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Mary Clapp

ENERGIEBÜNDEL. KEMPTENER FROHNATUR. LINE DANCE QUEEN.

Mary Clapp ist stadtbekannt. Trifft man die WahlKemptenerin, erkennt man sie entweder an ihrer quirligen, einnehmenden Art oder schlichtweg am Cowboyhut. Mit 73 Jahren ist ihr Kalender immer noch randvoll; sie gibt Line Dance-, Englisch- und Schachkurse, organisiert Tanzveranstaltungen und legt als DJane im Altstadthaus auf. Sie findet es überhaupt nicht notwendig, einen Gang herunterzuschalten – warum auch, das alles hält sie jung und fit. Im Interview erzählt uns Mary, wie sie ihre Leidenschaft für Line Dance entdeckte und welches Event sie als nächstes plant.

Dein Dialekt ist eine Mischung aus dem Ruhrgebiet und Amerika, liege ich da richtig?

Eigentlich komme ich aus dem Rheinland. Mit meinem Mann Bill habe ich insgesamt 30 Jahre lang in den USA gelebt; wir sprechen nur Englisch miteinander. Da er Amerikaner ist, mussten wir lange zwischen den Ländern hin- und herswitchen. Im Jahr 1995 sind wir dann ins Allgäu gezogen. Den kölschen Humor und Dialekt kann und will ich aber nicht ablegen.

Wie bist du zu Line Dance gekommen?

Meine Schwägerin hat es mir vor 40 Jahren beigebracht. In den USA habe ich jeden Sonntag Line-Dance-Kurse mit bis zu 500 Tänzern gegeben. Die mochten, wie präzise ich lehre und wie geduldig ich bin. Als wir dann ins Allgäu gezogen sind, habe ich angefangen, im Altstadthaus Kurse anzubieten. Unter Line Dance konnte sich allerdings niemand etwas vorstellen; als wir es Square Dance nannten, kamen welche. Ich kann auch noch alle Standardtänze, sogar Rock `n` Roll; mit Mitte 50 habe ich mich auch noch durch die Luft schmeißen lassen. Jetzt aber lieber nicht mehr, dafür bin ich zu alt. Allerdings fühle ich mich sonst für nichts zu alt. Zwar habe ich im Moment die Rippen angeknackst, aber mit einem Gürtel drumherum geht das Tanzen trotzdem.

Was ist der Unterschied zwischen Line und Square Dance?

Beim Square Dance tanzen die Leute in Vierergruppen im Quadrat und ein ‚Caller‘, also ein Zurufer, schreit zwischendrin, was sie zu tun haben. Beim Line Dance ist jeder für sich selbst verantwortlich. Man lernt den Tanz und los gehts! Eine Altersgrenze gibt es nicht. Meine Leute sind mit mir jung geblieben. Meine älteste Line Dancerin ist 89. Meine jüngste ist 44.

Finden die Kurse im Altstadthaus noch statt?

Ja, jeden Dienstag im Mehrgenerationenhaus und mittwochs im Altstadthaus. Bei mir muss man keinen Kurs buchen, man kommt einfach vorbei, wenn man Lust hat. Ohne Zwang oder Druck. Ich nehme für die Kurse keinen Jahresbeitrag, nur einen kleinen Obolus für die Räumlichkeiten, that´s it. Mit den Fortgeschrittenen trainiere ich donnerstags in dem St. Ulrich Pfarrsaal; wir hatten dieses Jahr auch wieder einen Auftritt auf der Stadtparkbühne der Festwoche.

Gibst du die Kurse gemeinsam mit deinem Mann?

(lacht) Nee, der mag kein Line Dance. Der lässt mich schalten und walten, besorgt mir meine Musik, aber Line Dance ist nicht seins.

Im Jahr 2011 hast du einen Weltrekord aufgestellt, erzähl mal!

Yes. Ich habe ein Jahr lang im Umkreis von 200 Kilometern Line Dancer akquiriert und gelehrt. Über 800 Leute haben sich angemeldet, am Ende waren aber nur 586 mutig genug, beim Weltrekord teilzunehmen. Über 2.000 Zuschauer waren damals in der bigBox dabei. Der Rekord ist mittlerweile ganz oft überholt worden. Ich will aber auch keinen neuen aufstellen, ich weiß nicht, ob ich die Energie noch einmal aufbringen könnte. Ich habe viel über E-Mails gesteuert; nach dem Weltrekord brach aber so eine Flut an Nachrichten auf mich ein, dass ich einfach alles abgeschaltet habe. Das ist bis heute so. Ich habe nicht mal ein Smartphone.

ICH WILL FREUDE BEREITEN. MIR IST EGAL, WIE DIE FREUDE AUSSIEHT. OB SIE ÜBER ODER MIT MIR LACHEN. LASS SIE DOCH, HAUPTSACHE SIE HABEN WAS ZU LACHEN.

Du organisierst auch Flashmobs. Wann fand der letzte statt?

Am 01. Juli haben circa 100 Leute aus dem ganzen Allgäu gemeinsam Line Dance getanzt. Wir machen das einmal im Jahr. Ich fang an zu tanzen und die anderen steigen ein. In ihrer Alltagskleidung, mit Wanderschuhen und Rucksack oder mit Einkaufstaschen bepackt, das ergibt ein lustiges Bild. Drei Wochen vorher gebe ich Bescheid; die Reaktion ist immer die Gleiche: ‚Wenn Mary ruft, dann kommen wir‘. Erst vor der bigBox, dann in der Fußgängerzone vor dem Thalia; da sagt das Ordnungsamt immer: ‚Mary, du weißt, um halb kommt der Bus, dann müsst ihr weiterziehen‘. Aber wir haben es auch schon erlebt, dass der Bus einfach stehen geblieben ist und der Busfahrer zugeschaut hat. Dann geht es in die Fischerstraße und der Rathausplatz ist die letzte Station.

Trotz des vollen Kalenders, was machst du noch alles?

Der Markus vom Altstadthaus kam mal auf mich zu und hat mich gefragt: ‚Mary, magst du hier mal als DJane Musik auflegen?‘ Habe ich noch nie gemacht, aber einfach versucht. Da kam sogar das Fernsehen und hat mich gefilmt, wie ich mit 68 Jahren AC/DCs ‚Highway to Hell‘ aufgelegt habe. Das war lustig. Ich gebe auch den Kurs ‚Englisch lernen im Schlaf‘. Hier müssen die Teilnehmer Filme oder Songs übersetzen. Sie lernen bei mir eine spezielle Technik, mit der sie über das Unterbewusstsein leichter lernen. Und dann noch ‚Schach lernen mit Mary‘. Strategien kenne ich zwar nicht, aber die Grundregeln kann ich gut beibringen. Immer donnerstags im Altstadthaus von 16:00 bis 17:00 Uhr.

Mir gefällt dein Cowboyhut!

Yes, ich habe ganz viele Farben. Auch aus Massachusetts und Texas; dort haben wir gelebt. Mir fehlen die USA sehr. Aber die Firma, in der mein Mann gearbeitet hat, brauchte irgendwann jemanden, der ständig in Europa bleibt. Und da Bill als einziger eine deutsche Frau hatte, war klar, wer gehen muss.

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