Energie 2012 - Sonderausgabe der Leipziger Volkszeitung

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Energie Dienstag, 18. Dezember 2012

Kostenpoker Die Gewinner der Energiewende

Wie die Windmüller

Spannungsabfall

Haushalten mit Energie

Dem größten Projekt der Bundesregierung geht scheinbar die Energie aus – der Energiewende. Deutschland will ein Land mit sauberem, grünem, bezahlbarem Strom werden. Wie, das weiß die Bundesregierung auch nicht genau. Bislang bedeutet Energiewende:

Ran ans Netz Lange Leitungen sind gefragt

Explodierende Kosten, widersprüchliche Konzepte, Blockade und Gegenblockade. Die Zweifel wachsen mit schlechten Nachrichten über zunehmende Netzinstabilität und drohende Blackouts. Ist die Skepsis berechtigt? Schafft die Volkswirtschaft die Energiewende oder havariert sie gar an ihr? Die Energie-Beilage der

Ohne Kohle läuft nichts Revival des Revierschatzes

Leipziger Volkszeitung zeigt, wo das ehrgeizige Projekt ins Stocken geraten ist, und welche Aufgaben nun angepackt werden müssen.

Es werde Licht Straßenbeleuchtung per Anruf

Foto: dpa


ENERGIE REPORT

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Dienstag, 18. Dezember 2012

Von 20:80 auf 80:20 – bis zum Jahr 2050 sollen 80 Prozent des verbrauchten Stroms aus erneuerbaren Energien wie Wind, Sonne, Biomasse und Wasserkraft stammen.

Atomausstieg nicht zum Nulltarif FrĂźher war es ganz einfach mit dem Strom. Er kam aus der Steckdose. Wie das geschah, welche Voraussetzungen erfĂźllt sein mussten, das war relativ uninteressant. Doch die Zeiten haben sich geändert – massiv sogar. Erst Tschernobyl, dann die Reaktorkatastrophe von Fukushima. Die Atomenergie steht in der Bundesrepublik vor dem endgĂźltigen Aus. Die Energiewende hin zu einer Stromversorgung aus regenerativen Quellen ist eingeläutet und hat sich zu einem Megathema entwickelt. Im Jahr 2050 soll der Bruttostromverbrauch sogar zu 80 Prozent aus erneuerbaren Energien gespeist werden. Ein Weg, den die Ăźberwältigende Mehrheit der Deutschen teilt. Laut einer aktuellen Umfrage befĂźrworten auch heute, mehr als anderthalb Jahre nach Fukushima, 93 Prozent der Deutschen den Ausbau der erneuerbaren Energien. Ein neuer Kurs, der allerdings eine Menge Geld verschlingen wird. Neueste Schätzungen gehen von Kosten fĂźr die deutschen Stromverbraucher in HĂśhe von mehr als 300 Milliarden Euro allein bis zum Jahr 2030 aus. Die Netze mĂźssen ausgebaut, Entlastungen der energieintensiven Industrie finanziert werden, damit hiesige Arbeitsplätze nicht verloren gehen. Die Energiewende ist nicht zum Nulltarif zu haben. Erste Auswirkungen werden vom kommenden Jahr an auf der Stromrechnung zu spĂźren sein. Die Tarife steigen um einen zweistelligen Prozentsatz. Die Energiewende kommt jetzt so richtig beim Kunden an. Kein Wunder daher, dass die Debatte um bezahlbare Strompreise, um Ausnahmeregelungen, um Windanlagen auf hoher See, ums Energiesparen voll entbrannt ist. KĂśnnen wir es uns weiter leisten, den ungebremsten Ausbau erneuerbarer Energien mit einer fĂźr 20 Jahre festgeschriebenen EinspeisevergĂźtung fortzusetzen? Oder brauchen wir ein neues FĂśrdersystem hin zu marktwirtschaftlichen Elementen, um auf diese Weise einen dramatischen Anstieg der Strompreise abzufedern? DarĂźber streiten Politik und Wissenschaft, Verbraucher und Energieunternehmen. Klar ist auf jeden Fall, dass die Energiewende einen volkswirtschaftlichen, aber auch gesellschaftspolitischen Kraftakt darstellt. Es geht schlieĂ&#x;lich um nicht mehr und nicht weniger als die gesicherte und nachhaltige Energieversorgung, eine wichtige Basis unseres Lebens und Wirkens. Eine Herausforderung, die nur mit einer klaren und langfristig angelegten Strategie bewältigt werden kann. Unsere Energie-Beilage informiert darĂźber, macht Positionen deutlich, liefert wertvolle, auch streitbare Diskussionsbeiträge. Die Debatte wird uns die nächsten Jahren weiter intensiv beschäftigten. Der Strom kommt zwar weiter aus der Steckdose. Aber das Wissen Ăźber das Wie und Wo nimmt weiter zu.

u.milde@lvz.de IMPRESSUM Verlagsbeilage der Leipziger Volkszeitung Chefredakteur: Jan EmendĂśrfer Redaktion: Ulrich Milde, Ulrich Langer, Kai Kollenberg, Robert BĂźssow, Klaus Staeubert, Simone Liss

Politik muss Tempo machen Industrie und Kommunen mahnen zur Eile Die Energiewende läuft schleppend. Des- lastungsgefĂźhl der BĂźrger gefĂźhrt, sagt Prozent ansteigen werden – das ist der EU-Richtlinien ausgenommen werden. Die steigenden Energiekosten werden halb mahnen Industrie und Kommunen die Chefin des Meinungsforschungsinsti- hĂśchste Anstieg seit Jahren. Unter Druck ist deshalb Bundeswirt- nach Einschätzung des BDI-Präsidenten von der Politik mehr Tempo an. Wegen tuts Allensbach, Renate KĂścher. 2008 der Wahlen 2013 wĂźrden in Deutschland fĂźhlten sich 71 Prozent durch steigende schaftsminister Philipp RĂśsler (FDP). Er spätestens im kommenden Jahr bei der wichtige Entscheidungen verschleppt, Strompreise stark betroffen, 2011 seien will den Bau von Stromleitungen und Industrie zu immensen Problemen fĂźhklagt der Präsident des Bundesverban- es 56 Prozent gewesen, aktuell seien es Kraftwerken beschleunigen und dabei ren. „Wir reden nicht Ăźber Frittenbuden, des der Deutschen Industrie (BDI), Hans- nur 46 Prozent. Dies erklärte KĂścher mit die Belange des Naturschutzes zurĂźck- sondern Ăźber Grundstoffindustrien mit Peter Keitel: „Wir kommen mit der Ener- der derzeit niedrigen Arbeitslosenrate stellen. RĂśsler hat mit den Landesregie- Hunderttausenden von Arbeitsplätzen. giewende nicht vernĂźnftig voran.“ Zur und steigenden Einkommen. 90 Prozent rungen von Hessen und Bayern sowie Von denen hängt der Erfolg der Energielange zĂśgerlichen Zusammenarbeit von aller Befragten rechneten aber mit stei- EU-Energiekommissar GĂźnther Oettin- wende in entscheidendem MaĂ&#x;e ab“, Bund und Ländern an einem Energie- genden Stromkosten. Das Vergleichspor- ger entsprechende Vorschläge erarbeitet. sagt BDI-Chef Keitel. konzept sagt Keitel: „Das ist eine min- tal Verivox hat ausgerechnet, dass die Vorrangige Vorhaben mit gemeinsamen Trotzdem will die Bundesregierung destens nationale Anstrengung und kein Strompreise im kommenden Jahr um 13 Interessen sollen von den einschlägigen die Strompreis-Nachlässe fĂźr die GroĂ&#x;regionales Wunschkonzert der industrie einschränken. Das BunLänder.“ desumweltministerium wird laut 7INDENERGIEĂŚINĂŚ$EUTSCHLAND 3TROMPREISĂŚ ĂŚ!BGABENĂŚSTEIGEN Der HauptgeschäftsfĂźhrer des Spiegel voraussichtlich im Februar Deutschen Städte- und Gemein- )NSTALLIERTEĂŚ7INDENERGIELEISTUNGĂŚINĂŚ'IGAWATTĂŚ '7 2013 neue Bestimmungen vorstel$URCHSCHNITTLICHEĂŚSTAATLICHEĂŚ!BGABENĂŚPROĂŚ+ILOWATTSTUNDEĂŚ3TROM FĂ”RĂŚEINENĂŚ$REI 0ERSONEN (AUSHALTĂŚ 6ERBRAUCHĂŚ ĂŚ ĂŚK7H *AHR /FFSHOREĂŚINĂŚ.ORD ĂŚUNDĂŚ/STSEE debundes, Gerd Landsberg, for- $EUTSCHLAND len, die eng an weitgehenden Empdert einen schnelleren Strom- INSGESAMT fehlungen des Umweltbundesamtes ĂŚĂŚĂŚ ĂŚ'7 3( netz-Ausbau. Als Hindernis RUNDĂŚ ĂŚ'7 angelehnt sein sollen. WĂźrde der erweisen sich oft EU-UmweltEntwurf Ăźbernommen, kĂśnnten -6 (( und Vogelschutzrichtlinien, sagt etwa der Kohlebergbau, die Ze #ENT 'ESAMT #ENT er. Sollte die Energiewende missment- und die Ziegelindustrie nicht (" lingen, drohten Wohlstandsvermehr mit verbilligtem Strom rech /FFSHORE (AFTUNGSUMLAGE "% luste, hĂśhere Arbeitslosigkeit nen. .) 5MLAGEĂŚFĂ”RĂŚNETZENTGELT und Wettbewerbsnachteile fĂźr Unterdessen legen die erneuerBEFREITEĂŚ5NTERNEHMEN "" 34 die Industrie. baren Energien bei der Strompro+7+ !UFSCHLAG +RAFT 7ĂœRME +OPPLUNG Auch der Mehrheit der Bunduktion in Deutschland weiter zu. .7 desbĂźrger geht der Ausbau der In den ersten neun Monaten dieses %%' 5MLAGEĂŚ %RNEUER 3. erneuerbaren Energien nach eiJahres wurden mit 24,9 Milliarden 4( BARE %NERGIEN 'ESETZ (% ner neuen Emnid-Umfrage nicht Kilowattstunden 50 Prozent mehr schnell genug. In der Befragung Solarstrom erzeugt als im Vorjah20 bewerteten 51 Prozent die Arbeit reszeitraum. Dies waren 6,1 Pro 3TROMSTEUER der Bundesregierung bei der zent der gesamten Strommenge. Energiewende als schlecht oder Wichtigste Ă–ko-Energiequelle bleibt +ONZESSIONSABGABE sehr schlecht. 40 Prozent zeigten Windkraft mit einem Anteil von 3, "9 sich eher zufrieden mit der 8,6 Prozent, die ihre Produktion um "7 Schnelligkeit des Ausbaus, fĂźnf acht Prozent ausbaute. Insgesamt

Prozent sogar sehr zufrieden. kamen bis Ende September 26 Pro-EHRWERTSTEUER RUNDUNGS Der bisherige Anstieg der zent des Stroms aus erneuerbaren BEDINGTE $IFFERENZEN Strompreise habe noch nicht zu Quellen. Im gesamten vergangenen einem stärkeren subjektiven BeJahr waren es 21 Prozent. 3TANDÌ*ULIÌ ÌÌÌÌ1UELLEN Ì"UNDESREGIERUNG ÌDEWI Ì'RAFIK ÌDPA 1UELLE Ì"$%7 Ì'RAFIK ÌDPA

GESCHĂœTZT

Die Braunkohle – Gewinner der Energiewende Die Energiewende verschiebt den deutschen Energiemix in beachtlichem Tempo – wenn auch nicht unbedingt in die gewĂźnschte Richtung. GrĂśĂ&#x;te Gewinner im deutschen Energiemix sind in den ersten neun Monaten 2012 die besonders teure Photovoltaik und die Braunkohle. Die Erzeugung von Solarstrom schnellte nach Zahlen der Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen (Ageb) gegenĂźber der Vorjahreszeit um gut 50 Prozent nach oben. „Die Photovoltaik setzte ihren Aufwärtstrend dynamisch fort“, stellen die Ageb-Experten fest. Die hohen Steigerungsraten deuten auf eine Art Torschlusspanik bei Solarinvestoren. FDP-Fraktionschef Rainer BrĂźderle heizte das Rennen um die FĂśrdertĂśpfe mit der Forderung nach einem Baustopp fĂźr neue Anlagen an. Gleichzeitig befeuert die Explosion der Sonnenstromerzeugung die Debatte um deren Bezahlbarkeit. Im Mix aus alten und neuen Anlagen beträgt die durchschnittliche VergĂźtung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) derzeit rund 35 Cent je Kilowattstunde. Zum Vergleich: Onshore-Windstrom wird im Schnitt mit weniger als neun Cent vergĂźtet. Entsprechend gerin-

Fotos/Grafiken/Content: dpa, dapd, AFP Anzeigen: Dr. Harald WeiĂ&#x; Herstellung und Druck: Leipziger Verlags- und Druckereigesellschaft mbH & Co. KG Peterssteinweg 19 04107 Leipzig

ger ist der Andrang der Investoren: Die Windstromproduktion stieg in den ersten neun Monaten lediglich um sieben Prozent. Zweiter groĂ&#x;er Profiteur der Verschiebungen im Energiemix ist die Braunkohle, deren Verbrauch zwischen Jahresbeginn und Ende September um sechs Prozent Ăźber dem Niveau des Vorjahreszeitraums lag. Hauptursache sei die Inbetriebnahme neuer KraftwerksblĂścke gewesen, so die Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen. RWE hatte im August zwei sogenannte BlĂścke mit optimierter Anlagentechnik im rheinischen Revier in Betrieb genommen. Braunkohlestrom gilt mit Erzeugungskosten von etwa zwei Cent je Kilowattstunde als besonders wirtschaftlich. Die Betreiber lassen die Kraftwerke deshalb so weit wie mĂśglich rund um die Uhr laufen. Dies ist oft machbar, da erneuerbare Energien allein die Stromproduktion der im vergangenen Jahr geschlossenen acht Atomkraftwerke nicht ersetzen kĂśnnen. Den Betreibern kommt zudem der dauerhaft niedrige Preis fĂźr Emissionsrechte zupass. Derzeit kostet die Lizenz, eine Tonne CO2 in die Luft abzugeben, weniger als acht Euro.

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RĂśsler verteidigt Hilfen fĂźr Unternehmen

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Das DĂźsseldorfer Oberlandesgericht hat die rĂźckwirkende Befreiung der groĂ&#x;en Stromverbraucher von den Netzkosten fĂźr das Jahr 2011 gekippt. Die Unternehmen kĂśnnten sich erst ab 2012 befreien lassen, entschied Philipp das Gericht. Im EnerRĂśsler giewirtschaftsgesetz sei eine rĂźckwirkende Befreiung nicht vorgesehen. AuĂ&#x;erdem sei die bundesweite Umlage erst ab 2012 mĂśglich. Die rĂźckwirkende Befreiung war von der Bundesnetzagentur gewährt worden. FĂźr das Jahr 2011 war die Umlage auf die Ăźbrige Kundschaft des jeweiligen Netzbetreibers vorgesehen. Dagegen hatten bereits die Netzbetreiber geklagt, Ăźber ihre Verfahren soll im kommenden Jahr entschieden werden. Auch in ihrem Fall hatte das Gericht Bedenken angemeldet: Eine komplette Kostenbefreiung sei im Energiewirtschaftsgesetz nicht vorgesehen. Die Netzkosten machen etwa ein FĂźnftel des Strompreises fĂźr private Haushalte aus. Auf Antrag kĂśnnen sich Unternehmen von den Kosten befreien lassen, wenn sie mehr als zehn Gigawattstunden Strom pro Jahr abnehmen. Die fĂźr die Netzbetreiber entstehenden Umsatzverluste werden ab 2012 durch eine bundesweite Umlage auf die Ăźbrigen Endkunden ausgeglichen. 2011 beantragten laut Netzagentur rund 270 Betriebe eine Befreiung vom Netzentgelt, davon vier in Leipzig. Rund 1300 weitere Unternehmen forderten ein individuelles Netzentgelt. Davon profitierten unter anderem Firmen, deren hĂśchster Stromverbrauch in Zeiten einer eher geringen Netzauslastung anfällt, wie beispielsweise nachts. 2012 gingen rund tausend Anträge auf individuelle Netzentgelte sowie rund 60 Anträge auf eine Befreiung vom Netzentgelt ein. Die Politik greift der Industrie anderweitig unter die Arme: Industrieunternehmen mit hohem Energieverbrauch bekommen vom nächsten Jahr an einen Ausgleich fĂźr die kräftig steigenden Foto: dpa

Von Ulrich Milde

Stromkosten

Die Verbraucher – Zahlmeister der Energiewende Dass die Kilowattstunden fĂźr Normalverbraucher vielerorts teurer werden, ist zwar nicht neu: Strom wird schlieĂ&#x;lich dauernd teurer. Neu ist aber, dass es nicht nur die steigende Umlage zur FĂśrderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien ist, die den Preis fĂźr Haushaltskunden in die HĂśhe schnellen lässt, sondern dass Kostentreiber in der gleichen GrĂśĂ&#x;enordnung hinzukommen: Neben der EEG-Umlage (plus 1,685 Cent pro Kilowattstunde) steigt nicht nur die Umlage zur FĂśrderung von Anlagen mit KraftWärme-Kopplung (plus 0,124 Cent), sondern auch die sogenannte SonderkundenUmlage (plus 0,178 Cent). Sie wird bei Haushalten und Mittelständlern eingetrieben, um stromintensive Industriebetriebe von Netzentgelten zu entlasten. Hinzu kommen noch 0,25 Cent pro Kilowattstunde, mit denen Verbraucher fĂźr VerzĂśgerungen bei der Netzanbindung von Offshore-Windparks haften sollen. Unterm Strich summiert sich die von Januar an fällig werdende Zusatzlast deshalb auf gut 2,7 Cent pro Kilowattstunde, einschlieĂ&#x;lich Mehrwertsteuer sogar auf fast 3,3 Cent. Der gegenwärtige Durchschnittspreis von rund 26 Cent pro Kilowattstun-

de erhĂśht sich so um fast 13 Prozent. Einen solchen Satz hat der Strompreis noch nie gemacht. Experten sprechen davon, dass Deutschland vor einem Strompreisknall steht. Kaum ein Thema elektrisiert die Ă–ffentlichkeit derzeit so wie die Strompreise. Mitte Oktober erreichte die Kritik ihren vorläufigen HĂśhepunkt. Da wurde amtlich, dass die EEG-Umlage von Januar an um knapp 1,7 Cent pro Kilowattstunde steigen wird. Die Energiewende, das wichtigste innenpolitische Vorhaben der schwarz-gelben Regierung, geriet dadurch in den hässlichen Verdacht, ein unsoziales Projekt zu sein: Die alleinerziehende Mutter in der Lausitz subventioniere die Solaranlage auf dem Dach des reichen Zahnarztes am Starnberger See – eine Zuspitzung, die Sachsens Wirtschaftsminister Sven Morlok (FDP) gern benutzt. Im Durchschnitt wird einem Versorger einer dreikĂśpfigen Familie mit einem durchschnittlichen Verbrauch von 3500 Kilowattstunden bis zu 150 Euro mehr pro Jahr in Zukunft abverlangt. Zwar kĂśnnen Stromverbraucher zu einem billigeren Lieferanten wechseln, kĂśnnen dabei aber vom Regen in die Traufe kommen.

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EDITORIAL

Hoffnung fĂźr die Aluminium-Industrie – wie hier in der Novelis Deutschland GmbH in Nachterstedt (Sachsen-Anhalt). Die Branche soll gefĂśrdert werden. Strompreise. Das Kabinett billigte eine entsprechende FĂśrderrichtlinie. Betriebe aus energieintensiven Branchen sollen danach einen GroĂ&#x;teil jener Kosten zurĂźckbekommen, die von 2013 an wegen des Emissionshandels auf den Strompreis umgelegt werden. Die Kompensation wird nach Schätzungen der Bundesregierung allein 2014 rund 350 Millionen Euro kosten. Wirtschaftsminister Philipp RĂśsler (FDP) will damit Arbeitsplätze sichern und die Verlagerung wichtiger Industriesektoren ins Ausland verhindern. Bei Umweltverbänden stĂśĂ&#x;t das Vorhaben auf scharfe Kritik. RĂśsler verteile weiter Geschenke an die deutsche Industrie, während die Verbraucher leer ausgingen, erklärt der Naturschutzbund. Zu den 13 Sektoren, die Anspruch auf FĂśrderung haben, gehĂśren laut Wirtschaftsministerium unter anderem die Aluminium- und Kupferindustrie, der Eisenerzbergbau sowie Holz- und Zellstoffindustrie. Insgesamt stellen diese Betriebe rund 830 000 Arbeitsplätze. Sie sollen zunächst eine Kompensation in HĂśhe von 85 Prozent ihrer emissionshandelsbedingten Stromkosten erhalten. Der Ausgleich soll bis 2020 auf 75 Prozent fallen.


ENERGIE REPORT

Dienstag, 18. Dezember 2012

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Fossile Energieträger wie Kohle, Gas, ErdÜl und Holz sollen in Zukunft ihre Hauptrolle verlieren.

Ausbaustrategie

Die Stunde der Energieberater

Homann gegen Masterplan Energie

Foto: dpa

Der Präsident der Bundesnetzagentur, Jochen Homann, warnt vor einem unkontrollierten Ausbau von Ă–koenergiequellen. „Es ist nicht sinnvoll, Ăźberall Stromerzeugungsanlagen zu bauen, ohne RĂźckJochen sicht darauf, ob NetzHomann anschlĂźsse vorhanden sind“, sagte Homann. Er begrĂźĂ&#x;te es, dass die Ministerpräsidenten sich auf eine nationale Ausbaustrategie geeinigt haben. „Das ist dringend nĂśtig. Wir haben 2011 dreimal so viel Strom abriegeln mĂźssen wie 2010. Es mussten mehr als 30 Millionen Euro fĂźr Strom gezahlt werden, der nicht gebraucht wurde“, sagte Homann. „Strom, der im Norden produziert wird, muss wegen Leitungsmangel Ăźber Polen und die Tschechoslowakei transportiert werden und verursacht dort Probleme.“ Homann rechnet mit weiter steigenden Strompreisen. „In den kommenden Jahren werden die Netzentgelte steigen, weil der fĂźr die Energiewende notwendige Ausbau des Stromnetzes finanziert werden muss.“ Die Bundesnetzagentur teilt sich die Zuständigkeit in vielen Bereichen mit den Bundesländern. Berlin, Brandenburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und ThĂźringen haben ihre Aufgaben im Rahmen einer Organleihe an die Bundesnetzagentur Ăźbertragen. Damit werden rund 80 Prozent des Gas- und 90 Prozent des Strommarktes von ihr Ăźberwacht.

Statistisches Bundesamt

Mehr Geld fĂźr Umweltschutz Ob Abwasser, Abfall oder Energie – Unternehmen in Deutschland lassen sich den Umweltschutz zunehmend Geld kosten. Das produzierende Gewerbe – ohne Bau – gab 2010 rund 24 Milliarden Euro fĂźr Umweltschutz aus. Das waren 7,6 Prozent (400 Millionen Euro) mehr als noch 2009, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Insgesamt gaben die Unternehmen mit neun Prozent jeden elften Investitions-Euro fĂźr den Umweltschutz aus: Sechs Milliarden Euro wurden fĂźr Investitionen in Anlagen ausgegeben. Mehr als die Hälfte davon wurden fĂźr Abwasserentsorgung (1,7 Milliarden Euro) und Energieversorgung (1,5 Milliarden Euro) eingesetzt. 2009 waren es mit 8,8 Prozent etwas weniger.

Fotos (8): dpa, dapd

Experten helfen, die Kostenfallen im Haushalt zu finden – und dafĂźr gibt es Geld vom Staat Es lässt sich nicht ändern: Der Strom wird 2013 teurer. Das ist die groĂ&#x;e Stunde der Energieberater – sie kĂśnnen Verbrauchern sagen, wo in ihrem Haushalt Einsparpotenzial beim Stromverbrauch steckt. Auch die Wärmeverschwendung ist ihr Thema. Staatliche gefĂśrderte Programme bieten eine Beratungsstunde schon fĂźr unter zehn Euro an. Wer einen Fachmann mit dem Ziel kontaktiert, ein Gebäude so zu sanieren, dass es weniger Energie verbraucht, muss circa 400 bis 1000 Euro ausgeben. Doch auch hierfĂźr gibt es einen Zuschuss. Wer einschätzen will, ob er zu viel Energie verbraucht, kann sich an die Energieberatung der Verbraucherzentralen wenden. „Dort gibt es bereits fĂźr fĂźnf Euro einen Gesprächstermin in der Beratungsstelle“, sagt Peter Kafke, Energieberater beim Bundesverband der Verbraucherzentralen in Berlin. Bei komplizierten Sachverhalten, die nur vor Ort gelĂśst werden kĂśnnen, kommt ein Energieberater nach Hause. „Zehn Euro kostet der Basischeck, der sich vor allem an Mieter richtet“, erläutert Kafke. Der Berater macht eine Bestandsaufnahme der Stromgeräte im Haushalt und beurteilt den Strom- und Heizenergieverbrauch. FĂźr 20 Euro gibt es den Gebäudetest inklusive Empfehlungen fĂźr eine bessere Wärmedämmung und die richtige Einstellung

der Heizungs- und Regelungstechnik. Ein weiteres Angebot ist der Brennwertcheck. „Rund 2,5 Millionen Brennwertkessel bleiben unter ihren MĂśglichkeiten“, sagt Andreas Braun von der gemeinnĂźtzigen Beratungsgesellschaft co2online in Berlin. Denn der Spareffekt moderner Brennwertkessel, nämlich der zusätzliche Wärmegewinn aus den Abgasen, werde häufig nicht richtig genutzt. Das gehe zu Lasten der Energierechnung und des Klimaschutzes. Ob die Brennwertheizung optimal läuft, lasse sich mit dem BrennwertCheck ĂźberprĂźfen. Ein solcher Test der Verbraucherzentrale kostet nach Angaben von Kafke 30 Euro. Steht eine grĂśĂ&#x;ere SanierungsmaĂ&#x;-

nahme an, kann ein Energieberater die Planung unterstĂźtzen oder Ăźbernehmen. Dabei kann es sich zum Beispiel um eine Dachdämmung oder Fassadensanierung, den Austausch des Heizkessels oder den Umstieg auf einen anderen Brennstoff handeln. Ein speziell ausgebildeter Experte analysiert das Gebäude und die Energiewerte. Daraufhin stellt er einen MaĂ&#x;nahmenplan auf: Alle energetischen Verbesserungen sollen aufeinander aufbauen und langfristig angelegt sein. Die Vor-Ort-Beratung wird nach Angaben der Deutschen Energie-Agentur unter bestimmten Voraussetzungen staatlich gefĂśrdert. Die Kosten liegen bei circa 400 bis 1000 Euro, bei Ein-

Pennsylvania statt Persischer Golf

und Zweifamilienhäusern gibt es vom Staat einen Zuschuss von 400 Euro. Der Hausherr muss sich darum nicht einmal kßmmern, die Antragstellung beim Bundesamt fßr Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) ßbernimmt der Energieberater. Voraussetzung ist aber, dass der Experte fßr diese Vor-Ort-Beratung zugelassen ist. Das BAFA schreibt eine Mindestqualifikation vor: Der Berater mßsse Architekt oder Ingenieur sein. Er muss zudem eine Weiterbildung zum Energieberater vorweisen. Nicht beraten darf ein Handwerksbetrieb, der an einer Sanierung beteiligt ist, oder ein Unternehmen, das dafßr Produkte vertreibt. Angestellte bei einem Energieversorger sind ebenfalls nicht zugelassen. Rund 600 Versorger haben gerade angekßndigt, Anfang 2013 die Strompreise um durchschnittlich zwÜlf Prozent anzuheben. In die Amtszeit von Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) fällt damit einer der hÜchsten Anstiege seit Jahrzehnten. Allerdings schlagen trotz aller Stromdebatten die Kosten fßr Benzin und das Heizen der Wohnungen und Häuser weiterhin viel stärker bei den Bßrgern zu Buche. Auch hier liegt noch viel Potenzial brach. Ein Grad weniger beim Heizen bringt rund sechs Prozent Energieeinsparung.

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Die USA steigen zum grĂśĂ&#x;ten Ă–lfĂśrderer der Welt auf

Die USA werden bei der Ă–lproduktion die klassischen FĂśrderländer Saudi Arabien und Russland Ăźberholen. Bis zum Jahr 2017 werden sich die USA vom weltgrĂśĂ&#x;ten Energieverbraucher zum grĂśĂ&#x;ten Produzenten wandeln, prognostiziert die Internationale Energieagentur (IEA). Das Land werde seinen Bedarf weitgehend aus den eigenen Quellen decken kĂśnnen, schreibt die Agentur in ihrem Ausblick zum Energiemarkt. Schon bis 2015 steigt das Land zudem zum grĂśĂ&#x;ten Gasproduzenten der Welt auf. Die wachsende FĂśrdermenge aus unkonventionellen Quellen katapultiert das Land bis zum Jahr 2030 sogar in die Rolle eines Ă–l-Exporteurs. „Die USA importieren derzeit rund 20 Prozent ihres gesamten Energiebedarfs. Doch das Land wird zum Selbstversorger“, heiĂ&#x;t es in dem IEA-Bericht. „Das ist eine drastische Umkehr zu der Entwicklung in anderen Staaten, die Ener-

gie einfĂźhren.“ Neue FĂśrdermethoden, die bislang unerreichbare Ă–l- und Gasquellen erschlieĂ&#x;en, machen diese Entwicklung mĂśglich. Bei der Fracking genannten Methode werden unter hohem Druck Wasser, Sand und Chemikalien in porĂśse Schiefergesteinsformationen gepresst, um darin gebundenes Ă–l oder Gas an die Oberfläche befĂśrdern zu kĂśnnen. Allein der US-amerikanischeBundesstaat Texas holt jeden Monat Ă–l im Wert von 100 Millionen Dollar aus Schieferstein heraus. Andere FĂśrdergebiete in North Dakota und Montana produzieren in wenigen Jahren so viel Ă–l wie ganze Länder am Persischen Golf. Insgesamt verfĂźgen die USA Ăźber 20 solche SchiefersteinĂślformationen. Dort kĂśnnen die Unternehmen das schwarze Gold fĂźr Preise von 50 bis 65 Dollar je Barrel fĂśrdern. Derzeit kostet ein Barrel knapp 90 Dollar in Nordamerika – es verbleibt also ein satter Profit von bis

zu 45 Prozent. „Das SchiefersteinĂśl verändert die Welt“, analysiert Leonardo Maugeri in seiner Studie „Öl: Die nächste Revolution“, die der frĂźhere Topmanager vom italienischen Ă–lkonzern Eni bei der Harvard Business School verĂśffentlichte. Laut Maugeri steigt die Ă–lproduktion in den USA von derzeit acht auf 11,6 Millionen Barrel pro Tag im Jahr 2020. Trifft das ein, verdrängen die USA Russland als zweitgrĂśĂ&#x;ten Ă–lproduzenten, nur noch Saudi-Arabien wäre grĂśĂ&#x;er. Amerika kĂśnnte allerdings auch das Scheichtum entthronen. Laut Maugeri besitzen die USA ein Potenzial von zusätzlichen 3,1 Millionen Barrel Ă–l pro Tag, die aber wegen ungenĂźgende Leitungen, zu wenige Raffinerien und Umweltbedenken nicht gehoben werden. Der weltweite Verbrauch wird nach Schätzungen der IEA bis zum Jahr 2035 auf 99,7 Millionen Fass RohĂśl am Tag steigen.

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Altmaier kritisiert die Aufschläge als fragwĂźrdig. Zwar steigt die auf den Strompreis aufgeschlagene Umlage zur FĂśrderung erneuerbarer Energien von 3,6 Cent auf 5,277 Cent je Kilowattstunde – und auch die Netzentgelte fĂźr den Stromtransport legen stark zu. Aber rechtfertigt das die Preissteigerungen um bis zu 20 Prozent? „Das ist schwer zu verstehen, weil die BĂśrsenstrompreise seit dem letzten Jahr auf breiter Front gesunken sind“, betont Altmaier mit Blick auf die dank Windund Solarstrom gesunkenen Einkaufspreise. Die Energiebranche kontert, man gebe nur vom Staat zu verantwortende Belastungen weiter – bereits 50 Prozent des Strompreises machten Steuern, Abgaben und Umlagen aus. Altmaier will bis zu 100 Millionen Euro fĂźr das Stromsparen bis 2014 loseisen. Auch die Beratung der Verbraucherzentralen und der kostenlose Stromspar-Check der Caritas fĂźr einkommensschwache Haushalte sollen gestärkt werden. Zudem gibt es eine neue Internetplattform. Unter www. die-stromsparinitiative.de gibt es Tipps, wie die BĂźrger einen Jahresverbrauch von 3500 auf bis zu 900 Kilowattstunden senken kĂśnnten. Wer seine Postleitzahl eingibt, erfährt zudem den nächsten Energieberater in seiner Nähe.

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Munich Re investiert in Windkraft Der Vorstand der MĂźnchener RĂźck, Thomas Blunck, sieht viel Potenzial bei den erneuerbaren Energien. „Wir wollen unser Engagement in den nächsten drei bis fĂźnf Jahren bis auf 2,5 Milliarden Euro ausweiten“, sagte Blunck. „DarĂźber hinaus wollen wir zusätzlich rund 1,5 Milliarden Euro in Infrastrukturprojekte investieren.“ Der Konzern sei bereits am Netzbetreiber Amprion beteiligt und ziehe in Betracht, auf diesem Feld in Zukunft mehr zu investieren. Der Konzern hatte bereits im FrĂźhjahr wegen der schwachen Kapitalmärkte ein stärkeres Engagement im Bereich erneuerbarer Energien angekĂźndigt. Als Wachstumsfeld sieht Blunck auch die Versicherung von Solar- und Windparks. „Wir versichern zum Beispiel die technische Leistungsfähigkeit von Solarmodulen oder Windkraftanlagen.“ Versichern will Munich Re zudem die Ausfälle der Stromproduktion bei schlechtem Wetter. ANZEIGE

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ENERGIE REPORT

Martin Hoppe-Kilpper, Kompetenznetzwerk Dezentrale Energietechnologien e.V.: „In Deutschland gibt es bereits 132 Regionen, die sich das Ziel einer Vollversorgung aus erneuerbaren Energien gesetzt haben. In diesen 100ee-Regionen leben etwa 20 Millionen Menschen und damit ein Viertel der Gesamtbevölkerung Deutschlands. Dieser wachsende Erfolg der regionalen Energiewende darf nicht von der Debatte um die Kosten verdeckt werden. Die vielen regionalen Akteure in den Kommunen und Landkreisen lassen sich in ihren Anstrengungen vor Ort nicht vom Gegenwind aus Kreisen der konventionellen Energiewirtschaft beirren.“

Carl-Ernst Giesting, Vorstandsvorsitzender der RWE-Tochter EnviaM: „Die Ökostrom-Umlage ist ein fatales Signal an die Verbraucher. Gerade die Menschen in Ostdeutschland sind von den Mehrkosten besonders betroffen, weil sie im Durchschnitt über ein deutlich geringeres Einkommen verfügen als die Bewohner in anderen Regionen. Das Tempo der zusätzlichen Einspeisung von Strom aus Wind, Wasser und Sonne muss verlangsamt werden. Der Netzausbau kommt nicht hinterher. Wir laufen Gefahr, dass die Schere immer weiter aufgeht.“

L Was kosten die Entscheidungen ngen den Verbraucher? Rund 13 Euro o pro Jahr und Durchschnittshaushalt. Das mag relativ gering erscheinen, doch der Strompreis steigt im Januarr bereits um im Schnitt zwölf Prozent.. Die Sonderumlage durch die Offshore-Haf-Haff tungsregelung soll die Bürger maximal ximal 0,25 Cent je Kilowattstunde kosten en – bei einem durchschnittlichen Jahreshresverbrauch von 3500 bis 4000 Kilowattwattstunden wären es also neun bis zehn Euro. Das Abschaltverbot für Kraftwerke kostet etwa 1,55 Euro pro Jahr. Die Belohnung von Firmen, die sich bei Engpässen vom Netz nehmen n lassen, dürfte laut Wirtschaftsministeristerium mit rund zwei Euro pro Jahr hr zu Buche schlagen.

Foto: dpa

Dietmar Schütz, Präsident Bundesverband Erneuerbarer Energien: „Alle Beteiligten müssen sich jetzt auf die wichtigsten Punkte konzentrieren, um den Umbau des Strommarktes zu beschleunigen. Dazu muss ein Markt für das Lastmanagement geschaffen werden, damit Unternehmen ihre zu- und abschaltbaren Lasten veräußern und damit zur Stabilisierung der Netze beitragen können. Außerdem muss die Modernisierung konventioneller Kraftwerke weitergehen, damit sie sich besser an die fluktuierenden erneuerbaren Energien anpassen. Und wir brauchen Anreize für die regelfähige Bioenergie, damit sie nachfragegerecht Strom produzieren kann.“

Deutscher Städtetag

Foto: doa

Stephan Articus, Hauptgeschäftsführer Deutscher Städtetag: „Die Städte und ihre Stadtwerke sind der geborene Partner für eine dezentrale Energieversorgung der Zukunft. Sie investieren umfangreich in Zukunftstechnologien und bauen die umweltfreundliche Energieerzeugung aus, etwa durch hocheffiziente KraftWärme-Kopplungsanlagen. Um Klimaschutz und erneuerbare Energien weiter voranzutreiben, brauchen wir faire Wettbewerbsbedingungen, gerade auch im Vergleich zu den großen Konzernen, die durch die Laufzeitverlängerung klare wirtschaftliche Vorteile haben. Durch die aktuelle Debatte besteht jetzt die Chance, die Bedingungen für die erneuerbaren Energien zu verbessern. Wir appellieren an die Bundesregierung, die Stärken der Städte und der kommunalen Unternehmen für eine verlässliche und sichere Energieversorgung besser zu nutzen.“

Strombörse EEX

Foto: Wolfgang Zeyen

Peter Reitz, Vorstandschef Strombörse EEX: „Eine Abkehr von festen Preisen für die Einspeisung von Ökostrom in das deutsche Stromnetz ist notwendig. Ich empfehle, den Herstellern von Ökostrom nur noch einen Zuschlag zum Preis an der Strombörse zu gewähren.“

L Wie sieht die Kostenverteilung konkret aus? Tennet muss sich von k 2013 an lediglich mit maximal 110 Millionen Euro pro Jahr an Schadenersatzzahlungen für Anschlussprobleme beteiligen – sofern kein Vorsatz vorliegt. Union und FDP hatten kurz vor der Entscheidung die Regelung zulasten der Bürger verändert. Zunächst sollte Tennet mit bis zu 100 Millionen Euro pro Fall haften, so dass es auch 500 Millionen oder mehr e pro Jahr hätten werden können. p Warum sind die SchadenersatzL W kosten so hoch? Die Entschädigungen kos betragen 90 Prozent der Vergütungen, betr die es für den Windstrom geben würde, wenn Netze zum Abtransport da wären. Durch monatelange Verzögewär rungen fallen entsprechende Kosten run an. Gerd Billen, Vorstand des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen, verb hat bei Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) jurisheu tische Bedenken angemeldet: „Vertisc braucher sollen haften, obwohl sie bra keine Einflussmöglichkeiten auf Schakein densabwendung oder -minderung haden ben.“ ben L Ka Kann dadurch der Ausbau der Win Windparks beschleunigt werden? Das ist umstritten, weil Tennet zunächst einm einmal neues Kapital braucht. Bundeswirt wirtschaftsminister Philipp Rösler (FD (FDP) setzte sich bei der niederländische schen Regierung dafür ein, dass Tennet auc auch private Investoren beteiligen darf. Zule Zuletzt bekundete das US-Unternehmen Anb Anbaric Interesse an Milliardeninvestition tionen. Wenn die geplante Gesetzgebun bung mit Modifikationen durchgehe, „kön „können wir sofort loslegen“, sagte jüng jüngst Anbaric-Chef Edward N. Krapels pels. Modifikationen gibt es nun. Währen rend Rösler ansonsten die ÖkostromFör Förderung als viel zu üppig kritisiert, vert verteidigt er die See-Windkraft. SPD und Grüne werfen ihm vor, nur die Intere teressen der Energiekonzerne im Blick zu haben, die sich hier engagieren – und dadurch nun die Strompreise weiter in i die Höhe zu treiben.

L Warum sollen die Bürger für Netzprobleme in der Nordsee zahlen? hlen? Streng genommen handelt es sich h dabei um eine „Lex Tennet“. Das niedereder-

Albig macht Druck

Oettinger macht Dampf

Ministerpräsident will Netzbetreiber in die Pflicht nehmen

EU will Regierungen zu mehr Wettbewerb zwingen

werden. Und für RahmenbedinOffshore-Energie galt noch vor gungen, die den Ausbau mögzwei Jahren als Erfolgsmodell lich machen. Der Netzausbau für die Energiewende. Bis zum muss deshalb mit ehrgeizigen Jahr 2020 sollen hier zehn Giund verbindlichen Zeitplänen gawatt Energie gewonnen werunterlegt werden. Das Netz den. Mittlerweile häufen sich muss sich nach dem Angebot hier die Probleme. Der Ausbau richten. Wenn ein Netzbetreiber stockt, gerade weil der Netzbedies aufgrund fehlenden Kapitreiber Tennet nicht die nottals nicht gewährleisten kann, wendigen Anschlüsse für die Torsten muss der Staat es machen. BisWindparks auf hoher See beAlbig her jedenfalls machen die Netzreitstellen kann. Ihm fehlen die betreiber beim Ausbau viel zu finanziellen Mittel in Höhe von 15 Milliarden Euro. Siemens hat deswegen wenig, obwohl Geld im Markt ist und sie Konsequenzen gezogen und seine Off- die technischen Möglichkeiten haben. shore-Projekte auf Eis gelegt. Die LänSie wollen den Netzgesellschaften im der und der Bund erhöhen nun den Ernstfall das Netz entziehen? Druck auf Tennet. Schleswig-Holsteins Unsere Volkswirtschaft muss sicherMinisterpräsident Torsten Albig (SPD) stellen, dass ein solches zentrales Projekt wirbt für mehr Engagement der Politik nicht davon abhängt, ob private Partner – und für einen Einstieg des Staates als fähig dazu sind. Die Exit-Strategie muss letztes Mittel. klar sein: Wenn wir INTERVIEW feststellen, dass ein priFrage: Der Ausbau vater Netzbetreiber es von Offshoreanlagen nicht schafft, muss es vor der Küste stockt. Das Ziel einer Off- der Staat machen. shore-Leistung in Höhe von zehn GigaUnd der Bund regelt die Energiewende watt im Jahr 2020 ist nicht zu halten. zentral und kann notfalls eingreifen? Wieso steuern die Länder nicht gegen? Der Bund muss steuern. Die EnergieTorsten Albig: Was heißt hier gegensteuern? Das Ziel ist nicht falsch. Die wende kann schlecht in jedem Bundeszehn Gigawatt brauchen wir dringend. Es land unterschiedlich diskutiert werden. gibt nur ein Problem, die vorhandenen Das ist den Ministerpräsidenten klar. Eine oder geplanten Anlagen anzuschließen. starke zentrale Stelle muss das Netz orgaDem Netzbetreiber Tennet fehlt das Geld. nisieren. Hier müssen die Schnittstellen Darüber müssen wir mit der Kanzlerin klug geplant und aufeinander abgestimmt sprechen. Dieses Finanzierungsproblem werden. müssen wir schnell lösen. Wir haben dazu beispielsweise vorgeschlagen, die KfW als Finanzierungsinstrument einzuschalten. Sie schlagen Bundesmittel für Tennet vor? Das kann helfen. Es liegt nicht allein an Tennet, mit denen ich im Übrigen gute Verhandlungen führe. Es muss mit allen Betreibern geklärt werden, woran es beim Netzausbau hakt. Wir brauchen da Druck. Und schnelle Lösungen. Der Bund baut bisher keinen Druck auf? Ich bin mir nicht ganz sicher, ob man sich in Berlin genauso intensiv um diese Frage kümmert, wie es die Nordländer tun. Wir reden schon sehr, sehr lange, auch in den Runden mit der Bundesregierung darüber. Sie plädieren für mehr Härte im Umgang mit den Netzbetreibem? Ich plädiere für klare und verbindliche Die Netzbetreiber sollen zum Netzausbau Foto: dpa Ziele, an denen die Betreiber gemessen gezwungen werden.

gut entwickelten Markt“ zu haBrüssel eilt Stromkunden in Paris, ben, fällt das Urteil über FrankWarschau und Berlin zu Hilfe: Die reich deutlich schlechter aus. Europäische Union will mit aller Dort dürfe der voriges Jahr auf Macht die Energiepolitik ihrer rund 90 Prozent bezifferte Anteil 27 Mitgliedstaaten angleichen, des staatlich dominierten Verweil der freie Handel mit Strom sorgers EDF am Stromgroßhanund Gas trotz vorhandener EUdel nicht weiter steigen. HierzuGesetze nach wie vor ein Wunschlande machten die vier größten traum ist und Verbraucher längst Produzenten – Eon, Vattenfall, nicht überall problemlos den AnGünther RWE und EnBW – dagegen webieter wechseln können. Die AnaOettinger niger als die Hälfte der Stromlyse der EU-Kommission zum produktion und zwei Drittel des Handels Energiebinnenmarkt ist mau ausgefallen: unter sich aus. Dass der Strompreis für Dessen Verwirklichung werde nach jetzidie Endverbraucher in Frankreich staatgem Stand bis 2014 kaum erreicht, viellich festgelegt werde und die meisten gromehr drohten „ein weniger zuverlässiges ßen Industriekunden ihre Preise anders und teureres Energiesystem, sinkende als die deutsche Konkurrenz nicht frei Wettbewerbsfähigkeit und sinkender verhandeln könnten, stört Brüssel gewalWohlstand“. tig. Das Büro des federführenden EnergieStaatlich festgesetzte Tarife will die kommissars Günther Oettinger bestätigte Kommission künftig nur noch für sozial den Tenor der Analyse, wollte zu Details schwache Familien zulassen. Außerdem aber keine Stellung nehmen. „Die verabsolle nicht länger hingenommen werden, schiedeten Gesetze müssten seit März dass in Polen und anderen Ländern der 2011 überall in Kraft sein, aber in den freie Wechsel zwischen Anbietern nur mit letzten eineinhalb Jahren ist kaum etwas Problemen oder gar nicht möglich ist. passiert“, hieß es lediglich aus der BrüsseSchließlich könnten die Verbraucher in ler Behörde. Zwölf Staaten haben die EUder EU rund 13 Milliarden Euro sparen, Vorgaben noch nicht oder nicht voll in nawenn sie in den für sie günstigsten Tarif tionales Recht überführt. Bulgarien, wechseln würden – wie das in DeutschZypern, Finnland, Slowenien und Großland jedes Jahr drei Millionen Haushalte britannien hätten die Umsetzung noch täten. nicht einmal offiziell bei der Kommission angekündigt. Deutschland gehört nicht zu Weil die Hauptstädte nach wie vor den Sündern. bummeln, will Brüssel die laufenden VerWährend der Bundesrepublik dem Betragsverletzungsverfahren gegen die bericht nach bescheinigt wird, einen „relativ troffenen Regierungen ohne Nachsicht weitertreiben. Denn eigentlich müsste die Strom- und Erdgasrichtlinie des dritten Energiebinnenmarkt-Pakets schon seit 3. März 2011 in jedem Mitgliedstaat umgesetzt sein. Sie verlangt, dass jeder Verbraucher seinen Stromanbieter binnen drei Wochen wechseln kann, nationale Regulierungsstellen gestärkt und die Stromnetze von den Stromerzeugern entflochten werden. Damit will Brüssel neben den Kundenrechten auch die Wettbewerbsfähigkeit der Branche verbessern. Oettinger will zudem die Fördersysteme der nationalen Regierungen für einzelne Energieträger harmonisieren. Damit könnte auch das deutsche Ökostrom-Fördergesetz EEG in Gefahr geraten, das in den vergangenen Jahren für einen Boom des grünen Stroms, aber auch für steigende Strompreise gesorgt hatte. Die bisherige Praxis, mit der jede Regierung grünen Ökostrom zum Schutz der jungen Branche nach eigenem Ermessen fördern kann, solle angesichts der technologischen Entwicklung überMit Hochdruck will die EU den freien Handel prüft werden. mit Strom und Gas forcieren. Foto: dapd

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Foto: André Kempner

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Energieversorger EnviaM

L Was umfasst das verabschiedete Energiepaket? Zum einen sollen die Bürger Schadenersatzzahlungen von mehr als einer Milliarde Euro mittragen für An-schlussprobleme bei Windparks in n Nord- und Ostsee. Zudem werden n sie an Zusatzkosten für unrentabel bel gewordene Gaskraftwerke beteiligt, igt, die zur Vermeidung von Blackoutss am Netz bleiben sollen. Die Übertragungsungsnetzbetreiber sollen mit der Bundesndesnetzagentur bis Ende März 2013 eine Liste „systemrelevanter“ Netzwerke werke erstellen, die nicht abgeschaltet werden dürfen. Das könnte bis zu 287 Millionen Euro pro Jahr kosten und d soll vom Winter 2013/2014 an greifen.. Zudem bekommen energieintensive Firmen künftig Geld, wenn ihnen eine e bestimmte Menge Strom bei Engpässen ässen innerhalb von Sekunden von den Netzbetreibern abgestellt werden darf.

Bundesverband EE

Foto: André Kempner

ländische Unternehmen hat sich nach länd einhelliger Expertenmeinung übereinh nommen mit der Übernahme des frünom heren Eon-Netzes. Besonders der her enorm teure Ausbau der Windkraft auf eno See macht Probleme – insgesamt braucht Tennet hierfür rund sechs Milbra liarden Euro. Um neue Investoren anliar zulocken, sollen finanzielle Risiken von zulo Tennet genommen und durch die NeuTen regelung stärker auf die Verbraucher rege abgewälzt werden. abg

Die Bürger zahlen, damit der grüne rüne assen Strom fließt. Auf diese Formel lassen sich Neuerungen des Energiewirtwirtschaftsgesetzes bringen, die der Bundestag beschlossen hat. Es sind nicht die ersten Umlagen, die auf den Stromrompreis aufgeschlagen werden. „Die Energiewende gibt es nicht zum Nulltarif“, lautet das Credo von Politik, olitik, Wirtschaft und Verbänden. Anderss als beim Ausbau von Atom- und Kohleohlekraft werden die Kosten für die Umstellung auf Wind- und Solarstrom m direkt über die Stromrechnung abbgerechnet – und nicht über steuer-finanzierte Milliardensubventio-nen. Das macht die Energiewende vielleicht transparenter – aber auch im Geldbeutel spürbarer.

Wolfgang Topf, Präsident Industrie- und Handelskammer Leipzig: „Energiepolitik ist Wirtschaftspolitik. Gerade der Industriestandort Deutschland ist auf eine verlässliche und berechenbare Energiepolitik angewiesen. Denn wer in Deutschland investieren will, muss sich darauf verlassen können, dass die Stromversorgung nachhaltig gesichert ist und Strom zu wettbewerbsfähigen Preisen bereitgestellt werden kann. Unsicherheiten in diesen Fragen wirken sich negativ auf die Investitionsbereitschaft von Industrie und Mittelstand aus. Eine leistungsfähige Energieversorgung Deutschlands muss daher auf einem breiten Energiemix beruhen. Erneuerbaren Energien kommt dabei eine zunehmende Bedeutung zu. Der Ausbau wird deshalb durch eine umfangreiche staatliche Unterstützung vorangetrieben. Es gilt nun, Rahmenbedingungen zu formulieren, mit denen der wünschenswerte Ausbau erneuerbarer Energien fortgesetzt werden kann, ohne dass die Ziele Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit der kleinen und mittleren Unternehmen gefährdet werden. Die für eine weitgehende Versorgung aus erneuerbaren Quellen erforderliche Infrastruktur muss entschlossen ausgebaut werden. Im Hinblick auf die Bezahlbarkeit von Strom verbietet sich die Einführung weiterer neuer Umlagen und die Verschiebung zusätzlicher Kosten in die Netzentgelte. Sonderregelungen für Unternehmen im internationalen Wettbewerb sind notwendig. Der Wirtschaftsstandort Deutschland profitiert davon, dass die ganze Bandbreite industrieller Wertschöpfung vorhanden ist. So lange in Deutschland die Strompreise deutlich höher sind als im Ausland, haben Ausnahmeregelungen für stromintensive Unternehmen ihre Berechtigung.“

Handwerkskammer Leipzig Ralf Scheler, Präsident Handwerkskammer Leipzig: „Wenn die Energiewende gelingen soll, dann muss die Bundesregierung die Wirtschaft und die Menschen auf diesem Weg mitnehmen. Das funktioniert nur durch klare Zielsetzung, nachvollziehbare Strategien und verlässliche Förderpolitik. Dass 600 Großunternehmen von den Gebühren für die Stromnetze befreit sind, diskriminiert den Mittelstand. Dabei kann in einem mittleren Unternehmen, beispielsweise einer Bäckerei, der Anteil der Energiekosten an den Gesamtkosten größer sein als in einem von der Stromsteuer befreiten Großbetrieb. Eine solche staatliche Ungerechtigkeit ist nicht hinnehmbar.“ Foto: André Kempner

Netzwerk denet

Was die Energiewende kostet und wer was tragen muss

IHK Leipzig

Wirtschaftsministerium Matthias Machnig (SPD), Wirtschaftsminister Thüringen: „Energiewende wird nur als Energiekonsens gelingen. Die Genehmigung einer Leitung dauert heute im Schnitt fast zehn Jahre – Ziel muss eine Halbierung sein. Ohne allerdings die Beteiligung der Bürger zu beschneiden. Die Klimaschutzziele und steigende Preise für fossile Energieträger wie Gas machen vor allem den Ausbau der Windenergie nötig. Der jährliche Zuwachs von 1500 bis 2000 Megawatt Stromerzeugung aus Wind ist verkraftbar.“ Foto: André Kempner

Foto: dpa

Martin Fuchs, Geschäftsführer: „Die Gefahr eines flächendeckenden Stromausfalls ist eher noch gestiegen. Weder Leitungen noch zusätzliche Kraftwerke sind gebaut worden, und zwei Kraftwerke in Süddeutschland stehen nicht mehr für den regelmäßigen Einsatz zur Verfügung. Um das Stromnetz zu stabilisieren, haben wir inzwischen tausend Eingriffe im Jahr. Die Kosten dafür trägt der Verbraucher – immerhin rund 150 Millionen Euro im Jahr.“

Wer soll das bezahlen?

ENERGISCHE STIMMEN

Netzbetreiber 50Hertz Boris Schucht, Vorsitzender der Geschäftsführung des Netzbetreibers 50 Hertz: „In erster Linie brauchen wir kürzere Genehmigungsverfahren, um den Netzausbau zu forcieren. Zehn Jahre für ein Ausbauprojekt von der Planung bis zur Inbetriebnahme sind deutlich zu lang. Zugleich müssen die Bürger früher über Vorhaben informiert und eingebunden werden, um mehr Akzeptanz zu schaffen.“ Foto: Wolfgang Zeyen

Netzbetreiber Tennet

Foto: dpa

ENERGISCHE STIMMEN

Dienstag, 18. Dezember 2012

Solarkonzern Solarworld Frank Asbeck, Konzernchef Solarworld: „Die Gesetzesnovelle zum ErneuerbareEnergien-Gesetz trägt ganz klar die Handschrift der Energiekonzerne Eon und RWE: Es wird eine junge Industrie – nämlich die der Erneuerbaren – zu Gunsten einer alten Industrie der etablierten Energieversorger und Netzbetreiber zurechtgestutzt. Da wird ganz bewusst Klientelpolitik für die konventionelle Energiewirtschaft gemacht.“ Foto: dpa

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18. Dezember 2012

ENERGIE REPORT

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Wer die Versorgung sichert, muss honoriert werden

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Dena-Chef fordert Ende zielloser Subventionen in SĂźddeutschland vom Netz gehen. Entsprechend mĂźssen wir jetzt VorsorgemaĂ&#x;nahmen ergreifen, um die Netze zu stabilisieren und Versorgungssicherheit zu garantieren. Dazu gehĂśrt ein beschleunigter Netzausbau auf allen Spannungsebenen genauso wie ein neues Marktdesign beziehungsweise neue Regeln fĂźr das Stromsystem, um die Erneuerbaren gesteuert und kostenFrage: In Deutschland flieĂ&#x;en verträglich ausbauen zu kĂśnnen. Zu75 Prozent des Stroms in die Industrie. dem mĂźssen wir marktfähige LĂśsungen Daher ist eine gesicherte Versorgung – fĂźr den Bau effizienter fossiler Kraftzu jeder Zeit mit einer konstanten werke schaffen. Derzeit haben wir die Spannung – unverzichtbar. Eignen sich paradoxe Situation, dass diese KraftSolar- und Windkraft fĂźr eine gesicherwerke als Ausgleich fĂźr die Erneuerbate Versorgung? ren dringend gebraucht werden, sie Stephan Kohler: sich aber wirtschaftViele Menschen glaulich immer weniger INTERVIEW ben, dass wir uns aus rechnen. Hier wäre der Atomkraft verabeine LĂśsung: Wer schieden und stattdessen allein kĂźnftig die Versorgungssicherauf Wind und Photovoltaik verheit garantiert, muss dafĂźr trauen kĂśnnen. FĂźr die VersorGeld bekommen, auch wenn gung eines Industrielandes reisein Kraftwerk nur noch zu chen aber weder Solar- noch bestimmten Zeiten gebraucht Windkraft aus. Denn beide liewird. fern schwankende und oft auch Viele GroĂ&#x;verbraucher sind nicht bedarfsgerechte Leistung, derzeit von der EEG-Umlage, eben nur dann, wenn der Wind mit der Ă–kostrom gefĂśrdert Stephan weht oder die Sonne scheint. So wird, befreit. Kritiker fordern, Kohler hat beispielsweise die Photovoldass sich GroĂ&#x;verbraucher taik eine Auslastung von etwa stärker an den Kosten der 1000 Stunden im Jahr. Das Jahr hat jeEnergiewende beteiligen. WĂźrde der doch 8760 Stunden. Deshalb brauchen Strom dann fĂźr alle billiger? wir noch bis zum Jahr 2050 konventioNur um einige Zehntel Cent. AuĂ&#x;ernelle Kraftwerke, um die schwankende dem wäre es kontraproduktiv. In den Stromproduktion der Erneuerbaren USA kostet Industriestrom nur rund die ausgleichen und Versorgungssicherheit Hälfte im Vergleich zu Deutschland und gewährleisten zu kĂśnnen. Gas nur ein FĂźnftel. Da Ăźberlegen sich Sie fordern ein Ende der ziellosen Unternehmen aus der Chemie- und Subventionen hiesiger Wind- und SonGrundstoffindustrie schon, ob sie in nenkraft. Unter welchen Bedingungen Deutschland Ăźberhaupt noch investiewĂźrden Sie den Zubau von Wind- und ren. Allgemein ist die Befreiung deshalb Solarenergie befĂźrworten? gerechtfertigt. Im Detail muss die ReIch befĂźrworte den Ausbau von Phogierung aber nachjustieren. Es sollten tovoltaik und Windenergie, aber eben nur die Unternehmen befreit werden, nur dann, wenn er Ăśkonomisch und die einen hohen Effizienzstandard ertechnisch Sinn macht. Um die Netze fĂźllen und im internationalen Wettbenicht zu Ăźberlasten und gleichzeitig die werb stehen. Kosten im Rahmen zu halten, muss der Zubau bei Photovoltaik und WindenerSTICHWORT gie mit dem Ausbau des Gesamtsystems synchronisiert werden. Das heiĂ&#x;t: Ohne entsprechende Leitungen sollte kein Deutsche Energie-Agentur Windpark und keine Photovoltaik-Anlage ans Netz gehen. Unser Vorschlag ist Die Gesellschafter der Deutschen Energiehier, dass die Netzbetreiber einen KaAgentur (Dena) sind die Bundesrepublik taster freier Netzkapazitäten erstellen. Deutschland (50 Prozent), die mehrheitlich Damit der Zubau der Erneuerbaren so bundeseigene KfW Bankengruppe (26 Progesteuert werden kann, dass mĂśglichst zent), die Allianz SE (acht Prozent), die wenig zusätzliche Netzkosten entsteDeutsche Bank AG (acht Prozent) und die hen. DZ Bank AG (acht Prozent). Der Umsatz beStromerzeuger und Netzbetreiber betrug im Jahr 2010 gut 20 Millionen Euro. In klagen massive Spannungsschwankunden Jahren 2005 bis 2010 kamen durchgen und werden nicht mĂźde, vor Blackschnittlich etwa 50 Prozent der Dena-Einouts zu warnen. Ist ihre Sorge nahmen aus Zuwendungen der Ăśffentlichen Ăźbertrieben? Hand, 17 Prozent von den groĂ&#x;en Energieversorgungsunternehmen, 33 Prozent von Auch wenn die Situation in diesem anderen Unternehmen und Institutionen. In Winter wieder angespannt sein wird, die Kritik geriet die Dena, als sie 2008 bin ich zuversichtlich, dass wir es hineine Stromunterversorgung (StromlĂźcke) bekommen werden, die Stromversorvoraussagte, falls keine neuen GroĂ&#x;kraftgung mit alten Kraftwerken sicherzuwerke errichtet wĂźrden. Die Deutsche Umstellen. Ab 2015 helfen uns diese welthilfe bezeichnete dies als „Zweckprosogenannten Reservekraftwerke aber paganda“ und warf der Dena methodische nur noch eingeschränkt, weil dann sukSchwächen vor. zessive eine Reihe groĂ&#x;er Kraftwerke Foto: pd

Stephan Kohler leitet die halbstaatliche Energie-Agentur (Dena). Sie versteht sich als unabhängiges Kompetenzzentrum rund um das Thema Erneuerbare Energien und Energieeffizienz. Im Interview wirbt Stephan Kohler fßr konventionelle Energien und ein Ende der Subventionen.

Der Zubau bei Photovoltaik und Windenergie muss mit dem Ausbau des Gesamtsystems synchronisiert werden. Foto: dpa

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Die bundesweit 1,5 Millionen Geräte gelten als Stromfresser und Klimakiller durch die PreiserhĂśhung addieren sich fĂźr eine vierkĂśpfige Familie im Jahr auf mehrere hundert Euro, rechnen VerbraucherschĂźtzer vor. Bundesweit laufen noch etwa 1,5 Millionen NachtspeicherĂśfen. Das Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr, Wärme nachts mit billigem Strom zu erzeugen und in den Schamottsteinen der Ă–fen zu speichern, um sie tagsĂźber abzugeben, denn das Ăœberangebot an Wind- und Sonnenstrom hat die Preise am Tag zusammenfallen lassen. Und die einst sehr gĂźnstigen Nachtstrompreise werden durch die stark gewachsenen staatlichen Abgaben vor allem fĂźr die Ă–kostromabgabe hochgetrieben. AuĂ&#x;erdem passt die Technik nicht mehr zu den ehrgeizigen Umweltzielen der Bundesregierung und der EU. Verivox spricht bei konventionell erzeugtem Heizstrom von 50 Prozent mehr Kohlendioxid als bei einer Gas- oder Ă–lheizung. Bis 2019 mĂźssen viele der Stromheizungen deshalb gemäĂ&#x; der Energieeinsparverordnung abgebaut werden. Der VorstoĂ&#x; der Energieunternehmen RWE und EnBW, die umstrittenen Heizungen als Speicher fĂźr schwankende Strommengen aus Windparks zu nutzen, hat bei Kritikern vergangene Woche fĂźr wĂźtende Reaktionen gesorgt. „ÖkoEin Nachtspeicherofen aus den 1980er Jahren. Foto: dpa logisch pervers“, In den 70er Jahren warb die Energiewirtschaft vehement fĂźr das Heizen mit Strom, in Energiewendezeiten stehen die Besitzer von NachtspeicherĂśfen jetzt als Verlierer da. Zum neuen Jahr steigen die Preise fĂźr Wärmestrom auch wegen hĂśherer staatlicher Abgaben deutlich stärker als im Gesamtmarkt – allein bei RWE um 13 bis 17 Prozent. Und die Nutzer haben anders als bei anderen Stromtarifen kaum eine Chance zum Anbieterwechsel. „Es gibt beim Wärmestrom praktisch keinen Ăźberregionalen Wettbewerb, keine Konkurrenz, jeder bleibt in seinem Gebiet“, sagt die Sprecherin des Preisvergleichsportals Verivox, Dagmar Ginzel. Dabei wollen tausende Kunden wechseln: Bei einer Verivox-Umfrage, die noch nicht abgeschlossen ist, haben bereits 15 000 Nachtspeichernutzer ihr Interesse an einem anderen Anbieter bekundet. Kein Wunder: Die Mehrkosten

„dreist“ und „Mogelpackung“, lautete das Fazit von Greenpeace und der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen zu den Plänen einer Nachtspeicher-Renaissance. Das zuständige Bundesbauministerium betonte, dass an dem kĂźnftigen Betriebsverbot fĂźr die ungeliebten Heizkisten keineswegs gerĂźttelt werde. Bei der RWE-Tochter RWE-Effizienz sorgte die heftige Kritik fĂźr Erstaunen. Niemand habe vor, vor dem Aus stehende Nachtspeicher dauerhaft wiederzubeleben, sagte der zuständige RWE-Projektleiter JĂśrg Rummeni. Es gehe darum, kurzfristig neue LĂśsungen fĂźr den dringend benĂśtigten Speicherbedarf zu testen. Das gehe mit bestehenden Anlagen natĂźrlich am besten. „Es geht um die Speicheroption und um eine LĂśsung fĂźr Bestandsanlagen, deren Benutzer diese nicht tauschen wollen.“ RWE will die Tests fortsetzen. Bis zu 15 000 Megawatt kĂśnnten rechnerisch in den Stromheizungen gespeichert werden. Wenn auf diese Weise Windparkstrom gesichert werde, der sonst durch Zwangsabschaltungen mangels Netz und Speicher verloren gehe, sehe natĂźrlich auch die Ăśkologische Bilanz viel besser aus, sagt Rummeni. „Und wenn 2019 abgeschaltet werden muss, haben wir immerhin sehr viel Ăźber die Steuerung von verteilten Lasten gelernt und kĂśnnen diese auf andere Techniken wie Wärmepumpen Ăźbertragen.“ Dabei gilt das Aus nach 2019 offenbar nur fĂźr den kleineren Teil der Stromheizungen. Die Verordnung sieht den Umbau nur fĂźr grĂśĂ&#x;ere Häuser mit mehr als fĂźnf Wohneinheiten vor und die Kosten mĂźssen wirtschaftlich zumutbar sein. „Das betrifft nur ein FĂźnftel der Wärmestromanlagen“, sagt eine RWE-Sprecherin.

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ENERGIE REPORT

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Brüssel setzt Lieferanten unter Druck

Ab durch den Schornstein Die größte Energiequelle liegt praktisch brach: das Sparen Die Welt lässt ihre größte und billigste Energiequelle noch immer fast ungenutzt – das Sparen. Unmengen von Öl, Gas und Kohle werden jedes Jahr mehr oder weniger ungenutzt durch die Schornsteine dieser Erde gejagt. Die Welt-Energieagentur (IEA) kommt in ihrem Ausblick für die nächsten gut 20 Jahre zu einem ernüchternden Ergebnis: „Zwei Drittel des ökonomischen Potenzials, die Energieeffizienz zu steigern, bleiben im Zeitraum bis 2035 ungenutzt.“ IEA-Chefökonom Fatih Birol ist sich sicher: „Das ist der Kardinalfehler in der Energiepolitik in vielen Ländern.“ Während die Industrie ihre Effizienzquote inzwischen auf zumindest über 40 Prozent gesteigert hat, hinken vor allem die Baubranche und die Stromerzeuger massiv hinterher – dort stehen Effizienzquoten von um die 20 Prozent zu Buche. Haushalte, Schulen, Krankenhäuser, Behörden in aller Welt – alle könnten wesentlich effizienter heizen und wirtschaften. Und das vor dem Hintergrund, dass sich der Energieverbrauch bis 2035 um ein Drittel auf fast 17 000 Millionen Tonnen Öläquivalent ausdehnen wird. Im weltweiten Maßstab sind die Einsparpotenziale massiv: „Der diesjährige WeltEnergieausblick zeigt, dass wir im Jahr 2035 Einsparungen erzielen könnten, die einem Fünftel des weltweiten Energieverbrauchs von 2010 entsprechen“, sagt die Exekutiv-Direktorin der Internationalen Energieagentur, Maria van der Hoeven. Augenfällig wird das Potenzial etwa in den USA, wo sich unter anderem der Automobilverkehr von spritschluckenden Straßenkreuzern deutlich auf sparsamere Modelle umgestellt hat. Die USA sind der IEA-Prognose zufolge auf dem

Onlineportale wie das der Leipziger Kilowatthandel AG sind Seismographen der Stromabnehmer. Das Unternehmen beobachtet den Preiswettbewerb am Markt und handelt für Unternehmen Konditionen aus. Christian Haase Das Einsparpotenzial ist enorm, sagt Christian Haase, Vorstand von Kilowatthandel.

Weg, energetisch autark zu werden und kein Öl und Gas mehr einführen zu müssen – eines der großen Ziele von Präsident Barack Obama. Das liegt nur zu etwas mehr als der Hälfte an der Ausbeutung inländischer Reserven an fossilen Energieträgern, vor allem bei Ölsanden und Schiefergas. „45 Prozent kommen aber auch aus Effizienzsteigerungen“, sagt IEA-Chefökonom Fatih Birol. Den Amerikanern rettet das auch die derzeit noch negative Handelsbilanz. Die Nebenwirkungen einer weltweiten Effizienz-Kur auf dem Energiesektor wären positiv: Bei Ausschöpfung der Einsparpotenziale bei allen Energieträgern könnte der weltweite Energieverbrauch im Jahr 2035 von 17 000 auf knapp 15 000 Millionen Tonnen Öläquivalent gedrosselt werden. Das Einsparpotenzial ist damit so hoch wie die Hälfte des ak-

tuellen Energieverbrauchs von China oder eine Jahresproduktion von Russland und Norwegen zusammen. „Das macht wirtschaftlich absolut Sinn“, sagt Birol. Die Kosten für Energie könnten um 20 Prozent sinken. Nicht zuletzt in der Klimapolitik ist der Effizienzgedanke von entscheidender Bedeutung. „Wenn wir auf der heutigen Basis weiterwirtschaften, schließt sich im Jahr 2017 das Fenster zum Erreichen des Klimaziels von einer Erwärmung um maximal zwei Grad“, sagt Birol. Die Ausschöpfung der Effizienzpotenziale könnte diesen Zeitpunkt um fünf Jahre nach hinten versetzen, errechneten die Experten der Welt-Energieagentur. Das Problem ist nur: Die Politik spielt nicht mit. „Wir sehen nicht, dass genügend Anstrengungen unternommen werden, um eine Übereinkunft zu erreichen“, sagt Birol.

STICHWORT

Stromverbrauch

Unmengen fossiler Brennstoffe werden ungenutzt durch die Schornsteine der Welt gejagt. Foto: dpa

Anders als in vielen vergleichbaren Ländern stagniert der Energieverbrauch in Deutschland seit Beginn der 1990er Jahre trotz wirtschaftlichen Wachstums. Ursache der fortschreitenden Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Energieverbrauch sind der technologische Fortschritt in der Energiewirtschaft, die sparsamere und rationellere Energienutzung und die Veränderung der Wirtschaftsstrukturen. In Deutschland wurde 2011 ähnlich viel Strom verbraucht wie im

Investitionen in Energieeffizienz zahlen sich aus

Foto: pr

Die neue EU-Richtlinie zur Energieeffizienz ist Anfang Dezember in Kraft getreten. Mit ihr will Brüssel mehr Energieeffizienzmaßnahmen auf den Weg bringen, beispielsweise im Gebäudesektor oder im Bereich Kraft-Wärme-Kopplung (KWK). Zentraler Hebel ist die Einführung von Energieeffizienz-Verpflichtungssystemen. Durch diese Systeme sollen entweder alle Energielieferanten oder -verteiler „gezwungen“ werden, von 2014 bis 2020 jährliche Energieeffizienzmaßnahmen umzusetzen, die 1,5 Prozent ihres im Durchschnitt der vergangenen drei Jahre abgesetzten Energievolumens bei ihren Endkunden entsprechen. Alternativ können Mitgliedsstaaten auch einen Fonds einrichten oder Energiesteuern erheben. Hans-Joachim Reck, Hauptgeschäftsführer des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU), betrachtet den Vorstoß mit gemischten Gefühlen: „Beim Umbau unseres Energiesystems muss energieeffizienten Maßnahmen eine noch größere Bedeutung zukommen. Das ist auch für Verbraucher attraktiv, denn sie können durch effizienten Verbrauch Preiserhöhungen abfedern. Ob das allerdings über ein Verpflichtungssystem gelingt, hängt sehr stark von dessen Ausgestaltung ab. Das sehen wir sehr kritisch.“ Die Energieeffizienzrichtlinie ist für kommunale Energieversorger von elementarer Bedeutung. Insbesondere durch den KWK-Ausbau lässt sich die Energieeffizienz erheblich verbessern. Allein in Deutschland sparen Stadtwerke durch KWK aufgrund ihrer hohen Wirkungsgrade von bis zu 90 Prozent Emissionen in einer Größenordnung von mehr als elf Millionen Tonnen CO2 pro Jahr ein. Reck begrüßt daher „die Stärkung des KWK-Ausbaus mit dem Ziel, hierfür die gesetzlichen Rahmenbedingungen zu verbessern, zum Beispiel dadurch, dass der Einspeisevorrang für KWK-Strom künftig in der gesamten EU zum Standard erhoben wird. Der VKU setzt sich im nationalen Umsetzungsprozess für eine marktgerechte Ausgestaltung der Richtlinie ein. Reck: „Unser Ziel ist, dass Energieversorgungsunternehmen durch die Umsetzung der Richtlinie neue Chancen eröffnet werden, ihr bereits bestehendes Energieeffizienz-Geschäftsfeld weiter auszubauen.“ Der Verband kommunaler Unternehmen vertritt über 1400 kommunalwirtschaftliche Unternehmen in den Bereichen Energie, Wasser/Abwasser und Abfallwirtschaft. Mit 235 000 Beschäftigten wurden 2010 Umsatzerlöse von rund 95 Milliarden Euro erwirtschaftet.

Dienstag, 18. Dezember 2012

Vorjahr. Der Energie-Branchenverband BDEW geht nach vorläufigen Schätzungen von einem Wert von rund 607 Milliarden Kilowattstunden (kWh) aus. Das ist ein Minus von 0,5 Prozent im Vergleich zu 2010. Die Stromerzeugung in Deutschland ging nach Angaben des Verbandes um 2,5 Prozent von 628 Milliarden kWh auf 612 Milliarden kWh zurück. Als Gründe wurden die gesunkene Stromnachfrage und geringere Stromexporte genannt.

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„Green Economy darf uns nicht blind machen“ Klimaforscher Schellnhuber ruft zum Umdenken auf

Foto: dapd

Der Klimaforscher Hans Joachim Schelln- rechnen dabei nicht mit Horror-Modellen, huber ruft zu einem Umdenken in der sondern orientieren sich an den TemperaEnergiepolitik auf und fordert eine koh- turmessungen in Deutschland seit 1901. lenstofffreie Weltwirtschaft. Der Direktor Allein zwischen 2001 und 2010 wurde es des Potsdam-Instituts für Klimafolgenfor- den Angaben zufolge hier je nach Region zwischen 0,25 und zwei Grad schung (Pik) sagte, es stelle sich wärmer. die Frage wie die öffentliche Die Rolle der Klimaforschung Hand die Politik in die richtige bleibt weiterhin, die ProblemRichtung lenken könne. „Die fakten auf den Tisch zu knallen Menschheit erwirtschaftet ihren und Optionen für geeignete LöWohlstand im Augenblick auf sungswege zu identifizieren. Die der Basis von fossilen EnergieRolle der Politik ist es dann, den ressourcen, also Gas, Kohle, Bürgerwillen zu mobilisieren, Erdöl und so weiter. Wir wissen, um wissensbasierte Entscheidass diese Ressourcen zu Ende dungen umzusetzen. Wir Forgehen. Natürlich kann man noch Hans-Joachim scher erfüllen gewissermaßen sehr lange versuchen, KohlenSchellnhuber die Aufgabe planetarischer stoff aus der Erde zu kratzen. Es wird immer teurer werden, und nicht alle Ratingagenturen – nicht sehr beliebt, Menschen werden damit versorgt werden aber verdammt notwendig. Auf offene Ohren stößt Schellnhuber können.“ Schellnhuber weist zudem auf massive Umweltprobleme hin. „Wir müs- bei der „Green Economy“. Bis 2025 wird sen global zu einer nachhaltigen Wirt- der Anteil der Umwelttechnologien am schaftsweise übergehen. Die Energiesys- deutschen Bruttoinlandsprodukt von elf teme sind der entscheidende Faktor in Prozent im Jahr 2011 auf voraussichtlich 20 Prozent steigen, so dem ganzen Spiel. Es das Bundesumweltwird Zeit, sich von der STICHWORT ministerium. Weltweit Energiewirtschaft des erreichten Umwelt20. Jahrhunderts zu Nachhaltig technologien 2011 ein verabschieden und in Volumen von 2044 die Energiewirtschaft wirtschaften Milliarden Euro; 2025 des 21. Jahrhunderts einzusteigen“, sagt Als Green Economy wird eine an öko- wird es mit prognostiSchellnhuber. logischer Nachhaltigkeit, wirtschaftli- zierten 4400 MilliarDie Zeit dränge. Der cher Profitabilität und sozialer Inklu- den Euro mehr als Klimawandel könnte sion ausgerichtete Wirtschaftsweise doppelt so groß sein. Schellnhuber verOstdeutschland in den verstanden. Der Begriff wird vor allem kommenden Jahr- im internationalen Nachhaltigkeitsdis- folgt diese Entwickzehnten spürbar mehr kurs verwendet und ergänzt dort das lung mit Skepsis: „Ich zu schaffen machen Konzept der nachhaltigen Entwick- habe nichts gegen den als dem Westen der lung. Öffentliche und private Investi- Begriff einer Green Republik. Das geht tionen fließen in einer Green Economy Economy, wenn er aus Klima-Szenarien vor allem in Maßnahmen, die Kohlen- uns nicht blind macht des Pik hervor. „Ost- dioxid-Emissionen sowie Umweltver- gegen die realen Rahdeutschland wird schmutzung senken, Energie- und menbedingungen für Wirtdurch größere Hitze- Ressourceneffizienz erhöhen und die nachhaltiges wellen im Sommer Abnahme von Artenvielfalt und Um- schaften. Dies lässt sich am Klimapround mehr Nieder- weltdienstleistungen verhindern. blem besonders gut schläge im Winter wahrscheinlich härter getroffen“, sagt verdeutlichen: Wenn es zum Beispiel geSchellnhuber. Bei jetziger Gesetzeslage lingt, den Energieeinsatz pro Wertschöpmüssten sogar Kraftwerke an Flüssen fungseinheit zu mindern, dann hat man zeitweise abgeschaltet werden, weil das noch nicht automatisch etwas für den Kühlwasser zu warm werde. Insgesamt Planeten erreicht. Denn wir verbrauchen treffe die Erderwärmung jede Region an- dann zwar verhältnismäßig weniger fossile Energieträger und sekundäre Resders. Erstmals haben Klimaforscher des Pik sourcen wie Frischwasser, aber konsuund der Berliner Humboldt-Uni die Aus- mieren dafür in der Regel wieder mehr. wirkungen der Erderwärmung bis zum Diesen ,Rebound Effect’ kennt jeder priJahr 2100 bis auf deutsche Landkreise he- vate Haushalt. Und die Weltbevölkerung runtergebrochen. Gleichzeitig zeigen sie wächst schließlich weiter. Am Ende exmögliche Effekte auf Land-, Forst- und plodieren die Treibhausgasemissionen Energiewirtschaft auf. Die Wissenschaftler trotz aller Effizienzgewinne.“

Frage: Laut Umfragen der Deutschen Energie-Agentur kümmert sich weniger als die Hälfte der Unternehmen um das Thema Effizienz. Dabei verbrauchen Industrie und Gewerbe in Deutschland 75 Prozent des Stroms. Wie erklären Sie sich dieses Verhalten? Christian Haase: Unwissenheit ist eins der größten Risiken der Energiewende. Zudem investieren Unternehmen in Krisenzeiten wie jetzt auch eher ins Kerngeschäft, also ihre Produkte, und nicht in Energie sparende Maschinen. Umso wichtiger sind Energiedienstleistungsangebote wie zum Beispiel Contracting, bei denen ein Dienstleister Effizienzmaßnahmen umsetzt und die Investitionen in energieeffiziente Anlagen übernimmt. Die Refinanzierung erfolgt über die eingesparten Energiekosten. Durch Effizienzmaßnahmen gewinnen die Unternehmen nachweislich an Wettbewerbsfähigkeit – trotz steigender Strompreise.

INTERVIEW Ein weiteres Mittel, sich von der Preisentwicklung abzukoppeln, ist, Energie selbst zu produzieren. Bestätigen Sie den Trend zu selbstgemachtem Strom? Ja. Vor allem Betriebe, die einen hohen Wärmebedarf haben, bauen zunehmend eigene, hocheffiziente Blockheizkraftwerke. Diese produzieren gleichzeitig Strom und Wärme. Diese Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen werden vom Staat gefördert, was die Technologie wirtschaftlich noch attraktiver macht. Viele denken bei Energiewende an Atomausstieg, Solarkraftwerke und Windräder. Woran denken Sie bei dem Begriff? Daran, dass wir unsere Gewohnheiten umstellen müssen. Ursprünglich war unser Energieversorgungssystem so aufgebaut, dass der Strom dann und dort produziert wurde, wo er gebraucht wird. Daher stehen die meisten großen Kraftwerke in der Nähe von Ballungszentren mit viel Industrie. Der Strom aus erneuerbaren Quellen wird aber produziert, wenn und wo der Wind weht oder die Sonne scheint. Daher ist eine der Herausforderungen, energieintensive Verbraucher wie beispielsweise Rechenzentren in die Nähe von Windparks anzusiedeln. Und unsere Verbrauchsgewohnheiten umzustellen: Es wird einen Zeitpunkt geben, wo wir nur dann viel Energie verbrauchen, wenn auch viel Energie verfügbar ist und in sonnenschwachen und windschwachen Zeiten werden wir unseren Verbrauch einfach einschränken. Wie früher: Da hat der Windmüller das Korn dann gemahlen wenn der Wind seine Mühle angetrieben hat. Greift dieses Prinzip schon? Große Autofirmen produzieren manche Teile schon zu Zeiten, in denen der Strom an der Börse sehr billig ist. Das sind die Stunden, in denen es weniger Abnehmer für den zur Verfügung stehenden Strom gibt. Supermärkte mit großen Tiefkühlbereichen schalten die Truhen zu Spitzenzeiten schon mal für 15 Minuten ab. Wie sieht es im privaten Bereich aus? Auch hier müssen wir umdenken. Zu welcher Zeit am Tag die Waschmaschine oder der Trockner läuft, ist den meisten Menschen egal, um nur einmal ein einfaches Beispiel zu nehmen. Dabei ist es heute schon technisch – mittels Zeitschaltuhr – möglich, sie laufen zu lassen, wenn der Strom günstiger ist. Künftig könnten Signale von der Strombörse kommen, die Maschinen, die auf Stand-by stehen, einschalten, wenn gerade Strom besonders günstig zur Verfügung steht.

Bauherren werden zur Kasse gebeten Weil die Bundesregierung den Energieverbrauch für Neubauten drastisch senken will, müssen sich Bauherren in Zukunft auf zusätzliche Kosten einstellen. Nach der Novelle des Energieeinsparungsgesetzes und der dazugehörigen Verordnung belaufen sich die ab 2014 anfallenden zusätzlichen Kosten auf rund 1,2 Milliarden Euro im Jahr. Als Folge einer weiteren Verschärfung der Vorgaben im Jahre 2016 würde sich der Betrag verdoppeln und auf dann knapp 2,5 Milliarden Euro steigen. Den Zusatzkosten würden hohe EnergieEinsparungen gegenüberstehen. Im Kern geht es um schärfere Effizienzstandards für Neubauten. Hier sollen die zuletzt 2009 um 30 Prozent verschärften Mindestanforderungen an den Energieverbrauch in zwei Schritten – 2014 und 2016 – um je 12,5 Prozent erhöht werden. Jeder Schritt löst Kostensteigerungen aus. Die werden in der Vorlage für private Bauherren auf 1,7 Prozent je Verschärfungsrunde oder bundesweit auf 234 Millionen Euro geschätzt. Die Wohnungswirtschaft würde mit 536 Millionen Euro den Löwenanteil tragen.


ENERGIE REPORT

Dienstag, 18. Dezember 2012

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Hightech Ăźber ThĂźringen

GrĂźn, ja grĂźn, sind alle Hochspannungsmasten in ThĂźringen. Dieses Foto offenbart einen Blick von unten in einen Hochspannungsmasten.

Wie sicher ist die Versorgung? Ein europaweiter Stromausfall wie zuletzt 2006 nach der Abschaltung einer Starkstromleitung fĂźr ein Kreuzfahrtschiff an der Ems ist der Alptraum jedes Netzplaners. Damals saĂ&#x;en zehn Millionen Menschen im Dunkeln, es gab steckengebliebene AufzĂźge und hohen Schaden. Wenn die Bundesnetzagentur vor einer „kritischen Lage“ fĂźr die deutschen Netze warnt, lĂśst das Sorgen aus.

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L Wie kommt es eigentlich zu einem Netzausfall? Kleinere Netzausfälle zum Beispiel durch VĂśgel in Hochspannungsleitungen oder technische StĂśrungen gehĂśren zum Alltag der Stromversorgung. Der Bericht der Bundesnetzagentur spricht von fast 207 000 Unterbrechungen Ăźber drei Minuten Länge im vergangenen Jahr. Sie stellen aber meist keine grĂśĂ&#x;ere Gefahr dar.

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L Wie reagieren die Netzbetreiber? Die Netzbetreiber leiten Strom um, wenn er an bestimmten Stellen fehlt, rufen Reserveleistung ab und schalten bei grĂśĂ&#x;eren StĂśrungen Kraftwerke ganz oder teilweise an und ab. Dabei helfen Computerprogramme. Der grĂśĂ&#x;te deutsche Hochspannungsnetzbetreiber Amprion hat seine rund 11 000 Kilometer Netz zum Beispiel in 1031 Teile zerlegt. Alle 15 Minuten erfasst der Rechner fĂźr diese Netzabschnitte StĂśrungen und ReaktionsmĂśglichkeiten. L Sind Eingriffe in die Netze also gefährlich? Prinzipiell nicht. Das ist Alltag in den Netzzentralen. Allerdings ist dieser Alltag deutlich stressiger geworden, berichten Fachleute. Die Eingriffe seien wesentlich häufiger, umfangreicher und es habe auch mehr kritische Situationen gegeben. L Was verstehen Netzbetreiber unter kritisch? Wenn die schnell bereitstehende Primär- und Sekundärleistung nicht ausreicht und auch die sogenannte Minutenenergie, die innerhalb von 15 Minuten aktivierbar ist, das Problem nicht lĂśst, mĂźssen ganze Reservekraftwerke hochgefahren werden. Das Ăœberschreiten der Minutenreserve sei bereits kritisch, sagte ein AmprionSprecher. Richtig schwierig wird es, wenn das Netz durch weitere negative Faktoren an die Kapazitätsgrenze gerät, wie zuletzt bei eisigen Temperaturen im Februar dieses Jahres. L Wie groĂ&#x; ist eigentlich der Sicherheitsspielraum der Netze? Dazu äuĂ&#x;ern die Betreiber sich ungern, da StĂśrungen ja jederzeit lokal von einer Ăźberlasteten Leitung entstehen und sich blitzschnell ausbreiten kĂśnnen, wie das Beispiel des Ems-Blackouts zeigt. Als Richtwert gilt aber 130 Prozent Belastbarkeit – also 30 Prozent Sicherheitspuffer. L Und wo und wann ist es besonders gefährlich? Zwischen 18 und 22 Uhr, wenn der Stromverbrauch am hĂśchsten ist, die Sonne nicht mehr scheint und der Wind meist abflaut. Regional ist nach der Abschaltung der Atomkraftwerke SĂźddeutschland die kritische Region. Wenn dort abends hohe Verbräuche entstehen, kann es zu EinbrĂźchen kommen. L Aber das mĂźsste man doch vorhersagen kĂśnnen? In den meisten Fällen ja. Die Stromtransporte des Folgetages mĂźssen bis 14 Uhr angemeldet werden. Da zeichnen Engpässe sich in der Regel ab. PlĂśtzliche LeitungsstĂśrungen kĂśnnen trotzdem immer passieren. L Was ist jetzt mit unserer Versorgungssicherheit? Die Netzbetreiber haben sich bereits mehr Kaltreserve an zusätzlicher Kraftwerkskapazität in SĂźddeutschland und in Ă–sterreich gesichert, als nach den Berechnungen nĂśtig sein wird. Doch absolute Sicherheit gibt es nicht und das Blackout-Risiko ist durch die Energiewende eindeutig gewachsen.

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Foto: dpa

Durch ThĂźringens einzige Starkstromtrasse nach Bayern wird seit Anfang Dezember mehr Strom geschleust. Die Trasse von Remptendorf (Saale-OrlaKreis) ins bayerische Redwitz wurde dazu bis zur Landesgrenze mit modernen Hochtemperatur-Seilen ausgestattet – den Angaben zufolge ein Novum im deutschen Starkstromnetz. „Wir betreten hier Neuland“, erklärte Bundeswirtschaftsminister Philipp RĂśsler (FDP) bei der Inbetriebnahme. Dadurch erhĂśht sich die Leistung der Trasse von 1800 auf 2100 Megawatt. Sie zählt zu den am stärksten belasteten Leitungen im deutschen Stromnetz. FĂźr rund sieben Millionen Euro wurden an der 380-Kilovolt-Trasse auf einer Länge von 18 Kilometern alte Leitungen gegen die neuen Hochtemperatur-Seile ausgetauscht. Durch eine spezielle Legierung im Kern vertragen sie hĂśhere Temperaturen und hängen erst bei 150 Grad Celsius etwa so stark durch wie gewĂśhnliche Leitungen bei 80 Grad. Dadurch kĂśnnen sie grĂśĂ&#x;ere Strommengen transportieren.

Die Politik versucht den Umbau der Stromtrassen in den Griff zu bekommen Das Stromnetz ist die Achillesferse der Energiewende. Nicht nur bei den Betreibergesellschaften der kilometerlangen Leitungen sorgt das Mammutprojekt fĂźr Sorgenfalten. Auch Bund und Länder diskutieren seit langem, wie der Ausbau der Stromnetze zĂźgiger vonstatten gehen kann, damit er mit dem Boom der erneuerbaren Energien Schritt hält. Eine LĂśsung scheint nun gefunden: Der Bund soll neue Kompetenzen erhalten. Er muss die groĂ&#x;en Stromautobahnen planen, die in Zukunft das Land von Nord nach SĂźd queren. Die Dimensionen dieses Projektes sind schon fĂźr sich genommen groĂ&#x;. 2800 Kilometer neuer Stromtrassen sollen die Windenergie von der Nordsee bis nach Bayern und BadenWĂźrttemberg fĂźhren. So sieht es der Netzentwicklungsplan (NEP) vor, der demnächst in ein Gesetz ĂźberfĂźhrt wird. 2800 Kilometer, von denen bisher aber noch nicht einmal der genaue Streckenverlauf feststeht. Denn die Netzbetreibergesellschaften hĂźllen sich in Schweigen. Sie fĂźrchten

einen Genehmigungsmarathon, der von dem organisieren Unmut der betroffenen BevĂślkerung begleitet wird. Deswegen bekunden Vertreter der Netzbetreiber bei jeder Gelegenheit, dass das Planungsrecht vereinfacht werden mĂźsste. Denn bis jetzt galten teilweise in verschiedenen Bundesländern unterschiedliche Verfahren. Zum Teil konnten noch nicht einmal die Zeitpläne richtig koordiniert werden, weil die BĂźrokratien nicht im Takt arbeiteten. Hier soll der Bund nun fĂźr Klarheit und fĂźr Schnelligkeit sorgen. Wie genau das Verfahren aussehen soll, ist derzeit noch offen. Bisher sind nur die grundsätzlichen Punkte geklärt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sicherte den Ländern zu, dass der Bund bei der Planung „in engster Abstimmung“ mit den Ländern vorgehen werde. Eine Verordnung zum Bundesbedarfsplangesetz, das den NEP juristisch fixiert, soll festlegen, dass der Bund neben den Raumordnungs- auch die Planfeststellungsverfahren durchfĂźhren kann.

Wirtschaftsminister Philipp RĂśsler (FDP) zeigte sich zufrieden und sprach von einem „Riesenschritt zur Umsetzung der Energiewende“. Er hatte seit dem FrĂźhjahr fĂźr ein schnelleres Verfahren geworben. Die Einigung der Länder mit dem Bund ist aber nur ein erster Schritt. Doch selbst falls der Ausbau des Ăœbertragungsnetzes zĂźgig vorangeht, ist nicht gesichert, dass das deutsche Stromnetz nicht weiter justiert werden muss. Denn die Deutsche Energie-Agentur (Dena) hält auch das Verteilnetz, das den Strom vom Ăœbertragungsnetz zu den Haushalten bringt, fĂźr untauglich. Bis zu 193 000 Kilometer Leitungen mĂźssten bis 2030 zusätzlich installiert werden, rechnet das Institut in einer neuen Studie vor. Bis zu 25 000 Kilometer im Netz sollten umgebaut werden. Als Kostenrahmen werden 27,5 bis 42,5 Milliarden Euro veranschlagt. Momentan fehlen nach Ansicht der Dena die Kapazitäten, um den regional ĂźberschĂźssig erzeugten Wind- und Solarstrom abzutrans-

portieren. Das Netz droht unter der Kraft zusammenzubrechen. Allein 2011 verdreifachten sich zum Beispiel wegen der Netzengpasse die zwangsweise Abschaltung von Windparks. Mittlerweile mehrt sich allerdings schon Kritik, den Netzausbau der Energiewende anzulasten. Oliver Krischer, energiepolitischer Sprecher der GrĂźnen-Bundestagsfraktion, kritisiert die Dena und ihre Politik scharf. „Es wird verschwiegen, dass die Netzbetreiber in den vergangenen zehn Jahren kaum modernisiert haben. Das hat mit der Energiewende gar nichts zu tun, sondern ist das Ergebnis einer falschen politischen Priorität bei der Regulierung des Stromnetzes“, sagt er. Die Dena operiere mit „ßber 20 Jahre aufaddierten Horrorzahlen“. Aufs Jahr betrachtet seien es 1,5 bis 2,3 Milliarden. Euro. „Das ist die GrĂśĂ&#x;enordnung, die auch frĂźher in Verteilnetze investiert wurde. Auf die Kilowattstunde umgerechnet, bedeuten das gerade einmal 0,3 bis 0,5 Cent pro Kilowattstunde“, so Krischer. ANZEIGE

Alle Zähler stehen still Pläne fĂźr Abschaltungen sind fertig Die letzten beiĂ&#x;en die Hunde: Stromengpässe kĂśnnten in Zukunft gelegentlich auch zu Stromabschaltungen fĂźr alle Verbraucher fĂźhren. Nach Informationen der Frankfurter Allgemeinen Zeitung wären dann jeweils genau definierte Regionen fĂźr eineinhalb Stunden komplett vom Strom abgehängt. Danach gäbe es wieder 13,5 Stunden Strom, bevor eine abermalige Abschaltung vorgenommen wĂźrde, sagte Martin Konermann, Vorstandsmitglied der EnBW Regional AG. Auf diese Weise kĂśnnte der Stromverbrauch um fĂźnf Prozent reduziert werden. Das sei nur die Ultima Ratio, sagte Konermann. Auf diese Weise kĂśnnte ein Blackout vermieden werden, wenn alle anderen MaĂ&#x;nahmen zu Stabilisierung des Netzes schon ergriffen wurden – einschlieĂ&#x;lich der freiwilligen, entlohnten Lastreduzierung durch Wirtschaftsunternehmen. Dies soll durch eine Abschalteverordnung geregelt werden. Dieses dynamische System von Stromabschaltungen ist nicht neu: Es geht zurĂźck auf Katastrophenpläne aus der Zeit der Ă–lkrise in den 1970er Jahren. Diese Pläne wurden in SĂźddeutschland wieder aktiviert, als der trockene Sommer 2003 zu extrem niedrigen Wasserständen in den FlĂźssen fĂźhrte und bei einigen Atomkraftwerken das KĂźhlwasser knapp wurde. In diesem Winter wird man die rollierende Stromabschaltung wohl nicht brauchen, sagt Rainer Joswig, GeschäftsfĂźhrer der Ăœbertragungsnetz-Gesellschaft TransnetBW. Signifikante Probleme erwartet Joswig im Jahr 2015. Zur Stabilisierung des Stromnetzes sind seiner Ansicht nach neue Kraftwerke in SĂźddeutschland notwendig. „Der Netzausbau kommt zu spät und reicht alleine nicht aus“, sagt Joswig. Zusätzliche Kraftwerke seien deswegen eine ZwischenlĂśsung, bis der Netzausbau realisiert sei.

Vor allem durch die Stilllegung von Kernkraftwerken im SĂźden und den gleichzeitigen Ausbau von Windkraftanlagen im Norden Deutschlands werde das Stromnetz in SĂźddeutschland belastet. Joswig sieht die Bundesnetzagentur und die Politik deshalb gefordert. „Sie mĂźssen sich jetzt intensiv und kurzfristig mit der Frage nach neuen Kraftwerken beschäftigen“, sagte er. „Das sind Kraftwerke, die nicht langfristig eine Existenzberechtigung haben, aber sie sind notwendig.“ Laut Joswig ist der SĂźden Deutschlands allerdings auch von der Abschaltung von Kraftwerken in Frankreich und Belgien betroffen. Bei Engpässen wĂźrden diese Länder von den deutschen Versorgern durch Stromexporte unterstĂźtzt. Dadurch werde das deutsche Netz zusätzlich belastet. „Weit entfernt abgeschaltete Kraftwerke haben deshalb auch Auswirkungen auf unser Stromnetz“, sagte der Manager. TransnetBW zufolge wären 90 Kilometer neue HĂśchstspannungsleitungen fĂźr eine zuverlässige Stromversorgung allein in Baden-WĂźrttemberg notwendig. Doch das sei vielen BĂźrgern nur schwer zu vermitteln, sagte Sprecherin Angela BrĂśtel: „Wir werden die BĂźrger deshalb in Zukunft frĂźhzeitig in die Planung von neuen Stromtrassen miteinbeziehen.“ So soll auf die Sorgen und Probleme von betroffenen Gemeinden besser reagiert werden. FĂźr diesen Winter hätten die deutschen Netzbetreiber sechs Reservekraftwerke in Deutschland und Ă–sterreich unter Vertrag genommen, sagte der Leiter der TransnetBW-SystemfĂźhrung, Markus FĂźrst. „Ohne diese Reservekraftwerke wĂźrden wir direkt in einen Blackout laufen.“ Die Stabilität des Netzes bleibe aufgrund der angespannten Lage jedoch gefährdet.

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Und plĂśtzlich dreht sich nichts mehr.

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ENERGIE REPORT

Dienstag, 18. Dezember 2012

„Schmerzgrenze ist bereits jetzt erreicht“

Revival des Revierschatzes Mal rauf, mal runter: Braunkohlekraftwerke sind flexibler als ihr Ruf, sagt Vattenfall-Vorstand Hubertus Altmann

Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) mahnt zur Eile. Die EEG-Reform mßsse vor der Bundestagswahl umgesetzt werden.

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den von Leipzig. Es hat zwei BlĂścke mit Ein ganzes Land trug einst ihre Note – die einer Leistung von jeweils 920 Megawatt. Braunkohle war ein Inbegriff fĂźr die UmDoch dieses Potenzial liegt immer Ăśfter weltverschmutzung in der DDR; die brach. Der Grund: Erneuerbare Energien Braunkohlekraftwerke der Flakon fĂźr den haben Vorrang im Netz, Strom aus Wind-, Geruch einer ganzen Region. Heute hat Solar- und Biomasseanlagen wird bevordie Braunkohle ein anderes Image: Sie gilt zugt abgenommen. Das heiĂ&#x;t, ein Kraftals verlässliche Technologie, die die Zeit werk wie Lippendorf fährt teilweise mit ĂźberbrĂźcken soll, bis genug Strom aus erweniger als der Hälfte der mĂśglichen Leisneuerbaren Quellen zur VerfĂźgung steht. tung. Flexibilität ist also gefragt. Sie ist grundlastfähig und ein GaWechselnde Netzlasten erforrant fĂźr Netzstabilität. Zudem ist dern schnelle Reaktionen. GroĂ&#x;e sie ein Jobmotor: Die BraunkohlLeistungsdynamik, ein „gutmĂźtieindustrie mit ihren 44 680 Beges“ Teillastverhalten sowie die schäftigten ist ein enormer WirtFähigkeit zu schnellen Warmschaftsfaktor. Die WertschĂśpfung und Kaltstarts sind unverzichtbeträgt laut einer Prognos-Studie bare Eigenschaften fĂźr Kraftaus dem vergangenen Jahr 2,4 werke. „Wir schaffen es in Milliarden Euro. Die Braunkohle 20 Minuten, von der Mindestist mit einem Anteil von knapp 40 leistung – 400 Megawatt – auf Prozent an der inländischen EnerHubertus 920 Megawatt heraufzufahren“, giegewinnung der mit Abstand Altmann sagt Hubertus Altmann, Vorwichtigste heimische Energieträstand fĂźr das Ressort Kraftwerke beim ger. 2011 stammte jede vierte in DeutschEnergieversorger Vattenfall, der das land verbrauchte Kilowattstunde Strom Braunkohlekraftwerk Lippendorf betreibt. aus Braunkohle. Mit rund 177 Millionen Und es funktioniere auch in die andere Tonnen lag die BraunkohlenfĂśrderung in Richtung. Sind die Erneuerbaren wieder Deutschland 2011 auf stabilem Niveau. voll im Netz, kĂśnne das Kraftwerk genauDas mitteldeutsche Revier im GroĂ&#x;raum so schnell heruntergefahren werden. Halle-Leipzig fĂśrdert pro Jahr etwa „Leistungsdiagramme bestätigen, dass die 20 Millionen Tonnen. Braunkohlekraftwerke in diesem Bereich Einer der Hauptabnehmer ist das genauso flexibel gefahren werden kĂśnnen Braunkohlekraftwerk Lippendorf im SĂźwie Gaskraftwerke“, sagt Altmann. Schon jetzt seien in der mitteldeutschen Volllaststunden der Kraftwerke Region immer mal wieder mehr als Jahresvolllaststunden der deutschen 50 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energiekraftwerke im Jahr 2011 Energien im Netz. Entsprechend hat Vattenfall reagiert: Der MaterialverschleiĂ&#x; Kernenergie 7640 und die personellen Anforderungen sind hĂśher. Doch Altmann verteufelt diese Entwicklung nicht: „Wir machen den Zugang Braunkohle 6850 der Erneuerbaren mĂśglich, sind im Grunde ihre Partner bei der Energiewende.“ Letztlich, so der Kraftwerksvorstand, gehe Biomasse 6030 es bei der Energieversorgung um drei Dinge: Wirtschaftlichkeit, Klimaschutz Steinkohle 3790 und Versorgungssicherheit. Beim letzten Punkt gebe es Nachholbedarf: „Wenn die Versorgungssicherheit in der Ă–ffentlichLauf- und Speicherwasser 3500 keit mehr thematisiert wĂźrde, wĂźrde auch die Akzeptanz der Braunkohle steigen.“ Wenn in den Netzen kĂźnftig den erneuErdgas 3210 erbaren Energien oberste Priorität eingeräumt wird, dann mĂźssen in wind- und Wind 1650 sonnenstarken Zeiten die bisherigen Grundlastkraftwerke nicht nur auf Teillast gefahren, sondern häufig auch komplett MineralĂśl 1120 abgeschaltet werden, um nicht wesentliche Ăœberkapazitäten und damit Netzinstabilitäten zu erzeugen. Fallen dann 980 Pumpspeicher Wind und Sonne wieder kurzfristig aus, mĂźssen diese Anlagen aus dem Stillstand 970 Photovoltaik sehr schnell angefahren werden. Ohne ausreichende Speichersysteme bedeutet Quelle: Vattenfall / Grafik: Enzo Forciniti

Flexibel wie ein Gaskraftwerk: Das Braunkohlekraftwerk Lippendorf. dies die erweiterte Nutzung konventioneller Anlagen in einem sogenannten Zweischichtbetrieb, also das (teilweise mehrfache) tägliche An- und Abfahren. Die Spitzennachfrage nach Strom (HĂśchstlast), die aus dem Netz der allgemeinen Versorgung zu decken ist, liegt in Deutschland bei rund 80 Gigawatt. Dieser HĂśchstwert wird in der Regel am frĂźhen Abend eines Werktages im Winter erreicht. Auf der Verbrauchsseite sind grĂśĂ&#x;ere Lastschwankungen traditionell Ăźblich. Diese erklären sich durch die unterschiedliche Nachfrage zwischen Tag und Nacht, zwischen Werk- und Wochentagen sowie zwischen Winter und Sommer. So war die Last am 3. Mittwoch im August 2011 zwischen drei und vier Uhr nur etwa halb so hoch wie am 3. Mittwoch im November 2011 zwischen 18 und 19 Uhr. Innerhalb eines Tages beträgt die Verbrauchsleistungsschwankung im deutschen Strommarkt traditionell Ăźber 30 Gigawatt.

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Foto: Thomas Lieb

STICHWORT

Grundlast Die Grundlast beträgt in Deutschland laut Bundesnetzagentur durchschnittlich 40 Gigawatt und somit nur rund die Hälfte der Spitzenlast von 75 bis 80 Gigawatt. Definiert wird die Grundlast als die Netzbelastung, die permanent zur VerfĂźgung stehen muss, um den minimalen Strombedarf des gesamten Landes abzudecken. FĂźr gewĂśhnlich reicht die Grundlast nur während der Nacht aus und berechnet sich deswegen aus dem Verbrauch fĂźr StraĂ&#x;enbeleuchtung, dem Grundverbrauch aller Haushalte und nachts produzierenden Gewerbeeinheiten. Im Tagesverlauf wächst der Energiebedarf an. Die Verbrauchskurve steigt also Ăźber die Grundlast in den Bereich der Mit-

tellast. Dieser Mehrbedarf wird durch die ergänzende Nutzung von Mittellastkraftwerken gestĂźtzt. Zur Abdeckung der Grundlast dienen vor allem Kohle-, Atom-, Wasser- und Windkraftwerke. Pumpspeicherkraftwerke werden eingesetzt, um ĂźberschĂźssige Energie zu speichern und bei Spitzenlastzeiten wieder schnell abrufen zu kĂśnnen. Schon heute werden KraftwerksblĂścke kurzfristig vom Netz geschaltet, wenn dafĂźr genug Windleistung fĂźr Windkraftanlagen zur VerfĂźgung steht. Diese Stillstände werden von den Kraftwerksbetreibern Windaussetzer genannt und bedeuten fĂźr die Betreiber wirtschaftliche EinbuĂ&#x;en.

Braunkohle

Vattenfall: Nachfrage steigt

Frage: Viele Bßrger Stanislaw durchzuckt es beim Tillich Anblick ihrer Stromrechnung. Sie auch? Stanislaw Tillich: Wir alle, die Bßrger sowie die kleinen und mittelständischen Unternehmen, tragen die ErhÜhung durch die EEG-Umlage. Ich habe immer darauf hingewiesen, dass der Preisauftrieb bei den Stromkosten begrenzt werden muss. Der Freistaat Sachsen hat sich dafßr eingesetzt, dass die ErhÜhung der EEG-Umlage durch eine Senkung der Stromsteuer in der selben HÜhe ausgeglichen werden soll. Ich werbe weiterhin um Unterstßtzung dieser Forderung. Experten gehen davon aus, dass der Strompreis in den nächsten Jahren weiter steigen wird. Bei welchem Preis ist bei Ihnen die Schmerzgrenze erreicht? Ich sehe die Schmerzgrenze beim Strompreis bereits jetzt erreicht. Deshalb hat Sachsen eine Bundesratsinitiative gestartet mit dem Ziel, einen weiteren Anstieg des Strompreises zu verhindern. Das EEG muss dringend ßberarbeitet werden, weg von Subventionsanreizen, hin zu mehr Wettbewerb. Selbst die euphorische Annahme der Grßnen, das EEG fßhre zu zusätzlichen Arbeitsplätzen, relativiert sich angesichts der Entlassungen in der deutschen Photovoltaikindustrie. Mehr und mehr Windräder kommen aus dem Ausland. Wir brauchen die WertschÜpfung im eigenen Land.

INTERVIEW Gerade der Ausbau der erneuerbaren Energien ist Schuld an den gestiegenen Kosten. Auf welche regenerative Energie sollte Deutschland besser verzichten? Auf keine. Ein ausgewogener Energiemix ist wichtig fĂźr das Gelingen der Energiewende. Was wir aber brauchen ist eine bundesweite Koordinierung. Es muss dafĂźr gesorgt werden, dass die Windenergie dort entsteht, wo der meiste Wind weht und die Photovoltaik dort installiert wird, wo die meiste Sonne scheint. Die wirtschaftlichste Energieerzeugung muss das MaĂ&#x; der Dinge sein. Dazu gehĂśrt auch Energie aus fossilen Brennstoffen. Sie kĂśnnten auch bei den VergĂźnstigungen der Wirtschaft ansetzen. Wie viele Unternehmen mĂźssen wirklich von der EEG-Umlage befreit sein? Die EinfĂźhrung von Befreiungs- und ErmäĂ&#x;igungstatbeständen fĂźr energieintensive Betriebe bei der EEG-Umlage geht auf die damalige rot-grĂźne Bundesregierung zurĂźck. Diese MaĂ&#x;nahme ist dem Grunde nach richtig, um die Konkurrenzfähigkeit der im internationalen Wettbewerb stehenden Unternehmen nicht zu gefährden. Allerdings ist die Zahl der Betriebe, die von den Ausnahmeregelungen Gebrauch machen, seit 2003 immer weiter angestiegen. Eine ĂœberprĂźfung der Ausnahmetatbestände wurde und wird von Sachsen als dringend gefordert. Bundesumweltminister Peter Altmaier plant eine Reform der Ă–kostrom-FĂśrderung. Sie wird seiner Meinung nach aber nicht vor der Wahl Realität werden. Muss nicht schneller gehandelt werden? Ich plädiere dafĂźr, dass die Ă„nderung des EEG noch vor der Bundestagswahl verabschiedet wird.

Ohne Kohle läuft nichts Sachsen setzt auf fossile Energieträger mit Kohle, Gas oder Ă–l betriebene Das alte Energiesystem war ĂźberKraftwerke auch im Jahr 2050 schaubar. Die Basis bildeten GroĂ&#x;noch 46 Gigawatt jederzeit verfĂźgkraftwerke, die oft durchgehend bare Leistung bereitstellen, teilte dieselbe Menge Strom produzierder Verband mit. Der Studie zufolten. Sie waren darauf ausgelegt, ge entspricht dies 54 Prozent des mĂśglichst lange mit voller Kraft zu fĂźr 2050 errechneten Stromlaufen – ideale Bedingungen fĂźr hĂśchstbedarfs. groĂ&#x;e Kohlemeiler. In den Mittagsstunden, wenn die StromnachfraDie thermischen Kraftwerke ge stieg, speisten zusätzlich GasmĂźssen im Jahr 2020 nach der Frank Ralf Thomas kraftwerke ihre Energie ins Netz. Studie noch eine Gesamtleistung Kupfer Hiersig HĂśrtinger So simpel konnte die Arbeitsteivon 59 Gigawatt jederzeit bereitlem in Ostdeutschland, fĂźhrt. Die Netze lung des fossilen Zeitalters sein. halten, was einem Anteil von 68 Prozent sind aber dafĂźr nicht ausgerichtet. Sie Nun ist Bewegung in das behäbige am prognostizieren StromhĂśchstbedarf sind Ăźberlastet, was sie instabil macht“, System gekommen. Durch die Energieentspricht. Im Jahr 2010 waren der Stusagt Hiersig. Ein Fakt, dem der Freistaat wende speisen immer mehr Windräder die zufolge noch 72 Gigawatt Leistung jetzt Rechnung tragen will. Derzeit liegt und Solaranlagen Strom in die Netze. stets bei thermischen Kraftwerken abder Anteil bei den erneuerbaren EnerNetzbetreiber mĂźssen ihn vorrangig rufbar. Diese deckten damit seinerzeit gien in Sachsen am Strom-Mix bei rund kaufen, dazu verpflichtet sie das Gesetz. 79 Prozent des HĂśchstbedarfs ab. 17 Prozent. In den kommenden zehn Den restlichen Bedarf decken KohleUnd doch dĂźrfte die Stromnachfrage Jahren soll er auf 30 Prozent steigen. und Gaskraftwerke – und voraussichtschon bald nicht mehr fĂźr alle KohleDie ZielgrĂśĂ&#x;e ist Grundlage fĂźr die weilich bis 2022 noch eine sinkende Zahl kraftwerke reichen. „Wer in diesem tere Planung und Ausweisung von FläAtommeiler. schrumpfenden Markt mĂśglichst viel chen etwa fĂźr Photovoltaik-Anlagen und „Die Stromproduktion schwankt in konventionell erzeugten Strom verkauWindkraftanlagen im Freistaat. „Auf diesem neuen System immer stärker. Sie fen will, muss auf die Schwankungen Landwirtschaftsflächen“, sagte Umweltändert sich mit jeder WindbĂśe und mit bei Versorgung und Verbrauch rasch minister Frank Kupfer (CDU), „haben jeder Wolke, die sich vor die Sonne reagieren. Wir kĂśnnen das“, sagt ThoPhotovoltaik-Anlagen nichts zu suchen.“ schiebt“, sagt Ralf Hiersig, Geschäftsmas HĂśrtinger, Leiter des VattenfallfĂźhrer der Envia-Tochter Mitnetz. Kraftwerks Lippendorf. Bisher konnten Kupfer und seine Kabinettskollegen Schwankungen bei der Versorgung dĂźrfdas nur Gaskraftwerke. Kohlemeiler stärken der Kohle-Industrie den RĂźten bis Ende des Jahrzehnts um das schicken sich nun an, Gaskraftwerken cken. Aus gutem Grund: Die EnergieZwei- bis Dreifache steigen, schätzt der diese Rolle als flexibler LĂźckenfĂźller wende kann nach Ansicht des Verbanjapanische Kraftwerksbauer Hitachi streitig zu machen. Aus den ehemaligen des der Kohleimporteure nur mit einem Power. „Die erneuerbaren Energien Partnern Kohle und Gas werden plĂśtzhohen Anteil von Kohle- und Gaskraftwerden inflationär subventioniert, was lich Gegner in einem schrumpfenden werken gelingen. Nach einer Studie der zu einem Ăœberangebot an Strom, vor alMarkt. Prognos AG fĂźr den Verband mĂźssten Foto: GĂźnther Hunger

in Zeiten des Atomausstiegs eine BrĂźckentechnologie dar, die Versorgungssicherheit gewährleiste. Zuvor sind der Energiekonzern Vattenfall und die brandenburgische Landesregierung Berichten Ăźber einen mĂśglichen vorzeitigen Ausstieg aus der Braunkohleverstromung in der Lausitz entgegengetreten. Aufgekommen waren die Berichte durch eine Mitteilung des schwedischen Konzerns vom Vortag, wonach kĂźnftige Investitionen in erneuerbare Energien gesteckt wĂźrden. Die Aussage beziehe sich ausschlieĂ&#x;lich auf den Neubau von Energieanlagen, stellte ein Konzernsprecher klar. Es gehe nicht um einen Verzicht auf Erhaltungs- oder Ersatzinvestitionen. Vattenfall bekenne sich weiterhin zur Braunkohle, mit deren Erträgen der Ausbau der erneuerbaren Energien finanziert werde. Das sei auch ein klares Bekenntnis zu den laufenden Planverfahren fĂźr neue Braunkohletagebaue in der Lausitz.

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Die Energiewende treibt die Nachfrage nach Strom aus heimischer Braunkohle an. Mit einer zu erwartenden Abbaumenge von rund 62 Millionen Tonnen in diesem Jahr sei die Nachfrage nach Lausitzer Braunkohle so hoch wie zuletzt 1993, sagte der Vorstandsvorsitzende der Vattenfall Europe Mining AG, Hartmuth ZeiĂ&#x;. Mit 55 Milliarden Kilowattstunden werde Vattenfall im laufenden Jahr so viel Strom erzeugen wie seit der Wende nicht mehr. ZeiĂ&#x; warb zugleich fĂźr mehr Realitätssinn in der laufenden Energiedebatte. Jede zehnte in Deutschland verbrauchte Kilowattstunde Strom komme derzeit aus der Lausitz. Mit dem Braunkohlestrom sei man in der Lage, das Netz im Gleichgewicht zu halten. Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) verwies in einem GruĂ&#x;wort auf die Energiestrategie des Landes. Brandenburg sei fĂźhrend bei erneuerbaren Energien und bekenne sich gleichzeitig zur Braunkohle. Sie stelle

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„Wir wollen bezahlbaren Strom“ „Wir brauchen Rahmenbedingungen mit wettbewerbsfähigen Strompreisen“, sagt Sachsens Wirtschaftsminister Sven Morlok (FDP).

Die Energiegroßmacht Russland stößt mit dem Baustart der 16 Milliarden Euro teuren Gaspipeline South Stream durch das Schwarze Meer weiter auf den europäischen Energiemarkt vor. Kremlchef Wladimir Putin und der staatliche russische Gaslieferant Gazprom gaben den Startschuss für das gigantische Energievorhaben mit rund 2380 Kilometern Länge. Gazprom-Chef Alexej Miller feierte den Baubeginn nahe der südrussischen Stadt Anapa auch als „Sieg“ über das von der EU unterstützte Konkurrenzprojekt Nabucco. An South Stream ist auch die BASF-Tochter Wintershall beteiligt. Das erste Gas soll 2015 durch die Leitung fließen. Das Megaprojekt sei nicht nur für Russland, sondern für ganz Europa wichtig, sagte Putin bei dem Festakt. „South Stream schafft die Voraussetzung für eine zuverlässige Versorgung unserer Kunden in Europa“, betonte der Präsident. Nach seiner Rede umarmte Putin South-Stream-Aufsichtsratschef Henning Voscherau, den früheren Ersten Bürgermeister von Hamburg. Dann schweißten Arbeiter die erste Naht.„Wir haben Gas, wir haben Abnehmer, bei uns ist alles fertig“, sagte Miller dem russischen Staatsfernsehen. Nabucco kommt hingegen seit Jahren nicht recht voran. Durch die insgesamt vier South-Stream-Stränge sollen später bis zu 63 Milliarden Kubikmeter Gas jährlich strömen. Das entspricht etwa dem Verbrauch von 38 Millionen Haushalten. Russland will sich aber auch weiter von seinem bislang wichtigsten, aber unberechenbaren Transitland Ukraine für den Gasverkauf in der EU lösen. Mit South Stream will der Gasriese Gazprom – wie mit der Pipeline Nord Stream durch die Ostsee nach Deutschland – den wachsenden Energiehunger in Europa stillen, der durch den Atomausstieg entsteht. Herzstück der SouthStream-Leitung ist ein 925 Kilometer langer Abschnitt durch das Schwarze Meer. Experten sehen angesichts von South Stream kaum Chancen für die Nabucco-Pipeline, die einmal Gas unter Umgehung Russlands aus dem Kaspischen Meer nach Europa transportieren soll. Als wichtigster Partner hatte die Ex-Sowjetrepublik Aserbaidschan im Südkaukasus zuletzt eine kleinere Variante des Vorhabens ins Spiel gebracht. Die EU wirft Gazprom Missbrauch der Marktstellung vor und hat deswegen im September eine Untersuchung eingeleitet. Zudem pocht Brüssel darauf, dass Gasverkäufer wie Gazprom nicht zugleich Besitzer der Transportwege sein dürfen.

Foto: André Kempner

Russland punktet mit South Stream

Frage: Die Strompreise steigen im neuen Sven Morlok Jahr um rund 15 Prozent. Im Osten fällt die Steigerung im Schnitt höher aus als im Westen. Warum ist das so? Sven Morlok: Der Nachholbedarf an Investitionen, die nach der Wende erforderlich waren, wirkt sich immer noch aus. Aber wir haben auch das Problem, dass wir viel regenerativen Strom erzeugen, der im Osten eingespeist, aber nicht verbraucht wird und über die Netze transportiert werden muss. Die dadurch entstehenden Netzausbaukosten sind nicht bundesweit überwälzbar. Deshalb bleibt das an uns Ostdeutschen hängen.

INTERVIEW Die von Siemens Power Generation entwickelte Gasturbine SGT5-8000H: Der Anteil grüner Technologien am Konzernumsatz ist auf 42 Prozent gestiegen. Größter Treiber sei die Nachfra-

ge nach energieeffizienten Lösungen, von Industrieanlagen über Gebäude- und Medizintechnik bis zu intelligenten Stromnetzen und Gaskraftwerken mit hoher Energieausbeute. Foto: dpa

Vom Hätschel- zum Stiefkind Margen der Gaskraftwerks-Betreiber sinken Gaskraftwerke rücken im Zuge des Atomausstiegs wieder vermehrt ins Blickfeld. Haftete ihnen noch bis vor kurzem der Makel klimaschädlich an, gelten sie nun als Brückentechnologie ins Zeitalter der Erneuerbaren Energien. 74 Gasversorger werben derzeit im bundesweiten Durchschnitt um die Gunst der Kunden. Im Vergleich zum Vorjahr ist das ein Anstieg von 25 Prozent, wie eine Studie des Vergleichsportals Toptarif aus Berlin ergab. Demnach lag der Wert im Dezember 2011 bei 59. Ende 2010 gab es durchschnittlich 41 verschiedene Anbieter. Am größten ist die Angebotsdichte laut Toptarif in vielen Regionen Baden-Württembergs. Dort stehen mehr als 85 Gasanbieter im Wettbewerb. Was prädestiniert Gaskraftwerke dazu? Gaskraftwerke sind ausgesprochen flexibel. Sie sind innerhalb von sieben Minuten hochgefahren und können so Stromschwankungen ausgleichen, die bei der Nutzung von Solar-

und Windenergie entstehen. Kritiker befürchten jedoch, dass durch die Wiederbelebung von fossilen Energieträgern – zu denen neben Erdgas auch Kohle zählt – das deutsche Ziel, den CO2-Ausstoß bis 2020 um 40 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren, gefährdet wird. Gaskraftwerke werden nicht nur von Erneuerbaren bedrängt – wegen ihrer hohen Fixkosten kommen derzeit die günstigeren Braunkohlekraftwerke am Markt eher zum Zug. Ein Paradoxon der Energiewende, die eigentlich für emissionsarmen Strom sorgen will. Wegen der aktuellen Tiefpreise für Kohlendioxid können die sauberen Gaskraftwerke ihre Vorteile beim EU-weiten Emissionshandel nicht ausspielen. Eigentlich sind die emissionsarmen Gaskraftwerke die Lieblinge von Politikern, gleich nach Windrädern und Solarmodulen. Die Versorger jedoch halten sich mit neuen Investitionen zurück, erste Werke werden abgeschaltet. Im

November kündigte unter anderem Eon an, zwei unrentabel gewordene Gaskraftwerke in Bayern und Hessen zu schließen. Jürgen Tzschoppe, Chef der deutschen Tochter des staatlichen norwegischen Energiekonzerns Statkraft, sagt es etwas vorsichtiger: „Wir sehen derzeit keine Marktsignale für den Aufbau zusätzlicher Gaskraftwerkskapazitäten in Deutschland.“ Im August vermeldete die Leipziger Strombörse EEX, dass die 53 deutschen Gaskraftwerke derzeit nur zu circa 60 Prozent ausgelastet sind. Vor der Energiewende waren es gut 80 bis 90 Prozent. Das alarmiert die Energiebranche und ihre Lobby, den Bundesverband der Energieund Wasserwirtschaft: „Die Zahlen bedeuten, dass ein wirtschaftlicher Betrieb von Gaskraftwerken zunehmend infrage gestellt wird“, sagt Verbandssprecher Frank Brachvogel. Der Rollenwechsel der Gaskraftwerke vom Hätschel- zum Stiefkind hat zwei Gründe: Es gibt zurzeit zu viel Strom

aus Wind- und Sonnenenergie in Europa, der zum Teil sogar kostenlos über die Grenzen gedrückt wird. Zudem ist Erdgas zu teuer für viele Kraftwerksbetreiber. Die Erzeugungskapazität ist seit dem Jahr 2000 um 44 Prozent gestiegen, was vor allem dem Zubau an Windund Sonnenenergie geschuldet ist. Eine Folge: Wegen des guten Angebots gibt es weniger Situationen, wo Strom knapp ist, so dass die Strompreise an der Börse fallen. Das Geschäftsmodell von Spitzenlast-Kraftwerken beruht jedoch auf höheren Preisen in Mangelsituationen – etwa um die Mittagszeit. Die Lastspitzen werden inzwischen vom wachsenden Solarstromangebot mehr als ausgeglichen. Der Unterschied zwischen dem Peakpreis (Spitzenwert) und dem Basepreis (Grundwert) lag vor 40 Jahren noch bei 40 Prozent, aktuell sind es nur noch 20 Prozent. Damit sinkt die Marge der Betreiber deutlich. Reine Spitzenlastanlagen rechnen sich deshalb kaum noch.

Sie sind dafür, die Stromsteuer auf das EU-Mindestniveau zu senken und das Erneuerbare-Energien-Gesetz zu reformieren. Inwiefern? Die für 20 Jahre garantierte Einspeisevergütungen muss abgeschafft werden. Wir brauchen effizientere Modelle zur Förderung der regenerativen Energien. Wir brauchen ein Quotenmodell. Wie muss man sich das vorstellen? Ganz vereinfacht wäre es so, dass den Energieversorgern vorgeschrieben würde, dass sie in ihrem Stromportfolio einen bestimmten Anteil an regenerativen Energien haben müssen. Wie sie die Quote erfüllen, ist Sache der Energieversorger. Ziel ist, mehr Wettbewerb zu schaffen. Ich sage voraus: Daraus bilden sich neue Vertragsmodelle zwischen Energieversorgern und Kunden heraus. Das wäre auch eine große Chance für die regional vernetzten Stadtwerke. So könnte der Kunde mit seiner Photovoltaik-Anlage auf dem Dach ins Netz der Stadtwerke einspeisen und so damit dazu beitragen, dass das Stadtwerk die Quote erfüllt. Das würde preisstabilisierend wirken? Da bin ich mir sehr sicher. Das Quotenmodell würde dafür sorgen, dass regenerativer Strom deutlich günstiger wird als heute. Wir wollen einen bezahlbaren Strom – für die Verbraucher wie für die Unternehmen gleichermaßen. ANZEIGE

Roadmap statt Glaubenskriege

Foto: dpad

Ungeduldig ist Michael Vassiliadis, Vorsitzender der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE). Die Zeit sei reif für einen Pakt. Gemeinsam mit der Mitteldeutschen Braunkohlengesellschaft (Mibrag) und anderen Industriepartnern initiierte Vassiliadis Ende November das Innovationsforum Energiewende. „Wir erwarten“, so Vassiliadis, „dass die Politik die Zeit bis zur Bundestagswahl zu einer energiepolitischen Inventur nutzt und die bisherige Konzeption der Energiewende und den Instrumentenkasten gründlich überprüft.“ Die Energiewende brauche eine strategische Ausrichtung und eine klare Roadmap, erklärte Vassiliadis. „Wir bieten der Politik die Hand zu einem Innovationspakt, weil wir der festen Überzeugung sind, dass wir die Zeit der energiepolitischen Glaubenskriege in Deutschland endlich hinter uns lassen müssen.“ In diesem Atemzug brach Vassiliadis eine Lanze für die Braunkohle: „Wer in Bund und Ländern Verantwortung für eine sichere, bezahlbare und wettbewerbsfähige Energiewende trägt, der muss verlässliche und wirtschaftlich vernünftige Rahmenbedingungen für die deutsche Braunkohle schaffen.“ Musik in den Ohren von Joachim Geisler, Vorsitzender der Geschäftsführung Mibrag: „Braunkohle ist der einzige heimische Energieträger, der in großen Mengen langfristig, subventionsfrei und wettbewerbsfähig in Deutschland

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Gewerkschaft und Mibrag fordern von der Politik klare Strategie

Michael Vassiliadis

Joachim Geisler

bereitgestellt werden kann. Dass die heimische Braunkohle im deutschen Strommix einen zentralen Platz einnimmt, hat gute Gründe. Die Verstromung aus Braunkohle bietet ein Höchstmaß an Versorgungssicherheit und ist preisstabil.“ Die Lagerstätten Deutschlands sind in drei Regionen konzentriert: Mitteldeutschland, Lausitz und Rheinland. Die Vorräte reichen noch für die nächsten Generationen. In Mitteldeutschland lagern geologische Vorräte von zirka zehn Milliarden Tonnen Braunkohle, in ganz Deutschland sind es etwa 77 Milliarden Tonnen. „Der in der aktuellen Klimadebatte in Misskredit geratene Rohstoff hat das Potenzial, seinen Platz auch in Zukunft zu behaupten. Mit moderner Anlagentechnik, Wertschöpfung hier vor Ort, Verfügbarkeit und Preiswürdigkeit ist die Braunkohle Wirtschaftsmotor“, sagt Geisler. Ein Ausstieg aus der Kernenergie, so

Volle Kraft voraus: Ein Abraumbagger der Mitteldeutschen Braunkohlengesellschaft mbH (Mibrag) im Tagebau Vereinigtes Schleenhain. Foto: Rainer Weisflog

Vassiliadis, verbunden mit einer noch stärkeren Nutzung erneuerbarer Energien, „geht nur mit der heimischen Braunkohle“. Sie sei eine unverzichtbare Brücke der Stabilität in das Zeitalter einer Energieversorgung auf regenerativer Basis. Ein Doppelausstieg aus Kernkraft und Braunkohle wäre eine „mutwillige und nicht zu verkraftende Belastung“. Das würde nicht nur die Leistungsfähigkeit der Energieversorgung, sondern auch die Grundlagen einer guten wirtschaftlichen Entwicklung gefährden. Die Mitteldeutsche Braunkohlengesellschaft hat 2011 einen Umsatz von 395,4 Millionen Euro erzielt – im Vorjahr waren es 387,1 Millionen Euro. Das Jahresergebnis sank leicht von 70,2 auf 67,3 Millionen Euro, befindet sich damit aber weiter auf einem hohen Niveau. Belastet wird der Gewinn durch den Kauf von CO2-Zertifikaten für drei kleine Mibrag-Kraftwerke. Merklich zurück ging die Kohle-Förderung von 19,6 Millionen Tonnen 2010 auf 19 Millionen im Jahr 2011. Von den 19 Millionen Tonnen Rohkohle kamen 9,8 Millionen Tonnen aus dem Tagebau Vereinigtes Schleenhain in Sachsen und 9,2 Millionen Tonnen aus dem Tagebau Profen im Burgenlandkreis. Durch die zunehmende Einspeisung von erneuerbaren Energien müssen die großen Braunkohlekraftwerke aber auch immer öfter ihre Leistung drosseln. Laut Mibrag-Chef schwankt daher etwa die Kohleabnahme des Kraftwerkes Lippendorf von 10 000 bis 33 000 Tonnen pro Tag. Aus Sicht Geislers ist Deutschland trotz des Ausbaus der erneuerbaren Energien auch in den nächsten Jahrzehnten auf vergleichsweise günstigen Kohlestrom angewiesen. „Es fehlt eine Speichertechnologie für Windstrom, die wirtschaftlich ist“, so Geisler. Die Mibrag habe selbst den Bau eines Pumpspeicherkraftwerkes in den Tagebaugebieten geprüft. „Es rechnet sich nicht“, erklärte Geisler. Aufgabe der Politik sei es, „endlich ein Konzept für einen neuen Strommarkt zu entwickeln und auf den Weg zu bringen, der den Ausbau der erneuerbaren Energien sinnvoll mit den Anforderungen von Effizienz und Preiswürdigkeit, mit Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit sowie mit zuverlässigen Rahmendaten für Investitionsentscheidungen verbindet“, sagte Vassiliadis. Von der Energiewirtschaft wiederum sei zu erwarten, dass „sie gleichzeitig ihrer wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verantwortung für eine erfolgreiche Energiewende gerecht werde“.


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Dienstag, 18. Dezember 2012

Es werde Licht

„Mit Repowering kommen wir nicht weiter“

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Als vierte technische Revolution bezeichnet Hans-Jßrgen Schlegel, Mitglied des Vereins zur FÜrderung der Nutzung Erneuerbarer Energien Sachsen, die Energiewende. Nach der Erfindung der Dampfmaschine, Hans-Jßrgen des Transistors und Schlegel des Computers sei die Umstellung der Verstromung von fossilen auf regenerative Energieträger eine existenzielle Entwicklung. Der 68-jährige Ingenieur und Dozent war von 2002 bis 2008 Klimaschutz-Referent beim Landesamt fßr Umwelt und Geologie. Foto: Simone Liss

Rund 150 Kilometer StraĂ&#x;en und Wege werden in Saalfeld Nacht fĂźr Nacht beleuchtet. Aus SicherheitsgrĂźnden und wegen des Komforts. FĂźr die Stadt ein teures Unterfangen. Weil der Strompreis nicht nur fĂźr Privatkunden steigt, hat Saalfeld im vergangenen Jahr gut 377 000 Euro an Energiekosten im Bereich StraĂ&#x;enbeleuchtung bezahlt. Fast ein Drittel mehr als noch 2008. Logisch, dass man hier Einsparpotenziale wittert. Im vergangenen Herbst begann man damit, in ausgewählten Stadtgebieten das Nachtlicht testweise auszuschalten. Nun gibt‘s im Saalfedler Ortsteil RemschĂźtz einen neuen Versuch. Hier gehen schon um 22.30 Uhr die Lichter aus – und kĂśnnen per Anruf wieder angeknipst werden. Das innovative Konzept nennt sich „dial4light“, also Licht per Anruf, wurde in Lemgo entwickelt und wird mittlerweile von elf Städten und Gemeinden in Deutschland praktiziert. Das Ganze funktioniert so, dass registrierte Nutzer per Telefon eine bestimmte Nummer anwählen, die Ăźber ein IT-System einen Schaltbefehl generieren und an ein Modem weitersenden. Wie von Geisterhand geht fĂźr 15 Minuten das StraĂ&#x;enlicht an. StraĂ&#x;enbeleuchtung tritt immer mehr ins Rampenlicht. Nicht erst seit steigende Strompreise den Betrieb der StraĂ&#x;enbeleuchtung fĂźr Kommunen immer teurer werden lässt, sondern auch durch neue Entwicklungen auf dem Gebiet der StraĂ&#x;enbeleuchtung. Das Bundesministerium fĂźr Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) fĂśrdert im nächsten Jahr weiterhin die Erneuerung der StraĂ&#x;en- und AuĂ&#x;enbeleuchtung mit LED-Technik. FĂśrderanträge kĂśnnen vom 1. Januar 2013 bis zum 31. März 2013 eingereicht werden. Der Bedarf ist da: Noch immer ist etwa ein Drittel aller deutschen StraĂ&#x;en mit ineffizienten Beleuchtungsanlagen aus den 1960er-Jahren ausgestattet. Steigende Energiepreise zwingen Städte und Gemeinden zum Handeln. Effiziente Lichttechnik ist vor-

Tradition trifft Moderne im im Saalfelder Ortsteil RemschĂźtz (ThĂźringen): Angesichts steigender Stromkosten will die Stadt Saalfeld das Projekt „Dial4Light“ ausweiten. Dabei wird nachts die StraĂ&#x;enbeleuchtung ausgeschaltet, BĂźrger kĂśnnen aber bei Bedarf via Mobiltelefon das Licht fĂźr eine Viertelstunde anknipsen. Foto: dpa

Einspar-Potenzial

Eine StraĂ&#x;enlampe mit LED-Leuchten.

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2012 bis jetzt beteiligt. Bad Lausick hat bereits 2011 seine StraĂ&#x;enbeleuchtung unter die Lupe nehmen lassen: Die Stadt hat ein Energiesparpotential von rund 27 000 Kilowattstunden Strom pro Jahr. Von den insgesamt 1430 Lichtpunkten sind knapp 20 Prozent älter als 20 Jahre. Damit haben sie die betriebsĂźbliche Nutzungsdauer Ăźberschritten. Zudem sind die Leuchten zum Teil mit veralteten und besonders energieintensiven Quecksilber-Hochdruckdampf-Lampen ausgestattet. Setzt die Kommune die von EnviaM vorgeschlagenen MaĂ&#x;nahmen konsequent um, lassen sich der Energieverbrauch und damit die Energiekosten um rund 5100 Euro pro Jahr senken. „Dank EnviaM wissen wir nun, wo wir den Hebel ansetzen mĂźssen, um bestehende Einsparpotenziale in vollem Umfang auszuschĂśpfen. Damit entlasten wir nicht nur den kommunalen Haushalt, sondern leisten auch einen wertvollen Beitrag zum Klimaschutz. Zudem kĂśnnen wir die Untersuchung als Basis fĂźr die Beantragung von FĂśrdermitteln nutzen“, sagt Josef Eisenmann, BĂźrgermeister der Stadt Bad Lausick. AuĂ&#x;erdem werden Energiespar-Projekte in Kommunen im Rahmen des sogenannten Fonds Energieeffizienz fĂźr

Kommunen finanziell gefĂśrdert. Unter anderem profitieren Deutzen und Neukieritzsch, von der UnterstĂźtzung durch das Energieunternehmen mit Sitz in Chemnitz. „Die Projekte im Landkreis Leipzig gehĂśren zu insgesamt rund 130 Projekten im Grundversorgungsgebiet unseres Unternehmens, die im Jahr 2012 in den Genuss der FĂśrderung kommen. Der Energieeffizienz-Fonds hat in diesem Jahr ein Volumen von 380 000 Euro. Zur VerfĂźgung steht er allen Kommunen im EnviaM-Gebiet, mit denen Konzessionsverträge bestehen“, sagt Reginald Fuchs, EnviaM-Projektleiter des Fonds Energieeffizienz Kommunen. Einen zentralen Anlaufpunkt zum Thema StraĂ&#x;enbeleuchtung liefert EnviaM den Kommunen mit dem LED-Musterleuchtenpark in Grimma. „Auf rund 4500 Quadratmetern kĂśnnen Vertreter von Städten und Gemeinden unterschiedliche LED-Technologien mit verschiedenen Designs begutachten. Unsere Mitarbeiter geben Auskunft Ăźber die Besonderheiten der rund 40 ausgestellten Modelle“, sagt der GeschäftsfĂźhrer des EnviaM-Netzdienstleisters Envia NSG, Adolf Schweer.

INTERVIEW Sind sie es nicht? Nicht in Sachsen. FDP-Chef Holger Zastrow leugnet beharrlich den Klimawandel, fordert ein Wachstumsstopp fĂźr Erneuerbare Energien. Deren Anteil an der Stromproduktion solle in den kommenden zehn Jahren auf 25 Prozent begrenzt werden. Ein Schritt in die energiepolitische Steinzeit. Herr Zastrow will vor allem den Bau von Windenergieanlagen eindämmen und spricht gern Ăźber die ,Verspargelung der sächsischen Kulturlandschaft‘. Wie kommentiert er die Landschaftsveränderung, richtigerweise LandschaftszerstĂśrung, durch die BraunkohlefĂśrderung? In den KĂźstenländern, aber auch Brandenburg und Sachsen-Anhalt beträgt der Anteil der Windenergie bis zu 50 Prozent, in Hessen, Bayern und sogar dem grĂźnrot regierten Baden-WĂźrttemberg sind es aber nur null Prozent und bei der Solarenergie ist es genau umgekehrt. Wie wichtig wäre es hier, dass der Bund die TrĂśdler an die Kandare nimmt? Also in Bayern findet gerade eine kleine Energie-Revolution statt, bei den anderen dauert es etwas länger. Vor allem muss die Bundesregierung mit allen Bundesländern an einem Strang ziehen. Es kann nicht sein, dass jedes Land energiepolitisch sein eigenes SĂźppchen kocht. Aber auch die Energieunternehmen mĂźssen in die Pflicht genommen werden. Vor einigen Tagen schreckte das Energieunternehmen Vattenfall mit der Meldung auf, dass sie darĂźber nachdenken, dass Pumpspeicherwerk Niederwartha in Dresden aus KostengrĂźnden stillzulegen. BegrĂźndet wird

GInteressierte Kommunen kĂśnnen sich fĂźr den Energiebericht StraĂ&#x;enbeleuchtung an ihren zuständigen Kommunalbetreuer wenden.

WassermĂźller schlagen Wellen Sachsen will Betreiber zur Kasse bitten werden“, sagt Angela Markert. Wasser steckt voller Energie. Der flĂźssige Rohstoff ist nicht nur Doch die rund 340 Betreiber Grundlage des Lebens, er ist von Wasserkraftanlagen in auch einer der wichtigsten regeSachsen fĂźrchten um ihre wirtnerativen Energieträger. Vattenschaftliche Existenz. Plänen des fall betreibt beispielsweise in Sächsischen UmweltministeriThĂźringen, Sachsen, Sachsenums zufolge sollen sie ab 2014 Anhalt und Schleswig-Holstein fĂźr die Wasserentnahme zur an insgesamt zwĂślf Standorten Kasse gebeten werden. Ziel des Wasserkraftanlagen unterschiedUmweltministeriums sei es, mit Angela lichen Typs: Laufwasserkraftder Ă„nderung des WassergesetMarkert werke, die rund um die Uhr zes „die Nutzer der Gewässer, Strom erzeugen kĂśnnen. Pumpspeicher- die dadurch einen privaten Vorteil erKraftwerke, die insbesondere zu Spitzen- wirtschaften, angemessen an den Kosten lastzeiten zugeschaltet werden. Als na- fĂźr den Erhalt der Gewässer zu beteilitĂźrliche Energiequellen dienen die FlĂźsse gen“, sagte Sprecher Frank Meyer. „Nicht Elbe, Saale, Bode, Schwarza und Wisen- zuletzt sollen aus den Einnahmen dieser ta. Abgabe VerbesserungsmaĂ&#x;nahmen der Die in Deutschland installierten Anla- GewässerĂśkologie, wie zum Beispiel der gen (Speicher- und Laufwasserkraftanla- Bau von Fischtreppen, gefĂśrdert wergen, inklusive der Grenzkraftwerke) ha- den.“ Nach Meyers Ansicht werde kein ben zusammen eine Leistung von rund Wasserkraftwerker Ăźber GebĂźhr belas4,8 Gigawatt. In den Jahren 2000 bis tet. 2010 produzierten sie je nach WasseranDie in das Haushaltsbegleitgesetz 2013 gebot zwischen 20 und 25 Milliarden Ki- eingebettete Wasserentnahmeabgabe lowattstunden Strom pro Jahr. Kleine sieht 0,01 Cent pro Kubikmeter entnomWasserkraftanlagen mit einer Leistung menen Wassers, hilfsweise die Abgabe bis fĂźnf Megawatt machen rund ein Vier- von bis zu einem Viertel der Einspeisetel der gesamten installierten Leistung vergĂźtung aus Elektroenergie vor. „Dies und der Stromproduktion aus (1,2 Giga- hätte zur Folge, dass rund 80 Prozent watt beziehungsweise 5,5 Milliarden Ki- der sächsischen Wasserkraftanlagen unlowattstunden). Die Wasserkraftbranche rentabel wĂźrden“, prognostiziert Angela geht davon aus, dass die installierte Leis- Markert. Verschärft werden die Zutung bis Ende 2020 auf 6,5 Gigawatt zu- kunftsängste der WassermĂźller noch nimmt und damit etwa 32 Milliarden Ki- durch eine Verwaltungsvorschrift Minlowattstunden im Jahr erzeugt werden destwasser, die die Menge des an den kĂśnnen. „Dieses Ergebnis steht im Wi- Turbinen vorbeizuleitenden Wassers vorderspruch zu diversen Studien, die das schreibt. „Viele Wasserkraftanlagen im Potenzial der Wasserkraft in Deutschland sächsischen Flachland kĂśnnten dann als weitgehend erschĂśpft ansehen“, sagt nur noch drei bis fĂźnf Monate pro Jahr Angela Markert vom Verband der Was- betrieben werden“, so Angela Markert. serkraftbetreiber Sachsen und Sachsen- Falls die absehbaren Einwände der Anhalt. Gegen einen weiteren Ausbau Landtagsopposition zu keinem Umdender Wasserkraft wĂźrden vor allem Natur- ken bei Umweltminister Frank Kupfer schutzgesichtspunkte ins Feld gefĂźhrt. (CDU) fĂźhren, „werden wir Musterklagen Insbesondere die eingeschränkte Durch- von Betroffenen unterstĂźtzen“, kĂźndigt gängigkeit der Gewässer gilt als Problem. Angela Markert an. Diese Schwierigkeit lasse sich jedoch mit Fischtreppen oder Umgehungsgewässern weitgehend lĂśsen. „ZuwachsmĂśglichkeiten bestehen zudem durch Modernisierung. Viele Wasserkraftanlagen in Deutschland, insbesondere Anlagen mit einer installierten Leistung unterhalb von fĂźnf Megawatt, sind Ăźber 50 Jahre alt. Der Modernisierungsbedarf und damit die Chance mit bestehenden Anlagen grĂśĂ&#x;ere Leistungen zu erzielen sind groĂ&#x;. Allein bei kleinen Wasserkraftanlagen kĂśnnen durch Modernisierung zusätz- Eines der ältesten Wasserkraftwerke liegt lich rund 220 Megawatt bereit gestellt an der Saale – in ZiegenrĂźck. Foto: dpa

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handen – und ermĂśglicht Einsparungen bis zu 80 Prozent. Der Energieversorger EnviaM unterstĂźtzt Kommunen beim Energiesparen. Seit Mai 2010 bietet das Unternehmen den „Bericht Energieeffizienz StraĂ&#x;enbeleuchtung“ an und erstellt fĂźr Städte und Gemeinden eine Ăœbersicht Ăźber den Bestand an StraĂ&#x;enbeleuchtungsanlagen mit den einzelnen Lichtpunkten, deren Standort, Technik und Energieverbrauch. Auf Grundlage der Daten werden konkrete EinsparmĂśglichkeiten aufgezeigt. Neun sächsische Kommunen haben sich

STICHWORT

Einer aktuellen Benchmark-Analyse der WirtschaftsprĂźfungsgesellschaft PwC AG zufolge geben die deutschen Kommunen je nach GrĂśĂ&#x;e durchschnittlich zwischen 2100 und 3600 Euro pro Jahr fĂźr die Beleuchtung eines StraĂ&#x;enkilometers aus. Durch den Einsatz effektiver Leuchten, Leuchtmittel und Schaltanlagen kĂśnnten bundesweit Ăźber 100 Millionen Euro jährlich gespart werden.

Frage: Im vergangenen Jahr wurden nach Ihren Berechnungen 19,8 Prozent des sächsischen Stromendverbrauchs durch Windenergie, Biomasse, Photovoltaik, Wasser sowie Klär- und Deponiegas gedeckt. Die grĂśĂ&#x;ten Anteile der Erträge wurden aus Wind und Biomasse geschĂśpft. So wurden im Jahr 2011 knapp neun Prozent des Strombedarfs durch die Stromerzeugung aus Windenergie bereitgestellt. Wie sieht die Bilanz heute aus? Hans-JĂźrgen Schlegel: Ich rechne damit, dass wir aus dem Mix aller regenerativen Energieträger in diesem Jahr rund 20 bis 21 Prozent des Stromverbrauchs decken. Die Windenergie bildet dabei die HauptstĂźtze der Energiewende. 14 neue Windenergieanlagen mit 30,5 Megawatt Leistung sind 2012 gebaut worden. Denn nur mit Repowering, dem Ersetzen alter Anlagen durch neue Anlagen mit hĂśherem Wirkungsgrad, kommen wir nicht weiter. Sachsen hat noch genug Potenzial fĂźr neue Anlagen – sofern sie politisch gewollt sind.

Foto: privat

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Die Windkraftbranche fordert ein hĂśheres Ausbautempo in ThĂźringen und Sachsen. „Die Politik hat die Entwicklung bislang verschlafen und Potenziale brach liegen lassen“, sagte Henning Dettmer, GeschäftsHenning fĂźhrer des BundesverDettmer bands Windenergie, auf dem ersten mitteldeutschen Branchentag in Erfurt. In ThĂźringen werden nur 0,3 Prozent der Landesfläche fĂźr Windenergie genutzt. Mit 605 Windrädern rangiert der Freistaat im Bundesvergleich abgeschlagen auf Platz zehn, Sachsen schafft es mit knapp 859 Anlagen auf den achten Platz – die Stadtstaaten allerdings eingerechnet. Windland Nummer Eins ist Niedersachsen (5500). ThĂźringens Wirtschaftsminister Matthias Machnig (SPD) forderte von den Landkreisen und Kommunen, zwei bis drei Prozent der Fläche fĂźr Windkraft zu reservieren. „Es ist die kosten- und flächeneffizienteste Form der erneuerbaren Energien. Wer gegen die Windenergie ist, ist gegen die Energiewende“, sagte der 52-Jährige. Das Thema sei zu wichtig, um ideologische Scheuklappen aufzusetzen. „Auch Windkraft im Wald darf deshalb kein Tabu mehr sein.“ Bislang legt der Koalitionspartner dagegen sein Veto ein. Ein Sprecher des CDU-Umweltministeriums: „Das ist eine Scheindiskussion. Es gibt ausreichend Flächen auĂ&#x;erhalb des Waldes.“ Der Dresdner Anlagenbauer Boreas, aus dessen Hallen jedes dritte ThĂźringer Windrad stammt, stellte jetzt eine Studie vor, der zufolge zwei Prozent der Landesfläche ausreichen, um die Hälfte des gesamten Energiebedarfs im Freistaat aus Windkraft zu decken – derzeit sind es knapp zwĂślf Prozent. Kritik äuĂ&#x;erte der Bundesverband Windenergie auch angesichts ungelĂśster Probleme beim Anschluss der Windparks auf hoher See. „Die Bundesregierung muss ihre Ausbauziele fĂźr Offshore offiziell korrigieren. Ich halte bestenfalls sechs Gigawatt statt zehn bis 2020 fĂźr realistisch“, sagte Dettmer. Gleichzeitig mĂźssen die Netzbetreiber immer mehr Windräder an Land drosseln, weil die Leitungen Ăźberlastet sind. FĂźr die entgangene EinspeisevergĂźtung kassierten die Betreiber im vergangenen Jahr eine Entschädigung von 33,5 Millionen Euro – eine Verdreifachung gegenĂźber 2010, so die Bundesnetzagentur.

Effiziente StraĂ&#x;enbeleuchtung ermĂśglicht Einsparungen bis zu 80 Prozent

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„Windkraft im Wald darf kein Tabu sein“

Flaute fĂźr die deutsche Windkraftbranche: Die Ă–kostrom-Sparte hat im vergangenen Jahr 19 Prozent weniger neue Kapazität aufgebaut als 2009. dies mit den anstehenden hohen Investitions- und Unterhaltskosten, die sich derzeit nicht mit dem Betrieb des Kraftwerkes refinanzieren lassen wĂźrden. Ein Problem bildet dabei die Verpflichtung, Netzentgelte zu bezahlen. AuĂ&#x;erdem kann der Kraftwerksbetreiber, durch die Kappung der Mittagsspitzen durch die Erneuerbaren Energien, nicht mehr von den groĂ&#x;en Preisunterschieden an der StrombĂśrse profitieren. Dieser Taktiererei muss ein Riegel vorgeschoben werden. Die Politik hat verkĂźndet, dass in Deutschland bis 2020 mindestens 35 Prozent des Stroms aus regenerativen Kraftwerken stammen soll. Ist das realistisch? NatĂźrlich. Der Bundesumweltminister hat das Ziel sogar auf 40 Prozent bis 2020 angehoben. Nach unseren Berechnungen sind auch in Sachsen unter Beibehaltung bisherigem Tempos 40 Prozent realistisch. Vorausgesetzt, Netzausbau und Speicherung werden auch vorangetrieben. Ein Schritt ist schon gemacht. Der staatliche norwegische Stromnetzbetreiber Statnett und der Ăœbertragungsnetzbetreiber Tennet wollen ein 1400-Megawatt-Unterseekabel zwischen Norwegen und Deutschland bauen. Durch das Kabel kann ĂźberschĂźssiger Wind- und Solarstrom von Deutschland nach Norwegen transportiert werden, um die Pumpspeicherwerke zu versorgen. Umgekehrt kann Norwegen Strom aus Wasserkraft in die Bundesrepublik liefern, wenn Sonne und Wind fĂźr die Versorgung nicht ausreichen.


ENERGIE REPORT

Dienstag, 18. Dezember 2012

Erdgas als Kraftstoff – nicht nur fĂźr Vielfahrer eine preisgĂźnstige Alternative gegenĂźber Benzin und etwa 30 Prozent gegenĂźber Diesel nicht sofort wahrnehmen. Jetzt mal ganz einfach: An der Zapfsäule sparen Erdgasfahrer rund die Hälfte im Vergleich zu Benzin und ein Drittel gegenĂźber Diesel. Wie kommt dieser Preisvorteil zustande? Dies ergibt sich aus dem Energiegehalt, der bei allen Kraftstoffen unterschiedlich ist. Der Energiegehalt von einem Kilogramm Erdgas entspricht etwa dem von 1,5 Litern Benzin oder 1,3 Litern Diesel. Frage: VNG setzt sich seit Jahren fĂźr Bei dem derzeit durchschnittlichen Erddas Thema Erdgas als Kraftstoff ein. Wagaspreis von 1,11 Euro pro Kilogramm rum dieses Engagement? in Leipzig wĂźrde ein Liter Erdgas umgeKlaus-Dieter Barbknecht: Wir sind rechnet auf den Energiegehalt von einem als Erdgasspezialist von unseLiter Super Benzin nur rund 70 rem Produkt Erdgas nicht nur Cent kosten. in der Stromerzeugung und im Warum werden ErdgastankWärmemarkt Ăźberzeugt, sonstellenpreise nicht einfach in Lidern sehen auch die Vorteile tern ausgewiesen? Das wĂźrde von Erdgas im Kraftstoffbedoch die Wahrnehmung erleichreich. Als umweltschonende, tern? preiswerte und leistungsstarke Stimmt. Allerdings sieht das Alternative fährt das ErdgasauEichrecht vor, dass Erdgas an der to dem herkĂśmmlichen BenzinTankstelle in Kilogramm ausgeKlaus-Dieter oder Dieselfahrzeug schlichtweg wiesen wird. ErdgasbranchenBarbknecht davon. verbände sind seit lanInwiefern? gem mit Politikern im INTERVIEW Zum einen verursaGespräch, um eine chen Erdgasfahrzeuge energieäquivalente bis zu 25 Prozent weniger CO2 als BenziPreisauszeichnung aller Kraftstoffe ner. Mit Bioerdgas sinkt der AusstoĂ&#x; sodurchzusetzen. Das wäre die fairste Angar um bis zu 97 Prozent. Zum anderen gabe, weil der Autofahrer unmittelbar liegen die Preise fĂźr Erdgas deutlich unvergleichen kĂśnnte, wie viel Energie er ter dem Preis von Diesel und Benzin. fĂźr sein Geld bekommt. Ob und wann die Hinzu kommen geringere Kfz-Steuern. Forderungen umgesetzt werden, ist derzeit noch offen. Bis dahin visualisieren Die Kraftstoffpreise sind doch aber wir den Preisvorteil von Erdgas Ăźber Aufnicht direkt miteinander vergleichbar. kleber an der Zapfsäule. Erdgas wird in Kilogramm ausgewiesen, Benzin- und Dieselpreise dagegen in LiErdgas als Kraftstoff ist zwar gĂźnstitern. ger als Benzin und Diesel, allerdings sind Erdgasfahrzeuge in der Anschaffung In der Tat ist die Preisauszeichnung an teurer. Rentiert sich das Ăźberhaupt? Tankstellen leider noch immer irrefĂźhrend. Der Kunde kann damit den tatsächSelbstverständlich! Die hĂśheren Anlichen Preisvorteil von rund 50 Prozent Die Spritpreise fĂźr Benzin und Diesel steigen seit Jahren kontinuierlich. Kein Wunder, dass alternative Antriebskonzepte immer stärker ins Blickfeld der Autofahrer rĂźcken. Mit dem Erdgasantrieb besteht heute eine preisgĂźnstige, leistungsstarke und umweltfreundliche Alternative fĂźr den Verkehrssektor, sagt Klaus-Dieter Barbknecht, Vorstand Gasverkauf/Personal beim Leipziger Erdgasunternehmen Verbundnetz Gas (VNG).

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In der Entwicklung setzt BMW weiter auf das Prinzip „Evolution und Revolution“. Darunter versteht sich neben der Effizienzsteigerung von Verbrennungsmotoren auch die parallele Entwicklung alternativer Antriebe auf Wasserstoffbasis sowie die EinfĂźhrung von Hybrid- und Elektrofahrzeugen. Hintergrund der Strategie sind unter anderem die Klimaschutzanforderungen der EU, die fĂźr 2015 einen Durchschnittswert fĂźr alle europäischen Fahrzeuge von 130 Gramm CO2-AusstoĂ&#x; pro Kilometer festgesetzt hat. 2020 soll dieser Grenzwert nochmals auf 95 Gramm im europäischen Flottendurchschnitt gesenkt werden. Vorstandsvorsitzender Norbert Reithofer: „DafĂźr brauchen wir neue Technologien“. Mit der BMW-Elektro-Familie – der i3 und der i8 werden in Leipzig gebaut – wĂźrde sich das Unternehmen als InnovationsfĂźhrer positionieren. „Als einziger Hersteller bieten wir ab Ende 2013 speziell fĂźr diesen Antrieb konzipierte Fahrzeuge. Erstmals wird die Karosserie aus Karbon bestehen. Die Energie fĂźr die Montage von BMW i3 und i8 im Werk Leipzig soll aus regenerativen Energien stammen“, kĂźndigte der Vorstandschef an. Deshalb entstehen nun erstmals in Deutschland auf dem Werksgelände eines Automobilherstellers Windkraftanlagen zur direkten Stromversorgung der Produktion vor Ort. Dazu haben jetzt die Bauarbeiten zur Errichtung von vier Windrädern mit einer Leistung von je 2,5 Megawatt begonnen. Die Fertigstellung ist fĂźr das FrĂźhjahr 2013 geplant. Der aus der Windenergieanlage gewonnene Strom deckt den gesamten Strombedarf zur kĂźnftigen Produktion der BMW i Modelle i3 und i8 ab. „Unser Ziel war es von Anfang an, nicht nur eine CO2-freie Mobilität anzubieten, sondern den gesamten WertschĂśpfungsprozess nachhaltig zu gestalten“, sagte Werkleiter Manfred Erlacher. Der Start der Serienproduktion des BMW i3 erfolgt Ende 2013, Anfang 2014 folgt der BMW i8. Mit der Produktion der BMW i Modelle setzt das Werk Leipzig neue MaĂ&#x;stäbe im Hinblick auf den Umweltschutz: So sinkt der Energieverbrauch pro Fahrzeug im Vergleich zum bereits hoch effizienten BMW Produktionsdurchschnitt um 50 Prozent. Mit rund 26 000 Megawattstunden pro Jahr liefern die vier Windkraftanlagen vom Typ Nordex kĂźnftig mehr Strom, als zur Produktion der BMW i Modelle erforderlich ist. Mit diesem Schritt festigt die BMW Group ihren seit acht Jahren ununterbrochenen Spitzenplatz im Dow Jones Sustainability Index als nachhaltigster Automobilhersteller der Welt. Betreiber der Windkraftanlagen wird Deutschlands fĂźhrendes Unternehmen in der Entwicklung von Windenergieprojekten, die wpd AG aus Bremen, sein. Das BMW Werk Leipzig hat mit wpd einen langfristigen Vertrag Ăźber die Abnahme des produzierten Stroms zur direkten Verwendung auf dem Werksgelände geschlossen.

VNG gibt Gas

Foto: Lutz Zimmermann

BMW: RĂźckenwind fĂźr i3 und i8

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- Diesel

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Erdgas

Erdgas hat den grĂśĂ&#x;ten Energiegehalt im Vergleich zu Benzin, Diesel und Autogas und ist der preiswerteste Kraftstoff.

schaffungskosten fĂźr Erdgasfahrzeuge amortisieren sich durch niedrigere Tankrechnungen je nach Fahrzeug bereits bei Fahrleistungen von 10 000 bis 15 000 Kilometern im Jahr. Damit sind die Autos selbst fĂźr Stadtfahrer interessant. FĂźr die Umwelt zahlt es sich ab dem ersten Kilometer aus. Trotz der offensichtlichen Vorteile von Erdgasfahrzeugen steigen die Zulassungszahlen seit Jahren nur geringfĂźgig. Das stimmt so pauschal nicht. Regional ist das recht unterschiedlich. Im vergangenen Jahr gab es zum Beispiel in Leipzig und Umgebung ein Plus von rund 20 Prozent gegenĂźber dem Vorjahr. Diese Zuwächse fallen zwar nicht im gesamten Bundesgebiet so hoch aus, trotzdem sind bereits knapp 100 000 Fahrzeuge zugelassen. Wir rechnen weiterhin mit einer verstärkten Nachfrage, auch, weil die SteuervergĂźnstigungen von Erdgas und Bioerdgas als Kraftstoff jĂźngst durch die EU bis 2030 verlängert wurden. AuĂ&#x;erdem weitet die Automobilbranche ihr Modellangebot sukzessiv aus. Im Vergleich zu den Elektroautos (Zulassungen: 4500) ist das Erdgasauto (Zulassungen: 97 000) ein Kassenschlager. Muss nicht auch das Angebot an Tankstellen weiter verbessert werden? In den vergangenen Jahren hat die Gaswirtschaft Ăźber 200 Millionen Euro in das Tankstellennetz investiert. 2012 sind allein 30 neue Zapfsäulen in Betrieb gegangen. Damit haben wir schon jetzt mit 913 Tankstellen das am besten ausgebaute Netz Europas. AuĂ&#x;erdem beweist die tägliche Praxis, dass eine Fahrt quer durch Deutschland problemlos funktioniert. Ăœbrigens: Mithilfe von Internet und speziellen Apps kann man die nächstgelegene oder gĂźnstigste Tankstelle ganz einfach finden. Das testen wir mit unseren 200 Erdgasfahrzeugen täglich. Auch VNG baut und betreibt Erdgastankstellen‌ Ja. Unser Tochterunternehmen, die VNGErdgastankstellen GmbH, betreibt zehn Stationen in Deutschland, darunter eine Tankstelle in der Rackwitzer StraĂ&#x;e in Leipzig. Das Unternehmen wird auch weitere neue Stationen errichten, vor allem im mitteldeutschen Raum. Eine zusätzliche Tankstelle an einem gut frequentierten Standort in Leipzig ist bereits in Planung. Die Anlage soll voraussichtlich im Sommer nächsten Jahres in Betrieb gehen. Die Tankstellen Ihres Unternehmens gehĂśren zu den Ăźber 100 Tankstellen in Deutschland, die reines Bioerdgas als Kraftstoff anbieten. Warum gerade das grĂźne Erdgaspendant? Zum einen, weil wir mit Bioerdgas demonstrieren kĂśnnen, dass es schon heute eine CO2-freie Kraftstoffvariante gibt. Zum anderen unterstĂźtzen wir die EU damit in ihren Bestrebungen, bis zum Jahr 2020 zehn Prozent Biokraftstoffe beizumischen und zehn Prozent CO2 von der Gewinnung bis hin zur Verbrennung einzusparen.

Gewaltige Wassermengen flieĂ&#x;en ab 2014 wieder durch die zwei 3,4 Meter dicken Fallrohre in das Pumpspeicherkraftwerk Wendefurth (Landkreis Harz). Vattenfall saniert derzeit die Anlage, die 2014 in Betrieb gehen soll. Foto: dpa

Energie auf Pump Die nordrhein-westfälische Landesregierung will eine Machbarkeitsstudie zum Bau von Untertage-Kraftwerken mit 1,3 Millionen Euro fĂśrdern. Zusammen mit dem SteinkohlefĂśrderer RAG solle die MĂśglichkeit geprĂźft werden, in den teils tausend Meter tiefen Schächten des Kohlebergbaus Turbinen mit Wasserkraft anzutreiben. Das Projekt läuft Ăźber vier Jahre. Bislang waren Pumpspeicherkraftwerke Ăźber Tage zu finden, so dass ein entsprechender HĂśhenunterschied im Gelände benĂśtigt wurde. In der aktuellen Energiedebatte spielt die Frage nach neuen Pumpspeicherkraftwerken als bereits erprobte Speichertechnik eine groĂ&#x;e Rolle. Zuletzt hatte das Beratungsunternehmen ecoprog im Rahmen einer Studie ermittelt, dass in Europa bis zum Jahr 2020 mehr als 60 neue Pumpspeicherkraftwerke entstehen wĂźrden. Den Ergebnissen zufolge hätten diese eine installierte Leistung von rund 27 Gigawatt.

HINTERGRUND

Kraft auf Vorrat Das Prinzip ist denkbar einfach. Wasser wird aus einem niedrigen Becken in eine hĂśher gelegenes gepumpt. Zu einem späteren Zeitpunkt rauscht es dann zurĂźck in das untere Becken. Mit der Energie, die das Wasser beim RĂźckfluss aufnimmt, treibt es eine Turbine an, die Strom produziert. Der zum Pumpen notwendige Energiebedarf ist grĂśĂ&#x;er als die Energiemenge, die aus dem Wasser wieder gewonnen wird. Der Wirkungsgrad der meisten Anlagen liegt um 75 Prozent, das heiĂ&#x;t, dass von 100 Prozent der zum Pumpen eingesetzten Energie 75 Prozent wieder zur VerfĂźgung stehen. Im Vergleich zu anderen Speichertechniken ist das ein sehr guter Wert. FĂźr den Betreiber lohnt sich das Ganze, weil er den Strom zum Pumpen bei niedrigem Bedarf gĂźnstig einkaufen kann. Steigt der Strombedarf, erzeugen die Turbinen Strom, der dann teuer verkauft werden kann. ANZEIGE

Bewegung von unten Expertin Claudia Kemfert Ăźber die Risiken des Marktes nesische Hersteller werden finanziell stark unterstĂźtzt, deutsche nicht. Die Konsequenz ist, dass die deutschen Anbieter entweder aufgeben mĂźssen oder sich zusammenschlieĂ&#x;en oder Ăźbernommen werden. Das ist im hĂśchsten MaĂ&#x;e bedauerlich, da wir so eine fĂźhrende Spitzentechnologie verlieren. Die deutschen Solarfirmen haben heute groĂ&#x;e Probleme. Ist das Konzept, mittels Subventionen eine Industrie Frage: Welche Position nehmen aufzubauen, nicht gescheitert? deutsche Anbieter bei den ErneuerbaNein, denn ohne die FĂśrderung Ăźber ren Energien zurzeit im gloeine Umlage auf dem Strombalen Wettbewerb ein? preis hätten wir nicht derart Claudia Kemfert: Eine fĂźhrende Unternehmen in eisehr gute. Die Anbieter ernem so wichtigen Zukunftsneuerbarer Energien aus markt. Auch die AnlagenherDeutschland nehmen internasteller und Zulieferer in tional eine Spitzenposition Deutschland fĂźr die Solarbranein. Allerdings nimmt der che sind international fĂźhrend Wettbewerb aus Asien insbeund profitieren Ăźbrigens auch sondere China bei der Solarvon der weltweiten NachfrageClaudia energie/Photovoltaik deutlich steigerung nach Solarenergie. Kemfert zu, auch Anbieter Durch die Energieaus den USA oder INTERVIEW wende wird sich das Dänemark machen Bild der Energieverim Bereich Windsorgung in Deutschenergie den deutland ändern. Strom kĂśnnte vornehmschen Anbietern erhebliche Konkur- lich dezentral produziert werden, renz. groĂ&#x;e Energiekonzerne werden sich Längst herrscht ein harter Wettbe- umstellen mĂźssen. Sehen Sie hier werb zwischen den Ländern und ihren Chancen fĂźr den Mittelstand? Unternehmen um die fĂźhrende Rolle in der neuen Energiewelt. Dies gilt insbesondere fĂźr regenerative Energiesysteme, bei denen vor allem asiatische Länder ihre Unternehmen und das operative Geschäft massiv unterstĂźtzen. Welches Risiko birgt das fĂźr die eigentlich so zukunftsträchtige Branche der erneuerbaren Energien in Deutschland? Es erhĂśht den Druck auf die deutschen Anbieter. Die Konsequenz der beschriebenen Politik insbesondere in China spĂźren beispielsweise die Solaranbieter in Deutschland massiv. Der Markt leidet unter Ăœberkapazitäten und einem enormen Kostendruck. ChiFoto: dpa

Das Deutsche Institut fĂźr Wirtschaftsforschung (DIW) beklagt das Scheitern deutscher Produzenten von Erneuerbaren-Energien-Systemen auf dem internationalen Markt. DIWEnergieexpertin Claudia Kemfert sieht die deutschen Anbieter dennoch in einer Spitzenposition und verteidigt die FĂśrderpolitik. Von der Energiewende profitiere gerade der Mittelstand und Privathaushalte.

Absolut, die Chancen sind schon heute sichtbar. Denn es ist ja in erster Linie der Mittelstand, der die Energiewende voranbringt. Und nicht nur der. Es sind vor allem Privatpersonen, die derzeit die Energiewende tragen. die Anzahl von Energiegenossenschaften steigt unaufhĂśrlich. Die „Energiewende von unten“ geht munter voran. Die deutsche Wirtschaft hat Zweifel, dass die in Deutschland kĂźnftig produzierte Energie nur so viel kosten wird, dass die internationale Wettbewerbsfähigkeit erhalten bleibt. Sehen Sie auch, dass es in dieser Hinsicht Probleme geben kĂśnnte?

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Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen und hohe Energiekosten haben, sind schon heute von den Zahlungen der EEG-Umlage, Ă–kosteuer oder Emissionshandel ausgenommen. Im Ăźbrigen steigen die Energiekosten vor allem deshalb so stark an, weil die Preise fĂźr fossile Energien immer weiter steigen, dies hat auch in der Vergangenheit zu erheblichen Kostensteigerungen gefĂźhrt. Deutsche Unternehmen sind die effizientesten weltweit, und sie kĂśnnen noch effizienter werden. Die Energieeffizienzverbesserungen verschaffen einen Wettbewerbsvorteil, denn auch Unternehmen in anderen Ländern haben mit steigenden Kosten durch fossile Energien zu kämpfen.

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4 Ein Mini-Blockheizkraftwerk in Dresden. Zwei erdgasgetriebene, vierzylindrige Toyota-Motoren erzeugen hier fßr sechs Häuser Strom und Wärme. Foto: dpa

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ENERGIE REPORT

Seite 12

Dienstag, 18. Dezember 2012

„Die Förderung des Ökostroms ist überzogen“

Thomas Prauße, Vorsitzender der Geschäftsführung der Stadtwerke Leipzig, weist die Schuld an steigenden Strompreisen von sich. Sein Unternehmen sei in Zusammenhang mit der Energiewende ein Thomas „Geldeintreiber für den Prauße Staat“. Der Manager fordert die Bundesregierung auf, den Verbrauchern reinen Wein über das einzuschenken, „was auf sie zukommen wird“. Die Erhöhung der Ökostrom-Umlage und der Netzentgelte sei nur die halbe Wahrheit. Die Energiewende, so Prauße, folgt eigenen Regeln und deren wichtigste heißt: „Die Bürger zahlen alles. Und damit die Hinwendung zu den erneuerbaren Energien zügig vonstattengeht, hat der Gesetzgeber mit der ihm eigenen Phantasie ein System von Steuern, Umlagen und Abgaben ersonnen, das weltweit seinesgleichen sucht.“ Zur Stromsteuer und Umsatzsteuer „gesellen“ sich die Umlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, die Umlage nach dem Gesetz über KraftWärme-Kopplung, die Umlage nach Paragraph 19 der Netzentgeltverordnung, mit der die Befreiung besonders stromintensiver Betriebe von den Netzentgeltzahlungen kompensiert wird, indem die Kosten auf alle anderen Kunden verteilt werden, sowie die Offshore-Haftungsumlage, die es Betreibern von Windanlagen auf hoher See gestattet, von den Bürgern auch dann Geld zu verlangen, wenn die Anlagen noch gar nicht ans Netz angeschlossen wurden. „Das alles erinnert an die Steuer- und Abgabenwillkür im Frankreich Ludwig XVI. mit Naturalabgaben für Bauern, Kopfsteuer, Salzsteuer, Transportabgaben, Brückenzöllen, Mahlund Backgebühren sowie anderen Feinheiten bürokratischer Absurdität“, sagt Prauße. „Der Staat macht uns zu Wegelagerern, die jedem, der vorbeikommt, das Geld abknöpfen“, so Prauße. „Von den Erhöhungen der Preise auf den Rechnungen unserer Kunden haben wir nichts – außer dem Zorn der Kunden. Als Geldeintreiber des Staates reichen wir die Einnahmen nur weiter.“ Prauße ärgert sich über das Ergebnis einer Umfrage des Emnid-Instituts, nach der zwar 72 Prozent der Menschen die Energiewende begrüßen, aber eine ebenfalls deutliche Mehrheit für die damit verbundenen Preiserhöhungen nicht etwa die Politik, sondern die Gier der Energiekonzerne verantwortlich macht. „Das ist typisch für die Politik in Berlin: erst eine gute Sache wie die Energiewende auf den Weg bringen, dann ein Chaos anrichten, schließlich andere dafür verantwortlich machen und sich selbst seitwärts in die Büsche schlagen.“ Klar ist für den Leipziger Stadtwerke-Chef, dass die Strompreise auf Jahre weiter steigen werden: „Wir sind erst am Anfang der Preisspirale.“ Prauße hofft auf die Einrichtung eines Energieministeriums: „Wichtig ist aber, dass dort die Branchenexpertise konzentriert wird. Die technische Umsetzung der Energiewende erfordert keinen taktierenden Politiker, sondern einen gediegenen deutschen Ingenieur.“

Die Strompreise werden zunehmend zur Belastung von Privathaushalten und Wirtschaft. Vor allem in Ostdeutschland leiden kleine und mittlere Betriebe unter den steigenden Kosten, sagt der SpreHartmut cher der InteressenBunsen gemeinschaft der ostdeutschen Unternehmerverbände und Berlins, Hartmut Bunsen.

Foto: dpa

Stadtwerke werden in der Energiewende nach Einschätzung der Chefin des Bundesverbands der Energieund Wasserwirtschaft, Hildegard Müller, eine immer größere Rolle spielen. Chancen für die Unternehmen sieht Hildegard Müller durch den Müller Wandel zu einer dezentraleren Energieversorgung gerade im Zusammenschluss mit Bürgergenossenschaften oder anderen Stadtwerken. Die Stadtwerke haben den Großkonzernen bei der Kraftwerkskapazität zunehmend Marktanteile abgetrotzt. Ihr Anteil an der Gesamtleistung von 157 000 Megawatt stieg bis Ende 2011 auf 12,6 Prozent. Grund dafür ist auch der Erwerb des Essener Versorgers Steag, den ein Konsortium aus sieben Ruhrgebiets-Stadtwerken 2011 für 650 Millionen Euro vom früheren Mutterkonzern Evonik übernommen hatte. Bis 2020 wollen die Stadtwerke ihren Anteil der Kraftwerkskapazität auf 20 Prozent erhöhen. Eine Stärke der Stadtwerke sieht Müller in der Nähe zu den Kunden, die deren Leistungen am Ort aktiv nachfrage. „Auch bei Maßnahmen zur Energieeffizienz – etwa beim Austausch von GasbrennwertKesseln oder der Gebäudesanierung – haben die Stadtwerke mit ihrer Vor-Ort-Verwurzelung eine ganz besondere Kenntnis“, sagte die BDEW-Hauptgeschäftsführerin. Andererseits seien die kommunalen Versorger auch mit besonderen Problemen in der Energiewende konfrontiert. „Gerade bei den Stadtwerken gibt es viele, die mitreden, seien es kommunale oder private Anteilseigner oder die Länder.“ Deren Erwartungen seien nicht immer einhellig. „Und es ist auch klar: Die Unternehmen können den Euro nur einmal ausgeben, zum Beispiel für erneuerbare Energien oder konventionelle Kraftwerke.“

Städte zahlen Millionen Ob in Leipzig, Halle, Chemnitz oder Dresden: Kommunen und ihre Betriebe legen kräftig drauf Da fließen Millionen durch die Steckdosen: Ob Schulen, Kindergärten oder Rathäuser – überall brennt Licht, laufen Klimaanlagen, Computer, Drucker und andere elektrische Geräte und Maschinen. Die Energiewende trifft daher nicht nur Privathaushalte und Privatwirtschaft, sondern auch die Kommunen. Die Mehrkosten durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) reichen die Versorger an ihrer Kunden weiter. 3,7 Cent schlagen beispielsweise die Stadtwerke Leipzig ab Januar auf jede Kilowattstunde auf. L Stadt Leipzig: Einen zweistelligen Millionenbetrag legt die Stadt Leipzig für den Energieverbrauch ihrer Einrichtungen jedes Jahr hin. „Die Energiewende kostet uns im nächsten Jahr 980 000 Euro“, sagt Finanzbürgermeister Torsten Bonew (CDU). „Viel Geld, das uns dann für andere freiwillige Aufgaben nicht zur Verfügung steht.“ Bei einem Sanierungsstau von mehr als einer Milli-

arde Euro bei Schulen, Kitas und Verkehrsinfrastruktur zählt für den obersten Kassenhüter jede Million. Dass die zusätzlichen Belastungen aus EEG-Umlage, Netzentgelten und Offshore-Windparks den städtischen Haushalt dennoch nicht umwerfen, ist dabei nur einem Umstand geschuldet: Leipzig erwartet 2013 deutlich höhere Einnahmen. Mit 43 Millionen Euro sollen zehn Prozent mehr Steuern – vor allem Gewerbe- und Einkommenssteuer – das Stadtsäckel füllen. Doch Leipzig hat auch schon andere Zeiten erlebt. Und angesichts des sich eintrübenden Konjunktur-Himmels verwundert Bonews Kritik an der EEGUmlage nicht. „Das ist eine gesellschaftliche Herausforderung, die aus dem Bundeshaushalt finanziert werden muss“, sagt er. L Verkehrsbetriebe: Auch Ulf Middelberg, der Chef der Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB), sieht die Energiewende kritisch: „Wir geben im Jahr sieben Millionen Euro für Energie aus. Das ist

Sachsen-Anhalts Aluhütten drohen Auftragsrückgänge Sachsen-Anhalts Wirtschaft beklagt „enorme Belastungen“ durch steigende Stromkosten. Die Energiewende mindere die Wettbewerbsfähigkeit der einheimischen Unternehmen auf internationalen Märkten, sagt der Präsident der Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände, Klemens Gutmann. Energieintensiven Firmen der Metall- und Elektroindustrie wie Gießereien und Aluminiumhütten drohten Auftragsrück-

gänge, warnte der Hauptgeschäftsführer des Verbands der Metall- und Elektroindustrie, Matthias Menger. Sie beschäftigten zehn Prozent der rund 47 000 Mitarbeiter der Branche in Sachsen-Anhalt. Diese Arbeitsplätze seien besonders gefährdet, wenn die derzeitige Kostenentwicklung anhalte. Menger befürchtet, dass Betriebe wegen hoher Stromkosten nach Fertigungsalternativen im Ausland suchen und möglicherweise abwandern.

unser größter Materialkostenfaktor. Durch die EEG-Umlage und Netzentgelte steigen unsere Energieausgaben im nächsten Jahr um 700 000 Euro“, rechnet er vor. Nicht zuletzt eine gute Beratung durch die Stadtwerke habe dem Verkehrsunternehmen über drei Jahre „einen guten Strompreis“ gesichert. Doch nun ließen sich Preissteigerungen durch betriebsinterne Einsparungen nicht mehr abfedern. Sie müssten an die Fahrgäste weitergegeben werden. Middelberg. „Tarifsteigerungen sind unvermeidbar.“ Zur Höhe wollte er sich aber noch nicht äußern. Grundsätzlich hält der LVB-Geschäftsführer den zunehmenden Einsatz regenerativer Energien für völlig richtig: „Energiewende bedeutet sparsamen und verantwortungsvollen Umgang mit Energie. Da sind wir als öffentlicher Nahverkehr Teil der Lösung“, sagt er. „Es ist aber widersinnig, diejenigen, die Teil der Lösung sind, stärker zu belasten. Das muss anders finanziert werden.“

Zwei Chemnitzer Firmen von Umlage befreit Die Strompreise steigen in Chemnitz zum 1. Januar 2013 um 3,43 Cent pro Kilowattstunde. „Wenn eine Chemnitzer Familie mit einem Durchschnittsverbrauch von 2400 Kilowattstunden etwa 40 Euro mehr für den Strom ausgeben muss, dann wandert rechnerisch ein Zehner direkt an die Großindustrie, die von der EEG-Umlage befreit ist“, sagt Katharina Weyandt, Vorsitzende des Stadtverbandes von Bündnis 90/Die Grünen. Das sind laut dem Bundesamt

für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle bundesweit fast 1000 Stromabnahmestellen, in Chemnitz nur die Chemnitzer VerkehrsAG für den Straßenbahnbetrieb und die Trompetter Guss Chemnitz GmbH. Eckhard Wünsch, Leiter Vertrieb beim Energieversorger eins, betont: „Die erhöhten staatlichen Umlagen sind eine Belastung für unsere Kunden und auch für uns selbst. Die Politik muss einen Weg finden, dass Strom für alle bezahlbar bleibt.“

L Wasserwerke: Die Kommunalen Wasserwerke (KWL) legen 2013 voraussichtlich 420 000 Euro beim Strom drauf. Das sind zehn Prozent mehr als dieses Jahr. Allein von 2008 bis 2012 stiegen die Strompreise für die KWL um 50 Prozent. Dabei erzeugt das Unternehmen schon selbst Energie, indem es das im Abwasser enthaltene regenerative Potenzial nutzt. So werden in der Kläranlage Rosental 60 Prozent des benötigten Stroms sowie der gesamte Wärmebedarf selbst gewonnen. „Wir leisten als Wasserunternehmen einen wichtigen Beitrag zur Energiewende. Leider wird das nicht belohnt“, erläutert Ulrich Meyer, Technik-Chef der KWL. „Im Gegenteil: Die Energiebezugskosten erhöhen sich durch die steigenden Umlagen in einem Maß, das wir durch all unsere Effizienzmaßnahmen nicht komplett ausgleichen können.“ Inwieweit das Einfluss auf die Wasserpreise hat, könne noch nicht eingeschätzt werden. Zuletzt senkten die KWL im Januar 2012 für 96 Prozent der Leipziger die Preise.

Dresdens Handwerker geben Erhöhung weiter Dresdens Handwerk wird die gestiegenen Preise für Energie und Rohstoffe weitergeben müssen. Bis zum Jahresende rechnen 90 Prozent der Bäcker, Fleischer und Konditoren mit weiteren Verteuerungen, im sonstigen Handwerk sind es immerhin 63 Prozent. Das ist Ergebnis der Herbst-Konjunkturanalyse, die Jörg Dittrich, Präsident der Dresdener Handwerkskammer, vorstellte. Die 22 848 Handwerksbetriebe im Kammerbe-

zirk sehen die Energiewende zweischneidig: Einerseits treiben erneuerbare Energien und der Netzausbau die Stromkosten nach oben und drücken auf die Preise. Andererseits beschert die energetische Sanierung von Gebäuden gerade den Baufirmen langfristig Aufträge. Am Bau werden allerdings Preisanstiege erwartet, weil die neuen energetischen Standards die Quadratmeterkosten erhöhen.

Flott mal zehn Leipzig Wirtschaftsbürgermeister Uwe Albrecht setzt auf Elektromobilität Eine Million Elektrofahrzeuge sollen nach dem Willen der Bundesregierung bis 2020 auf Deutschlands Straßen fahren. Heruntergebrochen auf die Bevölkerungszahl wären dies rund 6000 Elektroautos in Leipzig. Ehrgeizig, aber machbar, sagt Leipzigs Wirtschaftsbürgermeister Uwe Albrecht (CDU). Frage: Mit diesem Ziel vor Augen wurde in diesem Frühjahr unter dem Dach des Leipziger Clusters Energie- und Umwelttechnik das Clusterteam E-Mobilität gegründet. Wer arbeitet in diesem Team mit welchem Fortschritt zusammen?

Das Projekt SaxMobility II läuft bis September 2014. Ziel ist der bedarfsgerechte Aufbau von Ladestationen im (halb-)öffentlichen Raum, ein einheitlicher Zugang zu Ladestationen und ein Abrechnungssystem über mobile Endgeräte. Projektpartner sind Unternehmen und Forschungseinrichtungen in Sachsen sowie die Städte Leipzig und Dresden. Als Zwischenergebnis für Leipzig und Umgebung können wir 33 Ladesäulen an 23 Standorten verbuchen, davon neun private, 19 halböffentliche und fünf öffentliche. Hinzukommen zahlreiche Elektroautos, wobei die Stadt Leipzig mit zehn Autos über die größte kommunale Elektroautoflotte in Sachsen verfügt.

Uwe Albrecht: Dem Clusterteam E-Mobilität gehören Unternehmen der Autobranche, HändDie Bundesregierung lehnt ler – beispielsweise von spezielle Förderprogramme für Elektro-Fahrrädern –, Dienstdie Automobilindustrie veheleister der IT-Branche, aber auch ment ab. BundeswirtschaftsmiUwe die kommunalen Unternehmen nister Philipp Rösler (FDP) beAlbrecht Stadtwerke Leipzig und Leipzitont, dass der Bund ger Verkehrsbetriebe mit der Kfz-SteuerINTERVIEW als wichtige Akteure an. freiheit für ElektroauDie Stadtwerke Leipzig tos – sie gilt für zehn schaffen beispielsweise Jahre – schon einen großen Anreiz gedurch den Aufbau von Ladestationen die setzt habe. Reicht Ihrer Meinung nach Grundlage, dass Leipziger Bürger zu- diese Zugkraft? künftig ihr Elektroauto sicher, zuverlässig Die Nationale Plattform Elektromobiliund umweltfreundlich aufladen können. tät, ein Beratungsgremium der deutschen Mit SaxMobility II kann ein Übergang Bundesregierung, hat am 20. Juni dieses zwischen öffentlichem Personen-Nahver- Jahres der Bundesregierung ihren Fortkehr und Elektrofahrzeugen einschließ- schrittsbericht übergeben. Sie stellte dalich Aufladung und Bezahlung per rin fest, dass Deutschland auf einem guSmartphone organisiert werden. Hierzu ten Weg ist, bis zum Jahr 2020 sollen in Leipzig und Dresden bis zu 58 Leitanbieter und Leitmarkt für ElektroElektrofahrzeuge angeschafft und eine mobilität zu werden. Daher gibt es für Flotte für das Carsharing aufgebaut wer- mich keinen Grund, am gesamtdeutschen den. Wie weit ist das Vorhaben gediehen? Erfolg des eingeschlagenen Weges zu Foto: André Kempner

„Die Rolle der Stadtwerke wird wachsen“

Foto: Armin Kühne

Foto: André Kempner

„Wir sehen uns als Geldeintreiber des Staates“

zweifeln. Als Wirtschaftsbürgermeister wünsche ich mir jedoch deutliche finanzielle Anreize für die Unternehmen, um zukünftig zahlreiche hier produzierte Elektroautos im Stadtbild von Leipzig sehen zu können. In der Bevölkerung hält sich das Urteil, dass ein Elektroauto die eigene Mobilität einschränke, weil Reichweite und Leistung der Akkus zu klein seien. Auch der Preis sorgt nicht für Kaufanreize. Ein Elektroauto kostet noch immer wesentlich mehr als ein vergleichbares Modell mit Verbrennungsmotor. Die Differenz liegt momentan bei 10 000 bis 12 000 Euro. Wie entkräften Sie Vorbehalte in den eigenen Reihen – angesichts knapper öffentlicher Kassen? Vorbehalte kann ich in den eigenen Reihen nicht erkennen. Im Gegenteil, Leipzig verfügt – wie erwähnt – über die größte Elektroflotte in ganz Sachsen. Und das Umweltbewusstsein nimmt, gerade auch in der jüngeren Generation, zu. Daher mache ich mir um die zukünftige Akzeptanz von E-Mobilen keine Sorgen. Zumal mit der Weiterentwicklung der Technologie auch die Preise für Elektrofahrzeuge sinken werden.

Es kommt ganz klar auf beide Faktoren an. Die Leipziger Wirtschaftsförderung legt großen Wert darauf, dass bei Ansiedlungen und der Schaffung von Arbeitsplätzen der Nachhaltigkeits-Gedanke eine große Rolle spielt. Das Beispiel BMW in Leipzig zeigt, wie dies funktionieren kann. Das Unternehmen hat den Arbeitsmarkt bereichert und produziert gleichzeitig sehr nachhaltig. So errichtet das Unternehmen auf dem Werksgelände vier Windkrafträder zur Nutzung regenerativer Energie im Sinne einer nachhaltigen Produktion. BMW ist nach den Ergebnissen der Dow Jones Sustainability Indizes aktuell im Jahr 2012 zum achten Mal in Folge das nachhaltigste Automobilunternehmen der Welt. Solche Beispiele sind wichtig für die Energiemetropole Leipzig.

Weitere Informationen zum Thema sind unter www.energiemetropole-leipzig.de erhältlich.

BMW ist aktuell dabei, sein Werk in Leipzig zu einem Zentrum der Elektromobilität auszubauen. 800 neue Arbeitsplätze werden entstehen. Kommt es Ihnen in puncto Wirtschaftsförderung vor allem auf die Quantität der Investitionen und geschaffenen Arbeitsplätze an oder auch auf Ab an die Ladestation: Auch VW setzt auf Elektromobilität. Foto: dpa die Nachhaltigkeit?

Frage: Anfang 2013 will das Bundesumweltministerium entscheiden, wer von den rund 800 Unternehmen, die bisher von der Ökostromumlage ganz oder teilweise befreit sind, von den Kosten verschont bleiben oder künftig über das EEG zur Kasse gebeten werden. In der Summe geht es um rund neun Milliarden Euro. Empfinden Sie als Mittelständler diesbezüglich Genugtuung? Hartmut Bunsen: Ich betrachte das Problem differenzierter. Kleine und mittlere Betriebe profitieren als Auftragnehmer von energieintensiven Unternehmen. Würden etwa Gießereien und chemische Betriebe aus der Befreiung rausfallen und aus Kostengründen ihre Produktion ins Ausland verlagern, würde dies auch am Industriestandort Ostdeutschland einen Dominoeffekt auslösen. Eine Überprüfung ist zwar notwendig, löst aber nicht generell das Problem, dass Ökostrom noch zu teuer und seine Förderung überzogen ist.

INTERVIEW Ostdeutsche Unternehmen müssen Ihren Angaben zufolge schon jetzt rund 20 Prozent höhere Energiekosten verkraften. Wie stehen Ihre Verbandsmitglieder zur Energiewende? Je mehr sie ihre Wettbewerbsfähigkeit in Gefahr sehen, desto mehr schwindet die Akzeptanz. Die Bürde wird immer größer: Schon heute wiegen die Energiekosten schwerer als der Fachkräftemangel. Der Netzausbau hinkt dem Ausbau der erneuerbaren Energien hinterher. Sie fordern deshalb, dass der ungebremste Ausbau von Windkraft- und Photovoltaik-Anlagen überdacht wird. Was muss Ihrer Ansicht nach noch passieren, damit die Energiewende gelingt? Ohne die neuen Länder, in denen der überwiegende Teil des benötigten Ökostroms für Deutschland erzeugt werden muss und in denen die grundlastfähige Braunkohle zur Verfügung steht, kann die Energiewende nicht gelingen. Um die steigenden Kosten abzufedern, müsste die Stromsteuer von derzeit 2,5 Cent pro Kilowattstunde gesenkt werden. Die Steuer wird erhoben, um die Umweltkosten von Kohle, Gas und Öl im Preis abzubilden. Wenn wir immer mehr Ökostrom haben, ist die Begründung hinfällig. Außerdem brauchen wir wettbewerbsfähige Kraftwerke für die Grundlastsicherung. Damit wäre für die Unternehmer das Thema steigende Preise vom Tisch? Es wäre zumindest eine vorübergehende Entlastung, mehr allerdings nicht. Wegen des ungebremsten Ausbaus von Windkraft- und Photovoltaik-Anlagen werden die Preise weiter steigen. Hinzu kommen die Investitionen in Netze und Speicher. Um das wettzumachen, müssen die Unternehmen in Effizienztechnik investieren, und wir müssen so schnell wie möglich wirtschaftliche Speichertechnologien entwickeln. Das ist aus meiner Sicht die wichtigste Aufgabe von Forschung und Entwicklung. Aber auch das kostet Geld.

TERMINE

Ostdeutsches Energieforum & Enertec L 29. bis 31. Januar 2013: Die Leipziger Messe Enertec stellt zukunftsfähige, effiziente Technologien und innovative Dienstleistungen zur lastnahen Erzeugung, Verteilung und Speicherung von Energie vor. Um „Strategien für eine nachhaltige Energieversorgung“ geht es auf der Internationalen Energiekonferenz am 31. Januar in Leipzig, die im Rahmen der Enertec stattfindet. Zeitgleich findet die 22. Biogas Jahrestagung und größte Biogas-Fachmesse der Welt parallel zur Enertec und Terratec in Leipzig statt.

www.enertec-leipzig.de L 29./30. April 2013: Wie kann die Versorgungssicherheit gewährleistet werden? Wie lässt sich die Energiewende finanzieren? Ist eine Reduzierung des Primärenergiebedarfs um 50 Prozent bis 2050 unter den gegebenen Voraussetzungen überhaupt möglich? Im Rahmen dieser Fragen konzentriert sich das 2. Ostdeutsche Energieforum im Frühjahr 2013 besonders auf die Energiesituation in den neuen Bundesländern. Neben der Erarbeitung fachübergreifender Lösungsansätze hat die branchenoffene Veranstaltung vor allem die Kontaktfindung zwischen den energiebezogenen Branchen, Ebenen und Organisationsformen zum Ziel.

www.ostdeutsches-energieforum.de


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