einen Einkauf zu Marktpreisen oder angemessenen Selbstkostenpreisen sicherstellen kann. Die VO gilt für öffentliche Aufträge des Bundes, der Länder und der Gemeinden sowie sonstigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts. Zu den Leistungen zählen Lieferaufträge wie auch Mietverträge. Nicht dem Anwendungsbereich unterworfen sind allerdings Bauleistungen! Die Regelung kann somit nur zur Anwendung kommen, wenn es sich im Einzelfall um die Anmietung von bestehenden Wohn‐oder auch Gewerbeimmobilien sowie um die schlichte Lieferung von Fertigbaumodulen/Containern an eine Kommune handelt und der Lieferant über die Lieferung hinaus keine weiteren Baumaßnahmen (also etwa die vollständige Installation und den „Aufbau“ der Container vor Ort) durchführt. Aufbaumaßnahmen können in der Praxis auch separat an Handwerker vergeben oder durch die Kommune selbst (eigener Bauhof o.ä.) vorge-

nommen werden. Erforderlich ist somit immer eine genaue Prüfung des Einzelfalls. Liegt indes eine solche Sachverhaltskonstellation vor, gilt nach der VO PR Nr. 30/53 folgendes: 1. Der Einkauf von Leistungen hat vorrangig zu Marktpreisen zu erfolgen (vgl. § 1 Abs. 1 VO PR). Dabei ist der Marktpreis derjenige Preis des Anbieters, den er für seine Leistung auf dem allgemeinen Markt durchsetzen konnte („verkehrsübliche betriebssubjektiver Marktpreis“), die derjenigen, die eingekauft werden soll identisch oder mindestens vergleichbar ist. Nachgewiesen wird dieser „verkehrsübliche Marktpreis“ z.B. durch Vorlage von Rechnungen/mehreren Umsatzakten. 2. Voraussetzung ist hierfür, dass sich der Preis auf einem funktionierenden (!) Markt bilden konnte. Märkte, die aufgrund außergewöhnlicher Umstände keine wettbewerbliche Preisbildung mehr gewährleisten kön-

nen, stellen in aller Regel keine funktionierenden Märkte mit einer wettbewerblichen Preisbildung mehr dar. Angesichts der begrenzten Zahl von Containeranbietern in Deutschland sowie der zur Zeit herrschenden Mangellage kann nach Auffassung des DStGB von keinem funktionierenden Markt mehr gesprochen werden. In dieser Situation kann ggf. auf § 5 der Verordnung und auf „Selbstkostenpreise“ abgestellt werden. Selbstkostenpreise kommen immer dann in Betracht, wenn ein Marktpreis nicht feststellbar ist oder eine Mangellage vorliegt oder der Wettbewerb auf der Anbieterseite beschränkt ist und hierdurch die Preisbildung nach § 4 (Marktpreis) nicht nur unerheblich beeinflusst wird ( § 5 Absatz 1 VO PR). Der zulässige Marktpreis oder auch der Selbstkostenpreis ist dann gemäß § 1 Absatz 3 VO PR der Höchstpreis! 3. Rechtsfolgen eines preisrechtlich

Kommunale Infrastruktur stärken Kommunale Infrastruktur in Deutschland muss deutlich gestärkt werden. Anhaltende Investitionsschwäche bei den Kommunen – Sozialausgaben schmälern die Spielräume – Strukturschwache Regionen drohen weiter zurückzufallen – DIW-Experten empfehlen, den Soli temporär zu nutzen, um Kommunen bei den Sozialausgaben zu entlasten Investitionen in die öffentliche Infrastruktur sind eine wesentliche Voraussetzung für die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit und die Schaffung von Wachstumspotentialen. Vor allem die kommunale Infrastruktur fährt jedoch seit Jahren auf Verschleiß. Eine Forschergruppe des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) hat die kommunale Investitionstätigkeit in Deutschland näher untersucht. „Trotz der öffentlichen Überschüsse investiert ein großer Teil der Kommunen zu wenig, und die Probleme werden sich für viele von ihnen noch verschärfen, wenn die Wirtschaftspolitik nicht schnell und entschieden gegensteuert. Vor allem Kommunen mit hohen So-

zialausgaben investieren deutlich weniger“, bilanziert DIW-Präsident Marcel Fratzscher. Die Experten des DIW Berlin empfehlen deshalb, den Solidaritätszuschlag temporär zu nutzen, um die Kommunen bei den Sozialleistungen für Wohnen und Heizkosten zu entlasten. Damit würde der Rahmen für mehr kommunale Investitionen geschaffen.

Große Herausforderungen bei den Investitionen

In Deutschland werden über die Hälfte der Investitionen auf der kommunalen Ebene getätigt, Kommunen finanzieren Kitas, Schulen und den kommunalen Verkehr. Die Herausforderungen der Zukunft sind vielfältig angesichts des demographischen Wandels und vor dem Hintergrund der beschlossenen Energiewende. Zudem sind es die Kommunen, die den Zustrom an Flüchtlingen organisieren und verwalten. „Mit Investitionen in die Integration dieser Menschen gestalten die Kommunen nicht nur deren

Zukunft, sondern auch die eigene“, so DIW-Präsident Fratzscher.

Negative Nettoinvestitionen seit 2003

Die Auswertungen des DIW Berlin zeigen jedoch, dass die kommunale Investitionstätigkeit seit Jahren ausgeprägt schwach ist. Die Investitionsquote hat sich gegenüber dem Jahr 1991 etwa halbiert. Seit der Jahrtausendwende reichen die kommunalen Investitionen nicht einmal mehr aus, um die bestehende Infrastruktur zu erhalten beziehungsweise zu modernisieren. „Die Nettoinvestitionen, das heißt der Saldo aus Investitionen und Abschreibungen, sind seit dem Jahr 2003 negativ. Seither sind mehr als 46 Milliarden Euro im Bereich der Infrastruktur nicht mehr ersetzt worden“, sagt DIW-Investitionsexperte Claus Michelsen. Auch die Investitionen der kommunalen Unternehmen konnten dieses Defizit nicht ausgleichen.

Kommunale Investitionen sind auf

unzulässigen Preises: Ist ein in einem öffentlichen Auftrag vereinbarter Preis preisrechtlich unzulässig, weil er bspw. den Höchstpreisgrundsatz verletzt (überhöhter Preis), so ist nicht der gesamte Vertrag nichtig, sondern nur die Preisvereinbarung! Der Vertrag bleibt mit dem zulässigen Preis bestehen! Folglich wird so auch die höchstrichterliche Rechtsprechung der unzulässige Preis durch den preisrechtlich zulässigen Preis (das kann der zulässige Marktpreis oder eben der angemessene Selbstkostenpreis sein) ersetzt. Aus kommunaler Sicht kann daher bei der Beschaffung (Lieferung!) von Container der Bieter schon vorab auf die Bestimmungen des Preisrechts aufmerksam gemacht werden. Der Anbieter darf gegenüber der Kommune keinen höheren Preis verlangen als den, den er üblicherweise auf dem allgemeinen funktionierenden Markt bisher durchgesetzt hat. Als problematisch könnte sich hierbei zeigen, dass Bieter dann einen Vertragsschluss verweigern. Relevant ist daher folgende Feststellung: Kommt gleichwohl ein Vertrag mit einer überhöhten Preisvereinbarung zustande oder liegt ein bereits abgeschlossener Liefervertrag über Container vor, kann der unzulässige Preis im Vertrag durch den „zulässigen Preis“ ersetzt werden. Der Vertrag als solcher bleibt wirksam. 4. Die Kommune kann in der Praxis die zuständig Preisprüfbehörde einschalten, um die angemessenen Selbstkosten feststellen zu lassen. Bei schon geschlossenen Verträgen mit überhöhter Preisvereinbarung kann ebenfalls die Preisbehörde eingeschaltet werden. Trotz des nicht ganz unaufwändigen Procederes sieht sich die Hauptgeschäftsstelle des DStGB verpflichtet, auf diese Rechtslage hinzuweisen. (Quelle: www.dstgb-vis.de/)

Die Verordnung über die Preise bei öffentlichen Aufträgen (VO PR Nr. 30/53) kann unter dieser Adresse abgerufen werden.

die Länder ungleichmäßig verteilt

Bereits auf Länderebene zeigen sich deutliche regionale Unterschiede in den 13 Flächenländern. Die Länder Bayern und Baden-Württemberg haben mit 469 beziehungsweise 371 Euro pro Einwohner im Jahr 2013 die höchsten Investitionsausgaben. Demgegenüber fallen die Ausgaben für Investitionen in anderen westdeutschen Ländern und in Ostdeutschland deutlich geringer aus. Allein in Ostdeutschland müssten die Kommunen etwa 2,8 Milliarden Euro mehr investieren, um ein vergleichbares Investitionsniveau pro Einwohner wie in Bayern zu erreichen. Ostdeutschland ist dabei ein Sonderfall. Dort sind die Investitionsausgaben mit dem Abschmelzen der Mittel aus dem Solidarpakt II seit dem Jahr Fortsetzung auf folgender Seite


Kommunal-Info 9/2015

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Veranstaltungen Intensivseminar Kommunale Unternehmen und die Rechte und Pflichten von kommunalen Vertretern in Aufsichtsräten Freitag, 20.11.2015 ab 17:00 Uhr bis Samstag 21.11.2015 ca. 15:30 Uhr Hotel „Schwarzes Roß“, Freiberger Straße 9, Siebenlehn Referent: Alexander Thomas, (Dipl.-Verwaltungswirt, parl.-wissenschaftlicher Berater) Veranstaltung des Kommunalpolitischen Forums Sachsen e.V. in Leipzig 2012

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Kommunale Infrastruktur... 2004 rapide zurückgegangen; in Mecklenburg-Vorpommern beispielsweise von 393 Euro pro Kopf im Jahr 2000 auf nur noch 148 Euro im Jahr 2013. „Je geringer die Sonderzuweisungen des Bundes ausfallen, desto stärker tritt dort die eigene geringe Steuer- und Finanzkraft zu Tage – ein Effekt, der durch den Bevölkerungsrückgang noch verstärkt wird“, so DIW-Regionalexperte Ronny Freier.

Unterschiede zwischen einzelnen Landkreisen und kreisfreien Städten in Ostdeutschland

Unter den zehn Kommunen mit den höchsten Investitionsausgaben in den Kernhaushalten befinden sich keine ostdeutschen Kommunen. Die höchsten Investitionen in den jeweiligen ostdeutschen Bundesländern erreichen die Landkreise Teltow-Fläming (Brandenburg, 401 Euro), Vorpommern-Rügen (Mecklenburg-Vorpommern, 308 Euro), Sächsische Schweiz – Osterzgebirge (Sachsen, 311 Euro), Wittenberg (Sachsen-Anhalt, 229 Euro), Schmalkalden-Meiningen (Thüringen, 407 Euro). Insgesamt erreichen die ostdeutschen Kommunen aber nur selten den Bundesdurchschnitt von etwa 270 Euro pro Einwohner – lediglich 25 Prozent der Kreise und kreisfreien Städte im Osten können überdurchschnittlich investieren. Die anderen 75 Prozent liegen zum Teil abgeschlagen im unteren Bereich der Verteilung. Die Kommunen mit den jeweils niedrigsten Ausgaben für öffentliche Investitionen sind Cottbus (Brandenburg, 116 Euro), Rostock (Mecklenburg-Vorpommern, 156 Euro), Nordsachsen (Sachsen, 178 Euro), Halle (Sachsen- Anhalt, 80 Euro), Jena (Thüringen, 62 Euro).

Investitionsunterschiede erklären sich durch hohe Sozialausgaben Die regionalen Unterschiede bei den kommunalen Investitionsausgaben in den Kernhaushalten haben sich über viele Jahre hinweg kaum verändert. In der Regel sind es strukturschwache Regionen mit geringen Steuereinnahmen und hohen Sozialausgaben, die dauerhaft weniger investieren können. „Eine entscheidende Ursache für dauerhaft geringe Investitionen liegt in den Sozialausgaben, die den finanziellen Spiel-

raum für Investitionen verringern“, sagt Ronny Freier. So gibt beispielsweise die kreisfreie Stadt Halle 314 Euro für Kosten der Unterbringung und Heizung und 80 Euro für Investitionen aus, während der Wartburgkreis lediglich 83 Euro für diese Sozialausgabe ausgeben muss und 402 Euro pro Einwohner investieren kann.

Mehr finanziellen Spielraum für finanzschwache Kommunen schaffen

Die finanzschwachen Kommunen geraten in eine Abwärtsspirale: Weil sie kein Geld für Investitionen haben, werden sie wirtschaftlich noch weiter abgehängt. Um diesen Teufelskreis zu durchbrechen, schlagen die DIW-Experten mehrere Maßnahmen vor. Der Bund könnte strukturschwache Kommunen unterstützen, indem er ihnen mehr Mittel für Investitionen überlässt. Lösungen bieten sich auch bei der Neuordnung des Länderfinanzausgleichs, wenn finanzschwache Länder eher in die Lage versetzt werden, ihren Kommunen die notwendigen Mittel zukommen zu lassen. „Würden die kommunalen Steuereinnahmen im Länderfinanzausgleich vollständig berücksichtigt, so wären die finanzschwachen Länder in der Lage, ihren Kommunen zusätzliche Mittel für Investitionen zur Verfügung zu stellen“, sagt DIW-Finanzexpertin Kristina van Deuverden.

Schwerpunkte: Einführung in das Kommunale Wirtschaftsrecht Unter welchen Voraussetzungen darf eine sächsische Kommune wirtschaftliche Unternehmen führen? Welche Unternehmensformen des öffentlichen und des privaten Rechts kommen für kommunale Unternehmen infrage? Wo liegen die wesentlichen Unterschiede zwischen den Rechtsformen, welche Motive gibt es für die Wahl bestimmter Rechtsformen? Unter welchen Voraussetzunen darf eine Kommune in Sachsen wirtschaftliche Unternehmen in einer Privatrechtsform betreiben? Welches sind die pflichtigen Mindestinhalte, die im Gesellschaftsvertrag einer GmbH enthalten sein müssen, welche „fakultativen“ Regelungen sind möglich? Welche Aufgaben hat ein Aufsichtsrat in einer GmbH, unter welchen Voraussetzungen kann ein „fakultativer“ Aufsichtsrat gebildet werden, welche wesentlichen Unterschiede bestehen zum „pflichtigen“ Aufsichtsrat? Welches sind wesentliche Rechte und Pflichten kommunaler Vertreter in Organen von Unternehmen? Wie können Interessenskonflikt der kommunalen Vertreter in Aufsichtsräten aufgelöst werden? Können Unternehmen und Beteiligungen ohne weiteres veräußert werden? Was gehört als Mindestinhalt in einen Beteiligungsbericht?

Kommunalpolitischer Tag im Landkreis LEIPZIGER LAND Sonnabend, 28.11.2015, 10:00 - 18:00 Uhr „Kulturhaus“, Leipziger Str. 40, Böhlen Referent(en)/innen: Maria Gangloff (Kreisrätin, ehem, Bürgermeisterin von Böhlen) Thomas Voigt (Beigeordneter im Landkreis) Sandra Münch (Sozialarbeiterin) Lars Kleba (Jugendbildner, Vorstand KFS) Marco Böhme (MdL, Sprecher für Klimaschutz, Energie und Mobilität) Dr. Axel Troost (MdB, Sprecher für Finanzpolitik,Volkswirt)

Kommunale Unternehmen stärken

Einen wichtigen Beitrag zur Überwindung der Investitionsschwäche kann die Stärkung kommunaler Unternehmen leisten, die schon heute in vielen Gemeinden einen wesentlichen Teil des Infrastrukturangebots abdecken. „Kommunale Unternehmen sollten mehr Aufgaben übernehmen, beispielsweise Bau von Verwaltungsgebäuden und Betreuungseinrichtungen, denn diese Unternehmensform hat sich in der Vergangenheit zumeist als erfolgreich erwiesen“, sagt DIW-Regionalökonom Martin Gornig. „Dies würde die Investitionsentscheidungen vom tagespolitischen Geschehen entkoppeln und die Kosten-Nutzen-Abwägungen transparenter machen.“ (www.diw.de/de, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung Berlin, Pressemitteilung vom 21.10.2015, Regionalisierte Version für Ostdeutschland)

Intensivseminar Teilhabe junger Menschen in der Kommune Freitag, 04.12.2015, 17:00 Uhr bis Sonntag, 06.12.2015, 14:30 Uhr „Alte Schule Cunnersdorf“, Schulweg 10, Schönteichen Referent(en)/innen: Sabine Pester (Stadträtin, Historikerin, Kinder- und Jugendpolitik) Lars Kleba (Jugendbildner, ehem Stadtrat, Vorstand KFS) Anmeldungen für die Veranstaltungen bitte an: Kommunalpolitisches Forum Sachsen e.V. 01127 Dresden, Großenhainer Straße 99 Tel.: 0351-4827944 oder 4827945 Fax: 0351-7952453 info@kommunalforum-sachsen.de


Oktober 2015

Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag

ParlamentsReport Debatte zum VW-Desaster: Kein Klassenkampf, sondern Auftakt zur Hilfe!

Liebe Leserinnen und Leser, ich hätte nicht gedacht, dass ich einmal die Kanzlerin loben würde. Normalerweise bin ich ein Kritiker der CDU, alles andere wäre auch untypisch für einen Oppositionsführer. Wer aber gesehen hat, wie Angela Merkel bei „Anne Will“ all die Mauerbauer, all die SchlichteAntworten-Geber („Grenzen dicht!“, „Aufnahmestopp!“) in die Schranken wies und noch weist, weiß, was ich meine. In Sachsen sind wir leidgeprüft, was Äußerungen von CDU-Wortführern angeht. Nur wenige sind amüsant – wie jüngst eine Pressemitteilung des Fraktionschefs Frank Kupfer, der zum 3. Oktober verkünden ließ, die „Vollendung der deutschen Teilung“ sei „ein Geschenk der Geschichte“ gewesen. Wenige Minuten später ließ er den kuriosen Schreibfehler korrigieren und uns wissen, dass das Geschenk in der „Vollendung der deutschen Einheit“ bestanden habe. Das Lachen weicht jedoch schnell angesichts von Ausfällen wie denen des CDU-Politikers Alexander Krauß, der forderte, minderjährige Flüchtlinge sollten ihre Eltern und Geschwister nicht mehr nachholen können („Wer sein Kind allein um die weite Welt reisen lässt, sollte dafür nicht auch noch mit einer Aufenthaltserlaubnis belohnt werden“). Juliane Nagel hat Krauß daraufhin einen „Asozialpolitiker“ genannt. So muss man hoffen, dass die machtbewusste Kanzlerin ihren Kurs durchsetzen kann. Auf die Korrekturfunktion der SPD ist kein Verlass, denn Scharfmacher und Angststifter sitzen auch in ihren Reihen. Den sozialen Frieden bewahren wir nur, wenn wir den Angstszenarien, mit denen manche Regierungspolitiker ihr Versagen überdecken wollen, widerstehen.

Rico Gebhardt Fraktionsvorsitzender

Eine kurze Zeit lang konnten die Volkswagen-Konzernlenker davon träumen, dass der größte deutsche Automobilkonzern auch der weltgrößte Automobilkonzern werden könnte. Dieser Traum ist spätestens zerstoben, seit bekannt wurde, dass das Unternehmen bei Dieselfahrzeugen millionenfach Manipulationssoftware eingesetzt hat, um die Emissionen der Fahrzeuge bei behördlichen Prüfungen kleinzurechnen. Der Aktienkurs stürzte ab, Milliardenwerte sind dahin. Vorstandschef Martin Winterkorn nahm seinen Hut – und reichlich Gold und Silber mit. Rückrufe und Strafzahlungen setzen das Unternehmen unter Druck. Das ist die Quittung für den dreisten Betrug. Ein gravierender Reputationsschaden ist eingetreten.

von Fehlverhalten einzelner, sondern von systematischem und langfristigem Betrug aus. „Die Konzernspitze wurde bereits 2011 von Technikern aus dem eigenen Hause gewarnt, und der Zulieferer Bosch hatte schon 2007 vor einer illegalen Verwendung der Technik zur Abgasnachbehandlung gewarnt“. Auch der Bundesregierung und der EU-Kommission seien diese Tricks längst bekannt gewesen. „Die Machenschaften der VW-Spitze wurden durch die Kumpanei zwischen Politik und Großindustrie erst möglich“. Nachdem Aktionäre und Manager jahrelang Gewinne und Boni eingefahren haben, dürften nun nicht Steuerzahler und Beschäftigte für den Milliarden-

bei. Auch die Sprecherin für Mittelstand und Handwerk der Fraktion DIE LINKE geht von einem Schaden in zweistelliger Milliardenhöhe aus. „Was aber auch sicher ist: VW wird das überleben, ganz im Unterschied zu manchen Zulieferern, von denen viele kleine und mittelständische Unternehmen sind“. In Sachsen unterhalten mehr als 200 Unternehmen mit insgesamt etwa 25.000 Beschäftigten Geschäftsbeziehungen zu VW. Im Krisenfall seien sie sofort existenzgefährdet, da ihre Kapitaldecke kaum ausreiche, um schwere Zeiten zu überstehen. Zwar sei die sächsische Zulieferindustrie nicht auf Dieselmotoren spezialisiert, ein Flächenbrand also nicht unvermeidlich. Allerdings träfen Schäden am Markenimage stets den

Warum das ein Thema für den Sächsischen Landtag sein muss? Die Antwort ist einfach: Volkswagen ist einer der größten Arbeitgeber im Freistaat, in Zwickau gar der größte. Die Arbeitsplätze von mehr als 10.000 VW-Beschäftigten und zehntausenden weiteren in Zulieferbetrieben sind ebenso unverzichtbar wie die Gewerbesteuereinnahmen für die Kommunen, in denen VW ansässig ist – Zwickau, Chemnitz und Dresden. Zwar sieht es momentan so aus, als würden größere Verwerfungen an den sächsischen Standorten nicht zwangsläufig eintreten. Weder sind bisher die Verkaufszahlen eingebrochen noch wurden nennenswert viele Bestellungen storniert. Allerdings wird die Weiterentwicklung der OberklasseLimousine Phaeton, die in der „Gläsernen Manufaktur“ in Dresden produziert wird, auf eine Elektro-Variante beschränkt. Niemand weiß, welche Einschnitte der Konzern noch vornehmen muss. Nicht zuletzt wegen der unmittelbaren Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort hatte die Linksfraktion eine Aktuelle Debatte zum Thema „VWDesaster – Auswirkungen für Beschäftigte im Automobil-Cluster Sachsen rechtzeitig abwenden“ beantragt. Sie sollte vor allem eine Handlungsaufforderung an das Wirtschaftsministerium sein, sich für den Schutz der Arbeitsplätze des Konzerns und seiner Zulieferer einzusetzen. LINKENWirtschaftsexperte Nico Brünler erteilte Theorien, wonach es sich um einen Angriff auf den Automobilriesen handeln könnte, eine Absage. „VW wurde nicht in irgendeine Falle gelockt, sondern VW hat betrogen und ist schlichtweg dabei erwischt worden“. Die interne Revision gehe nicht

schaden haften. Die Stadt Zwickau hat wegen der zu erwartenden Steuerausfälle schon eine Haushaltssperre verhängt, ebenso Braunschweig, Wolfsburg und Ingolstadt. Die Geschehnisse könnten sich zu einer existenzbedrohenden Krise des Unternehmens auswachsen. Der Konzern muss sparen, Investitionen in neue Technologien wie die Digitalisierung der Fahrzeuge kommen ebenso auf den Prüfstand wie der Ausbau von Standorten. Das trifft den Freistaat insgesamt, denn VW ist dessen bedeutendster Automobilhersteller und das mitarbeiterstärkste Industrieunternehmen. Brünler: „Wir müssen schon deshalb darüber reden, um uns darüber zu verständigen, wie wir Regularien schaffen können, damit so etwas nicht wieder passiert. Wir müssen auch darüber reden, ob es tatsächlich schlau ist, bei der Wirtschaftsförderung Monostrukturen in gesamten Regionen zu fördern“. Die Debatte soll dafür ein Startschuss sein. Dem pflichtete Brünlers Fraktionskollegin Luise Neuhaus-Wartenberg

Konzern als Ganzes. Sollte es tatsächlich zu krisenhaften Auswirkungen kommen, müsse die öffentliche Hand als größter Auftraggeber von Mittelstand und Handwerk diese Unternehmen stützen. Bei öffentlichen Aufträgen dürfe dann erst recht nicht gespart werden. Die CDU beeilte sich, der Linksfraktion vorzuwerfen, sie wolle mit dieser Debatte eine Krise herbeireden, was VW und den sächsischen Arbeitsplätzen schade. Ihr Abgeordneter Frank Heidan sprach eifrig gar von „Klassenkampf“ – ein bizarrer Vorwurf. Lösungen hatte er nicht anzubieten, und Recht hatte er nur insofern, als er der LINKEN attestierte, nicht an die „Selbstheilungskräfte des Marktes“ zu glauben. Immerhin hat Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) angekündigt, die Auswirkungen der Krise im Auge behalten zu wollen. Das ist das Mindeste, um rechtzeitig reagieren zu können – damit Beschäftigte und kommunale Haushälter von Sicherheit künftig nicht nur träumen, sondern auf sie vertrauen können.


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PARLAMENTSREPORT

Oktober 2015

Schadensersatz für Bewohner ostdeutscher Mondlandschaften! Der „singende Baggerfahrer aus der Lausitz“, Gerhard Gundermann, hat einmal vor Konzertpublikum ausgerechnet, wann er mit seinem Schaufelradbagger am Eingeweckten im Keller seines Hauses gelandet wäre, hätte man die Grube nicht geschlossen. Er könne nun werter Tischlergeselle von Glück sagen, dass sein Bagger rechtzeitig verschrottet worden sei. Andernfalls, und wenn er nicht viel zu früh aus dem Leben gerissen worden wäre, hätte er die Landtagsdebatte zur Schlichtungsstelle für Bergbaufolgeschäden möglicherweise verfolgt. Schon jetzt gibt es viele Auseinandersetzungen um Schadensersatzansprüche, wenn der Kohlebergbau Privatpersonen oder Kommunen geschädigt hat. Das gilt nicht nur für die Lausitz. Problematisch sind vor allem Änderungen der Grundwasserhöhe. Bergbautreibende Unternehmen wie die Mitteldeutsche Braunkohle AG (Mibrag) oder Vattenfall müssen sie absenken, um Kohle abbauen zu können. Auf den Abbau folgt der Sanie-

rungsbergbau, in Sachsen vor allem verantwortet durch die Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft (LMBV). Sie flutet ausgekohlte Tagebaue, wobei das Grundwasser steigt. Infolgedessen können sich Schäden an Gebäuden, Straßen, Bahnstrecken, Brücken, Versorgungsleitungen ergeben. Gut möglich also, dass Gundermanns Keller heute geflutet oder eingestürzt wäre. Bisher gilt laut Bundesberggesetz nur für den Untertagebergbau eine sogenannte Bergschadenvermutung. Das heißt, dass bei Bergbaufolgeschäden zunächst davon ausgegangen wird, dass sie vom Bergbauunternehmen verursacht wurden. Für Tagebaue gilt das nicht, die Beweislast liegt beim betroffenen Bürger bzw. der Gemeinde. Die Beweisführung ist oft schwer und teuer. Deshalb setzen wir uns für die „Einrichtung einer gemeinsamen unabhängigen Schlichtungsstelle Bergschaden Braunkohletagebau der Länder Brandenburg und Sachsen“ ein (Drucksache 6/2687).

Diese Initiative, ähnlich eingebracht von der GRÜNEN-Fraktion, forderte von der Staatsregierung, mit den Bergbauunternehmen LMBV und Vattenfall sowie nötigenfalls mit dem Bund bis Ende Juni 2016 ein Konzept für eine sächsisch-brandenburgische Schlichtungsstelle zu erarbeiten. Sie soll insbesondere tätig werden, wenn Geschädigte nach einer Einigung mit dem Bergbautreibenden unzufrieden sind, sie aber auch vorab beraten. Mit Thüringen und Sachsen-Anhalt sollte über eine weitere länderübergreifende Schlichtungsstelle für das Mitteldeutsche Braunkohlerevier verhandelt werden. Auf Bundesebene sollte die Staatsregierung gemeinsam mit dem Land Brandenburg im Bundesrat dafür streiten, dass das Bundesbergrecht geändert wird. So sollen bei einem Bergbaufolgeschaden künftig die Tagebaubetreiber beweisen müssen, dass sie ihn nicht verursacht haben. Dr. Jana Pinka, Geowissenschaftlerin und Umweltexpertin der LINKEN, verwies auf Brandenburg, wo

sich jüngst fast alle Landtagsfraktionen für eine Schlichtungsstelle und die Beweislastumkehr ausgesprochen haben. Beides ist dringend nötig: Allein für die Lausitz gingen bei Vattenfall seit dem Jahr 2000 rund 4.000 Schadensanträge ein, die Hälfte lehnte das Unternehmen ab. Beim Bergbausanierer LMBV wurden von 4.300 Anträgen etwa 1.700 negativ beschieden. „Das Unternehmen LMBV muss dringend ermächtigt werden, Bergbaubetroffene zu entschädigen. Das fordert auch Vattenfall, das schon Unterstützung signalisiert hat. Und dass im Bundesberggesetz auch Entschädigungen für die Folgen des obertägigen Bergbaus festgeschrieben werden, sollte selbstverständlich sein“, so Pinka. Das hätte sicherlich auch Gerhard Gundermann gefallen. Er hätte übrigens auch für die erfolgte Ablehnung des Vorstoßes durch CDU und SPD die passende Liedzeile parat gehabt: „Kommt vor, dass beim Regieren einer mal vergisst/Wo die Macht mit Wurzeln festgewachsen ist“.

Bild: I, SPBer / Wikimedia Commons / CC BY-SA 3.0

Wer kriecht, kommt zwar voran – aber zu spät an Wer für ein Ziel kämpft, muss Déjà-vuErlebnisse organisieren. Ein solches ereilte viele Abgeordnete, als die Linksfraktion ein ressortübergreifendes frauen- und gleichstellungspolitisches Handlungskonzept forderte (Drucksache 6/1692). Denn die SPD-Fraktion hatte in der zurückliegenden Wahlperiode gemeinsam mit der Linksfraktion einen fast identischen Antrag eingebracht. Die SPD-Abgeordnete Liane Deicke fasste damals zusammen: „Die Staatsregierung hat auf dem Gebiet der Frauen- und Gleichstellungspolitik kein Konzept. Sie ist konzeptlos. Wenn unser Antrag abgelehnt wird, heißt das, sie will es auch bleiben“. Der Antrag wurde abgelehnt. Seitdem sind fünf Jahre vergangen, und Sachsen ist bei der Gleichberechtigung der Geschlechter kaum vorangekommen. Diese Einschätzung stammt von der Gleichstellungsministerin Petra Köpping: „Die Chancengleichheit von Frauen und Männern haben wir noch lange nicht erreicht. Dafür brauchen wir unter anderem gute Ideen zur verbesserten Vereinbarkeit von Familie und Beruf, wirksame Instrumente, um die Lohndifferenzen zwischen Frau und Mann zu beseitigen und eine Strategie

für mehr Frauen in Führungspositionen“. Das ist richtig – und ein weiterer Beleg dafür, dass es gut ist, dass anstelle der FDP nun die SPD mitregiert. So spricht der Koalitionsvertrag auch davon, dass Gleichstellung „in allen Ministerien abzubilden“ ist. Allein: Konkrete Vorhaben sind nicht genannt. Dass die CDU das blockiert, ist klar. Das Ministerium für Gleichstellung und Integration ist nicht grundlos kein eigenständiges Ressort, sondern ein ans Sozialministerium angegliedertes Referat. Die Gleichstellungsexpertin der Fraktion DIE LINKE, Sarah Buddeberg, lässt das nicht als Ausrede gelten: „Dennoch liegt die Verantwortung bei Ihnen, Frau Köpping. Wir müssen Gleichstellungsfragen ressortübergreifend denken. Gleichstellung ist Querschnittsaufgabe. Wenn wir von Zielsetzungen sprechen, meinen wir etwas anderes: konkrete Vorhaben, die spezifisch, messbar, realistisch und terminiert sind“. Die fehlen bisher. Dabei gebe es viel zu tun, was man nicht nur am geringen Frauenanteil in den Vorständen der 200 umsatzstärksten deutschen Unternehmen sehen könne. Auch in der Breite gebe es Probleme.

So werde die Berufsorientierung vor allem bei Mädchen und jungen Frauen noch immer vom traditionellen Rollendenken dominiert. Weil es weiter „frauentypische Berufe“ gebe, bestünden Lohnunterschiede fort. Die fehlende Vereinbarkeit von Familie und Beruf sei zudem mitverantwortlich dafür, dass zwar 63 % der Frauen, aber nur 8 % der Männer ihren Beruf zugunsten der Kindererziehung zeitweise oder vollständig aufgeben. So sind vor allem Frauen häufig von Altersarmut bedroht. Für Buddeberg ist klar: „Selbstverpflichtungen helfen nicht. Wenn wir etwas verändern wollen, müssen wir handeln. Im besten Fall sind alle Beteiligten für Geschlechterfragen sensibilisiert“. Bisher fühle sich aber niemand zuständig für die Querschnittsaufgabe Gleichstellung. Also forderte die Fraktion DIE LINKE von der Staatsregierung, bis Ende Februar 2016 im Dialog mit wichtigen Sozialpartnerinnen und -partnern ein Handlungskonzept zu entwickeln. Es soll vier Jahre lang gelten und die frauen- und gleichstellungspolitischen Zielsetzungen in allen Ressorts zusammenfassen. Dazu wäre eine Analyse notwendig, welche geschlechterrelevanten Unterschiede bei Partizi-

pation, Rechten, Ressourcen, Normen und Werten bestehen. Das wäre nichts anderes als die Umsetzung der Landesverfassung, deren Artikel 8 lautet: „Die Förderung der rechtlichen und tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern ist Aufgabe des Landes“. Buddeberg zitierte diesen Artikel erneut und erklärtermaßen auch auf die Gefahr hin, manche Abgeordnete zu langweilen. „Aber ich muss Ihnen sagen, das ist mir herzlich egal. Denn dieser Artikel ist nicht dazu gedacht, zwischen Artikel 7 und Artikel 9 hübsch auszusehen. Er ist dazu gedacht, ernstgenommen zu werden“. Gleichstellungspolitik müsse systematisch geplant und gesteuert werden; sie dürfe kein Anhängsel des Sozialministeriums bleiben. Die CDU wischte die Forderung erneut vom Tisch – täglich grüßt das Murmeltier! Eines aber ist neu: Auch die SPD, die damals noch richtigerweise festgestellt hatte, dass eine Ablehnung des Antrages weitere Konzeptlosigkeit bedeutet, lehnte ab. Dabei stellt sie inzwischen die Gleichstellungsministerin, der ein solches Konzept sehr helfen würde. Frei nach dem Motto: Was interessiert mich mein Gerede von gestern ... Wir bleiben dran.


Oktober 2015

PARLAMENTSREPORT

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25 Jahre Parlamentarismus:

Opposition ist nötiger denn je! Es verwundert nicht, dass die Öffentlichkeit in diesem Wende-JubiläumsHerbst mit zahlreichen Rückblicken behelligt wird. So auch bei der Landtagssitzung im Oktober, in der CDU und SPD eine Debatte zum Thema „In Freiheit und Selbstbestimmung – 25 Jahre Parlamentarismus in Sachsen“ beantragt hatten. Erwartungsgemäß gossen vor allem CDU-Abgeordnete allerlei Lobhudeleien über sich aus, und wieder einmal fiel der demokratischen Opposition die Aufgabe zu, auch die andere Seite der Medaille zu beleuchten. Denn mit der sächsischen Demokratie ist manches nicht in Ordnung. Klaus Bartl, Rechtsexperte der LINKEN und Abgeordneter seit 1990, würdigte ausdrücklich das „beachtliche Vorankommen“ des Freistaates seit der konstituierenden Sitzung des ersten Landtages 1990. „Sachsen hat in manchen gesellschaftlichen Bereichen eine Entwicklung genommen, um die uns andere beneiden, dies eingestandenermaßen auch durch und trotz Mehrheitsentscheidungen in diesem Hohen Haus, die wir, die Opposition, anders wollten“. Allerdings gebe es keinen Anlass zu reinem Jubiläumsjubel. Denn das Parlament arbeite längst nicht nach Geist und Wort der Verfassung. So gebe es keinen konstruktiven Wettstreit um die bestmögliche Gesetzgebung im Sinne der Bevölkerung. Stattdessen dominierten Parteieninteressen. „Was richtig und wahr ist, entscheidet mitnichten immer der gesunde Menschenverstand, sondern die Arithmetik parlamentarischer Mehrheitsverhältnisse“. Initiativen der Opposition hätten weiter keine Chance. Die Volksgesetzgebung per Volksantrag, Volksbegehren und Volksentscheid, laut Verfassung in ihrer Bedeutung dem Landtag gleichrangig, auch nicht. Oppositionsführer Rico Gebhardt griff die CDU scharf an und erhielt wut-

Landtagssitzung in der Dresdner Dreikönigskirche, 1. Wahlperiode. © Sächsischer Landtag/Bildermann, K.H. Schmidt

schnaubende Reaktionen. Er präsentierte 15 Feststellungen zum Zustand der Demokratie – etwa die, dass von der demokratischen Aufbruchsstimmung der Wendejahre nach 25 Jahren CDU-Herrschaft wenig bis gar nichts übrig sei. Dabei hätten „die wahren Helden und Heldinnen der friedlichen Revolution“ für Partizipation, Streitkultur und Meinungspluralismus gestritten, anstelle des Einparteiensystems mit willigen Erfüllungsgehilfen. „Bekommen haben sie und wir alle eine neue Staatspartei, die mit patriotischen Parolen, Selbstlob und Ausgrenzungen agiert“. An einer lebendigen Bürgergesellschaft zeige sie kaum Interesse, ebensowenig an kritischen Zwischentönen. So waren bei

Festwoche: 25 Jahre Fraktion 25 Jahre Landtag – das heißt auch 25 Jahre linke Opposition. Obwohl uns Selbstbeweihräucherung wesentlich ferner liegt, als es bei der Regierungsseite der Fall ist – sie schloss die linke Opposition von allen offiziellen Festakten als Akteur aus –, wollen wir den Anlass für eine Rückblende nutzen. „Es gilt, im Rückblick zu erkennen, was gewesen war, um sich zu vergewissern, was noch zu tun ist“, brachte es Rico Gebhardt auf den Punkt. Ein wichtiger Schritt ist unsere mehr als 400 Seiten umfassende Festschrift, zusammengestellt von Dr. Bernd Rump und professionell gestaltet von Carola Wähler. Sie beleuchtet 25 Jahre Linkspolitik im Landtag und kann dennoch nur einen Bruchteil dessen zeigen, was sie ausmacht. Zahlreiche Portraits, Interviews, Dokumente, Protokollauszüge und Fotografien liefern

einen spannenden Blick in die Vergangenheit. Zur Buchvorstellung kamen am 30. Oktober zahlreiche honorige Gäste, um selbstkritischen wie unterhaltsamen Ausführungen zu lauschen – unter anderem vom langjährigen Fraktionschef Prof. Dr. Peter Porsch, der langjährigen LINNKEN-Abgeordneten Andrea Roth und der langjährigen LINKEN Landtags-Vizepräsidentin Regina Schulz. Beim Festempfang, der tags darauf im Dresdener Stadtmuseum stattfand, durften wir mehr als 100 Gäste begrüßen, darunter einen der beiden Fraktionsvorsitzenden der LINKEN im Bundestag, Dr. Dietmar Bartsch. Für die musikalische Umrahmung sorgte die „Salon Swing Band“, für noch mehr Kultur das Kabarett-Duo „Breschke & Schuch“. Auf die nächsten 25 Jahre – aber nicht zwingend in Opposition!

allen offiziellen Festakten zum WendeJubiläum ausschließlich CDU-nahe Rednerinnen und Redner vorgesehen. Gebhardt: „Die sächsische CDU 2015 ist die SED hoch zwei des Jahres 1989. Damit ist auch die Frage geklärt, wer die wahre Nachfolgepartei der SED ist“. Ihre Schamlosigkeit sei grenzenlos – eine Auffassung, die Tage später erneut bestätigt wurde, als der „Spiegel“ enthüllte, dass die Staatskanzlei der CDU-nahen Adenauer-Stiftung mehrere hunderttausend Euro aus der Steuerkasse zur Aufarbeitung der Tagebücher von Kurt Biedenkopf zugeschanzt hat. Für Gebhardt ist es nicht überraschend, dass es in Sachsen immer

mehr Menschen gibt, die mit demokratischen Spielregeln nichts mehr anfangen können. Dem stimmte Klaus Bartl zu: Dass die Resonanz „zwischen Volk und Politik, zwischen den Menschen und den Volksvertretungen weithin verloren gegangen ist, trifft alle und muss uns alle gleichermaßen herausfordern“. Die Fraktion forderte einen Neustart – auch durch niedrigere Hürden für die Volksgesetzgebung. Doch nicht nur das, so Gebhardt: „Wer die Früchte des Mauerfalls durch neue Mauern schützen will, wird das nicht schaffen. Wir müssen die sozialen Mauern einreißen“. Im Vorausblick ist also klar, was zu tun ist, damit die nächsten 25 Jahre der sächsischen Demokratie besser bekommen als die zurückliegenden.

11. Sorbentag in Calau Der 11. Sorbische Tag der Landtags-Linksfraktionen von Brandenburg und Sachsen fand am 9. Oktober in Calau statt. Seit über einem Jahrzehnt organisieren die beiden Fraktionen abwechselnd alljährlich diese Veranstaltungen und bringen damit neben der Unterstützung für das sorbische Volk den politischen Willen zur grenzübergreifenden Förderung der Lausitz zum Ausdruck. Landes- und Kommunalpolitiker diskutierten mit Vertretern der Sorben, unter ihnen die Domowina, ihr Regionalverband Niederlausitz und der Rat für sorbische Angelegenheiten beim brandenburgischen Landtag. Der Bürgermeister von Calau, Werner Suchner, stellte in Aussicht, dass die Stadt den Beitritt

zum sorbischen Siedlungsgebiet beantragen werde. Im Laufe der Beratung widmeten sich die Anwesenden der sorbischsprachigen bzw. bilingualen Bildung in beiden Bundesländern, der praktischen Umsetzung des neuen brandenburgischen Sorbengesetzes und Übergriffen auf Sorben. Der Vorsitzende der Domowina, David Statnik, begrüßte die Aussage der Staatssekretärin des Finanzministeriums in Brandenburg, Daniela Trochowski (DIE LINKE), dass das neue Finanzierungsabkommen für die Stiftung für das sorbische Volk von Brandenburg, Sachsen und dem Bund bald unterschrieben und damit die Finanzierung sorbischer Belange mit größerer Sicherheit erfolgen werde.


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PARLAMENTSREPORT

Oktober 2015

„10 Jahre Hartz IV – Jobwunder oder Armutsfalle?“

Plenarspiegel Oktober 2015 Die 21. und 22. Sitzung des 6. Sächsischen Landtages fanden am 7. und 8. Oktober 2015 statt. Die Fraktion DIE LINKE war mit folgenden parlamentarischen Initiativen vertreten: Aktuelle Debatte „VW-Desaster – Auswirkungen für Beschäftigte im Automobil-Cluster Sachsen rechtzeitig abwenden“ Anträge – „Ressortübergreifendes frauenund gleichstellungspolitisches Handlungskonzept für den Freistaat Sachsen vorlegen!“ (Drs 6/1692) – „Einrichtung einer gemeinsamen unabhängigen Schlichtungsstelle Bergschaden Braunkohletagebau der Länder Brandenburg und Sachsen“ (Drs 6/2687)

Unter diesem Motto führte die Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag am 10. Oktober in Zwickau die 8. Armutskonferenz durch. Als Gäste durften wir Prof. Dr. Klaus Dörre von der Universität Jena, Rechtsanwältin Silke Brewig-Lange aus Chemnitz und Dr. Rudolf Martens von der Forschungsstelle des PARITÄTISCHEN begrüßen. Als zuständige Fachpolitiker waren auch Susanne Schaper, Sprecherin für Sozialpolitik, Horst Wehner, Sprecher für SeniorInnenpolitik, sowie Janina Pfau, Sprecherin für Verbraucherschutz, anwesend. Neben Vertreterinnen und Vertretern der verschiedenen Sozialverbände waren viele KommunalpolitikerInnen der Einladung gefolgt. Sie alle diskutierten anlässlich des 10. Jahrestages der Hartz-Gesetzgebung vor allem eine Frage: Ist Hartz IV ein Jobwunder oder eine Armutsfalle? Die Teilnehmer waren sich einig, dass die Gesetze für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt – kurz „Hartz I-IV“ genannt – eine Zäsur in der deutschen Arbeitsmarktpolitik darstellen: das Ende des Wohlfahrtsstaates. Beschönigend wird nach wie vor vom „Übergang von der aktiven zur aktivierenden Arbeitsmarktpolitik“ und der „Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit“ gesprochen. Gemeint sind Lohndumping und der Ausbau des Niedriglohnsektors. Die Liberalisierung des Arbeitsmarktes durch Leiharbeit, Befristungen, Scheinselbstständigkeit, Werkverträge, Minijobs und Tarifflucht ging einher mit der Stigmatisierung vieler Menschen, führte zu weit verbreiteten Abstiegsängsten sowie zu Erscheinungen des

sozialen Zerfalls der Gesellschaft. Die Bilanz von Hartz IV ist besorgniserregend. Nach wie vor lebt fast ein Fünftel der Menschen in Sachsen unterhalb der Armutsgrenze, bei Kindern mehr als ein Viertel. Altersarmut wird sich in absehbarer Zeit dramatisch verschärfen. Für den gegenwärtigen Aufschwung der sächsischen Wirtschaft sind nicht die Hartz-IV-Regelungen, sondern vielmehr geänderte gesamtwirtschaftliche Rahmenbedingungen sowie Konjunkturprogramme verantwortlich. Demgegenüber profitieren die Bezieherinnen und Bezieher von Arbeitslosengeld II und weiterer Sozialleistungen nicht von diesem vorübergehenden wirtschaftlichen Aufschwung. Langzeitarbeitslose, vor allem Jugendliche und Schwerbehinderte, sollten durch ein sächsisches Beschäftigungsprogramm nach thüringischem Vorbild sowie durch die Aktivierung des zweiten Arbeitsmarktes gefördert werden, anstatt sie mit Sanktionen zu belegen. Der Regelsatz für langzeitarbeitslose Einzelpersonen und Partner in Bedarfsgemeinschaften muss in einem ersten Schritt auf monatlich mindestens 500 Euro angehoben werden, für Kinder soll ein eigener Regelsatz gelten.

Auch die Nationale Armutskonferenz, ein Bündnis von Organisationen, Verbänden und Initiativen, die sich für eine aktive Politik der Armutsbekämpfung einsetzen, befasste sich jüngst mit dem Jubiläum von Hartz IV. Ein ausführlicher Bericht zur Armutskonferenz findet sich unter www.horstwehner.de

Die Teilnehmer stimmten überein: Hartz IV muss weg. Hartz IV ist Armut per Gesetz! Der Alternativvorschlag der LINKEN, eine bedarfsorientierte Grundsicherung, die ohne Androhung von Sanktionen für alle gelten soll, sowie die Vorschläge zu einer aktiven Arbeitsmarktpolitik für Langzeitarbeitslose sollen auf weiteren Beratungen mit Experten und Betroffenen diskutiert werden.

Treffen der Fraktion DIE LINKE mit Bürgerinitiativen zum Thema „Verkehrslärm bekämpfen, Lärmschutz ausbauen – Handlungsmöglichkeiten auf Landesebene“

Sammeldrucksache 6/2667 – darin enthalten sind die Anträge der Fraktion DIE LINKE

Dienstag, 17. November 2015 – Kamenz Dienstag, 24. November – Borna Mittwoch, 2. Dezember 2015 – Chemnitz Mittwoch, 9. Dezember 2015 – Röhrsdorf/Dohna

28. November, 10 Uhr; Dresden, Gewerkschaftshaus, Schützenplatz 1 Wohnungspolitische Konferenz „Die neue soziale Dimension des Wohnens“

Infos unter www.linksfraktionsachsen.de/index. php?section=calendar

– „Überprüfung der amtsangemessenen Besoldung der Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte im Freistaat Sachsen nach den Maßstäben des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Mai 2015 – Besoldungsrechts-Evaluierungsbericht Sachsen vorlegen!“ (Drs 6/1691)

www.linksfraktion-sachsen.de

Regionaltour der Fraktion DIE LINKE für „Ein besseres Schulgesetz in Sachsen“

Dresden, Gewerkschaftshaus, Schützenplatz 1

– „Leiharbeit in Sachsen wirksam begrenzen!“ (Drs 6/1097)

Drucksachen (Drs) und Rede­ beiträge unter

Termine

Samstag, 21. November 2015, 10.00 – ca. 16.00 Uhr

– „Impfquote im Freistaat Sachsen erhöhen“ (Drs 6/1036)

– „Umsetzung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) im Freistaat Sachsen“ (Drs 6/1694)

Horst Wehner, MdL Susanne Schaper, MdL

Impressum Annekatrin Klepsch geht – wer kommt? Personalwechsel in der Fraktion DIE LINKE: Annekatrin Klepsch, seit 2009 Abgeordnete der Fraktion und zuletzt zuständig für Kinder- und Jugendpolitik sowie für Wissenschaft und Hochschulen, legt mit Wirkung zum 31. Oktober 2015 ihr Mandat nieder. Hintergrund ist ihre Wahl zur Bürgermeisterin für Kultur und Tourismus der Landeshauptstadt Dresden. Die auf vielen Feldern engagierte 38-jährige Kulturwissenschaftle-

rin wird uns fehlen – wir bleiben ihr aber eng verbunden. Der Landeswahlleiter wird nun mögliche Nachrückerinnen und Nachrücker in der Reihenfolge der Landesliste anschreiben, die sich dann entscheiden müssen, ob sie das Mandat annehmen. Wer nue in unsere Fraktion kommen wird, war bei Redaktionsschluss noch unklar. Wir werden rechtzeitig informieren.

Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag Bernhard-von-Lindenau-Platz 1 01067 Dresden Telefon: 0351/493-5800 Telefax: 0351/493-5460 E-Mail: linksfraktion@slt.sachsen.de www.linksfraktion-sachsen.de V.i.S.d.P.: Marcel Braumann Redaktion: Kevin Reißig


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