LUX E M B U R G S R E I S E MAGAZ I N
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Entdecken Sie die Perle der ÄgÄis
E D I TO R IAL
Nichts entwickelt die Intelligenz wie das Reisen Émile Zola
Herzlich willkommen zur Sommerausgabe von REESEN, Ihrem Fenster zur Welt und Luxemburgs einzigem Reisemagazin. Mit jedem Umblättern einer Seite entfaltet sich eine neue Landschaft, eine neue Kultur, eine neue Erfahrung – unser Ziel ist es, Ihre Reiselust zu wecken und Sie auf interessante Entdeckungstouren mitzunehmen. Von den malerischen Weinbergen des Rheingaus bis zur lebendigen Kultur und Geschichte Singapurs, vom pulsierenden Leben Kopenhagens bis zur bezaubernden Ruhe Siebenbürgens, von den idyllischen Stränden von Biarritz und Pescara bis hin zu den fernen und exotischen Ecken der Welt wie Vietnam und Marokko – unsere Sommerausgabe hält eine Fülle von Inspirationen für Sie bereit. Jedes dieser Reiseziele – ob unentdeckte Juwelen in der näheren Umgebung oder Destinationen, die das Fernweh in uns wecken – bietet eine bunte Palette an Erlebnissen, einzigartige Geschichten und Erfahrungen. Wir hoffen, dass sie in Ihnen das Verlangen entfachen, Ihre Koffer zu packen und sich auf den Weg zu machen. Dabei dürfen wir natürlich Luxemburg, unser geliebtes Zuhause, nicht verges-
sen – ein Ort voller Schönheit und Charme, der nur darauf wartet, erneut entdeckt zu werden. Aber bei REESEN geht es uns nicht nur darum, wunderschöne Landschaften und Städte zu präsentieren, sondern auch darum, zu verstehen, wie Reisen uns als Menschen formen kann. Wie es unsere Perspektiven erweitert, uns tolerant und offen gegenüber Neuem macht und wie es letztendlich zu einem besseren Verständnis zwischen den Völkern der Welt beiträgt. Wir möchten uns bei Ihnen bedanken, unseren treuen Lesern, für Ihre fortwährende Unterstützung und Ihr Interesse an REESEN. Es ist Ihre Neugierde und Ihr Wunsch, mehr über die Welt zu erfahren, die uns motivieren, weiterhin die inspirierendsten Reisegeschichten für Sie zusammenzustellen. Also nehmen Sie Platz, machen Sie es sich gemütlich und begleiten Sie uns auf dieser sommerlichen Reise durch die Seiten unseres Magazins. Wir hoffen, dass Sie die Lektüre genauso genießen werden, wie wir die Zusammenstellung dieser Ausgabe genossen haben. Gute Reise und einen schönen Sommer!
Bibi Wintersdorf Chefredakteurin & Herausgeberin
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BÜCHER LU X E M B U R G RHEINGAU OBERNAI BIARRITZ PESCARA KO P E N H AG E N T R A U M H OT E LS B O S N I E N - H E RZE G OW I N A SIEBENBÜRGEN G R A N A DA A N DA LU S I E N TRENDS M A R O K KO KARIBIK VIETNAM FIDSCHI SINGAPUR
B Ü C H E R
Paola Bacchia
Marianne von Waldenfels
Birte C. Sebastian
Istrien: Das Herz der Adria
Zu Gast an der Ostsee
Berlin for Women only
Willkommen zu einer kulinarischen Reise auf die istrische Halbinsel – einem kulinarischen Schmelztiegel mit historischen Einflüssen aus Kroatien, Italien, Slowenien, Österreich und Ungarn. Istrien mag heute zwar in Kroatien liegen, doch vor allem auf den Esstischen der Einheimischen zeigt sich, welch großen kulinarischen Einfluss die Nachbarländer Italien und Slowenien hier noch immer haben. Paola Bacchia hat hier ihre Wurzeln und macht sich mit diesem Kochbuch auf die Reise ihrer Vorfahren. In ihrem wunderschönen Kochbuch präsentiert sie traditionelle Rezepte von Meeresfrüchten, Risotto, Suppen, Pasta, Gemüseeintöpfen bis hin zu frischen Salaten welche die kulinarische und kulturelle Vielfalt Istriens gut widerspiegeln. Dazwischen erzählt Bacchia die berührende Geschichte ihrer Familie und davon, dass Essen keine Grenzen kennt.
Mehr als nur ein Erholungsort. Die Ostsee ist eines der beliebtesten Reiseziele Deutschlands und das nicht ohne Grund. Malerische Landschaften, zauberhafte Architektur und eine so ehrliche und gute Küche, wie man sie nur selten findet. Dieses Buch zeigt die besten Restaurants und Cafés, deren Betreiber und Köche ihre Lieblingsrezepte und persönlichen Geschichten mit uns teilen. Es nimmt uns mit auf eine Reise zu versteckten Boutiquen, einheimischen Manufakturen und besonderen Orten. Geschmückt mit lustigen, kuriosen und spannenden Anekdoten der Einheimischen ist dieses Buch nicht nur Kochbuch und Reiseführer, sondern eine ganz persönliche Liebeserklärung an die Ostsee.
Die beliebteste Metropole Europas ganz neu für Frauen entdeckt. „Berlin for Women only“ porträtiert inspirierende Berlinerinnen und deren Erfolgsgeschichten. Darüber hinaus findet man hier aktuelle Tipps für mode- und stilbewusste Frauen zu den Themen Design, Mode, Food und Musik. Die Autorin verrät persönliche Highlights wie Cafés und Clubs, Boutiquen und Ateliers u.v.m. „Spontan und lebendig, trotzig, politisch und fordernd, feministisch und schlagfertig“, so beschreibt Birte C. Sebastian ihre Wahlheimat Berlin. Sie traf u. a. Bloggerin Veronika Heilbrunner, Schmuckdesignerin Sabrina Dehoff und DJane Paulina Schulz. Die „For Women only“-Reihe ist somit mehr als eine Sammlung außergewöhnlicher Stadtführer: Sie initiiert Begegnungen von Frauen mit Frauen – an den für sie schönsten Orten ihrer Stadt.
272 Seiten Verlag Ars vivendi ISBN 978-3-7472-0456-6
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208 Seiten Verlag Callwey ISBN 978-3-7667-2640-7
208 Seiten Verlag Brandstätter ISBN 978-3-7106-0288-7
LICK
UNSERE
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LUX E M B U R G
Lazy Gardening: Das blühende Leben Text Joscha Remus
Lazy Gardening, also das faule Gärtnern, ist mittlerweile zu einem schönen Trend geworden, der wieder Wildkräuter, Schmetterlinge und Bienen in unsere Gärten und Landschaften bringt. Die Kampagne „Méi net am Mee“ des Naturpark Our unterstützt diese neue Kunst des gezielten Verwilderns.
Zum Thema Schmetterlinge lassen sich die Naturparks in Luxemburg immer wieder verblüffende Wanderungen, Exkursionen und Naturbeobachtungen einfallen. Da bietet der Natur- & Geopark Mëllerdall eine Schmetterlingswanderung an. Durch das abwechslungsreiche Gelände und das ausgeprägte Mikroklima auf der Hëlt in Rosport bekommen die Teilnehmer vor allem an den von der Sonne verwöhnten Südhängen und Weinbauflächen zarte Hauhechel-Bläulinge zu Gesicht – die in Luxemburg am meisten vorkommende Art. Entlang einer
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Hecke flattern Aurorafalter und Zitronenfalter. Bei der Entdeckungsreise „Fliegende Juwelen, die bunte Welt der Tagfalter“ staunt man im Naturpark Our über die Farbenpracht der blauschimmernden Feuerfalter, Perlmuttfalter und Tagpfauenaugen. Verwilderung ist charmant und nützlich Die Falter, aber auch die Wildbienen und Hummeln sind für die Bestäubung unentbehrlich. Wer Vielfalt achtet und Versiegelung minimiert, schafft dabei Nektarund Naschgärten vor allem für
LUX E M B U R G Schwebfliegen sind Luftkünstler, die fliegend auf der Stelle verharren können.
OBEN
Die Sense feiert im Naturpark Our wieder eine Renaissance. Die Handhabung kann man in Workshops erlernen.
UNTEN
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LUX E M B U R G
Blühstreifen und Hecken sind wichtige InsektenOasen für unsere Kulturlandschaften. © Raymond Clement
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LUX E M B U R G LINKS Hübsche Nachtfalter sind, ganz anders als der Name vermuten lässt, auch tagsüber in Sachen Nektar unterwegs.
Eine Hummel als Bestäuberin einer Mohnblüte.
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© Raymond Clement
die ganz kleinen Pflanzenpfleger. Lazy Gardening und die gezielte Verwilderung sind aus diesem Grund charmante ökologische Trends, die nicht nur die Natur und ihre Bestäuber, sondern natürlich auch uns als Besucher der Gärten und Naturparks mal wieder tüchtig durch- und aufatmen lassen. Die neue Lässigkeit Der Naturpark Our unterstützt diese pflanzenschonende Umweltpflege durch Sensenkurse und die Aktion „Blumme fir Bestëbser“, also Blumen für Bestäuber. Wer sich auf den Weg macht, um die gärtnerische und landschaftspflegende Lässigkeit im Naturpark Our einmal in Augenschein zu nehmen, wird ganz nebenbei auch die Schönheit des Klangwanderwegs in Hoscheid und die dort entstandene Pflanzenpracht entdecken. Eine neue Entspanntheit kehrt also in den Naturpark Our ein. Wie lässig es dabei zugeht, zeigt sich auch in der Getränkeversorgung für die Besucher im Dorf Unterschlinder. Denn die finden die frisch gefüllte Getränkekiste ganz entspannt und praktisch in der Schlënner vor, dem kühlenden Bach des Dorfes. Luxemburger Natur- und Sommerträume: Einfach lässig & genial. insekten.lu
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LUX E M B U R G
Route 8 Mertert → Stafelter 98,8 km
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LUX E M B U R G
Durch die Mitte des Landes Text & Fotos Ed Goedert
Von Mertert zum Stafelter - das ist wohl die abwechslungsreichste Tour in meinem Buch. Zuerst geht es nach Mertert, dann durch das Syrtal nach Manternach, Lellig und Mompach. Und wer war schon in Boursdorf? Weiter geht es in die Abteistadt Echternach, durch das Müllerthal und vorbei am verträumten, versteckten Schloss Meysemburg.
In Mertert verlassen wir die N1 in Richtung Manternach. Diese schöne Strecke führt uns durch das Syrtal. Auf kurvigen Straßen fahren wir durch üppige Natur und sanfte Landschaften. In Manternach biegen wir rechts ab nach Lellig und fahren dann über eine schmale Straße nach Mompach. Wiesen und Weiden, soweit das Auge reicht, markieren diesen Streckenabschnitt. Von Mompach aus geht es weiter nach Boursdorf, ein kleines Bauerndorf, das wohl den wenigsten bekannt ist. Wir fahren über eine kleine Anhöhe und schon erblicken wir Dickweiler und − gleich darauf − Osweiler. Nun kommt eine meiner Lieblingsstrecken, von Osweiler nach
Echternach über den Roudenhaff. Die kurvenreiche Straße führt uns hinab ins Tal der Sauer zur alten Abteistadt. Das Fahrzeug abstellen und sich Zeit nehmen, sei es für einen kurzen Rundgang um den Echternacher See oder einen Spaziergang durch die schöne, kleine Stadt. Hier werden für mich viele Erinnerungen wach, denn von 1964 bis 1970 besuchte ich dort das klassische Lyzeum. Als Schüler sind wir im Sportunterricht über all die Wege und Straßen (z. B. zum Ernzerberg oder in die Wollefsschlucht) gelaufen, die ich heute mit Auto oder Motorrad befahre. Aus Echternach heraus bringt uns eine steile Straße zum Melickshaff, von wo wir durch satte Wiesen
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LUX E M B U R G
nach Berdorf fahren. In dieser Gegend kommen die Liebhaber der Felsenkletterei auf ihre Kosten. Unser Weg führt uns jetzt an den Klassikern der „Kleinen Luxemburger Schweiz“ vorbei: Berdorf, Vugelsmillen und Befort. Die Strecke führt durch beeindruckende Felsen aus Luxemburger Sandstein, die diese ganze Gegend prägen. In Befort sollte man sich unbedingt das Schloss ansehen, das jeden Besucher beeindruckt. Vielleicht auch eine Flasche des dort produzierten Cassero kaufen, einen beliebten Likör aus schwarzen Johannisbeeren. Genießen Sie ihn abends, wenn Sie nicht mehr fahren müssen. Von Befort geht es wieder ins Sauertal nach Dillingen, wo wir die Richtung nach Diekirch einschlagen. Nach ein paar Kilometern biegen wir links ab nach Bigelbach. Wir befinden wir uns jetzt auf einer der wenigen schlecht unterhaltenen Straßen unseres Landes. Aber vor Bigelbach werden wir durch eine prachtvolle Aussicht belohnt: unser Blick erstreckt sich bis weit hinein nach Deutschland, auf Wallendorf bis hin zum Härebierg über Diekirch. Bigelbach selbst ist ein
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kleines, schön gelegenes Bauerndorf. Bis Eppeldorf schlängelt sich die schmale Straße zwischen Wiesen und Weiden hindurch und belohnt uns immer wieder mit schönen Aussichten. Das Tal der Weißen Ernz Wir gelangen jetzt ins Tal der Weißen Ernz bei der Hessemillen. In dieser Mühle hatte mein Freund und früherer Nachbar, Norbert Ketter, seine letzte Fotoausstellung, ehe er uns für immer verließ. Jedes Mal, wenn ich hier vorbeifahre, denke ich an ihn und an die schönen Momente mit ihm. Bei einem Glas Wein diskutierten wir über seine Schwarz-Weiß-Fotos aus Finnland, während im Hintergrund Musik von Sibelius lief ... Wir folgen der Weißen Ernz bis nach Reisdorf, wo sie in die Sauer mündet. Es gibt eine Weiße und eine Schwarze Ernz. In der Primärschule merkten wir uns die beiden Mündungen immer so: die Weiße Ernz in Reisdorf (Reis − weiß) und die Schwarze Ernz in Grundhof (Grund − schwarz). Eine mächtige Baumallee steht Spalier bis Moestroff, von wo wir am Schloss vorbei bis zum Hierzenhaff
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LUX E M B U R G
fahren. Eine sehr schmale Straße bringt uns zum Schroedeschhaff und nach Folkendange, einem Dorf mit vier Häusern und einer Kapelle. Wenn man Richtung Stegen blickt, erkennt man auf der rechten Seite noch künstlich angelegte Hügel in den Wiesen. Sie sind die Überreste der Motocross-Strecke, wo der letzte Grand Prix de Luxembourg 500 cc gefahren wurde. Von Stegen führt unsere abwechslungsreiche Route über Schrondweiler und Oberglabach nach Angelsberg. Von dort geht es nach Meysemburg. Beim Anblick des wunderschönen Schlosses denkt man unweigerlich an Grimms Märchen. Fast erwartet man, Rapunzel zu sehen, die ihr goldenes Haar aus dem Turm hängen lässt ... Nach Angelsberg zurück gelangen wir durch eine der beeindruckendsten Baumalleen des Landes. Typisch Luxemburg Wir kommen nach Schoos und Schloss Fischbach, einer der Residenzen der großherzoglichen Familie, und fahren weiter über Weier und Altlinster nach Luxemburg. Besonders schön sind in diesem Teilstück die sanften, grünen Hügel, der Grünewald und die schönen Ortschaften. Unsere Tour endet mitten im Wald an der Kreuzung Stafelter. Diese Tour von etwa 100 km Länge erlaubt es, vieles zu sehen und zu erfahren, was für Luxemburg typisch ist: die Flusslandschaften der Mosel, Sauer und Weißen Ernz, das Müllerthal mit seinen beeindruckenden Felsen, die dichten Wälder und die Kulturlandschaft, die durch Ackerbau geprägt ist mit ihren Feldern, Weiden und schönen Dörfern.
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R H E I N GAU
Von Schatzkammern und Kunstkellern Text Susanne Freitag
Best Practice im Rheingau: Innovative Winzer mit Torschussqualität, kulinarischen Konzepten und einem Sinn für Kunst.
Es gibt Landstriche, denen Mutter Natur ihre besondere Gunst erwiesen hat. Der Rheingau zählt zweifelsohne dazu. Nur ein paar Kilometer von Wiesbaden entfernt im Südwesten Hessens lockt eines der besten Weinanbaugebiete Deutschlands, und Besucher haben die Qual der Wahl zwischen 600 Gütern, von denen einige auf eine lange Geschichte zurückblicken. Verstaubt sind sie deswegen aber noch lange nicht – im Gegenteil: Mit innovativen Ideen ist es den Winzern gelungen, einen Bogen in die heutige Zeit zu schlagen und die Weintradition auch einem jüngeren Publikum näherzubringen. 1:0 für das Weingut Josef Spreitzer Eines davon ist das Weingut Josef Spreitzer in Oestrich. Die Brü-
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der Andreas und Bernd Spreitzer führen das Weingut seit 1997 gemeinsam, in der 13. Generation, und verstehen es gekonnt, Tradition und Moderne zu verbinden. Optisch zeigt sich das bereits bei der Anfahrt mit einer eindrucksvollen, denkmalgeschützten Jugendstilvilla mit barocken Elementen zur Linken und der modernen Vinothek zur Rechten. Die Tradition des Weinguts geht bis in das Jahr 1641 zurück, und tief im alten Gewölbekeller von 1743 lagern die edelsten Tropfen in der „Schatzkammer“, zu der nur wenige Personen Zutritt haben. 2.500 Flaschen Riesling sind es insgesamt, darunter einige aus dem Jahr 1933. Das Spreitzer-typische Etikett ziert eine goldene Silhouette der sanften Hänge des Rheingau-
R H E I N GAU Mitarbeiter in der Weinlounge 1141 im Draiser Hof.
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© Mediahsots
Das Weingut Josef Spreitzer in Oestrich.
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© Weingut Josef Spreitzer
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R H E I N GAU
Teamwork: Bernd und Andreas Spreitzer im historischen Gewölbekeller.
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© Weingut Josef Spreitzer
UNTEN LINKS Die moderne Vinothek im Weingut Josef Spreitzer.
© Weingut Josef Spreitzer
Joshua Josef und Andreas Spreitzer (v.l.) vor dem „Terroirbild“ von Michael Apitz in der Vinothek.
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© Susanne Freitag
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R H E I N GAU gebirges – entworfen von dem Künstler Michael Apitz aus Walluf. Er kreiert auch die Etiketten des Eintracht Frankfurt Rieslings, eine fortlaufende Serie mit Karikaturen berühmter Spieler des Frankfurter Fußballclubs (SGE). „2020 haben wir angefangen mit Konterfeis der Legendenspieler, mittlerweile gibt es diese von Uwe Bein, Bernd Hölzenbein, Jürgen Grabowski, Alex Meier, Alex Schur und Charly Körbel“, erklärt Andreas Spreitzer. Der Inhalt ist ein eleganter, fruchtbetonter Riesling mit Aromen von Weinbergpfirsich und tropischen Früchten. Die Frage nach dem Lieblingsclub der Spreitzers erübrigt sich fast: „Nur die SGE“, lacht er. Spreitzers Liebe zum Fußball teilen offenbar auch viele andere Rheingauer Winzer. Gemeinsam gründeten sie vor 18 Jahren die „Weinelf“, die Deutsche Fußball-Nationalmannschaft der Winzer, die 2014 mit einem 3:2 gegen Ungarn Europameister in der Schweiz wurde und 2019 ein Unentschieden gegen die Nationalmannschaft des Vatikans erspielte. Spreitzer ist Teammanager, seinen Platz im EM-Kader hat mittlerweile der älteste Sohn Joshua Josef eingenommen – der bereits als 14. Generation im Weingut arbeitet. Zur Feier „30 Jahre Deutsche Wiedervereinigung“ 2020 kreierte das Weingut Spreitzer mit dem Weingut Pawis aus dem Anbaugebiet Saale-Unstrut, die beide dem Verband Deutscher Prädikatsweingüter (VDP) angehören,
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R H E I N GAU
einen gemeinsamen Jubiläumswein. Auch das Etikett des „Einheitweins“ stammt von Apitz. Es zeigt einen abstrakten Weinberg in den Nationalfarben und ist eine Miniatur seines großformatigen Werks „Einheit Wein und Gemälde“, das im August 2020 in der Hessischen Landesvertretung in Berlin öffentlich präsentiert wurde. In der eleganten, 140 Quadratmeter großen Vinothek fällt der Blick auf das großformatige „Terroirbild“ von Apitz. Es zeigt die wichtigsten Weinbergslagen mit den Hauptmerkmalen der jeweiligen Böden. Während der Rheingauer Schlemmerwochen Ende April und an den Tagen der offenen Weinkeller im Herbst ist die Vinothek mit Naturholzofen ein beliebter Treffpunkt für Besucher von nah und fern. Romantik mit Effizienz auf dem Draiser Hof Seit 2015 weht ein frischer Wind auf dem Draiser Hof in E . Frederik Freiherr zu Knyp-hausen hat das Unternehmen in achter Generation übernommen und die vorher getrennten Betriebe Hotel und Weingut wieder zusammengeführt. Sein oberstes Ziel ist, diese in der Familie zu halten und weiterzuentwickeln. „Romantik braucht auch Effizienz“, weiß der ehemalige Kaufmann, der beim Frankfurter Bankhaus Metzler und einem internationalen Industriekonzern in Hamburg tätig war. Standesdünkel und Stillstand sind bei ihm fehl am Platz. „Bei uns kehren alle
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den Hof“, so zu Knyp-hausen. Viel Energie steckt er dagegen in Projekte, die den Besuchern ein „echtes Weinerlebnis“ bieten sollen. Der Draiser Hof bietet zwei gastronomische Konzepte: In der Weinbar 1818 können die Besucher das ganze Jahr über leckere Bistrogerichte in stylischem Ambiente genießen und das Weinsortiment probieren. Die Weinlounge 1141 im Gutspark ist der Ort für entspannte Stunden mit Familie und Freunden. Jedes Jahr im Juli lädt das Weingut außerdem zum Musikfestival „Heimspiel“ ein, das seit 2005 unter Federführung von Frederiks Bruder, dem Sänger und Songschreiber Gisbert, ausgetragen wird. Daneben ist der Draiser Hof im Sommer eine der Spielstätten des Rheingau Musik Festivals – eines der größten Musikfestivals Europas, das dieses Jahr vom 24. Juni bis zum 2. September stattfindet. Weitere Veranstaltungen sind etwa „Afterwork Sekt-Yoga“ auf der Gutswiese und winterliche BBQ-Wine-Workshops im Hof. Übernachten können die Teilnehmer im kleinen Gutshotel mit neun individuell eingerichteten Zimmern sowie einem kleinen „Teichhaus“ im Park. Kunst im Keller der Weingut Georg Müller Stiftung In einer kleinen Gasse des beschaulichen Rheingauer Örtchens Hattenheim liegt ein ganz besonderes Juwel verborgen: Das Weingut Georg Müller Stif-
R H E I N GAU OBEN Das Weingut Baron Knyphausen im Draiser Hof in Eltville-Erbach.
© zu Knyphausen
UNTEN Winzer der 8. Generation: Frederik Freiherr zu Knyphausen.
© zu Knyphausen
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R H E I N GAU
Farbige Skulptur von Sofi Žezmer im Kunstkeller. © Susanne Freitag
Die Familie Winter: Daniel Winter, Elvira, Peter und Katharina. © NN Fotografie
tung. Peter Winter hat das ehemalige Weingut 2003 übernommen und führt es gemeinsam mit seinem Sohn Daniel und der Tochter Katharina. Daniels Spezialgebiet ist der An- und Verkauf von Raritäten. „Bei unzähligen Weinproben mit meiner Familie, Freunden und auf Weiterbildungen habe ich edle Gewächse kennen und schätzen gelernt“, berichtet er. In der „Schatzkammer“ des über 260 Jahre alten Weinkellers herrschen perfekte
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Lagerbedingungen, der älteste Wein stammt aus dem Jahr 1967. Das Weingut hat aber auch noch eine ganz andere Schatzkammer zu bieten: Über eine Treppe in der Vinothek gelangen die Besucher hinab in den Kunstkeller der Galerie Winter. Auf rund 1.400 Quadratmetern erwartet den Besucher zeitgenössische Kunst mit Installationen, Lichtobjekten, Malerei und Skulpturen international bekannter Künstler aus Portugal, USA, Japan, Korea und Deutsch-
land. Bei der Schlenderweinprobe durch den Kunstkeller erzählt Winter interessante Hintergrundgeschichten zu den Künstlern und ihren Werken. Der Keller ist außerdem eine beliebte Location für Events wie Firmenfeiern oder Hochzeiten. Katharina Winter bietet Yoga-Sessions mit Weinprobe im Weingewölbekeller an, und an den Schatzkammerabenden dreht sich mehrmals im Jahr alles um Raritäten oder spezielle Lagenweine.
R H E I N GAU
Breviarium
50° N 8° O
RHEINGAU-TAUNUS
www.rheingau.com
Wiesbaden Eltville-Erbach Hattenheim Oestrich
Unbedingt Während der Tage der offenen Weinkeller im September und der Schlemmerwochen Ende April/ Anfang Mai kann man von Weingut zu Weingut wandern oder radeln und in den „Straußwirtschaften“ edle Tropfen und leckere regionale Gerichte probieren.
Bloß nicht In jedem Ort gibt es mindestens einen Weinprobierstand, an dem die verschiedenen Weingüter im wöchentlichen Wechsel ihre Weine ausschenken. Überall gilt: Bloß kein „Achtel Wein“ bestellen! Im Rheingau heißt das „Piffchen“.
Geheimtipp Während der Schlemmerwochen und ab dem 1. September lohnt ein Besuch des Revoluzzer Gartenhauses in den Weinbergen von Hallgarten. Wo der Demokrat und Freiheitskämpfer Adam von Itzstein vor 200 Jahren mit dem Hallgartener Kreis die erste Nationalversammlung von 1848 vorbereitete, können Besucher heute die Weine des Weinguts Bibo Runge und einen tollen Blick www.bibo-runge-wein.de über den Rheingau genießen.
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O B E R NAI
Dream-Team: Maxime Wucher, seine Schwester Marie Wucher und ihr Mann Cyril Bonnard leiten das Le Parc in vierter Generation.
OBEN
Trotz Erweiterung und Modernisierung hat das Haus seinen elsässischen Charme behalten.
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Text Bibi Wintersdorf
O B E R NAI
Le Parc: Renaissance im Elsass Fotos Nis&For
In den sanften Hügeln des Elsass, unweit von Straßburg, liegt ein Juwel der Gastlichkeit – das Vier-Sterne-Hotel Le Parc in Obernai. Es ist ein Haus, das in den letzten Jahrzehnten eine beeindruckende Transformation durchlaufen hat, ein kulinarisches und entspannendes Refugium, das von einer neuen Generation revitalisiert wurde und meinen jüngsten Besuch zu einem unvergesslichen Erlebnis machte.
Meine letzte Erinnerung an das Le Parc stammt aus den 1990er-Jahren. Damals war es vor allem die exzellente Küche, die mich hinzog, das winzige Spa des Hotels war kaum nennenswert. Heute liegen die Geschicke des Hotels in den Händen einer neuen, dynamischen Generation. Die Geschwister Maxime und Marie Wucher, deren angeborene Leidenschaft für Gastfreundschaft sich in jedem Winkel des Hauses widerspiegelt, haben das Haus von ihrem Vater übernommen und führen es in vierter Generation. Ihr Vater war ein Visionär, der seine Kinder zum Studieren und Arbeiten ins Ausland schickte und Ihnen völlige Freiheit bei der Wahl ihres Berufes ließ. Eine Rechnung,
die vollkommen aufging, denn beide kehrten nach Lehr- und Wanderjahren mit einer soliden Ausbildung und reich an Erfahrung zurück ins heimische Hotel, um seine Nachfolge anzutreten. Es ist offensichtlich, dass ihre innovativen Ideen und ihre Liebe zum Detail dem Haus neues Leben eingehaucht haben, ohne dabei seine geschichtsträchtige Vergangenheit aus den Augen zu verlieren. Vor allem Maxime Wucher hat dem Hotel eine neue Dynamik verliehen, indem er mit dem Yonaguni Spa ein außergewöhnliches Spa-Erlebnis geschaffen hat, das mit einer Investition von 11 Millionen Euro eines der ehrgeizigsten Projekte für familiengeführte, unabhängige Ho-
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O B E R NAI
OBEN LINKS Frische Kost für SpaBesucher in der Yuzu-Bar.
Die Ruheräume lassen keine Wünsche offen.
OBEN RECHTS
tels in Frankreich ist. Die Investition hat sich gelohnt, denn das Spa hat in kürzester Zeit mehrere Auszeichnungen bei den World Luxury Spa Awards gewonnen: Best Unique Experience Spa, Best Luxury Country Spa, Best Day Spa ... Dies gibt Ihnen eine Vorstellung davon, was Sie erwarten können. Maxime Wucher ließ sich für das Yonaguni Spa von seinen Reisen und Entdeckungen inspirieren. Die Legende der Unterwasserruinen von Yonaguni im Ryukyu-Archipel im Südosten Japans hat ihn wesentlich bei seinen Überlegungen geleitet und dem Spa letztlich auch seinen Namen gegeben. Nach mehr als vier Jahren der Recherche und Konzeptfindung wurde das Yonaguni Spa mit Hilfe der Architekten Constans und Siegrist nach den Ideen von Maxime Wucher entworfen. Es befindet sich in einem neuen Gebäude, gleich neben dem Hotel. Auf einer Fläche von 3.500 m², davon 2.500 m² reine Wellnessfläche, entfaltet sich ein Labyrinth aus Wasserinstallationen und verschiedenen Räumen. Der Badbereich allein, der sich über zehn sensorische Universen erstreckt,
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nimmt 330 m² ein und schafft eine einzigartige Atmosphäre. Man bewegt sich durch Wasserstraßen, taucht in unterirdische Räume ein und begegnet über 100 Wasserspielen. Das Yonaguni Spa ist ein architektonisches Meisterwerk, eine überwältigende Hommage an die harmonische Verschmelzung von Natur und Architektur. Zusätzlich zu diesen Wasserinstallationen bietet das Yonaguni Spa noch eine Panorama-Sauna, eine Schwarze Sauna, Hammam, Türkisches Bad, Schneehöhle und Erlebnisduschen mit duftenden Wasserfällen. Ruheräume wie die Spa-Bibliothek, Cocooning-Alkoven und ein Himalaya-Zimmer mit Wasserbetten runden das Angebot ab. Kleine Anmerkung am Rande für Saunafans: die Franzosen, die mehrheitlich die Gäste des Spas ausmachen, gehen im Badeanzug in die Sauna … Das Yonaguni Spa steht sowohl Hotelgästen als auch externen Tagesgästen zur Verfügung. Die Yuzu Bar, ein Restaurant für SpaGäste, rundet das Spa-Erlebnis mit einem exotischen Buffet ab, das live vor den Augen der Gäste zubereitet wird.
O B E R NAI Das von Maxime Wucher erdachte Wasserlabyrinth ist absolut einmalig.
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O B E R NAI
Relaxen im Aussenbecken oder im Infinitypool, der an das Wasserlabyrinth angrenzt.
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O B E R NAI Das gastronomische Restaurant im Le Parc.
RECHTS
© Bibi Wintersdorf
LINKS Das weltbeste Schokoladensoufflé von Marie Wucher ...
© Bibi Wintersdorf
Die Restaurants des Le Parc werden von Chefkoch Cyril Bonnard und seiner Ehefrau Marie Wucher geleitet. Die beiden bringen ihre Erfahrung aus renommierten Restaurants von überall auf der Welt mit. Cyril Bonnard ist bekannt für seine kreative Herangehensweise an die französische Küche, bei der er klassische Techniken mit modernen Aromen und Zutaten kombiniert. Marie Wucher ist eine wahre Patisseriekünstlerin und ihre Desserts sind echte Kunstwerke. Ausgebildet wurde sie an einigen der besten Kochschulen Frankreichs, darunter die renommierte Ecole Nationale Supérieure de Pâtisserie. Maries Leidenschaft für die Patisserie zeigt sich in jedem ihrer
Gerichte, und ihre Desserts sind zum Niederknien. Das Schokoladensoufflé ist das beste, das ich je genossen habe! Diese moderne, zeitgenössische Küche, die exquisite Auswahl an regionalen Spezialitäten und fein abgestimmten Aromen haben mich erneut begeistert. Von der gehobenen Küche des „Le Restaurant“ über das üppige Frühstück im nach dem elsässischen Künstler Tomi Ungerer benannten Frühstücksraum „Tomi“ bis zur „La Stub“, wo Sie traditionelle Spezialitäten probieren können, Sie werden auf keinen Fall enttäuscht! Ich jedenfalls war restlos begeistert von meinem erneuten Besuch im Le Parc. Es war wie das Wiedersehen mit einem alten
Freund, der sich im Laufe der Jahre weiterentwickelt hat, ohne seine Essenz zu verlieren. Das Hotel Le Parc ist nicht nur ein Ort für Genießer und Wellnessliebhaber. Es ist ein Ort, der seine Gäste einlädt, die elsässische Lebensart zu entdecken. Ob man einen Ausflug in die malerischen Weinberge unternimmt, die wunderschöne Altstadt von Obernai erkundet oder einfach nur im Spa oder in den eleganten Zimmern und Suiten des Hotels entspannt und sich im Restaurant kulinarisch verwöhnen lässt – das Le Parc ist ein Ort, der ein Gefühl des Willkommenseins vermittelt. www.leparchotel.fr
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B IAR R I TZ
Biarritz – Von der Kühnheit geküsst Text Sarah Braun
Wellenreiten vor traumhafter Kulisse: Seit Mitte des 19. Jahrhunderts zieht Biarritz die Brettsportfans magisch an und hat sich einen Namen als europäische Surf-Hauptstadt gemacht. Doch das ist längst nicht alles, was die Stadt zu bieten hat. Biarritz nahm seinen Anfang als Walfänger-Dorf und entwickelte sich unter Kaiserin Eugénie zur Thermalstadt weiter. Das eklektische, erhabene Architekturerbe zeugt von der reichen Geschichte der Stadt.
Victor Hugo verfiel bei seinem ersten Besuch in Biarritz dem Charme der wilden, rohen und ungezähmten Schönheit der Landschaften, der gischtumspülten Felsen, der Dünen und ausgedehnten Heidelandschaften. Allerdings befürchtete der Schriftsteller, dass die Stadt „in Mode kommen“ und somit ihren Charme und ihr Feuer einbüßen würde. In diesem Jahr, 1843, hatte Biarritz ihren Wandel gerade erst begonnen. Schon bald sollte ein wahrer Hype über die Destination einbrechen, der bis heute andauert.
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Das Fischerdorf Biarritz lebte ab dem 12. Jahrhundert vom Walfang. Als die Meeressäuger in der Mitte des 17. Jahrhunderts ausgerottet waren, musste sich die Stadt neu erfinden und machte sich die Schönheit des Ozeans zunutze. Baden im Meer galt zu jener Zeit als Heilmittel für diverse Leiden – eine perfekte Gelegenheit also, um auf diesen Zug aufzuspringen. Ab 1784 fand Meeresbaden massenhaft Anklang. Die Geschichte hätte hier enden können und Biarritz wäre ein kleines Hafenstädt-
B IAR R I TZ Biarritz ist für seine Mischung aus verschiedenen architektonischen Stilen bekannt. Der Geograf Roger Brunet bezeichnet die Stadt als „ein Museum des Badekitschs“.
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Die Stadt Biarritz hat eine vier Kilometer lange Küste und sechs Strände.
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B IAR R I TZ
Die Grande Plage zwischen dem Hôtel du Palais und dem Rocher du Basta, überragt vom Hortensienhügel, ist der Hauptstrand von Biarritz.
OBEN
Die Kirche Sainte-Eugénie trägt den Namen der Heiligen Eugénie, Schutzpatronin von Kaiserin Eugénie de Montijo, Ehefrau von Napoleon III. Sie ist aus grauem Stein erbaut und überragt den Port Vieux.
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chen geblieben, das vor allem bei spanischen Urlaubsgästen hoch in der Gunst stand. Nur befand sich unter diesen Gästen eine gewisse Eugénie de Montijo, die gebürtig aus Granada stammte und oft mit Mutter und Schwester Badeurlaube in Biarritz verbrachte. Man erzählt sich, sie sei eine unerschrockene Schwimmerin gewesen. So soll sie im Juli 1850 fast ertrunken sein, als eine Strömung sie hinaus aufs Meer zog. Die junge Frau konnte jedoch von zwei Basken gerettet werden. Beirren ließ sie sich von diesem Vorfall aber keineswegs. Sie schenkte dem Badeort auch weiterhin ihre grenzenlose Liebe. Als sie Napoleon III. heiratete und Kaiserin Eugénie wurde, wählte sie Biarritz als Sommerurlaubsort. Im Sommer 1854 kaufte sich das Paar ein Grundstück, auf dem schon bald die Villa Eugénie, der Sommerwohnsitz des Kaiserpaares, gebaut werden sollte. Ein Feuer, das in der Nacht des 1. Februar 1903 im Dachgeschoss der Villa ausbrach, zerstörte dieses architektonische Schmuckstück. Innerhalb von nur drei Stunden hatten sich die Flammen durch das gesamte Gebäude gefressen. Im sel-
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Bis zum 17. Jahrhundert war Biarritz ein Fischerdorf. Heute werden zwar keine Wale mehr gejagt, aber es wird immer noch geangelt!
ben Jahr wurde die Ruine der Villa Eugénie von Alfred Boulant gekauft, der bereits zwei Kasinos in der Stadt besaß. Er ließ das Hôtel du Palais errichten, das heute zur Hyatt-Gruppe gehört. Dank der Gegenwart des kaiserlichen Ehepaares wurde Biarritz bei der High Society zur angesagten Destination. So kam 1865 beispielsweise Bismarck hierher, um ein Übereinkommen in der französischen und russischen Politik herbeizuführen, das den Weg für den internationalen Tourismus ebnen sollte. Seitdem thront eine orthodoxe Kirche stolz unweit des Grande Plage. Es folgte ein unglaubliches urbanes Wachstum: Badeinfrastrukturen, Strandpromenaden, Luxushotels und vor allem Villen wurden gebaut. Nur die Crampottes, die typischen Fischerhäuser der Stadt, erinnern noch an die bescheidene Vergangenheit. Einige von ihnen sind erhalten geblieben und wurden zu Bars und Restaurants in Strandnähe umgebaut. Eins der imposantesten Gebäude ist hingegen die ikonische Villa Belza, ein Werk des Architekten Alphonse Bertrand. Mit ihrem rechteckigen Grundriss und
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Der Leuchtturm von Biarritz (1834 erbaut) überragt mit seinen 73 m das Kap Hainsart. Um ganz nach oben zu gelangen, müssen Sie die 248 Stufen hinaufsteigen.
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Die Villa Belza wurde zwischen 1880 und 1895 erbaut und ist für ihren neogotischen Stil bekannt. Eduard VIII. verbrachte hier gerne seine Abende, als die Villa von ihrem Besitzer Gregory Beliankin, dem Schwager von Igor Strawinsky, in „Le Château Basque“ umbenannt wurde.
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dem neomittelalterlichen Bergfried überblickt sie majestätisch und stolz den Ozean. Um dieses traumhafte Bauwerk ranken sich Geschichten und Legenden – es ist fast so bekannt wie der Leuchtturm von Biarritz mit seinen 248 Stufen. Auch der Jugendstil fand später seinen Platz im architektonischen Gefüge von Biarritz: Das Casino Bellevue und die Villa Cyrano sind dafür zwei wunderbare Beispiele. Die disruptiven Villen „Marrakech“ und „Casablanca“, 1922 von
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Guillaume Tronchet errichtet, bezaubern ihrerseits mit maurischem Flair. Beide wurden von großen Namen der Modewelt bewohnt: So zeichnete Jean Patou in der Villa Casablanca seine Zwischensaison-Kollektionen und Paul Poiret kreierte seine ersten korsettlosen Kleider mit hoher Taille in der Villa Marrakech. Patou und Poiret sind jedoch längst nicht die einzigen Modeschöpfer, die sich von Biarritz inspirieren ließen. Coco Chanel, die von der sportlichen und piekfeinen Atmosphäre der
Stadt begeistert war, eröffnete hier 1915 ihre dritte Boutique sowie ein Atelier mit 60 Schneiderinnen. Die Boutique ist zwar seitdem umgezogen, besteht aber immer noch. Hals über Kopf verliebt in die Stadt war auch Jeanne Lanvin: Im Hôtel Regina zeichnete sie ihren ersten Einteiler-Badeanzug. Kühnheit war also schon immer eins der Aushängeschilder von Biarritz – lange bevor Peter Viertel das erste Surfbrett aus Kalifornien in die Stadt importierte ... Aber das ist eine andere Geschichte!
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1 Biarritz Forever Kultig und streng limitiert: Die Kollektion der Marke Biarritz Forever ist nur in der Boutique des Hôtel Silhouette erhältlich. „Locals only“-Must-Haves.
2 Bookstore Biarritz Dort, wo sich die Chanel-Boutique befand, ist heute eine der schönsten Buchhandlungen Frankreichs. Sie wurde 1970 eröffnet und besticht mit britischer Architektur und jeder Menge Charme.
3 Centro Biarritz Der „Place to be“! Wein, Cocktails, Köstlichkeiten und das alles in lässigem Ambiente. Hier lässt sich auch hervorragend das Tanzbein schwingen.
4 AHPÉ Restaurant Dieses neue Restaurant (Bib im Guide Michelin) verführt seine Kunden dank seines „außergewöhnlichen, sympathischen und kompetenten Küchenchefs“.
5 Hôtel de Silhouette In der Nähe der Markthallen gelegen, verzaubert dieses Hotel mit seiner Ästhetik, seiner Lage und seinem Brunch – den man auch als Auswärtiger genießen kann!
6 Villa Magnan Gönnen Sie sich einen traumhaften Aufenthalt in dieser prunkvollen Villa. Ein ganz besonderer Geheimtipp.
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Blick über die Stadt Pescara und ihren Hafen.
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Sonnenuntergang an der Strandpromenade.
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Pescara, Eingangstor der Abruzzen Text Corie Bratter
An der italienischen Adriaküste bieten Pescara und seine Region ein Urlaubserlebnis der besonderen Art. Wer auf der Suche nach einem sonnigen Reiseziel ist, das Meer, Kultur, Geschichte und Natur miteinander vereint, ist hier genau richtig. Pescara wird oft als Eingangstor einer verkannten, aber faszinierenden Region bezeichnet: den Abruzzen.
Diese bezaubernde Destination steht oft im Schatten seiner berühmten Nachbarn, hat jedoch anspruchsvollen Reisenden, die das authentische Italien kennenlernen wollen, viel zu bieten. Makellose Sandstrände, steile Berge, historische Dörfer und köstliche Gerichte: Die Provinz Pescara ist ein verstecktes Juwel, das es zu entdecken gilt. Wir stellen Ihnen die Sehenswürdigkeiten, Aktivitäten und Geheimtipps vor, die eine Reise nach Pescara zu einem unvergesslichen Erlebnis machen.
Pescara: Strände und Spaziergänge Beginnen Sie Ihren Aufenthalt in Pescara. Wie wäre es mit einem Ausflug zu den feinen Sandstränden, die sich mehrere Kilometer lang an der Adriaküste erstrecken? Genießen Sie die Sonne, entspannen Sie sich auf einem Liegestuhl und wagen Sie einen Sprung ins kristallklare kühle Nass. Auf der „Lungomare“, der Strandpromenade in Pescara, ist immer etwas los. Ob zu Fuß oder mit dem Fahrrad: Tauchen Sie ein in die Atmosphäre dieses Badeorts und lassen Sie
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OBEN LINKS Das Dorf San Vito Chietino ist bekannt für seine schönen Fischerhütten.
© Antonina Orlando
UNTEN LINKS Die authentische Küche der Region: Arrosticini vom Grill.
Ein Besuch in der historischen Stadt Chieti mit ihren mittelalterlichen Häusern ist Pflicht.
UNTEN IN DER MITTE
© Walter Trabucco
sich bei einem Spaziergang entlang der Sandküste vom Panoramablick über das Adriatische Meer begeistern. Statten Sie auch dem Museum für Moderne Kunst Vittoria Colonna einen Besuch ab, wo Sie eine beeindruckende Sammlung zeitgenössischer Kunstwerke bestaunen können. Wer sich für Geschichte interessiert, ist im Museum des Volkes der Abruzzen richtig, in dem sich alles um die Kultur und Traditionen dieser Region dreht. Naturliebhaber können das städtische Treiben hinter sich lassen und in der Pineta Dannunziana auf Entdeckungstour gehen. Dieser Pinienwald bietet in unmittelbarer Nähe der Stadt einen ruhigen Zufluchtsort. Auch auf und am Fluss Pescara sind zahlreiche Aktivitäten möglich wie Kajak, Standup-Paddle und Fahrradtouren entlang der malerischen Flussufer. Abruzzische Küche Die Provinz Pescara ist für ihre köstliche, authentische Küche bekannt. Wir empfehlen „Arrosticini“ (Grillspieße mit Lammfleisch) oder „Maccheroni alla chitarra“ (handgemachte Nudeln, die mit mehreren schmackhaften Saucen serviert werden). Kehren Sie in lokalen Trattorias und Restaurants ein und lernen Sie die Vielfalt der frischen, regionalen Produkte kennen, darunter Schafskäse, Trüffel und Wein.
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© Antonio Petrongolo
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Probieren Sie unbedingt den Wein aus den Abruzzen.
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Ein Möwenschwarm am Torre di Cerrano in der Provinz Teramo am frühen Morgen.
UNTEN RECHTS
© Antonina Orlando
Historische Städte Historische Städte, die mit Kultur und Kulturerbe bestechen, gibt es in der Provinz Pescara zuhauf. Eine kurze Autofahrt von der Stadt Pescara entfernt liegt Chieti, das für sein Kulturerbe bekannt ist. Besuchen Sie das Archäologische Nationalmuseum der Abruzzen, in dem eine beeindruckende Sammlung von Artefakten einen Einblick in die antike Vergangenheit der Region gibt. Auch die majestätische Kathedrale von Chieti gehört zum
Pflichtprogramm. Dieses außergewöhnliche Beispiel für romanische Architektur thront über den engen Gassen der Altstadt, die von mittelalterlichen Gebäuden und malerischen Cafés gesäumt werden. Für einen kleinen Vorgeschmack auf die örtlichen Spezialitäten machen Sie sich auf Richtung Enoteca Regionale d’Abruzzo, wo Sie exquisite Weine und traditionelle Gerichte mit lokalen Zutaten kosten können. Ein Ausflug nach Chieti wäre nicht komplett ohne einen Besuch
auf dem Wochenmarkt, der mit frischen Produkten, lokalem Kunsthandwerk und Straßenkunst lockt. Francavilla al Mare Nur wenige Autominuten nördlich der Stadt Pescara liegt die idyllische Küstenstadt Francavilla al Mare. Sonnenanbeter und WassersportFans kommen an diesem Ort, der für seine makellosen Sandstrände und sein kristallklares Wasser bekannt ist, gewiss auf ihre Kosten. Machen Sie es sich an den sonnigen
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P E S CARA LINKS Die Kirche Santa Maria della Pietà mit dem Gran Sasso im Hintergrund.
© Walter Trabucco
Ufern gemütlich oder versuchen Sie sich in diversen Freizeitaktivitäten wie Segeln, Windsurfen oder Schnorcheln. Statten Sie der Torre del Cerrano, einem alten Wachturm, einen Besuch ab, von dem aus Sie einen atemberaubenden Blick über die Küste genießen. Bei der Besichtigung erfahren Sie zudem mehr über die Geschichte der Stadt. Anschließend bummeln Sie durch die engen Gassen der Altstadt, die mit pastellfarbenen Gebäuden und geschäftigen Plätzen zum Verweilen einlädt. Und vergessen Sie nicht, einen kulinarischen Zwischenstopp in einem der Strandrestaurants einzulegen, die Meeresfrüchte, fangfrischen Fisch und regionale Spezialitäten auftischen.
Barrea mit dem gleichnamigen See, der 1951 durch den Staudamm des Sangro-Flusses gebildet wurde und zur Stromerzeugung genutzt wird.
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© Di Donato Arianna
Atri Lust auf eine Zeitreise? Dann nichts wie los nach Atri. Diese auf einem Hügel gelegene Stadt wird Sie mit ihrer Geschichte in ihren Bann ziehen. Schlendern Sie durch die mittelalterlichen Straßen, die von eleganten Stadtpalais, Kirchen und charmanten Kunsthandwerksläden gesäumt werden. Besichtigen Sie die Kathedrale Santa Maria Assunta, ein architektonisches Meisterwerk mit einer bemerkenswerten Fensterrose und beeindruckenden Fresken. Der Renaissance-Palast Palazzo Ducale ist ebenfalls einen Besuch wert. Lassen Sie sich von der umfassenden Sammlung von Kunstwerken und der Architektur des Gebäudes verzaubern. Die fas-
zinierende Höhle Grotte di Stiffe, die sich ganz in der Nähe befindet und mit Stalagmiten und Stalagtiten aufwartet, wird das Herz aller Naturliebhaber erobern. Nehmen Sie an einer Führung teil und erfahren Sie mehr über die Entstehung dieser Höhlen sowie die Legenden, die sie umgeben. Sulmona Sulmona liegt in der Provinz L’Aquila, ist jedoch problemlos von Pescara aus zu erreichen. Diese charmante Stadt ist für ihr vielfältiges Kulturerbe und sein traditionelles Kunsthandwerk bekannt. Bummeln Sie über elegante Plätze, durch enge Gassen und bewundern Sie die gut erhaltenen mittel-
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OBEN LINKS Die Fontana Luminosa erwacht nachts durch Lichtspiele zum Leben.
© Antonio Faricelli
alterlichen Gebäude. Auf keinen Fall sollten Sie sich den beeindruckenden Aquädukt von Sulmona entgehen lassen, ein Meisterwerk der romanischen Baukunst. Sulmona ist für seine glasierten Mandeln („Confetti“) bekannt. Werfen Sie bei einem lokalen Produzenten einen Blick hinter die Kulissen und erfahren Sie alles über die Herstellung dieser in vielen Geschmacksrichtungen erhältlichen Dragées. Um mehr über die Geschichte der Stadt zu erfahren, bietet sich eine Stippvisite im Museo Civico an. Natur und Berge Die Provinz Pescara ist auch mit Naturlandschaften gesegnet, deren Schönheit ihresgleichen sucht. Nationalpark Abruzzen Eine Wanderung durch die wilde Natur des Nationalparks Abruzzen ist für Outdoor-Fans ein wahres Muss. Dieses riesige Naturschutzgebiet besticht mit einer vielfältigen Flora und Fauna, darunter der majestätische Apenninwolf und der unergründliche Marsische Braunbär. Begeben Sie sich auf dem weitläufigen Wanderwegenetz auf Erkundungstour, das Sie durch romantische Wälder und hin zu still daliegenden Seen und atemberaubenden Bergpanoramen führt. Wenn Sie Lust auf eine einzigartige Begegnung mit der lokalen Tierwelt haben, dann schließen Sie sich einer geführten Wanderung an. Ein kundiger Führer hilft Ihnen, seltene Tierarten zu sichten und gibt Ihnen einen Einblick in die Schutzarbeit des Parks. Besuchern, die vollkom-
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men in die Natur eintauchen wollen, stehen Campingeinrichtungen zur Verfügung. Verbringen Sie die Nacht unter freiem Himmel und lassen Sie sich von den Klängen der wilden Natur wecken. In der Nähe von Sulmona lädt zudem der wunderbare Majella-Nationalpark zu einem Besuch ein. Dieser Park ist ein Paradies für Wanderer und Naturliebhaber und bietet zahlreiche Wanderwege durch verblüffende Landschaften mit dichten Wäldern, beeindruckenden Gipfeln und Wasserfällen. Zudem beheimatet der Park eine abwechslungsreiche Tier- und Pflanzenwelt. Unter anderen sind Apennin-Gämsen und Königsadler hier zu Hause. Pescara und seine Provinz bieten sehenswerte Naturlandschaften im Überfluss, eine aufregende Geschichte und authentische italienische Erlebnisse. Vom lebendigen Pescara hin zu den charmanten Städten und malerischen Landschaften im Umland kommt in dieser zauberhaften Destination jeder auf seine Kosten. Ob Sie sich am Strand entspannen, einen Urlaub im Zeichen von Geschichte und Kulturerbe verbringen oder die wilde, geschützte Natur erkunden möchten: Pescara und seine Region werden all Ihre Sinne begeistern und für unvergessliche Erinnerungen sorgen. Also packen Sie Ihre Taschen und begeben Sie sich auf eine Reise zu den versteckten Schätzen von Pescara, der Stadt, in der die Adria auf zerklüftete Berge trifft und wo altehrwürdige Traditionen sich harmonisch mit modernen Köstlichkeiten vereinen. Gute Reise!
P E S CARA OBEN RECHTS Die Schönheit der Landschaft um den ScannoSee ist atemberaubend.
© Francesco Liberatore
UNTEN LINKS Das Tal der Hundert Wasserfällen mit Blick auf die schneebedeckten Bergen.
© Angelo Di Pilla
Die Wälder des Majella-Nationalparks sind ein Paradies für Wanderer und Naturliebhaber.
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© Milena Falcone
Seit März 2023 bietet Luxair zwei Direktflüge pro Woche nach Pescara an!
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Eine Ode an den Kaufmannshafen Text Marc Dostert
Kontrastreicher geht es kaum. Prunkvolle Schlösser treffen auf hochmoderne Architektur. Grünes Denken auf freien Lebensstil. Streetfood auf Sterneküche. Willkommen in Kopenhagen.
Die coolste Stadt Europas. Vorausgesetzt, es herrschen gerade hochsommerliche 22 Grad und man hat jemanden wie Salomonsen. Salomonsen wirkte anfangs etwas schwerfällig, konnte ungemütlich werden, war ab und zu auch anstrengend und redete kein einziges Wort. Dennoch war er in dieser Großstadt, auf die die Beschreibung Dorfmetropole viel besser zuträfe, ein steter Begleiter, der sich als unverzichtbar erwies. Dänemarks Hauptstadt hieß früher Køpmannæhafn. Im Jahr 1043 … Ich schweife ab. Dies ist eine Ode, keine Geschichtsstunde. Vielleicht etwas Politik, mal sehen. Die nordeuropäische Hafenstadt kommt mit einer ungeheuren Vielfältigkeit da-
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her und bietet so einiges. Eine autonome, (fast) ohne Gesetze lebende Hippie-Kommune, eine Skipiste samt Kletterwand auf dem Dach einer Müllverbrennungsanlage, ein schöner Strand mit Blick auf den ewigen Klassenbesten Schweden, ein mit Blumenbeeten und Springbrunnen geschmückter Vergnügungspark, etliche saubere Wasserkanäle, die gerne als sehr kühle Abkühlung genutzt werden, ein riesiger, täglich geöffneter Bio-StreetfoodMarkt, prachtvolle, königliche Paläste, die sich an klares, dänisches Design reihen, eine Kunst- und Kulturszene, die den internationalen Vergleich nicht zu scheuen braucht, und ganz nebenbei noch die besten Restaurants der Welt.
KO P E N HAG E N Das Wasserschloss Frederiksborg liegt auf drei kleinen Inseln in Hillerød.
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© Daniel Rasmussen
Dänisches Design: funktional, minimalistisch und nachhaltig.
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© Daniel Rasmussen
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Fußgänger- und Fahrradbrücken prägen das Stadtbild Kopenhagens.
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© Daniel Rasmussen
UNTEN LINKS Die Cirkelbroen (Kreisbrücke) verbindet seit 2015 zwei Viertel miteinander.
© Astrid Maria Rasmussen
Etliche Grünanlagen und Parks laden zum Spazieren ein.
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© Astrid Maria Rasmussen
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KO P E N HAG E N Kein Wunder also, dass Kopenhagen bereits mehrfach zur lebenswertesten Stadt der Erde gekürt wurde. Das hat aber vor allem damit zu tun, dass ihr gesamtes Konzept darauf ausgelegt ist, funktional zu sein. Stichwort dänisches Design, man denke an windgeschützte Badeplätze oder strategisch gut platzierte Hafenbusse. Ihre hiesige, moderne Architektur kommt vor allem seinen Bewohnern zugute und wurde ihrem Alltag präzise zugeschneidert. Die rund um die Uhr, pünktlich abfahrende fahrerlose U-Bahn sowie das hunderte Kilometer lange, klar von potenziell gefährlichen, motorisierten Pendlern abgetrennte Radwegnetz ergänzen die perfektionistische Symbiose von Nutzen und Brauchen. Ohne Salomonsen geht nichts In der Welthauptstadt der Radler verkehren seit 2016 täglich mehr Fahrräder als Autos. Damals wie heute aber nicht etwa der Umwelt zuliebe, nein, sondern weil man ganz einfach viel schneller an sein Ziel kommt. Bereits vor über 50 Jahren erkannte die Politik Vorteile einer solchen Stadtplanung: der Infrastruktur-Ausbau ist um einiges billiger; die Umweltverschmutzung geringer, was letztlich auch deren Bekämpfungskosten senkt; Fahrradfahrer sind allgemein gesünder oder, besser gesagt, seltener krank, belasten die staatliche Krankenkasse somit weniger.
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Auf sanfte Mobilität zu setzen, entpuppt sich als ein äußerst gerissener Schachzug, wobei die sehr flache Geologie der Insel Seeland, auf der Kopenhagen errichtet wurde, einer solchen Strategie natürlich in die Karten spielt. Teuer, aber sexy Die liberale und nachhaltige Stadt ist nicht gerade günstig, vor allem, wenn man in den Genuss gehobener Gastronomie kommen möchte. Den Charme der dort herrschenden Hygge – das dänische Lebensgefühl und Rezept für Glück – beeinflusst dies jedoch kaum. Hygge bedeutet so viel wie eine gemütliche, gesellige Atmosphäre. Wäre ich eine Stadt, würde ich mir wünschen, Kopenhagen zu sein. Würden dort ganzjährig angenehme Temperaturen herrschen, würde ich hinziehen, mir eine mit eigenem Kajak-Steg ausgestattete Wohnung gönnen, täglich ein gut belegtes Smørrebrød verzehren und meinen Salomonsen wahrscheinlich Svenson nennen, weil ich es nicht besser weiß und es nordisch klingt. Salomonsen war der Name meines Fahrrads. Hier haben Fahrräder Namen. Ziemlich cool.
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OBEN LINKS Ein Springbrunnen aus Marokko oder eine Skulptur aus Japan: der Superkilen-Park strahlt Vielfältigkeit aus.
© Astrid Maria Rasmussen
Der Karen-Blixens-Platz ist einer der größten öffentlichen Plätze Dänemarks. Unter seinen „Hügeln“ befinden sich 2.000 Fahrradstellplätze.
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© Astrid Maria Rasmussen
Sind sie zu kalt, bist du zu schwach: Die sauberen Wasserkanäle werden im Sommer vor allem von Einheimischen genutzt.
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6 To-Dos in Kopenhagen Neben den weltbekannten Attraktionen wie der Kleinen Meerjungfrau und dem pittoresken Hafenviertel Nyhavn versprechen diese sechs Orte eine lohnenswerte Erfahrung.
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2 CopenHill Ein Fahrgefühl, wie auf hartem Schnee: die Müllverbrennungsanlage ist der höchste künstliche Freiluft-Skihügel der Welt und beherbergt außerdem eine Roof-Top Bar und eine 85 Meter hohe Kletterwand.
3 Amager Strandpark Kopenhagens größter Strand ist mit dem Rad vom Zentrum aus leicht zu erreichen. Das gut besuchte Erholungsgebiet bietet einen Ausblick auf die berühmte Öresundbrücke. Sie verbindet Dänemark mit Schweden.
4 Freistadt Christiania Geduldet, geliebt, umstritten, immer wieder Anlass für Diskussionen: die seit 1971 bestehende alternative Wohngemeinschaft verwaltet sich mit wenigen Regeln selbst. Es gibt weder Mietverträge noch Hauseigentum.
5 Tivoli Gardens Es heißt, Walt Disney habe hier die Inspiration für sein erstes Disneyland gefunden. Der zweitälteste Vergnügungspark der Welt (der Älteste befindet sich ebenfalls in Kopenhagen) ist mitten in der Innenstadt.
6 Curfew Angelehnt an die Prohibition der 1920er-Jahre, liegt der Eingang versteckt hinter einem falschen Bücherregal. Eine der besten Cocktailbars sollte man ausnahmsweise ohne Fahrrad besuchen.
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1 Broens Gadekøkken Hier setzen Spitzenköche auf Qualität und präsentieren ihre Interpretation von WeltklasseStreetfood: der Bridge Street Kitchen-Markt wurde vom 3-Sterne-Restaurant noma mitgegründet.
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Anantara Veli Maldives Resort Paradiesisch Wellnessen
Hotel Savoy Eines der Juwelen der Rocco Forte Hotels
Malediven
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Nach umfassender Renovierung eröffnete das Adults-Only-Haus Anantara Veli Maldives Resort im Süd-Malé-Atoll Anfang Dezember 2022 mit neuem Konzept. Im Fokus stehen dabei sechs brandneue Beach-Pool-Villen, ebenso viele Deluxe-Over-Water-Pool-Villen sowie das Spa. Für die Umgestaltung zeichnete der New Yorker Designer Yuji Yamazaki verantwortlich. Auf 148 Quadratmetern begeistern die Beach-Pool-Villen mit direktem Strandzugang und individuellem Wohnkomfort. Alle Aufenthalte beinhalten zudem eine Spa-Beratung sowie tägliche Yoga- oder Personal-Training-Sessions, einen Kochkurs sowie 20 Prozent Ermäßigung auf Anwendungen im Balance Wellness by Anantara Spa.
Das Hotel Savoy, ein Rocco Forte Hotel, präsentiert sich in herausragender Lage an der Piazza della Republica direkt neben der Santa Maria del Fiore, dem Dom von Florenz und ist damit der perfekte Ort, um die florentinische Atmosphäre zu genießen. Die 80 Zimmer und 30 Suiten, von Olga Polizzi entworfen, sind von ihrer Umgebung inspiriert und zelebrieren die Kultur der Stadt, die Geschichte des Gebäudes sowie seine berühmten Gäste. In einem raffinierten italienischen Stil eingerichtet, bieten die Zimmer einen bezaubernden Blick auf das historische Zentrum von Florenz. An milden Tagen können die Gäste die kulinarischen Kreationen von Chefkoch Fulvio Pierangelini, „großer Solist der italienischen Küche, auf der bezaubernden Terrasse mit Blick auf die Piazza della Repubblica genießen.
anantara.com/veli-maldives
bit.ly/savoy-florenz
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T RAU M H OT E LS
Das Graseck Bestes Hotel in ganz Deutschland
Verdura Resort Leading hotels of the world
Garmisch
Sizilien
Entschieden haben die, die es tatsächlich erlebt haben. Die Gäste. DAS GRASECK mountain hideaway & health care freut sich riesig, bei den TripAdvisor Travellers Choice Awards 2023 in der Kategorie Best of the Best in Deutschland die Nummer eins zu sein. Dabei ist die Auszeichnung Ehre, Freude und Ansporn für das familiengeführte Boutiquehotel. Auf einem wahren Sonnenbalkon unweit von Garmisch-Partenkirchen inmitten der oberbayerischen Alpenwelt liegt das familiengeführte DAS GRASECK, ein exklusives Boutiquehotel mit medizinischem Check-up- und Gesundheitsprogramm. Hier finden sich Ruhe und Abgeschiedenheit, die den Lärm und die Hektik des Alltags leicht vergessen lassen. Allein die Anreise ist schon ein Erlebnis – denn mit der Graseckbahn geht es in wenigen Minuten hinauf zum Hotel.
Das Verdura Resort überblickt das kristallklare Wasser des Mittelmeers der Südküste Siziliens. Eingebettet in einen 230 Hektar großen Park verfügt das Resort über 203 elegante Zimmer und Suiten sowie über die 20 neuen Rocco Forte Private Villas, welche auf einem Hügel liegen, der sanft zur über 1,8 km langen Privatküste des Resorts abfällt. Die Restaurants und Bars des Resorts zelebrieren die mediterrane Küche. Das SPA von Verdura ist ein exklusiver Zufluchtsort mit einem ganzheitlichen Ansatz in Bezug auf Gesundheit und Wohlbefinden. Vor Ort gibt es Meisterschaftsgolfplätze, Tennisplätze, einen 60-MeterInfinity-Pool, einen Fußballplatz und ein ausgestattetes Fitnessstudio. bit.ly/verdura-hotel
das-graseck.de
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In Sarajevo wird das Signal zum Fastenbrechen durch das Abfeuern einer Kanone gegeben.
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Die fünfhundertjährige Gazi-Husrev-Beg-Moschee thront über der Altstadt von Sarajevo.
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Balkanische Vielfalt Text & Fotos Laurent Nilles
Ein langes Wochenende reicht schon, um sich von dem kleinen Land auf dem Balkan bezaubern zu lassen. Von der ottomanischen Altstadt Sarajevos über die moosgrüne Berglandschaft der Dinarischen Alpen bis hin zur weltbekannten Alten Brücke in Mostar: die kulturelle und landschaftliche Vielfalt Bosnien-Herzegowinas lässt sich unkompliziert in ein paar Tagen entdecken.
Auf den Mauern der Gelben Bastion Žuta Tabija, hoch über den Dächern Sarajevos, haben sich dutzende Schaulustige versammelt. Der Duft von frisch gebackenem Brot strömt verlockend über die Festung. In großen Plastiktüten haben die Menschen Getränke und Esswaren auf den Hügel mitgeschleppt. Doch noch üben sich die Sarajlije, wie die Einwohner der Stadt genannt werden, in Zurückhaltung. Es ist Ramadan, muslimische Fastenzeit, und erst nach Sonnenuntergang darf gegessen und getrunken werden. Das Signal zum Iftar, dem Fastenbrechen, wird eindrucksvoll durch das Abfeuern einer alten Ka-
none gegeben. Wenn der Sprengmeister, den typischen roten Filzhut auf dem Kopf, die Schwarzpulverladung zündet, hört man den Knall in der ganzen Stadt: der Startschuss für das gemeinsame Abendessen. In der beschaulichen ottomanischen Altstadt drängen hungrige Familien in die Restaurants und Cafés und laben sich an Ćevapčići, kleinen Würstchen aus Hackfleisch, und Burek, einer mit Fleisch, Käse oder Spinat gefüllten Blätterteigspezialität. Während der Festzeit sind die spitzen Minarette der Moscheen besonders geschmückt und die Gotteshäuser ziehen anlässlich Eid Fitr, dem letzten Tag des Ra-
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madans, zahlreiche Menschen an. Zum Morgengebet haben sich bei der fünfhundertjährigen Gazi-Husrev-Beg-Moschee so viele Gläubige eingefunden, dass sie, im besten Anzug, im Hof vor dem Gebäude niederknien müssen, obwohl es in Strömen regnet. Zeichen des Krieges Knapp mehr als die Hälfte der Bevölkerung von Bosnien und Herzegowina sind Bosniaken muslimischen Glaubens; der Rest besteht aus serbisch-orthodoxen oder katholischen Christen. Ein Schmelztiegel der Kulturen, was sich auch in der diversen Architektur der Stadt widerspiegelt. Nebst den Ottomanen haben besonders auch die Herrscher Österreich-Ungarns sich mit Prachtbauten verewigt. Wegen dieser Vielfalt wird Sarajevo manchmal als Jerusalem des Balkans bezeichnet. Dass das Zusammenleben allerdings nicht immer einfach ist, daran erinnern auch heute noch die als Mahnmal bewahrten Einschusslöcher aus dem Bosnienkrieg Anfang der 1990er-Jahre. Damals wüteten die Kämpfe in großen Teilen des Landes. In Mostar wurde die Alte Brücke, das Wahrzeichen der historischen Stadt, nahezu komplett zerstört, doch seit 2004 erstrahlt sie in neuem Glanz. Ein Symbol des Wiederaufbaus. Sogar in den entlegensten Hirtendörfern der Dinarischen Alpen, wo mehr Schafe als Menschen leben, findet man kaum
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B OS N I E N - H E R Z EG OW I NA Die zahlreichen traditionellen Handwerksgeschäfte laden zum Einkaufen ein.
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UNTEN LINKS Gegrilltes Lammfleisch ist eine Spezialität des kleinen Dorfes Jablanica.
Zigaretten und Kaffee sind nach wie vor fester Bestandteil der balkanischen Lebensart.
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Die Alte Brücke ist das Wahrzeichen der historischen Altstadt von Mostar.
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OBEN LINKS Ein freundlicher Schäferhund in den Dinarischen Alpen.
Gäste werden mit einem starken Kaffee begrüßt.
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Die Schmiede der Familie Jozeljic liegt mitten im Wald.
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B OS N I E N - H E R Z EG OW I NA Gebäude, die älter als dreißig Jahre sind. Willkürlich hätten die Soldaten während des Krieges alles niedergebrannt und ganze Dörfer dem Erdboden gleichgemacht, erzählt Hamdija, der fliehen konnte und nach dem Friedensabkommen wieder zurück in seine bergige Heimat zog. Seine Frau Hara erinnert sich nicht gerne daran und zeigt viel lieber ihre traditionelle bosnische Festtracht und die warmen Wollsocken, die sie im Winter strickt und dann an Händler aus der Hauptstadt verkauft. Für Gäste bereitet sie einen starken Kaffee türkischer Art zu; so will es die Gastfreundschaft. Denn auch wenn die Wohnhäuser neu, die bekannten Wahrzeichen wiederaufgebaut sind, manche der alten Traditionen haben Bestand. Mittelalterliches Handwerk So auch in den Wäldern rund um Ocevija, eine unscheinbare Ortschaft nördlich von Sarajevo. Es dringt nur wenig Licht in die an einem kleinen Bach gelegene, fensterlose Holzhütte. Die verrußten Innenwände zeugen von Jahrzehnten brennenden Feuers, in dessen Flammen die Männer der Familie Jozeljic seit Generationen Metallwaren schmieden. Seit dem Mittelalter sind die Methoden die gleichen: ohne Elektrizität, Motoren oder sonstige moderne Hilfsmittel entstehen hier Peka, balkanische Pfannen.
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B OS N I E N - H E R Z EG OW I NA
Wie früher werden Peka, balkanische Pfannen, in Handarbeit hergestellt.
Besonders beeindruckend ist der riesige, an einem meterlangen Balken befestigte Hammer, welcher durch die Wasserkraft des Bachs betätigt wird. Mit einem Hebel kann der Schmied die Wasserzufuhr öffnen oder schließen und so den Hammer mit der Kraft der Natur bedienen. Mit ungeheurem Druck kracht das schwere Gerät auf das
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glühende Metall und zwingt es in die gewollte Form. Von ehemals zwölf Schmieden sind heute nur noch drei übrig. Die Konkurrenz aus China macht den alteingesessenen Schmiedefamilien zu schaffen. Dazu kommt, dass die Arbeit, nicht zuletzt wegen des Lärmpegels, mühselig und zudem nicht ungefährlich ist, könnte ein kurzer Mo-
ment der Unaufmerksamkeit doch schwerwiegende Folgen haben. Ob man nun Lust hat auf Kultur und Geschichte, in den Bergregionen auf den Spuren der Schäfer wandern möchte oder sich für jahrhundertealtes Handwerk interessiert, Bosnien-Herzegowina hat so manche Überraschung parat. Also: Ab auf den Balkan!
B OS N I E N - H E R Z EG OW I NA
Breviarium
KROATIEN
BOSNIEN-HERZEGOWINA
SERBIEN
Jajce Ocevija KROATIEN
Sarajevo
43° N 18° O travel-bosnia.ba Mostar
MONTENEGRO
Unbedingt Die Altstadt Sarajevos lädt herrlich zum Einkaufen ein. Geschäfte der üblichen internationalen Ketten gibt es hier wenige, stattdessen findet man kleine Ateliers alteingesessener Handwerkerfamilien. Bei Muhamed Kalajdžisalihović (Sarači 15) gibt es traditionelle Sandalen; bei Remzija Balagić (Čizmedžiluk 22) handgemachte Bürsten. Auch bei den Gold- und Kupferschmieden kann man ein schönes Mitbringsel ergattern. Ein paar Stunden sollten unbedingt zum entspannten Stöbern eingeplant werden.
Bloß nicht Auch wenn die Hauptstadt Sarajevo zu längerem Verweilen einlädt, hat Bosnien und Herzegowina viel mehr zu bieten. Folglich sollte sich ein Aufenthalt nicht auf die Hauptstadt beschränken. Am besten mietet man sich ein Auto und macht einen Abstecher nach Mostar (mit seiner alten Brücke), Jajce (das Städtchen ist quasi auf einem Wasserfall erbaut) oder in die Berge.
Geheimtipp Idyllisch am Flussufer mit Blick auf das im maurischen Stil erbaute Rathaus liegt das Restaurant Inat kuća (Veliki Alifakovac 1, Sarajevo), eine der besten Adressen, um landestypische Gerichte zu probieren. Besonders am Wochenende ist die Gaststätte gut besucht, so dass eine Reservierung sich durchaus empfiehlt.
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So schmeckt die Welt – Siebenbürgen Text Joscha Remus
Im Land jenseits der Wälder gibt es ein überraschendes Genussreich zu entdecken: fein, aber ausdrucksstark, kreativ und vielfältig. Lasst uns also den Reisegaumen verwöhnen, der in Siebenbürgen übrigens einen anderen Namen trägt: Der Himmel des Mundes.
Das Land am Karpatenbogen trägt viele Namen. Die meisten kennen es unter den Bezeichnungen Transsilvanien oder Siebenbürgen. Jährlich entdecken mehr und mehr Besucher dieses zauberhafte, verwunschene Land jenseits der Wälder. Unweit der Gegend, in der in den nächsten Jahren der größte Nationalpark Europas mit Wisenten, Bären und Wölfen, wilden Wasserfällen und prächtigen Naturwäldern entstehen soll, bin ich auf kulinarische Spurensuche gegangen. Willkommen im Seelengarten Seelengarten nennen Corinna und Georg Pop ihre Büffelweiden nahe des kleinen Örtchens Daneș, zu Deutsch Dunesdorf, mitten im Herzen Siebenbürgens,
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unweit der mittelalterlichen Stadt Schäßburg (Sighișoara). Was ihre Büffeldamen hier den ganzen Tag genießen, ist feinstes Gourmetgras mit Wildkräutern. Salbei, Spitzwegerich, Beifuß und Bärenklau heißen einige der Ingredienzien, welche die Büffelmilch der Familie Pop so aromatisch machen. Hier, wo sich die Vielfalt der Karpatenkräuter voll entfalten kann, benötigt man keine Verkaufsschilder. Vor dem großen Holztor ihres Hauses schimmern im Herbst nur die Kürbisse in allen möglichen Farben. Neben dem rahmigen Büffelkäse bietet Corinna Pop im Sommer immer wieder auch Vanille-Eis aus Büffelmilch an. Alle Kinder der Familie können hier mittlerweile die Büffeldamen von der Weide zur
S I E B E N B Ü R G E N In Siebenbürgen leben Tausende von Braunbären in freier Wildnis.
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Die Kirchenburg von Biertan (dt. Birthälm) gehört zu den eindrucksvollsten der Karpaten.
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OBEN LINKS Direkt in der Ortsmitte von Cund stellt István Varga den besten Käse weit und breit her.
© Joscha Remus
Sofia reitet die Wasserbüffel-Damen bereits seit früher Kindheit zur Melkstation.
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© Joscha Remus
Die Wildhütte des Resorts Valea Verde steht inmitten wild blühender Natur.
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Melkstation reiten. Äußerst spektakulär und eben nur in Siebenbürgen zu sehen, wie sich diese Büffelkarawane samt Kindern friedlich die Hügel hinunterbewegt. Ein wenig wie im Märchen. István, der Käse-Flüsterer Kaum dreißig Autominuten entfernt findet man im kleinen Örtchen Cund, dem sächsischen Reußdorf, nach einer Fahrt durch den Wald das nächste kulinarische Wunder. Zwischen sanft geschwungenen Hügeln, Weinreben und Sonnenblumenfeldern überrascht die 180-Seelen-Gemeinde mit einer der besten Käsereien Transsilvaniens. Manchmal stehen die Menschen schon frühmorgens Schlange vor der kleinen Käsemanufaktur (Manufactura de Branză) am Dorfplatz. Talent trifft hier auf Leidenschaft. Denn István Vargas hat ständig neue Kreationen im Angebot, die er frisch vom Käselaib geschnitten präsentiert. Zartbitterkäse mit grünem Pfeffer z. B. oder mit Linde, Schokolade oder Chili verfeinerte cremige Gaumenfreuden. Allein wegen des nach Schweizer Rezeptur hergestellten und mit in Cognac getränkten Nüssen verfeinerten Käses nehmen die Besucher weite Anfahrten in das idyllische Dorf in Kauf. Istváns außergewöhnliche Kompositionen haben sich längst herumgesprochen. Käse mit in Wein gereiften Nüssen kannte man in Siebenbürgen bislang nicht, denn der einheimische
Käsemarkt wurde vor allem von Frischkäse wie Telemea, Urdă oder Schafskäse dominiert. Auch gereiften Bergkäse, den man eher als typisches Produkt aus den Alpenregionen kennt, ist neu am Karpatenbogen. „Der Käse spiegelt die Qualität der Milch wider“, sagt István und reicht seinen Gästen lächelnd frisches Brot und ein himmlisches Stückchen Lavendelkäse. Paradies zwischen Narzissen und Orchideen Natürlich bieten auch Jonas und Ulrike Schäfer diese Käsekreationen in ihrem kulinarischen Tempel an. Denn ihr traumhaftes Resort Valea Verde liegt nur wenige Fußminuten entfernt von der Käsemanufaktur. Die beiden Öko-Pioniere und Gourmets setzen allen kulinarischen Wundern Siebenbürgens noch einmal eine sinnliche Krone auf. Denn die Geschmacksexplosion ihrer schwarzgetrüffelten Knollenselleriewurzelsuppe und des langsam geschmorten Mangalitza-Schweins mit Trüffelkartoffelpüree erlebt man mitten in einem paradiesischen Naturszenario. Alle Köstlichkeiten werden nämlich in einer charmanten ehemaligen Wildhütte am Rande eines Waldes serviert – ein Speisesaal auf Stelzen mitten in der Natur. Eine Pferdekutsche bringt die Gäste zur Hütte inmitten eines malerischen Birnbaumgartens, wo dann – ganz in Tischlein-deck-dich-Manier – die Köst-
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Ein Highlight: Kutschfahrt durch die prächtigen Sonnenblumenfelder Siebenbürgens. (Hier bei Johannisdorf) VORHERIGE SEITE
lichkeiten auf feinstem Porzellan serviert werden. So, als hätte man plötzlich den Schlüssel zum vollkommenden Glück erhalten, folgt auf den Genuss von transsilvanischer Panna Cotta mit marinierten Wildbeeren das entspannende Glas Wein, ein elegant-fruchtiger Negru de Drăgășani, auf der Holzterrasse mit weitem Ausblick. Man lauscht dem Gesang von Grünfink und Stieglitz, hat den Duft von wilden Orchideen und Narzissen in der Nase und sucht im Spätsommerlicht die blühenden Wiesen und den Waldrand nach Rehen und Luchsen ab.
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Alles wird per Kutsche an die kulinarische Wildhütte gebracht, auch die Besucher.
Völlig zu Recht trägt diese kulinarische Jagdhütte den Namen Observatorium. Denn hier werden oft auch Füchse, Rotwild und Wildkatzen gesichtet. Am schönsten ist es, wenn sich zum Dessert und zum Wein auf der Terrasse plötzlich eine Libelle, ein roter Apollofalter oder ein Tagpfauenauge einfindet. Ein Bad im Sonnenblumenmeer Der Traum ist jedoch noch lange nicht zu Ende. Unter kreisenden Adlern sitzt man am nächsten Tag wieder in der Kutsche, fährt nahe dem Ort Voivodeni durch ein unendliches Meer aus Sonnenblumen und lässt die Aromen und
Düfte der letzten Tage noch einmal Revue passieren: das pochierte Wachtelei in Trüffelbutter, die am abendlichen offenen Holzfeuer frisch gegrillten Cuts vom heimischen Rind, die transsilvanische Fischsuppe aus frisch am Wildbach gefangenem Alet, Stör und Karpfen oder die von Jonas Schäfer liebevoll getrüffelte Regenbogenforelle. Das bis zum Horizont reichende, wogende Feld aus Sonnenblumen lässt all dies fast unwirklich schön erscheinen. Vincent van Gogh wäre hier, im Herzen Transsilvaniens, verrückt geworden vor Glück.
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UNGARN
Cund
MOLDAWIEN
Voivodeni Daneș
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46° N 25° O
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SERBIEN BULGARIEN
Unbedingt Vor der Käse-Manufaktur von István Varga in Cund treffen sich bereits morgens die Einheimischen. Eine gute Gelegenheit, mit echten Siebenbürgern ins Gespräch zu kommen. Keine Sorge, István kann auch Deutsch, Englisch und einige andere Sprachen. Die Adresse: Manufactura de Branză, Str. Principală 137, Cund. Anfahrt: Von Süden über Dumbrăveni. Von Norden: Abfahrt Idrifaia, über die 151B. www.manufacturadebranza.ro
Bloß nicht Auf keinen Fall sollte man mit der Vorstellung an den Karpatenbogen reisen, es handele sich um eine arme Region. Siebenbürgen ist überraschend vielfältig und lädt dazu ein, sich von den üblichen Stereotypen zu verabschieden. Sowohl was das reiche Kulturgut als auch was die Stereotype Dracula betrifft. Transsilvanier gehen nicht mit Knoblauchgirlanden schlafen. Walachen übrigens auch nicht!
Geheimtipp Neben den Kutschfahrten, die man bei Jonas u. Ulrike Schäfer im Resort Valea Verde, Strada Principală 119 in Cund buchen kann, sollte man sich auch nach dem Eselzüchter Christian Harfmann erkundigen, der ebenfalls Unterkünfte, aber auch Eselswanderungen anbietet. Den im Artikel vorgestellten Büffel-Käse gibt es bei Familie Pop im Ort Daneș (vier Kilometer vor Schäßburg) – Strada Principală Nr. 804.
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Der Blick auf die Alhambra von den Hügeln des Albaicín-Viertels ist atemberaubend.
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Der Patio de la Acequí („Hof des Wasserkanals“) vereint Elemente der islamischen und der spanischen Architektur und verbindet den unteren und den oberen Teil des Gartens.
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Granada mi amor Text Nikki Bonnal
Zugegeben, ich war etwas skeptisch, ob mich die Alhambra tatsächlich in ihren Bann ziehen würde. Schließlich war es vor allem dieses wunderbare Bauwerk, das mich nach Granada gelockt hat, an einem trüben Wochenende im März. Wobei der Begriff Wochenende bei einem Hinflug am Sonntag nicht so ganz zutrifft, aber das ist nun wirklich Nebensache.
Granada heißt mich mit bestem Frühlingswetter willkommen und nicht minder liebenswürdig ist der Empfang im Hotel. Das Alhambra Palace, in dem ich zwei Nächte gebucht habe, punktet mit einer Wahnsinnslage am Hang, in Fußnähe zur Alhambra, mit schönen Räumen, alten Holzböden und renovierten Zimmern. Wer allerdings trendige Hotels mit Designsofas und kultigen Badeprodukten mag, ist an dieser Adresse fehl am Platz. Dafür gibt es hier gediegenes Ambiente und authentische, ritterliche Eleganz, wie es sich für ein historisches Traditionshaus gehört. Mit einem (vor über drei Monaten!) vorbestellten Eintrittsticket für die Alhambra in der Tasche mache ich mich am darauffolgenden Tag auf den Weg. Obwohl es noch nicht einmal Mittag ist, liegen die Außentemperaturen bereits bei über 20 °C, was, wie der sympa-
thische Taxifahrer erklärt, selbst für Andalusien in dieser Jahreszeit ungewöhnlich hoch ist. „No es normal!“, fügt er hinzu, doch für die anschließenden Ausführungen zum Klimawandel reicht mein Schulspanisch definitiv nicht aus. Ich verkneife mir die Bemerkung, wie wunderbar ich es finde, Anfang März bei frühsommerlichen Temperaturen seine Heimatstadt zu entdecken, statt zuhause bei 7 °C und Regen auf den Frühling zu warten. Tausend und eine Nacht Zur Alhambra-Besichtigung treffe ich trotz Nebensaison auf wahre Besucherströme. Die einmalige Burg- und Palastanlage, die vor über 1.000 Jahren entstand und seit 1984 zum Weltkulturerbe gehört, ist eines der meistbesichtigten Baudenkmäler weltweit. Sie lieben maurische Baukunst? Dann
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tauchen Sie mit mir für ein paar Stunden in eine Welt aus 1001 Nacht ein, die sich Ihnen bei der Besichtigung der Alcazaba-Zitadelle, den Nasriden-Palästen und den Generalife-Gärten öffnet. Lassen Sie sich vom Löwenpalast mit dem bekannten Löwenbrunnen bezaubern! Bewundern Sie die Fresken und Mosaiken im islamischen Stil – sie sind formvollendet und unendlich schön. Wenn Sie an der Westseite der Alcazaba die beeindruckende Torre de la Vela hinaufsteigen, werden Sie mit einem wunderbaren Blick auf die verschneiten Bergspitzen der Sierra Nevada belohnt. Die Magie dieses Ortes ist in jeder Ecke spürbar. Ich frage mich, welches Viertel von Granada den besten Blick auf die rote Palaststadt zu bieten hat, und beschließe, am darauffolgenden Tag auf Erkundungstour zu gehen. Die Vielfalt der Altstadt Granadas Am Abend schlendere ich zu Fuß Richtung Altstadt. Ich wundere mich, wie viel an einem Montagabend hier los ist. Doch schließlich ist Granada nicht nur eine bekannte Touristendestination, sondern ebenfalls eine beliebte Studentenstadt. Über 80.000 Studenten leben in der 240.000-Einwohner-Stadt und füllen die engen Altstadtgassen mit einem vibrierenden Nachtleben. Es gibt unzählige Straßencafés, Terrassen und
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Tapas-Bars, sei es um die Plaza Nueva, die Kathedrale, die Gran Vía, den Paseo de los Tristes oder etwas außerhalb im Alarcón-Viertel. Kontakt bekommt man leicht und Spanischkenntnisse sind willkommen. Und bitte nicht vergessen, nach mindestens jedem dritten Satz „Vale“ zu sagen, sprich „okay“, dann gelten Sie schon fast als Einheimischer! Ich schaffe es, am darauffolgenden Tag bereits vor zehn Uhr im Taxi zu sitzen. Ziel ist das Einödkloster San Miguel Alto, von dessen Hügeln ich mir die beste Aussicht auf die Alhambra erhoffe. Von der Iglesia San Salvador aus erklimme ich zu Fuß die steilen Gassen Richtung Ermita. Coole Saxophonklänge aus verfallenen Casas, Graffitis auf alten Bunkerwänden und lässige Aussteigertypen sind ein klares Indiz dafür, dass mein heutiges Ziel wohl nicht im klassischen Granada-Programm auftaucht. Als ich mich dem höchsten Punkt der zur Ermita führenden Calle Patio de la Alberca nähere, erwartet mich etwas ganz Besonderes: Ein Treffpunkt von jungen Leuten, von Verliebten, von Künstlern, von Suchenden und Gestrandeten, von Nachbarn, von Freunden. Ich fühle mich privilegiert, dass ich als zufälliger Besucher dazugehören darf. Die Aussicht ist atemberaubend. Am Hang hinter der Kirche sehe ich, dass sich ein paar Freaks mit gebrauchten Möbeln und primi-
G RANADA LINKS Granada ist voller verwinkelter Gassen und steiler Treppen.
Es gibt unzählige Straßencafés, Terrassen und Tapas-Bars.
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Mit seinen überwiegend weiß getünchten Häusern ist das Albaicín-Viertel eine der Sehenswürdigkeiten der Stadt.
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Der Mirador de San Nicolás ist vielleicht der berühmteste Aussichtspunkt in Granada.
tiven Blechstrukturen ein kleines Zuhause eingerichtet haben. Einer von ihnen winkt mir freundlich zu. Ich rufe ihm spontan zu: „Tienes la mejor vista del mundo!“ Wahrlich die beste Aussicht der Welt … Meine nächste Etappe ist der Mirador de San Nicolás im UNESCO-geschützten AlbaicínViertel. Rümpfen Sie ruhig die Nase, weil Sie sich wie auf dem Markusplatz in Venedig fühlen … ein Geheimtipp ist das hier nicht. Aber einmalig allemal. Während ich den Rückweg Richtung Altstadt antrete, fällt mir ein hölzernes Tor auf, hinter dem ich eine schöne Aussicht auf die
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Alhambra vermute. Tatsächlich präsentiert sich von der großen, sonnigen Terrasse aus die Alhambra auf dem gegenüberliegenden Hügel in ihrer ganzen Pracht. Das In-Lokal „El Huerto de Juan Ranas“ könnte perfekter nicht sein: Bistrotische, Lounge-Sofas, freundliche Kellner und eine kleine Bar mit obligatorischer Zapfanlage. Ich bestelle eine eiskalte Alhambra-Cerveza, eine Gazpacho und Croquetas al jamón und fühle mich wie im Paradies. Mein kleiner Tagesausflug, der all meine Erwartungen gänzlich übertroffen hat, neigt sich dem Ende zu.
Über die pittoresken kleinen Gassen mit ihren weiß getünchten Häuserfassaden und mediterranen Dorfplätzen mit Orangen- und Mimosa-Bäumen gelange ich zur Plaza Nueva, von wo aus ich zurück zum Hotel und weiter zum Flughafen fahre. Als Abschiedsgeschenk kaufe ich mir Washington Irvings berühmte „Tales of the Alhambra“ und verstehe, warum das Lesen dieser wunderbaren Erzählungen und der Blick auf die Alhambra in der Mittagsstunde mir fast mehr bedeuten als die Besichtigung des Meisterwerkes selbst: weil ich sie diese beiden Male mit niemandem teilen muss.
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Unbedingt Bleiben Sie „cool“. Seien Sie nicht zu ungeduldig, Sie sind schließlich im Urlaub! Spanier sind in der Regel viel relaxer als wir und Granada bildet da keine Ausnahme. Und wenn es im Café, im Hotel oder im Restaurant mal etwas länger dauert, so genießen Sie doch einfach das spanische Flair um Sie herum!
Bloß nicht BITTE reservieren Sie Ihr Restaurant nicht für 19:30 oder gar 19 Uhr, außer Sie möchten gleich als Tourist entlarvt werden. Spanier gehen selten vor 21 Uhr ins Restaurant; 22 oder 23 Uhr sind keine Seltenheit! Und sollten Sie (wie die meisten von uns) ab 18 Uhr einen kleinen Hunger verspüren, so schlagen Sie doch den Weg Richtung Tapas-Bar ein und gönnen Sie sich ein paar köstliche spanische Häppchen, am besten bei einem Glas lokalem Weißwein, z. B. ein Muscat d’Alexandrie.
Geheimtipp Besuchen Sie, am besten zum Sonnenuntergang, das Einödkloster San Miguel Alto. Da oft der Weg schon das Ziel ist, empfehlen wir, von der Iglesia San Salvador aus zu Fuß die steilen Gassen Richtung Ermita zu erklimmen. Am Hang hinter dem Kloster erwartet Sie über die Hügel hinweg ein wunderbarer Panoramablick auf Granada und ihr Herzstück, die Alhambra.
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Rosenkranz und Schwarzfußschwein Text Stefanie Bisping
Der womöglich beste Schinken Spaniens kommt aus Jabugo, einem Dorf in Andalusien. Ihm verdankt der Ort den Titel der spanischen Gastronomie-Stadt des Jahres 2023. Die Umgebung Jabugos birgt mit der Sierra de Aracena weitere Wunder.
Miguel Prieto Moro schleift sein Messer. Im blütenweißen Hemd, mit schwarzer Fliege und schwarzer Schürze steht der Schinkenschneider am Tisch: ein Musterbeispiel seines Handwerks. Die behandschuhte Linke lässt er auf dem mit dem Huf in eine Halterung geklemmten Schinken ruhen. Die Rechte setzt das Messer an. Er schneidet eine Scheibe und legt sie behutsam auf einen Teller. „Nehmen Sie sie in den Mund, lassen Sie sie drei Sekunden auf der Zunge liegen und von Ihrem Gaumen Besitz ergreifen“, rät er. Vier Aromen seien spürbar, Experten erkennen bis zu sieben. Der 54-Jährige hat schon fürs Königshaus Schinken geschnitten und war spanischer Meister seiner Disziplin. „Schinken
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ist Teil unseres Lebens, unserer Kultur, unserer DNA“, sagt er. „Wir sind in den Schinken verliebt.“ Die traditionelle Haltung der Tiere und das Mikroklima unterscheide das Produkt auch vom Jamón ibérico der Konkurrenz im Westen Spaniens. Der hervorragende Schinken beschert Jabugo 2023 den Titel einer Gastronomie-Stadt Spaniens. Sechs Monate auf Eichenweiden Der Schinken hat das 2.300-Seelen-Dorf nahe der portugiesischen Grenze auf die kulinarische Weltkarte gebracht. Tatsächlich ist er so aromatisch – und so teuer –, dass er Festtagsstatus besitzt. Neun Orte in der Provinz Huelva führen ein DOP-Siegel als Nachweis der Herkunft ihres Jamón ibérico.
AN DALU S I E N Enge Gassen, weiße Häuser: Almonaster la Real ist ein andalusisches Dorf wie aus dem Bilderbuch.
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© Stefanie Bisping
Hauchzart geschnitten und köstlich im Geschmack: Jamón ibérico aus Jabugo.
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Blick auf die Stadt Aracena und die alten Ruinen des Schlosses auf dem Hügel.
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AN DALU S I E N Es ist mit strengen Auflagen verbunden: Schinken mit DOP-Siegel aus Jabugo darf nur aus iberischen Schweinen hergestellt werden, die sechs Monate des Jahres draußen von Eicheln und Kräutern gelebt haben und ansonsten nur natürlich ernährt wurden. Die Weiden müssen mindestens ein Hektar Fläche pro Schwein und eine ausreichende Zahl Kork- und Steineichen aufweisen. Sind es zu wenig Bäume, müssen es zwei Hektar pro Schwein sein. Denn die Tiere laufen bis zu vierzehn Kilometer am Tag, um die fettesten Eicheln zu finden. Zwölf Kilogramm fressen sie dabei, dazu fünf Kilogramm Kräuter. Sind ihre Hufe abgelaufen, ihr Fleisch zart von Fett durchzogen und bringen sie 160 Kilogramm auf die Waage, endet dieses paradiesische Leben im Schlachthaus. Die in Jabugo übliche Verarbeitung nur mit Meersalz, Luft und sehr viel Zeit leistet sich anderswo kaum noch ein Produzent. Der Schinken kommt für einen Tag pro Kilogramm Gewicht in Seesalz, dann wird er aufgehängt und reift mindestens zwei Jahre bei einer Temperatur von fünfzehn bis sechzehn Grad.
Während dieser Zeit werden die Fenster in der Reifehalle je nach Wetter und Luftfeuchtigkeit mal geöffnet, mal geschlossen. Dann wird jeder Schinken von Hand mit pflanzlichem Öl gereinigt. Im Verkauf erzielen 100 Gramm knapp achtzehn Euro. Uralte weiße Dörfer von großer Schönheit 31 andalusisch-weiße Dörfer sowie Wälder, Täler und Berge bilden den Naturpark Sierra de Aracena y Picos de Aroche in der Provinz Huelva. Mit ihren romantischen Gassen, gemütlichen Plätzen und den vielen Pomeranzenbäumen wirken die Dörfer überaus friedlich. Dabei haben sie eine lange Geschichte – in Aroche bis in die Römerzeit, als hier zur Zeit des Kaisers Augustus die Stadt Arucci Turóbriga entstand. In Almonaster la Real erinnert die alte Mezquita auf einem Hügel an die arabische Ära auf der Iberischen Halbinsel. Im 13. Jahrhundert machten portugiesische Christen aus der Moschee eine Kirche, das Minarett wurde zum Glockenturm. Aracena, der Hauptort der Sierra, besitzt eine gewaltige Tropfsteinhöhle mit Wasserreservoir.
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Die Gescheckten sind die Besten: Schweine der Rasse Manchados de Jabugo im Eichenhain, der Dehesa. © Stefanie Bisping
Es ist ein Land, das dem Menschen Geduld abverlangt. Im Winter regnet es oft wochenlang. Auch das mag den 2013 verstorbenen Don Paulino Díaz Alcaide, 61 Jahre lang Organist in der Kirche von Aroche, dazu bewogen haben, 5.000 Prominente mit der Bitte um Übersendung einer Gebetskette anzuschreiben. Er wollte so seine Rosenkranzsammlung erweitern und aufwerten. Das Echo war enorm, man schickte ihm orthodoxe, indische und afrikanische Gebetsketten aus Holz, Metall, Walnüssen, Muscheln und Korallen. Mit 3.000 Ketten war es schließlich im Guinness-Buch der
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Rekorde als einziges RosenkranzMuseum der Welt verzeichnet – heute ist es Teil des Archäologiemuseums in Aroche. Wilde Weiden mit Steinund Korkeichen Die immergrünen Stein- und Korkeichen, die den Reiz dieser uralten Landschaft ausmachen, werden bis zu 500 Jahre alt. Weil sie wenig Wasser benötigen, bilden sie einen idealen Bewuchs für die Dehesas, die Viehweiden, die im Mittelalter angelegt wurden und auf denen Iberische Schweine sich noch heute mit Eicheln vollfressen. Als die Kastilier den Süden
der Iberischen Halbinsel von den Mauren zurückeroberten, pflanzten sie Eichen und brachten ihre weißen Hausschweine mit. Die vermischten sich mit den hiesigen Wildschweinen zur Urrasse des Iberischen Schweins. Rund um Jabugo sieht man auch helle Schweine mit schwarzen Flecken über die Weiden laufen – Nachkommen jener ursprünglichen Kreuzung, die Manchados de Jabugo heißen. Früher durften sie aufgrund der weißen Füße nicht als Pata negras, als Schwarzfuß-Schweine, bezeichnet werden. Heute liefern sie die teuerste Variante der kostbaren Schinken.
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Jabugo ANDALUSIEN
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Unbedingt Schinken probieren. In und um Jabugo werden verschiedene Touren zur Schweineweide mit Besuch in einer Schinkenmanufaktur und Verkostungen angeboten. Eine zweieinhalbstündige Tour kostet 44 Euro pro Person. www.rutadeljamondejabugo.com
Bloß nicht Beim Frühstück gebratenen Schinken verlangen. Das wäre Blasphemie.
Geheimtipp Das ehemalige Kloster Convento Aracena im Hauptort der Sierra de Aracena ist heute ein Hotel mit romantischem Patio, Kreuzgang, Storchennest auf dem Dach – und modernem Spa. www.hotelconventoaracena.es
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Traumferien All Inclusive Text Marie Tissier
Grundstein für dieses Konzept war der Club Med, der 1950 ins Leben gerufen wurde. All-inclusive-Luxusurlaub ist seit einigen Jahren stark im Kommen. Die Pandemie hat dabei eine große Rolle gespielt, aber auch die stetig steigenden Lebenskosten. Die Luxemburger Urlauber sind begeistert.
Es ist hier nicht die Rede davon, morgens um 6 Uhr aufzustehen, um schnell ein Handtuch auf einen Liegestuhl zu legen. Es geht auch nicht um zu leicht gemixte Piña Coladas. Wir reden von Luxus: von Intimität, Exklusivität, von „alles inklusive“ – wirklich alles. Eine Steigerung von 20 % in Luxemburg „Premium-All-Inclusive erfreut sich seit dem Ende der Covid-Pandemie größter Beliebtheit“, sagt Lydia Heinisch, Direktorin des Luxemburger Tourismusverbands ULT. „Ich würde sagen, dass die Nachfrage etwa um 20 % gestiegen ist.“ Die Anziehungskraft, die von diesen Reisen ausgehe, so die Fachfrau, komme dem Bedürfnis der Luxemburger entgegen, einen vollkommen entspannten Urlaub zu verbringen. In einer Zeit, in der In-
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flation in aller Munde ist, ist es wichtiger denn je, ein Auge auf sein (wenn auch hohes) Budget zu halten. Die Kunden lassen es sich jedoch nicht nehmen, sich in den Ferien einzigartige Erlebnisse zu gönnen. Ein Beispiel, das für sich spricht „Zurzeit bieten wir eine Luxus-allinclusive-Reise nach Südafrika an“, berichtet die Direktorin. „Diese Reise bietet mehr als ein normaler All-inclusive-Aufenthalt in einem 4-Sterne-Club: Shuttletransfer von zu Hause aus, regelmäßige Flüge, Übernachtungen in einer All-inclusive-Lodge (Lakula Lodge) inmitten eines Schutzgebiets, zwei Safaris pro Tag, morgens und abends, Beobachtungsaktivitäten mit einem fachkundigen Reiseleiter, Essen und Getränke (Auswahl der Lodge), lokaler englisch- und französischsprachiger Reiseleiter,
T R E N DS Besuch eines nachhaltigen Landwirtschaftsbetriebs, Wäscherei, WLAN ... Alles ist inbegriffen. Ein tolles Programm! Wer sich für Details interessiert, findet auch Leistungen, die nicht enthalten sind, zum Beispiel mobile Camps. Aber das Grundprogramm dieser Reise ist schon sehr komplett. Die Zeit, in der die Sterne eines Hotels als einziges Qualitätsmerkmal galten, ist schon lange vorbei“, erklärt Heinisch. „Gefragt sind jetzt Erlebnisse, Intimität und Nachhaltigkeit.“ Hotelgiganten sind mit von der Partie Diese Tendenz haben die Giganten der Hotelindustrie längst erkannt. Unter anderem setzt die Accor-Gruppe auf dieses Segment, das das schnellste Wachstum des Markts aufweist. So hat sie ihre Luxusmarken Sofitel, Fairmont, Swissôtel, Mövenpick und Pullman mit einer All-inclusive-Kollektion ausgestattet. Dabei konnte sie sich
auf die einschlägige, 20-jährige Erfahrung der Marke Rixos stützen, die kürzlich zur Gruppe gestoßen ist. Mariott und Hilton richten sich ebenfalls auf All-inclusive-Resorts aus, in denen Gourmetmahlzeiten à la carte oder ein persönlicher Butler-Service angeboten werden. „Die Menschen wollen keine Überraschungen“, sagt Brian King, einer der Verantwortlichen von Mariott International. Er sei zurzeit dabei, die erste Ritz-Carlton-All-inclusive-Pauschale zu entwickeln. Die Hilton-Gruppe betreibt bereits ein Dutzend All-inclusive-Resorts und Ende des Jahres wird die Hyatt-Gruppe 45 solcher Einrichtungen zählen – und das allein in Mexiko! Club Med hebt seinerseits kontinuierlich seine Ansprüche, um tatsächliche Premiumleistungen anbieten zu können. Luxus-all-inclusive, so viel ist sicher, ist ein neuer Trend, der weltweit begeistert und auch im Großherzogtum großen Anklang findet.
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Das traditionelle Gewand und die altertümlichen Gewehre werden nebst reiterlichem Können ebenfalls von den Juroren bewertet.
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In gestrecktem Galopp rasen die Teilnehmer über das Feld, um ihr Können unter Beweis zu stellen.
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Marokkanisches Pferdespektakel Text & Fotos Laurent Nilles
Man muss kein Pferdenarr sein, um dem Charme der traditionellen Reiterspiele des Maghreb zu verfallen. In Marokko, wo mehr als 6.000 Reiter den Sport ausüben, lässt sich der Brauch besonders gut entdecken.
Staunend stehe ich im von hundert Pferdehufen aufgewirbelten Staub, die Ohren taub vom Knall der alten Gewehre, scharfen Schießpulvergeruch in der Nase. Ein Reiter liegt am Boden, vom harten Rückstoß seiner Waffe aus dem Sattel geworfen, sein Pferd macht sich vom Acker und muss eingefangen werden. Ich habe das gerade Erlebte noch nicht verarbeitet, da rast die nächste Gruppe schon in gestrecktem Galopp auf mich zu. Der mit roten und grünen Flaggen geschmückte Reitplatz, die mit Berberteppichen ausgelegten, elfenbeinfarbenen Nomadenzelte, das weißgetünchte Minarett einer Moschee im Hintergrund – zusammen ergibt sich eine zeitlose Szene wie in einem Gemälde des Orientalismus des 19. Jahrhunderts. Tatsächlich aber befinde ich
mich im Hier und Jetzt, in Ziaida, einer kleinen Ortschaft im Hinterland der Küstenregion Casablancas, wo ich heute die Chance habe, einer traditionellen Tbourida beizuwohnen. Diese marokkanischen Reiterspiele, deren Ursprünge bis ins 16. Jahrhundert zurückreichen sollen, wurden erst kürzlich, im Dezember 2021, zum immateriellen Weltkulturerbe der UNESCO gekürt. Die Regeln des Wettkampfs Als ich ein paar Stunden zuvor ankomme, ist es kurz vor Mittag. Noch viel zu früh, da die Spiele wegen der sengenden Hitze von über 35 Grad erst nach dem Nachmittagsgebet beginnen sollen. Also nehme ich zunächst eine spontane Einladung zum gemeinsamen Couscous-Essen an. Hier, weit weg von den Touristenzentren
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Marrakechs und Agadirs, ist die legendäre marokkanische Gastfreundschaft noch sehr lebendig. Man freut sich über das Interesse des ausländischen Gastes an dem lokalen Brauchtum und so verbringe ich viel Zeit in den Zelten der Sorba – so werden die TbouridaGruppen genannt – und lasse mir bei Oliven und Minztee die Regeln des Wettkampfs erklären. Jede Sorba besteht aus ungefähr zwanzig Reitern, die, angeführt von ihrem Kapitän, dem Mokaddem, einen Angriff einer Berber-Reiterstaffel simulieren. Möglichst synchron soll die Attacke ablaufen. Die Reiter galoppieren nebeneinander in einer geraden Linie wie eine Mauer im selben Augenblick los, um dann kurz darauf alle zeitgleich die alten Vorderladergewehre abzufeuern. Bewertet werden neben der Darbietung auch die Berber- und Araber-Berber-Pferde, deren Abstammung und Statur sowie ihr Gesundheits- und Pflegezustand. Die Kostüme der Teilnehmer, die Verzierung der Sättel wie auch die Qualität der eingesetzten Musketen werden bei der Punkteverteilung ebenfalls berücksichtigt. Letzte Vorbereitungen Bei mehr als zwanzig Reiterstaffeln, die bei diesem Turnier ihr Können unter Beweis stellen, zähle ich fast 500 Pferde, die vor dem Start gefüttert, getränkt, geputzt und schlussendlich gesattelt werden wollen. Stiefel werden gewienert, Gewehre geladen, Turbane
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MAR O K KO Hunderte Pferde müssen vor dem Turnier geputzt und gesattelt werden.
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Ein gelungener Durchgang: Die Gewehre schießen zeitgleich Feuerbälle gen Himmel.
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UNTEN LINKS Nur die Besten der Besten dürfen bei der Trophée Hassan II antreten.
Der Mokkadem ist der Kapitän der Reiterstaffel.
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MAR O K KO geschnürt. Jeder Kapitän schwört sein Team noch auf die gemeinsame Taktik ein; ein kurzes Gebet wird gesprochen. Und dann geht es auch schon los. Rund um den Reitplatz drängeln sich die Zuschauer. Tribünen gibt es keine, und nur aus den ersten Reihen kann man von der Vorstellung überhaupt etwas sehen. Eine Sorba nach der anderen geht an den Start und die Reiter geben für ihre Darbietung alles. Ein wahrhaft zeitloses Spektakel! Bis nach Sonnenuntergang bleibe ich und beobachte fasziniert, wie im Minutentakt galoppiert und unter dem Jubel des Publikums glühende Feuerbälle gen Himmel geschossen werden. Die Besten der Besten Ein paar Tage später bin ich in Rabat, der Hauptstadt des Landes. Hier findet unter der Schirmherrschaft des Königs von Marokko das Finale der Trophée Hassan II statt. Der wichtigste und prestigeträchtigste Wettkampf des Landes zieht alljährlich tausende begeisterte Besucher an, denen so einiges geboten wird. Nur die Besten der Besten, die Sieger der regionalen Qualifikationsturniere, dürfen hier antreten. Das kundige Publikum feiert die gelungensten Auftritte lautstark, während die kleinsten Patzer kritisch kommentiert werden. Deren gibt es hier allerdings wenige, die Bewegungen der Reiter sind ganz und gar aufeinander abgestimmt, die Schüsse aus den alten Musketen fallen beinahe auf die Milli-
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Die Sorbas aus dem Süden des Landes feuern mit ihren Gewehren knapp vor den Vorderlauf der Pferde in den Boden.
sekunde zeitgleich. Bestimmt keine einfache Aufgabe für die drei Juroren, hier die Sieger der Spiele zu küren. Eine einzigartige Tradition Jede Region, jede Sorba hat ihren eigenen Stil: Feuern die Reiterstaffeln aus dem Norden und Westen des Landes ihre Vorderlader zum Beispiel himmelwärts, so hat es sich im Süden durchgesetzt, in den Boden knapp vor den Vorderlauf der Pferde
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zu schießen. Dies beeindruckt mich besonders, da die Pferde ohne auch nur ein Zucken weiter durch den von den Schüssen aufgewirbelten Staub und den Rauch galoppieren. Mehr als 300 registrierte Sorba mit rund 6.000 Pferden gibt es in Marokko. Der Sport wird von staatlicher Seite gefördert, um das Brauchtum als kulturelles Erbe des Landes zu bewahren. So sind zum Beispiel umgerechnet über 150.000 € als Preisgelder für die
Bestplatzierten der Trophée Hassan II ausgesetzt. Die Tradition der Tbourida ist im 21. Jahrhundert wohl einzigartig: Wo sonst kann man historische Vorderladergewehre sehen, abgefeuert von Reitern auf dem Rücken rassiger Berberpferde? Sie ist auf jeden Fall für jeden Marokkoreisenden eine Empfehlung wert: Sollte die Gelegenheit sich ergeben, ist ein solches Turnier ein Spektakel, das man sich auf keinen Fall entgehen lassen sollte.
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Ziaida
MAROKKO
ALGERIEN
WESTSAHARA
Unbedingt Die Tradition der Tbourida entdecken kann man am einfachsten bei der alljährlichen Trophée Hassan II, entweder bei den regionalen Ausscheidungsturnieren oder beim großen Finale in Rabat. Informationen (auf Französisch) findet man bei der Fédération Royale Marocaine des Sports Équestres. frmse.ma/fr/section/tbourida
Bloß nicht Auch wenn in der marokkanischen Provinz Gastfreundlichkeit großgeschrieben wird und die Leute sich über ernst gemeintes Interesse an ihren Bräuchen freuen, heißt das nicht, dass man ungeniert fotografieren sollte. Ein paar Worte Arabisch oder ein freundlicher lokaler Guide helfen dennoch fast immer, Türen zu öffnen.
Geheimtipp Die Reiterspiele an sich sind schon ein Geheimtipp, finden sie doch in den gängigen Reiseführern kaum Erwähnung. Auch organisierte Reisen haben die Tbourida fast nie im Programm. Wer es trotzdem noch lokaler haben möchte, kann versuchen, ein regionales Moussem, eine Art marokkanischer Jahrmarkt, zu finden. Informationen über das Wann und Wo sind allerdings oftmals nur den Locals bekannt. Mit etwas Beharrlichkeit werden Sie vielleicht bei der marokkanischen Touristeninformation fündig.
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Caribbean Magic – Sea You Soon! Text Bibi Wintersdorf
Sieben Tage auf der Nieuw Statendam der Holland America Line, von Fort Lauderdale über die Bahamas, die Dominikanische Republik, Turks & Caicos, Half Moon Cay und zurück. Ein Erfahrungsbericht.
Ich war zugegebenermaßen skeptisch. Vor etwa dreißig Jahren hatte mir die Teilnahme an einer der ersten der in Luxemburg inzwischen berühmt-berüchtigten „Päischtcroisières“ gründlich den Appetit auf schwimmende all-inclusive Hotels verdorben. Seither habe ich Kreuzfahrten gemieden. Wenn einem dann jedoch im kaltnieseligen Luxemburger Januarwetter eine 7-tägige Kreuzfahrt in der Karibik schmackhaft gemacht wird, und das nach einer pandemiebedingten zweijährigen ReiseDurststrecke, wie könnte man da widerstehen?
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Als ich an Bord der Nieuw Statendam der Holland America Line gehe, habe ich nur eine vage Vorstellung davon, was mich auf meiner ersten Kreuzfahrt durch die glitzernde Karibik erwartet. Tag 1 – Ein glücklicher Anfang Nach der Landung in Miami und dem Transfer zum Hafen von Fort Lauderdale kommt gleich die erste angenehme Überraschung: eine gut organisierte Einschiffung mit einem reibungslosen Ablauf, weniger stressig als jede Flughafenabfertigung. Als ich mich von der Küste Floridas verabschiede, bin
KAR I B I K Chillen vor Postkarten-Idyll auf Half Moon Cay, der Privatinsel von Holland-America. Fast surreal und kitschig schön!
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Die Nieuw Statendam der Holland America Line.
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Der Leuchtturm in der Hafeneinfahrt von Nassau.
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KAR I B I K OBEN LINKS Die Statue von Queen Victoria im Regierungsviertel von Nassau.
Der Strohmarkt im historischen Gebäude in der Bay Street ist einer der größten der Welt und eine der top Sehenswürdigkeiten der Bahamas!
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ich bereits vom luxuriösen Ambiente, der schicken Ausstattung und dem herzlichen Empfang völlig überwältigt. Die Skepsis ist wie weggewischt und ich freue mich schon auf das, was kommen wird. Kurs auf die Bahamas. Das Meer ist ruhig und das kaum merkliche Schaukeln des Schiffes ist gut verträglich. Dinner für alle gibt es auf dem Lido Deck (Buffet) oder im Dining-Room, ohne Reservierung. Da viele Amerikaner auf dem Schiff sind, heißt die Formel „all you can eat“. Nun ja, wer’s mag. Die Qualität lässt jedenfalls nichts zu wünschen übrig. Wer es etwas intimer und exklusiver liebt, kann gegen moderaten Aufpreis in einem der sechs verschiedenen Spezialitäten-Restaurants einen Tisch reservieren. Man hat die Qual der Wahl zwischen Rudi’s Sel de Mer (Seafood), Canaletto (italienisch), Pinnacle Grill, Tamarind (asiatisch) und Nami Sushi.
von Angeboten erschlagen. Der Tourismus ist eine der Haupteinnahmequellen der Insel und so kann man an jeder Ecke ein Taxi oder eine Kutsche für eine Stadtrundfahrt buchen. Wir haben uns entschieden, die Stadt per pedes zu erkunden und kommen am Ende auf ganze 12 km! Von historischen Kolonialgebäuden bis hin zu urigen Bars entfaltet sich das wahre Herz Nassaus vor unseren Augen. Auch die bunten Häuschen entlang des Hafens und natürlich den berühmten Straw Market lassen wir nicht aus. Lediglich das touristische Atlantis vermeiden wir, auch wenn es viele Besucher fast ausschließlich zu dieser imposanten künstlichen Oase zieht. Am späten Nachmittag gehen wir erschöpft, aber voller positiver Eindrücke (und mit schicken neuen Hüten vom Strohmarkt) wieder an Bord der Nieuw Statendam.
Tag 2 – Nassau, Bahamas: Mehr als ein Touristenparadies Im Morgengrauen erreicht das Schiff die quirlige Hauptstadt der Bahamas. Nassau ist bunt, laut und chaotisch. Es gibt jede Menge Angebote für Entdeckungstouren, per Bus, per Pferdekutsche, per Taxi. Wer es versäumt hat, vorab an Bord eine solche Tour zu buchen, wird im Hafen geradezu
Tag 3 – auf See Den dritten Tag verbringen wir auf See, derweil das Schiff auf die Dominikanische Republik zusteuert. Langweilig wird uns nicht, dafür wird auf unserem schwimmenden Paradies gesorgt: Entspannung am Pool, relaxende Spa-Behandlung, interessante Vorträge und Workshops, kulinarische Vorführungen – auf der Nieuw Statendam
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Der Leuchtturm von Cockburn Town, an der Nordspitze der Insel Grand Turk.
gibt es jeden Tag Gelegenheit, etwas Neues kennenzulernen und sich mit anderen Passagieren auszutauschen, was ein Gefühl von Gemeinschaft und Kameradschaft entstehen lässt. Das klassische „Captain’s dinner“ wurde durch „dressy“ Abende ersetzt, so dass unsere mitgebrachte Abendgarderobe zum Einsatz kommt. Tag 4 – Amber Cove, Dominikanische Republik Nächster Hafen: Amber Cove in der Dominikanischen Republik. Wir haben eine größere Tour gebucht, die uns durch das Stadtzentrum von Puerto Plata und zu einigen der bekanntesten Sehenswürdigkeiten führt. Die berühmte „Umbrella Street“, eine Touristenattraktion mit über den Köpfen der Besucher schwebenden bunten Sonnenschirmen, ist die typische Instagram-Location und wimmelt von Touristen. Ebenfalls auf dem Programm: das Casa Museo Gregorio Luperón, das gänzlich dem Nationalhelden und Präsidenten Gregorio Luperón gewidmet ist. Er war der Anführer bei der Wiederherstellung der Dominikanischen Republik nach der spanischen Annexion im Jahr 1863. Ebenfalls auf dem Programm steht das imposante Fort San Felipe di Puerto Plata aus dem 16. Jahrhundert, das majestätisch den Ozean überblickt. Abgerundet wird unser
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Ausflug durch den Besuch einer lokalen Rumfabrik, inklusive Verkostung. Der Rum ist vollmundig, wärmend und perfekt karibisch. Tag 5 – Grand Turk, Turks and Caicos: Keine Insel wie jede andere Kap auf Grand Turk, historisches, kulturelles und wirtschaftliches Zentrum der Inselgruppe Grand Turks and Caicos. Die vorab gebuchte Besuchstour führt uns einmal ganz um die nur knapp 10 Kilometer lange und 1,5 Kilometer breite Trauminsel. Außer dem Wahrzeichen der Insel, einem majestätischen Leuchtturm, der hoch aufragend, wie ein Leuchtfeuer, als Symbol für die Geschichte und die Widerstandskraft der Insel steht, gibt es nicht wirklich viel zu sehen. Das postkartenblaue Wasser und die weißen Sandstrände sind allgegenwärtig. Ein Kuriosum sind sicher die unzähligen halbwilden Esel, die die Insel bevölkern und überall an (und manchmal auf) den Straßen herumlungern. Tag 6 – Half Moon Cay: Willkommen im Paradies Das Tüpfelchen auf dem i ist die letzte Station unserer Reise: Half Moon Cay, die Privatinsel von Holland America. Mit seinen puderweißen Stränden, die in türkisfarbenes Wasser übergehen, scheint dieser Ort einem Traum entsprun-
KAR I B I K OBEN RECHTS Von den Festungsmauern des Fort San Felipe in Puerto Plata überblickt man den Ozean.
UNTEN LINKS Half Moon Cay; die Privatinsel von Holland America, gleicht einem Postkartenidyll.
Umbrella Street, DIE Touristenattraktion in Puerto Plata.
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USA
Fort Lauderdale Nassau BAHAMAS
Half Moon Cay
Grand Turk
KUBA
Amber Cove HAITI
DOMINIKANISCHE REPUBLIK
JAMAIKA
Besuch auf der Kommandobrücke und Treffen mit dem Kapitän Eric Barhorst.
gen zu sein. Chillen bis zum Abwinken, Cocktails und Barbecue, schöner kann das Leben nicht sein! Als krönenden Abschluss haben wir die einmalige Gelegenheit, mit Stachelrochen zu schwimmen. Eine touristische Attraktion, aber dennoch einzigartig. Tag 7 – Zurück nach Fort Lauderdale Unser letzter Tag an Bord der Nieuw Statendam ist von einem besonderen Privileg geprägt: ein Treffen mit dem Kapitän und dem Chefkoch, gefolgt von einer exklu-
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siven Führung hinter die Kulissen des Kreuzfahrtschiffes. Die Leidenschaft und das Engagement der Besatzung sind spürbar und tragen dazu bei, dass wir das gesamte Kreuzfahrterlebnis noch mehr zu schätzen wissen. Während der gesamten Reise wurden wir in den verschiedenen Spezialitätenrestaurants des Schiffes verwöhnt. Jede Mahlzeit war eine kulinarische Reise für sich, von raffinierter französischer Küche bis hin zu scharfen asiatischen Kreationen, alles meisterhaft zubereitet und präsentiert.
Die Kreuzfahrt an Bord der Nieuw Statendam war mehr als nur ein Urlaub. Es war ein Mosaik aus Erfahrungen, Kulturen, Geschmäcken und unvergesslichen Momenten, die weit über das Gewöhnliche hinausführten und mich endgültig mit dem Thema Kreuzfahrt versöhnten. Als die karibische Sonne an unserem letzten Tag untergeht, bleibe ich mit einer Fülle von Erinnerungen und dem unstillbaren Wunsch zurück, bald wieder in See zu stechen. www.hollandamerica.com
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Blick zurück auf Ho-Chi-Minh-Stadt mit der Cau-Thu-Thiêm-Brücke.
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In der Metropole dominieren die Zweiräder den Verkehr.
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„Hideaways“ vor Hupe und Horn Text & Fotos Annette Frühauf
In Ho-Chi-Minh-City pulsiert das Leben. Die Mopeds brausen Tag und Nacht durch die Straßen der Metropole in Südvietnam. Wir stellen Ihnen drei Orte für eine kurze Stadtflucht vor – am Saigon-Fluss, im Hochland und in der Golden Bay.
Die Wirtschaft boomt in Saigon, wie die knapp Ze h n - M i l l i o n e n - S t a d t auch heute noch oft genannt wird und die bis 1975 die Hauptstadt von Vietnam war. Hier, ganz im Süden des Landes, verzeichnet nicht nur die Wirtschaft Wachstum, die sich mehr und mehr privatwirtschaftlich organisiert. Rund sieben Millionen Zweiräder, Tendenz steigend, rollen durch das Zentrum, beladen mit ganzen Familien oder sperrigen Gegenständen wie Kühlschränken, Leitern und Gasflaschen. Die hupenden Gefährte prägen das Stadtbild und die Geräuschkulisse. Die ständig verstopften Straßen sollen laut Regierungsbestrebungen leerer werden, aber wer jetzt schon Ruhe sucht und
dem „Großstadtdschungel“ entfliehen möchte, setzt sich an der Saigon Waterbus Station ins Schnellboot und landet gut 20 Minuten später in einem kleinen, grünen Paradies. Im Schatten der tropischen Bäume geht es über Holzstege zu den 35 Villen und Suiten des An Lam Retreats Saigon River. Vögel zwitschern munter, versteckt im dichten Blätterdach. Beim Yoga, am Pool oder im tropischen SPA vergessen wir die Betriebsamkeit der letzten Tage. Am Abend tauchen die Laternen in den Ästen der Baumriesen die Holzterrasse am Flussufer in stimmungsvolles Licht. Träge treiben Teppiche aus Blättern auf dem Weg zum Mekong an uns vorbei. Der Duft der
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Blumen mischt sich mit den würzigen Aromen aus der Küche: heute gibt es vietnamesische Nudeln mit Pak Choi, gebratenem Tofu und langen, dünnen Enoki-Pilzen und Koriander sowie gebratene Frühlingsrollen, Cha giò, gefüllt mit Glasnudeln, gehacktem Fleisch Morcheln, Karotten und Fischsauce. Über den Wipfeln der sanft hin und her schwingenden Bäume liegt die Terrasse der beeindruckenden Bar. Es gibt neben einer riesigen Auswahl an Whisky, internationalen Cocktails und lokalem Bier natürlich auch Kaffee. Die Mischung aus Arabica- und RobustaBohnen tropft langsam durch das feine Filtersieb, das direkt auf die Tasse gestellt wird. Durch das weiße Moskitonetz im Zimmer dringt nachts nur das leise Rascheln der urwüchsigen Pflanzen, die das Resort wie einen Kokon umschließen. Das An Lam Retreats Saigon River ist neu renoviert und besticht mit einem tropischen Garten vor den Toren Saigons. 300 Kilometer von der einstigen Hauptstadt ist das Zen Cafe Lakeside entfernt. Der Flug nach Đà Lat, auf 1.500 Meter Höhe im Hochland Südvietnams, dauert weniger als eine Dreiviertelstunde und kostet rund 20 Euro. Mit dem Taxi fahren wir vom Flugha-
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V I E T NAM Im tropischen Garten des An Lam Retreats Saigon River finden sich überall verborgene Rückzugsorte.
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Im Hochland Dalats gibt es zahlreiche Kaffeeplantagen. Die Arabica-Blüten entwickeln sich bis zum Herbst zu rötlichen Beeren.
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Die Linh-PhuocPagode gehört zu den schönsten der Stadt.
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V I E T NAM Blick vom Zen Cafe Lakeside auf den Tuyên-Lâm-See.
fen Liên Khuong vorbei an grünen Feldern, Kaffeeplantagen und Gewächshäusern, in denen gerade Erdbeeren reifen. Đà Lat ist umgeben von Anbauflächen und der Besuch einer Kaffeeplantage lohnt sich – Vietnam zählt zu den größten Kaffeeproduzenten der Welt. Der Abendmarkt bietet vor allem Kulinarisches – Spieße mit Gemüse, Meeresfrüchten, Fisch und Fleisch. Besonders beliebt sind neben den tropischen Früchten wie Ananas, Drachen- und Stinkfrucht die kleinen, süßen Erdbeeren. Das Zen Cafe Lakeside besteht aus zwei nahezu identischen Gebäuden, die charmant auf einem Hügel über dem See Tuyên Lâm liegen und fast in der üppigen Vegetation verschwinden. Bunte Stühle und Korbsessel stehen auf der Terrasse, wo es am Abend die typische Phô-Suppe gibt, frisch zubereitet mit Blättern der Perilla, Hühnchen und Reisnudeln. Sternanis, Cassia-Zimt, Piment, Fenchel und Nelken verleihen dem traditionellen Gericht seinen exotischen Geschmack. Das Zen Cafe Lakeside, mit Blick auf den künstlich angelegten Tuyên-Lâm-See, bietet frisch zubereitete vietnamesische Speisen und Yoga, auf Anfrage.
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Im Fusion Resort Cam Ranh führen alle Wege ans tiefblaue Meer.
Beim Stadtbummel fallen vor allem die neu eröffnete Oper und das Lotus Café auf. Die Gebäude sind von fast schon kitschiger Architektur, die nur noch von der des „verrückten“ Hauses übertroffen wird – hier führen die Treppen auch einfach einmal ins Nichts. Noch mehr staunen wir über den Freizeitpark „Tunnel Clay“, den vor allem chinesische Touristen als Fotospot lieben. Eine knappe Flugstunde von Ho-Chi-Minh-City entfernt liegt das Fusion Resort Cam Ranh. An der Küste empfangen zwei riesige, triumphartige Bögen die Besucher der Golden Bay, der Riviera Vietnams. Die Cam-Ranh-Bucht, die
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vielleicht schönste Tiefseewasserbucht Vietnams, 30 Kilometer von Nha Trang entfernt, soll die Resorts mit Leben füllen – einige überragen jetzt schon als Hochhäuser die Palmen. Malerisch säumen Palmen die Zufahrt zum Fusion Resort, das sich mit seinen zweistöckigen Bungalows wunderschön in die scheinbar unberührte Küstenlandschaft fügt. Hier haben wir die Wahl zwischen einem großen Pool im tropischen Garten, dem Infinity-Pool mit Meerblick und einem fast schon makellosen, weißen Sandstrand, an dem sich heute auch größere Wellen im türkisfarbenen Wasser brechen.
Die täglichen Yoga-Stunden finden am Seerosenteich statt, zum summenden Geräusch der Klangschale gibt es ein kleines Froschkonzert. Auch vietnamesische Massage gehört zum Programm der Anlage und lässt uns die Leichtigkeit des Seins empfinden. Mit dem Taxi sind es 30 Minuten ins quirlige Nah Trang, das Strandbars, Nachtclubs und Shopping-Zentren bietet. Wir genießen die Auszeit im Paradies, wunschlos glücklich. Das Fusion Resort Cam Ranh besticht durch seinen Service und Freundlichkeit, nachts hört man das Meer rauschen und tagsüber lockt der lange, feine Sandstrand.
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CHINA
Hanoi
LAOS
THAILAND
10° N 106° O vietnam.travel
KAMBODSCHA
Vietnam
Ho-Chi-Minh-City
Unbedingt In Vietnam ist eine Massage fast schon Pflicht. Das Hochgefühl ist einmal täglich im Fusion Resort Cam Ranh inklusive.
Bloß nicht Beim Überqueren der Straßen nicht stehen bleiben. Das bringt die vorbeirollenden Mopedfahrer durcheinander.
Geheimtipp Die Phô-Suppe im Zen Cafe Lakeside wird frisch zubereitet und mit essbaren Blättern und Kräutern serviert.
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Fidschi – malerische Trauminseln Text Annemarie Hastert
Das Südseeparadies am Ende der Welt verzaubert mit verheißungsvollen Liedern, der berühmten „Fiji Time“ und perfekter Gastfreundlichkeit.
Es ist „Fiji time“! Tauchen Sie mit REESEN in eine fremde und faszinierende Kultur ein. Wonach Sie auch immer suchen, diese pazifischen Inseln lassen Märchen wahr werden. Den Höhepunkt aller weltweiten Tauchgänge bildet eine Tauchreise am berühmten Regenbogenriff, dem Great White Wall. In dieser Weltklasse-Höhle schimmern die Riffwände weiß. Die dort wachsenden Weichkorallen sind in Wirklichkeit lavendelfarben bis tiefviolett gefärbt. Allerdings ist die Wand so geneigt, dass kein direktes Sonnenlicht auf sie fällt und so dem Taucher der Eindruck vermittelt wird, er würde sich mitten im tiefblauen Meer vor einer schneebedeckten Riffwand befinden, die bis zu 60 Meter hinab in die Tiefe geht. Dieses mystische Unterwassererlebnis gibt es jedoch nur zu einer
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bestimmten Tageszeit, die die Tauchschulen natürlich kennen. Nur in diesem einzigen Fall existiert die berühmt-berüchtigte Fiji Time nicht. Im Pazifik ticken die Uhren langsamer. Darauf wurden wir bereits bei der Ankunft von unserem Fahrer, dem selbsternannten „FBI“-Boy (Fijian Born Indian) hingewiesen: „Ihr habt die Uhr, wir haben die Zeit.“ Taveuni, sattgrüne Vegetation Das Eiland liegt genau auf dem 180. Längengrad. In der verschlafenen Ortschaft Waiyevo gibt eine Tafel Auskunft darüber, wo einst die Internationale Datumsgrenze verlief. Derjenige, der östlich der Landmarke stand, befand sich im Gestern; derjenige, der westlich weilte, lebte im Heute. Aktuell befindet sich die offiziell praktizierte Datumsgrenze östlich von Fidschi.
F I DS C H I Mein Mann taucht leidenschaftlich gerne in die faszinierende und intakte Unterwasserwelt mit blühenden Korallengärten ab.
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Nehmen Sie sich Zeit, um alle Schönheiten der Natur zu entdecken. Eine unglaubliche Flora und Fauna erwartet Sie in diesem Südsee-Paradies. Erleben Sie Dschungel-Feeling pur.
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Ein wahres Highlight: Wasserfälle im Bouma National Heritage Park auf Taveuni mit natürlichen Schwimmbecken.
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UNTEN LINKS Am südlichen Ende der Hauptstraße durch Nadi wartet der größte Hindutempel südlich des Äquators, ein kulturelles Must-see.
Naturliebhaber sollten sich einen Spaziergang durch den Garten des schlafenden Riesen gönnen.
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F I DS C H I Da Taveuni zu den regenreichsten Regionen der Erde zählt, charakterisiert sich diese sattgrüne Garteninsel durch eine reiche Flora und tropische Regenwälder. Jeden Nachmittag prasseln die Regentropfen von den Bäumen herab. Die drei berühmten Tavoro-Wasserfälle sollen deshalb morgens erklommen werden. Ein Bad im ersten Becken ist ein absolutes Muss; hier ließ Brooke Shields im Film „Die Blaue Lagune“ die Hüllen fallen. Am Gipfel entschädigt eine unvergessliche Sicht auf die strahlend weißen Sandstrände, von kristallklarem Wasser umspült, für die Strapazen des Aufstiegs. Viti Levu, prägende Erlebnisse auf der Hauptinsel Die wichtigste Drehscheibe des Südpazifiks bietet einen lebhaften Lokalmarkt in Nadi. Des Weiteren beherbergt Nadi den größten hinduistischen Tempel der südlichen Hemisphäre. Das Innere des reich verzierten „Sri Siva Subramaniya Swami“-Tempels darf allerdings nur von Hindus betreten werden. Und dann gibt es noch den „Garden of the Sleeping Giant“, einen Nationalpark mit unter anderem einer umfangreichen Orchideensammlung. Den Garten des schlafenden Riesen am Fuße des Nausori-Hochlandes zu durchwandern ist eine grandiose Erfahrung! Die Hauptstadt Suva punktet mit ihren kolonialen Regierungsgebäuden nahe dem Queen Elizabeth Drive. Informieren Sie sich im Vorfeld über die Zeit des feierlichen Wachwechsels am Präsidentenpalast, jeweils in der ersten Monatswoche. Das 1955 eröffnete Fiji-Museum „Vale Ni Yaya Maroroi“ beherbergt u. a. Kulturexponate und historische Artefakte, die über 3.700 Jahre alt sind. Von James Cooks Entdeckung Ozeaniens über die Zeit der Kannibalen bis hin zur Ein-
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gliederung Fidschis in das Britische Weltreich ist alles dokumentiert. Mir persönlich bleiben das Ruder der HMS Bounty, einem Dreimaster der britischen Admiralität, der 1787 zu einer Südseereise aufbrach, sowie Thomas Bakers tragische Geschichte in ewiger Erinnerung. Der englische Missionar wurde 1867 von Anhängern der fidschianischen Religion getötet und, wie es scheint, im Bergdorf Nabutautau verspeist. Seine teils zerfetzten und angebissenen Schuhsohlen wie auch seine Bibel sind im Museum hinter einer Glaswand ausgestellt. Für Historiker bleibt es eine Herausforderung, die Wahrheit herauszufinden. Eintauchen in die packende einheimische Kultur Besonders stimmungsvoll sind die traditionellen Begrüßungs- und Abschiedsshows: In Kriegerkleidung gehüllt, spielen die Einheimischen verheißungsvolle Klänge auf der „Fijian-Lali“, einer Stock-Trommel, benutzen eine Muschel zum Musizieren oder eskortieren ihre Gäste wie VIPs zum Feuerlauf, dem „Vilavilairevo“. Diese einzigartige Gabe des gemütlichen Laufens mit nackten Fußsohlen auf glühenden Steinen geht auf ein uraltes Ritual zurück. Das Herzstück der fidschianischen Kultur gipfelt in einem Lovo-Essen. Vor dem gegarten Essen aus dem Erdofen gibt es eine Kava-Zeremonie. Kava (Yaqona), das Nationalgetränk, wird aus der getrockneten und anschließend zerkleinerten Wurzel des Pfefferstrauches unter Wasseraufguss gewonnen. Diese traditionelle Zeremonie, durchgeführt vom Dorfvorsteher, gehört seit Urzeiten zur Kultur der Fidschianer. Sie findet
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F I DS C H I Was gibt es Schöneres, als mit solch einer Panoramasicht auf Nanuya Levu aufzuwachen? Dieser Eine-Million-DollarBlick garantiert sofortige Entschleunigung.
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F I DS C H I Vorbereitungen für das fidschianische Nationalgetränk Kava, auch Rauschpfeffer genannt. Aber keine Angst, Sie werden beim Probieren in keinen Rauschzustand verfallen.
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Die Kava-Trinkzeremonie wird heute gerne von den Fidschianern in einer gemütlichen Runde mit den Touristen zelebriert.
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auf einer rechteckig geflochtenen Matte im „Bure“ des Häuptlings, einer traditionell gedeckten Hütte aus Palmwedeln, statt. Jeder, der diese Behausung betritt, muss den Nationaldress, den „Sulu“ (einen Wickelrock aus festem Baumwollstoff) anziehen. Von der „Tanoa“ (einer holzgeschnitzten Kava-Schale) wird eine geflochtene Kordel aus „Magimari“ (Kokosbastfasern) zum Platz des Häuptlings ausgelegt. Im Raum sitzen weitere Dorfbewohner, teilweise mit traditionellen Tätowierungen. Mit einem Bündel Bast wird die Kava zerdrückt. Eine Person
gießt lauwarmes Wasser auf die zerkleinerten Bestandteile der KavaWurzel. Ist der zementfarbige Sud fertig, wird er filtriert. Zum Schluss wird das Bastbündel über die rechte Schulter geworfen. Somit werden die ausgefilterten Reste der KavaWurzel entfernt und das Bündel wird über die Schulter zurückgereicht. Ein Ausschenker übergibt das fertige Getränk zuerst dem Häuptling, dann den Gästen. Jeder Gast muss zuerst in die hohle Hand klatschen, die Schale mit dem Ausruf „Bula“ (hier: Zum Wohl, sonst meistens Hallo / Willkommen) entgegenneh-
men, sie in einem Zug austrinken und mit den Worten „Vinaka vakalevu“ (vielen Dank) zurückgeben. Das Abschiedslied „Isa Lei“ rührt mich jedes Mal zu Tränen. Aber ich verspreche den Einheimischen zurückzukommen und verabschiede mich mit dem Satz: „Au loloma ni iko“, was in der Sprache der Fidschi-Insulaner „ich liebe euch alle“ bedeutet. Fidschi sollte auf der Wunschliste eines jeden Reisenden stehen, denn Erinnerungen sind die Juwelen, die nicht gestohlen werden können.
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VANUA LEVU
TAVEUNI
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17° S 178° O fiji.travel Nadi
VITI LEVU
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Unbedingt Die malaria- und gelbfieberfreien Fidschi-Inseln können Sie sowohl individuell als auch in der Gruppe bereisen. Wir haben dreimal eine individuelle, selbstorganisierte Reise gewählt. Spaziergänge durch unberührte Landschaften und Tauchgänge im kristallklaren Wasser, das in allen erdenklichen Türkistönen schimmert. Probieren Sie das traditionelle Lovo-Essen mit einem Schluck Kava.
Bloß nicht In der südpazifischen Zyklon-Saison dorthin fliegen. Also meiden Sie großzügig die Monate Dezember bis April. Schauen Sie nicht auf die Uhr. Lassen Sie sich Zeit und genießen Sie die „Fiji-Time“ in allen Zügen.
Geheimtipp Eine private Insel bietet den idealen Rahmen für eine Entschleunigungstherapie. Sie verspricht puren Wohlfühlcharakter. Oder mieten Sie sich einen lokalen Fahrer / Reiseführer, der Ihnen alle Naturschönheiten der Insel zeigt. Er kann Ihnen auch mehr über die einzigartige Geschichte und das Leben der Einheimischen erzählen. Es gibt diverse Anreisemöglichkeiten: zum Beispiel über Dubai und Auckland; Dubai und Brisbane; Hongkong; Los Angeles mit diversen Fluggesellschaften (Emirates / Air New Zealand; Lufthansa / Cathay Pacific).
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d’Welt entdecken!
Erfüllen Sie sich mit ULT den Traum Ihrer Fernreise und schaffen Sie Erinnerungen fürs Leben. Es erwarten Sie spannende neue Länder sowie unbekannte Kulturen! Über alle Kontinente verteilt hat ULT für jeden Geschmack etwas Passendes im Gepäck: Flugreisen, Kreuzfahrten, Busreisen und Zugreisen.
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Verkaufsstand für Satay im Hawker Center Lau Pa Sat. Diese Fleischspieße verkaufen sich wie warme Semmeln!
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UNTEN Im Hawker Center Lau Pa
Sat sind die Tische jeden Abend voll besetzt mit Einheimischen, Ausländern, „Expats“ und Touristen.
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Genüsse von Streetfood bis Sterneküche Text & Fotos Philippe Bourget
Vom Streetfood der Hawker Centres hin zu Sternerestaurants und Cocktailbars hoch oben in Wolkenkratzern: Der Stadtstaat Singapur ist allein wegen seiner exzellenten Küche eine Reise wert. Die multikulturelle Metropole behält zudem die Umwelt im Blick und setzt auf lokale Produkte und Nachhaltigkeit.
Lau Pa Sat, 20 Uhr, an einem Freitagabend. Es herrscht reges Treiben in diesem Hawker Centre, das nur unweit des New Financial District, einem der Finanzzentren Singapurs, gelegen ist. Die Warteschlangen vor den zahlreichen Streetfood-Anbietern sind lang: Lokale, chinesische, koreanische oder vietnamesische Spezialitäten werden in diesem im viktorianischen Stil gehaltenen Food-Court aufgetischt. Es duftet nach Gegrilltem, Herzhaftem, Zuckrigem. Unter den großen Ventilatoren, die frischen Wind in die schwere Stadtluft bringen, und im Außenbereich sind die Tische voll besetzt. Eine Bedienung gibt es nicht. Jeder nimmt seine Bestellung und setzt sich
hin, wo er möchte … oder kann. Die Stimmung ist laut und ausgelassen. Es ist die Stimmung eines blühenden, sorgenfreien Stadtstaats. Lau Pa Sat, ein historischer Hawker Centre Lau Pa Sat ist unter anderem bekannt für sein Satay, kleine Spieße mit mariniertem, würzigem Fleisch. Dieses historische Hawker Centre (wörtlich: Straßenhändler-Zentrum) entstand, als die einstmals mit Karren durch die Gegend ziehenden Händler gebeten wurden, sich an gewissen Standorten niederzulassen. Der achteckige Stahlbau wurde in den 1830erJahren errichtet und seitdem perfekt restauriert. Eine kulinarische
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Ausnahmeerscheinung ist dieses Hawker Centre jedoch nicht. Es ist nur eins von rund 100 in ganz Singapur. Sie alle sind die Hüter einer Streetfood-Tradition, in der ein Schälchen Nudelsuppe oder eine Portion Chicken Rice oder Indian Rojak, diese köstlichen Teigteilchen mit Nudeln, Garnelen und Kartoffeln, jederzeit zu haben sind. Peranakan-Kultur Die Auswahl in den Hawker Centres ist groß, stehen diese doch stellvertretend für die ethnische Vielfalt dieser Stadt. Hier leben vor allem Chinesen, Malaien, Inder, Indonesier und Koreaner, aber auch Singapurer, die von den ersten chinesischen Siedlern abstammen, die mit ihrer Peranakan-Kultur im Gepäck im 16. Jahrhundert aus Malaysia kamen. Das Hawker Centre Tiong Bahru Market im gleichnamigen Viertel im Süden der Stadt ist am Wochenende ebenfalls gut besucht. In seinem schönen Rundbau empfängt es Liebhaber von Wanton Mee (Nudeln mit Eiern und gefüllten Teigtaschen), Chwee Kueh (gedämpfte Reiskuchen und Rettich) und von mit Schweinefleisch gefüllten Brötchen. Austernkuchen im Maxwell Food Centre! Im Stadtviertel Little India ist das Tekka Centre einer der kulinarischen Mittelpunkte des Subkontinents. Im Untergeschoss dieses Orts, der mit zahlreichen
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Geschäften und einem Lebensmittel- und Tiermarkt lockt, befinden sich mehrere Imbissstände. Neben Indian Rojak werden der bunt gemischten Kundschaft dort auch Snacks wie die berühmten Dums Briyani – Fleischgerichte mit würzigem Reis – angeboten. Chinatown, eine riesige Enklave mit vier verschiedenen Bereichen, besticht ebenfalls mit seinen Streetfood-Ständen. Das Maxwell Food Centre mit seinen dicht aneinandergereihten Ständen und Leuchtreklameschildern ist eine beliebte Anlaufstelle für die Angestellten des Viertels sowie für Familien. Neben Chicken Rice gehören Shepherd’s Pie and Devil’s Curry, ein äußerst scharfer Hackfleischauflauf, zu den Spezialitäten dieser mehrfach preisgekrönten Stände. Auch am Fuzhou Oyster Cake ist kein Vorbeikommen. Dieser Austernkuchen ist ein Geschmackserlebnis der ganz besonderen Art. Das ehemals günstigste Sternerestaurant der Welt Der Chinatown Complex ist weit über die Grenzen hinaus bekannt. Dieser Food-Court kam zu Weltruhm, als der Guide Michelin dem dortigen Imbissstand Hawker Chan (bekannt für sein Bak Chor Mee, Nudeln mit Hühnchen und Sojasauce) 2016 einen Stern verlieh. Das günstigste Sternerestaurant der Welt darf sich zwar mittlerweile nicht mehr mit der Auszeichnung schmücken, der Food-Court selbst profitiert jedoch
S I N GAP U R Das Marina Bay Sands Hotel mit seinem berühmten Dachpool und die offene Blütenkrone des Art Science Museum, die Wahrzeichen von Marina Bay, aus der Perspektive des CapitaSpring Buildings.
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Das Restaurant La Dame de Pic der französischen Küchenchefin Anne-Sophie Pic hat dem legendären Raffles-Hotel zu neuem kulinarischen Glanz verholfen.
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© La Dame de Pic UNTEN LINKS Anne-Sophie Pic, die mit den meisten Sternen ausgezeichnete Küchenchefin der Welt, hat für La Dame de Pic einen Michelin-Stern im Jahr 2022 erhalten.
© Hublot
Die Küche von Anne-Sophie Pic vereint gekonnt asiatische mit französischen Produkten.
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© La Dame de Pic
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S I N GAP U R noch heute davon. Nicht weniger als 260 Stände lassen hier FoodieHerzen höherschlagen. Internationale Spitzenköche Apropos Guide Michelin: Singapur darf mit Stolz behaupten, die Heimat einiger der besten Restaurants Asiens zu sein. Sein Wohlstand, die gehobene Lebensweise einiger Einwohner und seine internationale Kultur locken immer neue Investoren an. Luxushotels und -restaurants schießen wie Pilze aus dem Boden und ziehen die besten Köche der Welt an. Ganze 42 Restaurants dürfen sich mit einem Michelin-Stern schmücken, darunter, seit 2022, La Dame de Pic im berühmten Hotel Raffles, dessen Karte die Handschrift der französischen Spitzenköchin Anne-Sophie Pic trägt. Sieben Etablissements wurden mit zwei Sternen ausgezeichnet. Die Restaurants Odette, Zen und Les Amis stehen mit drei Sternen ganz oben auf dem Treppchen. Die höchstgelegene urbane Farm der Welt Wer nicht unbedingt in einem Sternerestaurant speisen möchte, findet in Singapur tausende Adressen, die alle von der kulturellen Vielfalt der Stadt inspiriert sind – von der Fusionsküche hin zur Cocktailbar im trendigen Lounge-Look. Auf den Dächern von Wolkenkratzern oder in angesagten Vierteln erwarten Besucher viele kulinarische Entdeckungen. In der 51. Etage des kürzlich erbauten CapitaSpring-Gebäudes im Central Business District folgen die Restaurants Kaarla und Oumi diesem Trend. Während das erste mit australischer Küche aufwartet, lockt das zweite seine Kunden mit japanischen Spezialitäten. Sie arbeiten beide mit Zutaten aus
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Das Oasia Hotel, ein „green-green“ Gebäude im zentralen Stadtteil Tanjong Pagar. Seine Gartenfassade verändert sich im Laufe der Jahre.
Auf seiner hydroponischen Farm Sprout Hub (auch City Sprouts genannt) entwickelt Zac Toh, der Gründer, eine lokale, nachhaltige und urbane Landwirtschaft.
dem benachbarten Sky Garden, der sich als die höchstgelegene urbane Farm der Welt präsentiert. Gemüse, Obst, Kräuter ... 130 Pflanzen wachsen dort in 280 m Höhe und genießen einen schwindelerregenden Blick auf die Supertanker, die in der Bucht vor Anker liegen. Ökologischer Wandel Das Gebäude verkörpert das Umweltbewusstsein einer Stadt, die es sich zum Ziel gesetzt hat, ihren Energiekonsum zu senken und ihre Kohlenstoffemissionen auf spektakuläre Art auszugleichen. Der
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6 Millionen Einwohner starke Tigerstaat nimmt nicht nur eine führende Position im Finanzwesen und Seehandel ein, sondern glänzt auch in Sachen Wirtschaftswachstum und Nachhaltigkeit. Jedes neue Bürogebäude muss die Bodenfläche, die durch seinen Bau verloren geht, durch Grünflächen ausgleichen. Unzählige Gartenetagen, hochgelegene Mikro-Farmen und Pflanzenwände sind so entstanden – wie im Oasia Hotel, dessen Gartenfassade seit seiner Eröffnung 2016 grünt und gedeiht. Das ParkRoyal Collection Pickering beeindruckt
mit seinem „vertikalen Wald“ und hängenden Gärten. In dieser Stadt, die 10 % ihrer Oberfläche der Landwirtschaft widmet, sind Hydroponik und Restaurants, deren Küchen mit frischen Zutaten direkt aus dem Garten arbeiten (Kaarla und Oumi, aber auch Open Farm Community), immer mehr im Kommen. Und so ist die multikulturelle Millionenstadt Singapur nicht nur Weltmeister der internationalen Küche, sondern setzt auch – aus Notwendigkeit und Imagegründen – im Bereich der nachhaltigen Entwicklung ein ganz deutliches Zeichen.
S I N GAP U R
Breviarium
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MALAYSIA
SINGAPUR Central Catchment Nature Reserve Little India Chinatown
Katong-Joo Chiat
Lau Pa Sat Sentosa
Unbedingt Die kulinarische Reise geht einher mit einem völlig neuen Eintauchen in die Kultur. Katong-Joo Chiat ist das traditionsreiche Viertel der Peranakan. In den farbenfrohen Häusern der Shophouses kann man Perlenstickereien und Delikatessen wie Kueh Salat, einen Reiskuchen mit Kokosnuss und Pandan (bei Rumah Bebe), entdecken. In Chinatown gibt es buddhistische Tempel und medizinische Stände. Little India ist überfüllt mit Stoffläden und Ayurveda-Zentren. Kampong Glam schließlich, das malaiische Viertel, ist von der muslimischen Kultur geprägt. Die Besucher strömen in die Mode- und Deko-Shophouses, während andere zur Masjid Sultan Moschee pilgern.
Bloß nicht Wer eher wilde Küsten und unberührte Horizonte liebt, sollte sich die Reise nach Sentosa sparen. Diese Insel, die durch eine Einschienenbahn mit der Stadt verbunden ist, ist ein echter Badeort und bietet eine Fülle von Hotels, Strandbars, Freizeitanlagen, eine Shopping Mall, einen Golfplatz, Eigentumswohnungen... All das in einem sterilen Hightech-Dekor, das die ursprüngliche Natürlichkeit der Insel übertüncht. Die meisten Strände sind künstlich angelegt und blicken auf die vor der Küste kreuzenden Containerschiffe.
Geheimtipp Trotz seiner unglaublichen Dichte gibt es in Singapur viele Grünflächen, die wie eine Atempause wirken. Rund um das MacRitchie-Reservoir befindet sich das Central Catchment Nature Reserve, Singapurs größtes Naturschutzgebiet. Auf dem Programm stehen Wanderwege, der Wald, ein Aussichtsturm und frei lebende Affen. In der Bucht von Singapur gibt es auch mehrere kleine Inseln, die zu Ausflügen einladen. Lazarus Island hat einen Strand, der die Form einer perfekten Muschel hat. Auf Kusu Island gibt es Meeresschildkröten und einen schönen chinesischen Tempel. Pulau Ubin schließlich schützt sein Kampong (Dorf) noch wie früher.
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Im Oktober geht die Reise weiter Verpassen Sie keine Ausgabe – abonnieren Sie REESEN! abo@reesenmag.lu reesenmag.lu 11, Um Lënster Bierg L-6125 Junglinster +352 28 99 01 11 ISSN: 2658-977X © Luxe Taste & Style S.à r.l. 4a, rue de Consdorf - L-6230 Bech Redaktion redaktion@tasty.lu Anzeigen sales@tasty.lu
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